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Full text of "Das 200-jährige jubiläum der dampfmaschine, 1706-1906"

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I 



i3HANDLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER MATHEMATISCHEN 

mSSENSCHAFTEN MIT EINSCHLUSS IHRER ANWENDUNGEN. 

BEGRÜNDET VON MORITZ CANTOR. XXIH. HEFT. 



o 



DAS 200-JÄHRIGE JUBILÄUM 

DER DAMPFMASCHINE 



1706—1906 






EINE mSTORISOH-TECHNISCH-WIRTSCHAFTLICHE 

BETRACHTUNG VON 



KURT fiERING 

moBNiExm 



JOT 13 FIGUREN IM TEXT 




LEIPZIG 
DRUCK UND VERLAG VON ß. G. TEÜBNER 

1907 



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ATJiB BBOHTE, 
SINSOHLIBSSLIGH DES ÜBBBSETZT7NGSBBGHT8, YOBBBHAIiTEK. 



Vorwort. 



Das 200 jährige Jubiläum der Dampiinaschine erschien mir wichtig ge- 
nug, über den Werdegang der Erfindung und ihre wirtschaftlichen Folgen 
die vorliegende kleine Schrift zu verfassen und der Öffentlichkeit zu über- 
geben. Keineswegs den Anspruch erhebend, alle zur Verfügung stehenden 
Dokumente und Quellen benutzt und angef&hrt zu haben, war es mir nur 
darum zu tun, die Erfindungsgeschichte — über welche leider noch so viele 
irrige Ansichten bestehen — in großen Zügen historisch und technisch dar- 
zustellen. Nach Möglichkeit versuchte ich die historische Wahrheit durch 
Quellenstudien festzustellen. Wo dies nicht möglich war — z. B. bei 
Papins sog. Dampfschiffahrt — , habe ich mich dem mir richtig erscheinen- 
den Beweise bereits vorliegender Druckschriften angeschlossen. Wer der 
Materie größeres Interesse entgegenbringt, möge in den Quellen, welche am 
Schlüsse in einem Literaturnachweis angefCihrt sind, studieren. 

Herrn Diplomingenieur Naumann, sowie Herrn E. Pistob bin ich fOr 
gütige Unterstützung beim ersten und letzten Teile der Arbeit sehr ver- 
bunden. 

Darm Stadt, Januar 1907. 

Enrt Hering. 



a* 



Inhaltsverzeichnis. 



Einleitung l 

I. Vorgeschichte 2 

n. Erfindung der Dampfmaschine: 

Papinb peisönliche Schicksale. Seine wissenschaftlichen Vorarbeiten. Die 

atmosphärische Dampfmaschine . 7 

Bau und Konstruktion der Dampfmaschine 16 j 

Das PAFiNsche Euderschiff 31 

in. Entwicklung der Dampfmaschine bis zur Neuzeit 37 - 

IV. Einzug der Dampfmaschine in das Wirtschaftsleben 44 

Literaturnachweis 58 



Einleitung. 

Kriegs- und Heldentaten von Fürsten und Mannen werden schon seit 
graner Vorzeit in Poesie und Prosa verherrlicht, aber erst die neuere Zeit 
ist dazu übergegangen, auch den Helden der Wissenschaft und der Technik 
Denkmäler aere perennius zu errichten. Wie berechtigt ist daher der Aus- 
spruch Th. Carlyles: „The true Epic of our time is not Arms and the 
Man, but Tools and the Man, an infinitely wider kind of Epic." — „Das 
wahre Epos unserer Zeit ist nicht mehr Waffe und Mensch, sondern Werk- 
zeug und Mensch, — eine unendlich umfassendere Art von Epos." 

Haben unsere Vorfahren ihre Kriegshelden verherrlicht, so ist es 
unsere Pflicht, der Männer, die auf unsere Kultur fördernd gewirkt haben, 
mit Dankbarkeit und Verehrung zu gedenken. 

Der Schwerpunkt unserer ganzen Kultur ist aber mit Begiun des 
Maschinenzeitalters zu Anfang des 18. Jahrhunderts auf das technische 
Gebiet verschoben worden, und zwar bezeichnet die Erfindung der Maschine 
im allgemeinen, der Dampfmaschine im besonderen, den Anfang dieser Um- 
wandlung, 

Der Erfinder der Dampfmaschine verdient deshalb Gegenstand all- 
gemeiner Verehrung zu sein; doch wer war der Erfinder dieser wichtigsten 
Maschine der Neuzeit? Nicht als das Werk eines einzelnen, sondern als das 
Produkt vieler Gelehrten und Praktiker der verschiedensten Nationen tritt 
ans die Dampfmaschine entgegen. 

Die Verdienste, die sich ein James Watt um die Verbesserung der 
Dampfmaschine erworben hat, sind wohl schon in die weitere Öffentlichkeit 
gedrungen. Weniger bekannt dagegen dürften die Arbeiten des Marburger 
Professors Dionysius Papin sein, der vom wissenschaftlichen Standpunkte 
aus die Prinzipien der Dampfmaschine erforschte und festlegte, ja sogar 
selbst einige brauchbare Dampfmaschinen baute und so den Grundstein 
legte zu dem Gebäude, das ein James Watt und andere auszubauen und 
zu vollenden berufen waren. 

200 Jahre sind nun verflossen, daß Papin mit einer größeren betriebs- 
fähigen Dampfmaschine in die Öffentlichkeit trat (1706). 

Anläßlich dieses Jubiläums soll die vorliegende Schrift dazu beitragen, 
den Namen und den Euhm des geistigen Erfinders der Dampfmaschine in 
weitere Bereise zu tragen. 

Abh. 8. Gesch. der math. WisBensolu. XXIII. 1 



I. Yorgesehlelite. 

Um uns ein Urteil bilden zu können, was Papin der Welt an Ideen 
gegeben hat, müssen wir ztmäobst die Fundamente betrachten, auf die er 
das Gebäude seiner Erfindung aufzubauen versuchte. Wir wollen also eine 
kurze Übersicht aller der Gedanken und Experimente geben, die wir im 
Altertum und Mittelalter als Vorläufer der Dampfmaschine bezeichnen 
können und von denen wir annehmen müssen, daß sie dem Marburger Pro- 
fessor nicht unbekannt geblieben sind. Es sind deren allerdings herzlich 
wenige. Von einer Kraftmaschine im Altertume kann man nicht reden. 
Ein wirtschaftliches Bedürfiiis nach einer solchen war nicht vorhanden, 
Menschenkräffce standen in genügender Menge imd Billigkeit zur Verfügung. 
Der Grundsatz: „Zeit ist Geld" ist eine Erfindung unseres Zeitalters. Die 
Kräfte des Wassers und des Windes wurden wohl schon ausgenutzt. Aber 

_ • 

da die Wasserkräfte an einen bestimmten Ort gefesselt sind, so hatten sie 
in einer an Transportmitteln so armen Zeit nur beschränkte Bedeutung. 
Die Windkräfte finden wegen ihrer Unbeständigkeit auch heute nur im 
Mühlenbetriebe Verwendung. Doch wir wollen uns auf die Vorläufer der 
Dampfmaschine beschränken. Es handelt sich hier um Spielereien, besten- 
falls um Versuche, die man infolge der geringen Naturerkenntnis nicht zu 
deuten imd auszuwerten verstand. 

Die erste praktische Verwendung der Dampfkraft soll dem berühmtesten 
Ingenieur des Altertums gelungen sein, Abchimedes von Sjracus, der dort 
um das Jahr 212 v. Chr. seine bekannten Kriegsmaschinen baute. Wie 
uns Leonardo da Vinci berichtet, hat er in einer Dampf kanone die Ex- 
pansion skrafb des Dampfes dazu benutzt, um eine Kugel von einem Talent 
Gewicht sechs Stadien (ca. 1100 m) weit zu schleudern. 

Weitere Versuche machte Heron der Ältere, der um 120 v. Chr. in 
Alexandria lebte. Es handelte sich bei ihm hauptsächlich um Spielereien 
und Zauberkunststückchen, deren Ausführung dazu dienen sollte, das Ansehen 
einer mächtigen Priesterkaste beim gläubigen Volke noch mehr zu erhöhen;, 
von einem ernsten, wissenschaftlichen Naturstudium kann man bei ihm 
nicht reden, noch weniger hatte er eine Ahnung von den Möglichkeiten,. 



I. Vorgeschichte. 3 

welche die Anwendung der Natorkrftfte in sich. barg. Ans dem oben er- 
wähnten Zwecke, den er mit seinen Eunststäckchen verfolgte, erklärt es 
sich auch, daß diese geheim gehalten wurden und nur eine geringe Aus- 
breitung erfuhren. Immerhin finden wir bei ihm eine Anzahl recht hübscher 
(redanken, von denen einige sogar an ganz moderne Konstruktionen an- 
klingen. So stellt seine Drehkugel das Urbild unserer Dampfturbine dar. 
Eine hohle Metallkugel ist in zwei Stützen gelagert und um eine horizon- 
tale Achse drehbar. Senkrecht zu dieser sind am Umfange zwei kurze An- 
satzröhrchen untergebracht, die sich gegenüberstehen und von denen das 
eine nach vorne und das andere nach hinten umgebogen ist. Der Dampf 
wird von einem Dampferzeuger durch eine der Stützen, welche hohl ist, in 
die Kugel geleitet und strömt durch die Ansatzröhrchen ins Freie hinaus. 
Durch seine Beaktionswirkung versetzt er die Kugel in Rotation. 

Ein anderes Beispiel für die Benutzung des Wasserdampfes zur Er- 
zeugung einer Bewegung bietet die tanzende Kugel, die durch ausströmenden 
Dampf in die Höhe geworfen und in hüpfende Bewegung versetzt wird. 
Endlich benutzte Hero den ausströmenden Dampf dazu, einen Trompeter 
blasen, einen Vogel pfeifen und einen Tierkopf das Feuer anfachen zu 
lassen. Der hierzu verwandte Dampferzeuger ähnelt im hohen Maße einem 
Flammrohrkessel mit Gallowayröhren. Wenn sich auch in diesen und ähn- 
lichen Spielereien des Herd ein für jene Zeit sehr bemerkenswertes tech- 
nisches Geschick kund tut, so liegt ihm der Gedanke an eine Dampfmaschine 
gewiß noch sehr fem. 

In den Jahren 16 — 13 v. Chr. schrieb Marcus Vitruvius Pollio, der 
Baumeister und Ingenieur unter Cäsar und Augustus war, ein Buch: De 
architectura. Darin findet sich die erste Erwähnung der sogenannten Aeoli- 
pjle. Es war dies eine hohle Metallkugel mit kleiner Öffnung. Wurde 
diese über einem Feuer erwärmt, so entstand in ihrem Inneren ein luft- 
verdünnter Raum. Hielt man nun die öfl&iung unter Wasser, so füllte 
sich die Kugel mit der Flüssigkeit. Wurde nun die Kugel abermals er- 
wärmt, so bildete sich Wasserdampf, der mit kräftigen Blasen der Öffnung 
entströmte. Vitruv spricht die Ansicht aus, daß das aus dem erhitzten 
Wasser aufsteigende Gas atmosphärische Luft sei, die durch das Feuer aus 
dem Wasser getrieben werde. Denselben Gedanken vertritt der Italiener 
Gambettista della Porta, der 15ö8 sein Werk „Magna naturalis^ schrieb. 
,J)iese Ansicht^S schreibt Beck in seinen „Beiträgen zur Geschichte des 
Maschinenbaues'^, „hat sich bis gegen das 15. Jahrhundert erhalten. Nichts- 
destoweniger ist die Aeolipjle, welche früher in keinem physikalischen 
Kabinett fehlte, von historischem Interesse, weil sie allmählich zu besserer 
und allgemeiner Kenntnis der Dampfkraft führte.^' 



4 Das 200 jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

Derartige Aeolipjlen finden im Mittelalter mehrfach Erwähnung, z. B. 
bei Albebtus Magnus in seiner Abhandlung „De Meteoris". Der byzan- 
tinische Geschichtschreiber Agathias erzählt von Anthemios von Tralles, 
dem Erbauer der Sophienkirche: Anthemios lebte mit dem über ihm woh- 
nenden Eedner Zeno in großer Feindschaffc. um diesem einen gewaltigen 
Schrecken einzujagen, ersann er folgenden Apparat: In großen Becken, die 
nach oben hin mit trompetenfÖrmigen Lederschläuchen verschlossen waren, 
wurde Wasser erhitzt. Die Schläuche waren an der Decke befestigt, und 
der in großer Menge sich entwickelnde Dampf strömte gegen dieselbe und 
versetzte, keinen Ausweg findend, die Balken des ersten Stockwerks mit 
mächtigem Getöse in heftige Erschütterungen. Zeno glaubte, die Erde 
erbebe in ihren Grundfesten, und stürzte im größten Schrecken auf die 
Straße. 

Eine solche Aeolipyle war auch die sogenannte Dampfmaschine des 
Salomon de Caus, in dem der berühmte französische Gelehrte Arago den 
Erfinder der Dampfmaschine entdeckt zu haben glaubte. In seinem Buche 
über „Die Ursachen der bewegenden Kraft bei verschiedenen ebenso inter- 
essanten als nützlichen Maschinen^^, das 1615 zu Frankfurt a. M. erschien, 
beschreibt Salomon de Oaus seinen Apparat ausführlich.*) Es war eine 
hohle Metallkugel, die zwei durch Hähne verschließbare öffiiungen hatte. 
Die eine diente zum Einfüllen des Wassers, die andere bildete das Mimd- 
stück einer Röhre, die tief ins Innere des Gefäßes hineinragte. Füllte 
man nun das Gefäß mit Wasser, schloß den ersten Hahn, öffnete den 
zweiten und erhitzte dann das Gefäß, so wurde das Wasser durch den sich 
entwickelnden Dampf in starken Strahlen herausgetrieben, Salomon de 
Caus, der Gartenbaumeister Ludwigs XIII. war, verwandte diesen Apparat 
zum Betriebe von Springbrunnen. Die Geschichte seines traurigen Endes 
— er soll wegen der Tollheit seiner Erfindung von Richelieu ins Irrenhaus 
geworfen worden sein — ist ins Bereich der Legende zu verweisen. 

Giovanni Branca, der Erbauer der Kirche von Loretto, berichtet von 
einem Apparat, bei dem der Dampf gegen die Schaufeln eines Rades blies, 
wodurch dieses in Umdrehung versetzt wurde und einen Bratenwender, ein 
andermal ein Stampfwerk zum Farbenzerkleinem betrieb. Die Erfindung 
des spanischen Schiffskapitäns Blasgo de Garay, der 1543 ein Dampfboot 
gebaut haben soll, hat sich als ein Schiff mit Schaufelrädern erwiesen, das 
durch Menschenkraft fortbewegt wurde. 

1630 hat ein gemsser Ramsete in England ein Patent auf die Idee 
erhalten, „Wasser durch Feuer in tiefen Bergwerken zu heben". Sonst 



*) Beck, Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaues. 



I. Vorgeschichte« 5 

wissen wir yon ihm gar nichts, über die Art seiner Pläne und über deren 
Ausführung schweigt die Überlieferung**) 

In würdiger Weise schließt die Beihe derer, denen fälschlicherweise 
der Ruhmestitel des Erfinders der Dampfmaschine zuerkannt worden ist, 
der Marquis yon Woboesteb ab. Das 68. Kapitel seiner Schrift „A Cen- 
tury of the names and scienüings of the Marquis of Worcesters Inventions^ 
handelt von der Anwendung der Dampfkraft. Schon die Art und Weise, 
in der er seine Erfindung beschreibt, muß zu Bedenken Anlaß geben. Wir 
lassen seine Worte folgen: 

,Jch habe ein Stück von einer ganzen Kanone, deren Ende zersprungen 
war, genommen und zu drei Viertel mit Wasser gefüllt, und nachdem ich 
das zerbrochene Ende, sowie das Zündloch verstopft und verschraubt und 
ein anhaltendes Feuer darunter gemacht hatte, barst es nach 24 Stunden 
mit einem lauten Knall, so daß, nachdem ich ein Mittel gefunden hatte, 
meine Gefäße so zu machen, daß sie durch die Kraft darin verstärkt 
werden und sich eins nach dem andern füllt, ich das Wasser in einem 
andauernd 40 Fuß hohen Springbrunnen- Strahle ausströmen sah. Ein Ge- 
fäß, das durch Feuer verdünnt wird, treibt 40 Gefäße kaltes Wasser in die 
Höhe, und ein Mann, der den Apparat bedient, hat nur zwei Hähne zu 
drehen, damit, wenn ein Gefäß voll Wasser verbraucht ist, ein anderes zu 
drücken anfängt und so sich wieder mit kaltem Wasser füllt und so ab- 
wechselnd, wobei das Feuer gewartet und gleichmäßig erhalten wird, was 
dieselbe Person gleichfalls in der Zwischenzeit zwischen den notwendigen 
Umdrehungen der genannten Hähne besorgen kann.^^**) Einerseits erscheint 
es uns hierbei verwunderlich, daß das Kanonenrohr geborsten imd nicht die 
Verstopfung hinausgeflogen sein soll, andererseits muß uns die Länge der 
angegebenen Zeit stutzig machen. Auch die Beschreibung der Maschine ist 
höchst unklar und rechtfertigt das Urteil, das Dr. E. Gerland über ihn 
fällte: „Die begeisternden Erklärungen des Erfinders haben dieselbe Beweis- 
kraft für den kühnen Flug seiner Phantasie, wie gegen die wirkliche Aus- 
führung seiner Maschine.^' 

Allen diesen zum Teil ganz hübschen Versuchen fehlte vollständig die 
wissenschaftliche Auswertung, die nur auf dem Boden einer klaren Natur- 
erkenntnis erfolgen konnte. Nur auf einem solchen konnte die Erfindung 
der Dampfmaschine emporwachsen. Sie zu schaffen, war erst jener Epoche 
beschieden, die wie auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit, so auch 
hier eine neue Periode selbständigen geistigen Schaffens und Strebens her- 



*) Matschoss, Die Geschichte der Dampfmaschine S. 30. Aus Beck S. 265. 
**) Beck, Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaues. 



6 Das 200jährige Jubilänm der Dampfmaschine 1706 — 1906. 

auffOhrte: der Renaissance. Weit wichtiger als jene physikalischen Spiele- 
reien dürften demnach fOr Papin die großen naturwissenschaftlichen For- 
schungsergebnisse jener Zeit gewesen sein. Torricelli entdeckte 1643 die 
Schwere der Lufb und wies die Möglichkeit eines luftleeren Baumes nach, 
an der man bisher gezweifelt hatte. Durch die Erfindung der Luftpumpe 
und die bekannten Experimente des Magdeburger Bürgermeisters Otto 
VON GuERiCKE wurdeu weitere unerläßliche Vorbedingungen för Papins 
Arbeiten erfüllt. Jetzt war die Zeit gekommen, in der der Erfinder der 
Dampfmaschine geboren werden mußte. 



