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Full text of "Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie"

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7^ 


Berliner  Jahrbuch 

für 

Handel  und  Industrie 


Bericht 

der 

Ältesten  der  Kaufmannschaft  von  Berlin 


Jahrgang  1913 
Band  II 


6ERLIN 

VERLAG  VON  QEORO  REIMER 

1914 


Inhalts-Verzeichnis. 


Spezialberichte  über  Berlins  Handel  und  Industrie. 
I.  Pflanzliche  Rohprodukte  und  Fabrikate. 

Seite 

A.  Landwirtschaftliche  Rohproduiite. 

1.  Getreide 3 

Tab.     1.  Welternte  in  Getreide  S.  3. 

Tab.    2.  Erntemengen  im  Deutschen  Reich  S.  4. 

Tab.  3.  Mehr-  oder  Minder-Erträge  der  deutschen  Eruien  gegen  das  Vor- 
jahr S.  4. 

Tab.    4.  Anbauflächen  im  Deutschen  Reich  S.  4. 

Tab.    5.  Erträge  für  den  Hektar  bebauter  Fläche  S.  5. 

Tab.    6.  Saatenstands-Xotierungen  S.  4. 

Tab.    7.  Einfuhr  in  das  deutsche  Zollgebiet  S.  5. 

Tab.    8.  Ausfuhr  aus  dem  deutschen  Zollgebiet  S.  5. 

Tab.    9.  Berliner  Lieferungspreise  für  "Weizen  S.  14. 

Tab.  10.  Berliner  Lieferungspreise  für  Roggen  S.  21. 

Tab.  11.  Preise  für  südrussische  Futtergerste  S.  25. 

Tab.  12.  Lokopreise  für  Futtergerste  im  Jahre  1913  S.  26. 

Tab.  13.  Berliner  Lieferungspreise  für  Hafer  S.  30. 

Tab.  14.  Lokopreise  am  Frühmarkt  und  der  Produktenbörse  in  Berlin  für  Hafer 
im  Jahre  1913  S.  31. 

Tab.  15.  Berliner  Lokopreise  für  Mais  S.  34. 

Tab.  16.  Berliier  Lieferungspreise  für  Mais  S.  34. 

2.  Hülsenfrüchte 34 

3.  Zwiebeln 37 

4.  Landwirtschaftliche    Sämereien 38 

Tab.  17.    Preise  der  landwirtschaftlichen  Sämereien  im  Jahre  1913  S,  43. 

5.  Kartoffeln 44 

Tab.  18.     Kartoffelernte  S.  46. 

Tab.  19.     Monatliche  Durchschnittspreise  für  Kartoffeln  in  Berlin  S.  46. 

Tab.  20.    Empfang  von  Kartoffeln  auf  sämtlichen  Berliner  Bahnhöfen  während 

der  Jahre  1911—1913  S.  46. 
Tab.  21.    Zufuhren    von    Kartoffeln    nach   den   drei   Hauptempfangsbahnhöfen 

Berlins  während  des  Kalenderjahres  1913  S.  46/47. 
Tab.  22.    Ein-  nnd  Ausfuhr  von  Kartoffeln  in  den  letzten  drei  Jahren  S.  47. 

6.  Oelsaaten  (Raps  und  Rübsen) 47 

7.  Fouragehandel 49 

8.  Flachs    und  Hanfhandel 52 

9.  Hopfen 53 

10.  Kunst-  und  Handelsgärtnerei 54 

11.  Handel  mit  Obst  und  Gemüse 63 

Tab.  23.     Einfuhr  von  frischem  Obst  und  Gemüse  S.  65. 

B.     Landwirtschaftliche  Fabril(ate. 

12.  Mehl  und  andere  Mühlenfabrikate 67 

Tab.  24.  Preise  für  Weizenmehl  im  Jahre  1913  S.  72. 

Tab.  25.  Preise  für  billigste  und  teuerste  Roggenmehle  im  Jahre  1913  S.  73. 

Tab.  26.  Lieferungspreise  für  Roggenmehl  S.  71. 

Tab.  27.  Preise  für  Weizen-  und  Roggenkleie  im  Jahre  1913  S.  75. 

13.  Brotfabrikation 75 

Tab.  28.    Brotpreise  S.  75. 

Tab.  29.    Weizenbrotpreise  S.  75. 

14.  Keks-,  Honig-  und  Lebkuchenfabrikation 77 

15.  Rüböl 78 


rv  Inhalts- Veraeichnis. 

Seite 

16.  Kartoffelfabrikate 80 

Tab.  30.    Monatliche  Uurchsclmittspreise  für  Kartoffelfabrikate  im  Jahre  1918  S.  81. 
Tab.  31.    Export  von  Kartoffelfabrikaten  in  den  letzten  drei  Jahren  S.  82. 

17.  Zichorien  und  andere  Kaffeesurrogate 62 

Tab.  32.    Preise  für  gedarrte  Cichorien  im  Jahre  1913  S.  83. 

18.  Konservierte  Früchte  und  Gemüse 84 

Tab.  33.    Detailpreise  für  Rot-,  Weiß-  und  Sauerkohl  im  Jahre  1913  S.  87. 

19.  Zucker .        87 

Tab.  34.    Zuckerproduktion  S.  89 

Tab.  35.    Deutschlands  Zuckerausfuhr  und  Verbrauch  S  •  89. 

Tab.  36.    Zuckerpreise  nach  Hamburger  Notierung-  S.  89. 

20.  Spiritus 89 

21.  Branntwein-  und  Likörfabrikation ,95 

22.  Essigfabrikation 96 

23.  Bierbrauerei 96 

Tab.  37.  Dividenden  der  Berliner  Brauereien  S.  97. 

Tab.  38.  Betriebs-     und    Produktionsverhältnisse     in     den    Brauereien    üroß- 

Berlins  S.  99. 

Tab.  39.  Rohstoff  preise  (ür  Brauereien  S.  99. 

Tab.  40.  Malzpreise  für  100  kg  S.  99. 

Tab.  41.  Berlins  monatliche  Ein-  und  Ausfuhr  von  Bier  S.  lOO. 

Tab.  42.  Ein-  und  Ausfuhr  von  Bier  auf  Berliner  Bahnhüfeti  y.  ICO. 

24.  Weinhandel 100 

Tab.  43.    Einfuhr  von  Wein,  Alost  und  Maische  in  Fässern   oder  Kesselvrageu 

aus  den  Hauptimportländern  S    103. 
Tab.  44.    Einfuhr  von  Schaumwein  in  den  letzten  drei  Jahren  S.  103. 
Tab.  45.    Ein-  und  Ausfuhr  von  Wein,  Most,  Traiiben,  Arrak,  Rum,   Kognak   in 

den  Jahren  1912  und  1913  S.  103. 
Tab.  46,    Einfuhr   von  rotem   Verschnittwein   und  Wein    zur   Kognakbereitung 
*  aus  den  einzelnen  Ländern  S.  104. 

Tab.  47.    Verzollungen    in    Groß -Berlin    und    Bestände    der   Ttilungsla'ger    iji 

Kilogramm  S.  104. 
Tab.  48.    Gesamtmenge     des     eisernen     Kredits     Groß -Berliner    Weinfirraen 

S.  104. 
Tab.  49.    Herstellung   von   Schaumwein   im    deutschen   Zollgebiet  und   in    der 

Provinz  Brandenburg  S.  104. 
Tab.  50.    Zoll-  und  Steuererträge  aus  dem  Wein-  etc.  Verkehr  in   Deutschland 

S.  105. 
Tab.  51.    Der  Verkehr  von  ausländischem  und  fremdem  Branntwein  erbrachte 

dem  Staat  folgende  Einnahmen  S.  105. 

25.  Gastwirtsgewerbe 105 

26.  Tabak  und  Tabakfabrikate 107 

C.  Kolonialwaren. 

27.  Kaffee 116 

Tab.  52.    Hamburger  Kaffeepreise  S.  119. 

Tab.  53.     Zufuhren  in  Santos  und  Rio  S.  120. 

Tab.  54.    Sichtbare  Weltvorräte  S.  120. 

Tab.  55.    Ablieferungen   in  Europa   und  Nordamerika   in   den  Jahren  1910   und 

1911  S.  120. 
Tab.  56.    Einfuhr  von  Eohkaffee  nach  Deutschland  S.  121. 

28.  Tee 121 

Tab.  57.    Einfuhr  von  Tee  nach  Deutschland  S.  125. 

29.  Kakao  und  Kakao  waren.    Zuokerwaren '.     .     .     .       125 

Tab.  58.     Preise  von  Rohkakao  S.  126. 

Tab.  59.    Außenhandel  mit  Schokolade  und  Schokoladecrsatzstoffen  S.  127. 

Tab.  60.    Außenhandel  mit  Kakaopulver  S.  127. 

30.  Reis 128 

Tab.  61.    Deutsche  Einfuhr  von  Rohreis  S.  131. 

Tab.  62.    Deutschlands  Außenhandel  mit  poliertem  Reis  S.  132. 

31.  Südfrüchte  und  Dörrobst 132 

32.  Speiseöl 135 

33.  Gewürzhandel 136 

II.  Tierische  Rohprodukte  und  Fabrikate. 

4.  Vieh 138 

Tab.  63.    Ernteerträge  an  Futtermitteln  S.  138. 

Tab.  64.    Viehbestand  des  Deutschen  Reiches  S.  139. 

Tab.  66.    Viehbestand  Preußens  S.  189, 


Inhaits-Verzeichnis.  ^ 

Seite 
Tab.  66.     Auftrieb  von  Schlachtvieh  am  Berliner  Markt  S.  141. 
Tab.  67.     wSchlachtungeu  im  Berliner  Schlachthof  S.  141. 
Tab.  68.     Ausfuhr  lebenden  Schlachtviehes  vom  Berliner  Markt  S.  141. 
Tab.  69.     Preisbewegung:  am  Berliner  Yiehmarkt  S.  142. 

35.  Wild  und  Geflügel 142 

Tab.  70.    Monatliche  Durchschnittspreise  von  Wild  und  Getlügel  iiu  Jahre  1913 
S.  143. 

36.  Milchhandel 144 

37.  Butter 145 

Tab.  71.     Berliner  Butternotierungen  für  la  (^ualilät  im  Jahre  191o  S.  154/l.'i5. 
Tab.  72.    Monatsdurchschuittspreise    der    höchsten    la    Qualität    iu    Berlin    und 

Hamburg  im  Jahre  1918  S.  154. 
Tab.  73.    Jahresdurchschnittspreise  der  höchsten  la  Qualität  S.  164. 
Tab.  74.    Deutschlands  Butteriraport  S.  154. 

38.  Handel  mit  Schmalz 154 

Tab.  75.    Weltvorräte  an  amerikanischem  Schmalz  S.  156. 

39.  Kunstspeisefett 158 

40.  Margarine  und  Pflanzenbutter 159 

Tab.  76.     Preise  für  Kokosöl  und  Palmkernöl  S.  16:^. 

41.  Honig 163 

42.  Käse 164 

43.  Eiai_. 168 

■ Tab.  77.     Durchschnittspreise  für  frische,  d.  h.  nicht  konservierte  Eier  von  nor- 
maler Größe  im  Berliner  Grolihand<«l  S.  171. 
Tab.  78.    Berlins  Einfuhr,   Ausfuhr  und  Konsum  von  Eiern  iu  den  Jahren  1909 
bis  1913  S.  171. 

44.  Speck 171 

Tab.  79.     Berliner  Großhandelspreise  für  Speck  im  Jahre  1913  S.  1<2. 

45.  Därme 173 

46.  Fische  und  Schaltiere 176 

Tab.  80.    Monatliche  Durchschnittspreise  für  Fische  im  Jahre  1913  S.  181. 

III.  Industrie  der  Steine  und  Erden. 

47.  Baumaterialien .:....       195 

Tab.  81.    Steinpreise  S.  198/199. 

48.  Ofenfabrikation 206 

49.  Schamottewaren 207 

50.  Porzellan  und  Steingut 208 

51.  Glas  und  Glaswaren 210 


IV.  Montanindustrie. 


52.  Kohle^ 213 

— -TO).  82.  Kohlenzufuhr  nach  Berlin  S.  213. 

Tab.  83.  Berlins  Zufuhr  an  englischer  Steinkohle  S.  214. 

Tab.  84.  Preise  auf  den  englischen  Kohlenmärkten  1912  und  1913  S.  214. 

Tab.  85.  Berlins  Zufuhr  an  westfälischer  Steinkohle  S.  21Ü. 

Tab.  86.  Berlins  Zufuhr  an  sächsischer  Steinkohle  S.  217. 

Tab.  87.  Berlins  Zufuhr  an  oberschlesischer  Steinkohle  S.  217. 

Tab.  88.  Berlins  Zufuhr  an  r  iederschlesischer  Steinkohle  S.  218. 

Tab.  89.  Berlins  Zufuhr  an  böhmischer  Braunkohle  S.  219. 

Tab.  90.  Berlins  Zufahr  an  Braunkohlenbriketts  S.  219. 

Tab.  91.  Berlins  Zufuhr  an  inländischer  Braunkohle  S.  220. 

Tab.  92.  Berliner  Kohlenpreise  im  Detailhandel  S.  222. 

Tab   93.  Kohlenproduktion  im  Deutschen  Reiche  S.  222. 

Tab.  94.  Deutschlands  Kohleneinfuhr  S.  223. 

Tab.  95.  Deutschlands  Kohlenausfuhr  S.  223. 

Tab.  96.  Kohlenverbrauch  im  Deutschen  Reiche  S.  223. 

53.  Roheisen  und  Fertigeisen 223 

Tab.    97.  Monatsziffern  der  deutschen  Roheisenproduktion  S.  223. 

Tab.    98.  Deutsche  Roheisenpreise  im  Jahre  1913  S.  224/225. 

Tab.    99.  Durchschnittspreise  von  M.  N.  Warrants  f.  a.  B.  Glasg-ow  S.  221/225. 

Tab.  100.  Durchschnittspreise  von  Warrants  fob  Middlesbro  S.  224/225. 

Tab.  101.  Berliner  Roheisenpreise  S.  227. 

54.  Ajteisjjj]     ■ .       231 

55.  K^upfer,  Blei,  Zink,  Zinn ...       232 

Tab.  102.    Weltproduktion  von  Kupfer  S.  233. 
Tab.  103.    Weltverbrauch  von  Kupfer  S.  233. 


VI  Inhalts- Verzeichnis. 

Seite 

Tab.  104.     Weltverbraueh  und  Weltproduktion  von  Kupfer. S.  'M). 

Tab.  lOö.    Deutscher  Kupferverbrauch  S.  234. 

Tab.  106.     Deutschlands  Außeohandel  in  Rohkupfer  S.  234. 

Tab.  107.    Amerikanische  Kupferstatistik  S.  235. 

Tab.  108.  Vorräte  in  England  und  Frankreich  einschließlich  der  von  Chile  und 
Australien  als  schwiranaend  gemeldeten  Verschiffungen  am  Monats- 
ende S.  236. 

Tab.  109.    Berliner  Monatsdurchschnittspreise  für  Standard-Kupfor  S.  236, 

Tab.  110.     Durchschnittsnotierungon  für  Standard-  u.  Best-Selected-Kupfer  S.  236. 

Tab.  111.    Durchschnittspreise  für  Zinn  S.  237. 

Tab.  113.     Deutscher  Außenhandel  in  Zinn  S.  237. 

Tab.  113.    Durchschnittspreise  für  Zink  S.  238. 

Tab.  114.    Deutscher  Außenhandel  in  Zink  S.  238. 

Tab.  115.     Durchschnitt.'jpreise  für  Blei  S.  238. 

Tab.  116.    Deutscher  Außenhandel  in  Blei  S.  239. 

56.  Altmetalle  und  Metallabfälle 241 

Tab.  117.    Preise  für  Standard-Kupfer  und  Altmetall  S.  242/243. 


V.  Metallverarbeitung. 


57.  Eisengießerei,  Baukonstniktionen,  Ma.schinen-  und  Lokoniotivenbau  243 

Tab.  118.    Preise  der  Rohmaterialien  im  Aufzugsbau  S.  253. 

58.  Eleklrizitätsindustrie 264 

Tab.  119.     Stromabgabe  der  Berliner  Elektrizitätswerke  S.  276. 

Tab.  120.     Statistik  der  Elektromotoren  im  AVeichbilde  von  Berlin  S.  276. 

Tab.  121.    Stromabgabe  der  Elektrizitätswerke  Groß-Berlins  S.  277. 

59.  Boots-  und  Schiffbau 277 

60.  Automobil-  und  Fahrradindustrie 278 

61.  Geldschränke  und  Tresoranlagen 281 

62.  Feilenfabrikation 281 

63.  Wagenbau  und  Huf  beschlagteile 281 

64    ürahtzäune  und  Geflechte .  282 

65.  Fabrikation  von  Blechemballagen 283 

66.  Haushaltungsgegenstände 284 

67.  Emaillewaren 285 

68.  Eisenmöbelindüstrie 287 

69.  Kupfer-  und  Messingindustrie _.   \  287 

Tab.  122     Metallpreise  S.  289. 

Tab.  123.    Preise  der  Messingfabrikate  S.  289. 

70.  Bleirohr-  und  Zinnrohrfabrikation 292 

71.  Metallschrauben-  und  Mutternfabrikation  sowie  Fassondreherei  .     .  293 

72.  Kunstindustrie,  besonders  Bronze-Kunstindusirie 294 

73.  Beleuchtungsindustrie  Und  Verwandtes 295 

74.  Heizungs-,  Lüftungs-  usw.  Anlagen 299 

75.  Bauklempnerei  und  Metallornamentenfäbrikation 300 

76.  Stahlfederfabrikation 300 

77.  Gold-,  Silberwaren  und  Juwelen 301 

Tab.  124.    Silberpreis  S.  302. 

VI.  Rohstoffe  und  Fabrikate  der  pharmazeutischen,  chemischen  und 
verwandten  Industrien.  Fettwaren,  Oele  und  Farbstoffe.  Gasfabrikation. 

78.  Anorganische,  chemische  Industrie 305 

79.  Organische  chemische  Industrie 307 

80.  Chemisch-pharmazeutische  Präparate  und  Spezialitäten  .....  309 

81.  Drogenhandel 313 

82.  Apothekergewerbe 314 

83.  Terpentinöl  und  Harze  (Kolophonium) 316 

83  a.  Petroleum  und  andere  Mineralöle 317 

Tab.  125.    Benzineinfuhr  nach  Gebieten  absolut  und  prozentual  S.  322. 
Tab.  126.    ßenzineinfuhr  nach  Gattungen  und  Gebieten  S.  322. 

84.  Lack-  und  Firnisfabrikation,  Mineral-  und  Oelfarben,  Farblacke      .  324 

85.  Farbhölzer 327 

Tab.  127.    Einfuhr  von  Farbhölzern  in  Hamburg  in  den  Jahren  1904— 1913  S.  32Ö. 

86.  Gerbstoffe  und  Gerbextrakte     . 328 

87.  Zelluloid  und  Zelluloidwaren 330 


Inhalts-VöTzeichnis.  VI! 

Seite 

88.  Seifen-  und  Parfüm  eriefabrikation    .     .     .     .     .     .     .     .     ...     .     .331 

Tab.    128.     Preise  der  Rohstoffe  für  die  Seifenindustrie  S.  3.32. 

89.  Kohlensäiirefabrikation 336 

90    Mineralwasser  und  andere  alkoholfreie  Getränke 336 

91.  Eishandel,  Kunsteisfabrikalion  und  Kühlhausgeschäft 338 

92.  Knochen,  Knochenfabrikate  und  Düng-eniittel  aller  Art 338 

93.  Zündholzfabrikation       .     ,     , .     .     .     ,-.   .     .     .     .       340 

Tab.  129.     Außenhandel  in  Zündhölzern  und  Zündstäbchen  aus  I*appe  S.  340. 

94.  Stearinkerzen  und  Zeresin 340 

95.  Dachpappenindustrie 340 

96.  Gasfabrikation 343 

Tab.  130.  Gasabgabe  im  Berliner  Weichbilde  und  an  die  Vororte.  Das  Ver- 
hältnis der  Gasproduktion  bezw.  Gasabgabe  zur  Einwohnerzahl 
S.  314/345. 

Tab.  131.  Verbrauchtes  Vergasungsmaterial  und  Gasproduktion  der  Berliner 
städtischen  Gaswerke  S.  344. 

Tab.  132.  Gasabgabe  der  Berliner  städtischen  Gaswerke  nach  den  Arten  des 
Verbrauchs  S.  345. 

Tab.  133.    Ausbeute  der  Berliner  Gaswerke  an  Nebenprodukten  S.  345. 

Tab.  134.     Gasverbrauch  in  Charlotten  bürg  S.  348. 

Tab.  13.5.  Gewinnung  von  Nebenprodukten  bei  den  Charlottenburger  Gas- 
werken S.  348. 

Tab.  136.  Durchschnittlicher  Verkaufserlös  der  Charlottenburger  Gaswerke  für 
Nebenprodukte  S.  348. 

Tab.  137.  Ausbeute  aus  100  kg  vergaster  Kohlen  bei  den  Charlottenburger  Stein- 
kohle ngasanlagen  S.  348. 

Tab.  138.    Von  den  Charlottenburger  Gaswerken  verkaufte  Koksmengen  in  hl  S.  349, 

Tab.  139.    Ertrag  der  Charlottenburger  Gasanstalten  S.  349. 

VII.  Textilindustrie  und  Verwandtes. 

97.  WoUhandel 353 

Tab.  140.    Vergleichende    Uebersioht  der    Preise    für    Kapwollen    am    hiesigen 
Platze  S.  357. 

98.  Wollgarne,  Wollfärberei,  Kondilionierwesen 357 

Tab.  141,    Tätigkeit  des  öffentlichen  Warenprüfungsamtes  zu  Berlin  S.  360. 

99.  Handel  mit  Baumwollgarnen 361 

100.  Handel    mit    roher   und   gefärbter    Seide.     Seidenfärberei  ....  362 

101.  Fabrikation    von  wollenen  und  halbwollenen  Stoffen   und  Plüschen  363 

102.  Fabrikation   von    baumwollenen  Velvets 368 

103.  Fabrikation  von  Schals  und  Tüchern 368 

104.  Fabrikation  von  Phantasie- Wirkwaren  und  Strickwaren      ,     .     ,     ,  369 

105.  Handel   mit   Konfektionsstoffen    und    Tuchen       374 

106.  Posamentierwaren  und  Leonische  Industrie 379 

107.  Damen-  und  Kinderkonfektion 383 

108.  Herrenkonfektion 387 

109.  Veredelung  von  baumwollenen  Geweben 389 

110.  Handel  mit  BaumwoUbuntwaren  . 392 

111.  Leinenhandel     . 393 

112.  Wäsche-Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel 394 

113.  Wäscherei 407 

.114.  Konfektion  von  Schürzen,  Jupons,  Blusen  und  Kinderkleidchen     .  408 

115.  Krawattenindustrie •      410 

116.  Roßhaarspinnerei 411 

'117.  Handel  und  Industrie  in  Seidenstoffen .      411 

Kurventafel   1.    Preisschwankungen  in  Seidenzwirnen  S,  413. 
Kurventafel   2.    Preisschwankungen  in  Baumwolle  S.  414. 

118.  Großhandel  mit  Manufakturwaren    -.     .    ,  '.     .'  .     . 417 

,119.  Export  von  Manufakturwaren  nach  überseeischen  Ländern     .     .     .  419 

120.  Juteindustrie .421 

121.  Teppiche,  Linoleum,  Wachstuche      , 422 

122.  Handel  mit  Gardinen,  Spitzen  und  Stickereien 427 

123.  Zeltefabrikation 430 

124.  Gürtelfabrikation 430 

125.  Korsettindustrie  und  -Handel 431 

126.  Schirmfabrikation  und  -Handel ,     .     .  433 

127.  Fabrikation  und  Handel  mit  Seilerwaren     .,...; 435 

128.  Fabrikation  von  Netzen 437 


VIII  Inhalts-Verzeichnis. 

Seite 

129.  Baumwollabfälle 439 

130.  Filzfabrikation 440 

131.  Hutfabrikation 441 

132.  Künstliche  Blumen  und  Federn 446 

133.  Lumpenhandel 453 

VIII.  Papierindustrie  und  Buchgewerbe. 

134.  Papierhandel 453 

135.  Luxus papierfabrikation 454 

136.  Fabrikation  von  Briefumschlägren 455 

137.  Packpapierhandel,  Tütenfabrikation  und  -handel 456 

138.  Kartonfabrikation 456 

139.  Buchdruckerei 456 

140.  Geschäftsbücherfabrikation 459 

141.  Buchhandel 459 

142.  Tapetenfabrikation 461 

143.  Schriftgießerei  und  Messinglinienfabrikation 463 

144.  Stein druckgewerbe .  463 

IX.  Rohstoffe  und  Fabrikate  der  Lederindustrie. 

145.  Rohe  Häute  und  Felle 467 

146.  Lederhandel 479 

147.  Lederfabrikation , ,     .     .     .  485 

148.  Glacelederfabrikation  und  Verwandtes     .     .         488 

149.  Glacehandschuhfabrikation 489 

150.  Treibriemenindustrie 489 

151.  Lederwaren-,  Portefeuille-  und  Albumfabrikation     .......  490 

152.  Schuhwarenfabrikation 491 

153.  Schuhhandel 492 

154.  Schuhmacher-Bedarfsartikel 493 

155.  Kofferfabrikation 494 

156.  Pelzwaren 494 

X.  Holz  und  Holzwaren. 

157.  Holzhandel 498 

Tab.  142.    Preise  für  Brennholz  in  IJerlin  S.  507. 

158.  Bautischlerei 509 

159.  Jalousienfabrikation 509 

160.  Möbelfabrikation  und  -Handel 510 

161.  Leiterfabrikation 524 

162.  Parkettfabrikation 525 

163.  Wagen-  und  Karosseriebau 525 

164.  Fabrikation  von  Bierfässern 527 

165.  Goldleistenfabrikation 528 

166.  Kistenfabrikation 529 

167.  Holzpflasterfabrikation 529 

168.  Kinderwagen 530 

XI.  GrundstUckshandel  und  Hypotheken. 

169.  Grundstückshandel  und  Hypotheken 530 

Tab.  143.    Freiwillige  Veräußerungen  bebauter  und  unbebauter  Grundstück©  S.633. 

Tab.  144.    Zwangsversteigerungen   bebauter  und  unbebauter  Qrundstilcke  S.  533. 

Tab.  145.    Wohnungsstatistik  für  Charlottenburg  S.  534. 

Tab.  146.    Wohnungsstatistik  für  Schöneberg  S.535. 

Tab.  147.     Wohnungsstatistik  für  Wilmersdorf  S.  536. 

Tab.  148.     Wohnungsstatistik  für  Friedenau  S.  53ü. 

Tab.  14'J.     Wohnungsstatistik  für  I-ankwitz  S.  537. 

Tab.  150.     Wohnungsstati.stik  für  NeuköUn  S.  538. 

Tab.  151.    Wubuungsstatistik  für  Weißensee  S.  539. 

Tab.  152.    QrundstücksumB&tze  in  Grofi-Berlin  S.  542/548. 


Inhalts-Verzeichnis.  IX 

Seite 

XII.  Verkehrsgewerbe. 

170.  Waren  Speditionsgeschäft 545 

171.  Möbeltransportgeschäft 547 

172.  Schiffahrtsbetrieb 548 

Tab.  153.    Verkehr  auf  dem  Teltowkaaal  S.  551. 

Tab.  154.  Qesaratverkehr  auf  den  Berlin  -  Charlottenburger  Wasserstraßen  im 
Jahre  1913  S.  552/553. 

173.  Personenverkehr  auf  der  Stadt-  und  Ringbahn 555 

Tab.  155.    Personenverkehr  auf  der  Stadtbahn  S.  555. 

Tab.  156.  Anzahl  der  im  inneren  Personenverkehr  der  Berliner  Stadt-  und 
Ringbahn  in  zweiter  "Wagenklasse  auf  einfache  und  Zeitkarten  zurück- 
gelegten Fahrten  S.  556. 

Tab.  157.  Anzahl  der  im  inneren  Personenverkehr  der  Berliner  Stadt- und  King- 
bahn in  dritter  Wagenklasse  auf  einfache,  Zeit-  und  Arbeiter-Karten 
zurückgelegten  Fahrten  S.  556. 

174.  Verkehr  auf  der  Großen  Berliner  Strai3enbahn 556 

Tab.  158.     Verkehr  auf  der  Großen  Berliner  Straßenbahn  S.  55G. 

175.  Verkehr  auf  den  Hoch-  und  Untergrundbahnen 556 

Tab.  159.  Anzahl  der  auf  den  Strecken  der  Hochbahngesellschaft  beförderten 
Personen  S.  556. 

Tab.  160.  Anzahl  der  auf  der  Schüneberger  Untergrundbahn  beförderten  Per- 
sonen S.  557. 

176.  Omnibusverkehr 557 

Tab.  161.     Oranibusverkehr  S.  557. 

177.  Droschkenverkehr 557 


XIII.  Versicherungswesen. 


178.  Feuerversicherung 557 

179.  Lebensversicherung 562 

180.  Transportversicherung 563 

181.  Hagelversicherung 566 

182.  Unfall-  und  Haftpflichtversicherung 569 

183.  Einbruchdiebstahlversicherung 570 

184.  Glasversicherung 571 

185.  Viehversicherung 572 

186.  Rückversicherung 573 

XIV.  Agenturgewerbe. 

187.  Agenturgewerbe 573 

XV.  Verschiedene  Geschäftszweige. 

188.  Musikinstrumente 582 

189.  Sprechmaschinen 588 

190.  Oummiwaren 588 

191.  Asbest 591 

192.  Elfenbeinhandel  und  -Verarbeitung 592 

193.  Knopffabrikation 592 

194.  Luxus-,  Galanterie-  und  Kurzwaren 594 

195.  Photographische   Bedarfsartikel 595 

196.  Filmbranche 597 

197.  Spielwaren 599 

198.  Verbandstoffe 601 

199.  Uhren 602 

200.  Wissenschaftliche  Instrumente 603 

201.  Schilderfabrikation 604 

202.  Stempelfabrikation 606 

203.  Christbaumschmuck 606 

204.  Schmirgelfabrikation 608 


Spezialberichte  über  Berlins 
Handel  und  Industrie. 

Zusammengestellt  aus  Mitteilungen  hervorragender 
Vertreter  der  einzelnen  Geschäftszweige. 


Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


I.  Pflanzliche  Rohprodukte  und  Fabrikate. 

A.   Landwirtschaftliche  Rohprodukte. 

1.   Getreide. 

Im  ersten  Bande  dieses  Jahrbuchs  ist  bereits  in  großen 
Zügen  eine  vorläufige  üebersicht  über  die  Entwicklung  des 
Getreideliandels  gegeben  worden.  Im  folgenden  soll  der  Verlauf 
des  Getreidegesohäfts  in  Spezialberichten  eingehender  dargestellt 
werden,  denen  wir  einige  statistische  Uebersichten  voranstellen. 

Die  Welternte  in  Getreide  betrug  in  den  letzten  drei  Jahren 
in   Millionen   Tonnen    (je  1000  kg)  nach   Beerbohm: 

Tab.  1.      Welternte  in  Getreide  (in  Millionen  Tonnen). 


1911  1912  1  1913 


Weizen 
Roggen 
Gerste 
Hafer 
Mais  . 


94.101 

101.035 

108.926 

43.105 

50.245 

48.830 

30.833 

32.797 

35.192 

56.722 

67.998 

69.571 

82.726 

105.626   1 

86.557 

An  der  Zunahme  der  "Weizenernte  im  Jahre  1913  war 
besonders  Rußland  beteiligt,  wie  andererseits  auch  der  Rück- 
gang der  Roggen  ernte  in  erster  Linie  auf  Rußland  zurück- 
geführt werden  muß.  Es  ist  allerdings  zu  beachten,  worauf 
in  den  Spezialberichten  noch  mehrfach  hingewiesen  wird,  daß 
die  Zahlen  der  russischen  Ernten  angesichts  der  Tatsache,  daß 
der  russische  Export  in  den  letzten  Jahren  nicht  im  Einklang 
mit  seinen  angeblich  großen  Ernten  stand,  mit  einer  gewissen 
Vorsicht  aufzunehmen  sind.  An  der  Mehrproduktion  in  Gerste 
und  Hafer  ist  nach  den  statistischen  Ausweisen  ebenfalls  Ruß- 
land in  erster  Reihe  beteiligt.  Der  Rückgang  der  Maisernte 
hat  seinen  Grund  in  einem  bedeutenden  Ausfall  der  nordameri- 
kanischen, daneben  auch  der  argentinischen  Ernte.  Die  Mais-^ 
ernte  der  Vereinigten  Staaten,  die  im  Jahre  1912'  365  Mill.| 
■Quarters  (a  217,7  kg)  betragen  hatte,  belief  sich  im  Jahrei 
1913    auf  nur   285   Mill.   Quarters. 

Die  deutsche  Getreideernte  der  drei  letzten  Jahre  wird 
dxirch  folgende  Tabelle  illustriert,  in  der  auch  die  Erträge 
einiger  anderer  wichtiger  landwirtschaftlicher  Erzeugnisse  mit- 
enthalten sind: 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  liohprodukte. 


Tab.  2.             Erntemengen  im  Deutschen  Reich  (in 

Tonnen). 

" 

1911 

1912 

1913 

Winterwdzm  .... 

3  640229 

3  908  211 

4  112  984 

Sommerweizen  . 

426106 

452  413 

542  972 

Weizen  zus. 

4  066  335 

4  360  624 

4  655  956 

Winterroggen    . 

10  727  071 

11  462  515 

12  061248 

Sommerroggen  . 

139  045 

135  774 

161146 

Roggen  zus. 

10  866  116 

11598  289 

12  222  394 

Sommergerste 

3  159  915 

3  481  974 

3  673  254 

Hafer      .     .     . 

7  704  101 

8  520  183 

9  713  965 

Kartoffeln  .     . 

34  374  225 

50  209  466 

54  121  146 

Wiesenheu     . 

19  975  324 

27  681  860 

29  184  994 

Wiederum  zeigen  die  Ernten  bei  allen  Getreidearten,  ins- 
besondere bei  Hafer,  aber  auch  bei  Kartoffeln  und  Wiesenheu, 
Steigerungen  und  stellen  überall  Rekordernten  dar,.  Hinsicht- 
lich der  Einzelheiten  verweisen  wir  auf  die  unten  folgenden 
Spezialberichte,.  Wir  lassen  hier  nur  eine  Tabelle  der  Ernte- 
schwankungen   folgen. 

Tab.  3.   Mehr-(-|-)  oder  Minder-( — )Erträge  der  deutschen  Ernten 
gegen  das  Vorjahr  (in  Tonnen). 


1911 


Weizen  .  .  . 
Roggen  .  .  . 
Sommergerste 
Hafer  .  .  . 
Kartoffeln  .  . 
Wiesenheu 


+  205  856 
-j-  354  956 
-i-  256  977 

—  196  275 

—  9  094  170 

—  8  274  791 


1912 


1913 


+  294  289 
+  732  173 
4-  322  059 
+  816  082 
+15  835  241 
+  7  706  536 


+  295  332 

+  624  105 

+  191  280 

+  1  193  782 

+  3  911780 

+  1  503  134 


Die   Anbauflächen    betrugen : 
Tab.  4.  Anbauflächen  im  Deutschen  Reich  (in  Hektar). 


1 

1911                1 

1912 

1913 

Winterweizen      .    .     .    .  | 

1  751  239       i 

1  730  251 

1746  919 

Sommerweizen 

222  958       1 

195  495 

227  179 

zus.  Weizen  . 

1  974  197       ! 

1  925  746 

1974  098 

Roggen     .     .     . 

6135  617 

6  268  251 

6  413  173 

Gerste      .    .    . 

1  585  049       i 

1  589  773 

1654  020 

Hafer  .... 

4  327  701       ! 

4  387  404 

4  438  209 

Kartoffeln    .    . 

3  321479 

3  341  606 

3  412  301 

Wiesenheu  .     . 

5  931  198       1 

5  920  519 

5  923  397 

Die  Erträge  pro  Hektar  bebauter  Fläche  weisen,  wie  Tab.  5 
zeigt,   überall  Steigerungen   auf. 

Die  deutschen  Saatenstandsnotierungen  sind  in  folgender 
Tabelle  6  angegeben  (wobei  Nr.  1  sehr  gut,  Nr.  2  gut,  Nr.  3 
mittel  oder  durchschnittlich,  Ni^.  4  gering  und  Nr.  5  sehr 
gering  bedeuten): 


Tab.  6. 

Saatenst 

Winter -Weizen 

Sommer  -Weizen 

Winter-Roggen 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

April 

Mai        Juni    1    Juli 

Aug. 

April 

Mai     1  Juni    i   Juli     1 

1911 

2.7 

2.6 

2.5 

2.6 

2.6 

2.6 

2.6       2.6 

3.0 

3.0 

2.8 

2.8 

2.7    i    2.7 

1912 

2.3 

2.5 

2.3 

2.3 

2.4 

— 

— 

2  3 

2.2 

2.4 

2.2 

2.6 

2.6       2.4 

1913 

2.7 

2.5 

2.4 

2.5 

2.4 

2.7 

2.7 

2.6 

2.7 

2.7 

2.6        2.6 

1.  Getreide.  5 

Die   Erträge  für  den  Hektar  bebauter  Fläche  betrugen  (in 
Tonnen) : 


Tab.  5. 


Erträge  für  den  Hektar  bebauter  Fläche  (in  Tonnen). 


1911 

1912 

1913 

1911 

1912 

1913 

Winterweizen    . 
Sommerweizen . 
Winterroggen   . 
Sommerroggen . 

2.08 
1.91 
1.78 
1.16 

2.26 
2.31 
1.86 
1.26 

2.35 
2.39 
1.91 
1.35 

Sommergerste 

Hafer 

Kartoffeln  .  .  . 
Wiesenheu  .  . 

1.99 

1.78 

10.35 

3.37 

2.19 

1.94 

15.03 

4.67 

2.22 

2.19 

15.86 

4.93 

Ueber  die   Ein-   und  Ausfuhr  von   Getreide  in  den  letzten; 
dl  ei   Kalenderjahren   geben    die   folgenden   Tabellen   Aufschluß: 


Tab.  7.    Einfuhr  in  das  deutsche 

Zollgebiet  (in  Tonnen). 


1911 


Weizen . 
Roggen  . 
Gerste  . 
Hafer  .  . 
Mais    .  . 


2  485  579 
613  905 

3  636  172 
628  308 
743  421 


1912 


2  297  152 
315  724 

2  969  415 
665  935 

1  142  459 


1913 


2  545  959 
352  542 

3  238  212 
505  022 
918  645 


Tab.  8.  Ausfuhr  aus  dem  deutschen 

Zollgebiet  (in  Tonnen). 


1911 

1912 

1913 

Weizen.  . 

315  367 

306  489 

534  416 

Roggen.  . 