II. Die Erflndnng der Dampftnasehine. 

DiONYSiüs Papinüs, Medicin. Doctor, Mathes. Prof. Publ. Marburgensis, 
Consiliarius Hassiacus ac Begiae Societatis Londinensis socius, war der 
Mann, der die erste betriebsfähige Dampfinaschine zu bauen und die wissen- 
schaftliche Grundlage zu deren weiterem Ausbau zu legen berufen war. 
Geboren am 22. August 1647 zu Blois in Frankreich besuchte er das Gym- 
nasium seiner Vaterstadt und bezog schon mit 15 Jahren die Universität 
in Angers. Dort widmete er sich dem Studium der Medizin, doch trieb er 
daneben auch Mathematik und Physik. ' Im Jahre 1669 promovierte er 
bereits zum Doktor der Medizin. Nach seiner Promotion ließ er sich in 
Angers als Arzt nieder, ging aber bald nach Paris und wir können als 
ziemlich sicher annehmen, daß der junge Gelehrte seit 1671 seinen ständigen 
Wohnsitz in Paris hatte. In Paris lernte Papin den berühmten holländischen 
Astronomen und Physiker Christian Huygens van Zuilicheh kennen. 
HüYGENS war Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Papin wurde 
Ammanuensis (Assistent) bei Huygens und es begann für ihn eine reiche 
wissenschaftliche Tätigkeit. Das Erbe Galileis hatte Huygens angetreten 
imd besonders auf dem Gebiete der Astronomie, Mathematik und Physik 
Hervorragendes geleistet. Der vom Magdeburger Bürgermeister Otto 
VON GuERiOKE beziehungsweise von Bobert Boyle erfundenen Luftpumpe 
hafteten noch verschiedene Mängel an, welche zur Durchführung wirklich 
genauer Versuche erst beseitigt werden mußten. Durch Hinzui^gung des 
Tellers, sowie einiger anderer Verbesserungen und durch Verwendung der 
Barometerprobe gelang es Huygens, eine Luftpumpe zu schaffen, mit welcher 
auch messende und vergleichende Versuche ausgefiihrt werden konnten. Mit 
Durchführung dieser Versuche wurde Papin beauftragt. Bei dieser Grelegen- 
heit trat sein Geschick für Experimentalphysik, sowie sein Talent im An- 
fertigen von Instrumenten zum erstenmal zutage. Die Untersuchungen er- 
streckten sich zunächst auf das Verhalten von Pflanzen, Früchten, Tieren 
und Schießpulver im luftverdünnten Raum; besonders erwähnenswert sind 
die Versuche, Fleisch und Früchte unter Luftabschluß zu konservieren. 

In diese Zeit seines Pariser Aufenthaltes fällt auch ein Ereignis, wel- 



8 Das 200 jährige Jubiläum dei Dampfmaschine 1706—1906. 

ches fiir Papin später yon weittragendster Bedeutung werden sollte: Leibkiz 
kam nach Paris und wurde dort zuerst auf Papin und seine Arbeiten auf- 
merksam und verfolgte seitdem die weiteren Schicksale des jungen Gelehrten 
mit großem Interesse, Lange währte jedoch Papins Aufenthalt im Hüyqens- 
schen Laboratorium nicht. Ln Jahre 1674 wandte er sich nach England 
„spe quadam inductus, ut conditionem hie loci, genio suo accommodam 
nancisceretur [Experimentorum novorum Physico-Mechanicorum Continuatio 11 
Genevae 1682, praefatio]", und um mit Boyle zusammen an der Verbesse- 
rung seiner aus Paris mitgebrachten Luftpumpe zu arbeiten. Der Erfolg 
der gemeinschaftlichen Versuche war der Bau der ersten zweistiefeligen 
Luftpumpe, die somit Papin und nicht, wie man bisher fälschlicherweise 
annahm, Hocke zuzuschreiben ist« 

Am 16. Dezember 1680 wurde Papin auf Egbert Botles Vorschlag 
von der Eoyal Society zu ihrem Mitgliede ernannt. Aus Dankbarkeit wid- 
mete er im folgenden Jahre der Society sein Werk: A New Digester or 
Engine, for softaing Bones, containing the Description of its Make and 
Use in Cookery, Voyages at Sea, Confectionary, Making of Dinks, Chymistry 
and Dying. etc. 

Der in dieser Schrift beschriebene Digestor war es, welcher den Namen 
Papins in weitere Kreise trug. Die Einrichtung desselben war im wesent- 
lichen die unserer heutigen Dampfkochtöpfe. Die mit diesem Apparat an- 
gestellten Versuche, welche zum größten Teile der Eoyal Society vorgeführt 
wurden, verfolgten hauptsächlich den Zweck, an Brennmaterial zu sparen. 
Sodann versuchte er damit die „flüchtigen^^ Bestandteile des Fleisches zu 
erhalten und Früchte zu konservieren. Die verschiedenen Experimente mit 
dem neuen Apparat teilte er ein in „Experiences, pour les Cuisiniers, pour 
les Confiseurs, pour les Brasseurs, pour les Chymistes, pour les Teinturiers". 
Während Papin noch mit diesen Arbeiten beschäftigt war, lernte er den 
Senatssekretär der Eepublik Venedig, Sarotti, kennen, der nach London 
gekommen war und die Absicht hatte, nach dem Vorbild der Eoyal Society 
eine Akademie zu gründen, „ad indagandas res naturales, et promovendas 
magis magisque vitae humanae commoditates^^ Sarotti trug Papin die 
Mitgliedschaft an der neuen Akademie an tmd Papin ging darauf ein. 
Über Paris, wo ihm ein ehrenvoller Empfang zuteil wurde, begab sich 
Papin 1681 nach Venedig. An der neuen „Academia publica di scienze 
filosofiche e matematiche" setzte Papin seine Experimente mit der Luft- 
pumpe fort. Lange blieb der Franzose nicht in Venedig, denn im Jahre 
1684 war er schon wieder in London. Li sein früheres Verhältnis zu 
Egbert Boyle trat er nicht wieder, sondern er wurde zum „temporary 
curator of experiments" mit einer Vergütung von 30 Pfund Sterling er- 



IL Die Erfindung der Dampteaschine. 9 

nannt. In seiner neuen Stellung hatte er die Aufgabe, fCLr jede Sitzung 
der Royal Society Experimente vorzubereiten. Die Stellung scheint Papins 
Wünschen sehr entsprochen zu haben, denn er blieb in derselben bis zu 
seinem Weggange von London. Die von Papik ausgeführten Experimente 
sind teils in den Protokollen der Royal Society, teils in den Philosophical 
Transactions niedergelegt. Die üntei'suchungen waren mannigfaltigster Art. 
Eingehende Versuche mit Filtern, der Konstruktion eines Hebers, sowie 
einer Pumpanlage, bei welcher das Wasser durch verdünnte Luft zum 
Steigen gebracht wurde; Verbesserungen an seinem Digestor und an der 
Luftpumpe waren die hauptsächlichsten Arbeiten, mit denen sich Papin 
während seines zweiten Londoner Aufenthaltes beschäftigte. Auch erfand 
er in dieser Zeit ein Sicherheitsventil, welches er bei seinen späteren Ex- 
perimenten benutzte. 

Inzwischen war nun ein Ereignis eingetreten, welches damals durch- 
greifende Veränderungen vor allem in Frankreich hervorrief. Ludwig XTV., 
der allerchristlichste König, hatte am 18. Oktober 1685 das Edikt von 
Nantes aufgehoben. Wenn auch Papin von den Folgen dieses Machtspruches 
nicht unmittelbar berührt wurde, so war ihm doch jegliche Rückkehr in 
sein Vaterland abgeschnitten. 

Seine Verwandten hingegen mußten Frankreich verlassen. Paul Papin, 
ein Bruder unseres Gelehrten, ging nach England, seine Tante Madeleine 
Papin mit Tochter und Schwiegersohn nach Marburg, wohin letzteren, 
Jacob de Malivern^, der Landgraf Karl von Hessen als Professor für 
französische Sprache, Geographie und Heraldik berufen hatte. Gleichzeitig 
mit dieser Berufung erging an Denis Papin der ehrenvolle Ruf des hessi- 
schen Fürsten, den Lehrstuhl für Mathematik und Hydraulik in Marburg 
zu übernehmen. Papin nahm gerne an und teilte seinen Entschluß am 
22. November 1687 der Royal Society brieflich mit. Gegen Ende des 
Jahres reiste Papin von London über Holland nach Deutschland. Im Haag 
besuchte er Huygens, welcher seit 1681 in die Heimat zurückgekehrt 
war, und ging dann nach Kassel, um sich dort dem Landgrafen vorzu- 
stellen. Zu Beginn des Jahres 1688 habilitierte sich der neue Professor in 
Marburg. Aus einer brieflichen Mitteilung an Huygens und aus seiner 
Antrittsrede ersehen wir, daß Papin in vierstündiger Vorlesung Hydraulik 
vortrug. 

In Marburg setzte Papin, da ihm seine Kollegien wenig Zeit weg- 
nahmen, seine in Paris und London begonnenen Arbeiten fort. Als erste 
seiner Erfindungen müssen wir die Zentrifugalpumpe nennen, deren aus- 
gedehnte Verwendungsfähigkeit erst die moderne Technik erkannt hat. 
Der Landgraf Karl war zu jener Zeit damit beschäftigt, die Karlsaue, einen 



10 Das 200jährige Jnbilänm der Dampfinaschine 1706—1906. 

Lustpark nach französischem Muster, auf einem zwischen den beiden Fulda- 
armen bei Kassel gelegenen Gelände anzulegen. Die Entwässerung des 
Parkes gestaltete sich sehr schwierig, da das Grundwasser so rasch nach- 
drang, daß es mit gewöhnlichen Pumpen nicht bewältigt werden konnte. 
Da Papin die Idee der Zentrifugalpumpe bereits von London mitgebracht 
hatte, so bot sich ihm eine willkommene Gelegenheit, die Leistungsfähig- 
keit seines Apparates auszuprobieren. Er machte dem Landgraf den Vor- 
schlag-, seine neue Pumpe für die Entwässerungsanlage zu benützen. Der 
Landgraf war imi diesem Projekt einverstanden, und bei einem Besuche 
des Fürsten in Marburg kurz nach Papins Habiktierung koimte der 
Professor seinem Landesherrn die fertige Maschine vorföhren. Li den acta 
eruditonim vom Jahre 1689 S. 317 ist die Erfindung unter dem Titel „Dion. 
Papini Eotalis Suctor et Pressor Hassiacus in serenissima Aula Casselana 
demonstratus et detectus" veröffentlicht. 

Da man naturgemäß zu der notwendigen schnellen Rotation eine an- 
dauernde und gleich stark bleibende Kraft bedurfte, so reichten Menschen- 
kräfte nicht aus, um die Maschine im Betrieb zu erhalten. Papin mußte 
daher sein Augenmerk auf mechanischen Antrieb richten. 

Die Lösung dieses Problems gab den Anstoß zum Bau der ersten 
Dampfmaschine. Er griff deshalb zunächst auf Versuche, welche er seiner 
Zeit in Paris im Laboratorium Huyqens gemacht hatte, zurück. 1674 
hatte er dem französischen Minister Colbert die angeblich vom Abb^ von 
Hautbfeuille erfundene, von Hüygens aber verbesserte Maschine, welche 
durch die Explosivkraft des Pulvers in Tätigkeit gesetzt wurde, vorgeführt. 
Diese Pulvermaschine verbesserte Papin zunächst, doch mußte er sich bald 
überzeugen, daß auch seine verbesserte Maschine, welche er in den acta 
1688 veröffentlichte, nicht den Anforderungen genügte, die man an einen 
zuverlässigen Kraftmotor stellen mußte. Da erinnerte er sich an seine Ver- 
suche mit dem Digestor in London, und er beschloß, beide Erfindungen zu 
kombinieren. Kolben und Zylinder hatte er bei der Schießpulvermaschine, 
die Dampfkraft bei dem Digestor verwandt, imd bald stand vor seinem gei- 
stigen Auge das Bild einer Maschine, bei welcher der Kolben durch die 
Dampfkraft emporgehoben werden sollte. 

Im Jahre 1690 veröffentlichte er eine neue Schrift: „Nova methodus 
ad vires motrices validissimas levi pretio comparandas" „Neue Methpde die 
größten Triebkräfte mit leichter Mühe zu erzeugen" war die Abhandlung 
über die neue Maschine in den acta von 1690 überschrieben: „ea sit aquae 
proprietas, ut exigua ipsius quantitas vi caloris in vapores conversa vim 
habeat elasticam instar aeris, superveniente autem £rigore in aquam iterum 
ita resolvatur, ut nullum dictae vis elasticae vestigium remaneat; facile 



II. Dis Erfindung der Dampfmaschiiie. 11 

credidi, construi posse machinas, in qaibns aqaa mediaiite calore non valde 
intanso, levibusque Bumptibus, perf«ctum illud vacnum efficeret, qnod pul- 
verig pyrii ope nequaquam poterat obtineri." „ . . . Das Wasser besitzt 
die Eigenschaft, daß, sobald es durch Wärme in Dämpfe verwandelt ist, 
schon eine kleine Menge desselben so elastisch wird wie Loft, wenn aber 
Kalte hinzakommt, es sich wieder in Wasser auflöst, so dafi es voUständig 
aufhört elastisch zu sein; ich glaubte nnn, daß man leicbt Maschinen bauen 
kOnate, in denen das Wasser mittels mäßiger W&rme und bei geringem 
Kostenaufwand jenes vollkommene Vakuum hervorbrächte, dessen Erzenguug 
mit Hilfe des SchieBpolvers noch nirgends gelungen ist." 

Die in den acta befindliche Zeichnung dieser Maschine ist in Fig. 1 
wiedergegeben. Die Bauart der Maschine ist analog der HuYOEKBschen 
Pulvermaschine, welche Papin 
ja als Ausgangspunkt benutzte. 
Es kam ihm vor allem dar- 
auf an, den Mangel der Pul- 
vermaschine, nnr einen un- 
voUkommenen luftleeren Raum 
erzeugen zu können, zu be- 
seitigen. Er ersetzte daher 
das Sehießpulver durch Wasser, 
welches er erhitzte. Bei der 
Verdampfung vergrößert sich 
nnn das Volumen, „vim habet 
elasticam", und bei der nach- 
folgenden Abkühlung des Zy- 
linders schlagen sich die 
Wasserdämpfe derart nieder, 
daß ein vollkommen luftleerer 
Raum entsteht (perfectmn il- 
lud vacunm [Vakuum I] effi- 
ceret). Durch Verwendung 
des Wassers fiel die umstSnd- 
liehe Erneuerung des sich aus- 
dehnenden Stoffes, des Schieß- 
pulvers bei der HuTGENSschen 

Maschine, weg, da das ein- Pig, i, 

mal im Zylinder befindliche "* »iBo.iiiniri.che M.ichine vom j<üi« leso. 

Wasser immer wieder verwendet werden konnte. Die Konstruktion der 
Maschine war sehr einfach: In das zylindrische Gefäß (siehe Figm-) wird 



12 Das 200 jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706 — 1906. 

eine kleine Menge Wasser gegossen, „3 bis 4 Linien Höhe^^; hierauf wird 
der genau eingepaßte, mit Wasser gedichtete Kolben BB herabgestoßen, 
hierbei entweicht die komprimierte Luft durch die im Kolben angebrachte 
kleine Öffnung. Hat man den Kolben nun völlig herabgestoßen, so wird 
die kleine öffiiimg durch eine Eisenstange M geschlossen. Der Zylinder 
selbst ist oben offen, hat aber noch einen Ansatz bezw. Aufbau, an welchem 
eine kleine kreisrunde Eisenplatte II derartig befestigt ist, daß eine Gerade- 
führung der rechteckigen Kolbenstange DI) und der kleinen Eisenstange 
bewirkt wird. An der Kolbenstange h befindet sich eine Nut H in der Weise 
angebracht, daß in dem Moment, in welchem der Kolben seinen höchsten 
Stand erreicht hat, ein durch eine Spiralfeder bewegter Hebel JE mit lautem 
Geräusch einschnappt Der Arbeiter, welcher die Maschine zu bedienen 
hatte, nahm nun den ganzen Zylinder vom Feuer hinweg, worauf sich die 
Wasserdämpfe im Innern des Zylinders niederschlugen und ein Vakuum 
entstand. Durch Lösung des Hebels wurde der vorher arretierte Kolben 
frei, und der in der Atmosphäre herrschende Luftdruck drückte den Kolben 
in das Lmere des Zylinders, wodurch Arbeit geleistet wird. Zur Über- 
tragung der Kraft war am freien Ende der Kolbenstange ein Bing 
zur Aufnahme eines Taues angebracht. Über die Wirkungsweise dieser 
Maschine äußert sich Papin ausführlich in den „acta" und es soll an 
anderer Stelle näher darauf eingegangen werden.*) 

Zu einer betriebsfähigen Ausführung dieser Dampfmaschine von 1690 
scheint es nicht gekommen zu sein, zumal in den nächsten Jahren Papins 
Leben durch andere Dinge: Erfindung einer Taucherglocke, verschiedener 
Ofenkonstruktionen, Streitschriften gegen Leibniz und andere Gelehrten der- 
artig ausgefüllt war, daß er für seine Lieblingsidee, die Vervollkommnung 
der Dampfinaschine, keine Zeit mehr übrig hatte. 



Wie sich Papins persönliche Verhältnisse in Marburg gestalteten, 
können wir aus dem Briefwechsel mit seinem früheren Lehrer Hüygens 
ersehen. Wir erfahren, daß sich Papin schon um 1690 nicht mehr behag- 
lich in Marburg fühlte. Die Verhältnisse erschienen dem weitgereisten und 
vielerfahrenen Manne zu kleinbürgerlich. Zwistigkeiten mit Amtskollegen, 
der schlechte Besuch seiner Kollegien machten ihm den Aufenthalt in Mar- 
burg nicht angenehm. „Weil die geringe Anzahl Studenten", schreibt er 
1690 an Huygens, „welche hierher kommt, allein hier sind, um es dahin 
zu bringen, ilir Leben durch das Studium der Theologie, des Rechts imd 
der Medizin zu fristen, und nach der Art, wie diese Wissenschaften bis jetzt 



*) Siehe S. 31 f. 



n. Die Erfindung der Dampfmaschine. 13 

betrieben werden, die Mathematik hierzu nicht nötig ist^', blieben seine 
Kollegien zum großen Teile leer. Zudem war der Landgraf durch die fort- 
währenden Kriege mit Frankreich abgehalten, den Arbeiten Papins das 
Interesse entgegenzubringen, das der Gelehrte ei'wartet haben mochte. Auch 
seine geringen Einnahmen mögen seine Unzufriedenheit noch mehr erhöht 
haben. Betrug doch sein Gehalt in den ersten Jahren nur 150 fl., wenn 
ihm auch eine baldige Erhöhung in Aussicht gestellt war. Als er sich 
nuQ zu Anfang des Jahres 1691 mit seiner Cousine, der Witwe des in- 
zwischen verstorbenen Professor Maliyern^ verheiratete, reichte sein geringes 
Gehalt nicht mehr aus und er kam beim Landgrafen um Gehaltserhöhung 
ein. Sein Gesuch wurde aber abschlägig beschieden. „Die Einkünfte der 
Akademie^^, schreibt er an Hüyoens, „sind sehr mittelmäßig und infolge des 
Krieges im voraus schwer zu erhalten, so daß ich glaube, daß es diesen 
Herren großes Vergnügen machen würde, wenn sich ihnen ein anständiges 
Mittel böte, sich meiner zu entledigen.'^ Ln Jahre 1692 reichte Papin, da 
ihm die in Aussicht gestellte Gehaltserhöhung nicht zuteil wurde, sein Ab- 
schiedsgesuch ein; dieses wurde jedoch nicht genehmigt, es hatte vielmehr 
lediglich die Folge, daß er die in Aussicht gestellte Gehaltszulage von 40 fl. 
jährlich bekam. 

Auch Streitigkeiten, welche innerhalb der französischen Gemeinde in 
Marburg aus kleinlichen Anlässen entstanden, machten Papins Stellung 
nicht gerade angenehmer. So entstand mit dem Perückenmacher Boiseviel 
ein Streit, welcher zur Folge hatte, daß Papin auf einige Zeit von dem 
Abendmahlsgenusse der reformierten Gemeinde ausgeschlossen wurde. Erst 
durch Intervention des Landgrafen wurde der Konflikt beigelegt. 

Solche unleidliche Ereignisse veranlaßten wohl Papin sich schon zu 
Beginn der 90 er Jahre mehr und mehr in Kassel am Hofe des Landgrafen 
aufzuhalten. Lifolgedessen wurde auch dort ein großer Teil seiner Experi- 
mente durchgeführt. 

Seit 1695 hielt sich nun Papin dauernd in Kassel auf und erfreute 
sich der Gunst des Landgrafen in hohem Maße, wenn auch der fürstliche 
Gönner infolge auswärtiger Kriege und Unternehmungen den wissenschaft- 
lichen Bestrebungen Papins nicht dasjenige Interesse entgegen bringen 
konnte, das notwendig gewesen wäre, um die Entdeckungen und Erfindungen 
des genialen Franzosen zu dem Erfolge zu führen, der ihnen von rechts- 
wegen gebührte. 