771  330 

790  008 

933  895 

Gerste   .  . 

1830 

1156 

6  020 

Hafer  .  .  . 

296  700 

383  774 

659  887 

Mais    .  .  . 

42 

53 

35 

Weizen  i).  • 

Das  Geschäft  in  Weizen  begann  das  Jahr  1913  in  einer 
recht  undurchsichtigen  Situation,.  Die  Weizenernten  des  Jahres 
1912  hatten  zwar  ORekord ertrage  gebracht,  aber  von  der  F^e 
angeblich  geernteter  Ware  war  bis  zum  Beginn  des  Januar 
noch  verhältnismäßig  wenig  z'u  spiliiren  gewesen.  Zwa*r  hatte  Nord- 
amerika ansehnlich  exportiert,  und  befeionders  Kanada  erwies  siöh 
bei  Beginn  des  Berichtßjalires  noch  recht  leistungsfähig.  Dagegen 
ha,tte  bis  dahin  Rußland  in  überraschrnder  Weise  veraag't,  indem 
seine  eigenen  Inlandszufuhren,  wie  infolgedessen  ,auch  isein  Export, 
sich  in  unerwartet  engen  Grenzen  hielten,.  In  den  deutschen 
Konsumgebieten  waren  die  Zufuhren  gleichfalls  nirgends  dem 
geschätzten  Umfange  der  Ernte  entsprechend,  so  daß  man  auf 
•der  einen  Seite  in  dem  Glauben  war,  es  noch  überall  mit 
oToßen    unsichtbaren    Beständen    zu    tun    zu    haben,    während 


1)  Nach  dem  Bericht  des  Vereins  Berliner  Getreide-  und  Produkten- 
händler (ebenso  für  Roggen,  Gerste,  Hafer,  Mais  und  den  Mehl-  und 
Kleiehandel). 


Weizeu. 

Geschäftslage 
am  Jahres- 
anfang. 


tierungen. 

Sommer-Roggen 

Sommer- Gerste 

Hafer 

Kartoffeln 

April ;  Mai 

Juni    Juli 

Aug. 

April 

Mai  1  Juni 

Juli 

Aug. 

April 

Mai  1  Juni  |  Juli  |  Aug. 

Mai 

Juni 

JuU 

Aug. 

^ept 

ai 

)13 

—     2.5 

2.5  2.7 
2.4     2.3 

2.6  2.6 

2.7 
2.4 
2.6 

— 

2.4     2.4 

—  2.2 

—  2.4 

2.5 

2.1 
2.4 

2.5 
2.2 
2.4 

— 

2.6 

2.6 
2.4 
2.5 

2.9     2.9 
2.5     2.7 
2.8     2.5 

— 

2.6 
2.7 
2.7 

2.5 
2.6 

2.7 

3.0 

2.8 
2.5 

3.5 

2.6 
2.6 

6  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodukte. 

andererseits  die  tatsächliche  Knappheit  der  Versorgung  eine 
Unsicherheit  und  Zweifel  erzeugte,  ob  diese  vorausgesetzten 
großeji  Reserven  in  der  Tat  sich  noch  in  erster  Hand  befänden. 
Die  Folge  davon  war,  daß  die  geschäftliche  Unternehmungs- 
lust sich  in  außergewöhnlich  schwacher  Weise  betätigte,  und 
daß  der  einmal  vorhandene  Preisstand,  der  sich  schon  in  den 
letzten  Monaten  des  Vorjahres  nicht  erheblich  verändert  hatte, 
auch  bei  Beginn  des  Berichtsjahres  jgeringen  Schwankungen 
unterlag. 
Januar.  Daß  Jahr  hatte  für  Mailieferung  mit  208  Mk.  begonnen,  und 

am  6.  Jan.,  als  dieser  Preis  bis  auf  210  Mk.  gestiegen  war,  wurde 
Julilieferung  zum  erstenmal  mit  211  gehandelt.  Am  16.  Jan. 
waren  die  Notierungen  für  Mai  auf  213V4,  für  Juli  auf  214i/4  ge- 
stiegen und  gingen  dann  bis  zum 

Mai  Juli  September 

1.  Februar  auf     .     .     .     209V2  2IOV4  2033/,  M. 

zurück.  Die  hiesigen  Bestände  von  Weizen  betrugen  am  Jahres- 
anfang 6152  t,  wovon  ein  Teil  bei  der  vorhergegangenen  Dezember- 
abwicklung in  den  Besitz  hamburgischer  Firmen  übergegangen  war 
(und  von  diesen  auch  bezogen  wurde.  Dadurch  verringerten  sich, 
obwohl  die  Januarzufuhren  des  Platzes  nicht  unerheblich  waren, 
die  Vorräte  bis  zum  l.Pebr.  auf  3509  t,  wovon  ein  Teil  den  Mühlen 
gehörte.  —  Die  zeitweisen  Friedensaussichten  füi^  den  Balkan 
waren  gegen  Schluß  des  Januar  infolge  des  Abbruchs  der  Verhand- 
lungen wieder  in  Frage  gestellt.  Indessen  hatte  man  sich  an  jene 
Verhältnisse  insoweit  im  Handel  gewöhnt,  daß  sie  einen  ernsteren 
Einfluß  immer  nur  für  den  Fall  ausübten,  daß  sie  mit  einer  Hin- 
einziehung von  Großmächten  in  die  Wirren  drohten,  wie  dies  im 
späteren  Verlaufe  des  Jahres  vorübergehend  der  Fall  war. 
^ebruar  Vorläufig  entnahm  man  dem  ewigen  Hin  und  Her  der  poli- 

tischen Balkannachrichten  keine  Anregung  weiter,  und  da  auch 
sonst  eine  solche  im  Laufe  des  Januar  mangelte,  so  waren  die 
Preisschwankungen  im  Februar  sehr  gering  und  bewegten  sich 
innerhalb  folgender  Grenzen: 

Mailieferung  Juli  September 

ün  Februar  .     .    208— 2IOV4        210— 212V2        2033/4— 206Vo  M. 

Inzwischen  hatten  sich  durch  die  kräftig  in  Gang  gekommenen 
LanPlata -Verladungen  und  durch  die  australische  Ausführ  im 
Verein  mit  nordamerikanischen  Leistungen  die  Weltverschiffungen 
von  Weizen  für  Europa  stark  entwickelt,  ohne  daß  dadurch  aber 
ein  Druck  auf  die  Tendenz  veranlaßt  worden  wäre.  Denn 
Europa,  dessen  Bestände  infolge  der  vorhergegangenen  schwachen 
Ankünfte  und  geringen  eigenen  Ablieferungen  überall  nur  klein 
waren,  zeigte  sich  außerordentlich  aufnahmefähig,  wozu  haupt- 
sächlich der  große  Bedarf  des  südlichen  Europas  beitrug.    Ueber- 


I 


1.  Getreide.  7 

dies  lagen  zu  dieser  Zeit  manche  Besorgnisse  wegen  der  indischen 
Ernte  vor,  die  im  Februar  England  zu  vermehrten  Käufen  aller 
Provenienzen  Anlaß  gaben.  Auch  gingen  slidrussische  Müller  bei 
dem  Mangel  an  geeignetem  inländischen  Material  zeitweilig  ^um 
Bezug  von  La-Plata -Weizen  über.  Inzwischen  hatten  sich  im 
Februar  m  Deutschland  die  AYeizenablieferungen  kräftig  gehoben, 
Die  bessere  Waxe  wurde  fortgesetzt  von  Exporteuren  zur  Erfüllung 
bereit-s  gemachter  Verschlüsse  und  zur  iBildung  von  Vorräten  aufge- 
nommen, während  das  geringere  Material  schwieriger  Unterkomtnen 
fand.  Die  Preisdifferenz  zwischen  dem  letzteren  und  der  Aus- 
landsware war  so  erheblich,  daß  die  inländischen  Müller  sich 
mehr  und  mehr  darauf  beschränkten,  mit  dem  eroheimischen  Ge- 
wächs, wenn  auch  auf  Kosten  der  Güte  des  Mehls,  allein  auszu- 
kommen. Die  Folge  hiervon  war  eiu  sehr  geringes  Geschäft  der 
Importeure,  die  wohl  selten  im  Weizenhandel  so  schwache  Tätigkeit 
zu  entwickeln  in  der  Lage  waren,  wie  im  Laufe  des  Februar  und 
des  März. 

Im  März  stellte  sich  die  Ernte  Indiens  als  sehr  gToß  heraus.  März. 

Das  war  für  England  ein  geschäftlich  abschwächendes  Moment 
und  bot  dem  Einflüsse  des  andauernd  geringen  russischen  Exports 
eiu  Gegengewicht.  Der  Balkan,  der  politisch  nicht  zur  Ruhe 
kommen  wollte,  brauchte  viel  Mehl  und  Hafer  und  nel>en  anderen 
Lieferanten  beteiligte  sich  auch  Deutschland  an  der  Erfüllung 
des  dortigen  Bedarfs.  Frankreich  bedurfte  laufender  Zufuhr, 
und  ebenso  war  das  Geschäft  nach  unseren  anderen  Absatzgebieten 
nicht  Unerheblich.  Indessen  hatten  sich  in  den  Händen  der 
Händler  im  Laufe  des  Februar  und  der  ersten  Hälfte  des  März 
ziemliche  Vorräte  angesammelt,  während  die  Ermittlungen  des 
deutschen  Landwirtschaftsrats  auch  die  am  1.  März  noch  bei  den 
Landwirten  vorhandenen  Weizenmengen  als  recht  umfangreich 
bezifferten.  Das  gleiche  ließ  sich  auch  von  Hen  amerikanischen 
Beständen  am  1.  März  sagen,  die  mit  156  Millionen  Busheis 
gleichfalls  eiuen  ziemlich  ansehnlichen  Vorrat  bei  den  Farmern 
darstellten.  —  Die  Saaten  hatten  überall  gut  überwintert,  und 
mit  Begion  des  März  setzte  hier  auch  die  Feldbestellung  allgemein 
ein,  ;wodurch  allmählich  die  vorher  groß  gewesenen  Zufuhren 
langsam  nachließen.  Unter  dem  Einfluß  dieser  verschiedenartigen , 
in  ihrer  Wirkung  auf  den  Preisstand  aber  auseinandergehenden 
Faktoren,  verkehrte  der  hiesige  Lieferungsmarkt  bei  leichten 
Schwankungen  und  ruhigem  Verkehr  auf  ungefähr  gleicher  Preis- 
lage wie  vorher.  Jedoch  zeigte  sidi  insofern  eine  ziemlich  be- 
stimmte Tendenz,  als  für  September  lieferung  die  Preisbewegung 
leicht  nach  oben  ging,  wahrend  Mai  sich  nur  eben  behauptete, 
wodurch   der   Deport   nachließ.    Die  Preise   standen 


Mai 

Juli 

September 

ara     1.  März    .     . 

.     .     2O8V4 

22OV4 

2041/4  M. 

.     31.      „        .    . 

.     .     20874 

2IIV4 

2O6V4     r, 

8  I.    Pflanzl.  Rohpix)dukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

nachdem  zeitweilig  die  Niotierimgen  im  Laufe  des  März  um 
ca.  2  ]\Ik.  .angezogen  hatten. 

Apiii.  Inzwischen  ging  der  Abfluß  un&eres  Weizens  naoh  dem  Aus- 

lande regelmäßig  auch  im  April  fort.  Zum  Teil  bewirkten  die 
rentablen  Notierungen  des  Pariser  Terminmarktes  vermehrte  An- 
käufe von  Seiten  der  französischen  Importeure  und  Terminabgaben 
seitens  deutscher  Arbitrageure.  Es  wurden  später  zur  Abwicklung 
dieser  Verbindlichkeiten  wiederholt  ansehnliche  Mengen  unseres 
Weizens  nach  Frankreich  ,gesandt,  wo  sich  aber  manche  nicht  als 
kontraktlich  erwiesen  und  (den  Absendern  große  Verluste  brachten. 
Die  andauernden  französischen  Käufe  wirkten  auch  auf  den  Ber- 
liner Lief erungsmarkt  ein,  z'umal  inz^vischen  das  Angebot  Sachsens, 
welches  seither  neben  Schlesien  das  Exportmaterial  geliefert 
hatte,  beträchtlich  im  Schwinden  war.  Außerdem  spielten  die 
^laiengagements  hier  eine  Holle,  denn  es  bestand  kein  Zweifel 
darüber,  daß  die  Exporteure  hier  auf  Ablieferungen  warteten, 
während  man  keineswegs  wußte,  ob  sich  bei  der  anderweitigen 
Ablenkung  der  besseren  Ware  ein  genügender  Zustrom  nach 
Berlin  finden  würde.  Immerhin  bezog  sich  die  Preissteigerung 
im  Laufe  des  April  weit  mehr  auf  Juli-  als  auf  Mailieferung, 
weil  man  für  lerstere  mit  einer  vermehrten  Knappheit  von  In- 
landsmaterial rechnete.  '  Dagegen  zog  Herbstlieferung  nur  wenig 
im  Preise  an,  da  sich  im  Saatenstande  bis  zum  Schlüsse  des  April 
alles  recht  gut  angelassen  hatte  und  gleich  günstige  Feldstands- 
berichte auch  vom  gesamten  Auslande  vorlagen.  Die  Preise 
stiegen  bis  zum 

Mai  Juli  September 

28.  April  auf  .     .     .     !    213V4  219V4  2O8V2  M. 

Zum  Teil  hing  diese  Festigkeit  auch  mit  dem  fortgesetzten 
Bedarf  dei'  Balkanländer  wie  überhaupt  Südeuropas  für  Weizen 
und  noch  mehr  für  Melü  zusajnmen,  wobei  beim  Weizenmehl 
wie  Eoggenmehl  gerade  die  deutschen  Marken  den  Hauptabsatz 
fanden.  Ganz  besonders  ,aber  machten  sich  die  um  Mitte  April 
nacli  vorher  warmer  Temperatur  eintretenden  und  sich 
wiederholenden  starken  Nachtfröste  bei  jener  festen  Tendenz 
fühlbar,  da  sie  einen  Teil  der  Obstblüten  vernichteten  und  mit 
der  hierdurch  schwindenden  Aussicht  auf  niedrige  Obstpreise  die. 
Situation  des  Getreidehandels  für  den  Sommer  fester  beurteilt 
werden  konnte.  Auch  ,am  Weltmarkt  war  gleichzeitig  die  Hal- 
tung ziemlich  fest  gewesen,  da  England,  das  vorher  sich  bei  seinen 
Anschaffungen  gegenüber  der  festländischen  Kaufkonkurrenz 
wenig  vorgedrängt  hatte,  p.un  kräftiger  zugriff,  als  sich  die 
bisherigen,  ziemlich  ansehnlichen  Abladungen  Argentiniens 
schneller  als  erwartet  infolge  der  südeuropäischen  Käufe  verteilt 
hatten  und  die  argentinischen  Forderungen  jetzt  lebhaft  stiegen. 


1.  Getreide.  9 

Im  ersten  Teil  des  Mai  änderte  sich  die  Situation.    Die  überall  Mai. 

glänzende  Entwicklung  der  Saaten  hatte  besonders  in  Amerika 
die  Tendenz  verflaut.  ,  Von  besonderer  Bedeutung  war  der  Um- 
schlag  der   Tendenz   in   Frankreich.     Auch   dort   ging   die    Ver- 
flauung  von  der  Besserung  des  vorher  zum  Teil  nicht  günstig 
beurteilten    Saatenstaiwies   aus.     Auch   hatte   man   sich  mit   den 
ausländischen  Ankäufen  wohl  etwas  übernommen,  und  nachdem 
man    einige   Zeit    mit    weiteren   Anschaffungen   pausiert   hatte, 
wurden  vorher  für  Frankreich  gekaufte  Ladungen  am  Weltmarkt 
wieder  ausgeboten,  und  ebenso  kam  deutscher  Weizen  verschie- 
dentlich zur  Zurückhandlung,  w^eil  der  Pariser  Markt  durch  alle 
jene    Verhältnisse    [und    durch    größere    Andienungen    deutschen 
AVeizens  verflant  war.     Die  hierdurch  bewirkte,  allgemein  rück- 
gängige Tendenz,  übertrug  sich  auch  auf  den  Berliner  Lieferungs- 
markt,  weil   infolge    des   plötzlichen    Stockens   des   Exports   und 
angesichts   der   französischen   Flaue   die    Exportfirmen   zunächst 
nicht,  wie  vorausgesetzt,  hier  die  Mai-Andienungen  aufnahmen, 
sondern    ihre   früheren   Käufe    izum   Teil    wieder   weiter   gaben. 
Gleichzeitig   wurde    das    inländische   Angebot   nun    etwas   reich- 
licher,   und    besonders    von    Schlesien,    das    vorher    schon    recht 
leistungsfähig  gewesen  war  und  im  Jahre  1912/13  mit  die  besten 
Qualitäten   hatte,   kam   wieder  reichliches   Material   heraus.    Da, 
überdies    jetzt    auch    von    Rußland    und    von    der    Donau    recht 
günstige   Saatenstandsberichte   einliefen   und   man   glaubte,    daß 
dies   die   vermeintlich   'zurückgehaltenen   russischen   Ueberschüsse 
nun   doch    in    größerem   Umfange  könne   zum   Export  gelangen 
lassen,  so  ließ  alles  dieses  die  Berliner  Lieferungspreise  bis  Mitte 
des  Monats  fühlbar  zurückgehen.    Die  niedrigsten  Mainotierungen 
waren  am  9.  Mai 

Mai  Jnli  September 

205  2IIV2  204  M. 

womit  die  Preise  gegen  den  letzterwähnten  Stand  vom  28.  April 
um  über  8  Mk.  für  vordere  Monate,  um  41/2  für  September  zurück- 
gegangen waren.,  Hiernach  trat  indessen  wieder  eine  Befestigung 
ein,  denn  die  Flaue  Frankreichs  ebenso  wie  seine  E-üokregulierun- 
gen  waren  schnell  überwunden.  An  "weiterem  Bedarf  dieses 
Landes  war  nicht  zu  zweifeln,  und  im  Auslande  machte  sich 
bereits  ein  starkes  Nachlassen  der  Leistungsfähigkeit  Argen- 
tiniens fühlbar.  Bei  uns  waren  allmählich  die  Forderungen  für 
guten  inländischen  Weizen  erheblich  gestiegen,  und  wenn  sich 
auch  von  Schlesien  weiter  kaufen  ließ,  so  erschwerten  die  hohen 
Preise  doch  neue  Export-Abschlüsse.  Nach  obiger  Abschwächung 
ging  die  hiesige  Preisrichtung  eine  Zeitlang  wieder  aufwärts,  denn 
die  Abwicklung^  der  Mailieferung  bedingte  noch  das  Heranziehen 
mancher   Ware   und  vielfaehe  Deckungen,   so   daß 

Mai  Juli  September 

am  27.  Mai 2IIV4  214V4  206  M. 


10        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

bezahlt  wni^den.  Damit  war  aber  das  durch  Ware  noch  un- 
gedeckte Engagemeiit  erledigt;  da  zuletzt  mehr  Ware  zur  Hand 
wiar  als  gebraucht  wurde,  so  folgte  der  hiesige  Markt  wieder  den 
inzwischen  eingetretenen  verflauenden  Einwirkungen,  die  von 
unseren  Saatenstandsberichten  und  vom  Weltmarkt  ausgingen. 
Der  Mai  schloß  füx  die  Jaufende  Sicht  mit  204V2,  für  Juli 
mit  211,  für  September  mit  2033/4  Mk. 

Juni.  Der   Juni  brachte   bei   uns   zeitweise   große   Hitze,    dio    die 

Saatenentwicklung  schnell  vorwärts  trieb,  Nvodurch  aber  die 
Schiffahrtsverhältnisse  beeinträchtigt  und  die  Frachten  gesteigert 
wurden.  Späterhin  zeigte  dieser  Monat  aber  wechselnde  Witte- 
rung, die  im  allgemeinen  für  die  Saaten  als  vorteilhaft  aufgefaßt 
wurde.  Dabei  war  das  Wetter  in  den  verschiedenen  Gegenden 
Deutschlands  nicht  gleichmäßig,  und  man  konnte  besonders  vom 
Osten  vielfach  Klagen  hören.  Die  früheren  Besorgnisse  wegen 
der  Haltbarkeit  unseres  Weizens  hatten  sich  speziell,  was  den  Ber- 
liner Bestand  anbetraf,  nicht  bestätigt,  während  allerdings  aus 
der  Provinz  vielfach  das  Gegenteil  berichtet  wurde.  Berlins  Vor- 
räte hatten  sich  bis  zum  1.  März  auf  4966  t,  am  1.  April  auf 
7262  t,  am  1.  Mai  auf  8812  t  erhöht,  um  bis  1.  Juni  auf  7004  t 
zurückzugehen,  waren  also  fortdauernd  sehr  mäßig.  Die  Ten- 
denz während  des  Juni  war  zwar  wechselnd,  aber  doch  überwiegend 
seihwach,  was  sich  aber  allein  für  die  Julisieht  zum  Ausdruck 
brachte,  indem  deren  Deport  gegen  September,  der  bei  Beginn 
des  Juni  nocb.  7  Mk.  betrug,  bis  zum  Schlüsse  dieses  Monats 
vollständig  verloren  ging.  Die  Ursache  hierfür  lag  hauptsächlich 
in  der  unerwartet  lange  andauernden  Leistungsfähigkeit 
Schlesiens,  dessen  Material  bis  zum  Schlüsse  der  Saison  unseren 
Händlern  zur  Verfügung  stand,  während  demgegenüber  die  Aus- 
fuhrnachfrage allmählich  nachgelassen  hatte.  Die  Vorräte  hatten 
sich  im  Laufe  des  Juni  wieder  bis  auf  9281  t  vermehrt,  auch 
bestand  die  Möglichkeit  zu  [weiteren  Bezügen,  während  hier 
weder  Müller  noch  Exporteure  große  Neigung  zur  Abforderung 
ihrer  Juliverschlüsse  hatten  und  sie  zum  großen  Teil  am  Markt 
wieder  beglichen.  Dabei  hatte  Herbstlieferung  aber  ihren  Wert- 
stand kaum  verändert,  da  dieser  in  sich  vorläufig  einen  genügen- 
den Widerstand  bot  und  vielfach  zu  Käufen  veranlaßte,  die  den 
oft  zahlreichen  Abgaben  des  Inlands  Aufnahme  verschafften.  Die 
Preise  waren: 


Juli 

September 

Oktober 

Dezember 

am    2.  Juni     . 

.  211V4 

204V4 

204V., 

205      M. 

«     27.      „         . 

.   2023/4 

203 

204 

204V2    „ 

^öii-  Der  Beginn  des  Juli  drückte  für  die  laufende  Sicht  den  Preis 

noch  einige  Mark  weiter,  imd  die  vereinzelten,  gegen  Schluß  des 
Juli  nocli  herauskommenden  Deckungen,  die  dann  wieder  höhere 
Preise   anlegen   mußten,   hatten   keine    Bedeutung.    Für   Herbst- 


1.  Getreide. 


11 


lieferung  gab  sioh  zeitweise  festere  Tendenz  kund.  Die  Witte- 
rimg wap."  im-  Jlili  unbeständig  und  kühl  geworden,  so  daß 
man  einer  Verzögerung  ider  Ernte  entgegensah.  Die  vielen  Hegen 
besserten  allerdings  die  Schiffahrt  und  ließen  die  hohen  Frach- 
ten sinken.  Am  politischen  Horizont  aber  tauchten  neue, 
schwerere  Wolken  als  bisiher  auf  infolge  des  Eingreifens  Eu- 
mäniens  in  die  Balkanwirren  und  der  wachsenden  Besorgnis,  daß 
Oesterreich  nun  doch  werde  zufassen  müssen.  Während  diese 
Verhältnisse  bei  uns  die  Situation  wiederholt  befestigten,  kamen 
vom  Weltmarkt  überwiegend  flaue  Berichte.  Die  bereits  unter 
Dach  befindliche  Winterweizenemte  der  Vereinigten  Staaten 
hatte  so  kolossale  Erträge  ergeben  und  drängte  so  frühzeitig  zum 
Markt,  daß  die  Amierikaner  nach  .allen  Riöhtungen  hin  ihren 
Kansas- Weizen  zu  nachgebenden  Eorderungen  in  großen  blassen 
verkauften.  Das  brachte  am  gesamten  Weltmarkt  rückgängige 
Bewegung,  zumal  von  überall  her  gute  Ernten  achrichten  eintrafen. 
Die  Preisschwankungen  im  hiesigen  Lieferungsmarkt  während 
des  Juli  hatten  sich  bewegt  für: 

Juli  September  Oktober  Dezember 

zwischen    2OOV4— 209    "  2021/2—2051/2       2031/4— 206       203V4— 2063'^  M. 

Der  Beginn  unserer  Weizenernte  im  August  erfreute  sich 
teilweise  befriedigenden  Wetters,  das  aber  dann  sehr  bald  un- 
beständig und  im  Laufe  des  Monats  für  die  Qualitäten  verhäng- 
nisvoll wurde,  als  die  längere  Zeit  hindurch  sich  täglich  wieder- 
holenden Üegen  mit  sehr  warmer  Temperatur  zusammentrafen. 
Es  entwickelte  sioh  dadurch  an  manchen  Tagen  eine  förmliche 
Treibhausluft,  die  besonders  den  Auswuchs  in  unseren  diesjähri- 
gen Qualitäten  zu  einer  unliebsamen,  aber  weit  verbreiteten  Er- 
scheinung machte.  Am  besten  war  die  Einheimsung  des  Weizens 
in  der  Provinz  Sachsen  und  in  Schleswig-Holstein  davon- 
gekommen, und  deren  Qualitäten  lieferten  nun  auch  zunächst  das 
Hauptmaterial  für  die  bald  wieder  kräftig  einsetzende  Export- 
bewegung. 

Hatte  schon  der  August  durch  die  starken  Ausfulirleistungen 
XordanoLcrikas  und  durch  die  wachsend  günstigen  Aussichten  auch 
der  kanadischen  Ernten  matte  Tendenz  aufgewiesen,  so  verstärkte 
sich  diese  im  September  noch  mehr,  als  die  vorläufigen  Schätzun- 
gen für  unsere  eigene  Ernte  hohe  Ziffern  brachten,  und  als  sich 
von  Nordamerika  her  allmählich  eine  wachsende  Konkurrenz 
zwischen  dem  kanadischen  Manitoba- Weizen  und  den  Offerten 
der  Union  in  einer  beträchtlichen  Ermäßigung  der  Forderungen 
fühlbar  machte.  Diese  Konkurrenz  erstreckte  sich  bis  zum  Monat 
Oktober^  in  dem  die  Angebote  des  Kansas- Weizens  weniger  reich- 
lich wuirden  und  seine  Preise  sich  so  viel  höher  als  die  für  Mani- 
toba stellten,  daß  sie  diesem  in  der  Hauptsache  das  Feld  über- 
ließen.    Die  Vereinigten  Staaten  hatten  indessen  schon  vor  dem 


August. 


September. 


12        I.    Pflanzl.  Eohpix)dukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

Beginn  der  kanadischen  Leistungen  sehr  große  Massen  an  den 
A^''eltmarkt  abgeführt  und  vorverkauft,  denn  man  hatte  drüben 
schon  frühzeitig  den  Wettbewerb  Kanadas  befürchtet.  Die  Kon- 
kurrenz des  billigen  Kansas-Weizens  hatte  zunächst  die  Lage 
unseres  Exportgeschäftes  einigermaßen  schwierig  gestaltet,  und 
für  den  sächsischen  Weizen  fiel  auch  der  Wettbewerb  des  billi- 
geren schleswig-holsteinischen  Weizens  ins  Gewicht.  Daher 
drängte  das  Angebot  von  Sachsen- Weizen  in  verstärktem  Maße 
an  Hen  Berliner  Markt  und  veranlaßte  seine  Besitzer  hier  zu  größe- 
ren Lieferungsabgaben.  Die  Berliner  Bestände  waren  sehr  klein 
geworden,  denn  nachdem  sie  noch  zum  Beginn  des  Juli  9281  t 
betragen  hatten,  waren  sie  bis  zum  1.  Aug.  auf  4849  und  am 
1.  Sept.  auf  2417  t  zusammengegangen.  Die  gleiche  Erscheinung 
zeigte  sich  im  ganzen  Lande,  da  durch  das  teilweise  ungünstige 
Etutewetter  und  durch  die  verzögerte  Grebrauchsfertigkeit  der 
neuen  Ernte  überall  die  Üeste  des  alten  Weizens  aufgezehrt 
wurden.  Dieser  Vorgiang  machte  sich  besonders  im  Osten  fühl- 
barer als  bei  uns,  und  während  einiger  Zeit  des  Herbstes  war  es 
rentabel,  von  Berlin  Weizen  per  Bahn  nach  Westpreaßen  zu 
schicken.  Dazu  hatte  es  allerdings  erst  der  kräftigen  Zufuhren 
des  sächsischen  Weizens  bedurft,  die  nunmehr  im  September  zur 
Erledigung  der  Septemberverbindlichkeiten  und  für  weitere  An- 
sprüche in,  größeren  Mengen  erfolgten.  Die  Andienungen  wurden 
hier  schlank  aufgenommen,  jand  die  Bestandsstatistik  verzeidhnete 
am  1.  Okt.  hier  einen  Vorrat  von  9596  t.  Diese  Ziffer  blieb  aber 
wahrscheinlich  noch  hinter  der  Wirklichkeit  zurück,  denn  von 
den  hier  im  Laufe  des  September  eing'etroffenen  fast  20000  t 
war  fast  nichts  zum  Versand  gelangt,  und  die  hiesigen  Mühlen 
hatten  schwerlich  volle  12  000  t,  deren  Nach^veis  fehlt,  ver-; 
arbeitet.  Einen  Ausgleich  brachte  dann  die  Bestandsstatistik  vom 
1.  (Nov.,  denn  obwohl  im  Laufe  des  Oktober  die  Einfuhr  und 
Ausf uhi'  Berlins!  sic'h  fast  die  Wage  hielten,  hatten  die  Bestände 
am  1.  Nov.  von  11 924  t  noch  weiter  einen  Zuwachs  von  rund 
2000  t  gegenüber  dem  1.  Okt.  aufgewiesen.  Die  Zufuhren  Sach- 
sens hatten  mit  den  großen  Septemberlieferungen  hier  ziemlich 
ihr  Ende  erreicht;  üunmehr  gingen  sie  in  wachsendem  Umfange 
zum  Export,  da  der  schleswig-holsteinische  Weizen  nur  einen 
beschränkten  Ucberschuß  bot  und  im  Verlaufe  auch  in  seinen 
Preisen  anzog. 

Oktober.  Die  Preisbewegung  des  hiesigen  Marktes  hatte  im   Septem- 

ber wie  im  Oktober  eine  scharfe  Abwärtsrichtung  angenommen. 
In  dieser  Zeit  hatten  wir  es  neben  den  amerikanischen  Leistun- 
gen auch  mit  ungewöhnlich  billigen  Offerten  Nordrußlands  zu 
tun,  die  unserem  Ausfuhrgeschäft  eine  scharfe  Konkurrenz 
maciliten.  Gleichzeitig  drückte  aber  in  unserem  Lande  die  große 
Ernte    der   sehr   billigen    Kartoffeln,    indem    durch    den    starken 


1.  Getreide.  lo 

Mehrverbrauch  von  Speisekartoffeln  der  Konsum  an  Brotgetreide 
sichtlicli.  eingeschränkt  "wurde.  'Wir  hatten  einen  Preisstand: 

September  Oktober  Dezember             Mai 

am     1.  August ....     202%  2O2V4  203  207      M. 

„       1.  September      .     .     I98V2  1993/4  2OOV4  205       „ 

„     30.  September  ...     194  I931/4  1963/4  2O2V4   « 

„     17.  Oktober      ...       —  I8IV2  l^b^U  193V2   „ 

Der  niedrigste  Jahresstand  war  einige  Tage  darauf  für  Dezember 
ISöVi,  für  Mai  192V4,  worauf  dann  eine  zunä<ihst  auch  nur  mäßige 
Erholung  folgte.  Dieser  scharfe  Rückgang  der  Preise  hatte  für 
den  Weizenhandel  ein  ganz  neues  Preisniveau  geschaffen,  wo- 
bei die  Abwärtsbewegung  wohl  zunächst  etwas  über  das  Ziel 
hinausgeschossen  war,  ohne  daß  aber  dadurch  die  Unternehmungs- 
lust für  das  Weizengeschiäft  nennenswert  angeregt  worden  wäre. 

l^SL'CiiL  den  von  allen  Seiten  eingelaufenen  Nachrichten  hatten  November- 
war es  am  gesamten  Weltmarkt  mit  ungewöhnlich  großen  Ernte-  ^^^^ 
erträg<en  zu  tun,  die  auf  eine  Ueberproduktion  an  Weizen  hin- 
wiesen. Das  lähmte  jede  spekulative  Tätigkeit,  und  wenn  trotzdem 
im  letzten  Teile  des  Jahres  der  scharfen  Abwärtsbewegung  eine 
mäßige  Erholung  folgte,  so  war  dies  zum  Teil  wohl  den  bald  nach- 
lassenden Ablieferungen  unserer  Landwirte  zuzuschreiben,  die 
infolge  des  bis  zum  Jahresschlüsse  anhaltenden  milden  Wetters 
ilire  Leute  so  ausgiebig  für  die  Arbeiten  auf  dem  Felde  ge- 
brauchten, daß  sie  zu  weiterem  Ausdreschen  des  Getreides  keine 
Zeit!  mehr  gewannen.  Noch  mehr  als  dieser  Umstand  wirkten 
aber  die  Nachrichten  aus  Argentinien  auf  die  Tendenz  ein.  Nach 
den  ersten  Nachrichten  hatte  man  in  den  La-Plata-Staaten  ebenso 
wie  überall  eine  sehr  große  Ernte  erwartet.  Je  mehr  aber  die 
dortige  Entwicklung  vorschritt,  desto  mehr  hörte  man  Klagen 
aus  verschiedensten  Teilen  des  Landes,  und  alsi  dann  im  Dezember 
die  Einheirasung  erfolgte,  war  es  klar,  daß  man  es  gegenüber 
dem  Vorjahre  in.  Argentinien  mit  einem  fühlbaren  Defizit  zu 
tun  hatte.  Dieser  Umstand  blieb  um  so  weniger  ohne  Eindruck, 
als  man  bis  dahin  durch  die  russischen  Leistungen  außerordent- 
lich enttäuscht  war.  Von  der  angebliöh  phänomenalen  Ernte  Ruß- 
lands waren  wohl  bis  zum  Jahresschlüsse  5  (bis  600  000  t  mehr  als 
gleichzeitig  im  Vorjahre  zur  Ausfuhr  gelangt,  aber  das  blieb 
weit  hinter  den  Erwartungen  zurück,  da  im  vorigen  Jahre  ein 
anormal  kleiner  Export  gewesen  war,  und  für  solche  Ernten  wie 
Rußland  diesmal  angeblich  gewonnen  hatte,  wesentlich  stärkere 
I^eistungen  vorausgesetzt  werden  mußten.  Alles  diesesi  im  Verein 
mit  einer  wachsenden  Exporttätigkeit  Deutschlands  führte  die 
Preise  wieder  allmählich  in  die  Höhe,  ohne  daß  sich  aber  bei  der 
schon  erwähnten  mangelnden  Unternehmungslust  die  Besserungen 
bis  zum  Jahresschlüsse  voll  hätten  behaupten  können.  Wir  hatten 
oben  im  Oktober  notiert: 


14        I.    Pflanzl.  Kohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


den  billigsten  Jahresstand  mit . 
Der  Preis  war  am    1.  November 

im  Dezember  zwischen       .     .     . 
und  schloß  am  31.  Dezember     . 


Dezember 

Mai 

.       185V4 

192V4       M 

.        187V4 

1953/4       . 

193 

2OIV4       . 

.    188—195 

195V2-200  „ 

195 

1951/2         V 

Qualität  der 
neuen  Ernte. 


Ausfuhr. 


Preise. 


Dieser  Dezemberschlußpreis  war  nur  ein  vereinzelt  am  Ultimo 
bezahlter  Kurs  gewesen.  Vorher  lag  zwischen  dem  Dezember-  und 
Maipreise  ein  Report  von  5  Mk. 

Eine  bemerkenswerte  Erscheinung  war  die  Tatsache,  daß, 
abgesehen  von  den  schon  erwähnten  guten  sächsischen  und  schles- 
wig-holsteinischen Qualitäten,  die  Mehrzahl  unserer  deutschen 
Provenienzen  nach  der  Ernte  La  wenig  befriedigender  Ware  an 
die  Märkte  drängte,  wiährend  dann  gegen  Jahresschluß  auch  viel 
guter  Weisen  herauskam.  Am  auffälligsten  war  dieses  l>ei  dem 
schiesischen  Material,  das  bis  zum  November  ein  Noli  me  tangere 
für  unsere  Exporteure  war.  Gegen  Jahresschluß  zeigte  sich  dann 
aber  auch  so  viel  guter  schlesischer  Weizen,  daß  unsere  Aus- 
fuhrfirmen die  Einladungen  von  Weizen  an  der  Oder  wieder 
aufnahmen. 

Das  Hauptabsatzgebiet  für  unseren  deutschen  Weizen  bildete 
im  verflossenen  Jahre  Frankreich.  Dieses  nahm  mit  250000  t 
fast  die  Hälfte  des  deutschen  Jahresexportes  auf;  sehr  viel  und 
weit  mehr  als  im  Vorjahre  ging  auch  nach  Dänemark,  Belgien  und 
Holland,  während  der  diesjährige  Absatz  nach  Italien,  der  in 
1912  eine  so  erhebliche  Rolle  gespielt  hatte,  teils  wegen  der  guten 
italienischen  Ernte,  teils  wegen  unserer  für  eine  weite  Seereise 
weniger  zuverlässigen  Qualitäten  nicht  viel  mehr  als  den  vierten 
Teil  des  1912er  Quantums  erreichte. 

Die  höchsten  und  niedrigsten  Preise  der  verschiedenea  Liefe- 
rungssichten  waren  in  den  einzelnen  Monaten  für  AVeizen  in  Mark 
pro  1000  kg: 


Tab. 


Berliner  Lieferungspreise  für  Weizen  rin  m.  pro  t.) 


Monat  Mailieferung      Julilieferung 


Jan.     . 

Febr.  . 
März  . 
April  . 
Mai  . 
Juni 
JuU  . 
August 
Sept.  . 
Okt.  . 
Nov.  . 
Dez.     . 