So kam es, daß erst im Jahre 1698 Papin die Arbeiten an seiner 
Dampfmaschine wieder aufnahm, und zwar veranlaßt durch den Landgrafen 
Karl. Im Gebiete des Landgrafen waren salzhaltige Quellen entdeckt worden. 



14 Das 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

der Fürst ließ Versuche anstellen, um die Ursache dieses Salzgehaltes fest- 
zustellen. Das Wasser dieser Quellen mußte zu diesem Zwecke gehoben 
werden: Papin, der mit dieser letzteren Aufgabe betraut war, erschien da- 
zu „la force du feu^^ am geeignetsten. Er schreibt, er habe mit ihr schon 
einige erfolgreiche Versuche angestellt, so daß er überzeugt sei, daß man 
diese Kraft noch für wichtigere Dinge als zum Heben von Wasser ver- 
wenden könne. 

Er beabsichtigte dabei nicht allein die Saugwirkun'g sondern auch die 
Druckwirkung des Dampfes zur Erafterzeugung zu verwenden, wie dies aus 
seinem am 23. Juli 1698 an Leibniz gerichteten Briefe hervorgeht: 

„Je le fais a present, d'une maniere plus facile a bien executer 
que Celle que J'aj publiee: et de plus, outre la suction dont Je me servoit, 
J'emploie aussi la force de la pression que Teau exerce sur les autres 
Corps en se düatant "*) 

Wir sehen, daß Papin sich bereits vollständig über das Prinzip der 
Hochdruckmaschine klar war, und er sah sich nun vor die Aufgabe ge- 
stellt, seine Kenntnisse von den Eigenschaften des Dampfes in eine prak- 
tische und betriebssichere Maschine zu verwerten. Es galt also zunächst 
den Bau einer solchen Maschine zu verwirklichen. 

So einfach ihm auch die Herstellung seiner Maschine theoretisch vor- 
kam, so stellten sich doch der praktischen Ausführung ungeahnte Schwierig- 
keiten in den Weg. Denn die Herstellung der für die Maschine benötigten 
großen Zylinder konnte mit den bisherigen Ofenkonstruktionen nicht be- 
werkstelligt werden. Es mußte deshalb zuerst ein neuer Ofen konstruiert 
werden, welcher die Herstellung von Zylindern auch in größeren Dimen- 
sionen ermöglichte. Diese Aufgabe hatte Papin bald zur Zufriedenheit ge- 
löst. Er war jetzt in der Lage große Zylinder fabrizieren zu können, 
doch fehlte es ihm jetzt an einem definitiven Auftrag zur Ausführung der 
neuen Dampfinaschine. In seiner Hoffnung, vom Landgraf bald mit der 
Herstellung der zur Hebung der Salzquellen nötigen Maschine betraut zu 
werden, sah er sich getäuscht. Auch ein anderes Projekt, Wasser aus der 
Fulda, zu heben, schien anfangs gescheitert zu sein, denn er schreibt am 
25. Juli 1898 an Leibniz: „Obgleich der Landgraf sehr befriedigt schien 
über alles das, was ich über diesen Gegenstand gearbeitet habe, so weiß 
ich nicht, aus welchem Grunde Seine Durchlaucht mir nicht die Ehre er- 
wiesen hat, mich bei dem Plane zu verwenden, welcher bezweckte, das 



*) „Ich erreiche dasselbe auf eine viel bequemere als auf die (1690) veröffeni- 
lichte Art: denn außer der Saugwirkung, deren ich mich bisher bediente^ verwende 
ich auch den Druck (Spannung), welchen das Wasser bei seiner Ausddhnxmg (Ver- 
dampfung) auf die andern Körper ausübt.^* 



n. Die Erfindung der Dampfmaschine. 15 

Wasser der Fulda auf einen der Türme seines Schlosses zu heben/^ Leibniz 
suchte jedoch seinen Schützling Papin zu trösten, denn er erwidert ihm 
hierauf: „Ich glaube den Grund zu kennen, warum Seine Durchlauchfc der 
Landgraf einen andern damit beauftragt hat, Wasser auf den Turm seines 
Schlosses zu heben ^ es dürfte wohl der sein, daß der Fürst es vorzieht, 
Ihnen die Erledigung außergewöhnlicher Aufgaben zu überlassen, als Sie 
zu Dingen zu verwenden, die ein anderer auch machen kann/' . . . 

Bald zeigte sich, wie recht Leibniz mit seinen Ausführungen hatte. 
Denn als Papins „Konkurrent'^ seine Pumpe fertig gestellt hatte, zeigte es 
sich, daß sie nicht imstande war, die geforderte Arbeit zu leisten. Nun 
sollte Papin zeigen, was er konnte. Der Landgraf erteilte ihm den Auftrag, 
für dieselbe Pumpanlage eine Maschine nach seinen Plänen zu bauen. Im 
November 1698 war die neue Maschine so weit gediehen, daß man an 
die Aufstellung denken konnte. Leider sollte sie nie vollendet werden. 
Das Fundament, welches die Maschine tragen sollte, war im Flußbett der 
Fulda errichtet, aber nicht genügend befestigt und geschützt, so daß ein 
imgewöhnlich früher Eisgang im November 1698 dasselbe wegriß und die 
Fundamentplatte in den Fluten begrub. Mag sein daß Papin selbst einen 
Teil der Schuld an diesem Mißerfolg trifft, etwa dadurch, daß er nicht 
genügende Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte. Immerhin war ein derartig 
früher Eisgang etwas ungewöhnliches. Auch der Landgraf wollte Papin 
nicht für das Unglück verantwortlich machen und widmete dem Unternehmen 
nach wie vor sein Interesse. Die Arbeiten an der Maschine gerieten je- 
doch durch eine Beise des Landgrafen nach Baden, sowie durch eine 
längere Abwesenheit Papins selbst in Stockungen. Auch der anregende 
briefliche Gedankenaustausch mit Leibniz stockte und wurde erst gegen 
Anfang des Jahres 1702 auf Veranlassung Leibnizens wieder aufge- 
nommen. Die Arbeiten an der Dampfmaschine schienen in weite Feme 
gerückt, denn der Kasseler Gelehrte befaßte sich — in den Jahren 1698 bis 
1704 — mit der Konstruktion neuer Wurfmaschinen, um, wie er sich 
naiv ausdrückt: „finir bientot les malheurs de la guerre/^ 

So waren zwar die Grundlagen geschaffen, theoretisch, wie praktisch 
war alles für die neue Maschine vorbereitet, doch sollte es noch einige 
Jahre dauern, bis Papin seine Erfindung ausbauen und vollenden konnte. 



„Herr Doktor Slarb", schreibt Papin 1699 an Leibniz, „hat mir vor 
kurzem aus England mitgeteilt, daß man in Gegenwart einer Parlaments- 
kommission eine Maschine geprüft hat, um Wasser mit Feuerskraft zu 
heben, aber man war weit davon entfernt, den Erfolg zu erzielen, welchen 
der Erfinder erwartet hatte: Leider hat er mir über die Konstruktion nichts 
mitgeteilt." 

Dies waren die ersten Nachrichten, welche Papin von der SAVERYSchen 
Maschine aus England erhielt. Aus der Briefstelle geht hervor, daß ihm 
1699 über die Konstruktion der SAVBRYSchen Maschine noch nichts bekannt 
war, während er schon 1698 das Prinzip seiner Hochdruckmaschine fest- 
gelegt hatte. Betrachten wir dazu die ganze Entwicklung Papins: die 
Schießpulvermaschine, die Maschine von 1690 und 1698, so kommen wir 
zu der Überzeugung, daß sich Papin seine Kenntnisse von dem Verhalten 
der Gase und Dämpfe aus eigener Anschauung erworben hatte. Seine Prio- 
rität dürfte demnach über allen Zweifel erhaben sein. Ob dagegen Savery 
PAPiNSche Ideen seinen Experimenten zugrunde gelegt hat, vermögen wir 
nicht zu entscheiden, da uns das entsprechende historische Material nicht 
zur Verfügung steht. 

Die eigentliche Erfindungsgeschichte der Dampfmaschine deckt sich so- 
nach mit der Entstehungsgeschichte der pAPiNSchen Maschine von 1706. 
Im folgenden soll diese näher dargestellt werden. 

Über die Natur der Dämpfe waren sich Papin und Leibniz in ihrem 
ausgedehnten Briefwechsel klar geworden. Insbesondere hatten sie den Be- 
griff der Spannkraft (fulmination) festgelegt. Durch die Versuche mit der 
Maschine von 1698 waren Papins Kenntnisse noch wesentlich erweitert 
worden. Die Herstellung großer Zylinder war ermöglicht durch Papins 
Ofenkonstruktion. Versuche, bei denen die Wandstärke der eisernen Zy- 
linder bestimmt werden sollte, waren glücklich abgelaufen. Die notwendigen 
Vorbereitungen zum Bau einer größeren brauchbaren Maschine waren ge- 
troffen, alles in schönster Ordnung, als wieder ein neues Hindernis sich der 
definitiven Ausführung in den Weg stellte. Das Interesse des Landgrafen 
schien erloschen. Mag nun der Grund für diese plötzliche Interesselosig- 



n. Die Erfindung der DampfmaBcbine. 17 

keit des Fürsten in den lange Jahre sich hinziehenden Vorbereitungen zu 
suchen sein, oder war er durch politische Angelegenheiten so sehr in An- 
spruch genommen, daß er keine Zeit mehr für die Experimente hatte, 
welche nur in seinem Beisein stattfinden durfte, Papin blickte wieder 
kurz vor dem Ziele trostlos in die Zukunft. Da kam der Zufall dem 
genialen Franzosen zu Hilfe. Am 6. Januar 1705 sandte Leibniz eine 
Zeichnung der Maschine Sayerys oline jegliche Beschreibung, so wie er sie 
aus England erhalten hatte an Papik. (Für diesen selbst bot diese Maschine 
ja nichts Neues, er hatte den Übelstand welcher der SAVEBYSchen Maschine 
noch anhaftete, daß nämlich die heißen Dämpfe auf das kalte Wasser 
trafen, bei seinen Entwürfen schon längst beseitigt, und hielt die Einrichtung, 
daß die Maschine das Wasser selbst ansaugen mußte, für mangelhaft.) 
Die Zeichnung, welche er von Leibniz erhalten hatte, legte Papin seinem 
Fürsten vor und „der Anblick der englischen Zeichnung^^ schreibt er an 
Leibniz, „erinnerte meinen gnädigen Herrn an die Experimente, welche er 
mich vor Jahren unter Zugrundelegung desselben Prinzipes hatte machen 

lassen und Seine Hoheit hatte mir die Ehre erwiesen, mich damit 

zu beauftragen, diese Kraft (Dampf kraft) zum Betriebe einer Getreidemühle 
anzuwenden.'^ 

Der Auftrag zum Bau der ersten Hochdruckdampfmaschine war damit 
erteilt. Ob den Landgraf dabei der Ehrgeiz getrieben hat, nicht hinter 
den englischen Versuchen zurückzubleiben, oder ob er den eindringlichen 
Bitten seines Rates endlich nachgegeben und die Mittel 2um Bau der neuen 
Maschine bewilligt hat, kann unberücksichtigt bleiben. Papin sah sich plötz- 
lich dem Ziel seiner Wünsche erheblich näher gerückt und machte sich mit 
neuem Eifer ans Werk, über den Verlauf der Vorarbeiten berichtet er am 
23. März 1705 an Leibniz: „Ich kann es Ihnen versichern, je mehr ich vor- 
wärts komme, umsomehr sehe ich mich im Stande, den Wert dieser Eiündung 
zu schätzen, die der Theorie nach die Kräfte des Menschen ins Unendliche 
steigern muß. Was aber die praktische Seite anbelangt so glaube ich ohne 
Übertreibung sagen zu dürfen, daß mit Hilfe dieses Mittels ein einziger Mensch 
die Arbeiten von Hunderten ohne dasselbe verrichten wird. Allerdings gebe 
ich zu, daß Zeit dafür erforderlich sein wird, um es bis zu dieser Voll- 
endung zu bringen. Sie können überzeugt sein, daß ich mein möglichstes 
tun werde, damit die Sache gut und zur Zufriedenheit von statten geht, 
obwohl man hier nur mit großer Mühe brauchbare Arbeiter erhalten kann. 
Indessen hoffe ich, daß mit Gottes Hilfe die Geduld endlich über alle 
Schwierigkeiten triumphieren wird.^^ 

Während des Baues entwickelt sich nun ein sehr anregender und 
lehrreicher Briefwechsel zwischen Papin und Leibniz, aus welchem wir 

Abh. SS. Gesoh. d. math. WisseiiBch. XXIII. 2 



18 Das 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

interessante Einzelheiten über den Werdegang der ersten Dampfmaschine 
entnehmen können. 

„Nach der ganzen Art der Anordnung besteht die Hauptschwierigkeit 
darin, genügend starke Röhren zu erhalten, welche imstande sind dem 
Druck zu widerstehen", schreibt Papin am 23. Juli 1705 an Leibniz. 
Wie wir später hören, stellte er auch alsbald Versuche an, um die 
Wandstärke seiner Gefäße durch das Experiment zu bestimmen; wenn er 
auch über das Resultat seiner Untersuchungen keine näheren Mitteilungen 
macht, so köimen wir doch annehmen, daß er bald die nötige Stärke des 
dampferzeugenden Gefäßes, des DampfzyUnderS und des Steigrohres, welche 
er zur Anfertigimg seiner Maschine benutzte, festgestellt hatte. 

Über die Anwendung des Dampfkolbens verbreiten sich sowohl Papin 
als auch Leibniz ausfuhrlich. In dem oben angeführten Briefe vom Juli 
1705 legt Papin die Gründe dar, welche ihn veranlaßten einen Kolben zu 
verwenden: „Ich entdeckte", sagte er, „bei diesen Versuchen auch andere 
überraschende Erscheinungen, die mich zum Nachdenken veranlaßten, um 
ihre Ursache ausfindig zu machen. Ich bin überzeugt, daß es nicht von 
Vorteil sein werde, wenn man versucht, das Wasser nur unter Anwendung 
des direkten Dampfdruckes auf große Höhen emporzudrücken, weil die gas- 
förmigen Dämpfe, sobald sie heftig auf das kalte Wasser stoßen, wie dies 
notwendig ist, um das hohe Steigen zu veranlassen, unmöglich ihre Energie 
bewahren können; denn sie kondensieren sofort infolge des kalten Wassers 
und je heißer sie sind, um so heftiger bläst das Sicherheitsventil ab; und 
zwar derartig, daß das Sicherheitsventil, welches von selbst infolge der 
unter ihm befindlichen Spannkraft ^schlägt', eine große Bewegung im Wasser 
verursacht: das also in Bewegung geratene Wasser ist viel eher geneigt 
eine große Menge Dampf zu kondensieren, als wenn seine Oberfläche in 
Ruhe bleibt, daher glaube ich sicher, daß dies der Grund ist, warum die 
Leistung im Wasserheben vermindert werde, wenn die Wärme zunimmt, wie 
ich Ihnen oben gesagt habe. -^- Ich habe geglaubt, es ist das Beste so zu 
konstruieren, daß die Dämpfe nicht unmittelbar das Wasser berühren, 
sondern ihre Stoßkraft durch Vermittlung eines Kolbens ausüben, welcher 
sich bald erwärmen wird und dann nur wenig Dampf kondensiert. — Das 
Experiment hat meine Behauptung bestätigt: Mit Hilfe dieses Kolbens ist 
die Wirkung viel besser, als wenn die Dämpfe unmittelbar mit dem Wasser 
in Berührung kpmmen." 

Über die Konstruktion dieses Kolbens selbst sagt Papin, daß die Schwierig- 
keiten mit dem genauen Kolben aus dem Wege geschafft seien. Leibniz 
wundert sich hierüber und fragt daher bei Papin an, wie er denn imstande 
gewesen sei, Kolben mit großer Genauigkeit herzustellen: „Ich sehe," ant- 



i n. Die Erfindung der Dampfmaschine. 19 

! 
I 

wortet er, „daß Sie geglaubt haben, ich hätte noch eine neue Erfindung 
mit sehr genauen Kolben gemacht. Ich habe nicht im entferntesten daran 
gedacht; denn, wenn ich gesagt habe, daß keine Schwierigkeiten mehr mit 
dem genauen Kolben beständen, so kommt das daher, daß die Dämpfe, 
welche den Kolben nach unten stoßen, um das Wasser aus der Pumpe zu 
treiben, mehr Kräfte haben als das Wasser, welches getrieben wird: und so 
kann das Wasser, trotzdem der Kolben nicht ganz dicht ist, nirgends über 
den besagten Kolben treten, weil der Dampfdruck es daran hindert. Ich 
habe die Wirkung in einer Bohre von 16 Zoll Durchmesser beobachtet, 
und es ist kein Grund vorhanden, zu zweifeln, daß die Sache in dickeren 
Röhren genau so vor sich geht." 

Mit Staunen haben wir aus der eben angeführten Briefstelle er- 
sehen, daß Papin bereits die Wirkungen einer — sit venia verbo — kom- 
binierten Oberflächen- und Einspritzkondensation beobachtet: „das also (durch 
das Schlagen des Sicherheitsventils) in Bewegung geratene Wasser ist viel 
eher geneigt eine große Menge Dampf zu kondensieren, als wenn seine 
Oberfläche in Euhe bleibt". Eingehend werden ebenfalls die Vor- und 
Nachteile dieser Kondensation erörtert. Um bei Beginn des Hubes keine 
Kondensation zu haben, hatte er den Kolben eingefügt. Dies hatte aber 
den Nachteil, daß der Dampf nach Beendigung des Hubes sehr lange 
brauchte, um zu kondensieren. Doch schlug er den Gewinn durch die 
Vermeidung der Kondensation bei der Expansion höher an als die durch 
die Kondensation entstehende Saugwirkung: ,Jch habe noch zwei Ideen," 
schreibt er am 17. September 1705 an Leibniz, „die man mit Vorteil 
bei der Feuermaschine verwenden kann. Die erste ist, Vorkehrungen zu 
treffen, daß man nicht mehr nötig hat, die Maschine erkalten zu lasten, 
lim neues Wasser emporzutreiben. Es ist wahr, daß man dadurch die 
Saugwirkung verliert, welche entsteht durch die Luftleere, welche die 
sich niederschlagenden Dämpfe erzeugen. Aber dieser Verlust ist eine 
Kleinigkeit im Verhältnis zum Gewinn auf der anderen Seite: denn wenn 
der Dampfzylinder (vaisseau d'ou on chasse Teau) so heiß ist, daß 
man Wasser auf große Höhe treiben kann, braucht man auch sehr viel 
Zeit, um ihn wieder erkalten zu lassen, und darnach braucht man wieder 
viel Dampf, um ihn auf das höhere Temperatumiveau zu bringen; dagegen 
wenn der Zylinder warm bleibt, braucht man nur wenig Mschen Dampf« 
um den Vorgang zu wiederholen und eine gute Wirkung hervorzurufen. 
Dieser Gedanke ist bereits geprüft und hat sich bewährt." 