•208,— -213,25 
208,-210,75 
207,25-210,50 
207,75-233,25 
204,50-212,- 


204,75-208,50 
202,25-207,75 
192,25-202,50 
194, — 201,25 
195,50-200,- 


September- 
lleferuug 


Oktober- 
lieferung 


Dezember- 
lieferung 


210,— 
210,— 
210,— 
210,75- 
211,50- 
202,75- 
200,25- 


196,— 

197,75- 


214,251 
212,50; 
212,75: 
219.25! 
217,501 
211,751 
209,-1 


203,50 
202,25 


203,75- 
203,75- 
203,50- 
205,75- 
203,50- 
203,— 
202,50. 
198,— 
194,— 


206,50; 
208,—' 
208,501 
207,50 
205,75 
205,50 
204,75 
202,50 


204,25- 
203,7.5- 
203,25- 
199,50- 
195,50- 
181,50- 


207,75!  204,.75- 
205,751204,— 
206,—:  203,25- 
204,75!  199,50. 
206,—  196,75- 
203,25  185,25. 
185,75. 
'  188,-. 


206,— 
206,50 
206,75 
205,— 
203,25 
196,50 
193,50 
195,— 


Deutschlands  Einfuhr  und  Ausfulir  an  Weizen  und  Weizen- 
mehl (letzteres  umgerechnet  zu  Weizen)  betrug  während  des 
Emtejahres  vom  1.  Aug.  bis  31.  Juli  in  Doppelzentnern: 


.     1.  Getreide.  15 

1910/n  1910/12  1912/13 

Einfuhr  an  Weizen 27  320  611         23  665  507        27  692  181 

„    Weizenmehl    ....  262496  246172  281433 

zusammen 27  583  107        23  911679        27  973  614 

Ausfuhr  an  Weizen 5  413  404  5  654  299  6  165  514 

„    Weizenmehl   ....  2623090  2091520  2652957 

zusammen 8  036  494  7  745  819  8  818  471 

Netto-Einfuhr 19  546  613         16  165  860        19155143 

Deutschlands  Eiafuhr  und  Ausfuhr  an  Weizen  und  Weizen- 
mehl (letzteres  umgerechnet  zu  Weizen)  betrug  vom  1.  Aug*ast 
bis  31.  Dezember,  also   in  der  neuen  Saison,  in  Doppelzentnern: 

1911  1912  1913 

Einfuhr    an    Weizen 11586  626         12  713  331         12  824  337 

„     Weizenmehl.     .     .     . 116  958 126  333 150  492 

zusammen 11703  584         12  839  664         12  974  829 

Ausfuhr    an    Weizen 2  530  643  1746  439  3  145  890 

„     Weizenmehl      .     .     . 950  309  1  145  296  1  367  684 

zusammen 3  480  952  2  891735  4  513  574 

Netto-Einfuhr    ........  8222632  9947929  8461225 

Roggen.  Koggen- 

Koggen- 
Roggen  eröffnete  das  Jahr  hier  wie  auch  in  der  Provinz  mit  bestände. 

(knappen  Vorräten  in  den  Händen  des  Handels,  weil  bis  dahin  die 
Ablieferungen  der  Landwirte  unerwartet  schwach  gewesen  waren 
und  der  Export  große  Mengen  fortgenommen  hatte.  Das  Jahr 
hatte  hier  mit  einem  Bestände  von  7288  t  begonnen,  wovon  ein 
größerer  Teil  den  Mühlen  gehörte,  während  die  Vorräte,  welche 
sich  auf  den  Mühlenlagern  selbst  befanden,  in  den  Bestand- 
ziffern nicht  enthalten  waren.  Zunächst  fand  der  Bedarf 
mäßige  Befriedigung  durch  die  Bahnankünfte,  bis  dann 
Igegen  Ende  Februaj?  die  Wasserzuftdir  begann  und  eine  recht 
ansehnliche  Frühjahrsflotte  nach  hier  führte.  In  den  ersten 
Monaten  zogen  Hamburg  und  die  Ostseeküste  ziemlich  viel  Bahn- 
material für  die  Ausfuhr  und  für  den  Veorsand  nach  Westdeutseh- 
land  an  sich  und  lenkten  damit  viel  Ware  von  hier  ab.  Auch 
von  den  im  Winter  eingeladenen  Eoggenmassen  ging  ein  ansehn- 
licher Teil  nach  den  Häfen,  doch  blieben  auch  für  hier  so  reich- 
liche Mengen  übrig,  daß  die  Bestände,  die  am  1.  März  nur  5214  t 
betragen  hatten,  am  1.  April  sich  auf  20  915  t  ansammelten.  Das 
Greschäft  in  Ladungen  war  im  ganzen  während  der  Winter- 
monate recht  schwierig  gewesen,  da  man  hier  der  Haltbarkeit 
der  AVare  mißtraute  und  Qualitätsgarantien  verlangte,  die  die 
Ablader  nicht  eingehen  wollten.  Daher  fanden  viele  Ladungen 
erst  auf  ihrer  Fahrt  nach  Berlin  nach  Besicht  einen  Käufer, 
während  manche  Ladungen  noch  unverkauft  naöh  hier  kamen. 
Die   Preisbewegung  war  unter  leichten  Schwankungen  während 


16        I.    Pflaiizl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

des  ersten  Quartals  und  auch  noch  im  April  abwärts  <^erichtet, 
Bis  dahin  hatte  Kußland  mit  seinen  Offerten  zurüökgehaltea 
und  seine  Forderungen  führten  nach  dem  Rhein  und  dem  Aus- 
lande bis  zum  Beginn  des  Jahres  nur  zu  kleinem  Geschäft.  All- 
mählich kam  aber  im  Laufe  des  1.  Quartals  Rußland  etwas  mehr 
heraus  und  wurde  in  seinen  Forderungen  nachgiebiger.  Wenn 
damit  audi  ein  Rendement  für  uns  nicht  eintrat,  so  machte  der 
Ru&senroggen  doch  am  Rhein  und  a.'m  Weltmarkt  unserm  Material 
Konkurrenz  und  erschwerte  dahin  zeitweise  neue  Abschlüsse. 
Mit  dem  Beginn  der  Feldarbeiten  ließen  aber  dio  zeitweise  recht 
kräftig  gewordenen  Angebote  der  Provinzen  nach  und  der  Bedarf 
begann  schon  im  April  von  dem  kaum  angesammelten  großen 
hiesigen  Lager  wieder  zu  zehren,  so  daß  der  1.  Mai  mit  16  728  t 
einen  um  4000  t  verminderten  Bestand  gegenüber  dem  1.  April 
antraf. 
janaaT-Juni.  Das   Jahr   hatte  hier   im  Lieferungsgeschäft    für    Mai    mit 

einem  Preise  von  173V4  Mk.  begonnen,  der  für  den  ersten  Jahres- 
nionat  auch  der  billigste  blieb.  Im  Laufe  des  Monats  erhöhte  sich 
dieser  zeitweise  um  5  Mk.,  als  durch  die  Ejiappheit  der  greifbaren 
Ware  und  durch  die  Abneigung  der  Mühlen,  sich  ihren  Bedarf 
durch'  Fmh Jahrsladungen  zu  decken,  verstärkte  Nachfrage  für 
Mallieferung  eintrat.  Im  Februar  hegann  ein  langsamer  Rückgang 
durch  die  wachsenden  Angebote  und  Lieferungsabgaben  des  In- 
landes, so  daß  im  Februar  der  Maikurs  auf  171 V*  Mk.  zarückgiag. 
Im  März  stand  dieser,  immer  nach  vielfachen  Söhwankungen, 
auf  168,  im  April  auf  165V2  Mk.,  mit  welchem  Preise  hier  die 
Mailieferung  einsetzte.  Dabei  hatte  sich  durch  die  Ansammlung 
jder  großen  Warenmengen  und  durch!  das  schwierige  Geschäft 
in  greifbarem  Material  ein  Report  von  Mai  auf  Julisicht  von 
4 — 5  Mk.  herausgebildet,  der  im  Laufe  des  Mai  vorübergehend 
noch  weiter  stieg.  Von  den  Maiandienungen  ging  ein  Teil  an  die 
Mtüilen  tmd  manche  besonders  g-uten  Ladungen  wurden  auch  von 
Exporteuren  übernommen.  In  der  Hauptsache  ging  aber  der  Roggen 
auf  Reportlager  und  so  befanden  sich  am  1.  Juni  noch  15  953  t 
am  hiesigen  Platze,  War  es  bis  dahin  besonders  die  schlesische 
Ware  gewesen,  die  bei  durchschnittlich  nicht  unerheblichem  An- 
gebot verhiältnismäßig  die  besten  Qualitäten  geliefert  hatte,  und 
daher  während  des  Winters  und  fortlaufend  im  Frühjahr  zu 
ansehnlichen  Einladungen  an  der  Oder  von  den  Exporteuren  be- 
nutzt worden  war,  so  machte  sich  nun  auch  für  den  im  Früh- 
jahr aus  den  Mieten  frisch  gedroschenen  Roggen  von  der  Warthe 
und  Netze  hier  mehr  Begehr  geltend.  Ein  großer  Teil  des  Warthe- 
und  Netzeroggens  war  während  der  Saison  von  der  östlichen 
Exportmüllerei  aufgenommen  worden  und  in  den  besseren  Sorten 
nach  der  Küste  gegangen,  so  daß  auöh  dort  bei  gleichzeitiger  Ver- 
sorgung des  östlichen  Inlandsbedarfs  die  Emtevorräte  sich  bereits 
stark  gelichtet  hatten.  Im  Juni  wurde  die  Zufuhr  unseres  Platzes 


1.  Getreide.  17 

knapp  und  der  hiesiges  Bestand  mußte  mit  größeren  Posten  aus- 
helfen, so  daß  Berlins  Vorrat  sich  am  1.  Juli  nur  noch  auf  9135  t 
belief.  Der  Bedarf  war  bei  unsern  Mühlen  ziemlich'  beträchtlich, 
denn  es  hatte  sich  im  ersten  Semester  bereits  frühzeitig  ein  an- 
sehnlicher Exportbedarf  von  Mehl  nach  Südeuropa,  besonders  auch 
nach  dem  Balkan,  und  nach  unseren  gewöhnlichen  Absatzgebietön 
eingestellt,  an  welchen  die  Berliner  Müllerei  mit  größeren  Mengen 
beteiligt  war.  Auch  hatte  schon  früh  im  Jahre  ein  kräftiger  Ab- 
zug deutschen  Eoggens  von  Posen,  Schlesien  und  Preußen  über 
die  russisch-polnische  Grenze  eingesetzt.  Dort  hatten  die  Be- 
strebungen wegen  Einführung-  eines  russischen  Importzollesi  all- 
mählich greifbare  Gestalt  gewonnen,  und  die  polnischen  Mühlen 
und  Händler  sahen  sich  dadurch  veranlaßt,  ihre  ohnehin  schon 
ansehnlichen  Bezüge  deutschen  Koggens  noch  zu  verstärken  und 
sieb'  durch  Schaffung  von  Vorräten  gegen  plötzliche  Ueberraschun' 
gen  zu  sichern.  Dieses  Moment  spielte  während  des  ganzen  weiteren 
Jahresverlaufes  für  unser  Geschäft  eine  wichtige  Polle.  All- 
mählich war  der  inländische  Roggen  knapp  geworden.  Die  Ernte 
vom  Jahre  1912/13  war  zwar  quantitativ  außerordentlich  um- 
fangreich gewesen,  aber  die  Qualitäten  waren  seinerzeit  durch 
die  Witterung  zum  Teil  derart  verdorben  worden,  daß  nicht  un- 
erhebliche Mengen  der  vorletzten  Ernte  in  den  Futtertrog  wander- 
ten. Daher  wurde  den  Mühlen  in  der  Provinz  schon  im  Juni  das 
Material  vielfach  außerordentlich  knapp,  und  im  Juli  war  es  be- 
reits eine  ansehnliche  Zahl  von  Mühlen,  die  aus  Mangel  an  lloh- 
material  ihren  Betrieb  einstellen  mußten.  Der  Bedarf  wandte  sich 
daher  anch  dem  hiesigen  Lager  nunmehr  weiter  kräftig  zu, 
indem  die  Berliner  und  benachbarten  Mühlen  daraus  vieles  ent- 
nahmen, während  gleichzeitig  hiesige  Ware  audh  über  Hamburg 
und  Stettin  zum  Export  nach  Schweden  und  an  die  Müllerei  der 
genannten  Häfen  ging. 

Zuerst  legte  man  auf  die  Knappheit  wenig  Gewicht,  da  juii- Dezember, 
im'  Juli  jeder  Tag  die  neue  Zufuhr  bringen  sollte.  Allein  die 
Ernte  hatte  schon  nicht  sonderlich  früh  eingesetzt,  da  kühles 
und  feuchtes  Wetter  die  Reife  etwas  verzögert  hatte,  und  dem- 
nächst hinderte  die  unbeständige  Witterung  auch  ein  zeitiges 
Dreschen  der  im  Juli  ein;£^efahrenen  Ware.  Ein  großer  Teil 
Ider  deutschen  Roggenernte  fand  erst  im  August  statt  und  kam 
somit  in  jene  Periode  der  ebenso  nassen  wie  warmen  Witterung, 
wodurch  auch  bei  einem  ansehnlichen  Teile  des  Roggens  die 
Qualitäten  wieder  empfindlichen  Schaden  nahmen.  Die  Juli^ 
Andienungen  hatten  hier  schon  bei  Beginn  des  Monats  gute 
Aufnahme  gefunden  und  hatten  sich  schnell  verteilt,'  so  daß 
bei  der  wachsenden  Knappheit  greifbarer  Ware  die  Preise  hier- 
für merklich  stiegen.  Für  Juli  war  noch  Decouvert  geblieben,, 
das  die  Interessenten  durch  neue  "Ware  zu  erledigen  gehofft, 
hatten.    Da  sie  sich  hierin  getäuscht  sahen,  so  mußten^  sie  ent- 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.     IT.  2 


18        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodukte. 

Sprech ead  dem  hohen  Werte  der  alten  AVare  Rückkaufspreise 
bis  zu  1791/2  Mk.  anlegen.  Gleichzeitig  hatten  auch  die  Herbst- 
preise sich  bis  zum  Beginn  der  vierten  Juliwoche  wesentlich' 
erhöht^  teils  infolge  der  Witterung  und  der  Besorgnisse  für  die 
Ernte,  teils  im  'Anschluß  an  die  neuen  politischen  Beunruhi- 
gungen.   Die  Koggenpreise  notierten  für  Lieferung 


Juli 

September 

Oktober 

Dezember 

am     1.  Juli    .     . 

.    .    166 

169 

170 

171       M. 

„    21.     „      .    . 

.     .     177 

173 

1733/, 

1741/4    „ 

Gleichzeitig:  war  die  Loconotiz  bis  23.  Juli  auf  174  bis- 
176  Mh'  gestiegen  und  es  wurde  auch  noch  über  diese  Notiz  für 
greifbare  Ware  bezahlt.  Während  der  Julipreis  sich  bis  zum' 
Schlüsse  des  Monats  hoch  hielt  und  mit  179  Mk.  endete,  war 
■für  Herbst  im  letzten  Teile  des  Juli  ein  Rückschlag  infolge  der 
schön  gewordenen  Witterung  und  des  Nachlassens  der  politischen 
Spannung  eingetreten.  Die  Erstlinge  der  neuen  Ernte  kamen 
in  kleinen  Partien  Ende  Juli  an  den  Markt,  wo  sie  z^vischen 
166  und  169  Mk.  erzielten,  also  ungefäjir  den  Herbstpreis. 
Die  Vorräte  Berlins  hatten  sich  bis  zum  1,.  Aug.  auf  1961  t 
vermindert,  die  meist  den  Mühlen  gehörten,  so  daß  eigentliche 
disponible  Ware  nur  noch  vereinzelt  zur  Hand  war.  Das  schöne 
Wetter  beim  Schlüsse  des  Juli  hielt  auch  im  August  noch 
einige  Zeit  an,  so  daß  ein  nicht  unerheblicher  Teil  der  Roggen^ 
ernte  unter  günstigen  Bedingungen  gesichert  wurde.  Ein  anderer 
kam,  wie  schon  erwähnt,  mit  in  den  ungünsti_gen  'Witterungs;- 
teil  des  August,  so  daß  die  diesjährigen  Qualitäten  verschieden^ 
artig  wurden,  zumal  auch  in  den  einzelnen  Distrikten  unserer 
Produktionsgebiete  die  Witterung  nicht  gleichmäßig  und  teil- 
weise schon  früher  als  bei  uns  regnerisch  War,.  Die  Natural^- 
gewichte  des  neuen  Roggens  erwiesen  sich  zum  Teil  als  hoch 
und  man  erhoffte  davon  eine  schnelle  Entwicklung  des  Exportes. 
Zunächst  ging  diese  Hoffnung  aber  nicht  in  erwartetem  Um- 
fange in  Erfüllung,  weil  im  Auslande  Rußland  als  Verkäufer 
aufgetreten  war  und  yieil  bei  ;uns  durch  das  Zusammentreffen 
der  Ernten  aller  Getreidearten  der  Landwirt  zunächst  wenig 
Zeit  zum  Dreschen  hatte.  Dabei  war  'die  Preisentwicklung  von 
der  letzten  Juliwoche  an  durchschnittlich  in  den  nächsten 
Monaten  abwärts  gerichtet;  erst  im  [November  kam  sie  zum 
Halt,  um  dann  das  erlangte  neue  Preisniveau  bis  zum  Jahres- 
schlüsse innezuhalten,  wobei  eine  schließliche  Aufbesserung  von 
keiner  besonderen  Bedeutung  war,.  Es  war  aber  nicht  immer, 
die  an  die  Märkte  kommende  Ware,  welche  während  der  neuen 
•Saison  fortlaufend  auf  die  Preise  drückte,  sondern  vielmehr 
das  allgemeine  Bewußtsein  einer  sehr  großen,  die  vorjährige 
noch    übersteigenden    Ernte    in    unserem   Lande.    Sobald    unsere 


1.  Getreide.  19 

Landwirte  während  und  nach  der  Ernte  etwas  Luft  bei  den 
Arbeiten  bekamen,  gingen  sie  kräftig  daran,  ihren  E-oggen  zu, 
dl  eschen  und  verkaufsfertig  zu  machen,.  Es  waren  sicherlich' 
sehr  große  Mengen,  die  im  Laufe  der  letzten  Jahresmonate  in 
tden  Konsum  und  zum  Versand  gelangten.  Aber  durch  die  voll- 
ständige Erschöpfung  der  Vorräte  aus  alter  Ernte  bei  den 
Mühlen  und  an  den  Stapelplätzen  war  überall  ein  so  erheb- 
licher Bedarf  vorhanden,  daß  die  neuen  Zufuhren  schnell  im 
ganzen  Lande  aufgesogen  wurden,  so  daß  man  den  Eindruck 
von  sonderlich  großen  Ablieferungen  kaum  zu  irgendeiner  Zeit 
hatte.  Hierzu  trug  auch  der  Umstand  bei,  daß  man  im  ganzen 
Lande  ungefähr  die  gleichen  Preise  zahlte.  Immerhin  kamen 
nach  Berlin  per  Bahn  im  August  und  September  ziemlich  an- 
sehnliche Mengen,  so  daß  auch  für  die  Septemberandienung 
hini  eichend  Ware  zur  Verfügung  stand,  die  in  der  Hauptsache 
von  einer  Mühle  aufgenommen  wurde.  Die  am  1.  Aug.  von 
verkäuflicher  Ware  fast  geräumt  gewesenen  Berliner  Bestände, 
die  damals  nur  noch  1961  t  enthielten,  waren  am  1.  Sept.  auf 
6871  t  und  am  1.  Okt.  auf  15  817  t  angewachsen.  Die  Preise 
waren  für  Lieferung 


Sept. 

Okt. 

Dez. 

Mai 

am  1.  August    .     .     . 
„     1.  September  .     . 
„     1.  Oktober  .     .     . 

.     I68V2 
.     I633/4 

169 

I653/4 

158^4 

I691/2 
167V2 
163V2 

172      M. 

I7IV2     .V 

1673/4  „ 

Die  Verhältnisse  im  Eoggengeschäft  unseres  Landes  waren  Neue  Ernte, 
wählend  der  ersten  Zeit  nach  der  Ernte  sehr  unregelmäßig, 
Schlesien  hatte  eine  quantitativ  enorme  Ernte  gewonnen,  abier 
die  Witterung  hatte  dort  einem  Teil  der  Ernte  so  übel  mit- 
gespielt, und  die  lange  sich  hinziehende  Nässe  die  Brauchbarkeit 
der  Ware  so  beeinträchtigt  und  die  Zuführen  so  stark  ver- 
zögert, daß  diese  Provinz  trotz  ihrer  reichen  Ueberschüsse  ge- 
zwungen war,  noch  im  Oktober  von  anderen  Gegenden  unseres 
Landes  zu  beziehen.  Das  Königreich  Sachsen  bekundete  um 
jene  Zeit  auch  kräftigen  Zufuhrbedarf,  und  von  Posen  kam 
verhältnismäßig  wenig  Angebot  heraus.  Letzteres  erklärte  sich 
allerdings  zum  Teil  durch  die  eigene  große  Exportmüllerei  dieser 
Provinz,  die  jetzt  weit  mehr  als  früher  die  eigene  Produktion 
verarbeitet  und  in  ziemlichem  Umfange  an  unserem  Mehlexport- 
geschäfte beteiligt  ist. 

Die  Ausfuhr  von   Roggenmehl  war   sehr  stark,   denn  nach  Ausfuhr, 

dem  Balkan,  ging  fortgesetzt  Material.  Viel  größer  aber  war  der 
Abfluß  nach  dem  Norden,  in  erster  Reihe  nach  Einnland,  das 
wohl  auch  im  Hinblick  auf  die  Möglichkeit  einer  Zollsperre 
über  laufenden  Bedarf  deutsches  Mehl  importierte.  Ebenso  war 
aber    auch    der    Bedarf  Norwegens   größer   als   sonst,   und   auch 

2* 


20        I.    Pflanzl.  Eohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  llohprodukte. 

nach  Frankreich  hatten  wir  beträchtlichen  Roggenmehlabzug 
neben  der  sehr  ansehnlichen  Roggenausfuhr  dahin.  Portdauernd 
am  siäiksten  blieb  der  Eoggenabfluß  nach  den  russischen  Grenz- 
provinzen, die,  je  näher  zum  Jahresschluß,  um  so  mehr  von 
imseiem  Roggen  bezogen.  Denn  die  neuen  Gesetzentwürfe  waren 
vom  Ministerrate  der  Duma  zugegangen.  Die  Zollvorschläge 
für  Rußland  und  Finnland  waren  hierin  getrennt  und  ver- 
schieden, so  daß  eine  Einführung  des  Zolles  für  Rußland  selbst 
für  den  Fall  in  Sicht  kam,  daß  für  Finnland,  infolge  der 
Handelsvertragsverpflichtungen,  zunächst  die  Eingangszölle 
nicht   durchgesetzt  werden   konnten. 

Mit  dem  Beginn  der  Feldarbeiten  im  Oktober  und  der 
gleichzeitigen  Kartoffel-  und  Rübenernte,  die  diesmal  größere 
Ansprüche  als  sonst  an  die  Arbeitskräfte  stellten,  ließen  die 
Roggenablieferungen  der  Landwirte  wieder  nach,  und  das  in 
Berlin  am  1.  Okt.  auf  15  817  t  angewachsene  Lager  war  bis 
zum  1.  Xov.  wieder  auf  8727  t  zurückgegangen.  Auch  am 
1.  Dez.  hatte  es  sich  bei  einem  Bestände  von  8202  t  wenig 
verändert,  und  gegen  Jahresschluß  zeigte  es  mit  10  213  t  auch 
keinen  besonderen  Umfang,  zumal  ein  ansehnlicher  Teil  davon 
einer  hiesigen  Mühle  gehörte,  die  die  Dezemberandienungen  auf- 
genommen hatte.  Die  schon  im  Oktober  fühlbar  gewordene 
Knappheit  der  Zufuhren  schwand  auch  während  des  Restes  des 
Jahres  nicht  ganz  und  trug  zur  Stütze  des  ermäßigten  Preis- 
niveaus bei.  Im  allgemeinen  iwar  in  den  letzten  Monaten  das 
Berliner  Lieferungsgeschäft  ziemlich  ruhig  geworden.  AVenn  auch 
Mühlen  sich  hier  gegen  ihre  Mehlversohlüsse  deckten,  und  die 
Expoi  teure  ebenso  wie  die  Einfuhrfirmen  auf  Grund  von 
russischen  Anschaffungen  sich  beteiligten,  so  bot  doch  das  er- 
mäßigte Preisniveau  für  die  inländischen  Interessenten  weniger 
Anreiz,  diesen  Preis  für  ihre  Ware  sich  noch  durch  Lieferungs- 
abgaben zu  sichern,  und  auch  die  Landwirte  hatten  nach  den 
Preisrückgängen  des  letzten  Quartals  sichtlich  wenig  Eile,  ihren 
Besitz  fortzugeben.  Sie  nutzten  ihre  Arbeitskräfte  bei  der 
milden  Temperatur  bis  zum  Jahresschlüsse  zu  den  Feldarbeiten 
aus  und  verschoben  vielfach  den  Ausdrusch  auf  eine  spätere 
Zeit  des  Winters.  Man  nimmt  daher  auch  an,  daß  die  Vorräte 
in  erster  Hand  durchschnittlich  beim  Jahresschluß  noch  recht 
groß  gewesen  sind.    Die  Notierungen  waren  für  Lieferung 

Dezember  Mai  Juli 

am     1.  November      ....     157 V4  I62V4  — 

„       1.  Dezember löTV*  I633/4  165V2  M. 

„    31.        „  1571,2  I6O3/4  I62V2   V 

Preise.  Die  höchstcu  Und  niedrigsten  Preise  im  Berliner  Lieferungs- 

handel waren  im  Jahre  1913  für  Roggen  in  Mark  pro  Tonne: 


1.  Getreide. 


21 


Tab.  10.  Berliner  Lieferungspreise  für  Roggen  (in  Mk.  pro  t). 


Monat 


Jan. 

Febr 

März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez. 


Mailieferung 


173.25-178.— 
171.75-176.50 
168.— 173.25 
165.50-170.50 
165.— 169.75 


169.75-172.50 
166.50-172.50 
162.— 168.25 
160.— 165.25 
160.25-164.50 


Julilieferung 


September- 
lieferung 


174.25 

173. 

170.25 

169.75 

170.— 

166.50 

165.75 


-178.25 
-177.25 
-175.- 
-174.50 
-174.— 
-170.50 
-179.50 


167.25-170.25 
167.25-172.— 
168.— 171.25 
166.25-169.75 
168.— 173.— 
163.25-169.— 
159.— 166.- 


162. — 165.50!    — 


Oktober- 
lieferung 


Dezember- 
lieferung 


167. — 170.25 
168.75-173.75 
165.50-169.50 
158.50-167.50 
158.— 160.— 


169.50- 
166.75- 
169.— 
166.50- 
163.— 
157.75- 
153.50- 
154.50- 


171.75 

171.50 
174.25 
169.75 
168.50 
164.50 
159.— 
160.50 


Die  Einfuhr-  und  Ausfuhrbewegung  üieutsohlands  wälireiid 
der  zwölfmonatigen,  vom  1.  Aug.  bis  31.  Juli  reichenden  Saison 
betrug  in  Eoggen  und  Eoggenmehl  (umgerechnet  zu  Eoggen) 
nach   den    Zahlen    des   Gesamthandels    in   Doppelzentnern : 

Einfuhr  19L0jll  1911/12  1912/13 

an  Roggen 7  067  492  3  767  741  2  847  922 

„    Roggenmehl     .     .     .     .     .     .     . 22  006 19  920 14  932 

zusammen         7  089  498  3  787  661  2  862  854 

Ausfuhr 

an  Roggen 7  545  588  8  535  850  8  648  471 

„    Roggenmehl     .     .     .     .     .     .     .  2  454  787  2  157  141  3  270  462 

zusammen  10  000  375  10  692  991  11918  933 

Einfuhr  gegen  Ausfuhr    .     .     .     .  —  2  910  877  —  6  905  330  —  9  056  079 


Die  Einfuhr-  und  Ausfuhrbewegung  Dieuts'chlajids  iWährend 
ider  fünf  Monate  seit  Beginn  der  neuen  Saison  vom  1.  Aug.  bis 
31.  Dez.  betrug  an  Eoggen  und  Eoggenmehl  (umgerechnet  zu 
Eoggen)  nach  den  Zahlen  des  Gesamthandels  in  Doppelzentnern : 

Einfuhr  1911  1912  1913 

an  Roggen :     .  1710  638  1186  316  1984  102 

„    Roggenmehl     .     .     .     .     .     .     . 7  741 6  000 6  345 

zusammen  1718  379  1192  316  1990  447 

Ausfuhr 

an  Roggen 4  823  138  4  338  540  5  061287 

„    Roggenmehl     .     .     .     .     .     .     .  1084  733  1432  594  1538  644 

zusammen  5  907  871  5  771134  6  599  931 

Einfuhr  gegen  Ausfuhr    .     .     .     .  —4  189  492  —4  578  818  —4  609  484 


Gerste. 

la)  Braugerste. 

Die  diesjährige  deutsche  Gerstenemte  war  qualitativ  besser 

und  quantitativ  größer  als  die  Gerstenemte  im  Vorjahre.  Während 

sie  im  Jahre  1912  überall  unter  Eegen  stark  zu  leiden  hatte,  so 


Braugerste. 


22        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

daß  man  aQnehmen  mußte,  daß  nur  ganz  geringe  Mengen  als  Malz- 
gerste verwendbar  sein  würden  —  diese  Ansicht  hat  damals  die 
bei  einer  verhältnismäßig  großen  Ernte  enorm  hohen  Preise  ver- 
ursacht —  war  die  diesjährige  Gerstenernte  im  allgemeinen  vom 
Wetter  mehr  begünstigt,  und  nur  ein  Teil  von  Schlesien  und  Posen 
hatten  unter  andauerndem  Eegen  zu  leiden.  Dagegen  konnten  Ost- 
und  Westpreußen,  Brandenburg,  Pommern  ihre  Gersten  bei 
besserem  Wetter  bergen.  Daher  hat  die  1913er  Gerste  im  allge- 
meinen eine  helle  Farbe,  weniger  Eiweiß-  und  W^assergehalt  als 
die  Gerste  von  1912  und  eine  große  Keimfähigkeit;  Auswuchs 
gehört  zu  den  Seltenheiten.  AVahrend  die  Brauereien  im  Jahre 
1912  Gersten  mit  11 — 12  o/o  Eiweißgehalt  kauften,  können  sie  im 
Jahre  1913  einen  Eiweißgehalt  von  nur  9 — 11  o/o  beanspruchen. 
Durch  die  Trockenheit  und  Armut  der  Gersten  an  Eiweiß  ist  auch 
die  Ausbeute  von  im  Höchstfalle  ca.  78  o/o  im  Jahre  1912  bis  auf 
oa.  80  o/o  in  1913  gestiegen.  Die  Gerstenpreise  waren  noch  im 
Dezember  1912  sehr  hoch.  Man  zahlte  damals  Preise  bis  zu  230  Mk. 
pro  t.  Als  sich  aber  herausstellte,  daß  bei  einigem  Zurück- 
schrauben der  Ansprüche  immer  größere  Quantitäten  braufähiger 
Ware  an  den  Markt  kamen,  bröckelten  die  Preise  immer  mehr  ab. 
Um  die  Jahreswende  1912/13  kostete  Grerste  nur  noch  ca.  200  Mk. 
pro  t,  um  im  Verlaufe  von  Januar-Mai  1913  bis  auf  175  Mk. 
pro  t  herunterzugehen.  Der  Preis  ist  also  im  Verlaufe  der  Kam^ 
pagne  um  ca.  50  Mk.  pro  t  gewiehen,  eine  Tatsache,  die  wohl 
vordem  sehr  selten  zu  beobachten  war,  die  aber  dem  regulären 
Geschäfte  kolossalen  Schaden  zufügte.  Es  ist  sicher,  daß  sogar 
große  Posten  braufahiger  Ware  am  Ende  der  Malzkampagne  zu 
Putterzwecken  verkauft  werden  mußten ;  einige  Brauereien  legten 
sich  2ni  dem  niedrigen  Preise  alte  Gersten  für  die  neue  Malz- 
kampagne hin.  —  Die  neue  Ernte  1913  brachte  in  der  Mark  gute 
Qualitäten  und  Erträge;  man  nahm  daher  an,  daß  das  niedrige 
Preisniveau  des  Endes  der  vorhergehenden  Kampagne  in  3.ie  neue 
übernommen  werden  würde.  Die  Landwirte  hatten  aber  noch 
die  hohen  Preise,  die  sie  in  der  Vorkampagne  erhalten  hatten,  im 
Gedächtnis  imd  wollten  nicht  zu  den  ihnen  gebotenen  Preisen  ver- 
kaufen. Es  wurden  zuerst  wenige  Posten  feine  Gersten  nach 
Thüringen  und  dem  Hhein  gehandelt ;  Berliner  Brauereien  und  auch 
Sachsen  hielten  sich  zurück,  und  erst  Ende  August  und  Anfang 
September  entwickelten  sich  in  märkischer  Ware  größere  Ab- 
schlüsse zu  Preisen  von  185/195  Mk.  pro  t;  zu  diesen  Preisen  wurde 
von  den  Brauereien  ein  ziemlicher  Teil  ihres  Bedarfes  gedeckt. 
Die  oben  angeführten  Preise  hielten  sich  mit  kleinen  Schwankungen 
bis  zum  Ende  des  Jahres.  Wenn  auch  das  Angebot  in  Braugersten 
gleichmäßig  groß  blieb,  denn  die  Erdruschresultate  waren  größer 
als  man  annahm,  so  blieb  wirklich  feine  Gerste  nach  wie  vor 
begehrt;  es  machte  sich  immer  mehr  der  Ausfall  von  Schlesien 
und  Posen  geltend.  Im  Osten,  besonders  in  der  Provinz  Schlesien, 


1.  Getreide.  23 

hatte  die  Gerste  auch  zum  Teil  ein  gutes  und  ausgebildetes  Korn, 
aber  die  gerade  in  der  Erntezeit  einsetzenden  starken  und  an- 
haltenden Itegengüsse  bei  \varnier  Temperatur  ruinierten  sehr 
viel  Material,  so  daß  die  Gerstenernte  von  1913  außerordentlich 
große  Mengen  von  Tutterware  durch  den  vielfach  der  Gerste 
anhaftenden  Geruch  brachte.  Die  Preise  für  die  Braugerste  des 
Ostens  gingen  für  die  geringere  W^ure  bis  auf  165  Mk.  herab.  — 
Das  Geschäft  in  ausländischer  Braugerste  war  sehr  gering,  da  die 
in  Betracht  kommenden  Länder  Böhmen  und  Mähren  verregnete 
bunte  Gersten  mit  hohem  Eiweißgehalt  hatten  und  nicht  mit 
den  hiesigen  guten  Gersten  konkurrieren  konnten.  Es  wurde  da- 
her viel  Gerste  aus  der  Mark  nach  dem  Rhein  und  nach  Bayern 
im  Laufe  der  Saison  verkauft,  um  dort  die  fehlenden  ausländi- 
sdhen  Gersten  'z!u  ersetzen.  MäJirische  Gersten  kosteten  bis 
215  Mk. 

Deutschlands  Einfuhr  von  Malzgerste  betrug  nach  den 
Zahlen  des  Gesamteigenhandels  im  alten  Erntejahre  und  im  bis- 
her   abgelaufenen    Teile    der   neuen    Saison    in    Doppelzentnern: 

1910A1  1911A2  1912/13 

1.  August  bis  31.  Juli    .    .    2  561925        2  057  857        2  820  363 

1911  1912  1913 

1.  August  bis  31.  Dezember    1 194  662        2  093  086        1  349  304 

In  den  drei  letzten  Kalenderjahren  war  die  Einfuhr  von 
Malzgerste  in  Doppelzentnern: 

1911  1912  1913 

Gesamteinfuhr     .     .     .  1581919  2124  899  1511449 

davon  aus 

Oesterreich-Ungarn  .     .  833  459  1  559  208  1  283  335 

Dänemark 282  526  226195  173103 

Rußland 241799  253  049  44  195 

Rumänien 170  525  28  861  5  911 

b)  Puttergerste. 

Dia.s  Geschäft  in  inländischer  Futtergerste  naJim  zeitweise  inländische 
im  Berichtsjahre  einen  ansehnlichen  Umfang  an.  Einmal  wurde  Futtergerste, 
der  Verkehr  erleichtert  durch  den  bis  zum  Ende  des  Jahres  in 
Kraft  gebliebenen  Notstandstarif,  der  es  ermöglichte,  besonders 
die  Warenfülle  aus  den  östlichen  Provinzen  um  ca.  5  Mk.  bis 
8  Mk.  pro  Tonne  billiger  gegen  den  gewöhnlichen  Tarif  an  den 
hiesigen  Markt  zu  schaffen.  Andererseits  waren  es  die  Wetter- 
schäden in  unserer  Gerstenemte,  welche  dem  Handel  in  Putter- 
ware  ungeheure  Quanten  zur  Verfügung  stellten.  Besonders  in 
den  Provinzen  Posen  und  Westpreußen  mußten  ganz  beträcht- 
liche Mengen  ihrer  "Beschaffenheit  wegen  dem  Putterhandel  zu- 
geführt werden,  weil  sie  zu  Brauzwecken  nicht  verwendbar  waren» 


24        L    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


Ausländische, 
insbesondere 
russische  und 
amerikanische 
Futtergerste. 


So  hatte  der  hiesige  Handel  während  der  ganzen  Kampagne  in 
Qualitäten  und  den  Preisen  nach  gute  Auswahl.  Beginnend  zu 
Anfang  der  Kampagne  mit  ca.  160  Mk.  pro  Tonne  frei  Berlin, 
bewegten  sich  die  Preise  je  nach  Qualität  bis  zu  130  Mk.  pro 
Tonne  frei  Berlin  herunter,  wobei  scharfe  Unterschiede  gemacht 
wurden  zwischen  den  Konditionen  ,, trocken"  oder  ,, nicht 
trocken",  während  auf  die  Kondition  ,, Geruch"  weniger  Wert 
gelegt  wurde. 