Papin hatte also ganz richtig erkannt, daß der Zylinder möglichst 

warm gehalten werden müsse, und der später von Watt ausgesprochene 

Grundsatz: Der Zylinder muß so warm gehalten werden wie der Eintritts- 

2* 



30 ^^s 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

dampf, war ihm schon zu Bewußtsein gekommen, wenn er ihn auch noch 
nicht aussprach. Ja,- wir können sagen, Papin war schon einen Schritt 
weiter gegangen: nämlich zur Verwendung des überhitzten oder Heißdampfes. 
Wie unglaublich diese Behauptung auch klingen mag, so sehe man sich 
doch die folgende Einrichtung der pAPmschen Maschine etwas näher an. 
Am 17. September 1705 schreibt er an Leibniz: „Der zweite Gedanke ist 
folgender: Man bringt in den Dampfzylinder immer ein rot glühendes Eisen, 
so daß die Dämpfe, bei ihrem Eintritt unter Druck, noch Kraft gewinnen 
können durch ihr ZusammeutrefFen mit dem glühenden Eisen. leh habe die 
Ehre gehabt, Ihnen kürzlich von dem ohrenbetäubenden Geräusch berichten 
zu können, welches ein Tropfen Wasser verursacht, der sich auf einem Stück 
glühenden Eisens befindet, wenn man mit dem Schmiedehammer darauf 
schlägt. Diese Beobachtung brachte mich zu der Überzeugung, daß diese 
neue Idee imstande sei, die Wirkungsweise (der Maschine) bedeutend zu er- 
höhen, einen geringen Dampfverbrauch zu erzielen, und demgemäß auch an 
Feuermaterial zu sparen. Daran arbeite ich jetzt mit allem Eifer." Vier 
Wochen später, am 19. Oktober 1705, hatte Papin die Wirkung dieses 
glühenden Eisenstückes bereits erprobt, und er teilte das Resultat seines 
Versuches Leibniz mit: Die glühenden Eisenstücke haben auch eine gute 
Wirkung; aber diejenigen, welche ich benutzte, sind zu klein ,und verloren 
bald ihre Wärme, so daß man schlecht sagen kann, wie groß der durch sie 
entstehende Vorteil ist: doch habe ich die Absicht, sie auch bei einer 
anderen Maschine anzuwenden, und Stücke von 20— -30 Pfund Gewicht zu 
benutzen, welche imstande sind, eine sehr ausgiebige und andauernde Wärme 
zu spenden, und trotz ihres Gewichts ebenso leicht ausgewechselt werden 
könnten wie die von 1 und 2 Pfund. Ich bin überzeugt, daß man, wenn 
man diese Erfindung richtig ausbeutet, bald ganz erhebliche Wirkungen 
erzielen wird." 

Wenn auch auf der Hand liegt, daß die Anordnung dieser glühenden 
Eisenstücke keinen großen Vorteü ergab, so können wir doch hierin wohl 
die Uranfänge unserer modernen Heißdampfmaschinen erblicken, obgleich 
wir uns über die Art und Weise ihrer Verwirklichung eines Lächelns 
nicht enthalten können. Ein kleiner Schritt weiter, und erhebliche Vor- 
teile wären erzielt worden. An die nahe Liegende Trennung von Zylinder, 
Kondensator und Überhitzer dachte Papin nicht! Theoretisch hatte er die 
Aufgabe ja gelöst, aber beim umsetzen in die Praxis wurden durch die 
ungeschickte Anlage und Ausführung die erhofften Vorteile wieder zu nichte. 
Die praktische Hand des Maschinenbauers war noch nicht ausgebildet 
und die Praxis konnte dem genialen Flug der Theorie noch nicht folgen. 



II. Die Erfindung der Dampfinaschine. 21 

— Im Briefe vom 19. Oktober 1705 nimmt Papin auch Stellung zu 
der Frage: Wie kann die hin- and hergehende Bewegung des Kolbens in 
eine kontinuierliche Botation umgewandelt werden? Da die PAPiNsche 
Maschine, wie wir später sehen werden, eine Art Dampfpumpe (Finrention 
pour elever Teau par la force du feu) war, so war das Problem der Kon- 
tinuität der Bewegung verhältnismäßig einfach zu lösen: „Ich erziele^, 
schreibt er an Leibmiz, „ein ununterbrochenes Fließen, da ich die holländische 
Feuerspritze nachahme; ich habe es so eingerichtet, daß meine Maschine 
das Wasser in ein großes kupfernes Geföß pumpt, in welchem Luft kom- 
primiert wird, und diese Lufb drückt dann ihrerseits wieder das Wasser in 
eine eigens zu diesem Zwecke angebrachte AusÜußleitung/' Durch Wahl 
geeigneter Querschnitte und mit Hilfe der komprimierten Luft; konnte man 
also ein ununterbrochenes Fließen erzielen. 

Soweit über den konstruktiven Teil. 

Aus dem Briefwechsel können wir ferner ersehen, daß Papin alles 
aufbot^ um Leibniz zu veranlassen, beim Kurfürsten von Hannover sich 
für Anschaffung einer PAPmschen Dampfmaschine zu verwenden. Denn 
Papin hatte wohl erkannt, daß man in Kassel seiner Erfindung nicht das 
Interesse entgegenbrachte, welches ihrer Bedeutung entsprach. Er versuchte 
daher mit dem Kurfürsten von Hannover in Verbindung zu kommen. Doch 
scheiterte Papins Plan an Leibniz' Vorsicht, welcher sich einer Ablehnung 
einer diesbezüglichen Anfrage von Seiten seines Fürsten nicht aussetzen 
wollte. In seinen immer dringlicher werdenden Briefen setzt deshalb 
Papin ausführlich die Leistung, den Brennmaterialverbrauch, die Ren- 
tabilität seiner Maschine auseinander, er kommt auch auf die mannig- 
fache Anwendungsmöglichkeit zu sprechen. Feiner wird die Frage der 
Kraftübertragung eingehend erörtert, um auch hiermit Leibniz zu veranlassen, 
seinem Fürsten die Anschaffung einer Maschine nahe zu legen. Die 
Leistung seiner Maschine wollte Papin,- wie er in seinem Briefe an Leibniz 
äußert, mit Menschenkräften vergleichen. Leibniz wendet hiergegen ein, 
man könne besser nach Pferdekräften beurteilen. Dieser Ansicht schließt 
sich Papin an. Er schreibt am 31. Dezember 1705: „Daß ich nicht von 
der Kraft der Pferde gesprochen habe, um sie mit der Leistung der 
Feuermaschine zu vergleichen, hat in folgendem seinen Grund: ich glaube 
nicht, daß für den größten Teil der Maschinen ein unterschied be- 
steht zwischen der Kraft; der Pferde und der Kraft der Menschen (für 
die Fahrzeuge liegt die Sache anders). Auf diesen Gedanken hat mich die 
folgende Überlegung gebracht. Die Pferde übertragen ihre Kraft; auf die 
Maschinen in Form einer Drehbewegung, wodurch sie nach kurzer Zeit zu- 
grunde gehen; femer nötigt das zur Anwendung von Zahnrädern und von 



22 Bas SOOjährige Jubiläum der Dampfinaschine 1706—1906. 

Göpeln, die häufigen Anlaß zu Beparaturen geben und außerdem einen Teil 
der Kraft verzehren. Weiter muß man mehrere Pferde haben, die sich ab- 
lösen, weil ein einziges nicht längere Zeit hintereinander arbeiten könnte, 
endlich muß man stets die Kosten für einen Wärter tragen, der die Pferde 
zum Arbeiten antreibt. Alles dies zusammen wiegt fast die Vorteile auf, 
die man aus dem großen Kraftaufwand erzielt, den das Pferd vor dem 
Menschen voraus hat. Ich will mich über diesen Punkt nicht weiter ver- 
breiten, und ich glaube, es ist besser, wenn ich an Sie die Bitte richte, 
da Sie ja mehrere Stellen kennen, wo man Wasser durch Pferdekrafb hebt, 
gütigst eine exakte Berechnung darüber aufzustellen, welche Leistung 
ein Pferd abgeben kann, wie hoch die Kosten für das Futter sind, wie 
lange Pferde von einem bestimmten Preise die Arbeit aushalten und endlich, 
wie hoch die Ausgaben für das Räderwerk sind, und welchen Lohn die 
Leute, welche die Arbeit der Pferde überwachen, erhalten. Ich hoffe Ihnen 
dann neue einwandfreie Vorschläge machen zu können. Mir ist bekannt, 
daß es in der Geschichte der königlichen Akademie eine Aufstellung gibt, 
die der ungefähr entspricht, welche ich in der Sache der Feuermaschine 
fordere. Aber ich habe dies Buch nur kurze Zeit in der Hand gehabt 
und der Besitzer hat es wieder von hier mitgenommen, daher sehe ich mich 
gezwungen, meine Zuflucht zu Ihnen zu nehmen und Sie zu bitten, mich 
über diese Dinge aufzuklären." Leider erfahren wir von den Endergeb- 
nissen dieser von Leibniz angestellten Versuche über die Leistungsfähigkeit 
und die Unkosten des Pferdebetriebes nichts Näheres. In seinem folgenden 
Briefe setzt Papin ausführlich die Rentabilität seiner Maschine auseinander. 
Er schreibt am 23. März 1706: „...Unterdessen hatte ich Muße, eine kleine 
Abhandlung über diese Maschine zu schreiben und mit Sorgfalt zu unter- 
suchen, was man von ihr erwarten kann, mit dem Erfolg, daß ich zur Zeit 
viel verwegener bin, und ohne die Antwort abzuwarten, die man Ihnen 
über die im Harz verwendeten Pferdestärken geben wird, will ich es wagen 
Ihnen auf meine Kosten eine neue Maschine anzubieten, wie ich es Ihnen 
am 2. November unterbreitet habe. Ich bin bereit, dieselbe selbst nach 
Hannover zu bringen. Wir wollen zunächst feststellen, wieviel eine ge- 
wisse Wassermenge auf eine gewisse Höhe mit Pferdekraft zu pumpen 
kostet. Stellt es sich dann heraus, daß unsere Maschine nicht dieselbe 
Leistung um den vierten Teil billiger macht, bin ich damit einverstanden, 
daß man sie mir zur Verfügung stellt, ohne mich für meine Kosten, die 
ich gehabt habe, zu entschädigen. Dagegen für den Fall, daß sie imstande 
ist, dasselbe um den vierten Teil billiger zu leisten, glaube ich wohl, 
daß es der Mühe wert sein dürfte, sie zu kaufen. Denn abgesehen von der 
Kostenersparnis ist man von der Unzulänglichkeit des Pferdebetriebes befreit, 



n. Die Erfindung der DampfmaBchine. 23 

da die Pferde immer allerlei Zufällen ausgesetzt sind und täglich altem. 
Pur einen derartigen Kauf verlange ich 300 Taler. Aber für den Fall, 
•daß es sich herausstellt, daß besagte Maschine mehr leistet, als ich zu be- 
haupten wage, verlange ich noch, daß man außer der kontraktlichen Leistung, 
welche ich garantiere, feststelle, welche Wassermenge sie in einem Jahre 
mehr gehoben hat, als man dem Kaufvertrag zugrunde gelegt hat: und 
•daß man mir gibt, was es kosten würde, um dieses Wasser mit Pferdekraft 
2u heben. Ich höre, daß man die Größe der Leistung ebenso gut nach 
der Höhe wie nach der Menge des Wassers bemessen kann. Ich glaube, ich 
l:ann hier, was ich schon in einem vorhergehenden Briefe gesagt habe, 
wiederholen: Es scheint mir, daß Seine Hoheit der Kurfürst, wenn er 
diese Vorschläge anninmit, nur das Eisiko hat, zu gewinnen aber nicht zu 
Terlieren. Da er nur den Nutzen eines Jahres zu bezahlen hat, während 
•er ihn immer genießt, und da er außerdem nur für eine solche Maschine 
zu bezahlen hat, die ihm auch als Modell dienen kann, um danach mehr 
tils zwanzig andere zu machen, die er aufstellen kann, wo es nötig ist. 
und so glaube ich, daß dieser große Fürst, ohne seiner Klugheit zu 
schaden, mir die Ehre erweisen könnte, die in Vorschlag gebrachte Maschine 
auch anzuwenden.^^ So günstig diese Bedingungen auch waren, vermochten 
sie doch nicht den allzu vorsichtigen Leibniz zu veranlassen, die Anschaffung 
der Maschine seinem Kurfürsten zu empfehlen. 

Während die dem Kurfürsten von Hannover offerierte Maschine dazu 
dienen sollte, Wasser zu heben, waren sowohl von Papin als auch von Leibniz 
noch andere Verwendungsmöglichkeiten ins Auge gefaßt worden. Nämlich 
die Anwendung als Schiffsmaschine*) imd als Motor für Landfuhrwerke: 
^, — falls der Baum fcLr die mitzufahrenden Heizungsmaterialien nicht zu 
groß ist", schreibt Leibniz, „müßte meiner Vorstellung nach die Feuer- 
maschme für die Galeeren vorzüglich geeignet sein. Wenn man sie dahin 
bringen würde, das gleiche zu leisten wie die Pferde, würde ihr auch die 
Fortbewegung der Wagen eine ausgezeichnete Verwendung sichern". Papin 
erwidert ihm hierauf: „Es war immer meine, Absicht einen Versuch mit 
der Anwendung auf Wasserfahrzeuge zu machen. Ich bin überzeugt, daß 
man durch die Anwendung dieser Kraft Schifie gewinnen könnte, die immer, 
trotz Sturm und widrigen Winden, ihren Kurs einhalten könnten. Auch 
glaube ich wohl, daß man mit der Zeit dazu kommen würde dieselbe Kraft 
für Landfahrzeuge anzuwenden, aber man kann nicht alles auf einmal machen." 

Was die Kraftübertragung anbetrifft, so wird dieselbe von beiden 
Gelehrten sehr eingehend behandelt. Papin ist für Zentralisierung der An- 



•) Siehe S. 31. 



24 I^as 200jährige Jnbil&imi der Dampfmascbine 1706—1906. 

triebskräfte, d. h. Anlage einer großen Zentrale, und von dort Übertragung 
der Kraffc nach den Yerwendungsstellen, während Leibniz mehr dazu neigt^ 
an jeder einzelnen Yerwendungsstelle eine Feuermaschine aufzustellen. Am 
17. September 1705 sehreibt Papin an Leibniz: „ — zum Schlüsse glaube 
ich, daB es vorteilhafter ist, Wasser mit einer einzigen Pumpe z. B. auf 
500 Fuß Höhe zu treiben, als genötigt zu sein 10 Pumpen anzuwenden,. 
Yon denen jede das Wasser 50 Fuß hoch treibt, denn man würde dann 
an Pumpen sparen und an Arbeitern, welche sie bedienen müßten. Waa 
die Kraftübertragung auf weite Entfernung anbelangt, so möchte ich Ihnen 
sagen, daß ich in meinen Briefen an den Grafen t. Greiffensteik zwei 
verschiedene Methoden hierfür angegeben habe, die eine mit Luftverdünnung,, 
die andere mit Luftverdichtimg. Aber ich glaube nicht, daß es notwendig 
ist, zu dei'artigen Mitteln gegenwärtig seine Zuflucht zu nehmen, denn die 
Feuermaschine kann überall da, wo man will, große Eräffce erzeugen,, 
und sie ist so billig, daß es eine überflüssige Ausgabe wäre es anders zu 
machen." Hierauf erwidert ihm Leibniz: „Was die Eraftübeiiragung auf 
beträchtliche Entfernungen anbelangt, so bin ich der Ansicht, daß man 
überall Feuermaschinen aufstellen kann. Trotzdem können Fälle eintreten,, 
wo die Kraftübertragung von Nutzen ist, da ein und dieselbe Feuermaschine 
mehrere Verrichtungen zu gleicher Zeit bei räumlicher Entfernung vornehmen 
kann und bei denen es nicht der Mühe wert oder nicht bequem möglich 
ist, eine eigene Feuermaschine aufzustellen. Dies ist der Fall bei unseren 
Bergwerken, wo eine Kraftquelle 20 Pumpen nacheinander treiben muß, die 
im Bergwerk verstreut sind." 

Dank der Anregung aus diesem Briefwechsel nahmen die Arbeiten 
an der Dampfmaschine guten Fortgang, und im Hochsommer 1706 -war 
die Maschine vollendet. 

„Ars nova ad aquam ignis adminiculo efflcacissime elevandam, Authore 
Dionysio Papin. Med. Doctore, Mathes. Profess. Publ. Marburgensi Consiliario 
Hassiaco ac Begiae Societatis Londinensis socio, Lipsiae 1707" lautet 
der Titel des neuen Werkes, welches Papin über seine Dampfmaschine ver- 
öffentlichte und dem wir die Fig. 3 entnommen haben. Fig. 4 zeigt den 
rekonstruierten Längsschnitt durch die Maschine. Als Dampfkessel diente 
der kupferne Kessel ÄÄ, welcher eine elliptische Form hatte und vom 
Erfinder „Retorte" genannt wurde. Der kleine Durchmesser des Ellipsoid» 
betrug etwas mehr wie 20 Zoll, während der große Durchmesser etwa 
26 Zoll betrug. Der Kessel war jedenfalls eingemauert und unter ihm eine 
Feuerung angebracht. Wasser wurde dem Kessel durch das Sicherheits- 
ventil CC zugeführt. Aus dem Dampfraum des Kessels fühi-te eine Rohr- 
leitung BB, welche mit einem Absperrhahn versehen war, nach dem 



n. Die Erfindung der DunpfmOBchine 



25 



Zylinder der Maschine. Dieser Dampfzjlinder hatte einen DurchmeSBer von 
20 Zoll bei 15 Zoll HShe. Im Zylinder selbst bef&nd sich ein hohler aus Blech 
zusammengesetzter Kolben (ff^ TOn hutfürmiger Gestalt; in die zylindrische 
Vertiefung des Kolbens {JJ} 
konnte man das aus Fapins 
Briefen an Leibniz bekannte 
glühende Eisenstück ein- 
setzen, unter dem Kolben 
befand sich Wasser, welches 
durch den Trichter (GG) 
in den kniefCrmigen Zylin- 
deransatz (BS) eingeführt 
'wurde, und welches den 
Kolben in die Höhe hob. 
Auf der andern Seite des 
Zylinderansatzes begann das 
Steigrohr (3fJtf), welches 
in ein hochstehendes Wasser- 
reserroir (NN) mündete. 
Die Inbetriebsetzung nnd 
Wirkungsweise der Maschine 
war folgende: Nachdem das 
Feuer unter dem Dampf- 
kessel angezündet war, ließ 
der mit der Wartung der 
Pumpe beauftragte Arbeiter 
durch den Trichter (GG) Fi«, t. 

WftHSBr in den Zvlinder Tilelbl»tt dei .,«. hot.-. in «elcher Pspin Hlne 

Wasser m aen z,yunaer Dwnpton.chine T«o(fBiitiieiii. 

einströmen. Dieses Wasser 

hob den Kolben (FF) in die Höhe bis er seinen höchsten Stand erreicht 
hatte. Hierauf wurde durch die Ofiiung (Z) das in der Feuerung bis auf 
Botglut erhitzte Eisenstück in den Kolben eingeführt. Nun konnte man 
den Hahn (E) Öffnen und der mittlerweile in (AA) erzeugte Dampf strömte 
in Zylinder über, expandierte und drückte den Kolben nach unten. Das 
unter dem Kolben befindliche Wasser wurde nun durch das Steigrohr (MM) 
in das Reservoir (NN) gedrückt, in' welchem die darin befindliche Luft 
allroKblicb komprimieri wurde. Am Fuße des Wasserreservoirs war noch ein 
Hahn (X) angebracht, aus welchem das Wasser ausströmen und ein Mühl- 
rad in Bewegung setzen konnte. War ein Hub der Maschine vollendet, so 
wurde durch den Arbeiter der Hahn (JS) geschlossen und der kleine am 



6 Das 200jähTig6 Jubiläum der Dampfmaschine 1T06— 190S. 

Dampfzjlinder befindliche Hahn (u) geCffnet, so daß der verbrauchte Dampf 

ausströmen konnte. Das in (Gö) enthaltene Wasser Öffnet nun selbst- 
tätig das Bückschlagsventil (S) und fließt durch {H) nach (i)), hebt den 
Kolben wieder empor und ein neuer Arbeitsprozeß konnte vor sich gehen. 
Außerdem waren noch die Hahne {B) und (T) angebracht, welche den 
Zweck hatten, aus (JJ) den Dampf und ans (7) das Wasser ablassen zu 
können. 



Die In der „ug ddcb" 



Um die Größenverhältnisse dieser ersten Dampfmaschine besser be- 
urteilen za können, sind in der folgenden Tabelle die Maße unter Zagmude- 
legung des im früheren Kurfürstentum Hessen geltenden Maßsystems: 

1 Normalfuß zu 12 Zoll = 287 mm 
nochmals zusammengestellt. 

Kessel, kleine Achse 



Zylinderdurchmesser 

ZylinderlBnge 

Kolbenhub 

Anzahl der Hube pro Minute 
Steigrohr - Durchmesser 

„ -Länge 
Wasserreservoir - Durchmesser 
-Höhe 



480 mm, 
620 „ 
480 
360 
300 
5—6 
120 
20300 
550 
990 



n. Die Eifindung der DampfinaBchine. 



27 



Betrachten wir uns die Wirkungsweise der Maschine etwas nfther, so 
könnte man auf den ersten Blick glauben, die Maschine hätte unmöglich mit 
Erfolg arbeiten können, da der Druck der komprimierten Luffc im Wasser- 
reservoir schnell zunehmen wird. Sehen wir jedoch genauer zu, so werden 
-wir gerade hierin das Genie Papins bewundem müssen« Denn seine Maschine 
war derartig konstruiert, daß der Dampf in dem Augenblicke, in welchem 
man es von ihm verlangte, auch seine größte Kraft entfalten konnte, in 
dem er gezwungen wurde, zu expandieren. Die in NN komprimierte Luft 




Fig. 4. 
Bekonstmktion der Papinsohen Dampfmasohlne von 1706. 



reduzierte auch die Stöße der Maschine auf ein Minimum. Gleichzeitig 
diente die Luft dazu, am Schluß des Hubes das Bückschlagsventil schneller 
zu schließen. 

Ln Juli wurde die neue Dampfmaschine dem Landgrafen Karl im 
Treppenhause des 1695 erbauten Eunsthauses im Betriebe vorgeführt. Am 
19. August berichtete Papin über den Ausgang dieser Versuche an Leibniz: 
„Man benutzte starke gußeiserne Röhren, weil man glaubte, daß ihre Ver- 
wendung das Beste und Bequemste wäre. Was mich anbetrifft, so erklärte 
ich von vornherein, daß diese Bohren unmöglich Widerstand leisten könnten, 
weil man die Verbindungsstellen mit Kitt hergestellt hatte; aber andere 



28 Das 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

widersprachen: und als man zum Versuch kam, sah man^ daß in der Tat 
das Wasser ans allen Verbindungsstellen heraustrat, und das geschah an 
der untersten Stelle in derartigem Maße, daß Seine Durchlaucht bald er- 
klärte, dieser Versuch könne nicht gelingen^ aber ich bat ihn sehr unter- 
tänig, ein wenig zu warten, weil ich glaubte, daß die Maschine trotz der 
großen Verluste an den zahlreichen Verbindungsstellen genug Wasser liefern 
würde. Und in der Tat, als wir die Operationen fortsetzten, sahen wir 
vier- oder fanftnal das Wasser oben aus dem Steigrohr treten. Man wollte 
hierauf die Röhren neu verkitten, aber da der Kitt warm war, drang eine 
große Menge in das Steigrohr und fiel auf das Rückschlagsventil, so daß 
sich dieses bei dem zweiten Versuch, den man anstellen wollte, nicht mehr 
genau schloß. Infolgedessen gab Seine Hoheit den Befehl, man solle Steig- 
rohre aus kupfernen Platten anfertigen. Wenn diese Röhren aneinander 
geschweißt sind, werden sie nicht mehr den Grund fär dieselben Unzuträg- 
lichkeiten bilden wie die gußeisernen, und ich glaube, daß ich mit Hilfe 
dieses Mittels ihren Anforderungen werde genügen können. Jedoch ist die 
Abwesenheit Seiner Durchlaucht der Grund für die Verzögerung, denn die 
Arbeiter schaffen gegenwärtig nicht daran, trotzdem sie nichts anderes zu 
tun haben. Auch ist es ganz ungewiß, wann Seine Hoheit zurückkehren 
werde. Die meisten glauben nicht vor St. Michaelis. Beim genauen Messen 
der Höhe des Hauses, auf welches wir das Wasser emporgetrieben haben, 
fanden wir, daß dieselbe 70 Fuß betrug, und kam ich zur Einsicht, daß 
die Höhe, bei welcher wir die Versuche vor acht Jahren machten und die 
man auch auf 70 Fuß schätzte, kaum die Hälfte gewesen sein wird. Was 
meine Abhandlung über diese Maschine anbelangt, so glaube ich, daß man 
dieselbe in Allendorf druckt." 

Am 29. November 1706 konnte Papin ein Exemplar seiner Druck- 
schrift, die „Ars nova etc." an Leibniz senden und ihm die Einzelheiten 
seiner Erfindung auseinandersetzen. In dem nun folgenden Briefwechsel 
zwischen Leibniz und Papin werden Fragen und Erörterungen aufgeworfen, 
die uns sehr modern anmuten. So die überaus wichtige Frage der Er- 
neuerung des Wassers im Kessel, während die Masclune in Betrieb war. 
Leibniz schlägt zu diesem Zweck einen mit einer Nische versehenen Hahn 
vor. Papin dagegen macht, um den Dampf verlust zu vermeiden, einen 
besseren Vorschlag. Er wendet ein Zuleitungsrohr mit zwei Hähnen an. 
War der Baum zwischen beiden mit Wasser gefiült und öffnete man den 
unteren Hahn, so fiel das Wasser in den Kessel, während an seine Stelle 
Kesseldampf trat. Dieser Dampf ging jedoch nicht verloren, sondern er 
diente gleichzeitig zum Vorwärmen des folgenden Wasserquantums. Was 
die Frage der Verwendung des Auspuffdampfes, an welchem der die 



II. Die Eifindung der Dampfmaschine. 29 

Mascbme bedienende Arbeiter sich leicht die Hand yerbrennen konnte, 
anbelangt, beabsichtigte Papin diesen Dampf zur Erwftrmung der Betorte 
zu verwenden, während Leibniz den Vorschlag machte, denselben in den 
oberen Teil des Windkessels strömen zu lassen, um die Expansion der Luft 
zu erhöhen. 

Doch wie zahlreich die Yerbesserungsvorschlttge auch gewesen sein 
mögen, zur praktischen AusfSLhrong sind sie nie gekommen, denn Papin 
durfte seine Versuche nur in Gegenwart des Landgrafen vornehmen, und 
da der Fürst durch andere Geschäfte derartig in Anspruch genommen war, 
daß er die Verbesserungen an der Dampfmaschine nur abends besichtigen 
konnte, fand Papin keine Zeit Verbesserungen anzubringen. Als Papin so 
ein halbes Jahr hingehalten wurde, ohne Neues leisten zu können und im 
Februar 1707 die Arbeiter, welche mit der Herstellung des neuen Steig- 
rohres beschäftigt waren, dasselbe noch obendrein grundlos wegnahmen, 
da riß auch Papin die Geduld. Er reichte dem Landgrafen sein Ent- 
lassungsgesuch ein. Leibniz gegenüber rechtfertigte er seinen Entschluß in 
einem Briefe vom 27. April 1707: „. . . Aber weit entfernt Vorbereitungen 
getroffen zu haben für die Versuche, welche nötig wären, um alles zu be- 
stimmen, was man von unserer Maschine sowohl in bezug auf ihre Leistungs- 
fähigkeit als auch in bezug auf die Unbequemlichkeiten, welche ihr noch 
anhaften, erwarten kann, muß ich sehen, daß man sie uns auseinander- 
genommen hat, um einen Versuch mit dem weiten Eohr, welches bis oben 
in das Gebäude reicht, anzustellen. Indem ich femer sehe, mit welcher 
Gleichgültigkeit man diese Erfindung betrachtet, und wie wenig Wert man 
darauf legt, muß ich glauben, daß meine Feinde hier noch die Oberhand 
haben, ebenso wie bei Gelegenheit der Maschine mit der Granaten ge- 
worfen werden sollten. Wenn es Zeit ist, in allem Ernste an der Maschine 
zu arbeiten, dann verläßt man sie ganz. Alles was ich sagen kann, 
ist, daß man die Welt nehmen muß, wie sie ist.^^ Einige Wochen später 
schreibt er an denselben: „Sie wissen, daß ich mich bereits seit langer 
Zeit beklage, daß ich hier viele und mächtige Feinde habe, doch faßte 
ich mich in Geduld, aber seit kurzem habe ich ihren Groll in solcher 
Weise erfahren, daß ich allzu verwegen wäre, wenn ich unter so viel 
Gefahren noch länger zu bleiben wagen wollte. Ich bin gleichwohl über- 
zeugt, daß ich recht behalten hätte, wenn ich einen Prozeß hätte beginnen 
wollen; aber ich habe bereits zu viel Zeit Seiner Durchlaucht für meine 
unbedeutenden Angelegenheiten in Anspruch genommen, und es wird besser 
sein, zu weichen und den Platz zu räumen, als allzuoft genötigt zu sein, 
einem so großen Fürsten zur Last zu fallen. Ich habe ihm deshalb mein 
Gesuch eingereicht, mich mit seiner Erlaubnis nach England zurückziehen 



30 ^^^ 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

zu dürfen, und Seine Durchlaucht hat in solcher Art zugestimmt, daß ich 
glauben darf, dieselbe hat noch, wie sie es immer hatte, mehr Wohlwollen 
fftr mich als ich verdiene." 

So waren die Würfel gefallen; Papin, welcher eingesehen hatte, daB 
er in Kassel nur seine wertvolle Zeit vergeude, hatte den Entschluß ge- 
faßt, Deutschland zu verlassen. Sein Entlassungsgesuch war inzwischen 
genehmigt worden. In England hoffte er größeres Verständnis für die 
Bedeutung und Tragweite seiner Maschine vorzufinden. 



Nachdem Papins Hoffntmgen in Kassel so schnöde zunichte geworden 
waren, raflrte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen, um so schnell wie 
möglich nach England zu gelangen. Er beabsichtigte die Beise auf dem 
Wasserwege zu machen, hauptsächlich deswegen^ um ein kleines Schiff mit 
Buderradem, welches er sich in Kassel erbaut hatte, mitnehmen zu können. 
Dieses Schiff bildete den Anlaß zu dem Märchen von der Dampfschiffahrt 
Papins, wie wir es in mehreren Geschichtswerken vorfinden. Eine Abhand- 
lung in den acta eruditorum vom August 1690 über die Möglichkeit und 
den Nutzen der Dampfschiffahrt mag wohl dazu beigetragen haben, den 
Anschein zu erwecken, als wäre Papin im Besitz eines Dampfschiffes ge- 
wesen. Papin sagt an der angeführten Stelle: „Quomodo jam vis illa ad 
extrahendam ex fodinis aquam aut mineram, ferreos globos ad maximam 
distantiam projiciendos, nayes adverso vento provehendas, atque ad alios 
ejusmodi usus quam plurimos applicari queat, longum nimis foret hie 
recensere: verum unusquisque, pro data occasione, machinarum fabricam 
excogitare debet proposito suo accommodatam. Hie tamen obiter annotabo, 
quot noniinibus ad naves in mari movendas ejusmodi vis vulgaribus remi- 
gibus anteponenda foret: 

1. enim vulgares remiges pondere suo triremem praegravant, ineptioremque 
ad motum reddunt; 

2. multum loci requimnt, atque ita magno sunt in navi impedimento; 

3. non semper datur tot ejusmodi homines reperire, quot necessitas 
postulat; 

4. denique remigibus, sive in alto desudent, sive in portu quiescant, 
necessarium semper alimentum est suppeditandum, quo sumptus non panim 
augentur. 

Nostri vero tubi exiguo admodum pondere navem retardarent, ut supra 
dictum: exiguum quoque locum occuparent: possent etiam in sufficienti 
quantitare facile comparari, si semel opificium in hunc finem extructum et 
instructum foret: ac denique pro dictis tubis nuUum nisi operationis tempore 
lignum consumeretur, in portu autem nullos sumptos requirerent. Quoniam 
autem remi vulgares minus commode ab ejusmodi tubis moveri possent ad- 



32 Das 2Ü0jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706— 190G. 

hibendi foret remi rotatiles, quales meminime vidisse in machina Serenissimi 
Piincipis Euperti Falatini jussu, Londini constructa, quae ab equis remonim 
eiusmodi ope in motum agebatiir quaeque cjmbam regiam sedecim remigi- 
bus instructam longo post se intervallo relinquebat: sie procul dubito, remi 
axi alicui infixi commodissime circumagi possent a tubis nostris, si nimirmn 
manubria pistillorum dentibus instruerenteur, qui rotulas itidem dentatas 
axi remorum affixas necessario circnmverterent: necesse foret duntaxat, ut 
tres Tel quattuor tubi eidem axi appliearentur, quo posset ipsius motus 
sine intermptione continuari: dum enim pistülom aliqaod ad fondum tubi 
sui pertingertet, adeo ut non posset amplins axem ciroumagere, antequam 
ad tubi summitatem vi vaporum iterum propelleretor: posset statim amoveri 
retinaculnm pistilli aJius, cuius descendendo vis eiusdem axis motum oon- 
tinuaret: et sie deinceps aliud adhuc pistillum deprimeretur, yimque snam 
in eundem axem exereret, interea dum pistilla prius depressa vi caloris ad 
summitatem iterum elevarentur, sicqne novam movendi dicti axis vim ac- 
quirerent, modo snperias descripto. unica autem fomax mediocri igne in- 
structa ad omnia illa pistilla suocessiye elevanda sn£&ceret. Verum objioiet 
forsan aliquis, dente manubriomm impactos dentibus rotarum ascendendo 
et descendendo debere motus oppositos axi nostro impertiri, atque ita 
pistilla asceudentia descendentium, aut descendentia ascendentium motum 

impeditura esse. Levissima vero est haec objectio: notissimnm enim est 

« 

apud autumatopoeos artificium, quo rotulae dentatae axi ita affiguntor, ut 
yersus unam partem circumactae axem necessarios secum ducant; at yersus 
alteram partem circumeuntes nuUum eidem axi motum impertiantur, sed 
ülum motu opposito liberrime circumyerti permittant. PraeoLpua igitur 
difficultas constitit in obtinendo opificio illo ad praegrandes tubos ,fiacüi 
negotio configendos'."*) 

*) „Da nun jene Kxaft (die Dampf kraft) zur Förderung von Wasser und Erzen, 
zum Schleudern eiserner Kugeln, zum Fortbewegen von Schiffen gegen den Wind, 
and zu einer Menge anderer derartiger Sachen verwendbar ist, so ist folgende 
Ansicht berechtigt: Jeder einzelne kann in der Tat je nach Gelegenheit eine 
seinen Bedürfnissen entsprechende Maschine konstruieren. An dieser Stelle will 
ich mich darüber verbreiten, wie groß die Vorzüge bei der Schiffahrt im Vergleich 
zur gewöhnlichen Euderkraft sind: 

1. gewöhnliche Ruderer belasten durch ihr Gewicht das Schiff und machen 
M schwerföUiger; 

2. sie beanspruchen viel Platz und sind überall auf dem Schiffe im Wege; 

3. nicht immer ist es möglich die Bemannung vollzählig zu bekommen; 

4. schließlich müssen die Euderer, sei es, daß sie auf hoher See ausruhen, 
sei es, daß das Schiff im Hafen liegt, ernährt werden, wodurch die Kosten nicht 
wenig steigen. 

Durch das geringe Gewicht unserer Zylinder würde das Schiff erleiohteort, 



II. Die Erfindung der Dunpfinaschine. 33 

Zur dieser Frage der Dampfschiffahrt Papihb haben viele, Berufene und 
Unberufene, Stellung genommen. 

„Seit der berühmten Fahrt Papins auf dem Fuldastrom von Kassel 
nach Münden am 24. September 1707 erhielt sich in den historischen Er- 
innerungen der Stadt Kassel ein gewisser Glorienschein, daß in unserer 
Stadt das erste Dampfschiff erbaut worden sei, daß die Fulda das erste 
Dampfschiff getragen habe/^ Also beginnt Dr. B. Stillino in der Zeit- 
schrift des Vereins für hessische Landeskunde (1880) seine Abhandlung, in 



wie oben bewiesen : auch erfordern sie nur wenig Baum. Man konnte sie nftmlioh 
in genügender Anzahl leicht herstellen, wenn man nur einmal eine Fabrik su 
^esem Zwecke erbaut und eingerichtet hätte, und außerdem würde durch besagte 
Zylinder im Betriebe nur Holz verzehrt. Im Hafen würden sie keinerlei Aufwand 
erfordern. 

Da nun die gewöhnlichen Ruder schlecht durch derartige Zylinder in Be- 
wegung gesetzt werden kOimen, müßte man Buderrftder anwenden, wie ich sie 
gesehen habe bei einer Maschine, welche auf Befehl Seiner Durchlaucht des Fürsten 
Buprecht von der Pfalz in London erbaut wurde, imd bei welcher durch Pferde der- 
artige Buder in Bewegung gesetzt wurden, und welche eine königliche Galeere, 
die mit 16 Buderem bemannt war, weit hinter sich ließ. Es unterliegt keinem 
Zweifel, daß man die Buder sehr bequem auf einer Achse befestigen und diese 
mit unseren Zylindern in Umdrehung versetzen kann, wenn man nur an dem 
Kolben eine Zahnstange anbringt, welche in ein auf gleiche Weise gezähntes Bad, 
das auf der Buderräderachse befestigt ist, eingreift, und dieses zwangläufig in 
Bewegung setzt. Es wäre nur notwendig drei oder vier Zylinder auf eine Achse 
wirken zu lassen, wodurch eine Botation ohne Unterbrechung erzeugt würde. 

Während nämlich ein Kolben am Boden des Zylinders angelangt ist, so daß 
«r die Welle nicht mehr drehen kann, bevor er durch die Dampf krafl; nicht 
wieder emporgehoben ist, müßte ein anderer Kolben Arbeit verrichten, und zwar 
derartig, daß durch ihn die Bewegung der Welle ohne Unterbrechung fortgesetzt 
würde, und dann müßte wieder ein anderer Kolben seine Kraft auf dieselbe Welle 
abgeben. Inzwischen würde der erste Kolben wieder durch die Dampf kraft ge- 
hoben sein, so daß er neue Kraft zum Bewegen der besagten Welle besitzen würde, 
wie oben beschrieben. Ein einziger Ofen mit mäßigem Feuer würde genügen, um 
alle diese Kolben der Beihe nach zu heben. Es konnte jemand einwenden, daß 
die Zähne' der Zahnstangen, welche in die Zahnräder eingreifen, durch die im 
Auf- und Niedergehen verschiedenartige Bewegung der Welle hinderlich wären, 
und 80 die aufsteigenden Kolben die Bewegung der niedergehenden und die nieder- 
gehenden die Bewegung der aufsteigenden hindern konnten. Die Erwiderung auf 
diesen Einwand ist sehr leicht. Es ist nämlich sehr bekannt, daß man bei den 
'Automatopoeen' eine Vorrichtung anwendet, wodurch die Zahnräder derartig 
auf der Achse befestigt werden, daß sie in der einen Bichtung die Welle zwang- 
läufig mitführen, in der anderen Bichtung aber auf dieselbe Achse keine Bewegung 
übertragen, sondern der Achse jegliche Bewegungsfreiheit in entgegengesetzter 
Richtung gestatten. Die ELauptsehwierigkeit besteht in der Errichtung einer Fabrik, 
um große Zylinder mit leichter Mühe erzeugen zu kOnnen." 

Abh. B. Oesoh. d. mafh. Wisseiuoli. XXTTT. 3 



34 Das 200jälirige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

welcher er den Beweis zu ftlhren versucht, daß Papin tatsächlich bei seiner 
Fahrt auf der Fulda 1707 ein Dampfschiff benutzt habe. An gleicher 
Stelle befindet sich eine ebenso scharfe wie beweiskräftige Entgegnung aus 
der Feder E. Gerlands, welcher den Nachweis führt, daß Papin niemals 
ein Dampfschiff gebaut, geschweige denn auf einem solchen im Jahre 1707 
bis Münden gefahren sei. 