Ebenso  wie  in  allen  andern  Artikeln  hat  Rußland  den  euro- 
päischen ^Konsum  hinsichtlich  der  Gerste  sowohl  in  der  alten 
w4e  auch  in  der  neuen  Kampagne  des  Jahres  1913  enttäusöht. 
Die  aus  der  Ernte  1912  erwarteten  großen  Warenmengen  blieben 
aus^  so  daß  zu  Beginn  des  Jahres  1913  russische  Gerste  einen 
relativ  hohen  Preisstand  behaupten  konnte.  Allerdings  wurde 
die  Nachfrage  dadurch  stark  reduziert,  daß  einmal  Deutschland 
infolge  seiner  teilweise  minderwertigen  Getreidequalitäten  seine 
Versorgung  mit  Futter  wesentlich  billiger  anderweitig  be- 
schaffen konnte,  und  weil  ferner  durch  den  das  ganze 
Jahr  1913  hinduroh  bestehenden  ermäßigten  Eisenbahn- 
tarif gi^pße  Miengen  Futtergerste  aus  dem  Oöten  auf  dem 
Bahnwege  selbst  solche  Gegenden  versorgten,  die  sonst  zum 
Impor.t,  von,  Russengerste  auf  dem  Wasserwege  gezwungen 
waren.  Infolgedessen  hielt  sich  der  Gerstenimport  andauernd 
in  engsten  Grenzen,  und  die  gelegentlichen  Preisschwankungen 
blieben  beim  Handel  ohne  sonderliche  Beachtung.  Als  Ersatz 
für  die  russische  Gerste  wurde  vielfach  die  billiger  angebotene 
amerikanische  Gerste  herangezogen.  Indessen  waren  die  Er- 
fahrungen, die  man  mit  dieser  Ware  machte,  recht  unbefriedi- 
gend., Diese  Gerste  wurde  ohne  jede  Kontrolle,  lediglich  auf 
ein  privates  Zertifikat,  gehandelt,  und  die  Folge  davon  war, 
daß  sie,  meistenteils  derartig  viel  Beimischung  von  Unkraut, 
Staub  usw.  aufwies,  daß  die  Partien  vielfach  unverkäuflich 
waren.  Dies  War  besonders  der  Fall,  als  mit  dem  Heranreiften 
ider  neuen  Ernte  in  Rußland  die  Angebote  auch  in  alter  Ware 
reichlicher  wurden  und  das  Preisniveau  sich  schließlich  wieder 
normaleren  Bahnen  zuwandte.  Die  Aussichten  der  Gerstenernte 
Rußlands  wurden  von  Anfang  an  günstig  beurteilt,  und  der 
Statistik  nach  soll  das  Erträgnis  das  der  letzten  Jahre  weit 
hinter  sich  lassen.  Indessen  kann  man  heute  hierüber  ein  Urteil 
noch  nicht  fällen,  denn  bisher  bleiben  die  Verladungen  ziemlich 
beträchtlich  hinter  den  Erwartungen  zurück.  In  einer  Beziehung 
hat  RußlaJld  schon  sehr  enttäuscht,  und  zwar  in  qualitativer 
Hinsicht.  Die  Berichte  hatten  glänzend  gelautet,  die  ersten 
Muster  und  sogar  auch  die  allerersten  Abladungen  hatten  be- 
züglich der  Farbe  und  des  Qualitätsgewichtes  alle  Erwartungen 
iübertroffen.    Um  so  größer  war  die  Enttäuschung,  als  das  Gros 


1.  Getreide. 


25 


der  Abladungen  eine  ungesunde  Ware,  die  in  ihrer  allgemeinen 
Beschaffenheit  sogar  hinter  dem  Durchschnitt  zuruckblieb, 
zeigte.  Anscheinend  haben  sich  die  ilussen  der  unbrauchbarem 
Ware  des  Vorjahres  auf  diese  Weise  zu  entledigen  gesucht. 
Zahlreiche  Qualitätsstreitigkeiten  mit  den  Abnehmern  im  In- 
lande  waren  die  Folge,  und  wiederum  war  ein  Rückgang  des 
Konsums  zu  bemerken.  Die  Spekulation  hatte  sich  mit  dem 
Herauskommen  größeren  russischen  Angebotes  des  Artikels  be- 
mächtigt, und  von  September  an  s<jhlugen  die  Preise  eine  ab- 
steigende Richtung  ein,  veranlaßt  in  erster  Reihe  durch  den 
Druck  der  nahen  Ware,  für  die  der  Absatz  im  Inlande  ver- 
sagte. Ende  Oktober  brach  eine  Panik  am  Hamburger 
Gerstenmarkte  aus,  die  Preise  gingen  in  wenigen  Tagen  um 
fast  10  Mk'.  pro  Tonne  auf  etwas  über  90  Mk.  zurück,  alleri 
dings  um  ebenso  schnell  auf  Einsetzen  großer  Deckungen  den 
Verlust  wieder  zurückzugewinnen.  Rußland  ist  seitdem  weniger 
dm  [Markte  gewesen,  so  daß  die  Preise  allmählich  eine  Erholung 
aufzuweisen  haben  und  zurzeit  nur  noch  etwa  10  Mk.  pro 
Tonne  niedriger  stehen  als  zu  Beginn  der  Kampagne,  während 
in  der  vorher  erwähnten  Baisseperiode  ein  Rückgang  von  30  Mk. 
J)ro  Tonne  zu  verzeichnen  gewesen  Var.  Der  Konsum  bleibt 
anhaltend  schwach.  Auf  dem  Weltmarkte  drücken  die  niedrigen 
Maispreise,  in  Deutschland  die  große  Inlandsernte  und  die  ge- 
ringe Bewertung  der  heimischen  Gersten,  auch  hält  die  schlechte 
•Qualität  der  importierten  Ware  die  Kauflust  zurück.  — 
Amerika  kommt  bei  seinen  hohen  Forderungen  diesmal  kaum  in 
Frage,  dagegen  ist  von  der  Donau  manches  in  schwerer,  wenn 
auch    verregneter    Ware    nach    Deutschland    gehandelt    worden. 

Die  Cifpreise  waren  für  58  bis  59  kg  schwere  südrussische 
Futtergerste : 


Tab.  11.     Preise  für  südrussische  Futtergerste  im  Jahre  1913  (in  M.  pro  t). 


Abschlußtag 

Abladung  im 

Preis 

j     Abladung  im 

Preis 

am    2.  Januar    .     . 

Januar 

139.50 

Jan.-April 

139.25 

„     1.  Februar 

, 

Februar 

140.25 

April- Juni 

136.— 

„     1.  März    . 

. 

März 

138.— 

April 

137.- 

„     1.  April  . 

. 

April 

132.50 

Aug.-Sept. 

124.— 

„     2.  Mai      . 

. 

i     Mai 

126.25 

1     Aug.-Okt. 

121.50 

„     2.  Juni    . 

. 

Juni 

121.— 

Aug.-Okt. 

118.25 

„     2.  JuH     . 

. 

Juli 

119.75 

August 

118.50 

„     1.  August 

. 

August 

119.50 

Aug.-Okt. 

119.25 

„     1.  September  . 

!     September 

112.— 

Oktober 

112.50 

„     1.  Oktober  .     . 

i     Oktober 

113.50 

Jan.-Juni 

118.— 

„     1.  November    . 

November 

105.— 

Dezember 

107.—    , 

„     1.  Dezember    . 

Dezember 

112.50 

Januar 

113.50 

„  31. 

. 

1    Januar 

112.— 

1     April-Juni 

112.50 

Die  im  Lokalverkehr  bezahlten  Futtergerstepreise  waren  zum 
Beginn  eines  jeden  Monats  in  Mark: 


26         I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


Tab.  12.     Berliner  Locopreise  für  Futtergerste  im  Jahre  1913  (in 

M.  pro  t). 

inländische                      | 

russische  und  Donau 

Anfang 

mittel  u.  geringe 

gute            1 

leichte 

schwere 

Januar 

160- 

-180 

158—161 

162-167 

Februar      . 

161- 

-181                   ! 

162—167 

— 

März       .     . 

152—160 

161-170     1 

— 

— 

April      .     . 

;       150—158 

159—168     1 

— 

— 

Mai    .     .     . 

150—158 

159—167     ! 

— 

— 

Juni  .     .     . 

151—157 

158—167 

'  — 

— 

Juli    .     .     . 

153—157 

158—165 

145—148 

— 

August  .     . 

163—167 

168-176 

145—149 

— 

September 

158-165 

166—174 

143-146 

— 

Oktober      . 

146—156 

157—166 

137—141 

142—148 

November  . 

142—150 

151—164 

124—130 

131—140 

Dezember  . 

'      141     149 

150-160 

133—136 

137-145 

31.  Dezember 

.     . 

ii      138—146 

147—156 

133—136 

137-145 

Deutschlands    Einfuhr    von    Futtergerste    betrug  in  Doppel- 
zentnern im  Kalenderjahre: 


1911 

1912 

1913 

34  779  796 

27  569  246 

30  870  668 

davon  aus 

Rußland .     .     . 

.     32  773  851 

21  443  128 

27  613  232 

Rumänien   .     . 

.       1  176  014 

1  144  598 

828  815 

Indien     .     .     . 

191  119 

2  771  542 

79  526 

Persien    .     .     . 

146  186 

607  570 

76  382 

Marokko .     .     . 

242  818 

616  687 

26 

Mexiko    .     .     . 

— 

347  937 

599 

Ver.  Staaten    . 

9  498 

96  286 

1  879  609 

Hafer. 
Erstes  Quartal. 


Hafer. 

Das  Hafergeschäft  eröffnete  das  Jahr  in  keiner  günstigen 
Situation.  Die  Ernte  von  1912  hatte  zu  nicht  unerheblichem 
Prozentsatz  geringe,  verregnete  und  vielfach  mit  Geruch  behaftete 
Ware,  für  die  der  Verkauf  außerordentlich  schwierig  würde,  er- 
geben. Dieses  Material  fand  auch  in  den  Provinzen  schweren 
Absatz,  und  so  wurde  viel  davon  nach'  Berlin  konsigniert  und 
mußte  hier  zu  Lager  genommen  werden.  Das  drückte  auf  den 
Preis  des  geringen  Hafers,  und  daher  paßte  sich  bald  die  Zu- 
fuhr mehr  dem  Bedarfe  an.  Wie  immer  im  Januar  griff  der 
Konsum,  der  sich  im  Dezember  im  Hinblick  auf  die  Jahresbilanz 
mit  dem  Notwendigsten  beholfen  hatte,  zuerst  kräftiger  zu,  doch 
hielt  dies  nur  kurze  Zeit  an,  und  wir  hatten  bald  das  gleiche 
schleppende'  Bedarfsgeschäft  wie  im  letzten  Teil  des  Vorjahres. 
Die  angiebotene  bessere  Ware  wurde  zum  großen  Teil  für 
den  Export  genommen,  der  vom  Beginn  des  Jahres  an  kräftige 
Ansprüche  stellte,  aber  auch  weniger  gutes  Material  fand  bei 
den  Exportfirmen  in  ansehnlichen  Mengen  Aufnahme.  In  Söhlesien 
erfolgten  fortgesetzt  größere  Einladungen  von  Durchschnitts- 
hafer, die  im  Vergleich  zum  hiesigen  Mai  wert  sich  nicht  teuer 
kalkulierten  und  hier  wiederholt  Lieferungsabgaben  veranlaßten. 
Gregenüber  dem  Druck,  der  von  der  Ware  hier  ausging,  wirkten 


1.  Getreide.  27 

die  im  erstien  Quartal  sich  zeigenden  Deokungen  und  Käufe  Ruß- 
lands im  Lieferungsgeschäft  als  Stütze.  Dieses  Land  enttäuschte 
in  seiner  Exportfähigkeit;  es  kaufte  hier,  mehr  noch  in  West- 
europa und  am  Rhein,  frühere  Kontrakte  zurück,  wo  man  solche 
meist  mit  Abschlüssen  von  La-Plata-Hafer  vertauschte.  Immer- 
hin war  die  Tendenz  für  Mailieferung  vom  März  ab  siehtlicih 
schwächer  und  der  Preisgang  bis  zum  Mai  durchschnittlich  nach 
unten  gerichtet.  Zwar  fehlte  es  nicht  an  manchen  stütz>enden 
Momenten,  zu  denen  Verkäufe  von  La-Plata-Hafer  nach  dem  Bal- 
kan und  darauf  hier  erfolgende  Deckungen  gehörten,  ebenso 
manche  politischen  Vorgänge.  Die  Schwierigkeit  des  Locogeschäfts 
verscheuchte  hier  aber  jede  Unternehmungslust.  Die  sehr  große 
Ernte  der  Provinz  Brandenburg  vom  Jahre  1912  ließ  fortgesetzt 
der  Kundschaft  unserer  Händler  direkte  Zufuhren  aus  der  Naeh- 
barschaft  zugehen,  so  daß  hierdurch  eine  Konkurrenz  zwischen 
den  Händlern  und  den  direkt  verkaufenden  Produzenten  der  Mark 
entstand,  die  für  den  Wert  des  greifbaren  LIafers  naturgemäß 
nicht  vorteilhaft  sein  konnte.  Greifbarer  Hafer  war  wesentlich 
billiger  als  derjenige  für  Lieferung,  und  allmählich  erlitt  auch 
Lieferungsware  einen  Preisdruck.  Die  Provinz  ließ  gegen  ihr 
Material  Ware  verkaufen,  ebenso  wurde  gegen  hier  eingelagerten 
Hafer  Mailieferung  abgegeben,  und  so  bröckelten  die  Preise  im 
Laufe  des  März  um  zirka  5  Mk.  ab,  nadhdem  sie  schon  vorher 
zirka    2    bis   3    Mk.    eingebüßt  hatten.    Die   Notierungen   waren 

Sept. 


Joco 
fein 

loco 
mittel 

Mai 

Juli 

am  2. 

Januar    . 

.    185-198 

169—184 

172,50 

— 

»     1. 

Februar  . 

.     182—200 

167—181 

173.— 

174.75 

„     1. 

März  .     . 

.     180—198 

163—179 

170.— 

172.— 

„     1. 

April       . 

.     170—194 

156—169 

164.75 

168.50 

„     1. 

Mai      .     . 

.     175—195 

165—174 

167.25 

174.— 

169.25 

Dem  sieh  hierin  zum  Ausdruck  bringenden  Rückgange  der 
Ware,  mit  Ausnahme  der  knappen  ganz  feinen  Qualitäten,  waren 
somit  die  Lieferungspreise  wieder  nicht  voll  nachgekommen,  weil 
die  Leistungen  Argentiniens  an  Hafer  zunächst  nicht  den  Er- 
wartungen entsprachen.  Denn  zu  dieser  Zeit  ging  viel  von  dem 
argentinischen  Material  nach  den  Balkanländern  und  zeitweise 
machte  sich  an  den  La-Plata-Häfen  Kontraktware  knapp.  Schon 
im  zweiten  Teil  des  März,  mehr  aber  noch'  im  April,  wurden  die 
Lieferungen  unserer  Landwirtschaft  infolge  der  aufgenommenen 
[Feldbestellung  geringer,  und  das  veranlaßte  auch  zeitweis-e  eine 
Erholung  des  Marktes,  zumal  die  Ausfuhr  unausgesetzt  ihre  An- 
sprüche stellte. 

Im  Laufe  des  Mai  machte  aber  die  Rüekwärtsbewegung  neue  Zweites 

Fortschritte.  Das  inländische  Angebot  war,  sobald  die  Feld- 
bestellung im  März  und  April  erledigt  war,  sofort  wieder  stärkeir 
herausgekommen  und  besonders  stand  Schlesien  hierbei  im  Vorder- 
grunde.   Der  Konsum  nahm   nur   die   Mittel-   und   feinen   Sorten 


28        I.    Pflanzl.  Eohpix)dukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

zu  niedrigeren  Preisen  auf,  während  das  geringere  Material  außer- 
ordentlich, schwer  unterzubringen  war.  Neue  Ausfuhrgeschäfts 
stockten,  und  wenn  auch  die  Verladungen  an  den  Häfen  keine 
Unterbrechungen  erfuhren,  so  handelte  es  sich  hierbei  doch  in 
der  Hauptsache  um  die  Erledigung  früherer  Abschlüsse.  Die 
Provinz  hatte  noch  sehr  viel  Material,  so  daß  dort  die  Tendenz 
auch  schwach  lag.  Zur  Abwicklung  des  Mai  kam  hier  genügend 
Hafer  in  frisciier  Zufuhr  und  aus  den  Beständen  heraus,  so  daß 
der  Schluß  des  Mai  um  so  schwächer  verlief,  als  noch  mehr  Kon- 
traktware zur  Andienung  fertig  gemacht  war,  als  gebraucht 
wurde.  Der  Mai  -  Ultimo  brachte  einen  Preisstand  von 
158V2  Mk.  für  Mailieferung  und  165V4  Mk.  für  Juli 
und  September.  Im  Laufe  des  Mai  waren  beträchtlicha 
Verschiebung-en  insofern  eingetreten,  als  Mai-  wie  Julilieferung 
zirka  9  Mk.,  September-  aber  nur  4  Mk.  aufgegeben  hatte,  so  daß 
der  Deport  vom  Juli  gegen  September  vollkommen  geschwunden 
war.  Zum  Teil  erklärte  sich  dies  aus  dem  Druck,  den  die  Fülle 
der  inländischen  Angebote  für  die  vorderen  Sichten  übte  gegen- 
über der  Stütze,  die  das  um  jene  Zeit  trockene  Wetter  und  die 
daraus  zeitweise  hergeleiteten  Besorgnisse  für  die  kommende 
Haferernte  boten.  Im  Juni  setzte  sich  die  Schwäche  für  Juli- 
lieferung noch  weiter  fort,  und  es  traten  Heports  gegen  Herb&t 
ein.  Die  in  Schlesien  geltenden  Preise  für  Durchschnittshafer 
ließen  Nutzen  für  Jiili-  und  Herbstabgaben,  woraus  die  zu  den 
gewichenen  Preisen  auch  nicht  fehlenden  Kaufaufträge  schlank 
befriedigt  wurden.  Je  näher  der  Juli  heranrückte,  je  größör  wurde 
der  Report,  und  dieser  verschaffte  dann  den  Juliandienungen  zur 
Lagerung  Aufnahme. 
Drittes  Quartal.  Bis  dahin  waren  die  Anschauungen  über  unsere  kommende 

Haferernte  nicht  immer  zuversichtlich  gewesen.  Aber  je  mehr 
man  sich  der  Ernte  näherte,  um  so  besser  entwickelten  sich  die 
Aussichten  und  bei  Beginn  des  August  war  man  von  einer  iin- 
gevröhnlicli  guten  Ernte  bereits  voll  überzeugt.  Sieht  man  von 
einem  Minderertrage  in  der  Provinz  Sachsen,  Brandenburg  und 
auch  dem  geringeren  Ergebnis  Mecklenburgs  ab,  so  ersvies  sich 
die  neue  Ernte  in  unsern  Bezugsgebieten  noch'  wesentlich  größer, 
als  vorausgesetzt  war.  Sie  übertraf  in  Deutschland  nach  der 
späteren  endgültigen  Ermittlung  weit  jeden  früheren  Rekord. 
Leider  brachte  die  nasse,  zeitweise  von  sehr  warmer  Temperatur 
begleitete  Witterung  des  August  eine  starke  Schä,digung  der 
Qualitäten.  Ein  Teil  der  Ernte  war  noch  bei  befriedigendem 
Wetter  unter  Dach  gebracht  worden,  der  größere  Teil  aber  erlitt 
durch  die  Einflüsse  der  Nässe  starke  Einbuße  in  der  Farbe  und 
sonstigen  Qualität,  und  besonders  fühlbar  machte  sich  die  weit 
verbreitete  Erscheinung  des  Auswuchses.  AVir  bekamen  es  hier- 
durch in  der  neuen  Saison  mit  einer  außerordentlichen  Ver- 
schiedenheit der  Qualitäten  zu   tun.    Zunächst  natürlich  suchtenj 


1.  Getreide.  29 

die  Landwirte  den  minderwertigen  Hafer  zu  verkaufen,  und  da 
die  Vorverkäufe  meist  mit  der  Bedingung  gut  und  g'^esimd  er- 
folgt waren,  so  erledigte  sich  kaum  ein  Gesicliäft  ohne  Diffe- 
renzea,  und  es  waren  zum  Teil  sehr  hohe  Vergütungen,  die  für 
die  Ablieferungen  bezahlt  werden  mußten.  Die  Qualitätsnot  be- 
herrschte auch  weiter  das  Geschäft  der  neuen  Saison  und  brachte 
dem   Verkehr   ungewöhnliche  Schwierigkeiten. 

Allmählich  kam  aber  auch  das  bessere  Material  aus  der  neuen 
Ernte  zum  Angebot.  Hatte  schon  das  Emtejahr  1912/13,  also 
die  Zeit  vom  1.  August  1912  bis  ^31.  Juli  1913,  eine  Ausfuhr 
von  7  Mill.  dz  gebracht,  womit  der  Export  früherer  Jahre 
(von  1911/12  und  von  1910/11  je  zirka  4,4  Mill.  t)  gewaltig 
übertroffen  war,  so  gewann  das  Exportgeschiäft,  nachdem  es  in 
der  ersten  Zeit  nach  der  Ernte  mangels  entsprechender  Quali- 
täten zusammengeschrumpft  war,  auch  im  neuen  Ernte  jähre 
bald  wieder  eine  ganz  bedeutende  Ausdehnung,  und  die  für 
die  ersten  fünf  Monate  der  neuen  Saison,  vom  1.  Aug.,  bis 
31.  Dez.,  verzeichnete  Gesamtausfuhr  an  Hafer  betrug  2,8  Mill. 
Doppelzentner  gegen  2,3  bzw.  1,8  Mill.  in  der  gleichen  Zeit  von 
1912  und  1911.  In  erster  Linie  ging,  wie  im  Vorjaht^e,  der  Export 
nach  Großbritannien  und  Frankreich.  Der  Grund  für  die  starke 
Ausfuhr  lag  hauptsächlidh  in  dem  geringen  Export  Rußlands, 
das  in  dem  Erntejahr  1912/13  nur  750000  t  Hafer  exportiert  hatte 
gegen  905  000  bzw.  1  560  000  und  1  201  000  in  den  vorhergegangenen 
drei  Jahren,  damit  also  die  gleichzeitige  deutsche  Ausfuhr  von 
701 000  t  diesmal  nur  wenig  übertraf.  In  den  ersten  fünf  Mo- 
naten der  neuen  Saison,  August  bis  Dezember  1913,  Find  von  Ruß- 
land wieder  nur  308  000  fc  ausgeführt  worden  gegen  460  000, 
511300  bzw.  708  000  gleichzeitig  1912,  1911  und  1910. 

Die  neue  Saison  hatte  hier  für  frischen  Hafer  zu  ungefähr 
denselben  Preisen  eingesetzt,  mit  denen  der  alte  bezahlt  wurde, 
dnfolge  der  neuen  schlechten  Qualitäten,  die  zuerst  heraus- 
kamen, mehrte  sich  dann  die  Nachfrage  nach  altem  Material 
und  das  hiesige  Lager  davon  räumte  sich  sehneil.  Während  am 
1.  Aug.  noch  10  600  t  hier  lagerten,  wurden  am  1.  Sept.  nur 
hoch  5683  t  gezählt,  teils  disponierte,  teils  schlechte  Ware,  die 
erst  demnächst  aufgenommen  wurde.  Besonders  fühlbar  machte 
sich  der  Umstand,  daß  Schlesiens  Haferernte  unter  der  Ungunst 
der  Wetterverhältnisse  am  meisten  gelitten  hatte,  da  diese 
Provinz  mit  die  Hauptzufuhr  Berlins  zu  stellen  pflegt.  Längere 
Zeit  hindurch  kam  von  Schlesien  fast  nur  geringwertiges 
Material;  von  den  schlesischen  Haferladungen  mußte  vieles  zur 
Bearbeitung  erst  zu  Lager  genommen  werden,  und  im  Liefe- 
rungshandel wurden  frühere  September-Abgaben  die  gegen  Ein- 
käufe schlesischer  Durchschnittsware  gemacht  waren,  zurück- 
gedeckt. Dadurch  erfolgten  wiederholt  Befestigungen,  die  aber 
nie    lange    anhielten.     Denn    die    Ueberzeugung,    daß   neben   den 


30        I.    Pflanzl.  Eohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Kohprodukte. 

zunächst  allein  den  Markt  beherrschenden  unkontraktlichen  ge- 
ringen Qualitäten  die  erste  Hand  auch  gutes  Material  besaß, 
ferner  daß  Rußland  zeitweise  im  Herbst  williger  wurde  und 
vorübergehend  auch  Donauhafer  als  neue  Konkurrenz  auftrat, 
lähmte  immer  wieder  die  Unternehmungslust,  und  die  vom 
Inlande  herauskommenden  Abgaben  im  Zeitgeschäft  drückten 
auf  die  Preise. 
viertesQuartai.  Im  letzten  Quartal  gingen  die  Preise  langsam  weiter  zurück, 

wenn  auch  manche  Erholungen  erfolgten  und  besonders  das 
durch  die  Feldarbeiten  zeitweise  bewirkte  Nachlassen  der  Zu- 
fuhren stützte.  Auch  in  Schlesien  zeigte  sich  allmählich  besserer 
Hafer;  die  dortige  sehr  reichlich  angebotene  Durchsöhnittsware 
hatte  Preise,  die  zu  der  hiesigen  Mai-Notierung  nicht  unerheb- 
lichen Nutzen  boten.  Und  wenn  es  auch  dahingestellt  bleiben 
»mag,  ob  jene  Durchschnittsware  hier  lieferbar  war,  so  ver- 
anlaßte  sie  doch  Mai-Abgaben  zur  Preissicherung  und  trug 
mit  dazu  bei,  daß  die  Schlußpreise  des  Jahres  auch  ungefähr 
die  niedrigsten  des  Jahres  waren.  —  Die  Berliner  Platzvorräte 
an  Hafer  waren  !zti  keiner  Zeit  sonderlich  umfangreich  gewesen. 
Sie  betrugen: 


am  1.  Januar    . 

.      6  560  t 

am    1 

August  . 

10  600  t 

„    1.  Februar  . 

.      5  795  t 

September 

5  683  t 

,.    1.  März    .     . 

.      6  034  t 

Oktober . 

10  244  t 

„    1.  April  .     . 

.     10  954  t 

November 

7  566  t 

,,    1.  Mai      .     . 

.      8  692  t 

Dezember 

8  771  t 

,,     1.  Juni    .     . 

.    10  337  t 

.,  31. 

Dezember 

9511  t 

,,     1.  Juli     .     . 

.    11  520  t 

Die    höchsten    und    niedrigsten    Preise   waren    im    Berliner 
Lieferungsgeschäft  in  Mark  pro  1000  kg: 

Tab.  13.    Berliner  Lieferungspreise  für  Hafer  im  Jahre  1913  (in  M.  pro  t). 


Monat 

Mailieferung    1   JuUlieferung   i     September-            Oktober- 
1                             1                                     lieierung       |       heierung 

Dezember- 
lieferung 

Jan.    .     . 

170.75-175.— 

173.75-176.751        173.—       1          _          ^          — 

Febr.  .     . 

170.— 173.50 

171.75-175.—           _          i          _                    _ 

März  .     . 

163.25-170.25 

165.50-172.25 

—                    —          1          — 

April.     . 

164.25-170.75 

168.25-176.50 

166.— 169.—           —                    — 

Mai     .     . 

158.50-168.75 

165.25-174.25 

164.75-169.50i          —                    — 

Juni   .     . 

— 

160.50-165.25 

162.50-169.- 

164.50-169.25i  167.50-170.— 

Juli     .     . 

171.25-173.25 

160.25-166.50 

165.25-169.— 

166.— 169.75  167.25-171,50 

Aug.  .     . 

168.25-171.75 

— 

162.75-166.50 

165.— 167.—  165.25-168.50 

Sept.  .     . 

164.50-169.25 

— 

158.— 165.— 

158.75-164.50  161.75-166.75 

Okt.    .     . 

160.75-166.25 

— 

— 

155.50-158.50i  157.25-162.50 

Nov.   .     . 

159.— 163.25 

— 

— 

—            153.25-158.— 

Dez.    .     . 

156.75-160.50 

- 

— 

— 

150.25-153.75 

Die  Loconotizen  des  Prühmarkts,  die  die  Verkaufspreise 
der  Händler  darstellen,  und  die  Looonotierungen  an  der  Mittags- 
'böise,  die  die  Einkaufspreise  repräsentieren,  waren  in  Mark 
pro   1000  kg: 


1.  Getreide. 


31 


Tab.  14.    Locopreise  am  Frühmarkt  und  an  der  Produktenbörse  in  Berlin 
für  Hafer  im  Jahre  1913  (in  M.  pro  t). 


am  Frühmarkt             \ 

an  der  Mittagsbörse 

' 

!         feiner 

mittlerer 

feiner 

mittlerer 

am   2.  Januar     .     .     . 

188-204 

171—187 

185  -  198 

169-184 

,,     1.  Februar 

186     204 

170-185 

182-200 

167-181 

„     1.  März     . 

183—202 

166—182 

180-198 

163-179 

,.     1.  April    . 

174-197 

163-173 

170-194 

156-169 

„     2.  Mai  .     . 

180-198 

169—179 

175-195 

165—174 

,,     2.  Juni 

i    176—195 

165—175 

171-191 

-    161—170 

.,     1.  Juli      . 

173-185 

162-172 

167-183 

158—166 

„     1.  August 

177-191 

166-176 

172-187 

163—171 

,.     1.  September 

176-190 

168-175 

172-185 

164-171 

.,     1.  Oktober    . 

172-187 

162-171 

169-182 

158-168 

„     1.  November 

174—189 

169-173 

171-179 

155-170 

.,     1.  Dezember 

170-186 

156-169 

168-176 

152-167 

Ein  Bild  von  den  in  der  Saison"  1911/12  zur  Verfügung 
gewesenen  Hafermengen  zeigt  sich,  an  folgender  Aufstellung. 
Es  hatte  in  den  vom  1.  Aug.  bis  31.  Juli  laufenden  ErntJe- 
jahren  betragen: 

1910/11 

die  Haferernte 7  900  376 

die  Einfuhr .     .     .  808  738 

zusammen  8  709  114 

ab  Ausfuhr 439  236 

Demnach  stand  zur  Verfügung     '.         8  2ö9  878 


1911/12 

7  704  101 
644  317 

8  348  418 
441  998 

7  906  420 


1912/13 

8  520  183  t 
840  409  t 

9  360  592  t 
701  046  t 

8  659  546  t 


Somit  war  trotz  der  starken  xlusfuhr  in  der  Saison  1912/13 
im  Vergleich  zu  den  beiden  letzten  Jahren  ein  ungewöhnlich 
großes  Quantum  im  Lande  geblieben,  bei  dessen  Bewertung 
man  jedoch  auch  die  zu  großem  Teil  schlechten  Qualität-en 
in  Betracht  ziehen  muß. 

Die  Situation  für  das  neue  Erntejahr  1913/14  stellte  sich 
nach  den  fünf  Monaten  vom  1.  Aug.  bis  31.  Dez.  wie  folgt  dar: 

1911                       1912  1913 

die  Haferernte 7  704  101  8  520  183  9  713  965  t 

die  Einfuhr .     .     .             262  695            422  665  158  038  t 

zusammen          7  966  796  8  942  848  9  872  003  t 

ab  Ausfuhr .     .     .             183  633            236  905  282  802  t 

blieben  im  Lande 7  783  163  8  705  943  9  589  201  t 


Mais. 

Das  Hauptproduktionsland  für  Mais  ist  Nordamerika. 
Es  erzeugt  mit  zirka  70  Mill.  t  und  darüber  ganz  erheblich 
mehr  als  alle  anderen  Länder  zusammengenomtaen,  ohne  indessen 
mehr  als  einen  verhältnismäßig  winzigen  Bruchteil  hiervon 
dem  Weltmarkte  zur  Verfügung  zu  stellen.  Immerhin  ist  im 
Jahre  1913  der  Ausfall  der  nordamerikanischen  Ernte  ein  Haupt- 
faktor für  die  Preisbildung  auf  dem  Maismarkte  gewesen.  — 
Die   Ernten   des    Jahres   1912    und   des   Jahres    1913   stehen    in 


Mais. 

Ernten. 

Ausfuhren. 


32        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

einem  schroffen  Gegensatz  zueinander.  1912  hatte  einen  Rekord- 
ertra^:  erbracht,  und  dementsprechend  setzte  mit  dem  Beginn 
des  Jahres  1913  —  die  ersten  Zufuhren  von  amerikanischem! 
Mixed-Mais  pflegen  um  die  Weihnachtszeit  in  Deutschland  ein- 
zutreffen —  ein  lebhaftes  Geschäft  auf  einem  relativ  niedrigen 
Preisniveau  ein,  das  nur  teilweise  durch  die  damals  recht  hohen 
Ozeanfrachten  behindert  \vurde.  Das  reichliche  Angebot  von 
Nordamerika  kam  dem  europäischen  Konsuln  um  so  gelegener, 
als  infolgt  des  Balkankrieges  die  Zufuhren  von  rumänischen, 
serbischen  und  bulgarischen  Provenienzen  teilweise  durch  Aus- 
fuhrverbote, teils  durch  vermehrten  Eigenverbrauch  und  durch 
-den  Mangel  an  Kommunikationsmitteln  schon  seit  längerer  Zeit 
ins  Stocken  gekommen  waren.  Besonders  betroffen  wurde  hier- 
durch Böhmen,  das  sich  sonst  regelmäßig  auf  dem  Bahnwege 
vei sorgt,  und  dementsprechend  entwickelte  sich  bald  ein  großes 
Geschäft  elbwärts  nach  diesem  Lande,  besonders  in  amerika- 
nischem Mais,  daneben  a'ber  auch  in  russischen  Abladungen, 
von  denen  sich  besonders  der  Novorossiskmais  durch  seine  gute 
Beschaffenheit  auszeichnete.  La-Plata-!Mais  kommt  für  Oester- 
feich-Ungarn  auf  dem  Plußwege  nicht  in  Betracht,  da  der  Zoll 
dafür  4  Kr.  pro  100  kg  beträgt  statt  2,80  Kr.  für  den  Mais 
der  Vertragsländer.  Nur  beim  Import  von  argentinischem  Mais, 
via  Triest-Fiume,  wird  auch  für  diesen  der  niedrige  Zollsatz 
in  Anrechnung  gebracht,  um  den  Verkehr  der  österreichisch- 
ungarischen  Häfen  zu  unterstützen.  Die  argentinische  Mais- 
ernte war  nach  einem  überaus  günstigen  Erträgnis  1911/12  viel- 
fach unterschätzt  worden.  Die  Witterungsverhältnisse  bei  der 
Einheimsung  waren  wenig  befriedigend  gewesen,  so  daß  die 
Abgeber  zurückhielten  und  man  an  keine  sonderlich  großen 
'Exportleistungen  dieses  Landes  glaubte.  Es  mag  aber  wohl 
bei  der  Zurückhaltung  mehr  der  Umstand  mitgesprochen  haben, 
-daß  die  Konkurrenz  der  Donauländer  fehlte  und  somit  die 
JjaiPlata-Häuser  keinen  Grund  sahen,  die  Preise  durch  vorK 
zeitiges  Angebot  zu  drüöken.  So  kam  es,  daß  längere  Zeit 
hindurch  La-Plata-Mais,  wie  Eundmais  überhaupt,  ein  höheres 
Preisniveau  hatte  als  das  nordamerikanische  Produkt. 
Maishaussp  in  Allmählich   begann  sich   indessen  hierin   eine  Verschiebung 

voi  zubereiten.  Die  Aussichten  der  im  Felde  stehenden  Mais- 
ernte Nordamerikas  begannen  sicli  zu  verschlechtern.  Das 
trockene,  heiße  Wetter,  das  für  die  Weizenernte  so  vorzüglich 

•  (war,  fügte  der  Maispflanze  Schaden  zu,  und  aus  Mangel  an 
Feuchtigkeit  gingen  große  Strecken  der  mit  Mais  bepflanzten 
."Felder  zugrunde.  Infolge  dieser  Schädigung  begann  an  den 
Börsen  der  Union  eine  gewaltige  Maishausse;  die  Spekulation 
bemächtigte  sich  des  Artikels  und  in  Kürze  stand  der  Termin- 
mais mit  zirka   70  Cents  per  Bushel   etwa  50  o/o   höher  als   zu 

'(Beginn  des  Jahres.    Da  nun  die  Verwendung  des  Mais  im  Lande 


1.  Getreide.  33 

loimender  war  als  ein  Export,  ging  das  Bestreben  der  Exporteure 
dahin,  ihre  früher  mit  Europa  getätigten  Kontrakte  zurüok- 
zuhandeln,  so  daß  mit  dem  Monat  August  die  Ausfuhr  voll- 
ständig ins  Stocken  geriet.  Auch  den  europäischen  Händlern 
waren  diese  Eückkäufe  nicht  unwillkommen,  da  sie  inzwischen 
an  den  stärker  herauskomtaenden  Donauabladungen,  besonder^ 
dem  Galfox-Mais,  einen  Ersatz  für  die  Rückverkäufe  nach 
Amerika  fanden.  Inzwischen  hatte  Argentinien  in  seinen  Ab- 
ladungen keine  Pause  eintreten  lassen;  es  waren  aber  unter  dem 
Eindrucke  der  amerikanischen  Steigerung  derartig  viele  speku- 
lative Käufe  darin  getätigt  worden,  daß  trotz  des  großen  An- 
gebotes höhere  Preise  hatten  durchgesetzt  werden  können.  Es 
zeigte  sich  aber,  daß  ebenso  wie  man  die  Leistungsfähigkeit 
Argentiniens  unterschätzt  hatte,  die  Aufnahmefähigkeit  Europas 
zu  hoch  taxiert  war.  Die  großen  Inlandsernten  und  die  viel- 
fach geringe  Qualität  des  Getreides  in  Deutschland  schränkten 
den  Maiskonsum  um  so  mehr  ein,  als  die  Preise  dafür  relativ 
hoch  waren,  und  so  sah  sich  denn  die  Spekulation  genötigt,: 
|die  Ladungen  statt  mit  Gewinn  mit  großem  Verlust  abzustoßen, 
sobald  sie  an  der  Küste  eingetroffen  waren  oder  sich  ihr  näherten. 

Daher  bewegte  sich  das  Preisniveau  für  Mais  entgegen  Preisrückgang, 
den  Erwartungen  in  den  letzten  Monaten  stark  abwärts  und 
erreichte  einen  seit  längerer  Zeit  unbekannten  Tiefstand.  Auch 
zeigte  es  sich,  daß  man  den  Einfluß  des  nordamerikanischen  Mais- 
defizits doch  wohl  etwas  zu  hoch  veranschlagt  hatte.  Der  Mais- 
konsum in  den  Vereinigten  Staaten  ist  nämlich  außerordentlich' 
idehnbar,  je  nach  dem  Preisniveau  des  Artikels.  Mit  der  Steige- 
rung der  Kurse  hatte  sich  die  Schweinemast  stark  verringert 
bzw.  andere  Futtermittel  waren  an  die  Stelle  des  Mais  getreten, 
so  daß  die  Bestände  der  alten  Kampagne  in  Amerika  größer 
sind,  als  man  geglaubt  hatte.  Auch  an  die  dortige  neue  Ernte 
werden  weit  geringere  Ansprüche  gestellt  werden,  so  daß  es 
nicht  ausgeschlossen  erscheint,  daß  wir  später  doch  noch  mit 
einem  wenn  auch  beschränkten  Exportangebot  der  Vereinigten 
Staaten  zu  rechnen  haben  werden.  —  Die  neue  Ernte  am  La 
Plata  ist  bisher  vom  Wetter  sehr  begünstigt  worden,  und  da 
auch  die  Anbaufläche  eine.  Zunahme  erfahren  hat,  bewegen 
sich  die  Schätzungen  des  Ertrages  mit  zirka  9  Mill.  t  auf 
einem  bisher  unerreicht  hohen  Niveau.  Im  Anschluß  daran 
zeigte  sich  im  letzten  Teil  des  Jahres  ein  sehr  dringliche^ 
Angebot  von  Mais  neuer  Ernte  zur  Verladung  vom  Mai  ab, 
das  zu  großen  Abschlüssen  mit  den  hiesigen  Händlern  führte. 
Im'  Anschluß  daran  trat  auch  eine  bedeutende  Reduktion  der 
'Forderungen  für  Ware  aus  alter  Ernte  ein,  zumal  diese  mit 
den  schließlich  stärker  angebotenen  und  gut  ausfallenden  Donau- 
abladungen zu  konkurrieren  hatte. 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  3 


34        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


Die    am    Berliner   Markt   von   den   Konsumenten    bezahlten 
Locopreise   waren    in    Mark   pro    Tonne: 


Tab.  15. 