Nach eingehendem Studium beider Arbeiten, insbesondere auch der 
von beiden benützten Quellen, kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, 
daß Gerland mit seiner Behauptung recht hat, und das Märchen von der 
Dampfschiffahrt Papins nur durch Sage und dunkle Überlieferung sich in 
Schriften, wie „Piderits Geschichte der Stadt Kassel" eingeschlichen haben 
kann. Ein Brief Papins vom 13. März 1704 an Leibniz, welcher in der 
königlichen Bibliothek zu Hannover aufbewahrt ist, beseitigt jeden Zweifel. 
Papin schreibt: „J'aj pourtant entrepris de faire un batteau qui peut porter 
environ quatre mille liyres, et Je pretens que deux hommes pourraient le 
faire monter facilement et vite contre le courant de la riviere, par le moyen 
d'une roue que J'y ay ajustee pour servir des rames. Je n'ay fait cette 
entreprise que sur un petit traite, que J'ay divise en trois section. Dans 
la premiere j'examine la resistance que rencontrent les Corps, qui se meuvent 
dans Teau, et Je conclus que le doit etre la meilleure construction des 
vaisseaux. Dans la seconde section J'examine la mani^re ordinaire de rames 
et les defauts, qui s'y trouvent: et dans la troisieme Je donne les moiens 
pour remedier a ces defauts et Je trouve par mon calcul qu'on pourrait faire 
an vaisseau qui porteroit une plus grande Charge qu'une Galere et qui ayec 
7 ou 8 rameurs, sans Taide du feu court plus vite que les Galeres ordi- 
naires ne vont avec 250. J'ay assez envie de faire quelques experiences 
pour confirmer ma theorie; mais Je considere que si je fais porter mon 
bateau a Teau il sera neglige aussi bien que la machine aux grenades. Je 
ne porrais le garder sur la riviere: et se seroit un grand embarras de 
d^monter pour le faire rapporter chez moi: ainsi J'aime mieux le garder 
ou il est jusques a ce que je sois mieux assiste ou que J'aye occasion de 
m'en servir moy meme. Je n'ay point prepari celui ci pour y em- 
ploierlaforce du feu: parceque ce n'est pas a moi d'entreprendre trop 
des choses a la fois: J'ay meme emploiä plus d'un an a mettre ce batteau 
dans Tetat qu'il est, et il ny a pour tant rien qui ne put se faire en peu 
de semaines/^ 

Ist damit auch der Beweis geliefert, daß Papins Boot kein Dampf- 
schiff gewesen war, so ist dem Boot doch als einem der ersten Schiffe mit 
Buderrädem immerhin einige Bedeutung zuzumessen. Auf einem solchen Boot 
fuhr nun Papin am 24. September 1707 von Kassel nach Münden, um von 



n. Die Eifindung dei Damp^aschine. 35 

dort auf der Weser nach Bremen weiter zu fahren. Die Schiffergilde der 
Stadt Münden besaß nun zu jener Zeit ein ausgedehntes Stapelrecht, und 
trotz Passierschein des Drostes von Münden und Beisepasses seines Land- 
grafen wurde Papins Boot ans Land gezogen und von den Schiffern „vor- 
heert^^, wie es in den Akten des Magistrats von Münden über diesen Vor* 
f aU heißt 

Durch diesen Gewaltakt sah sich Papin in eine schlimme Lage ver- 
setzt, er mußte zusehen, wie sein Boot, von dem er sich so viel versprochen 
hatte, von den unverständigen Schiffern in Trümmer geschlagen wurde. 
Der Verlust war schwer, auch waren seine Iteisedisposiiionen empfindlich ge- 
stört, imd statt des bequemen Seeweges mußte er die beschwerliche Land- 
route über Holland nach England nehmen. 

Die Vernichtung des Buderschiffes bildete den Wendepunkt in Papins 
Leben, sie war gleichsam ein Symbol für die Folgezeit; denn an dem Tage, 
an welchem das Boot in einen Trümmerhaufen verwandelt war, war auch 
der Schiffbruch seines Lebens vollendet. Es häufte sich nun Unglück auf 
Unglück, Mißgeschick auf Mißgeschick. 

Li London angekommen versuchte Papin zunächst mit Hilfe eines 
Empfehlungsbriefes von Leibniz bei der Boyal Society die ihm vor zehn 
Jahren angetragene Stelle eines Experimentators zu erlangen. Doch ver- 
gebens. Auch seine Bitte, die Vorteile seiner Dampfmaschine gegenüber 
der SAVEBYSchen nachweisen zu dürfen, wurde abgeschlagen. 

Vier Jahre mühte sich der greise Erfinder ab durch Experimente und 
Vorschläge, die er der Boyal Society machte, kärglich sein Leben zu fristen, 
denn die Hoffaung, noch eine Dampfmaschine bauen zu können, hatte er 
längst aufgegeben. Ln Jahre 1712 machte der Tod seinem an Mühsalen 
und Enttäuschungen reichen, an Erfolgen und Ehren aber armen Leben 
ein Ende. 

So war zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Kassel ein Werk ent- 
standen, welches die Grundlage bilden sollte für eine Maschine, die berufen 
war, eine vollständige Umwälzung auf dem Gebiete des Verkehrs und der 
Lidustrie hervorzurufen. 

Die Technik und der praktische Maschinenbau jener Zeit waren aber 
nicht imstande, die Ideen und Konstruktionen, welche das Genie eines 
Papin erfanden hatte, in Wirklichkeit umzusetzen. Und doch wäre dies 
erforderlich gewesen, um einen rationellen Betrieb mit der Dampfinaschine 
schon zu jener Zeit zu erzielen. 

Papin hatte das Unglück, 100 Jahre zu früh gelebt zu haben, denn 

seine Zeitgenossen vermochten nicht, den Wert seiner Erfindungen auch nur 

3* 



36 I^as 200jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 

zu ahnen. Wie wenig man seiner Zeit selbst in Kassel von ihm gehalten 
hat, möge eine Stelle aus üffembaohs Beisebeschreibungen beweisen: 

„ . . . Wir langten daselbst (Kassel) am 11. November des 1709. Jahres 
an, nachdem wir am 8. dieses Monats aus unserer Vaterstadt (Frankfurt) 
abgereist waren . . . Nachdem kamen wir von dem Herrn Papix zu 
reden, von dem ich, wegen eines und andern, und sonderlich seiner Er- 
findungen erkundigte. Ich mußte aber mit Verwunderung vernehmen, daß 
er mit schlechtem Kredit von hier hinweggekommen. Er wurde beschrieben 
als ein Schwätzer und kühner Unternehmer, der hunderterley theils zum 
Schaden und Gefahr Ihro Durchlaucht und seiner Selbsten, ohne Erfahrung 
aus purer Spekulation vorgenommen. Seine zwo letzte Unternehmungen, 
welche ihn auch von hier gebracht sind diese: Erstlich, daß er sich unter- 
standen, mit einem Schiff ohne Buder, sondern nur mit Bädern, auch ohne 
Segel allein zu schiffen, welches ihm auf der Fulda, zu geschweigen auf 
dem großen Meere, darauf er in England schiffen wollte, bald sein Leben 
gekostet hätte. Das andere und das größte ist, daß er mit Wasser wie 
mit Pulver zu schießen unternommen, er leichtlich ein großes Unglück an- 
gerichtet hätte: denn, indem die dazu bereiteten Maschinen gesprungen, 
haben sie nicht allein das Laboratorium guten Theils über einen Haufen 
geworfen, verschiedene Menschen tötlich verwundet, und einem unter anderen 
den Kinnbacken hinweggeschmissen, sondern es hätte auch Ihro Durchlaucht 
Selbsten treffen, und als einen sehr curieusen Herren, der alles gar genau 
in Augenschein nehmen will, das Leben kosten können, wann nicht von 
imgef&hr Ihro Durchlaucht von Geschäften abgehalten etwas später ge- 
kommen wären, weswegen er dann auch seinen Abschied bekommen.^' 



in. Die Entwicklung der Dampftnaschine Ms znr Nenzeit. 

Die weitere Entwicklung der Daxnpfiuaschine yollziebt sich ausschließlich 
in England, dem einzigen Lande, in dem ein wirtschaftliches BedürMs nach 
einer Kraftmaschine wirklich vorhanden war. Vor allem war es der Berg- 
bau, der nach einer solchen verlangte und der mittels der damals gebräuch- 
lichen „Boßkünste^^ das eindringende Qrubenwasser nicht mehr zu bewäl- 
tigen mochte. Diesem Bedürfnis suchte ein Engländer abzuhelfen, 
Thomas Saveby, der wie schon erwähnt, im Jahre 1698 ein Patent erhielt 
und der von vielen als der Erfinder der Dampfmaschine bezeichnet wird. 
Das Projekt seines Apparates, einer Hochdruckmaschine mit Kondensation, 
stimmt im wesentlichen mit dem ersten Plan Papins überein. Offenbar 
hat aber Savery Papins Maschine nicht gekannt, da er sonst einen wesent- 
lichen Fehler seiner Konstruktion vermieden hätte: bei Savs&ys Maschine 
fehlt der Kolben vollständig, der heiße Dampf trijGPt unmittelbar auf das 
kalte Wasser. Die Folge davon war, das ein großer Teil des Dampfes 
kondensierte, ehe er überhaupt zur Kraftentfaltung gelangen konnte. Da- 
gegen weist seine Maschine auch einen Vorzug auf; Savery wandte zum 
erstenmal die Oberflächenkondensation an. Die Priorität der Erfindung aber 
kann er Papin nicht streitig machen. Die Veröffentlichung seines Projektes 
fällt zeitlich später als die Ausführung Papins erster Maschine, die erste 
Ausführung seiner Maschine fällt in dasselbe Jahr wie die von Papins 
zweiter Maschine und endigt im Gegensatz zu dieser mit einem Mißerfolg. 
Infolge des oben erwähnten Übelstandes nämlich vermochte die Maschine 
den Druck der Wassersäule, die sie heben sollte, nicht zu bewältigen. Als 
Savery dies durch Anwendung höheren Drucks erzwingen wollte, explodierte 
der Kessel und zerschlug die Maschine. Wenn auch Saverys Maschine für 
einen wirtschaftlichen Betrieb infolge ihrer hohen Dampfverluste nicht zu 
gebrauchen war, so war sie doch die erste, die für kleinere Leistungen, zur 
Wasserliefenmg für Wasch- und Badeeiarichtungen, für Springbrunnen und 
dergleichen zu dauernder Verwendung gelangte. 

Weitere Verbesserungen führte der Grobschmied Newoomen aus Darth- 
mouth ein, der seit etwa 1710 zusammen mit dem Glaser Cawley Ver- 



38 ^^9 200jälirige Jubiläum der Dampfmaschine 1706^1906. 

suche mit der damals sogenannten Feuermaschine machte. Die SAVSRYSche 
Maschine hatte er aus eigener Anschauung kennen gelernt. Auf Fapiks 
atmosphärische Maschine wurden sie durch den Gelehrten Hookb aufmerk- 
sam gemacht. Der Kolben, eine starke eiserne Platte, wurde erst durch 
ein besonderes Dichtungsmaterial, später durch Wasser abgedichtet. Diese 
Wasserdichtung führte Newcomen durch einen glücklichen Zufall auf die 
Erfindung der Einspritzkondensation. Bei einem der Versuche war durch 
ein Loch im Kolben Wasser ins Zylinderinnere getreten. Die dadurch be- 
wirkte schnellere Kondensation hatte eine Steigerung der Hubzahl zur 
Folge, die Newcomek beobachtete und richtig deutete. Ein weiterer 
Fortschritt war die von Potter zuerst erdachte und durch Henry 
Beighton 1718 yerbesserte selbsttätige Steuerung. Eine ganze Reihe von 
Verbesserungen führte der Ingenieur John Sencatin ein, er yersah den 
Kolben mit einer mit öl getränkten Hanfdichtung. Vor allem gelang es 
ihm, rechnerische Grundlagen für die Konstruktion seiner Maschinen zu 
finden. Hierdurch vermied er es, seinen Maschinen falsche Dimensionen zu 
geben und erhöhte dadurch deren Leistungsföhigkeit. Die NEWcoMENSche 
Maschine stellt demnach die erste wirtschaftlich einigermaßen brauchbare 
Maschine dar.*) Sie fand in vielen Bergwerken Aufstellung und ermöglichte 
es, teilweise bis zur doppeltcA Tiefe hinabzugehen. Sie wurde bis zu 
Leistungen von 80 Pferdestärken gebaut. Trotzdem ist es falsch Newooken 
als den Erfinder der Dampfinaschine zu bezeichnen. Wir müssen uns hier 
den Worten Geblands anschließen: „Newcomen, Cawley und Pottbr 
waren intelligente Arbeiter, die sich bei sonst beschränktem Gesichtskreis in 
das Wesen der sie interessierenden Maschine hineingelebt hatten und jede 
Abweichung vom Gewohnten sorgfältig beobachtend, durch die Maschine 
selbst zu Verbesserungen geführt wurden, die sie auf anderen Wegen nie 
gefunden hätten." Newcomen hätte, wenn er nicht Papins Entwurf ge- 
kannt hätte, aus sich selbst heraus die Dampfmaschine nie erfunden, das 
ergibt die Art, wie er zu seinen Verbesserungen gelangte, mit aller 
Deutlichkeit. 

So hatten die Ingenieure des 18. Jahrhundert, unter Zugrundelegung 
FAPiNscher Ideen, eine Maschine geschaffen, die zum Auspumpen von Berg- 
werken leidlich brauchbar, jedoch von unseren heutigen Konstruktionen noch 
weit entfernt war. Das Verdienst, sie auf diesem langen Wege am weite- 
sten gefördert zu haben, gebührt dem Engländer James Watt, der bisher 
wohl am häufigsten als der Erfinder der Dampfmaschine genannt wurde. 
Er hat sich 1764 zum erstenmal mit der Dampfinaschine beschäftigt und 



*) Matschoss Gesch. der Dampfmaschine. 



III. Die Entwicklung der Dampfmaschine bis ziit Neuzeit. 39 

fand die PAPiNSchen und NEwcoMENSchen Ideen schon yor« Wenn wir ihn 
also auch nicht als den eigentlichen Erfinder bezeichnen können^ so muß 
doch die geniale Art und Weise, in der er das Vorgefundene auszugestalten 
und lebensfähig zu machen wußte, die ungeteilteste Bewunderung erregen.*) 

„Vergleichen wir diese durch Watt geschaffene Maschine mit der 
denkbar yollkommensten atmosphärischen Maschine jener Zeit/' sagt Mat* 
SGHOSS, „so sehen wir einen Fortschritt, wie er in so kurzer Zeit selten, 
durch einen einzigen Menschen aber wohl nie erreicht worden ist. Da über 
Watts Lebensarbeit noch mancherlei Unklarheit herrscht, so dürfte hier 
wohl der Platz sein, auch über ihn einige Worte zu sagen, zumal ein Ver- 
gleich zwischen ihm und Papin vielerlei Interessantes bietet und ihre 
Erfindungstätigkeit viel Ähnlichkeiten ai;ifweist. 

Watt wurde am 19. Januar 1736 zu Greenwich in Schottland als 
Sohn eines Schiffszimmermanns geboren. Er war von Beruf Feinmechaniker, 
hatte sich aber durch eifrige Studien eine Menge gründlicher naturwissen- 
schaftlicher Kenntnisse angeeignet. Bobibon, der spätere Professor der 
Physik, der damals in Glasgow studierte, besuchte Watt und war erstaunt, 
statt eines Handwerkers einen Gelehrten zu finden, der über bedeutende 
Kenntnisse in Mathematik und Mechanik verfügte. Bobison war es 
auch, der Watts Anfinerksamkeit zum erstenmal auf die Dampfinaschine 
lenkte. Seine ersten Experimente machte der junge Mechaniker mit einem 
PAPiNSchen Topfe, bald gelang es ihm jedoch, das Modell einer Newoomen- 
Dampfinaschine in Reparatur zu bekommen. Auf Grund einer Reihe von 
Verdampfungsversuchen kam er zu einer Kritik der NEWOOMEN-Maschine, 
vollkommen richtig erkannte er, daß die hohen DampfVerluste jener Maschine 
einmal lierbeigeflihrt wurden durch die starke Kondensation des Eintritts- 
dampfes, der mit der durch das Kondenswasser abgekühlten Zjlinderwand 
in Berührung kam, dann durch den starken Wärmeverlust an das Kondens- 
wasser im Zylinder. Der von Watt ausgesprochene Grundsatz: „Der Zy- 
linder muß so heiß gehalten werden wie der Eintrittsdampf*^, führte ihn 
mit logischer Notwendigkeit zu den meisten und wichtigsten seiner Er- 
findungen und Verbesserungen. Der erste Schritt war die Erfindung des 
vom Zylinder getrennten Kondensators, aus dem Luft; und Wasser mittele 
einer Pumpe entfernt wurden. Weiter umgab er den Zylinder mit einem 
Dampfmantel, zum Abdichten des Kolbens und zum Schmieren benutzte er 
Ol. Der Plan der neuen Maschine war fertig, nun kam d ie Au sführung. 
Hier stieß Watt auf ähnliche Schwierigkeiten wie vor ihm Papin. Haupt- 

*) Dr. £. Gsbland: Die Dampfmaschine im 18. Jahrhundert in Deutschland. 
Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge von Virchow und 
Holtzendorff. 



40 ^f^ 200jfthrige Jubiläum der Dampfmasoliine 1706—1906 

Bächlioli war es der Mangel an geschickten Arbeitern, der ihm viele 
Schwierigkeiten bereitete. Seine eigenen Mittel waren durch den Bau seiner 
Yersnchsmaschinen bald erschöpft. Glücklicherweise fand er die Unter- 
stützung des Großindustriellen Dr. Boebuck, die es ihm ermöglichte, 1769 
seine erste Maschine zu vollenden und ein Patent darauf zu nehmen. Sie 
wies jedoch keinen Erfolg auf, da sich bei dem niedrigen Stande der Metall- 
teohnik eine genügende Dichtung des Kondensators nicht erzielen ließ. Da 
mußte Dr. Robbuoe, dessen Kohlengruben unter Wasser standen, den Kon- 
kurs anmelden. Nun übernahm Matthieu Boultok das Patent, der nicht 
nur in finanzieUer, sondern auch in geistiger Hinsicht zu den ersten eng- 
lischen Großindustriellen jener Zeit zu zählen ist. In Soko bei Birmingham 
entstand die erste Dampfinaschinenfabrik in Firma Boultok tmd Watt. 
1774 siedelte der Erfinder nach Soko über. In rastloser Tätigkeit arbeiteten 
nun die beiden Mftnner, die durch enge Freundschaft verbunden waren, daran, 
die Dampfmaschine zu wirtschaftlicher Brauchbarkeit umzugestalten und 
ihre Einführung in die Industrie zu sichern. Watts Patent wurde bia 
1800 verlängert. Die erste Maschine wurde 1776 an den Eisengießer 
John WnjKENSEN in Bersham geliefert Nun folgten in rascher Peihenfolg» 
eine Menge von Verbesserungen, die alte NBWcoMENSche Maschine war bald 
völlig verdrängt. 1781 wurde der Kurbelmechanismus eingeführt, damit 
war die neue Maschine auch für die Industrie brauchbar geworden. 

Die Einführung der doppeltwirkenden Maschine ermöglichte Watt 
durch die Erfindung seiner bekannten Gelenkgeradeführung. Der Forderung 
der Anpassung an die jeweilige Arbeitsleistung wußte er durch die Ein- 
führung des Zentrifugalregulators zu begegnen, der schon im Mühlenbetriebe 
bekannt war und den er auf eine Drosselklappe wirken ließ. 1786 wurde 
in London eine große Dampfmühlenanlage gebaut, die leider 1791 durch bös- 
willige Hand in Brand gesteckt und vernichtet wurde. Doch der Widerstand 
derjenigen, die durch die Einführung der neuen Maschine ihr Brot zu ver- 
lieren fürchteten, vermochte deren Siegeslauf nicht aufzuhalten. Es machte 
sich jetzt eine gewaltige Nachfrage geltend, besonders von selten der 
Mühlenbesitzer, der Brauereien und der Walzwerke. 1785 endlich begann 
die Fabrik Überschüsse abzuwerfen, nachdem Boulton das für jene Zeit 
enorm hohe Kapital von 800000 M. für das Unternehmen aufgewandt 
hatte. Vop diesem Jahre an widmete sich Watt nur noch der Leitung 
der Konstruktionsbureaus. Durch seine Lebensarbeit hat er seinem Yater- 
lande jenen gewaltigen wirtschaftlichen Yorsprung verschafft, den es auf 
vielen Gebieten bis in neuere Zeit zu wahren gewußt hat. 

Es ist nun interessant, einen Vergleich zwischen dem Schicksal Papxns 
und Watts zu ziehen. Das Beispiel des letzteren zeigt uns mit beredter 



in. Die Entwicklung der Damphnaschine bis zur Nenzeii 41 

Deaüicbkeit, wie nicht ma das Genie und die rastlose T&tigkeit des Er- 
finders nötig war, um das Werk den langen Weg von der Idee bis xur 
praktischen Brauchbarkeit durchlaufen zu lassen; vielmehr mußte jenen 
Eigenschaften ein ausgesprochenes wirtschaftliches Bedürfiiis, ein gewisses 
naturwissenschaftliches Verständnis und ein höheres technisches Können der 
Zeitgenossen, sowie ein m&chtiges Kapital zur Seite stehen. Alles dies waren 
Erfordernisse, die Pafin fehlten und die sich bei dem genialen Engländer 
in glücklichster Weise zusammenfanden. 

Aach in den übrigen Ländern ist es vor allem der Bergbau, von dessen 
Seite sich gebieterisch der Buf nach einer Kraftmaschine erhebt. In unserem 
Vaterlande ließ 1715 Karl von Hessen, der Gtönner Papins, eine kleine 
Springbrunnenmaschine bauen, wahrscheinlich SAvxRTScher Konstruktion. 
Die erste Feuermaschine stellte 1745 der Landbaumeister Kssslxb in 
Bemburg auf. Sie war fBr das dortige Kohlenbergwerk bestimmt Aus 
den Abhandlungen des Mathematikprofessers Ebebhard in Halle, die er 
1773 erscheinen ließ, geht herror, daß die Eeuermaschine in diesem Jahre 
schon häufigere Anwendung in Deutschland gefunden hatte. Die Auf- 
stellung der ersten Maschine WATTScher Konstruktion geschah 1785 zu 
Hettstädt in Mansfeldischen, auf Veranlassung Friedrichs des Großen. Die 
Maschine war vollständig im eigenen Lande hergestellt imd infolge des 
Mangels an Erfahrungen gelang es erst nach einigen Schwierigkeiten, sie 
zu wirtschaftlicher Brauchbarkeit umzugestalten. 1788 wurde in Schlesien 
die erste englische Maschine aufgestellt. Als erster deutscher Dampf- 
maschinenfabrikant ist Friedrich August Holtzhausek anzusehen, der in 
den Jahren 1794 bis 1825 mehr als 50 Dampfmaschinen baute. Die Auf- 
stellimg der ersten Maschine für industrielle Zwecke erfolgte 1799 in der 
Königlichen Porzellanmanufaktur zu Berlin. Auch in den übrigen Ländern 
entstanden gegen das Ende des 18. Jahrhunderts Dampfinaschinenfabriken, 
in Bußland 1786 durch den Schotten Gascoigne, in Frankreich durch den 
Mühlenbesitzer Perrier. Die Dampfmaschine des sibirischen Schichtmeisters 
BoLJUNOW, die dieser unabhängig von Papin und Watt erfunden und in 
Hüttenwerke zum Betriebe von Gebläsen angewandt hatte, war nach seinem 
Tode der Vergessenheit wieder anheimgefallen. Dasjenige Land, das am 
spätesten die neue Erfindung annahm, war merkwürdigerweise Amerika. 
Dort existierten etwa am Ende des 18. Jahrhunderts 3 — 4 Dampfmaschinen. 

« 

Für alle Länder war England der Ausgangspunkt des Dampfmaschinen- 
baues. 

Dort schritt die Entwicklung rüstig weiter. Im Jahre 1800 verfiel 
Watts Patent. Nun entstanden allerorts Dampfmaschinenfabriken, die in- 
dessen nur langsam den Vorsprung einholen konnten, den sich die Firma 



42 Das 200jähTige Jubiläom der Dampfmaschine 1706—1906. 

BouLTON imd Watt durch ihre langjährigen Erfahrungen gesichert hatte. 
Die neuere Entwicklung wollen wir nur in den aUergröbsten Umrissen 
skizzieren. Einmal dürfte sie ja bekannter sein, dann würde eine ausführ- 
liche Darlegung den Rahmen dieses Buches weit überschreiten, dessen Zweck 
ja in erster Linie eine Klarstellung der Verdienste Papins und seiner 
Stellung in der Geschichte ist. Den nächsten Schritt büdete die Einführung 
höheren Drucks, die schon Watt in seinem Patent vorgesehen, von deren 
Einführung er aber wegen der Schwierigkeiten einer genügenden Abdichtimg 
selbst abgeraten hatte. Mit hohen Drucken hatteb ja auch schon Papin 
und Savert gearbeitet. In Amerika baute Evans, in England Trevithiok 
und YiviAN die ersten Hochdruckmaschinen. Die Versuche des Engländers 
Perkins, der bei seinen Versuchsmaschinen Drucke von 30 Atmosphären 
angewandt haben soll, trugen nur dazu bei, das Publikum gegen die 
Neuerungen mißtrauisch machen. Das Verdienst, die Hochdruckmaschinen 
zu wirklicher technischer Vollkommenheit ausgebildet zu haben, gebührt 
einem Deutschen: Dr. Ernst Alban. Auch er versuchte es zunächst mit 
Dämpfen von der enormen Spannung von 70 Atmosphären, mußte aber 
bald die Unmöglichkeit der Verwendung einer solchen einsehen. Er ging 
auf 10 Atmosphären herab und es gelang ihm, einen technisch sehr brauch- 
baren Wasserrohrkessel und eine ebenso brauchbare Hochdruckmaschine zu 
konstruieren. Auch die Einführung der Expansion gewann mit der Ein- 
führung hohen Dampfdruckes praktische Bedeutung. 

Die Anfänge der Mehrzylindermaschine fallen ebenfalls noch ins 18. Jahr- 
hundert, schon 1790 führte Hornblower die erste Zweizjlindermaschine 
aus. Bessere Erfolge erzielte Arthur Woolp, der 1804 die Hornblowbr- 
sche Maschine doppelt wirkend, mit Kondensation und höherem Dampfdruck 
arbeiten ließ. Es dauerte jedoch noch lange, bis es den Maschinen gelang 
sich allgemeine Verbreitung zu erringen. Das Verdienst, die erste Ver- 
bundmaschine im Schiffbau eingeführt zu haben, gebührt dem Holländer 
Eoentoen. Zur Ausführung von 3- und 4 fach Expansionsmaschinen schritt 
man erst in den 70 er Jahren. 

Eine weitere Vervollkonunnung erfuhr die Dampfmaschine durch die 
Ausbildung der verschiedenartigsten Steuerungen. Die ersten Schieber- 
steuerungen wandte Murray im Jahre 1802 an. 1836 wurde die FARCOTSche 
Schleppschiebersteuerung, 1842 die METERSche Doppelschiebersteuerung er- 
funden. Besonders die letztere hat eine große Verbreitung erlangt, eine 
Einwirkung des Regulators auf das Steuerungsorgan ist jedoch auch hier 
nur in unvollkommener und imvoUständiger Weise zu erreichen. Eine nach 
modernen Begriffen vollkommene Steuerung erreichte erst Corliss 1843 
durch die Erfindung seiner Ausklinksteuerung, die auch den Namen der 



in. Die Entwicklung der Dampfmaschine bis zur Neuzeit. 43 

Präzisionssteuerong erworben hat. Seine Erfindung bezeichnet den Beginn 
eines neuen Abschnittes im Zeitalter des Dampfmaschinenbaues, denn jetzt 
erst war eine wirklich wirtschaftlich arbeitende Maschine geschaffen, die 
ihre Eraftlieferung der jeweilig geforderten Leistung anzupassen vermochte. 
Als weitere bedeutungsvolle Neuerungen sind die Eulissensteuerungen der 
Engländer Goooh, Allan und Trick, sowie vor allem die Doppelschieber- 
steuerung des Amerikaners Bider zu bezeichnen. Die alte Ventilsteuerung, 
die schon Watt angewandt hatte, vermochte durch die Erfindungen von 
Sülzer und Collmann, die Yentilprazisionssteuerungen, in erfolgreiche Kon- 
kurrenz mit dem GoRLisschen Bundschieber zu treten. Die neueste Zeit 
erhält durch zwei Erscheinungen ihr Gepräge: den Bau von schnellaufenden 
Maschinen, insbesondere Dampfturbinen, der vor allem durch die Forderungen 
der Elektrotechniker zur Notwendigkeit wurde, tmd die Anwendung des über- 
hitzten Dampfes. .Den ersten Schnelläufer fOhrten T. Forter und John Allan 
1862 auf der Ausstellung in London vor, den ersten Anstoß zur Anwendung 
des überhitzten Dampfes gab Gustav Adolf Hirn durch seine Versuche, seit 
deren Veröffentlichung numnehr gerade 50 Jahre verflossen sind. Diu'ch 
die Arbeiten des Engländers Parson und des Schweden Laval in den 
80 er Jahren wurden die Grundbedingungen gelegt zur Verwendung des 
Dampfes in Turbinen, und unsere moderne Dampftechnik ist im Begriffe^ 
sich immer mehr dieser Maschinengattung zuzuwenden. 



IV. Einzng der Danipftnaschiiie In das Wirtschaftsleben. 

Haben wir bis jetzt die technische VerYoUkomnmimg der Dampf- 
maschine historisch darzustellen versucht, so drftngt sich uns nun die Frage 
auf, welche Vorbedingungen die Einführung der Dampfmaschine in das Wirt- 
schaftsleben ermöglichten und welche Neuerungen dieses Ereignis in dem- 
selben hervorgerufen hat. 

Als man am Ende des 18. Jahrhunderts allgemein zur Handels- und 
Gewerbe&eiheit überging, mußte sich ein jeder nach neuen Mitteln und 
Wegen umsehen, um den Kampf mit der immer schärfer werdenden Kon- 
kurrenz aufaehmen zu können. Überall machte sich deshalb ein wirtschaft- 
liches Bedürfois nach Vereinfachung und Verbilligung der Produktionskräfte 
geltend, und energischer denn je versuchte man, die teuere Lohnarbeit durch 
Anwendimg anderer Kräfte zu umgehen. Ein in dieselbe Zeit fallender 
Aufschwung der Technik schuf die Möglichkeit, Handarbeit durch Maschinen- 
arbeit zu ersetzen, und dem Zusammenwirken aller dieser Umstände ist es 
zuzuschreiben, daß gerade in dieser Zeit die Maschinen ihren Einzug in das 
Wirtschaftsleben hielten. Muß man auch zugeben, daß gerade die Erfindung 
der Dampfmaschine hier bahnbrechend wirkte, so darf man doch nie außer 
acht lassen, daß nur dem Zusammenwirken aller vorerwähnten Elemente es 
gelingen konnte, wirtschaftliche Bevolutionen von solcher Tragweite her- 
vorzurufen. Eine Darstellung des Einflusses speziell der Dampfmaschine auf 
die Volkswirtschaft begegnet daher großen Schwierigkeiten, weil eine Tren- 
nung der Wirkungen dieser Erscheinungen nahezu unmöglich ist, und doch 
nur hierdurch die besondere Wirkung der Erfindung der Dampfinaschine 
klargestellt werden kann. 

Als Besultat menschlicher geistiger Arbeit, und zwar nicht der eines 
einzelnen, sondern der Arbeit vieler unserer „Größten", die alle von der 
einen Idee durchdrungen waren, tiefeingreifenden wirtschaftlichen Nöten ab- 
zuhelfen, erregt die Erfindung der Dampfmaschine schon an imd für sich 
volksynrtschaftliches Interesse. Um so größerer Wert ist ihr aber beizu- 
messen, als ihr ein wirtschaftlicher Erfolg zur Seite steht, wie er größer 
wohl noch nicht erreicht ist. Hat sie doch Wirkungen ausgeübt, die auf 



IV. Einzug der DampfmMohine in das WirttchafUleben. 45 

allen Produktionszweigen fOhlbar waren tmd zu Bevolntionen in des Wortes 
eigenster Bedeutung führten, so daß die Staaten sich zu Verboten der 
Maschinenanwendung genötigt sahen. Aber wie bei allen Beaktionsyersuchen 
gegen natürliche geschichtliche Entwicklung, so hat sich auch hier die Ohn- 
macht der rechtssetzenden Gewalt gegen den unaufhaltsamen Strom des 
Eulturfortschrittes gezeigt. Trotz Verboten und Einschränkungen ist das 
moderne Maschinenzeitalter kraftvoll erstanden und hat sich alle Wirtschafts- 
gebiete schnell erobert. 

Vor allem das Handels- und Verkehrswesen ist durch das Maschinen- 
zeitalter und zwar speziell „das Zeitalter des Dampfes** von Grund aus um- 
gestaltet worden. Haben doch allein die Eisenbahnen derartigen Einfluß 
auf den Verkehr gehabt, daß sich ein Kind unserer Zeit von den Zuständen 
Yor den Eisenbahnen kaum noch einen Begriff machen kann. Und doch sind 
noch nicht hundert Jahre seit EinfOhrung der Dampfinaschine yerfiossenl 

Den Vorzügen, welche die Eisenbahnen mit sich brachten, konnten 
die Posten bald nicht mehr standhalten und mußten dem neuen Verkehr- 
mittel weichen. Die Haupterfordemisse des Verkehrs, wie Schnelligkeit, 
Regelmäßigkeit und Billigkeit, konnten von der Eisenbahn in weit größerem 
Maße erfüllt werden, und dies erklärt am besten ihren raschen Siegeslauf. 

Die Dauer und die Kosten der Personenbeförderung haben sich erheb- 
lich vermindert und die Bewegungsfreiheit des einzelnen und besonders der 
unteren Klassen hat sich außerordentlich gesteigert. Die S. 46 folgenden 
Statistiken mögen diesen Unterschied zwischen einst und jetzt einigermaßen 
veranschaulichen. 

Doch nicht nur für den Personenverkehr, auch fElr die Güterbeförderung 
ist die Schnelligkeit von derselben Bedeutung, und auch bei ihr haben sich 
die Kosten erheblich verringert. (In Bheinland und Westfalen z. B. be- 
trugen die Kosten für Kohlenbeförderung: mit Frachtfuhrwerk 40 Pf. für 
den Tonnenkilometer, bei Einführung der Eisenbahn sank dieser Satz schon 
auf 18 — 14 Pf!, heute beträgt er nur noch 2,2 — 1,25 Pf.) Es sind da* 
mit engere Beziehungen der Menschen auch auf große Strecken und Aus- 
tausch aller Kulturgüter selbst auf die weitesten Entfernungen möglich ge-» 
worden. 

Nicht allein schneller und billiger können jetzt Menschen und Güter 
befördert werden, auch die Begelmäßigkeit und Sicherheit des Verkehrs ist 
gewachsen. Hing früher die Beförderung von dem Wetter und dem Wasser- 
stand ab und konnte kein Verkehnuntemehmer zu ihr gezwungen werden, 
so garantiert heute die technische Vervollkommnung, die Größe des Betriebes 
und die gemeinwirtschaftliche Natur desselben ftlr Bewältigung auch des 
größten Verkehrs. Weiter ist durch gründlich ausgebildete zum Teil 



46 



Das 200jährige Jubiläum der Dampfmascliine 1706—1906. 



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mechaniscli wirkende Sicherheitsvorrichtungen bei dem Eisenbahnverkehr er- 
reicht, daß die Gefährlichkeit der Beise beträchtlich abgenommen hat. Ein 
Vergleich fOr die französischen Bahnen ergibt, daß bei dem Postbetrieb in 
den Jahren 1846 — 1855 bei 355000 Beisende schon ein Todesfall, auf 
29 510 Beisende schon eine Verwundung eintrat, während in den Jahren 
1855 — 1875 beim Eisenbahnbetrieb auf 5 Millionen Beisende erst ein 
Todesfall, auf 580000 Beisende erst eine Verwundung kam. Einen tech- 
nischen Fortschritt gegenüber der Post bedeutet schließlich noch die 
gesteigerte Massenhaftigkeit der Transportmengen. Die gleiche Zugkraft; 
kann auf glattem Schienenwege bei horizontaler Lage des Planums jetzt 
etwa das 12 fache leisten, yerglichen mit dem Transport auf guter Land- 
straße; eine große Ersparnis der bewegenden Kraft ist damit erreicht und 
die Beförderung verbilligte sich; Geschwindigkeit, Begelmäßigkeit, Sicherheit 
und Billigkeit, diese Hauptforderungen des Verkehrs, konnten also durch die 
Eisenbahnen in ganz anderem Umfange erreicht werden wie durch den Post- 



lY. Einzug der Dampfmaschine in das Wirtschafbsleben. 



47 



yerkehr und fOx den einzelnen haben sich somit viel günstigere Verkehrs- 
bedingungen entwickelt. Es kann deshalb nicht wundernehmen, wena 
der gesamte Personen- und Güterverkehr immer mehr gewachsen ist und 
hierdurch trotz Verringerung der Ausgaben des einzelnen für seine Ver- 
kehrsbedürfnisse die Einnahmen des Eisenbahnuntemehmers, d. h. im Staats- 
bahnsystem des Staates, erheblich stiegen. Immer größere Strecken wurden 
dem Eisenbahnverkehr dienstbar, ein Weltbahnnetz entstand, und die Ein- 
nahmen der Gesamtwirtschafi; mehrten sich beträchtlich. Die folgenden 
Statistiken mögen besser als Worte diese Tatsachen belegen. 





















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Nicht zu allen Zeiten war man sich über die Bedeutung der Eisen- 
bahnen so klar wie jetzt, und diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, 



48 



Das 200 jährige Jubiläum der Dampfmaschine 1706—1906. 



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daß ihre Entstehung meist Friyatuntemehmungen zu verdanken ist. Doch 
hatte sich schon bei den Posten das Bedürfnis bemerkbar gemacht, daß der 
Betrieb in Hände von Großunternehmern und besonders solcher Großunter- 
nehmer übergeleitet wurde, die öffentliche Interessen wahrnahmen, so machte 
sich dies bei dem gesteigerten Verkehr der Eisenbahn noch viel stärker 
fühlbar. Der Unternehmer, der diesen Anforderungen am besten genügen 
konnte, war der Staat. Für diesen erschien ein Eingreifen ohnedies um so 
notwendiger, als die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Verkehrunter- 



rV. Einzug der Dampfmaschine in das Wirtschaftsleben. 



49 



nehmung beständig wuchs. In vielen Ländern wuirde eine Übernahme 
seitens des Staates noch dadurch erleichtert, daß die meisten Privatunter- 
nehmungen ihre Zwecke ohne Übertragung von Hoheitsrechten und materielle 
Unterstützung seitens des Staates (wie Verleihun|f des Rechtes der Ent- 
eignung, Kapitalbeteiligung und Zinsgarantien) nicht erreichen konnten. 