Berliner  Locopreise  für  Mais  (in  M.  pro  t). 


Anfang 

amerik. 

Mixed 

runder 

1912 

1913 

1912 

1913 

Januar    ...... 

^    181—185 



178—182 

147—150 

Februar 

185—188 

160—163 

184—188 

153—156 

März  . 

181—184 

148—151 

180—184 

153-157 

April. 

179—183 

144—148 

180—186 

152—156 

Mai     . 

190—193 

152—154 

190—193 

156—158 

Juni  . 

185-188 

152—155 

181—186 

153—160 

Juli    . 

178—183 

155—160 

158—162 

158—160 

August 

— 

— 

150—154 

146-152 

September 

— 

166—170 

149—156 

148—152 

Oktober . 

— 

168—171 

149—153 

147—150 

November 

— 

165-169 

154—158 

144—148 

Dezember 

— 

166—169 

149—152 

147—150 

31.  Dezei 

mb 

er 

1.  • 

T 

1          "~~ 
•    p' 1 

166—169 

1      1         I».-            n 

147—150 

r     • 

148-151 
1      • 

Der  hiesige  Lieferungshandel  für  Mais  gewann  auch  im 
verflossenen  Jahre  wenig  Bedeutung.  Die  Notierungen,  die  zum 
Teil  nur  nominell  waren,  stellten   sich  per   1000  kg  in   Mark: 


Tab.  ir.. 

Jan.  . 
Febr.  . 
März  . 
April . 
Mai  . 
Juni  . 
Juli  . 
Aug.  . 
Sept.  . 
Okt.  . 
Nov.  . 
Dez.    . 


Berliner  Lieferungspreise  für  Mais  (in  M.  pro  t). 


Mailieferung 
143.— 148.— 
145.— 147.- 
142.— 145.— 
142.— 148.— 
147.— 150.— 


144. — 147.50 
144. — 147.50 


Juli 

146.— 148.— 
145.— 147.— 


September 


Oktobei' 


Dezember 


145  50-147.—  145.50-147.—  —  — 

142.50-146.—  143.50-145.50  —  — 

142. — 144.—  143.50-145.50  144.— 145.50  145.— 146.— 

—  142.75-144.50  144. — 146—  145.— 148.— 

—  145.— 149.—  146.— 151.—  148.— 154.— 

—  —    •  141.— 143.—  140.— 146.— 

—  —  —  140 — 145.50 

—  —  —  143. — 145.50 


Deutschland    importierte    an    Mais    in    den    Jahren 


davon  aus 
Ver.  Staaten 
Argentinien 
Rußland 
Rumänien  . 


1911 

7  434  205 

1430  997 

1  289  258 

2  347  154 
1  431  014 


1912 

11424  592 

1  245  725 
5  000  701 

2  409  162 
1  916  093 


1913 

9  186  450  dz 

1716  011  „ 

5  623  315  „ 

909  685  „ 

683  243  ,. 


2.   Hülsenfrüchte. 

AiigemeineB.  Die    Ernte   des   Jahres    1912   war    in  den   hauptsächlichsten 

Hülsenfruchtarten,  Erbsen,  Bohnen,  Linsen,  in  fast  allen  Pro- 
duktion sgebieten  eine  mittlere  bis  gute  gewesen.  Wenn  trotzdem 
in  einzelnen  Arten  und  Sorten  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  eine 
gewisse  Knappheit  und  damit  verbunden  ein  relativ  hohes  Preis- 
niveau bestand,  so  lag  es  zum  Teil  an  den  infolge  der  Mißernte 


2.   Hülsenfrüchte. 


35 


1911  nicht  genügend  aufgefüllten  Lagern,  zum  Teil  auch  an 
den  BalkanwirreQ,  die  einige  Produktionsgebiete  zwangen,  mit 
Abgaben  recht  zurückhaltend  zu   sein. 

Nur  kleine  gelbe  Kochlerbsen,  die  vorzugsweise  vom  lalande, 
insbesondere  von  Westpreußen,  Posen,  auch  etwas  von  Thüringen 
und  von  der  Mark  bezogen  wurden  (vom  Auslande  lieferte  Polen 
einen  erheblichen  Teil)  konnten  einen  mäßigen  und  fast  durchweg 
unveränderten  Preisstand  behaupten.  Das  lag  zum  Teil  daran, 
daß  der  Konsum  der  kleinen  Kochierbsen  wegen  ihrer  geringen. 
Kochfähigkeit  im  Gegensatz  zu  Victoriaerbsen  sehr  zurück- 
gegangen ist.  Kleine  Kocherbsen  notierten  23 — 25  Mk.  für  feine 
Qualitäten  und  21—22  Mk.  für  Mittelqualität  pro  100  kg.  Die 
neue  Ernte  brachte  eher  noch  geringere  Qualitäten  und  zwar 
fast  ausschließlich  von  Nordrußland  an  den  Markt.  Das  In- 
land ist  noch'  gar  nicht  mit  Angeboten  herausgekommen  und  in 
Polen  scheint  die  Ernte  durch  Regen  stark  gelitten  zu  haben. 

Der   Preissturz    in   Viktoriaerbsen,    der   sich    angesichts   der 

1912  er  Rekordernte  des  Inlandes  unaufhaltsam  von  38  Mk.  bei 
Beginn  des  Jahres  1911  bis  auf  28  Mk.  am  Schlüsse  dieses  Jahres 
vollzog,  kam  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  zum  Stillstande. 
Doch  schon  im  Frühjahre  konnte  das  erneute  starke  Angebot 
nicht  aufgenommen  werden  und  die  Verkäufer  mußten  Preis- 
konzessionen zugestehen.  Gute  Qualitäten,  die  zu  einem  Preise 
von  28 — 29  Mk.  einsetzten,  gingen  bis  auf  25  Mk.  pro  100  kg 
zurück,  Mittelqualitäten  von  27  Mk.  auf  22  Mk.  Im  Gegensatz 
zu  kleinen  Kocherbsen  hat  der  Konsum  in  Viktoriaerbsen  ihrer 
besseren  Qualität  wegen  erheblich  zugewonnen.  Auch  did  neue 
Ernte  des  Inlandes  war  recht  groß  und  übertraf  vielleicht  noch 
diejenige  des  Jahres  1912,  zum  mindesten  kommt  sie  ihr  gleich. 
Dabei  ist  hervorzuheben,  daß  wir  fast  durchweg  gute  Qualitäten 
geerntet  haben.  Rußland  wurde,  wie  im  Jahre  1912,  wenig  zur 
Versorgung  herangezogen,  denn  einerseits  Keß  die  Kochfähigkeit 
der  russischen  Viktoriaerbsen  zu  wünschen  übrig  und  anderer- 
seits war  das  Geschäft  in  russischen  Erbsen  nach  hier  selten 
gewinnbringend.  Zu  Fabrikationszwecken,  bei  denen  es  nicht  so 
sehr  auf  die  Kochfähigkeit  ankommt,  wurden  allerdings  nord- 
russische und  mehr  noch  südrussiscihe  und  rumänische  Viktoria- 
ferbsen  in  mittleren  Qualitäten  gekauft.  Diese  sind  erheblich' 
billiger  als  inländische  und  notierten  19 — 21  Mk.  pro  100  kg. 
Selten  sind  so  früh  aus  der  neuen  Ernte  Viktoriaerbsen  an  den 
Markt  gekomlnen  wie  im  Berichtsjahre  Erbsen  der  1913er  Ernte. 
Schon  Mitte  August  wurden  von  Thüringen,  etwas  später  aus 
Posen,  Viktoriaerbsen  angeboten.  Die  ersten  Erbsen  in  vorzüg- 
lichen Qualitäten  kosteten  noch  30 — 33  Mk.,  doch  schon  nach 
wenigen  Wochen  ging  der  Preis  auf  28  Mk.,  zum  Schluß  des 
Jahres  auf  25  Mk.  zurück.  Aus  allen  Gegenden,  aus  Branden- 
burg,    Westpreußen,     Pommern,    Posen,     Schlesien,     Magdeburg, 


Kocherbsen 


Viktoriaerbsen. 


I.    Pflanzl.  ßohpi-odukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukt o. 


Kurz-  und 
Mitt€lbohnen. 


Meckler>bnrg  kam  dringendes  Angebot.    Mittlere  Qualitäten  wur- 
den gar  m<it  beachtet.   Zu  Ende  des  Jahres  notierten  I  Viktoria- 
erbsen  25—26   Mk,  Mittelware   22—24   Mk.   pro   100   kg. 
Grüne  Erbsen.  In  grünen  Erbsen  bestand   während  des   ganzen  Jahres  ein 

dringendes  Angebot  aus  Rußland.  Die  Preise  gingen  von  28 
auf  28  Mk.  zurück.  Das  Inland  hatte  in  dieser  Sorte  eine  quali- 
tativ geringe  Ernte  und  kam  infolgedessen  nieht  in  Betracht. 
Auch  die  neue  Ernte  brachte  aus  Rußland  starkes  Angebot,  doch 
konnten  sich  die  Preise  behaupten. 

Während  die  Balkankriege  auf  den  Bohnenexport  Oester- 
reich-Ungams  zu  Ende  1912  einen  bedeutenden  Einfluß  aus- 
übten, befreiten  sich  die  Produzenten  zu  Beginn  des  Jahres  1913 
allmählich  von  diesem  Einflüsse.  Das  konnten  speziell  die  un- 
garischen Produzenten  um  so  leichter  tun,  als  Ungarn  eine  Rekord- 
ernte zu  verzeichnen  hatte  und  in  einem  Umfange,  wie  schon 
seit  Jahren  nicht  mehr,  exportfähig  war.  Der  Preisstand  für 
Kurz-  und  Mittelbohnen,  der  im  Januar  31  Mk.  betrug,  erfuhr 
mit  g-eringen  Unterbrechungen  einen  Rückgang  bis  auf  25,50  Mk. 
Ipro  100  kg.  Ueber  die  neue  Ernte  waren  die  Berichte  zuei-st 
widersprechend;  im  allgemeinen  nahm  man  jedoch  an,  daß  der 
nasse  Sommer  das  Ergebnis  namentlich  in  bezug  auf  die  Quali- 
tä,t  und  damit  die  Exportfähigkeit  stark  beeinträchtigen  würde. 
Eür  die  ersten  Bohnen  aus  neuer  Ernte  wurden  daher  hohe  Preise 
bewilligt,  bis  zu  Öl  Mk.  [pro  100  kg.  Bald  zeigten  aber  die 
Qualitäten  sowie  das  starke  Angebot  aus  Ungarn  und  später 
auch  aus  Galizien  und  Rußland,  daß  die  Ernte  in  jeder  Beziehung 
eine  gute  Mittelernte  sei,  daß  Ungarn  sogar  wieder  eine  Rekord- 
ernte zu  verzeichnen  haben  müsse.  Die  Preise  gingen  sprung- 
weise bis  auf  23,50  Mk.  zurück  und  schlössen  so  am  Jahresschluß. 
Langbohnen  und  Rundbohnen  wurden  wiederum  in  der  Haupt- 
sache aus  Galizien,  erstere  auch  etwas  aus  Mähren,  letztere  zum 
Teil  aus  Nordrußland  bezogen.  Während  Rundbohnen  ihren 
Preisstand  von  35  Mk.  fast  während  des  ganzen  Jahres  behaupten 
konnten,  gingen  Langbohnen  von  39  auf  29  Mk.  zurück.  Zurück- 
zuführen ist  dieser  Preissturz  mehr  auf  die  geringen  Qualitäten 
aus  der  1912er  Ernte  und  den  dadurch  zurückgegangenen  Konsum 
als  auf  ein  etwaiges  starkes  Angebot,  Mit  Beginn  der  neuen 
ErntB  traten  Serbien  und  noch  mehr  Rumänien,  die  vorzügliche 
Ernten  aufweisen  und  einen  erhebKchen  Exportüberschuß  haben. 
als  Abgeber  auf.  Die  Qualitäten  Serbiens  in  Langbohnen,  Ru- 
mäniens in  Lang-  und  Rundbohnen  sind  erheblich  besser  als  die- 
jenigen Galiziens  und  wurden  um  zirka  2  Mk.  pro  100  kg  höher 
bewertet.  Am  Schluß  des  Jahres  kosteten  Langbohnen  31 — 33 
Mark,  rumänische  bis  35  Mk.,  Rundbohnen  33 — 35  Mk.,  rumä- 
nische bis  36  Mk. 
Linsen.  Die  1912er  Ernte  in  Linsen  war  doch  wohl  größer  als  man 

angenommen   hatte.     Während   noch    im   Januar    für   3/0   Linsen 


Lang-  und 
Rundbohnen. 


3.  Zwiebeln.  37 

25—26  Mk.,  für  4/0  28—30  Mk.,  für  5/0  31—33  ME,  für  6/0 
34—36  Mk.,  für  7/0  38—40  Mk.  bezahlt  wurden,  stellten  sich 
die  Preise  im  Frühjahr  auf  23  Mk.  für  3/0,  auf  26  Mk.  für> 
4/0,  auf  29  Mk.  für  5/0,  auf  33  Mk.  für  6/0,  auf  35  Mk.  für 
7/0.  Angesichts  der  guten  Aussichten  der  neuen  Ernte  mußta 
sich  der  Artikel  eine  weitere  Preisieinbuße  gefallen  lassen.  Das 
Bild  änderte  sich  jedoch  sofort,  als  die  ersten  Resultate  aus  der 
neuen  Ernte  bekannt  wurden.  Es  zeigte  sich,  daß  die  Ernte  nicht 
nur  Quajititativ  überschätzt  worden  war,  sondern  daß  auch  die 
Qualitäten  sehr  zu  wünschen  übrig  ließen.  Die  Linsen  zeigten, 
viel  Rostflecke  .und  sind  allgemein  in  Farbe  schlecht.  Groß- 
liiörni^  Ware  ist  wenig  geerntet  worden.  Die  Preise  hierfür 
schnellten  um  10  bis  20  Mk.  pro  100  kg  hinauf;  nur  kleine 
Linsen,  Größe  3/0,  wurden  weniger  davon  berührt.  Am  Schluß 
des  Jahres  notierten  3/0  23—26  Mk,  4/0  31—33  Mk.,  5/0  35  bis 
38  Mk.,  6/0  44—48  Mk.  und  7/0  50—55  Mk.,  je  nach  Farbe  und 
Qualität. 

3.   Zwiebeln. 

Zu  Beginn  des  Jahres  1913  war  der  Zwiebelmarkt  immer 
noch  überfüllt  infolge  der  überaus  großen  Ernte  des  Vorjahres. 
Die  Preise  erholten  sich  daher  im  ersten  Vierteljahre,  wie  es 
sonst  gewöhnlich  geschieht,  nicht.  Gute  Mittelware  erzielt© 
Preise  von  2  bis  2,75  Mk.  pro  Zentner  und  große  sortiertlei 
Ware  3,50  bis  4  Mk.  pro  Zentner.  Der  Import  von  Zwiebeln 
aus  Rußland  und  Ungarn  kam  unter  diesen  Umständen  nicht 
in  Betracht.  Bei  Eintreffen  neuer  ägyptischer  Zwieb3ln  Ende 
März  dürften  auf  dem  Lande  noch  Bestände  von  alten  Zwiebeln 
vorhanden  gewesen  sein.  Das  Geschäft  in  ägyptisohen  Zwiebeln 
hatte  selbstverständlich  hierunter  zu  leiden.  Die  Nachfrage 
wurde  erst  Mitte  April  reger,  doch  bUeben  die  Preise  hinter 
denen  der  Vorjahre  zurück.  Sie  waren  anfangs  April  6,50  Mk. 
und  gingen  dann  bald  bis  auf  5  Mk.  herab.  Zwischen  diesen 
beiden  Grenzen  bewegten  sich  die  Preise  dieser  Zwiebeln  bia 
Ende  der  Saison,  d.  h.  bis  Anfang  JuH.  Die  Ernte  selbsft  fiel 
hinsichtlich  der  Qualität  gut,  der  Quantität  nach  reichlich 
mittel   aus. 

Die  neue  hiesige  Setzzwiebel  aus  dem  Spreewald  und  der 
Pfalz  wurde  auch  nur  zu  mäßigen  Preisen  von  zirka  5  Mk.  g-e- 
handelt.  Die  Qualität  dieser  Ware  gab  oftmals  zu  Beanstan dün- 
gen Veranlassung,  da  sie  bei  dem  vielen  Regen  des  vorigen  Sommers 
nicht  genügend  austrocknen  konnte.  Die  Ernte  in  Säzwiebeln 
war  aus  demselben  Grunde  qualitativ  schlecht;  speziell  kam  dies 
bei  längerem  Lagern  zum  Ausdruck.  Die  Preise  waren  zuerst 
mäßig.  Kleiae  Ware  kostete  3  Mk.,  große  sortierte  4,50  Mk. 
pro  Zentner.  Im  November  belebte  sich  der  Markt,  die  Preise 
stiegen  ziemlich  schnell  und  standen  bei  Schluß  des  Jahres  auf 
6,50   Mk.    für   Mittelware;    große   wurden  etwas   höher   bezahlt. 


38        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


Prühjahrs- 
geschäft. 


Rotklee. 


Weißklee. 


Gelbklet 


Wnndklee. 


Schwedenklee. 


4.  Landwirtsohaf  tliche  Sämereien. 
Die  verregnete  Ernte  des  Herbstes  1912  ließ  einen  großen 
Bedarf  in  landwirtschaftlichen  Sämereien  für  das  Frühjahr  191ü 
ei*warten.  Der  Umsatz  entsprach  indessen  dieser  Hoffnung  nicht, 
denn  die  hohen  Preise  veranlaß ten  eine  starke  Einschränkung 
des  Konsums,  wozu  sich  unter  dem  Druck  der  zu  Jahresbeginn 
herrschenden  unsicheren  politischen  Verhältnisse  eine  rück- 
gängige Konjunktur  für  viele  Artikel  gesellte.  Eine  Räumung 
der  Läger  ließ  sich  zwaj?  für  die  meisten  Sorten  durchführen, 
teilweise  aber  nur  untey  Opfern,  und  so  gestaltete  sich  das  Ge- 
schäft wenig  nutzbringend  für  die  Lagerinhaber  an  den  Stapel- 
plätzen. 

Bei  dem  Mangel  an  besseren  Herkünften  wui'den  zu  steigen- 
den Preisen  außergewöhnlich  große  Mengen  italienischer  und  süd- 
französischer Hotkleesaat  importiert,  welche  sich  durch  beson- 
ders schöne  Qualität  auszeichneten.  Auch  das  verregnete,  nord- 
französische Produkt  fand  viel  Beachtung,  je  mehr  sich  die  un- 
günstigen Berichte  über  die  russische  Ernte  bewahrheiteten  und 
der  Bezug  von  Rußland  keinen  größeren  Umfang  annehmen  konnte. 
Die  deutsche  Ernte  war  von  so  minderwertiger  Qualität  und 
kleinem  Umfange,  daß  sie  keinen  nennenswerten  Faktor  für  den 
Markt  bildete.  Nachdem  ferner  zweifellos  festgestellt  war,  daß 
auch  die  österreichischen  Kronländer  völlig  versagten,  erreich- 
ten die  Preise  im  November  einen  selten  hohen  Stand.  Die  oben- 
erwähnte Zurückhaltung  der  Käufer  und  anhaltendes  Angebot 
Frankreichs  führten  dann  zu  einem  Stillstand  und  später  sogar 
zu  einem  vorübergehenden,  nicht  unerheblichen  Rückgang  der 
Preise. 

Der  starke  Exportbedarf  an  Weißklee  im  Herbst  1912  hatte 
für  diesen  Artikel  Preisübertreibungen  gezeitigt,  welche  nach 
Befriedigung  der  ausländischen  Nachfrage  in  einem  langsamen, 
aber  stetigen  Rückgange  ihren  Rückschlag  fanden.  Der  inlän- 
dische Absatz  wurde  bei  den  hohen  Preisen  stark  eingeschränkt. 
Es  war  auch  mehr  Ware  als  erwartet  in  Deutschland  geerntet 
worden. 

Aehnlich  lag  die  Situation  bei  Gelbklee.  i\.uch  hier  mußten 
sich  die  Inhaber  zu  Preiskonzessionen  entschließen,  ohne  eine 
vollständige  Räumung  ihrer  Läger  durchsetzen  zu  können. 

Di©  russische  Ernte  an  Wundklee  kam  erst  verspätet  an  den 
Markt  und  führte  unter  dem  Druck  der  allgemeinen  Tendenz 
und  bei  außergewöhnlich  schlechter  Nachfrage  zu  einer  rück- 
läufigen Preisbewegung. 

Weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde  Schwedenklee, 
trotzdem  das  Ernteresultat  in  Deutschland  besser  ausgefallen, 
als  nach  den  ersten  Berichten  anzunehmen  war.  Besonders  die 
östlichen  Provinzen  brachten  nennenswerte  Posten  von  teilweise 
selten  schöner  Beschaffenheit  heraus.    Sowohl  das  Inland  als  auch 


4.    Landwirtschaftliche    Sämereien. 


39 


Inkarnatklee. 


Schotenklee. 


das  Ausland  erwiesen  sich  aber  als  aufnahmefähig,  so  daß  sich 
die  Preise  unter  kleinen  Schwankungien  bis  Saisonschluß  be- 
haupten konnten. 

Die  Mißernte  Frankreichs  in  Luzerne  vermochte  dem  über-  Luzeme. 

reichen  Angebot  aus  Italien  keiaen  Ausgleich  zu  bieten,  zumal 
auch  Ungarn  und  Turkestan  als  Abgeber  des  Artikels  auftraten 
und  der  Absatz  nach  überseeischen  Gebieten  zu  wünschen  übrig 
ließ.  Die  Preise  gingen  stark  zurück  und  erreichten  zum  Saison- 
schluß einen  außergewöhnlich  niedrigen  Stand,  da  sehr  erheb- 
liche Ueberstände  verblieben  waren. 

Sehr  geringe  Beachtung  fand  Inkarnatklee,  welcher,  von  einer 
vorübergehenden  Anregung  abgesehen,  während  des  Prühjahrs- 
geschäftes  gänzrich  vernachlässigt  blieb  und  mangels  jeden  Ex- 
portes nicht  geräumt  werden  konnte. 

Die  Ernte  von  deutschem  Schotenklee  wurde  kurz  vor  dem 
Einbringen  durch  die  anhaltenden  Regenfälle  zum  großen  Teil 
vernichtet,  der  E>est  in  Qualität  schwer  beschädigt.  Soweit  nicht 
noch  bessere  Partien  aus  der  Ernte  1911  vorhanden  waren,  mußte 
die  Nachfrage  aus  diesen  geriagen  Qualitäten  befriedigt  werden. 
Gehörnter  Schotenklee  ergab  in  Italien  eine  Durchschnittsernte 
und  war  zu  normalen  Preisen  erhältlich. 

Nach  mehreren  Jahren  der  Mißernte  erreichte  Timothee  einen  Timothee. 

normalen  Preisstand,  infolge  einer  selten  großen  Ernte  Amerikas 
und  reichlichen  russischen  Ertrages ;  letzterer  bot  für  den  Mangel 
an  deutscher  Saat  Ersatz.  Bei  wesentlich  niedrigeren  Preisen 
beherrschte,  im  Gegensatz  zu  den  vorherigen  Jahren,  die  ameri- 
kanische Ernte  den  europäischen  Markt. 

Die  Ernte  von  englischem  und  italienischem  Haygras  hatte  Raygras, 

zwiai'  im  Herbst  durch  Regen  gelitten,  immerhin  war  genügend 
Material  vorhanden,  um  keine  wesentlichen  Preisveränderungen 
im  Laufe  der  3aison  aufkommen  zu  lassen.  Der  Artikel  war 
sogar  zum  Frühjahr  etwas  vorteilhafter  erhältlich. 

Sehr  verlustbringend  gestaltete  sich  das  Geschäft  in  Knaul-  Knaulgras, 
gras,  einem  Artikel,  der  speziell  durch  die  bedeutende  Produktion 
der  Mark  Brandenburg  für  den  Berliaer  Platz  von  Wichtigkeit 
ist.  Infolge  wesentlich  vergrößerten  Anbaues  in  Deutschland 
und  Dänemark  überwog  das  Angebot  während  der  Saison  die 
Nachfrage,  und  die  Lagerinhaber  mußten  trotz  mäßiger  Anfangs- 
preise mit  Verlust  verkaufen.  Bei  diesem  Artikel  muß  von  einer 
entschiedenen   Ueberproduktion   gesprochen   werden. 

Aehnlich  lagen  die  Verhältnisse  bei  den  amerikanischen  wiesengräser. 
"VViesengräsem,  die  nach  mehrjährigen  kleinen  Ernten  aui^er- 
gewöhnlich  große  Erträge  zu  verzeichnen  hatten.  Veranlaßt 
durch  die  im  Verhältnis  zu  den  vorhergehenden  Jaliren  billig 
erscheinenden  Anfangsforderungen  wurden  bedeutende  Posten 
frühzeitig  abgeschlossen,  welche  bei  den  dauernd  rückgängigen 
Preisen   teilweise   recht   erhebliche    Verluste   hinterließen.     Dies 


40        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodukte. 


Futterrüben 


Futter- 
möhren 
und  Kohlrüben. 

Serradella. 


Lupinen. 


Wicken. 


Peluschken, 
Erbsen. 


gilt  vornehmlich  für  Wiesenschwingel  und  Wiesenrispengras.  Bei 
Fioringras  und  Platthalmrispengras  waren  die  Rückgänge  mäßi- 
ger. Schafschwingel,  welcher  nur  knapp  geerntet  war,  war  gut 
begehrt  und  konnte  zu  andauernd  steigenden  Preisen  vollkommen 
geräumt  werden.  Desgleichen  herrschte  große  Knappheit  in  ge- 
meinem Rispengras,  die  zu  Eekordpreisen  und  vollständiger  Räu- 
mung dei=  Läger  führte. 

Infolge  der  hohen  Preise,  welche  Futterrübensamen  lq  den 
vorhergehenden  Jahren  erzielt  hatten,  war  der  Anbau  wesentlich 
vergrößert  worden.  Trotz  der  durch  Regen  beschädigten  Ernte 
des  Herbstes  1912  genügten  die  Vorräte  der  Nachfrage,  und  die 
Preise,  speziell  der  bevorzugten  Eokendorfer  Runkeln,  mußten 
sich  im  Laufe  der  Saison  sogar  einen  erheblichen  Abschlag  ge- 
fallen lassen. 

Auch  Futtermöhren  und  Kohlrüben  konnten  ihre  Anfangs- 
notieiningen  nicht   behaupten. 

Sehr  schwierig  gestaltete  sich  das  Gesdiäft  in  Serradella, 
da  bei  der  anormalen  Erntewittenuig  die  Ergebnisse  in  den  ver- 
schiedenen Produktionsgebieten  sehr  Voneinander  abwichen.  Die 
Konsumenten  hielten  in  Erinnerung  an  verlustbringende,  frühzeitige 
Abschlüsse  in  den  vorhergehenden  Jahren  und  unter  dem  Druck 
der.  schwierigen  Geldverhältnisse  mit  dem  Einkauf  möglichst 
lange  zurück,  was  eiaen  dauernden  Preisrückgang  zur  Folge  hatte. 
Erst  zum  Schluß  der  Saison  zeigte  es  sich,  daß  die  Ernte  des 
Artikels  durchaus  nicht  so  bedeutend  gewesen  war,  um  eine  der- 
artige Baisse  zu  rechtfertigen.  Die  Saison  schloß  vielmehr  mit 
vollständig  geräumten  Lagern  und  zu  befestigten  Preisen,  so 
daß:  man  speziell  bei  diesem  Artikel  mit  Recht  in  dem  ungünsti- 
gen Geschäftsgang  den  Einfluß  der  politischen  Lage  erblicken 
kann. 

Sehr  empfindliche  Folgen  hatte  der  regnerische  Herbst  1912 
auf  das  Geschäft  in  Gelblupinen.  Die  Ernte  war  so  klein  wie 
selten,  und  die  hierdurch  hervorgerufene  hohe  Preislage  hatte 
eine  starke  Einschränkung  des  Bedarfes  zur  Folge.  Die  Notie- 
rungen standen  denen  des  vergangenen  Notstands  jähr  es  kaum 
nach,  und  2ru  Saisonschluß  waren  zur  Saat  geeignete  Qualitäten 
überhaupt  nicht  mehr  aufzutreiben.  —  Blaulupinen  waren  in 
einigen  von  der  Witterung  begünstigten  Distrikten  besser  geem- 
tet  worden,  was  seinen  Einfluß  auf  die  Preise  nicht  verfehlte. 
Die  Umsätze  blieben  aber  ebenfalls  ganz  erheblich  gegenüber 
anderen  Jahren  zurüök,  da  auch  diese  Varietät  sich  zu  Futter- 
zwecken noch  zu  teuer  stellte. 

Die  Nachfrage  nach  Wicken  war  nui-  sehr  gering,  und  die 
Läger  konnten  trotz  einer  durch  Regen  wesentlich  verkleinerten 
Ernte  nicht  geräumt  ^werden. 

In  Peluschken  und  Felderbsen  konnte  Ersatz  für  die  verregnete 
deutsche  Ernte  aus  Rußland  beschafft  werden. 


4.     Landwirtschaftliche    Sämereien. 


41 


Infolge  einer  außerordentlich  großen  Heuernte  war  die  Nach- 
fiage  nach  Zwischensaaten  im  Sommer  und  Herbst  sehr  unbedeutend 
und  sie  konnte  auch  durch  den  in  einigen  Gegenden  Deutsch- 
lands wesentlich  geringer  ausgefallenen  zweiten  Futtersclmitt 
keine  Belebung  erfahren.  Im  allgemeinen  ist  die  Ernte  der  Gräser 
und  fnihreifenden  Kleesaaten  als  gut  zu  bezeichnen,  während 
der  Ertrag  der  später  reifenden  Sorten  von  den  Kegenfällen  im 
August  ungünstig  beeinflußt  worden   ist. 

Die  hohen  Preise  für  Weißklee,  welche  in  den  letzten  Jahren 
geherrscht  hatten,  veraulaßten  in  Deutschland  viele  Landwirte, 
ihre  Kleeschläge  zur  Samengewinnung  stehen  zu  lassen.  Be- 
dauerlicherweise kommt  der  heimische  Ertrag  in  der  Regel  erst 
nach  Eintritt  des  Frostwetters  an  den  Markt,  so  daß  die  früh- 
zeitigen Abschlüsse  auf  ausländische  Herkunft  angewiesen  sind. 
Sowohl  in  Böhmen  wie  in  Rußland  wurde  der  Ertrag  durch 
ungünstige  Witterung  stark  beeinträchtigt,  und  bei  dem  gänz- 
lichen Fehlen  alter  Läger  konnten  die  Preise  nicht  nur  hoch 
ei'öffnen,  sondern  andauernd  steigen,  weil  man  die  Aussichten^ 
für  die  Inlandsemte  nur  als  schwach  einschätzt. 

L'eber  ein  sehr  reichliches  Resultat  in  fast  allen  Produktions- 
gebieten ist  bei  Gelbklee  zu  berichten,  so  daß  der  Artikel  so 
billig  erhältlich  ist,  wie  seit  Jahren  nicht.  Die  Qualitäten  sind 
größtenteils  gut. 

Der  etwas  später  reifende  Wundklee  weist  bereits  die  Spurea 
ungünstiger  Witterung  auf,  soweit  das  östliche  Produkt  in  Fragie 
kommt.  Das  Angebot  ist  bisher  im  Vergleich  zu  anderen  Jahren 
zwar  wenig  umfangreich.  Es  scheint  indessen  genügend  Material 
zur  Befriedigung  des  in  den  letzten  Jahren  stetig  zurückgehen- 
den   Bedarfes    A^orhanden    zu    sein. 

Selten  niedrige  Preise  sind  für  Schwedenklee  infolge  einer 
Rekordernte  Rußlands  zu  verzeichnen.  Das  amerikanische  Pro- 
dukt, das  höher  gehalten  wird,  ist  hierdurch  aus  dem  europäischen 
Markt  vorläufig  gänzlich  ausgeschaltet.  Der  Absatz  der  ein- 
heimischen Ernte,  die  normal  ausgefallen,  aber  noch  nicht  zum 
Drusch  gelangt  ist,  wird  sich  ebenfalls  nur  zu  stark  reduzierten 
Preisen  gegenüber  dem  Vorjahl^e  ermöglichen  lassen. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Artikeln  steht  der  Ernteertrag  von 
Luzerne  hinter  demjenigen  der  letzten  Jahre  zurück.  Das  Haupt- 
produktionsgebiet, Frankreich,  hat  zwar  eine  kleine  Mittelem te 
eingeheimst.  Dagegen  haben  Ungarn  und  Italien  keinen  Export- 
überschuß. Die  wenig  beliebte  turkestanische  Provenienz,  von 
der  genügend  Vorrat  vorhanden  ist,  im  Verein  mit  den  reich- 
lichen alten  Lägern,  hat  die  Preise  des  Artikels  nichtsdestoweniger 
auf  einem  mäßigen  Niveau  gehalten.  Hierzu  kommt,  daß  die 
Vereinigten  Staaten  von  Amerika,  was  seit  vielen  Jahren  nicht 
der  Fall  war,  als  Abgeber  im  Markte  sind. 


Herbst 
ges«haft 


Weißklee. 


Gelbklee. 


Wundklee. 


Schwedenklee. 


Luzema 


42        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwiitsch.  Rohprodukte. 


Rotklee. 


Kulturgräser. 


Runkelrüben. 


Kohlrüben 

und 

Püttermöhren. 

Serradella, 
Lupinen. 


Bei  der  wichtigsten  Kleeart,  Rotklee,  liegen  die  Verhältaisse 
recht  unklar.  Nach  der  außerordentlich  günstigen  Entwicklung 
der  Schläge  im  Juli/August  hat  man  auf  eine  Rekordernte  nicht 
nur  in  Europa,  sondern  auch  in  Amerika  gerechnet.  Diese  Er- 
wartungen wurden  durch  die  anhaltenden  Regenfälle  im  August 
in  den  meisten  Produktionsgegenden  indessen  vernichtet  oder  zum 
mindesten  stark  beeinträchtigt.  Am  besten  hat  Frankreich  abge- 
schnitten, wo  allerdings  nur  der  Norden  mit  einem  starken  Ernts- 
überschuß in  Erage  kommt.  In  zweiter  Reihe  ist  England  mit 
einem  selten  guten  Ergebnis  zu  erwähnen,  während  Italien  und 
Ungarn  nicht  nur  keinen  Ueberscliuß  geemtet,  sondern  bereit^ 
mit  dem  Import  französischer  Saat  begonnen  haben.  Die  öster- 
reichischen Kronländer  scheinen  wenig  mehr  als  den  eigenen  Be- 
darf eingebracht  zu  haben.  Im  Gegensatz  zu  den  ursprünglich 
glänzenden  Berichten  Rußlands  ist  dort  nur  eine  schwache  Mittel- 
ernte zu  verzeiclinen.  Ein  reichliöhes  Ergebnis  in  den  Vereinigten 
Staaten  verhindert  andererseits  einen  Abzug  dorthin,  der  in  den 
letzten  Jahren  regelmäßig  stattgefunden  hatte.  Die  Preise  er- 
öffneten tmter  dem  Stande  der  letzten  Jahre. 

Die  Ernteresultate  der  Kulturgräser  sind,  kurz  zusammen- 
gefaßt, für  den  alten  Erdteil  als  gut  zu  bezeichnen,  während 
Amerika   mangelhafte   Erträge   aufzuweisen   hat. 

Selten  niedrige  Preise  verzeichaen  Raygräser,  Knaulgras, 
Kammgras,  Honiggras.  Bei  den  amerikanischen  Sorten  wird  der 
diesjährigu  Minderertrag  in  Timothee,  Wiesenrispengras  durch 
selir  große  vorjährige  Läger  aufgehoben,  so  daß  die  Preise  hier- 
für nur  eine  mäßige  Steigerung  erfahren  haben.  Das  Fehlen 
alter  Bestände  verursachte  bei  Fioringras  eine  starke  Hausse. 
Auch  Wiesenschwingel,  w^elcher  ursprünglich  sehr  billig  ange- 
boten war,  wurde  infolge  einer  enttäuschenden  Ernte  von  Amerika 
sprungAveise  im  Preise  erhöht,  welcher  Bewegung  sich  das  von 
Jahr  zu  Jahr  stärker  ins  Gewicht  fallende  dänische  Produkt 
bereitwillig   anschloß. 

Die  starke  Ausdehnung  des  Ruakelrübenanbaus,  weldie  als 
normale  Erscheinung  die  hohen  Preise  der  letzten  Jahre  zur 
Folge  gehabt  haben,  zeigte  im  Verein  mit  günstiger  Witterung 
in  diesem  Herbst  einen  enormen  Ertrag.  Die  Notierungen  sind 
dementsprechend,  außerordentlich  niedrig,  so  daß  für  die  Produ- 
zenten eine  Rentabilität  ausgeschlossen  erschicint,  was  wiederum 
einen  Rückgang  des  Anbaus  verursaclien  dürfte. 

Kohlrüben  und  Futtermöhren  haben  Durchschnittsemten  er- 
geben und  sind  zu  normalen  Preisen  erhältlich. 

Ueber  die  für  den  Berliner  Platz  sehr  wichtigen  Artikel 
Serradella  und  liupinen  ist  es  schwierig,  nach  den  bisher  an  den 
Markt  gekommenen  Posten  bzw.  Berichten  ein  zuverlässiges 
Urteil  abzugeben.  Die  günstigen  Emteaussichten  für  Serradella 
wurden    erst    in   letzter    Stunde    durch    die   zu   starken    Nieder- 


4.    Landwirtschaftliche    Sämereien. 


schlage  beeinträcJitigt,  und  viek  Produktionsgegenden  haben  an- 
geblich in  diesem  Jahre  überhaupt  keinen  oder  doch  nur  einen 
minimalen  Ueberschuß,  während  in  anderen  Distrikten  weniger 
die  Menge,  als  die  Qualität  beschädigt  worden  ist.  Alles  in  allem 
dürfte  die  von  Jahr  zu  Jahr  zunehmende  Nachfrage  aus  der 
diesjährigen  Ernte  befriedigt  werden  können;  alte  Läger  sind 
nirgends  mehr  vorhanden.  Aehnlich  liegen  die  Verhältnisse  bei 
Lupinen.  Die  früher  reifende  Blaulupine  scheint  durch  die 
Witterung  besonders  gelitten  zu  haben,  während  der  gelben 
Varietät  der  trockene  und  warme  September  noch  S3hr  zustatten 
gekommen  ist.  Erfreulicherweise  bewegen  sich  für  beide  Sorten 
die  Notierungen  unter  denen  des  Vorjakres,  welche  größeren  Um- 
sätzen hinderlich  im  "Wege  standen,  und  lassen  für  diese  Saison 
ein  besseres  Greschäft  erwarten.  Alte  Läger  sind  von  l>eiden 
Farben   kaum   vorhanden. 

Von  den  übrigen  Hülsenfrüchten  sind  Wicken,  Erbsen  und 
Peluschkeiv  in  Deutschland  infolge  ungünstiger  Erntewitterung 
nur  in  mäßigen  Mengen  und  größtenteils  beschädigten  Qualitäten 
geerntet  worden,  werden  aber  in  ausreichiender  Menge  aus  Ruß- 
land  zum  Ersatz  zu   beschaffen  sein. 

W^ie  aus  Vorstehendem  ersichtlich  ist,  brachte  das  Jahr  1913 
dem  Samenhandel  im  Erühjahr  und  Herbst  gänzlich  entgegen- 
gesetzte Verhältnisse.  Trotz  eines  mit  hohen  Preisen  im  Zu- 
sammenhange stehenden,  für  viele  Artikel  wesentlich  verkleiner- 
ten Absatzes  schloß  die  Erühjahrssaison  1912/13  mit  geräumten 
Lägern.  Die  diesjährigen  großen  Ernteerträge  der  meisten  land- 
wirtschaftlichen Sämereien  lassen  zwar  bei  mäßigen  Preisen  einen 
vergrößerten  Absatz  für  das  Frühjahr  1914  erwarten.  Vorläufig 
macht  sich  indessen  eine  allgemeine  Zurückhaltung  in  Konsum 3n- 
tenkreisen  bemerkbar,  deren  Ursache  ebensosehr  in  der  Markt- 
lage, wie  in  den  allgemein  wirtschaftlichen  und  finanziellen  Ver- 
hältnissen zu  suchen  sein  dürfte. 

Tab.  17.       Preise  der  landwirtschaftlichen  Sämereien  im  Jahre  1913. 

(In  Mark  für  50  kg.) 


zeit  1913 


Neue  Ernte 
Ende  1913 


Europäischer  Rotklee 

Weißklee 

Schwedenklee    .     .     . 

Gelbklee 

Wundklee  .  .  .  . 
Franz.  Luzerne  .  . 
Deutscher  Timothee  . 
Amerikan.  „ 
Englisches  Raygras  . 
Italienisches      „ 

Serradella 

Gelbe  Lupinen  .     .     . 


83—110 
110—150 
95—115 
50—60 
62—80 
55—62 
26—32 
24—28 
19—21 
20—24 
12—15 

11-113/4 


83—110 

90—130 

95—115 

48-55 

62—78 

50—60 

28—32 

24-28 

19—21 

20—24 

13—16 

12—123/4 


56—83 

95—120 

58—75 

26—34 

56—65 

53—62 

32—35 

26—32 

151/,— 18 

161/;- 19 

11—14 

8V2-9V, 


44        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Hohprodukte. 

5.  Kartoffeln. 
Erstes  Quartal.  Dio   am  Ende   des   Jahres   1912    im   Berliner  Kartoffelgroß- 

handel herrschende  feste  Tendenz  hielt  auch  im  Anfang  des  Be- 
richtsjahres noch  an.  Im  allgemeinen  war  man  der  Ansicht, 
daß  durch  den  OBVost,  der  anfangs  Oktober  1912  ziemlich  plötz- 
lich und  stark  eingesetzt  hatte,  als  noch  sehr  viele  Kartoffeln, 
auf  dem  Felde  standen,  diese  so  großen  Frostschaden  erlitten 
haben  würden,  daß  sie  schlecht  überwintern  und  im  Frühjahr 
hohe  Preise  eintreten  würden.  In  der  Tat  blieb  auch  die  Ware 
in  den  Monaten  Januar  und  Februar  1913  andauernd  knapp,  und 
die  Preise  gingen  langsam  in  die  Höhe.  Dabersche  Speisekar- 
toffeln, die  anfangs  Januar  im  Großhandel  mit  6  Mk.  pro  100  kg 
ab  Berliner  Bahnhöfen  bezahlt  wurden,  kosteten  Ende  Januar 
und  anfangs  Februar  7  bis  7,50  Mk.  Da  die  Witterung  von 
Glitte  Februar  ab  gelinde  und  zur  Verladung  geeignet  wurde, 
und  dio  Besitzer  bei  Besichtigung  ihrer  Mieten  merkten,  daß  die 
Kartoffeln  sich  besser  gehalten  hatten,  als  man  früher  ange- 
nommen hatte,  so  zeigten  sie  sich  zum  Verkaufe  geneigter  als 
bisher.  Die  Zufuhren  auf  den  Berliner  Bahnhöfen  wurden  wesent- 
lich größer,  und  die  Preise  gingen  nunmehr  zurück.  Anfangs 
^lärz  kosteten  Dabersche  Speisekartoffeln  nur  noch  6  Mk.  pro 
100  kg,  und  zu  Ende  des  März  wurden  sie  schon  mit  5,50  Mk. 
ab  Berliner  Bahnhöfen  verkauft.  Im  allgemeinen  war  der  Ge- 
■  Schäftsgang  im  Berliner  Kartoffelgroßhandel  im  ersten  Quartal 
1913  ziemlich  lebhaft. 
Zweites  ^^'^  April  setzte  sich  der  Preisrückgang  fort,  denn  es  stellte 

Quartal.  q[q]^  immer  deutlicher  heraus,   daß  noch  große  Vorräte  bei  den 

Besitzern  vorhanden  waren,  die  sich  gut  durch  den  Winter  ge- 
halten hatten.  Die  Zufuhren  auf  den  Berliner  Bahnhöfen  wurden 
täglich  größer,  und  von  Mitte  bis  Ende  April  kosteten  Daber- 
sche Speisekartoffeln  nur  noch  4,75  bis  5  Mk.  pro  100  kg  ab 
Bahnhof.  Da  in  keiner  Gegend  Deutschlands  Bedarf  an  Kar- 
toffeln vorhanden  war,  so  verschlechterte  sich  das  Geschäft 
immer  mehr;  nicht  nur  war  es  wenig  gewinnbringend,  sondern 
auch  der  Umsatz  war  wesentlich  geringer  als  zur  gleichen 
Jahreszeit  in  früheren  Jahren.  Bis  anfangs  Juni  hielt  diese 
flaue  Geschäftslage  an.  Inzwischen  hatten  die  Besitzer,  in  der 
Annahme,  daß  eine  Preissteigerung  kaum  noch  zu  erwarten  sei, 
große  Mengen  Kartoffeln  zur  Viehftitterung  verwendet  und  an 
die  Fabriken  geliefert.  Infolge  der  Abnahme  der  Bestände  trat 
nunmehi'  wieder  eine  Besserung  in  der  Geschäftslage  ein.  Die 
Zufuhren  ließen  nach,  und  die  Preise  gingen  wieder  in  die  Höhe. 
Ende  Juni  wurden  gute  Dabersche  Speisekartoffeln  mit  7,50  bis 
8  Mk.  pro  100  kg  ab  Berliner  Bahnhöfen  bezahlt.  Da  die  neue 
Ernte  sich  infolge  der  ungünstigen  Witterung  um  einige  Wochen 
verzögerte,  so  herrschte  noch  bis  Mitte  Juli  größere  Nachfrage 
nach  Kartoffeln  alter  Ernte. 


5.    Kartoffeln. 


45 


Ein  ziemlich  lebhaftes  Geschäft  entwickelte  sich  in  italieni- 
schen und  ungarischen  Frührosen-Kartoffeln.  Dagegen  wurden 
Sommer-Maltakartoffeln  in  Berlin  im  Berichtsjahre  gar  nicht 
gehandelt,  weil  Malta  eine  schlechte  Ernte  gehabt  hatte  und  so 
hohe  Preise  verlangte,  daß  der  Bezug  nach  Berlin  sich  nicht 
verlohnte.  Im  Gegensatz  zu  Malta  hatte  Italien  eine  quanti- 
tativ und  qualitativ  gute  Ernte.  Infolgedessen  waren  die  Zu- 
fuhren von  dort  sehr  bedeutend.  Auch  in  ungarischen  Prüh- 
rosen-Kartoffeln  war  eine  reichliche  Ernte  von  guter  Qualität  er- 
zielt worden.  Diese  Ware  war  frühzeitig  gereift,  so  daß  sich 
schon  von  Anfang  Juni  ab  hierin  ein  lebhaftes  Geschäft  ent- 
wickelte. Die  Preise  waren  verhältnismäßig  niedrig.  Die  Zu- 
fuhren waren  ziemlich  bedeutend  und  fanden  stets  gute  Aufnahme. 

Das  dritte  Quartal  bringt  für  den  Berliner  Kartoffelgroß- 
handel stets  einen  schwachen  Geschäftsgang,  insbesondere  dann, 
wenn  die  Kartoffelernte  in  der  Umgegend  von  Berlin  gut  aus- 
fällt. Da  alsdann  die  Produzenten  in  der  Umgegend  von  Berlin 
ihre  Kartoffeln  selbst  mit  ihren  Fuhrwerken  nach  Berlin  bringen, 
so  sind  die  Bahnzufuhren  gering.  Der  Handel  auf  den  Berliner 
Bahnhöfen  setzt  erst  wieder  im  September  lebhafter  ein,  wenn  die 
Landwirte  in  der  näheren  Umgebung  von  Berlin  ihre  Kartoffeln 
verkauft  haben.  Auch  im  Berichtsjahre  wurden  von  den  Land- 
wirten große  Mengen  Kartoffeln  mit  eigenem  Fuhrwerk  nach 
Berlin  geliefert,  denn  die  Ernte  war,  wie  überall  im  Heiche, 
auch  in  der  Umgegend  von  Berlin  gut  ausgefallen.  Zwar  herrschte 
von  Mai  bis  Mitte  Juni  eine  empfindliche  Trockenheit,  die  zu 
ernsten  Besorgnissen  über  den  Ausfall  der  Kartoffelernte  An- 
laß gab:  aber  noch  rechtzeitig  einsetzender  Eegen  kam  dem 
Wachstum  der  Kartoffeln  sehr  zustatten.  Niemals  bisher  hatte 
das  Deutsche  Reich  eine  so  reichliche  Kartoffelernte  aufzuweisen, 
wie  sie  das  Berichtsjahr  brachte.  Da  sie  überall  im  Eeiche  vor- 
züglich ausgefallen  ist,  so  fehlte  für  die  große  Ernte  der  Ab-, 
satz.  Die  Preise  erfuhren  daher  einen  starken  Rückgang  und 
stellten  sich  um  etwa  ein  Drittel  niedriger  als  im  Vorjahre. 
Da  nirgends  Mangel  an  Kartoffeln  vorhanden  war,  so  war  der 
Umsatz  dei'  Händler  wesentlich  geringer  als  sonst  und  das  Ge- 
schäft wenig  nutzbringend. 

Auf  den  Berliner  Bahnhöfen  entwickelt  sich  im  vierten 
Quaa^tal  gewöhnlich  ein  lebhaftes  Geschäft,  da  in  dieser  Jahres- 
zeit die  Wintervorräte  gedeckt  werden.  Im  Berichtsjahre  war 
aber  auch  dieses  Geschäft  geringer,  und  es  wurde  mit  wenig 
Nutzen  gehandelt.  Bis  zum  Jahresschluß  blieb  der  Geschäfts- 
gang in  Speisekartoffeln  schwach,  und  da  noch  große  Bestände 
bei  den  Besitzern  lagern,  ist  vorläufig  auf  eine  Besserung  nicht 
zu  rechnen. 

Ein  lebhaftes  Geschäft  entwickelte  sich  in  Fabrik-Kartoffeln. 
Die  Stärkefabriken  nahmen  zu  den  niedrigen  Preisen  viel  Ware 


Ausländische 
Kartoffeln. 


Drittes  Quartal. 


Viertes  Quarta]. 


Fabrik- 
kartoffeln 


46        I.    Pflaiizl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodukte. 


Kartoffelernte. 


auf,  und  es  ist  anzunehmen,  daß  die  laufende  Kampagne  für  sie 
recht  günstig  ist. 

Im   Anschluß    an   vorstehenden    Geschäftsbericht  seien   noch 
einige  statistische  Uebersichten   angefügt. 

Die    Kartoffelernte    betrug    in    den    letzten    drei    Jahren     in 
Tonnen : 
Tab.  18.  Kartoffelernte  in  Tonnen : 


1 

1911 

1912 

1913 

im  Deutschen  Reiche ' 

in  Prieußen          

34  374  225 

25  630  203 

3  192  441 

50  209  466 

34  900  598 

5  128  336 

54  121  146 
39  215  298 

in  der  Provinz  Brandenburg     .     . 

5  903  577 

Berliner   Groü- 

handelspreise 

für    Kartoffeln. 


Tab.  19. 


Die  Preise  für  gute,  gesunde  und  sortierte  Speisekartoffeln 
stellten  sich  in  Berlin  in  den  letzten  drei  Jahren  im  Monats- 
durchschnitt für  100  kg  ab  Bahnhof  in  Mark: 

Monatliche  Durchschnittspreise  für  Kartoffeln  in  Berlin. 


Jan.       Febr.    !    März    i     Apr. 


Mai     I     Juni         Juli     ^    Aug. 


Sent. 


Okt. 


Nov. 


Kartoffel-  Nach  der  amtlichen  Statistik  betrugen  die  Kartoffelzufuhren 

zufuhren  nach      per  Bahn  auf  sämtlichen  Berliner  Bahnhöfen  in  den  letzten  drei 

Berlin  perBahn.        -^  .       m 

Jahren  in  Tonnen: 

Tab.  20.   Empfang  von  Kartoffeln  auf  sämtlichen  Berliner  Bahnhöfen 
während  der  Jahre  1911 — 1913  (in  Tonnen). 


1911 

1912           ! 

1913 

Anhalt-Dresdener  Bahnhof     .     .     . 
Görlitzer  Bahnhof           

4  655 

1  777 
40  472  • 

103  178 

120  339 

962 

4  547 

287 

6  760 

72 

706 

2  639      i 

i 
263     i 

6  804 
2  453 
43  217 
108  784      1 
125  270      1 
417 
4  391 
575 
4101 
9      ■ 
935 
2122 
36      i 
495      ! 

8  464 
3  4S^ 

Hamburg-Lehrter  Bahnhof     .     .     . 
Nordbahnhof 

42  264 

106  080 

Ostbahnhof 

123  250 

Potsdamer  Bahnhof 

Schlesischer  Bahnhof 

Stettiner  Bahnhof 

Zentral-Markthalle 

766 

3  989 

553 

8  080 

Zentral- Viehhof .     . 

162 

Frankfurter  Allee 

1  273 

Moabit 

Wedding 

Weißensee 

2186 

20 

2  234 

Zusammen 

1      286  627 

299  609 

302  754 

Die   Hauptzufuhren   kamen   auf   den  Ost-,   Nord-   und  Ham- 
bui^g-Lehrter  Bahnhof  und   betrugen   in   den   einzelnen   Monat-en 
in  Tonnen: 
Tab.  21.  Zufuhren  von  Kartoffeln  nach  den  drei  Hauptempfangsbahn- 


j       Jan. 

Febr. 

März 

April 

Mai 

Ostbahnhof 

Nordbahnhof       .... 
Hamburg-Lehrter 
Bahnhof 

9.404 
7.750 

3.129 

6.323 
6.434 

3.842 

10.617 
8.540 

3.379 

12.074 
9.825 

3.318 

9.874 
7.544 

3.001 

Dez. 


1911 
1912 
1913 

4.50  ■ 

9.10 

6.25 

4.67 
9.— 
6.25 

4  58  ; 

8.50 

5.50 

5. — 
9.— 
5.— 

4.75 
8.— 
5.- 

5.67 

8.40 

11.— 

8.  - 
6.— 

8.— 
6.- 
4.50 

6.67 
4.50 
4- 

6.83 

4.50 
3  80 

7.— 
4.60 
3.80 

8.— 
7.05 

3.80 

6.     Oelsaaten    (Raps    und   Rübsen). 


47 


Dio  inländische  Rekordernte  in  Kartoffeln  kommt  in  den  Ein- 
und  Ausfiihrzalilen  für  1913  noch  nicht  voll  zur  Erscheinung, 
doch  zeigt  die  Gegenübejnstellung  der  drei  letzten  Jahre^  wie 
infolge  der  reichlicheren  Ernten  von  1912  und  1913  der  große 
Einfuhrüberschuß  im  Jahre  1913  stark  zurückgegangen  ist. 


Tab.  22.    Ein-  und  Ausfuhr  von  Kartoffeln  in  den  letzten  d 

rei  Jahren 

(in  Tonnen). 

Einfuhr 

Ausfuhr 

li       1911              1912       i       1913 

1911       1       1912       1       191.S 

Insgesamt  794  366,6 

822  310,2 

382  058,6 

Insgesamt 

290  358,1 

124  582,4 

331  298,7 

davon  aus' 

davon  nach 

Belgien       |  97  049,6 

129  745,2 

47  031,2 

Prankreich 

54  160,9 

2  925.5 

11141.3 

Nieder!.       387  499,6 

352  296,3 

195  211,9 

Großbrit.     '  16  490,3 

22  591,6 

125  606,9 

Rußland      218  513,91221096,5!  59  952 

Oest.-Üng.  [j  41  460,4    25  743,2;  66  027,6 

■' 

Schweiz      ! 

47  069,2 

43  751,4 

64  882,6 

6.  Oelsaaten  (Itaps  und  Rübsen). 
Das  vorangegangene  Jahr  hatte  in  recht  flauer  Stimmung  ge- 
schlossen und  so  eröffnete  auch  das  neue  Jahr;  Anfang  Janaar 
forderte  man  für  Ferozepore  Eapssaat  Abladg.  Dez./Jan. 
238  Mk.,  Abladg.  Jan./Eebr.  und  Febr./März  233  Mk.  pro  t  un- 
verzollt eif  Hamburg,  alte  Londoner  Bedingungen.  Auch  rumä- 
nischer Rübsen  auf  Dez./Jan. -Verladung  wurde  mit  zirka  235  Mk. 
pro  t  unverzollt  cif  Hamburg  angeboten.  Die  Fabrikanten  zeigten 
jedoch  wenig  Kauflust.  Gegen  Ende  des  Monats  Januar  bis  Mitte 
Februar  trat  aber  entsprechend  dem  besseren  Konsum  in  Rüböl 
auch  für  Rapssaaten  regere  Nachfrage  ein,  welche  noch  durch 
Nachrichten  über  "Witterungsschäden,  unter  denen  die  gute  argen- 
tinische Leinsaaternte  zu  leiden  hatte,  verstärkt  wurde.  Es  kam 
zu  ansehnlichen  Umsätzen,  und  Mitte  Februar  kostete  Ferozepore 
schwimmend,  auf  Verladung  Jan. /Febr.,  Febr./März,  April/Mai 
von  indischen  Häfen  258  Mk.  pro  t  unverzollt  cif  Hamburg,  alte 
Londoner  Bedingungen.  Dieser  kräftigen  Aufwärtsbewegung  um 
mehr  als  20  Mk.  in  nur  6  "Wochen  folgte  erklärlicherweise  eine 
gewisse  Abspannung;  außerdem  meldete  Argentinien  günstiges 
Ernte  Wetter  und  bot  Leinsaat  wesentlich'  billiger  an.  Ende  März 
forder  1^3  man  für  schwimmende  Ferozepore  Rapssaat  245  Mk., 
wogegen  spätere  Abladungstermine  um  5  Mk.  pro  t  niedriger  zu 
haben  waren.  Erst  als  Angebote  in  Tooria  Rapssaat  im  Markte 
erschienen,  gestaltete  sich  der  Saathandel  wieder  lebhafter;  man 
bewertete  diese  Qualität,  die  sich  als  gut  ölhaltig  erwies,  um 
mehrere  Mark  höher    als  gewöhnliche  Ferozepore. 


höfen  Berlins  während  des 

Kalenderjahres  1913  (in  Tonnen). 

Juni        j        Juli               Aug. 

Sept.       j        Okt.               Nov.               Dez. 

Jahr 

6.216 
4.750 
2.341 

6.338         9.188 
6.190         8.460 
2.270    ;     3,106 

: 

12.250 

11.028 

4.205 

20.593 

18.793 

8.379 

13.600 

10.906 

2.763 

6.773 
5.860 
2.531 

123.250 

106.080 

42.264 

Ein-  u.  Ausfuhr 

von    Kartoffeln 

nach    und   aua 

dem  Reiche. 


Erstes  Quartal. 


48        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Laiidwirtsch.  Rohprodukte. 


Zweites 
Quartal. 


Drittes  Quartal. 


Die  Zurückhaltung  der  Oelkonsumenten  und  die  Stille  des 
Oelterminmarktes  wirkte  aber  immer  wieder  lähmend  auf  dea 
Saalhandel  ein,  so  daß  selbst  Xachriditea,  daß  die  rumänisclie 
Rübsenernte  nicht  gut  überwintert  habe  und  daher  nur  ein  kleiner 
Ertrag  zu  erwarten  sei,  wenig  Eindruck  machten.  Das  Geschäft 
blieb  auch  im  April  sehr  still,  und  die  Preisbewegung  richtete 
sich  ganz  nach  der  für  Leinsaat,  je  nachdem  die  Wetternachrichten 
aus  Argentinien  günstig  oder  ungünstig  lauteten.  Da  letztere  im 
allgemeinen  überwogen,  hatte  sich  der  Preis  für  Ferozepore  Kaps- 
saat per  April/Mai-  und  Mai/Juni- Verlaxiung  von  Indien  im  Laufe 
der  Monate  April  und  Mai  auf  255  Mk.  pro  t  unverzollt  cdf 
Hamburg  gehoben,  während  man  für  Tooria  einige  Mark  mehr 
bewilligte.  Cawnpore  Rapssaat,  die  man  vor  mehrerea  Jahren 
noch  der  Ferozepore  Saat  gleichgestellt  hatte,  wurde  Avenig  be- 
achtet und  konnte  selbst  zu  um  12 — 15  Mk.  pro  t  niedrigerem 
Preise  nicht  Unterkommen  finden.  Ohne  besondere  Anregungen 
verlief  auch  im  Juni  und  in  der  ersten  Hälfte  Juli  der  Saat- 
markt, da  die  Fabrikanten  immer  nur  das  Nötigste  kauften; 
die  Saatpreise  boten  nur  ein  recht  schwadhes  Rendement  und 
reizten  daher  nicht  sonderKch   zu   größeren   Erwerbungen. 

Erst  stärkere  Ankünfte  der  schönen  Tooria-Rapssaat  riefen 
in  der  zweiten,  Julihälfte  ein  lebhafteres  Geschäft  in  dieser  Gattung 
hervor  und  steigerten  das  Aufgeld  für  schwimmende  Ware  auf 
zirka  10  Mk.  pro  t,  so  daß  der  Preis  hierfür  auf  272  Mk.  pro  t 
unverzollt  cif  Hamburg  stieg.  Aber  auch  unerfreuliche  Xach- 
riditen  über  die  rumänische,  südrussische  und  deutsche  Ernte, 
die  durchweg  durch  Fröste  schwer  gelitten  hatten  und  bei 
feuchtem  Wetter  eingefahren  werden  mußten,  mahnten  die  ^lüller 
zur  Vorsicht  und  brachten  gTößere  Abschlüsse  in  Sommer-  und 
Herbstverschiffungen  von  indischer  Saat  zuwege.  Die  For- 
derungen für  deutschen  Raps  und  Rübsen  hatten  mit  zirka  295 
Mark  pro  1000  kg  eingesetzt,  und  es  fanden  hierzu  und  sogar 
noch  :.u  höheren  Preisen  nicht  unbedeutende  Abschlüsse  nach  dem 
Rhein  und  Westfalen  statt.  Indessien  wurden  die  Müller  doch  zu- 
rückhaltender, als  anhaltender  Regen  während  der  Erntezeit  die 
Qualität  zu  beeinträchtigen  drohte.  Bald  zeigte  es  sich,  daß 
die  Oelsaaten  klamm,  dumpfig,  schimmlig  und  daher  nicht  ver- 
sandfähig w^aren.  Bestand  einerseits  bei  den  Besitzern  und 
Händlern  der  Wunsch,  solche  gefährliche  Ware  recht  schnell  ab- 
zustoßen, so  leimten  die  Müller  andererseits  sie  ab  oder  kauften 
nur  entsprechend  billig.  Schleswig-Holstein,  Medklenburg,  Pom- 
mern, die  Mark  Brandenburg  und  namentlich  Schlesien  hatten 
sehr  ungünstiges  Erntewetter  gehabt,  wälirend  Ost-,  Westpi^ußen 
und  Posen  besser  davongekommen  waren.  Auch  in  Rumänien 
war,  wie  man  befürdhtet  hatte,  der  Ertrag  der  Ernte  nur  klein 
ausgefallen;  die  Preise  hatten  für  Rübsen  mit  zirka  260  Mk. 
eingesetzt,  waren  aber  schnell  auf  250  Mk.  pro  t,  unverzollt  cif 


7.    rouragehandel    (Eauhfutterhandel). 


49 


Hamburg,  Kasse  bei  Ankunft,  zurückgegangen,  fanden  jedoch  erst 
später  bei  245  und  240  Mk.,  meist  bei  rheiniÄchen  Mühlen,  einige 
Beachtung.  Mehr  Interesse  brachte  man  der  russischen  Ernte  ent- 
gegen; als  aber  die  ersten  Ankünfte  südrussisdien  Rapses  in 
Antwerpen  und  Hamburg  sauer  und  erhitzt  waren,  wurde  man 
ängstlich  und  wandte  sich  mehr  dem  aus  Nordrußland  beginnen- 
den Angebot  zu.  Waren  die  nordrussischen  Oelsaaten  in  bezug 
auf  Reinheit  auch  nicht  einwandfrei,  so  waren  sie  doch  transport- 
fähig und  zeitweise  preiswert.  Das  ungemein  stille  Geschäft  in 
Rüböl  und  das  völlige  Aussetzen  des  Börsenterminhandels  ließen 
aber  dauernden  Erwerbungen  größeren  Umf  anges  selten  zu ;  Tooria^ 
Rapssaat  war  im  August  und  September  auf  260  Mk.  pro  t  und' 
auf  Abladung  im  Jan./Febr.  1914  auf  252  Mk.  pro  t,  unverzollt 
cif  Hamburg,   zurückgegangen. 

Im  Laufe  der  Monate  Oktober,  November  und  Dezember  ver- 
lief der  Saatmarkt  in  ruhiger  Stimmung,  die  Preise  zeigten  nur 
geringe  Sdiwankungen,  und  die  Fabrikanten  kauften  meist  nur 
das  Nötigste.  Kurz  vor  Schluß  der  Binnenschiffahrt  entwickelte 
sich  von  Schlesien  her  noch  ein  etwas  lebhafteres  Angebot  solcher 
Saaten,  die  seinerzeit  feucht  geerntet  und  schwer  verkäuflich 
wai-en,  zu  Lager  genommen  und  nun  trocken  und  transportfähig 
geworden  waren.  An  diesen  Saaten  war  viel  G-eld  verloren  ge- 
gangen. Ende  Dezember  forderte  man  für  schwimmende  Tooria- 
Rapssaat  256  .Mk.,  für  Ferozepore  Raps  Dez./Jan.  253  Mk., 
Jan./Febr.  und  Febr./März  252  Mk.  und  für  März/April  250 
Mark  pro  t,  unverzollt  cif  Hamburg,  alte  Londoner  Bedingungen. 

Von  den  indischen  Häfen  Kalkutta,  Bombay  und  Karrachee 
wurdeJi  im  Jahre  1913  nach  England  und  den  Häfen  des  euro- 
päischen Festlandes  227 125  t  verladen  gegenüber  206  025  t  im 
Jahre  1912,  246  975  t  im  Jahre  1911  und  373  570  t  Lm  Jahre 
1910.  Die  Verladungen  von  Rumänien,  Bulgarien  und  Rußland 
betrugen  im  Jahre  1913  53050  t,  im  Jahre  1912  42  350  t,  im 
Jahre  1911  29  245  t,  im  Jahre  1910  55  850  t. 


ViertesQuartal. 


Verladungs- 
mengen  der 
ausländischen 
Produktions- 
gebiete. 


7.  Fouragehandel  (Rauhfutterhandel). 

Der  Rauhfutterhandel  erlangte  im  Berichtsjahre  einen  ziem- 
lichen Umfang  und  wurde  in  der  Hauptsache  vom  Inlande  selbst 
versorgt;  denn  die  Landwirtschaft,  die  im  Herbst  des  Vorjahres 
ihre  Vorräte  festgehalten  hatte,  um  nicht  wieder  bei  schlechter 
Ernte  einem  Futtermangel  gegenüberzustehen,  kam  mit  reich- 
lichem Angebot  im  Frühling  heraus.  Das  Frühjahr  brachte  näm- 
lich füi'  Heu  und  Stroh  gute  Aussichten  und  hohe  Erwartungen, 
so  daß  die  Landwirtschaft  Futtermittel  für  den  Verkauf  frei- 
bekam. Dies  galt  besonders  für  Heu.  Stroh  war  im  Vorjahre 
besonders  viel  gewonnen  worden,  so  daß  man  allgemein  mit  einem 
großen  Angebot  rechnen  konnte.  Dieses  Angebot  wurde  aber  noch 
bei  weitem  größer  als  man  erwartet  hatte,  als  sich  die  Folgen 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  4 


Allgemeines. 


50        I.    Pflanzl.  Bohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

des  Balkankrieges  bemerkbar  machten.  Denn  die  Industrie  hatte 
(dorthin  nur  sehr  kleinen  Export,  wodurch  der  Bedarf  an  Papier 
sicsh  ganz  bedeutend  verringerte.  Die  Papierfabriken,  die  einen 
bedeutenden  Bedarf  an  Stroh  haben,  nahmen  die  gekauften  Stroh- 
quantitäten nicht  ab;  die  Läger  waren  überfüllt,  und  die  Folge 
davon  war,  daß  die  Strohgroßhändler,  die  mit  dem  gepreßten 
Stroh  nichts  anzufangen  'wußten,  den  Berliner  Markt  damit  über- 
schwemmten. Naturgemäß  wichen  die  Preise  für  Preßstroh 
immer  mehr,  so  daß  am  hiesigen  Markt  zum  Teil  zu  Preisen 
gehandelt  wurde,  zu  denen  in  normalen  Jahren  nicht  einmal  die 
Landwirtschaft  verkauft.  Das  Strohgeschäft  hatte  deshalb  be- 
deutende Verluste  aufzuweisen.  Weit  bis  in  den  November 
hinein  herrschte  in  Deutschland  mildes  Wetter,  so  daß  die  Land- 
wirte ihre  Feldarbeiten  lange  ausdehnen  konnten.  Dadurch' 
wurde  der  Ausdrusch  von  Getreide  verzögert,  und  das  Angebot 
überstieg  in  den  beiden  letzten  Monaten  des  Jahres  nicht  die 
Kachfrage.  Da  nicht  übermäßig  große  Quantitäten  herankamen, 
so  blieben  die  Preise  unbeeinflußt.  Der  Bedarf  an  Rauhfutter 
war  im  allgemeinen  nicht  sehr  groß,  so  daß  sich  das  Geschäft  nur 
träge  abwickelte.  Die  Ernte  in  Heu  ersten  Schnittes  war  bis 
auf  die  Havelniederungen,  wo  fast  nichts  gewachsen  war,  reich- 
lich,, da  der  Mai  und  Juni  günstiges  Wetter  hatten.  Jedoch  gegen 
Ende  Juni  setzte  eine  ziemlich  anhaltende  Regenperiode  ein, 
worunter  die  Qualität  der  Ware  litt.  Diese  Periode  sohlechten 
Emtewetters  hielt  bis  Mitte  August  an  und  verminderte  die 
guten  Aussichten  immer  mehr;  besonders  hat  die  Qualität  des 
Strohs  und  diejenige  des  Kleeheus  darunter  gelitten.  Als  aber 
von  Ende  August  ab  das  Wetter  anhaltend  trocken  war,  konnte 
noch  ein  gut  gewonnener  zweiter  Heuschnitt  hereingebracht 
werden.  Beim  zweiten  Schnitt  fielen  die  Niederungen  an  der 
Wartho  und  Netze  als  Lieferanten  für  Berlin  aus,  da  dort  sehr 
viel  Gras  durch  Hochwasser  verdorben  wurde.  Vom  Ausland  ist 
in  diesem  Jahr  wieder  Sch'weden  mit  gutem  Kleeheu  und  Ti- 
motheeheu  am  Berliner  Markt  gewesen,  während  Holland  sehr  ge- 
ringe Qualitäten  Wiesenheu  anbot  und  damit  nicht  gegen  hiesiges 
Heu  konkurrieren  konnte.  Das  dänische  Kleeheu,  welches  an 
den  Berliner  Markt  kam,  war  zum  Teil  stark  mit  Raygras  ver- 
mischt und  daher  nicht  wie  sonst  in  Qualität  vor  inländischem 
Kleeheu  bevorzugt.  Mit  kleinen  Schwankungen  hielten  sich  die 
Preise  für  Heu  fast  während  des  ganzen  Jahres  auf  ungefähr 
gleicher  Höhe,  während  Stroh  und  damit  auch  im  Zusammen- 
hang Häcksel  starke  Preisrückgänge  zu  verzeichnen  hatten.  In 
Iden  letzten  Tagen  des  Berichtsjahres  machte  sich  Mangel  an 
Stroh,  Heu  und  Häcksel  bemerkbar,  da  keine  großen  Läger 
vorhanden  waren. 
Preis-  Ueber   die   Preisbewegung    im   Rauhfutterhandel   geben   wir 

die  nachstehende  Uebersicht,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  die  an- 


7.     Fouragehandel    (Eauhfutterhandel).  51 

gegebenen  Preise  sicii  durcliweg  pro  1000  kg  in  Waggonladungen 
frei  Berliner  Bahnhöfe  verstehen. 

Die    Preise    ffür    Kleeheu    und    Timotheeheu     ausländischer  Hea. 

Herkunft  betrugen  zu  Anfang  des  Jahres  bei  starker  Zufuhx 
und'  schwacher  Nachfrage  8  bis  8,50  Mk.  (9,50  bis  10,50  Mk.  im 
Vorjahre).  AViesenheu  kostete  5,20  bis  6  Mk.  (7,40  bis  8,40  Mk. 
ün  Vorjahre).  Als  die  Feldarbeiten  begannen,  ließ  die  Zufuhr 
in  gutem  Wiesenheu  nach,  und  seine  Preise  stiegen,  während  Klee- 
und  Timotheeheu  weiter  zu  gleiöhen  Preisen  angeboten  waren. 
Pur  Wiesenheu  mußte  5,40  bis  6,40  Mk.  bezahlt  werden.  Erst 
im  April  wurde  das  Geschäft  in  inländischem  Heu  lebhafter, 
und  es  wurde  für  gutes  Wiesenheu  bis  6,50  Mk.  bezahlt.  Im 
Mai  zogen  die  Preise  für  Wiesenheu  weiter  an,  bis  6,60  Mk. 
(8,60  Mk.  ina  Vorj.).  Als  Mitte  Juni  neues  Heu  ersten  Schnittes 
an  den  Markt  kam,  gingen  die  Preise  für  dieses  Heu  auf  5,20  bis 
5,60  Mk.  zurück  (5,20  bis  5,60  Mk.  im  Vorj.),  jedoch  hielt  das 
Angebot  von  neuem  Heu  nicht  lange  an,  denn  das  Wetter  wurde 
im  Juli  sehr  ungünstig,  so  daß  das  Heu  nicht  ordentlich  ausgeheut 
wei^den  konnte.  Die  Preise  stellten  sich  daher  im  Juli  auf  5,20 
bis  6  Mk.  (5,20  bis  5,60  Mk.  im  Vorj.).  Neues  inländisches  Klee- 
heu, Timotheeheu,  wurde  mit  6,80  bis  7,60  Mk.  (6  bis  6,50 
Mark  im  Vorj.)  bezahlt.  Das  schlechte  Wetter  hielt  bis  Mitte 
August  an,  so  daß  Knappheit  ia  E.auhf utter  eintrat ;  jedoch  wirkte 
dies  nicht  weiter  auf  die  Preisstellung,  da  der  Bedarf  des  Kon- 
sums zu  gering  war.  Die  durch  das  anhaltend  schlechte  Wetter 
im'  Juli  und  August  hervorgerufene  Verzögerung  der  Emtearbei- 
ten  veranlaßte  eiae  ziemlich  geringe  Zufuhr,  so  daß  in  inländi- 
scher Ware  Mangel  eintrat,  der  aber  durch  die  Zufuhr  vom 
Auslande  ausgeglichen  werden  konnte,  so  daß  die  Preise  auch 
weiter  unverändert  blieben.  Vor  dem  Eiatritt  der  Kartoffelernte, 
die  durch  das  günstige  Herbstwetter  sehr  gefördert  wurde  und 
sehr  große  Erträge  brachte,  kam  noch  einmal  eine  größere 
.Zufuhr  an  Heu  heran,  weil  sich  inzwischen  die  Aussichten  für 
•den  zweiten  Schnitt  ebenfalls  günstig  gestaltet  hatten.  Die 
Preise  waren  damals  für  Wiesenheu  5,40  bis  6,60  Mk.  (5  bis 
6  Mk.  im  Vorj.)  und  für  Klee-  und  Timotheeheu  6,80  bis  8  Mk. 
(7  bis  7,50  Mk.  im  Vorj.).  Als  die  Hauptarbeiten  der  Kartoffel- 
ernte beendet  waren,  kam  Heu  wieder  in  stärkerem  Umfange 
heran;  die  Preise  hielten  sich  aber  auf  gleicher  Höhe.  Im  De- 
zember war  die  Zufuhr  an  inländischem  Heu  geringer,  da  die 
Witterung  für  die  Verladung  ungünstig  war.  Die  Preise  stellten 
sich  in  der  zweiten  Hälfte  des  Dezember  für  Wiesenheu  auf 
5,40  bis  6,80  Mk.  (5,20  bis  6  Mk.  im  Vorj.^),  für  Kleeheu  auf 
6,80  bis  7,80  Mk.  (8  bis  8,50  Mk.  im  Vorj.)  und  für  Timotheeheu 
auf  7,40  bis  8,40  Mk.  (8  bis  8,50  Mk.  im  Vorj.). 