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Schon bei der Konzessionierung der Bahnen behielt sich daher der Staat 
weitgehende Aufsichtsrechte besonders gegenüber dem Tarifwesen vor, diesem, 
nach Schmoller, der staatlichen Handelspolitik gleichwertigen Gebiete. Den 
Anlaß zur Übernahme durch den Staat gaben dann oft drohender Untergang 
volkswirtschaftlich wichtiger Bahnlinien und nicht genügende Berücksich- 
tigung großer militärisch -politischer Bedeutung derselben. So entstand in 
den meisten Ländern das sogenannte „gemischte System", welches dann 
vielfach den Übergang zu dem reinen Staatsbahnsjstem gebüdet hat oder 

Abh. 2. Gesch. d. msth. WiBseiiBch. xxill. 4 



50 



Das 200jährige Jubiläum der Dampfinaschine 1706—1906. 



noch bildet. Während früher nur die Beaufsichtigung der Selbstonter- 
nehmer die Aufgabe des Staates gegenüber dein Verkehr bildet, übt der 
Staat in den Ländern des Staatsbahnsjstemes jetzt als Inhaber der kapital- 
kräftigsten Anstalten ei:i|en direkten Einfluß auf die ganze Produktion und 
insbesondere den Handel aus. Seine Stellung gegenüber der Yolkswirtschafi; 

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ist durchaus verändert. Die Anfänge der staatssozialistischen Politik sind 
durch das Staatsbahnsystem gemacht worden. Nicht allein eine Umgestal- 
tung des ganzen Verkehrswesen von Grund aus, auch eine ganz neue Wirt- 
schaftspolitik ist durch Einführung der Dampfmaschine in den Landverkehr, 
wenn auch nur indirekt, verursacht worden. 

Nicht ganz so große Wirkungen lassen sich bei der Einführung der 
Dampfkraft in den Wasserverkehr feststellen, obgleich auch hier technische 
Vollendung der Maschine außerordentlich Großes geleistet hat. Der Haupt- 
grund hierfSr ist, daß auf den Wasserwegen die Konkurrenz des Windes 



IV. Einzug der Dampfmaschme in das Wirtschaftsleben. 51 

zu überwinden ist, der abgesehen von dem Aufwand ftlr Segel und Take- 
lage unentgeltliche Arbeitet leistet, und dessen Arbeitskraft im Gegensatz 
zu den bewegenden Kräften auf dem Land stets dieselbe geblieben ist Da- 
zu ist die Entwicklung des Wasserverkehrs ungleich schwerer und nur viel 
ungenauer zu verfolgen, da ein der vortrefflichen Eisenbahnstatistik ent- 
sprechendes Hilfsmittel nicht vorhanden ist. Besonders gilt dies fOr die 
Binnenschiffahrt, für die statistische Nachweise nahezu g&nzlich fehlen. 
Trotzdem hat die Dampf kraft* auch für die Binnenschiffahrt ganz erhebliche 
Vorteile gebracht. Vor allem im Personenverkehr auf dem Binnenwasser 
ist das Segelschiff nahezu gänzlich verdrängt worden. Aber auch für den 
Güterverkehr gewährt die Möglichkeit größerer Kraftentwicklung eine 
Steigerung der Massenhaftigkeit der Transportmengen und durch Einwirkung 
der Dampfschleppschiffährt stieg die Größe der Binnenschiffe, die noch 1840 
75—400 Tonnen betrug, 1877—1897 auf 80—600 Tonnen durchschnitt- 
lich, und in manchen Gebieten, besonders auf dem Rhein, auf 600 ja 1000 
bis 2000 Tonnen Die Stromreguliemng mag allerdings hierbei auch einigen 
Einfluß gehabt haben. Die Steigerung des Binnenwasserverkehrs 1875 — 
1895 um 1437o, 1895—1898 um 43% ist sicher zum großen Teil den 
Dampfschiffen zuzuschreiben, die, erst in den 20er Jahren in den Binnen- 
wasserverkehr eingeführt, schon 1878 im Deutschen Reich auf 673 Schiffe 
mit zusammen 52840 PS und einem Netto-Raumgehalt von 25517 Tonnen 
gestiegen waren. Die Tatsache, daß besonders auf dem Rhein ganze In- 
dustriezweige ihre Güter, wenn angängig, ausschließlich auf dem Wasser- 
wege befördern, ist nicht zum mindesten der Unabhängigkeit des Dampf- 
schiffes von Wind und Wetter zuzuschreiben; welche erst einen geregelten 
Verkehr auf dem Wasser möglich gemacht hat. 

Schon besser steht es mit den Erfolgen der Dampf kraft auf der See. 

EUer hat die Beschleunigung und größere Regelmäßigkeit den Dampf 
große Eroberungen machen lassen, wenn auch ein Monopol der Seedampf- 
schiffahrt noch nicht entfernt erreicht ist. Der Grund dafür ist eben, wie 
schon erwähnt, in der starken Konkurrenzfähigkeit des Windes zu suchen, 
der noch heute dieselbe unentgeltliche Arbeit wie früher leistet. Wollte 
deshalb die Dampfmaschine diese Konkurrenz überwinden, so mußte sie 
Vorteile bieten, welche die Verteuerung der bewegenden Kraft wieder auf- 
hoben. So wurden auch hier wieder Beschleunigung, Regelmäßigkeit und 
Sicherheit, welche das Dampfschiff viel besser gewährte als das größte Segel- 
schiff, die ausschlaggebenden Faktoren für die Entscheidung zugunsten des 
Dampfschiffes. Brauchte ein transatlantischer Postdampfer zu einer Reise 
von Liverpool bis Newyork 1840 noch 15 Tage, so hat 1899 der „Kaiser 

Wilhelm der Große", eines der größten Schiffe der Welt, diese Fahrt in 

4* 



52 



Das 200jährige Jabiläum der Dampfinaschine 1706—1906. 



5 Tagen 18 Stunden und 5 Minuten zurücklegen können. Hängt die Fahrt des 
Segelschiffes immer von der Richtung und Stärke des Windes ab, der ständig 
wechselt, ja oft überhaupt nicht weht, und muß dieses Schiff schon bei der Aus- 
fahrt erst auf günstigen Wind warten, so ist das Dampfschiff nahezu unabhängig 
vom Wetter und kann selbst bei entgegengesetztem Winde denselben Weg noch 
mit großer Geschwindigkeit zurücklegen. Im Stückgüterverkehr, bei dem es 
auf regelmäßige und schnelle Beförderung ankommt, ist infolgedessen das 
Segelschiff schon gänzlich verdrängt worden. Nur dem Damp&chiff ist es schließ- 
lich zu verdanken, wenn heute ein regelmäßiger Postverkehr über die ganze 
Welt stattfindet zu Preisen, wie sie früher im Landverkehr auf kurze Strecken 
nicht möglich waren. Es kann deshalb auch nicht erstaunen, daß die Dampf- 
schiffe im Seeverkehr ständig zunehmen, während die Segelschiffe immer 
weniger werden. Die folgende Statistik mag den Beweis dafär liefern: 

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IV. Einzag der Dampfmaschine in das Wirtschaftsleben. 53 

Also nicht allein auf dem Lande, auch zu Wasser hat die Dampf- 
maschine einen Sieg über die alten Verkehrsmittel erfochten, der die Um- 
gestaltung des ganzen Verkehrswesens zur Folge hatte. Von der Post- 
kutsche zum Ezpreßzug, von der Segelbarke zum Schnelldampfer, nur solche 
Biesenschritte konnten genügen, um ein wirksames Heilmittel gegen die 
drohende Übervölkerung zu werden. Die gewaltig gesteigerten BedürMsse 
der ständig wachsenden Bevölkerung forderten Erschaffung neuer Lebens- 
quellen. Ein weit über die Grenzen der Staaten hinausgehender Markt 
entstand, und die auf das Doppelte gestiegene Bevölkerung konnte mit 
Nahrungsmitteln und Gütern aller Art versorgt werden. Neue Absatzgebiete, 
neue Einnahmequellen wurden erschlossen, eine weit über die nationalen 
Grenzen hinausgehende internationale Arbeitsteilung wurde ermöglicht. Der 
Welthandel war die ebenbürtige Folge des Einzuges der Maschinen in 
unsere Kultur. 

Haben wir im vorigen darzustellen versucht, welchen Einfluß die 
Dampfmaschine auf den Handel und Verkehr hatte, imd damit die Wir- 
kungen der Maschinenanwendung auf den Güterumsatz geschildert, so wollen 
wir die folgenden Zeilen dazu benutzen, einen Überblick darüber zu geben, 
welchen Einfluß die Maschine und speziell die Damp£m.aschine auf die Güter- 
erzeugung und zwar insonderheit die Gewerbe und die Landwirtschaft aus- 
übte. Denn besonders das Gewerbe ist durch die Maschinen von Grund 
aus umgestaltet worden. 

Wie schon oben erwähnt, erregte ein Bedür&is nach Vereinfachung 
und Verbilligung der Produktionskräffce in den Gewerben den Drang nach 
Ersatz der Handarbeit durch Maschinenkraft. Die mechanischen Ejräfte, 
welche bisher in den Gewerben Verwendung fanden, waren Wind- und 
Wasserkraft. Die Windmühlen, Wasserräder und später die Turbinen schufen 
die Möglichkeit diese Ejräfte für die Stoffveredlung zu benutzen. Doch bei 
beiden spielte wieder das Wetter eine entscheidende Rolle. Wehte der 
Wind einmal nur schwach oder gar nicht, versagten infolge Trockenheit 
einmal die Wasser, so traten schon empfindliche Störungen in diesen Be- 
trieben ein. Dazu konnte Wind- und Wasserkraft nur an ganz bestimmten 
Orten Verwendung finden: die Windmühle konnte nur an stark dem Winde 
ausgesetzten Plätzen, weiten Ebenen oder zugigen Höhen, die Wasser- 
maschinen nur in Gegenden angebracht werden, welche starkes Gefälle auf- 
wiesen, also hauptsächlich Gebirgen und Tälern. Nur wo solche Land- 
strecken auch andere für die Existenz der Gewerbe notwendige Bedingungen, 
wie Nähe des Rohmaterials, erfüllten, konnten die Naturkräfte für den Be- 
trieb der Gewerbe ausgenützt werden. Dem gegenüber war die Dampf- 
maschine von jeder örtlichen Fessel nahezu befreit. Nur die Beschaffung 



54 



Das 200jähiige Jubiläum der Dampfmaficliine 1706--1906. 



des Heizmaterials konnte im einzelnen Falle Schwierigkeiten machen; diese 
waren jedoch durch geeignete Yerkehrsanlagen jederzeit zu umgehen. In 
allen Gewerben, in welchen die Stärke der vorhandenen Ejräfte nicht mehr 
ausreichte, wie im Berg- und Hüttenbau, oder bei welchen die Art der 
Fabrikation nur irgend Mechanisierung zuließ, stand daher nach Erschaffung 
der Dampfmaschine kein Hindernis im Weg, die Dampf kraft zu benutzen 
und die teure Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen. Kein Wunder, 
daß die neuen Maschinen rasch ausgedehnte Abnahme fanden. 

Die folgenden Statistiken liefern den Beweis dafür, wie rasch die 
Dampfinaschinen sich in den Gewerben ausbreiteten: 



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lY. Einzug der Dampfmaschine in das WirtechafUleben. 



55 



Diese rasche Zunahme der Maschinen hatte jedoch auch nachteilige 
Folgen. Wo Maschinen eingeführt wurden, konnten viele menschliche Ar- 
beitskräfte plötzlich entbehrt werden und schon früh erblickten alle Arbeiten- 
den in der Maschine die Ursache von Arbeits- und Brotlosigkeit. Der Haß 
der Arbeiter gegen diesen verdienstraubenden Eonkurrenten führte daher zu 



Ausbreitung der Dampfmaschine in den Gewerben. 

1878 

1. Bergbau, Hütten- und Salinenwesen 608 357 PS 

2. Industrie der Steine und Erden 24 107 

3. Metallverarbeitung 22 644 

4. Industrie der Maschinen, Werkzeuge 20 499 

5. Cüemische Industrie 10 416 

6. Industrie der Heiz- und Leuchtstoffe 6 727 

7. Faaerstoffindustrie 87 147 

8. Papier- und Lederindustrie 24 669 

9. Industrie der Holz- und Schnitzstoffe 22 907 

10. „ ,, Nahrungs- und Genußmittel 110 018 

11. „ „ Bekleidung und Reinigung 2 368 

12. Baugewerbe 786 

13. Handelsgewerbe 268 

14. Textilindustrie ? 



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108 208 
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regelrechten Aufständen und damit zu staatlichen Eingriffen, ja behördlichen 
Verboten der Maschinenanwendung. Doch wie kurzsichtig waren diese Maß- 
nahmen, die doch nur dem Vorteil der Menschen entgegenarbeiteten! Be- 
deuten diese momentanen Übelstände doch nichts anderes als die Äußerung 
einer Verschiebung der wirtschaftlichen Organisation. War diese erst ein- 
mal vollzogen, so verschwanden diese nachteiligen Folgen schon von selbst. 
Wurden auch durch die Maschinenverwendung eine ganze Beihe von 
Arbeitskräften für ihre bisherige Beschäftigung überflüssig (in der Maschinen- 
industrie waren es in den 20 er Jahren nahezu TO^q)) so steigerte sich 
durch den Maschinenbetrieb die Gesamtproduktion so erheblich, daß immer 
neue Arbeitsgelegenheit entstand. Dazu vergrößerte der zunehmende Handel 
die Absatzgebiete auch für die der Maschinenanwendung weniger zugäng- 
lichen Betriebe, ja schuf ganz neue Betriebe, so daß auch auf diesen Ge- 
bieten die Nachfrage nach Arbeitskräften immer mehr stieg. Durch die 
gesteigerte Gesamtproduktion wurden andererseits die Einzelunternehmungen 
auf dem Weltmarkte bedeutend konkurrenzfähiger: Sie konnten größere 
Geschäfte abschließen, entsprechend mehr einnehmen und auch mehr Lohn 
bezahlen. Durch günstige ausländische Absatzgebiete kam mehr Geld in 
das Land als ausgeführt wurde, mit anderen Worten die Zahlungsbilanz 
erhöhte sich und der Nationalwohlstand wurde vermehrt. In letzter Kon- 



56 I^as 200jährige Jubiläum der Dampfinaschine 1706—1906. 

Sequenz wurden somit auch die nachteiligen Folgen der Maschinenanwendung, 
die sich in wachsender Arbeitslosigkeit zeigten, wenn auch nicht aus der 
Welt geschafft, so doch erheblich gemindert und durch andere Vorzüge 
wieder gut gemacht. 

Die bei den Maschinen notwendige Ausnützung einer Kraftquelle be- 
dingte die Eonzentrienmg des Betriebes und für dieses Erfordernis war die 
üntemehmungsform des dezentralisierten Handwerkerstandes ungeeignet 
Nur die Fabrik konnte diesen Anforderungen vollauf genügen, bei der 
Fabrik war auch die für die Massenproduktion notwendige Arbeitsteilung 
in geeigneter Weise durchzuführen. Aus vielen kleinen selbständigen Werk- 
stätten wurden deshalb zentralisierte Fabriken, GroßuDtemehmungen wurden 
gegründet, welche die kleinen Betriebe in sich aufiaahmen, und statt des 
selbständig besitzenden Handwerkerstandes die neue Klasse des Lohnarbeiter- 
standes erzeugten. Die wirtschaftliche Organisation der Gewerbe wurde da- 
mit verändert, mit einem Wort, durch den Einzug der Maschinen in die 
Gewerbe ist die moderne Großindustrie entstanden. 

Diese Entwicklung der Gewerbe, welche ganze Staaten von Ackerbau- 
zu Industriestaaten stempelte, blieb nicht ohne Einfluß auf die Landwirt- 
schaft. Dieses Schmerzenskind der modernen Staaten hatte unter der ge- 
werblichen Konkurrenz viel zu leiden, umsomehr als die Sonderinteressen der 
Industrie durch die Wichtigkeit derselben immer stärkere Beachtung ver- 
langten und meist im Widerspruch mit denen der Landwirtschaft standen. 
Auch die Landwirtschaft mußte sich deshalb nach neuen Mitteln umsehen, 
um nicht zurückzubleiben und damit ihrem Untergang entgegenzugehen. 
Auch bei ihr haben die Maschinen gute Hilfe geleistet. Wurden in der 
Industrie die kleinen Betriebe durch die Großuntemehmungen immer stärker 
eingeschränkt, so machte auch in der Landwirtschaft die Möglichkeit der 
Maschinenanwendung den Großgrundbesitz gegenüber der Kleinbauemwirt- 
schaft rentabler. Wo der Dampfpflug Verwendung finden konnte, wurde 
die Feldbestellung durch Massenbetrieb erheblich verbilligt, und die land- 
wirtschaftlichen Produkte konnten konkurrenzfähiger auf den Märkten er- 
scheinen. Dazu ersparte die Dreschmaschine Zeit und Arbeit, so daß auch 
hierdurch das fertige Produkt viel billiger verkauft werden konnte. Aller- 
dings hielt in der Landwirtschaft die Einführung der Maschinen nicht ent- 
fernt Schritt mit deren Einführung in den Gewerben. Es erklärt sich dies 
aber nicht zum mindesten daraus, daß der stark konservative Charakter 
der landwirtschaftlichen Bevölkerung diesen Neuerungen viel unzugänglicher 
gegenüberstand. Trotzdem brachten die Maschinen nicht allein Verbesse- 
rungen für die Landwirtschaft, auch die Lebensfähigkeit ganzer landwirt- 
schaftlicher Betriebe hängt heute von der Maschinenanwendung ab. Nur 



J 



lY. Einzng der Dampfmaschine in das Wirtschaftsleben. 57 

der Verwendung des Dampfpfluges ist es z. B. heute zu verdanken, wenn 
die Baumwollkultur in vielen Ländern große Erfolge erringt. Sind auch 
bei der Landwirtschaft die Folgen der Maschinenanwendung viel geringer 
geblieben als bei anderen Produktionszweigen und konnten auch die Ma- 
schinen dieselbe nicht vor einem Niedergang bewahren, so ist doch schon 
jetzt entschieden ihr Einfluß zu spüren, und dieser wird noch größer werden, 
je mehr die Bevölkerung den Vorteilen der Maschine zugänglich wird. 



Anmerkung: Die Textfigoren sind photographiscbe Reproduktionen aus den 
acta eruditorum (Figur 1) und aus der ars nova (Figur 2 und 3). Die Aufnahmen 
wurden vom Verfasser gemacht mit gütiger Erlaubnis der großherzoglichen Hof- 
bibliothek zu Darmstadt, in deren Besitz sich die beiden Werke befinden. 



Literatnmacliweis. 



1. Acta eruditorum, Lipsiae 1689, 1690, 1691, 1698, 1706, 1707. 

2. Abago, Oeuvres completes, M. J.-A. Banah, Paris, Leipzig 1866. 

3. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde Neue 

Folge. Band 8. Kassel 1880. 

4. Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen 1850. Hannover 1854. 

5. WiEDEMANNS Annalcu. Neue Folge. Band 8. Leipzig 1879. 

6. V. Upfenbach, Merkwürdige Reisen. Frankfurt und Leipzig 1753. 

7. Papik D., Ars nova ad aquam ignis adminiculo ef^cacissime elevandam. 

Lipsiae 1707. 

8. De la Saussaye, La vie et les ouvrages de Papin. Paris-Blois 1869. 

9. Gbbland, Leibnizens und Huygens Briefwechsel mit Papin. Berlin 1881. 

10. Gebland, Die Dampfmaschine im 18. Jahrhundert in Deutschland. 

11. Matschoss, C, Geschichte der Dampfmaschine, Berlin 1901. 

12. Beck, Th., Beiträge zur Geschichte der Dampfmaschine. 

13. ScHMOLLEB, G., Gruudriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre. 1901. 

14. Conrad, Dr. J., Leitfaden zum Studium der Volkswirtschaftspolitik 

15. Reüleaux, f., Kurzgefaßte Geschichte der Dampfmaschine. 1891. 

16. Engel, Das Zeitalter des Dampfes, Berlin 1880. 

17. KuLiscHEB, J., Die Ursachen des Übergangs von der Handarbeit zur maschi- 

nellen Betriebsweise. Jahrb. f. Ges. u. Verw. 1906. 

18. Vateb, R., Dampf und Dampfmaschine 1905.