In  Berlin  wird  im  Handel  fast  nur  Üoggenstroh  gebraucht,  stroh. 

wobei  man  Plegeldruschstroh  (Handdrusch),  Maschinendruschstroh 

4* 


52        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

mit  Strohband  gebundeii,  amd  Preßstroh,  in  Quadratb allen  mit 
Dnalit  gebunden,  zu  unterscheiden  bat.  Die  folgenden  Preise  sind 
für  diese  Sorten  immer  in  dieser  Reihenfolge  zu  verstehen.  — 
Flegelstroh  war  im  ganzen  Jahre  durchweg  knapp,  da  die  Land- 
wirtsdiaft  immer  mehr  mit  Maschinen  drisöht  und  das  Stroh 
einpreßt.  Die  Preise  waren  bei  normaler  Zufuhr  im  Januar 
4,10  bis  4,50  Mk.,  3,40  bis  3,80  Mk.,  3,20  bis  3,60  Mk.  (5,20  bis 
5,60  Mk.,  4,80  bis  5,30  MJc.,  4  bis  4,20  Mk.  im  Vorj.).  Im  Februar 
gingen  die  Preise  infolge  sehr  starker  Zufuhr  zurück  auf  4  bis 
4,40  Mk.,  3,20  bis  3,60  Mk.,  3,10  bis  3,30  Mk.  Die  Zufuhr  in 
Flegeln  und  Maschinenstroh  wurde  dann  geringer,  während  Preß- 
stroh andauernd  stark  und  über  Bedarf  zugeführt  wurde.  Diese 
starke  Zufuhr  hielt  bis  zuj^  neuen  Ernte  an,  und  während  sich 
diei  Preise  für  Flegelstroh  und  Maschinenstroh  auf  gleicher  Höhe 
hielten,  ging  Preßstroh  andauernd  zurück.  Im  Mai  kostete  Preß- 
stroh 2,90  bis  3,10  Mk.,  im  Juni  uad  Juli  nur  noch  2,40  bis 
2,80  Mk.,  um  nach  kurzem  Stillstand  der  Preise  im  September 
den  niedrigsten  Preis  von  2,20  bis  2,50  Mk.  zu  erreichen.  Die 
Preise  des  Vorjahres  waren  im  September  für  Flegelstroh  4,40 
bis  4,80  Mk.,  für  Maschinenstroh  3,60  bis  4  Mk.  und  für  Preß- 
stroh 3,20  bis  3,80  Mk.  Während  der  Kartoffelernte  erholten 
sich  die  Preise  für  Preßstroh  auf  2,40  bis  2,80  Mk.  und  hielten 
sich  auf  dieser  Höhe  bis  zum  Schlüsse  des  Berichtsjahres. 
HackseL  Untei'  Häcksel  (Pferdehäcksel)  wird  im  Berliner  Handel  kurz- 

gesciinittenes  itoggenstroh,  staub-  und  stoppelfrei  gesiebt,  ver- 
standen. Die  Preise  waren  zli  Anfang  des  Jahres  bei  starker 
Zufuhr  4,20  bis  4,70  Mk.  (4,80  bis  5,20  Mk.  im  Vorj.).  Im 
Februar  wurde  die  Zufuhr  immer  stärker,  so  daß  die  Läger  über- 
füllt waren  und  die  Ankünfte  auf  den  Bahnhöfen  sozusagen  zu 
jedem  Preise  verkauft  werden  mußten.  Es  wurde  bezahlt  3,60  bis 
4  ^ik.  (4,80  bis  5,20  Mk.  im  Vorj.).  Bei  Beginn  der  Feldarbeiten 
kam'  weniger  Ware  heran,  aber  die  Preise  waren  wenig  verändert, 
da  im  Strohhandel  rückgängige  Konjunktur  herrschte.  Mit  kurzer 
Unterbrechung  im  Mai,  wo  die  Ware  knapper  war,  gingen  die 
Preise  im  Juni  und  Juli  auf  3  bis  3,50  Mk.,  im  August  sodann 
auf  2,80  bis  3,30  Mk.  zurück  (5,60  bis  6  Mk.  und  4,30  bis  4,60 
Mark  im  Vorj.).  Wahrend  der  Kartoffelernte  und  der  Feldarbeiten 
wurde  Häcksel  sehr  knapp,  so  daß  die  Preise  sich  erholen  konnten 
und  auf  3,20  bis  3,60  Mk.  stiegen  (4,30  bis  4,60  Mk.  im  Vorj.). 
Diese  Preise  blieben  unverändert  bis  zum  Ende  des  Berichtsjahres. 

8.  Flachs-  und  Hanfhandel. 

Piachs.  Infolge    der    lebhaften  Nachfrage    nach    Flachsgarnen,    ins- 

besondere für  schwere  Ware,  war  auch  der  Bedarf  an  itohflaöhs 
ßehr  groß  und  der  Flachshandel  im  allgemeinen  lebhaft.  Die 
Preise  hielten  sich  mit  nur  geringen  Schwankimgen  auf  einem 
mittleren    Niveau    und   ließen    sowohl   Produzenten   wie  Konsu- 


9.  Hopfenhandel.  53 

menten  guten  Nutzen.  Auch  für  die  neue  Saison  machte  sich  Ende 
September  bereits  lebhafte  Kauflust  bemerkbar.  Die  guten 
Ernteberichte  lassen  wieder  ein  lebhaftes),  nutzbringendes  Gre- 
schäft    erwarten. 

Im     Januar    des   Berichtsjahres   kamen   bereits    kleiae   Zu-  Hanf, 

fuhren  russischen  Hanfes  der  neuen  Winterei-nte  1912  an  den 
Markt.  Die  Qualitäten  der  Hanfe  fielen  zwar  im  allgemdinen 
gut  aus,  entsprachen  aber  doch  nicht  den  gehegten  Erwartungen. 
Für  prima  Mittellagen  mit  30o/o  Paß  zahlte  man  81  Mk.,  für 
Malestowker  ebenfalls  mit  30%  Paß  79  Mk.,  für  Karatschewer- 
hänfe  75  Mk.,  und  für  Streymelhänfe  73  Mk.  pro  100  kg,  franko 
Berlin.  Die  Preise  behaupteten  sich  bis  gegen  April  und  es  wurde 
in  der  Zeit  viel  gekauft.  Als  dann  die  englische  Marineverwal^ 
tung  ihren  Bedarf  an  russischem  Hanf  deckte  und  die  noch  vor- 
handenen Bestände  in  zweite  Hand  übergingen,  erhöhten  sich  die 
Preise  in  schnellem  Tempo  bis  auf  3  Mk.  pro  100  kg.  Diese 
Preissteigerung  war  jedoch  nur  vorübergehend,  denn  als  im  Juli 
die  neue  Sommeremte  gehandelt  wurde,  nahmen  die  Preise  üiren 
vorherigen  Stand  wieder  ein.  Mit  dem  neuen  Hanf  war  man  sehr 
zufrieden,  die  Faser  war  hellfarbig,  kräftig  und  geschmeidig. 
In  der  Zeit  von  August  bis  Dezember  blieb  die  Marktlage  un- 
verändert unxd  die  Absätze  waren  in  allen  Gegeliden  bedeutend. 

9.  Hopfen. 

Das  Geschäft  in  1912er  Ware  entwickelte  sich  weiter  in 
ruhigen  Bahnen.  Die  Brauereien  haben  sich  bei  mäßigen  Preisen 
st^rk  über  Bedarf  eingedeckt.  Im  Frühjahr  zogen  die  Preise 
etwas  an,  weil  prima  Ware  recht  selten  wurde,  und  sie  hielten 
sich  fortwährend  auf  der  Höhe,  trotzdem  die  Emteaussichten 
damals  noch  die  besten  waren.  Erst  im  Sommer,  als  durch  an^ 
haltendes,  ungünstiges  Wetter  die  Hoffnungen  sich  zu  trüben 
begannen,  fingen  die  Preise  für  die  ohinehia  geringen  Lager- 
bestände wieder  an  zu  steigen  und  wiesen  schließlich  gegen  die 
Herbstnotierungen  eine  Spannung  von  30 — 40  Mk.  auf.  Die  Be- 
richte über  die  zu  erwartende  1913er  Ernte  gingen  in  ihren 
Sdiätzungen  weit  auseinander,  wenngleich  sie  alle  darin  über- 
einstimmten, daß  ein  erheblich  geringerer  Ertrag  als  1912  zu 
erwarten  sei.  Wälirend  der  Ernte  erst  wurde  man  gewahr,  daß 
das  Erträgnis  auch  noch  hinter  den  Erwartungen  der  pessimisti- 
schen Schätzungen  zurückblieb.  Naturgemäß  stiegen  die  For- 
derungen der  Produzenten  von  Tag  zu  Tag  und  sie  wurden  vom 
Handel  bewilligt,  weil  sich  dieser  baldmöglichst  ia  den  Besitz 
der  raren  prima  Qualitäten  zu  setzen  suchte.  Die  Brauereien,  be- 
einflußt durch  Zeitungsartikel  und  sonstige  Faktoren,  uud  nicht 
zum  wenigsten  durchs  das  Bewußtsein,  sich  im  Besitz  von  weit- 
reichenden. Vorräten  1912er  Hopfens  zu  befinden,  verhielten  sich 
bis  Mute  Oktober  abwartend  und  haben  während  der  haussieren- 


54        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

den  Tendenz  sehr  wenig  gekauft.  Seit  ungefähr  Mitte  Oktober 
ist  Rulie  eingetreten  und  die  Jagd  nach  guter  Ware  hat  im 
Handel  nachgelassen.  Aber  trotzdem  sind  die  Preise  nicht  nennen.s- 
wert  gewichen  und  die  Marktumsätze  weisen  Tag  für  Tag  ganz 
ansehnliche  Ümsatzziffern  auf.  Die  Produktionsplätze  der  her- 
vorragendsten Provenienzen  sind  mehr  oder  weniger  geleert,  die 
beste  Ware  ist  in  festen  Händen.  Allmählich  bekehren  sich  auch 
die  Brauereien  zu  der  Einsicht,  daß  mit  dem  langen  Zuwarten, 
angesichts  des  Mangels  an  prima  Ware,  nicht  viel  erreicht 
werden  kann,  und  da  sich  der  Handel  entgegenkommend  zeigt, 
ist  es  bereits  zu  zahlreichen  Abschlüssen  größeren  Ümfangs  ge- 
kommen. Immerhin  dürfte  sich  das  Geschäft  in  dieser  Kampagne 
bis  zum  Frühjahr  hinziehen.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die 
Preise  so  stark  nadhlassen  werden,  wie  mancher  glaubt.  Durch 
das  Vorrücken  der  Qualitäten  ist  fast  eher  eine  Aufwärtsbswe- 
gung  zu  erwarten. 

10.    Kunst-  und  Handelsgärtner  ei  ^). 
Topfpflanzenkulturen. 
Topfoflanzen-  Das    Geschäft    in    Topfpflanzen    verlief    in    den   ersten    drei 

Monaten  1913  befriedigend.  Das  Pflanzenmaterial,  welches  in 
den  Treibereien  herangebracht  wurde,  fand  Absatz,  besonders 
in  marktfähiger  Ware ;  Schau-  und  größere  Kulturpflanzen  wai'en, 
wie  stets,  schwer  verkäuflich.  Größere  Blattpflanzen  waren  wieder 
wie  in  den  Vorjahren  vernachlässigt,  dagegen  wurden  Farne 
reichlich  verbraucht.  Vor  einigen  Jahren  hatte  es  den  Anschein, 
als  würden  Treibgehölze  mehr  Aufnahme  finden;  diese  Hoffnung 
hat  sich  aber  leider  nicht  erfüllt.  Die  Treiberei  beschränkte 
sich  auf  die  altbewährten  Sachen,  wie  Flieder,  Sdineeball,  Pininus, 
Deutzia  usw.  Ein  neuer  Artikel  für  die  Treiberei  sind  die  aus 
Frankreich  eingeführten  Hortensien,  welche  gern  Abnehmer 
finden.  In  krautigen  Frühjahrsblühern,  wie  Cinerarien, 
Calceolarien,  englischen  Pelargonien  usw.,  war  das  Geschäft  leb- 
haft; die  Pflanzen  waren  bei  dem  gelinden  Wetter  besonders  gut 
entwickelt.  Der  Geschäftsgang  in  Balkon-  und  Gruppenpflanzen 
war  gut,  die  großen  Vorräte  in  den  Gärtnereien  wurden  geräumt, 
obgleich  höhere  Preise  nicht  zu  erzielen  waren.  Das  Bepflanzen 
•vlon  Baikonen,  öffentlichen  Plätzen,  Straßen,  Friedhöfen  und 
Privatgärten  nimmt  viel  Pflanzenmaterial  auf.  Hierdurch  wird 
das  Geschäft  in  jeder  Weise  g-ünstig  beeinflußt.  An  den  dies- 
jährigen Jubiläums  tagen  wurden  gleichfalls  viele  Pflanzen  zur 
Dekoration  verbraucht.  Im  Juli  setzte  die  G^schäftsstille  ein, 
die  auch  bis  in  den  Herbst  hiaein  nicht  weichen  wollte.  Die 
Ursache  waren  die  Balkanwirren,  die  allgemeine  Geldknappheit 
und  die  Lebensmittelteuerung.    Auch  sonst  brachte  das  Geschäft 


1)  Bericht  der  Deutschen  Gartenbau- Gesellschaft. 


10.    Kunst-  und  Handelsgärtnerei. 


55 


nicht  viel  Erfreuliches.  —  Die  Zwiebeltreiberei  ließ  viel  zu 
wünschen  übrig.  Das  Fr^ühjahrsgeschäft  staute  sich  an  und  w^ar 
in  der  kurzen  Saison,  die  das  warme  Wetter  mit  sich  brachte, 
kaum  zu  bewältigen,  doch  trat  danach  eine  fast  völlige  Ruhe 
ein  und  die  Ware  blieb  unverkauft.  Eine  kleine  Abwechslung 
brachten  für  einzelne  Geschäfte  die  Jubiläumsfeiern.  Sohnitlr 
blumen,  besonders  Chrysanthemum,  waren  in  so  redchlichen  Mengen 
vorhanden,  daß  mit  einem  normalen  Absatz  nicht  zu  rechnen 
war.  Das  Herbstgeschäft,  besonders  in  Eriken,  brachte  Ueber- 
raschungen;  große  Posten  mußten  —  dem  Verblühen  •  nahe  — 
zu  ganz  niedrigen  Preisen  abgesetzt  werden;  zum  Schluß  der- 
Saison  war  aber  gute  Handelsware  wieder  sehr  gefragt. 

Abgeschnittene  Blumen. 

Das  verflossene  Jahr  hatte  an  Schnittblumen  bedeutendere 
Mengen  gezeitigt  als  in  früheren  Jahren.  Es  ist  sowohl  an 
deutschen  Schnittblumen  stets  Ueberfluß  vorhanden  gewesen,  wie 
auch  in  den  Wintermonaten  an  importierten  Schnittblumen  des 
Auslandes.  Die  Folge  dieser  Ueberflutung  des  deutschen  Marktes 
waren  die  niedrigen  Preise  und  das  andauernd  schleppende  Ge- 
schäft, da  die  vielen  vorhandenen  Mengen  nicht  gut  unter- 
zubringen waren.  Die  importierten  Blumen  waren  bis  Ende  Mai 
KU  reichlich  vorhanden,  sowohl  die  von  der  Riviera  wie  solche 
Von  Holland,  so  daß  die  deutsche  Produktion  großen  Schaden 
dadurch  erleiden  mußte,  weil  die  Preise  nicht  gehalten  werden 
konnten,  die  zur  günstigen  Fortentwicklung  der  deutschen  Pro- 
duktion notwendig  sind.  Schleuderpreise  waren  an  der  Tages- 
ordnung. Selbst  der  für  die  deutsche  Produktion  noch  günstige 
Herbst  ließ  keine  Erholung  des  Marktes  zu,  da  trotz  der"  un'- 
günstigen  Geschäftslage  die  ausländischen  Blumen  frühzeitig  ein- 
trafen und  schon  in  Konkurrenz  traten,  ehe  der  Blumenflor  in 
Deutschland  geringer  wurde,  so  daß  im  allgemeinen  das  Jahr 
als  ungünstig  zu  bezeichnen  ist. 

Orchideen. 

Der  Bedarf  an  Orchideenblumen  steigert  sich  von  Jahr  zu 
Jahr,  und  es  ist  oft  nicht  möglich,  der  Nachfrage  Rechnung  zu 
tragen.  Der  Import  der  Cattleyen,  welche  neben  den  Oncidien 
am  üieisten  verlangt  werden,  wird  immer  schwieriger.  Durch  die 
Aufnahme,  welche  die  Orchideen  in  den  Vereinigten  Staaten  ge- 
nommen haben,  werden  zuviel  Pf lanzen  in  den  Tropen  eingesammelt, 
für  deren  Entwicklung  es  besser  wäre,  daß  sie  noch  einig©  Jahre 
länger  dort  wüchsen.  Die  Pflanzen  sind  daher  meistens  sehr 
schwach  und  geben  infolgedessen  in  den  ersten  Jahren  keinen 
vollen  Ertrag.  Auch  sind  die  Preise  für  frische  Pflanzen  uni 
mindestens  30  o/o  gestiegen.  Es  ist  trotzdem  sehr  schwierig,  die 
geforderten  Mengen  aus  den  Tropen  zu  erhalten.   Dies  trifft  noch 


Abgeschnittene 
Blumen. 


Orchideen. 


56        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

mehr  auf  dies'  Oncidien  zti,  welche  ijn  letzten  Jahre  so  gut 
wie  gar  nicht  zu  haben  waren.  Auch  in  Rußland  ist  die  Nach- 
frage bedeutend  größer  geworden,  was  auf  den  allgemeinen  Markt 
natürlich  Eindruck  macht.  Es  sind  in  den  letzten  Jahren  be- 
deutend mehr  Orchideen  kultiviert  worden;  da  man  aber  diese 
Pflanzen  nicht  so  leicht  vermehren  kann  wie  andere  Schnittblumen 
und  die  Anschaffungskosten  sehr  hoch  sind,  so  wird  es  darin  nicht 
so  leicht  eine  Ueberproduktion  geben.  Der  Nachzucht  aus  Samen 
wird  immer  mehr  Aufmerksamkeit  geschenkt,  und  es  sind  schon 
recht  schöne  Resultate  damit  erzielt  worden.  Um  dieses  Ver- 
fahren aber  im  großen  Stile  betreiben  zu  können,  bedarf  es 
erheblicher  Mittel;  denn  um  einen  vollen  Ertrag  aus  Sämlings- 
pflanzen zu  erhalten,  bedarf  es  einer  sechsjährigen  Kultur.  Trotz- 
dem werden  bereits  in  beträchtlicher  Anzahl  Orchideensämlings- 
pflanzen auf  den  Markt  gebracht,  jedoch  zieht  der  Blütner  eine 
großblumige  Stammform  der  Hybride  vor.  Der  Umsatz  in 
Orchideenpflanzen  steigt  nur  sehr  langsam,  da  der  hohe  An- 
schaffungswert der  Pflanzen  das  große  Publikum  davon  abhält, 
sich  größere  Bestände  zuzulegen;  ein  weiterer  Hinderungsgrund 
liegt  wohl  auch  darin,  daß  die  Kultur  der  Orchideen  den  wenigsten 
Gärtnern  bekannt   ist. 


Baumschul- 
artikel. 


Blume  u- 
binderei. 


Baumschulartikel. 

Das  Baumschulengeschäft  war  im  Jahre  1913  zufrieden- 
stellend. Allerdings  machte  sich  der  allgemeine  schlechte  Ge- 
schäftsgang und  Geldmangel  etwas  fühlbar;  langes  Ziel  und 
noch  langsamere  Eegulierung  sind  die  bekannten  ]\lißstände. 
Das  Prüh Jahrsgeschäft  setzte  infolge  des  günstigen  Wetters 
zeitig  und  lebhaft  ein,  hätte  sich  aber  noch  viel  besser  entwickelt, 
•wenn  nicht  vorzeitig  die  große  Wärme  eingetreten  wäre,  die 
bald  zur  Einstellung  des  Versandes  zwang.  Obstbäume  in  allen 
Formen  und  Obststräucher  wurden  sehr  gefragt  und  einzelne 
Gattungen  ziemlich  geräumt.  Zierbäume  in  Laub-  wie  in  Nadel- 
Ihölzerii  wurden  nur  mäßig  verlangt.  Dagegen  fanden  Zier- 
sträucher,  namentlich  gewöhnliche  billige  Sachen,  guten  Absatz, 
desgleichen  Heckenpflanzen.  Das  Geschäft  in  Alleebäumen  war 
befriedigend.  Rosen  blieben  infolge  des  günstigen  Winters  und 
der  vorzeitigen  Wärme  viel  unverkauft.  Das  Herbstgeschäft 
entwickelte  sich  fast  in  denselben  Bahnen  wie  im  Frühjahr,  nur 
daß  nach  Ziergehölzen  weniger  Nachfrage  war;  sonst  aber  be- 
friedigte es,  obgleich  es  nicht  ganz  die  Höhe  des  Vorjahres  er- 
reichte. Infolge  des  ungünstigen  Winters  wurden  die  Versand- 
arbeiten sehr  gefördert. 

Blumenbinderei. 

Die  Blumenbinderei  hat  im  verflossenen  Jahre  keinen 
größeren  Umfang  angenommen.   Durch  die  schlechte  Konjunktur 


10.    Kunst-  und  Handelsgärtnerei.  57 

ist  diese  Branche  am  meisten  in  Mitleidenschaft  gezognen  worden, 
und  wenn  im  vorigen  Jahre  schon  über  schlechten  Geschäftsgang 
im  allgemeinen  geklagt  wurde,  so  fand  dies  im  Berichtsjahre 
seine  Fortsetzung.  Namentlich  trug  hierzu  die  übergroße  Aus- 
dehnung und  Zulassung  des  Straßenhandels  bei.  In  keinem'  Jahre 
vorher  haben  so  viele  Blumengeschäftsinhaber  ihre  Geschäfte 
schließen  müssen  wie  im  verflossenen.  Ein  Lichtblick  waren  im 
vergangenen  Jahre  die  Festdekorationen  anläßlich  des  Regierungs- 
jubiläums Seiner  Majestät  des  Deutschen  Kaisers.  Auch  das 
Geschäft  in  Balkondekorationen  verlief  noch  einigermaßen  be- 
friedigend; eigentliche  Bindereien  aber  wurden  nicht  in  dem 
Maße  wie  früher  g^ecfordert,  was  auf  die  fortlaufende  Preiserhöhung 
der  Lebensmittel  usw.  zurückzuführen  ist.  An  Material  stand 
im  gesamten  Jahre  eine  überaus  große  Auswahl  der  schönsten  und 
herrlichsten  Blumen,  Pflanzen  und  Früchte  zur  Verfügung;  ganz 
besonders  gibt  sich  die  deutsche  Gärtnerei  große  Müüe,  den 
Blumengeschäftsinhaber  mit  langstieligem  und  gebrauchsfertigem 
Material  zu  versehen.  Das  Geschäft  in  Kränzen  und  Trauer-; 
arrangements  blieb  in  der  Anzahl  der  geforderten  Objekte  ziem- 
lich auf  derselben  Höhe  wie  im  Vorjahre,  jedoch  wurden  viel- 
fach nicht  die  Preise   froherer  Jahre   angelegt. 

Diese  Ausführungen  finden  in  folgendem  zweiten  Bericht 
manche   Ergänzungen: 

Die  Geschäftslage  ist  im  Verhältnis  zum  Vorjahre  weseat- 
lich  ungünstiger  geworden.  Die  eingegangenen  Berichte  bekunden 
übereinstimmend  einen  Rückgang  der  Umsätze  und  zwar  nament- 
lich im  Herbste,  zu  welcher  Zeit  man  sonst  mit  einer  starklein 
Wiederbelebung  des  im  Sommer  stillen  Geschläftes  rechnet.  Nament- 
lich sind  die  Umsätze  zu  Allerheiligen  bzw.  zum'  Totenfeste 
ganz  erheblich  hinter  dem  Vorjahre  zurüdkgeblieben.  Die  Früh- 
jahrssaisoiL  und  das  Balkonpflanzengeschäft  waren  im  allgemeinen 
befriedigend,  wie  sich  auch  die  Preisverhältnisse  in  normalen 
Bahnen  bewegten.  Die  Blumengeschäfte  im  sogenannten  feinen 
Westen  und  in  den  westlich'en  Vororten  haben  infolge  der  oft 
monatelangen  Abwesenheit  zahlungsfähiger  Kunden,  namentlich 
in  jden  Sommermonaten,  einen  ganz  erheblichen  Einnahmeausfall 
der  sich,  wie  es  den  Anschein  hat,  selbst  nicht  durch  einen  guten 
Umsatz  in  den  Wintermonaten  ausgleichen  will.  Auffallend  ist, 
daß  das  Publikum  weniger  teuere  Sachen  bestellte  als  in  früheren 
Jahren.  Die  Geschäfte  in  der  Nähe  der  Friedhöfe  klagten  auch 
im  verflossenen  Jahre  über  die  Konkurrenz  der  Friedhofsgä,'rtneir, 
welche  unter  günstigeren  Bedingungen  produzieren  und  verkaufen 
als  die  Blumengeschäfte.  Die  Jubiläumsfestliohkeiten,  die  Hoch- 
zeit im  Kaiserhäuse  und  verschiedene  Todesfälle  hervorragender 
Persönlichkeiten  brachten  den  ersten  Geschäften  viele  und  auch 
gute  Aufträge.  Sehr  groß  ist  selbst  den  ersten  Blumengeschäften 
der  Ausfall,   der  durch   die  Konkurrenz  des  Straßenhandels  ent- 


58        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

steht.  Der  Gelegenheitskauf  von  Blumen  ist  dadurch  in  den 
Blumengeschäften  außerordentlich  zurückgegangen.  Es  tritt  iu- 
folgedessen  mehr  und  mehr  eine  Entfremdung  des  Publikums 
von  den  Blumengeschäften  ein.  Ein  Rückgang  im  Umsatz  in 
der  Trauerbinderei  ist  auch  infolge  der  zunehmenden  Feuer- 
bestattung zu  verzeichnen.  Eine  Besserung  könnte  erzielt  werden, 
wenn  die  Feuerbestattungs-Anstalten  der  im  Publikum  vielfach 
verbreiteten  Ansicht  entgegentreten  würden,  daß  bei  der  Feuer- 
bestattung Kranzspenden  nicht  zulässig  sind.  Der  Weiluiachts^ 
und  Sylvesterumsatz  war  besser  als  man  erhofft  hatte,  jedoch 
liegen  audi  Berichte  vor,  daß  die  Umsätze  das  Vorjahr  nicht 
erreicht   haben. 

Dekoration. 

Dekoration.  Das  Dekorationsgeschäft  hat  im  Jahre  1913  in  gleicher  Weise 

wie  in  den  Vorjahren  wenig  Aenderung  erfahren.  Das  .Regierungs- 
jubiläum Sr.  Majestät  des  Kaisiers'  bot  Veranlassung,  durch 
Schmückung  von  Häuserfronten,  Schaufensterdekorationen  und 
Festversammlungen  die  gärtnerischen  Pflanzenbestände  einmal 
wieder  voll  zur  Geltung  zu  bringen.  Der  ausnahmsweise  günstige 
Herbst  erleichterte  den  Austausch  der  Sommerdekoration  gegen 
Winterdekoration.  Tannen,  Koniferen  in  kleinerer  und  mittlerer 
AVare  waren  leicht  zu  beschaffen,  während  es  an  höheren  mangelte. 
Es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  das  Bedürfnis  des  großen  Publikums, 
sei  es  aus  freudigen  oder  traurigen  Veranlassuilgen,  einen  Blumen- 
und  Pflanzenschmuck  zu  haben,  immer  größer  wird,  so  daß  be- 
hauptet werden  kann,  daß  die  Dekorationsgärtnerei  an  Umfang 
zugenommen  hat.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  aufgewendeten 
Mitteln.  Es  gehört  zu  den  Seltenheiten,  daß  Äiittel  bewilligt 
werden,  welche  eine  künstlerische  Aufmachung  ermöglichen,  der 
Preis  ist  meistens  gedrückt.  Erfreulich  zu  bemerken  ist,  daß  von 
namhaften  Firmen  an  Stelle  der  früher  üblichen  Lorbeerkrone  jetzt 
mehr  Lorbeerpyramiden  und  insbesondere  Palmen  Verwendung 
finden,   welche  den  Dekorationen   mehr  Ausdruck   verleihen. 


Getrocknete 

Blumen  und 

Gräser. 


Getrocknete  Blumen  und  Gräser. 

Ziergräser  und  Immortellen  sind  nicht  bloß  der  Witterung, 
sondern  hauptsächlich  der  Mode  unterworfen.  Mit  einem  Wort, 
beide  Artikel  in  üiren  verschiedenen  Arten  sind  unmodern  ge- 
worden und  werden  nur  wenig  begehrt.  Alle  Neuheiten  und  Er- 
rungei) Schäften  auf  diesem  Gebiete,  wie  sie  in  den  letzten  fünf- 
undzwanzig Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  entdeckt  und  an- 
gebaut wurden,  sind  im  ersten  Dezennium  des  20.  Jahrhunderts 
üacih,'  und  nach  außer  Kurs  gesetzt  worden.  Die  Damenputzbranclie 
hat  in  diesem  Jahre  nur  HeUchrysum,  naturfarbig,  und  Stippa 
penn  ata  (Federgras),  gefärbt,  gekauft  und  verwendet,  letzteres 
als  Ersatz  für  Eeiherfedem.    Für  Kranzbindereien  wurde  Statice 


10.    Kunst-  und  Handelsgärtnerei. 


59 


tatarica  und  St.  siiiuata  verlangt.  Infolge  der  sdhlechten  Ernte 
waren  die  Vorräte  gering;  mithin  konnten  vorjährige  Bestände 
verwertet  werden.  Die  Preise  haben  sich  nioht  geändert.  Die 
französische  Immortelle  (Gnaphalium  orientalis)  wurde  trotz  des 
um  ca.  30  o/o  gestiegenen  Einkaufspreises  verlangt  und  auch  ver- 
wendet. Der  Preis  ist  zurzeit  so  hoch  wie  nie  zuvor.  Die  präpa- 
rierten Cycaswedel,  ebenso  Islandmoos  sind  bei  guter  Qualität 
noch  immer  beliebt  bei  gleichen  Preisen  wie  im  Vorjahre.  Die 
frostfiieie  Witterung  bis  in  den  Dezember  hinein  läßt  ein  Ge- 
Bclhäft  mit  obigen  Waren  kaum  erwarten;  importierte  frische 
Blumen  bebierrschen  den  Berliner  Markt. 

Samenhandel. 

Der  Samenbandel  war  im  Jahre  1913  ganz  grundverschieden  Samenhandel, 
von  dem  in  den  anderen  Jahren.  Die  Preise  waren  zum  Teil 
niedriger  als  im  vergangenen  Jahre,  doch  war  die  Qualität  recht 
minderwertig,  da  die  Ernte  durdh  den  nassen  Herbst  von  1912 
sehr  gelitten  hatte  und  speziell  Astemsamen  fast  gänzlich  un- 
keimfäbig  waren.  Das  Geschäft  war  im  allgemeinen  in  Anbe- 
tracht der  schlechten  Geschäftslage  recht  mäßig  und  es  wurde 
dahier  nur  das  Notwendigste  gekauft.  Besonders  durch  die  all- 
gemeine schlechte  Gesohäitslage  haben  die  Gärtnereibesitzer  wenig 
Umsatz  gehabt,  und  es  wurde  daher  auch  in  Blumen  nur  das  ge- 
kauft, was  dringend  erforderlich  war.  Die  Außenstände  gingen  sehr 
schleppend  ein,  und  deshalb  waren  auch  die  Tagespreise  der 
Blumen  durch  den  Nichtabsatz  sehr  gedrückt  und  niedrig.  Die 
diesjährige  Herbsternte  scheint  gut  gewesen  zu  sein,  und  die 
Preise  in  Samen  scheinen  sehr  herunterzugehen. 


Landschaftsgärtnerei. 

Die  Laindschaftsgärtnerei  konnte  in  dem  abgelaufenen  Be- 
richtsjahre auf  keinen  grünen  Zweig  kommen.  Schuld  daran 
waren  einmal  die  unglücklichen  Bau  Verhältnisse,  vornehmlich 
aber  die  geradezu  beängstigende  Formen  annehmende  Konkurrenz. 
Schon  zu  Beginn  des  Jahres  hatten  die  Preise  einen  Tiefstand 
erreicht,  der  kaum  noch  zu  überbieten  war  und  der  jeden  Gewinn 
ausschloß.  In  Berlin  und  seinen  Vororten  gehen  heute  bereits 
50  große  und  mittelgroße  und  (über  100  kleinere  Firmen  dem  land- 
schafts)gärtinerischen  Geschäfte  nach,  und  jeder  versucht,  den 
andern  beiseite  zu  schieben  oder,  wenn  er  schon  Fuß)  gefaßt  hat, 
nachträglich  noch  abzudrängen.  Die  Löhne  waren  übermäßig 
hoch.  Hinzu  kommt,  daß  die  eigentliche  Winterarbeit  an  sich 
nachgelassen  hat,  weil  der  Stil,  der  zurzeit  beliebt  ist,  viel  mehr 
größere  Flächen  in  den  Gärten  vorsieht  und  diese  zu  bestimmten 
Jahreszeiten  keine  oder  doch  nur  sehr  wenig  Arbeit  machen. 
Auch  fahren  die  Architekten   fort,  selbst  Gärten  anzulecken  und 


Landschafts- 
gärtnerei. 


60        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 

die  Gärtner  naxih  Möglichkeit  hiervon  auszuschließen.  Femer 
werden  die  Gartenbesitzer  von  Staudenzlichtern  und  Angestellteoi 
holländischer  Firmen  geradezu  überlaufen.  Diese  heimsen  dureK 
ihre  übergroße  Rührigkeit  und  Zähigkeit  manche  gute  Bestellung 
ein.  Das  Baumschulenmaterial  ist  teurer  geworden,  da  durch 
den  Bund  der  Baumschulenbesitzer  die  Preise  auf  einer  bestimmten 
Höhe  gehalten  werden.  Der  Sfihutzverband  der  landschaftsgärt- 
nerischen Arbeitnehmer  hat  sieb  als  ein  gutes  Mittel  bewährt, 
über  Schwierigkeiten,  besonders  bei  Streiks,  besser  als  in  früheren 
Zeiten  hinwegzukommen. 

Gemüsegärtnerei. 

Gemüse-  ^^^  Jahr  1913  ist  mit  seinen  extremen  Witterun gsverhält- 

gärtnerei.  nisscu  seincu  beiden  Vorgängern  traurigen  Angedenkens  würdig 
an  die  Seite  zu.  stellen.  Das  prächtige  Frühjahrswetter  mit  viel 
Sonnenschein  von  Anfang  März  ,ab  brachte  die  Pflanzenaussaaten 
in  den  Mistbeeten  schnell  vorwärts.  Gleich  nach  Ostern  konnte 
mit  den  Bestellungsarbeiten  begonnen  werden.  Die  Pflanzarbeiten 
waren  im  vollsten  Gange,  als  am  10.  April  der  plötz- 
liche Wettersturz  eintrat.  Soviele  geschäftliche  Hoffnungen  sind 
wohl  in  den  letzten  20  Jahren  noch  nie  auf  einmal  den  G^emüse- 
gärtnern  vernichtet  worden  wie  in  diesen  bösen  IXinf  kalten  Tagen. 
So  wurden  die  ersten  Freilandaussaaten  und  Pflanzen  fast  völlig 
vernichtet.  Die  zweiten  Aussaaten  und  Pflai^zungen  hatten  un- 
gemein unter  der  Hitze  und  Dürre  im  Monat  Mai  zu  leiden. 
Am  10.  Juni  war  starker  Sturm,  der  besonders  an  Bohnen  viel 
Schaden  anrichtete.  Bis  zum  Herbst  war  die  Witterung  trockener, 
als  sie  normalerweise  hätte  sein  müssen.  Ein  kleiner  Trost  war 
es,    daß   erst   am  10.   Okt.    der  erste  Frost  eintrat.  ' 

Ueber  das  Geschäft  mit  den  einzelnen  Artikeln  läßt  sich 
folgendes   berichten: 

Eotkohl:  Der  Absatz  vollzog  sich  fortgesetzt  zu  normalen 
Preisen. 

Wirsingkohl:  Vom  Sommer  ab  wurden  die  Preise  durch 
Ueberproduktion  gedrückt  und  Wirsingkohl  wurde  daher  sehr 
bülig. 

Weißkohl  wurde  am  Markt  zu  guten  Preisen  flott  gekauft. 

Blumenkohl  hatte  unter  der  Hitze  und  Dürre  im  Sommer 
besonders  zu  leiden  gehabt.  Er  gab  daher  nur  eine  minder- 
wertige Qualität  und  die  Preise  waren  niedrig. 

Kohlrabi:  Im  Frühjahr  waren  die  Vorräte  gering  und  die 
Preise  gut;  später  bis  zum  Herbst  war  der  Absatz  befriedigend 
und  die  Preise  waren  normal. 

Spinat.  Winterspinat  wurde  durch  Zufuhr  von  außerhalb 
im  Preise  sofort  stark , herabgedrückt  (vom  23.  bis  26.  April  kamen 
20  Waggons  von  auJäerhalb  an).  Junger  Spinat  war  billig  und 
im  Herbst  kaum  verkäuflich. 


10.    Kunst-  und  Handelsgärtnerei. 


61 


Salat.  Bis  Ende  Mai  beherrschte  holländischer  Salat  den 
Berliner  Markt,  so  daß  für  unsern  ersten  Salat  keine  ange- 
messenen Preise  erzielt  werden  konnten.  Später  wmrde  guter 
Salat,  der  sehr  knapp  war,  eine  ggjize  Zeitlang  gut  bezahlt; 
bis  zxun  Herbst  hin  waren  die  Preise  dann  normal. 

Mohrrüben  waren  bis  Ende  Juli  knapp  und  wurden  gut  be- 
zahlt; später  wurden  sie  billig  und  blieben  so  bis  zuletzt. 

Suppengrün:  In  Porree,  Sellerie,  Petersilienwurzeln  war  trotz 
der  Knappheit  kein  Geschäft;  infolgedessen  waren  die  Preise, 
niedrig. 

Radies  ujad  Rettig  wurden  das  ganze  Jahr  über  gut  gekauft. 
Eadies  waren  im  Sommer  sogar  zeitweise  sehr  gesucht. 

Bohnen  erzielten  anfangs  gute  Preise,  waren  aber  dann  bis 
zum   Schluß   des   Bohnengeschäftes   am   10.   Okt.   billig. 

Frühkartoffeln  waren  im  allgemeinen  billig. 

Zusammenfassend  muß  gesagt  werden,  daß  das  Geschäft 
der  Gemüsegärtnerei  als  befriedigend  nicht  anzusehen  ist;  die 
Ausfälle  waren  zu  groß.  Am  Jahresschluß  war  der  Geschäfts- 
gang sehr  still  und  in  allen  Artikeln  der  Absatz  sehr  gering. 

Obstgärtnerei. 
In  Frühkirschen,  Pfirsichen  und  Aprikosen  haben  die  April- 
fröste eine  vollständige  Fehlemte  verursacht.  Saure  Kirschen  und 
späte  Pflaumen  sind  dagegen  in  großen  Massen  geemtet  worden. 
Die  Kirschen  sind  zu  guten,  die  Pflaumen  nur  zu  geringen  Preisen 
verkauft  worden.  Aepfel  und  ^Birnen  waren  nur  in  ganz  ge- 
ringen Mengen  vorhanden,  so  daß  große  Nachfrage  und  infolge- 
dessen ein  sehr  gutes  Geschäft  mit  hohen  Preisen  vorhanden 
war.  Die  Früchte  waren  im  Geschmack  sowie  im  Aussehen  sehr 
gut,  dagegen  wurde  über  geringe  Haltbarkeit  und  massenhaftes 
Auftreten  der  Obstmaden  geklagt.  Auch  Fusikladium,  das  im 
Sommer  fast  gar  nicht  auftritt,  machte  sich  im  Herbst  bei  vielen 
Sorten  recht  unangenehm  bemerkbar,  besonders  bei  London  Pep- 
ping,  so  daß  die  Früchte  nur  zu  niedrigen  Preisen  verkauft  wer- 
den konnten.  Das  Beerenobst,  besonders  die  Johannisbeere,  hat 
sehr  gute  Erträge  geliefert.  Auch  der  Absatz  war  gut  und  es 
wurden  annehmbare  Preise  erzielt. 

Obstverwertung. 

Billig  waren  bzw.  wurden  wahrend  der  Ernte  Himbearen, 
besonders  Waldhimbeeren.  Sie  kosteten  18—24  Mk.  pro  Zentner 
gegen  25 — 45  Mk.  im  Jahre  1912. 

Auch  Johannisbeeren  waren  verhältnismäßig  billig;  rote 
kosteten  8 — 10  Mk.  pro  Zentner  gegenüber  12—16  Mk.  im  Jahre 
1912. 

Auch  Birnen  und  Tomaten  waren  billig,  besonders  aber 
Pflaumen.  Diese  kosteten  2 — 6  Mk.  pro  Zentner  gegenüber 
5—10   Mk.  im  Jalire  1912. 


Obstgftrtnerei. 


Obst- 
verwertung. 


62        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodukte. 

Mittelmäßig  im  Pneise  waren  Satierkirs<5hen,  ööhwarze  Jo- 
liaimisbeereii,  Heidelbeeren,  Stachelbeeren,  hoch  im  Preise  standen, 
dagegen  Erdbeeren.  Sie  kosteten  18 — 24  Mk.  pro  Zentner  gegen- 
über 16 — 22  Mk.   im  Jahre   vorher. 

Süßkirschen,  Zitronen,  Preißelbeeren,  Aprikosen,  Quitten, 
Aepfel  kosteten  5 — 8  Mk.  pro  Zentner  gegen  3—5  Mk.  im 
Jahre   1912, 

Bei  den  Aepfeln  wirkte  verteueimd  die  äußerst  geringe 
Ernte  in  ganz  Deutschland,  die  zum  größten  Teil  auf  die  Spät- 
fröste, zum  Teil  anch  auf  die  große  vorjährige  Ernte  2rurüok- 
zuführen  war.  In  Mostäpfeln  kann  jiian  wohl  mit  Reclit  sagen, 
daß  Frankreich  in  diesem  Jahre  den  Markt  beherrsöht  bat.  Die 
Spätfröste  waren  wohl  auch  die  iHaiiptursacihe  der  teuren  Erd- 
beeren, doch  kam  bei  dieöer  Frucht  auch,  das  zu  trockene  Früh- 
jahr zu  sehr  in  Betracht.  Himbeeren  hatten  wohl  aucb  durch 
den  Spätfrost  gelitten,  trotzdem  war  noch  eine  gute  Ernte  zu 
verzeichnen.  Süßkirschen  waren  fast  völlig  >vom  Spätfrost  iqi 
der  Blüte  vernichtet  worden,  die  Sauerkirschen  hatten  ihm  mehr 
oder  weniger  standgehalten.  In  Preißelbeeren  wUrde  ursprüng- 
lich eine  gute  Ernte  von  Schweden  genieldet,  schließlich  sind 
die  Preise  aber  gleich  nach  den  ersten  Sendungen  zu  unerhörter 
Höhe  gestiegen.  Inländische  Früchte  konnte  man  zu  annehm- 
baren Preisen  kaufen;  besondere  Einflüsse  machten  sich  bei  den 
Preißelbeeren  insofern  geltend,  als  sie  infolge  der  guten  Halt- 
barkeit oft  zurückgehalten  wurden.  Heidelbeeren  stiegen  auch 
juach  anfänglich  mittleren  Notierungen  gegen  Ende  der  Ernte 
ganz  bedeutend.  Dagegen  gingen  die  roten  Johannisbeeren  wäh- 
rend der  Ernte  bedeutend  im  Preise  zurück,  so  daß  man  schließ- 
lich von  niedrigen  Preisen  reden  konnte.  Schwarze  Johannisi-) 
beeren  hatten  unter  Nachtfrösten  gelitten.  Stachelbeeren  waren 
im  allgemeinen  durch  den  Schaden,  den  der  amerikanische  Meltau 
anrichtet,  knapp  und  ziemlich  teuer.  Quitten  verzeichneten  einen 
gänzlichen  Ausfall  und  gingen  hoch  im  Preise  bis  zu  35  Mk. 
Eine  gute  Ernte  war  in  Hagebutten  und  Brombeeren  vorhanden, 
doch  werden  diese  beiden  gut  zu  verwertenden  Fruchtarten  noch 
zu  wenig  benutzt,  was  zum  Teil  darauf  zurückzuführen  sein 
dürfte,  daß  sie  zu  wenig  im  großen  gesammelt  werden.  Die 
Nachfrage  seitens  der  Ejonservenfabriken  war  wieder  recht  leb- 
haft, weil  größere  Vorräte  seit  1911  noöh  nicht  wieder  aufgehäuft 
werden  konnten. 
Halbfabrikate  ^^^    Ausland   kommt   mit    Halbfabrikaten    nicht    bedeutend 

^pTodukte^^  auf  den  Markt.  Holland,  welches  auch  mit  FrischWare  stark 
vertreten  wax,  bot,  wie  in  den  Vorjahren,  das  Fruchtmark  von 
Johannisbeeren,  Erdbeeren  und  Himbeeren  an  und  drückte  auch 
zu  manchen  Zeiten  stark  auf  die  Preise;  zieht  man  die  nicht  un- 
erheblichen Fracht-  und  Zollspesen  in  Betracht,  so  waren,  wesent- 
liche Preisunterschiede  gegen  inländische  Ware  nicht  festzustellen. 


11.    Handel  mit  Obst  und  Gemüse. 


63 


Von  Spanien  wierden  Aprikosenmark  bzw.  ihalbe  Früchte  seit 
Jahren  in  steigender  Menge  angeboten.  Die  Preise  waj^n  seit 
dem  vorigten  Jahre  nicht  wesentlich  verschieden,  pro  Zentner 
in  10-Pfund-Dosen  ca.  23—32  Mk.  Es  dürfte  sich  etwa  10-15  IMk. 
billiger  stellen,  als  Aprikiosenmark  von  einheimischen  Früchten 
kosten  würde.  Ebenso  ist  als  Halbprodukt,  das  sich  steigender 
Beliebtheit  erfreut,  Ananas  ans  Hawai  zu  erwähnen.  Diese  Eruciht 
wird  sterilisiert  von  dort  in  lO-Pfnnd-Dosen  als  geraspelte  Ware, 
in  Scheiben-  und  Zylinderform  verschickt  und  kommt  en  gros 
per  Kilogramm  auf  ca.  0,85  Mk.  Serbische  und  bosnische  Pflaumen 
wa-ren  anfangs  kaum  vertreten,  die  neue  Ernte  ist  jedoch  reich- 
lich ausgefallen,  war  aber  nicht  von  hervorragender  Qualität. 
Aimerikanische  Obstk'onsierven  haben  im  Preise  angezogen  und! 
schienen  knapper  als  im  Vorjahre  zu  werden.  Als  Neuheit  werden 
getrocknete  Bananen  aus  'Kamerun  angeboten,  vorläufig  aller- 
dings gegenüber  der  frischen  Ware  in  geringer  Menge.  Doch  dürfte 
mit  Fertigstellung  der  neuen  Bananen -Transportdampfer  das  An- 
gebot bedeutend  steigen.  Größere  Vorräte  in  Halbprodukten  aus 
vorhergehenden  Jahren  wiaren  nicht  vorhanden,  was  sich  aus 
den  Mißernten  der  beiden  vergangenen  Jahre  erklärt.  —  Die 
Preise  der  fertigen  Erzeugnisse  waren  in  diesem  Jahre  ungefähr 
die  gleichen  wie  im  Vorjahre.  Fabriken,  welche  im  Vorjahre 
infolge  Mißernte  einen  Teuerungsaufschlag  von  10 — 15  o/o  no- 
tierten, sind  inzwischen  davon  wieder  abgekommen,  weil  der" 
Absatz  bisher  zurückgeblieben  ist,  was  mit  der  allgemeinen  un- 
günstigen   Greschäftslage   zusammenhängen   dürfte. 

11.   Handel  mit  Obst  und  Gemüse. 

Das  Geschäft  in  Sommerobst  verlief  im  allgemeineu  befriedi-       Sommerobst, 
gend,   namentlich,    was  das    ausländische    Obst   anlangt.    Die   in- 
ländische Ernte  ließ  vielfach  zu  wünschen  übrig  und  reichte  nicht 
an  die  des   Vorjahres  heran;    nur  die  Ernte  in  Pflaumen  war 
sehr  reichlich. 

Die    inländische    Kirsche  nemte,   speziell    ia    den    für   Berlin  Kirschen, 

in  Frage  kommenden  Gebieten  von  Werder  und  Schlesien,  fiel 
infolge  des  ungünstigen  Frühjahrswetters  sehr  schlecht  aus,  und 
das  Ergebnis  genügte  bei  weitem  nicht  für  den  Berliner  Markt; 
auch  qualitativ  ließ  die  Ware  zu  wünschen  übrig.  Italien  da- 
gegen hatte  eine  gute  Ernte  und  lieferte  große  Mengen  von 
guter  Qualität.  Infolge  des  schlechten  hiesigen  Emteausfalles 
dauerten  auch  die  Zufuhren  von  Italien  länger,  als  dies  in  nor- 
malen Jahren  der  Fall  ist.  Französische  Kirschen  kamen  in  diesem 
Jahre  gar  nicht  an  den  Markt. 

Auch  in  Erdbeeren  war  die  hiesige  Ernte  infolge  der  unbe-         Erdbeeren, 
ständigen   Witterung  im  Frühjahr   sehr  gering  und   befriedigte 
auch  qualitativ  nicht.    Einen  vollen  Ausgleich  hierfür  boten  die 
Metzer  Erdbeeren,  welche  dieses  Jahr  hervorragend  schön  waren 


64        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Eohprodiikti 


Anderes 

Frühobst. 

Frühbimen 

und  Frühapfel. 


Aprikosen  und 
Pfirsiche. 


Spätobst, 


Aepfel. 


Amerikanische 
Aepfel. 


und  auch  fast  durchweg  gesund  eintrafen.  Holland  hatte  eben- 
falls eine  gute  Erdbeerernte  und  sandte  große  Mengen  nach  Berlin; 
da  aber  die  Preise  in  Holland  sehr  hoch  waren,  so  ging  an  den 
Holländer  Erdbeeren  meistens  Geld  verloren,  denn  Berlin  konnte 
diese  hohen  Preise  nicht  aufbringen.  Frankreich  sandte  in  diesem 
Jakre  weniger  Erdbeeren;  die  Ware  fiel  auch  fast  durchweg 
schlecht  aus  und  brachte  daher  fast  ständig  Verluste. 

Frühbirnen  und  Frühäpfel  kamen  in  ziemlich  bedeutenden 
Mengen  an  den  Markt,  namentlich'  aus  Italien.  Die  Berliner  Ver- 
kaufspreise waren  während  der  ganzen  Saison  befriedigend. 
Böhmen,  welches  sonst  riesige  Mengen  ifach  Berlin  schickt,  hatte 
in  diesem  Jahre  eine  geringe  und  verspätete  Ernte;  auch  waren, 
die  Preise  in  Böhmen  sehr  hoch  und  der  Versand  nach  Berlin 
deshalb  knapp.  Die  Zufuhren  aus  Italien  waren  demzufolge 
größer  und  dauerten  auch  länger  als  in  den  Vorjahren.  Die  Preise 
hierfür  waren  im  Durchschnitt  befriedigend  und  nur  geringen 
Schwankungen  unterworfen. 

Die  Zufuhren  von  Aprikosen  und  Pfirsichen  waren  nicht 
allzu  groß.  Frankreich  fiel  auch  für  diese  Artikel  in  diesem 
Jahre  vollständig  aus  und  auch  Ungarn  lieferte  wenig.  Die  Zu- 
fuhren aus  Italien  entsprachen  etwa  dem  Durchschnitt  der  Vor- 
jahre. Namentlich  die  italienischen  Pfirsiche  erzielten  infolge 
der  fehlenden  französischen  Konkurrenz  außergewöhnlich  hohe 
Preise,  zumal  sie  quaKtativ  sehr  gut  waren. 

Infolge  der  geringen  inländischen  Ernte  mußte  auch  bei 
Spätobst  das  Ausland  mit  großen  Zufuhren  aushelfen,  um  den 
Berliner  Bedarf  zu  decken.  Italien  hatte  eine  Mittelernte  an 
Aepfeln;  die  Kostpreise  wurden  jedoch  zu  sehr  in  die  Höhe 
getrieben  und  ließen  kein  befriedigendes  Geschäft  zu.  In  Oester- 
reich  hatte  Tirol,  das  die  besseren  Tafeläpfel  liefert,  eine  gute 
lErnte;  Steiermark  dagegen  hatte  nur  eine  schwache  Ernte,  und 
Ungarn,  Galizien  und  Böhmen  spielten  als  Aepfellieferanten 
in  diesem.  Jahre  überhaupt  keine  Rolle.  Frankreich  hatte  in 
Aepfeln  im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Obstsorten  eine  reich- 
liche Ernte  und  lieferte  namentlich  in  den  Monaten  Oktober 
und  November  ungewöhnlich  große  Mengen  Aepfel;  die  Kost- 
•preise  in  Frankreich  waren  vielfach  sehr  niedrig,  doch  ließ 
auch  die  Qualität  zu  wünschen  übrig. 

Amerikanische  Aepfel  kamen  in  der  Saison  1913/14  in  ge- 
ringeren Mengen  als  sonst  an  den  Markt.  Die  Ernte  fiel  dorl; 
um  30%  Meiner  aus  und  die  Preise  waren  daher  in  Amerika 
zu  hoch,  um  ein  größeres  Geschäft  zu  erlauben.  Namentlich  die 
in  Kisten  verpackten  Aepfel  aus  den  Weststaaten  fielen  sehr 
schön  aus,  stellten  sich  jedoch  zu  teuer,  um  auf  den  Konsum 
einen  großen  Einfluß  auszuüben.  Die  Faßware  fiel  vielfach 
sehr  schlecht  aus. 


11.    Handel  mit  Obst  und  Gemüse. 


65 


Spätbirnen  kamen  namentlich  aus  Tirol  und  Böhmen,  doch  aus 
letzterem  Lande  nicht  in  den  Mengen  wie  sonst.  Die  inländischen 
Winterbirnen  waren  knapp  und  reichten  höchstens  bis  Weih- 
nachten; später  kommen  nur  noch  Tiroler  und  vielleicht  noch 
französische   Birnen  in  Frage. 

Die  Marktlage  für  Weintrauben  war  fast  während  der 
ganzen  Saison  günstig;  die  Ware  kam  im  allgemeinen  gesund  an 
und  die  Preise  waren  keinen  so  starken  Schwankungen  anter- 
worfen  wie  in  den  meisten  anderen  Jahren.  Bemerkbar  machte 
sich  vor  allem  das  Fehlen  der  südfranzösischen  Weintrauben. 
Die  Ernte  in  Frankreich  fiel  schlecht  aus  und  es  kamen  nur  ein- 
zelne Waggons  nach  Berlin.   Auch  in  Algier  fiel  die  Ernte  etwas 


Spätbirnen. 


Weintrauben. 


Tab.  23. 


Einfuhr  von  frischem  Obst  und  Gemüse  (in  dz). 


1911 


Einfuhr 
I       1912 


1913 


1911 


Einfuhr 
1912       I 


1913 


\epfel       .      .      . 

davon  aus 
Frankreich  .  . 
Italien  .... 
)esterr  -Ungarn 
Belgien  .... 
•Niederlande  .  . 
/er.  Staaten  v.  Am 
Vustral.  Bund   . 


3  067  6151973  326  4  400  414 


Tohannis-, 
Stachel-,   Hei 
del-,     Preißel 
beeren  usw. 
davon  aus 

Niederlande    . 

>esterr. -Ungarn 

Schweden .     . 

""inland      .     . 


Vprikosen, 

Pfirsiche 

davon  aus 

talien   .     .     . 

'>ankreich 


'wetschen  . 
davon  aus 
)esten-.- Ungarn 


1328  801 
536  219 
562  514 
175  436 
178  376 
110  548 
15  786 


li      - 


42  332 

24  870 
5  570' 


260  618 
55  754 
356  1811 
3117421 
285  559i 
138191 
32  946 


197  359 

43  080 

44  028 
51289 
37  868 


30  791 

21600 
7  446 


2  409  492 
687  432 
626  158 
245116 
249  756 
112  223 
29  883 


157  682 

44  077 
21658 
37  760 
33  329 


38100 

32  903 

2  422 


70  878 
65101 


464  293 
462  186 


94  101 


84154 


Birnen,  Quitten 

davon  aus 
Oesterr. -Ungarn 
Belgien       .     .     . 
Niederlande   .     . 
Italien   .... 


Erd-  und 
beeren . 
davon  aus 

Niederlande 


Him 


Tafeltrauben 

davon  aus 
Italien   .     . 
Frankreich 
Spanien 
Portugal     . 
Algerien     . 


Blumenkohl 

davon  aus 
Niederlande   . 
Italien   .     .     . 
Frankreich     . 


Bananen 

davon  aus 
Spanien      .     . 
Columbien     , 
Jamaika  usw. 


375  451 1    586  420!    384137 


206  056  283  816 

73  926  114  377 

49  183  118  682 

31  820|  22  307 


45  596 


385192!  350  942 


148  149 

94  692, 

74  873! 

15  854 

8  015 


377  842 

171  921 

142  531 

50  431 


133  367 

107  813 

69  442 

18  602 

9  899 


544  072 

196  369 

266  875 

67  248 


304  386 
204  726 


353  760 

207  869 
23  661 
85  730 


159967 

96  467 
57  035 
51686 


69  1861     84  384 


71828 


384  269 

221  161 

69  844 

63  844 

11149 

6  627 


590  999 

244  413 

285  526 

51126 


450  508 

225  686 

122  545 

56  714 


virschen, 

Weichsein 

davon  aus 

talien   .     .     . 

Niederlande    . 


62  5411      97  429 


34  378i 
8  961 


31008 
26  293 


82  873 

41017 
26  736 


Apfelsinen    und 
Mandarinen 
davon  aus 

Italien   .... 

Spanien      .     .     . 


1  213  559 


1510  27811452  728 


215  700    185  261 
980  595ll  308  787  1 


171  447 

264  095 


knapper  aus;  die  Einkaufspreise  waren  infolgedessen  ziemlich 
hoch,  ließen  aber  trotzdem  noch  einen  Nutzen,  da  die  Ware 
durchweg  gesund  eintraf.  Ebenso  waren  die  Preise  in  Italien 
trotz  guten  Ernteausfalles  doch  ziemlich  hoch,  so  daß  bei  ein- 
zelnen Sorten  «ein  Nutzen  von  vornherein  ausgeschlossen  war. 
Im   allgemeinen   verlief  aber   das   Geschläft   hierin   befriedigend. 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  5 


66 


I.    Pflanzl.  Eohprodukte  usw.    A.  Landwirtsch.  Rohprodukte. 


Tomaten. 


Südfrüchte 


Bananen 


Ausländisches 
Gemüse. 


Blaue  Trauben,  welche  anfangs  fast  ganz  fehlten,  kamen  gegen  Ende 
der  Saison  in  großen  Mengen  an  den  Markt  und  mußten  sehr 
billig  verkauft  werden.  Türkische  resp.  mazedonische  Wein- 
trauben kamen,  wohl  infolge  der  unsicheren  Verhältnisse  auf 
dem  Balkan,  in  diesem  Jahre  gar  niöht  an  den  hiesigen  Markt. 
Die  Zufuhren  von  spanischen  Weintrauben,  welche,  in  Fässer  ver- 
packt, über  Hamburg  kommen,  waren  wieder  ganz  bedeutend; 
auch  hierfür  waren  die  Durchsöhnittspreise  höher  als  in  anderen 
J  aliren. 

Das  Inland  liefert  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  Tomaten,  aber 
noch  immer  spielen  diese  keine  nennenswerte  Holle  gegnüber 
den  Zufuhren  aus  dem  Auslande,  namentlich  aus  Italien.  Die  Zu- 
fuhi'en  aus  letzterem  Lande  waren  auch  in  diesem  Jalire  wieder 
während  der  Sommermonate  enorm  und  die  Preise  daher  im  allge- 
meinen sehr  niedrig,  nur  gegen  Ende  der  Saison  gingen  sie  etwas 
in  die  Höhe.  Eranzösische  Tomaten  fehlten  gänzlich.  Die  im 
Spätherbst  beginnenden  Zufuhren  von  kanarischen  Tomaten  waren 
ziemlich  bedeutend;  die  auf  den  Hamburger  Auktionen  dafür 
bezahlten  Preise  waren  meistens  sehr  hoch. 

Die  Marktlage  für  Apfelsinen  war  während  der  ganzen 
Saison  1913/14  im  allgemeinen  günstig.  Trotz  großer  Zufuhren 
waren  die  Durchschnittspreise  höher  als  in  anderen  Jahren.  Ent- 
gegen den  Vorjahren  waren  große  Erüchte  knapp  und  wurden 
dementsprecliend  höher  bezahlt  als  die  kleinen  Früchte.  Neben 
den  spanischen  und  sizilianischen  Apfelsinen  kommen  nament- 
lich in  der  Vorsaison  auch  die  Jaffa-  und  Jamaikaapfelsinen 
in  immer  größeren  Mengen  auf  den  Markt;  sie  erzielten  infolge 
ihrer  guten  Qualität  hohe  Preise. 

Das  Zi tr onengeschäft  dagegen  verlief  namentlich  im 
Sommer  ziemlich  ungünstig,  was  sowohl  auf  das  schlechte  Wetter 
während  des  Sommers  zurückzuführen  war  als  auch  auf  die  ge- 
ringe Qualität  der  Ware.  Die  Durchschnittspreise  waren  im 
Winter  normal,  im  Sommer  dagegen  erheblich  niedriger  als  in  den 
anderen  Jahren,  so  daß  die  getätigten  Abschlüsse  verlustbringend 
waren. 

Die  Zufuhren  von  Mandarinen  waren  in  der  Saison 
1913/14  ganz  erheblich  und  die  Preise  im  allgemeinen  normal. 

Die  Zufuhren  von  Bananen  waren  in  diesem  Jahre  etwas 
geringer,  weil  ein©  große  Hamburger  Bananen-Import-G^esellschaft 
ihren  Betrieb  für  einige  Jahre  einstellen  mußte.  Die  Vei-kaufs- 
pi-eisö  waren  dementsprechend  ziemlich  hodh  und  nur  geringen 
Schwankungen  unterworfen. 

Die  Gemüsesorte,  für  welche  das  Ausland  die  größte  Bolle 
spielt,  ist  nach  wie  vor  der  Blumenkohl;  namentlich  die  Zu- 
fuhren aus  Italien  in  der  Saison  1912/13  waren  ziemlich  gioß 
und  die  Preise  starken  Schwankungen  unterworfen.    Im  großen 


12.    Mehl  und  andere  Mühlenfabrikate.  67 

und  ganzen  war  das  italienisdie  Blumenkohlgeschäit  verlust- 
bringend. Von  Frankreich  kam  weniger  Blumenkohl  als  sonst. 
Die  Zufuhren  aus  Holland  hielten  sich  in  den  normalen  Grenziem 
und  erzielten  durchschnittlich  zufriedenstellende  Preise  wie 
audi  die  anderen  holländischen  Gremüsesorten,  die  im  Frühjahr 
an  den  Markt  kommen.  Im  Sommer  und  Herbst  lieferte  auch 
Erfurt  große  Mengen  Blumenkohl,  welche  zu  ordentlich  liolnen 
Preisen   abgesetzt  wurden. 

B.    Landwirtschaftliche    Fabrikate   und    Verwandtes. 

12.    Mehl  und  andere  Mühlenfabrikate. 

a)    Müllerei.  Müllerei 

Von  der  reichlichen   Eoggen-   und   Weizenernte   des   Jahres  Mehi. 

1912  war  zu  Anfang  des  Jahres  1913  für  die  Müllerei  nicht 
viel  zu  merken,  und  die  Zufuhren  hielten  sich  recht  knapp.  Wenn 
auch  Amerika  viel  Ware  abgab,  so  war  man  andererseits  über 
das  mangelnde  Angebot  Rußlands  sehr  erstaunt.  Hierzu  trat 
ein  außerordentlich  umfangreicher  Export  Deutschlands  an 
Weizen,  Boggen,  Weizenmehl  und  besonders  von  Boggenmehl. 
Große  Mengen  hiervon  gingen  nach  Frankreich,  aber  auch 
Italien  und  die  Balkanländer  waren  Käufer  großer  Quantitäten. 
Dieser  Export  dauerte  bis  tief  in  den  Sommer  hinein  und  war  be- 
sondeis  für  die  großen  Mühlen  insofern  von  Vorteil,  als  hier- 
durch sehr  große  Posten  Mehl  dem  Markt  entzogen  wurden 
und  infolgedessen  die  Mehlpreise  gehalten  werden  konnten.  Die 
Qualität  des  im  Jahre  1912  geernteten  Getreides  war  sehr  mangel- 
haft. Unser  Brotgetreide,  Boggen  sowohl  wie  Weizen,  hatte 
unter  dem  während  der  Erntezeit  gefallenen  Begen  stark  ge- 
litten. Es  wurde  klamm,  wuchs  vielfach  aus  und  hielt  sich' 
auf  dem  Lager  schlecht.  Hierdurch  wurde  eine  ständige  Be- 
*arbeitung  des  Getreides  auf  den  Böden  der  Mühlen  nötig,  was 
viel  Unkosten  verursachte  und  große  Verluste  an  Gewicht  mit 
sich  brachte.  Der  Klebergehalt  war  aber  verhältnismäßig  gut, 
und  auch  die  Backfähigkeit  war  besser,  als  man  erwartet  hatte. 
Der  Mahllohn  wäre  zufriedenstellender  gewesen,  wenn  nicht  die 
erwähnte  Beschaffenheit  des  Getreides  nicht  nur  auf  den  Böden, 
sondern  auch  vor  und  bei  der  Vermahlung  eine  sehr  sc'harfe  Be- 
iiandlung  erforderlich  gemacht  hätte  und  wenn  nicht  durch' 
den  Abgang  ein  Teil  des  Mahllohnes  absorbiert  worden  wäre. 
Hierzu  kam  noch,  daß  die  Haltbarkeit  des  Mehles  wegen  des 
großen  Feuchtigkeitsgehaltes  stark  begrenzt  war.  Bei  der 
heißen  Witterung  im  Mai  bis  Juli,  wurde  manche  Schiffsladung 
Mehl  teilweise  warm  und  hart  und  mußte  mit  großen  Kosten 
von  den  Mühlen  zurückgenommen  oder  mit  Minderwert  ab- 
gestoßen werden.   Hiervon  wurden  besonders  Posen  und  Schlesien 

5* 


68 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwiitsch.  Fabrikate. 


Kleie. 


betroffen,  aber  auch  die  anderen  Provinzen  blieben  nicht  ver- 
schont. Im  Juli  ließ  die  Exportnachfrage  nach,  und  stärkere 
uingebotö  in  Weizen  drückten  auf  die  Preise  in  diesem  Artikel, 
rwiäihrend  Koggen  knapp  war.  Letzterer  zog  daher  auch  im 
Preise  etwas  an,  während  Weizen  nachgab.  —  Die  unbeständige 
Witterung  verzögerte  auch  in  diesem  Jahre  die  Ernte,  und  der 
häufige  Wechsel  von  Wärme  und  starken  Regenfällen  zur  Ernte- 
kZeit  war  in  vielen  Teilen  des  Landes  füx  die  Qualität  unseres 
Brotgetreides  äußerst  schädlich.  Die  Eolge  hiervon  war  Aus- 
wuchs und  Klammheit,  und  beim  Weizen  außerdem  noch 
,.,Brand";;  nur  ein  verhältnislnäßig  kleiner  Teil  der  E,oggen- 
ernte  konnte  noch  vor  Eintritt  dieser  Witterung  gut  geborgen 
werden.  Bessere  Weizenmehle  waren  daher  auch  sehr  begehrt, 
';und  ßoggenmehl,  das  eigentümlicherweise  in  Qualität  besser 
ausfiel,  als  man  nach  dem  Ernteausfall  angenommen  hatte,  konnte 
wieder  in  großen  Mengen  exportiert  werden.  Der  Norden,  Finn- 
land, Schweden,  Norwegen,  waren  als  Käufer  iui  Markt,  aber 
audi  Südeuropa  beteiligte  sich  wieder  an  der  Abnahme.  Dieser 
J]xport  dauerte  bis  tief  in  den  Winter  hinein,  denn  die  Schiff- 
fahrt hatte  während  des  ganzen  Jahres  günstige  Wasserver- 
hältnisse und  konnte  auch  bis  Jahressschluß  aufrechterhalten 
werden,  ohne  daß  Flüsse  und  Kanäle  durch  Eis  geschlossen 
wurden.  —  Die  Preise  für  Brotgetreide  und  der  daraus  ge- 
wonnenen Produkte  bewegten  sich  von  Anfang  des  Jahres  an, 
mit  wenigen  kurzen   Erholungen,   in  sinkender  Richtung. 

Der  Markt  in  Kleie  war  während  des  ganzen  Jahres  sehr 
gedrückt.  Durch  die  für  die  Wiesen  günstige  Witterung  wurde 
schon  frühzeitig  mit  der  Grünfütterung  des  Viehs  begonnen. 
'Ferner  mußte  ein  großer  Teil  des  gar  zu  stark  ausgewachsenen 
.Getreides  verfüttert  werden,  wodurch  der  Konsum  in  Kleie 
noch  mehr  herabgemindert  wurde.  In  früheren  Jahren  traten 
wenigstens  noch  Norwegen  und  Schweden  stets  als  Käufer  auf; 
diesmal  blieben  sie  aber  aus.  Als  nun  auch  noch  Rußland  und, 
nach  Einstellung  der  Feindseligkeiten,  auch  einige  Balkanländer 
Kleie  zu  sehr  niedrigen  Preisen  dringend  anboten,  waren  die 
inländischen  Mühlen  gezwungen,  große  Posten  ihrer  Kleie  ein- 
zulagern. Gegen  Ende  des  Jahres  besserte  sich  die  Nachfrage, 
wenigstens  in  Weizenkleie,  etwas,  aber  im  allgemeinen  war 
das  Kleiegeschäft  für  unsere  Mühlen  während  des  ganzen  Jahres 
sehr  ungünstig,  und  die  Preise  bewegten  sich  von  i^nfang  an 
nur    in    fallender   Richtung. 


WeizeiunehL 


Erstes  Quartal. 


b)   Mehlhandel. 

Weizenmehl. 

Die  bis  ins  neue  Jahr  offene  Schiffahrt  hatte  uns  große  Zu- 
fuhren,  namentlich   aus  Schlesien,    Sachsen   und   der  Niederelbe, 


12.    Mehl  und  andere  Mühlenfabrikate.  69 

gebracht;  dementsprechend  waren  die  Weizonmehlbestände  am 
1.  Januar  erheblich  größer  als  vor  einem  Jahre.  Wenn  sich 
das  Gesöhäffc  auch,  wie  fast  immer  im  neuen  Jahr,  zuerst  nur 
langsam  entwickelte,  weil  infolge  früherer  großer  Käufe  die  Kund- 
schaft auf  viele  Monate  hinaus  bis  in  den  Sommer  hinein  ver 
sorgt  war,  so  konnten  doch  kleine  Anregungen  das  Geschäft  zeitr 
weiss  beleben.  Die  verhältnismäßig  niedrigen  Preise  für  die 
vielfach  vorhandenen  geringeren  "Weizen qualitäten  ließen  eine 
Steigerung  der  Weizenmehlpreise  nicht  aufkommen,  veranlagten 
aber  doch  manchen  Händler,  gemahnt  durch  die  Erfahrungen 
in  früheren  Jahren,  in  denen  der  inländische  Weizen  im  Früh- 
jahr aus  dem.  Lande  gezogen  war,  sich  auf  viele  Monate  hinaus 
einzudecken,  und  besonders  deshalb,  weil  es  ohne  Preisauf  sichlag 
möglieh  war.  Daß  dabei  für  die  Verkäufer,  Müller  wie  G-roß- 
händler,  bei  den  letzt  jähr  igen,  in  eüizelnen  Gregenden  tieilweis3 
sehr  beschädigten  Weizen-Qualitäten  sehr  große  Risiken  in  Frage 
kamen,  muß  ausdrücklich  betont  werden.  Der  Andrang  zum  Ver- 
kauf von  Mehl  ist  hier  aber  meist  sehr  groß  und  die  Käufer  sind 
fast  immer  im  Vorteil,  indem  sie  auf  viele  Monate  hinaus  ihren 
Bedarf  von  den  bedeutenden  Großhändlern  und  Mühlen  decken 
können,  wodurch  natürlich  den  mittleren  und  kleineren  Mühlen, 
die  aus  verschiedenen  Gründen  nicht  auf  weitere  Sichten  ver- 
kaufen, das  Greschäft  andauernd  ungemein  erschwert  wird.  So 
wurden  im  Januar  und  Februar  schon  ziemlich  große  Posten  ohne 
hohe  E/eports  sogar  bis  zur  neuen  Ernte  versehlossien.  Besonder^ 
waren  wieder  Schlesien  und  die  Provinz  Sachsen  mit  reichlichen 
Offerten  im  Markt,  die  auch  gern  aufgenommen  wurden.  Nennens- 
werte Preisschwankungen  kamen  dabei  nicht  vor,  doch  bröckelten 
die  Preise  im  ersten  Vierteljahr  ungefähr  eine  Mark  per  Sack  ab. 

Gegen  Ende  März  ließ  das  Angebot  zwar  etwas  nach  und  zweites 

die  Läger  waren  etwas  gelichtet,  wurden  aber  dann  bald  durch  Quartal. 

Massenankünfte,  namentlich  aus  Posen,  Schlesien  und  Sachsen, 
wieder  überreichlich  aufgefüllt.  Wegen  der  Haltbarkeit  dieser 
Mehle  bestanden  große  Zweifel.  Weil  schon  im  Winter  hier  und 
da  Bemängelungen  einzelner  Mehle  vorgekommen  wareln,  wurde 
die  Furcht  vor  Warm-  und  Festwerden  bei  der  schon  Ende  April 
eintretenden  intensiven  Hitze,  angesichts  des  übergroßen  Feuchtig- 
keitsgehalts dieses  Mehls,  immer  größer  und  manche  Posit  wurde 
deshalb  sehr  billig  abgestoßen.  Dabei  hatten  die  Händler  nicht 
einmal  die  Möglichkeit,  für  spätere  Monate  wieder  ontsprechiönd 
einzukaufen.  Man  verkaufte  die  Mehle  gewissermaßen  nur  aus 
Angstgefühl,  denn  für  Getreide  war  die  Tendenz  fest  geworden 
und  das  Ausland  hatte  seine  Preise  wesentlich  erhöht;  Export 
war  auch'  reichlich  vorhanden.  Gegen  Ende  April  zogen  darauf- 
hin die  Mehlpreise  um  eine  Mark  an.  Zu  lebhafterem  Geschäft 
kam  es  aber  nicht,  denn  die  Kundschaft  war  noch  sehr  stark  ver- 
sorgt.   Den   Großmühlen  kam   es   sehr   zustatten,   daß    viele   von 


70  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

ihnen  größere  Posten  "Weizenmelil  nach,  dem  Kriegsschauplatz 
auf  dem  Balkan,  ferner  nach  Italien  und  Aegypten  verkaufen 
konnten.  Der  Berliner  Markt  wurde  dadurch  von  manchen  sonst 
sehr  drückenden  Mehlofferten  befreit,  da  die  betreffenden  Mühlen 
ZU!  sehr  guten  Preisen  verkauft  hatten. 

Im  Mai  und  besonders  im  Juni  machte  sich  die  verregnete 
Ernte  des  Vorjahres  recht  empfindlich  bemerkbar.  Viele  Sorten 
Mehl  wurden  mit  den  Mühlen  zurückgehandelt,  weil  sie  sich 
absolut  nicht  hielten;  manches  Mehl,  welches  dumpfig  und 
hart  geworden  war,  brachte  den  Inhabern  große  Verluste.  Na- 
türlich wurde  das  Geschäft  für  alle  Beteiligten  sehr  unerquick- 
lich. Selbst  die  sogenannten  nordischen  Mehle,  die  teilweise  auch 
mit  inländischen  Mehlen  gemischt  werden,  hielten  sich  nicht; 
ganze  Kahnladungen  Weizenmehl,  auch  von  Schlesien,  das  bisher 
gut  geliefert  hatte,  kamen  beschädigt  hier  an  und  gingen  teil- 
weise wieder  an  die  Ablader  zurück.  Es  war  bei  diesen  Ver- 
hältnissen nicht  zu  vermeiden,  daß  sich  die  Unternehmungslust 
sehr  zurückhielt.  Für  neue  Kampagne  wurde  auch  nur  wenig" 
verschlossen;  Schlesien  allein  machte  wohl  einige  Abschlüsse.  Im 
allgemeinen  hielt  man  sich  etwas  reserviert,  da  einerseits  die 
Mühlen  bei  den  erreichbaren  Mehlpreisen  imd  den  niedriger  ge- 
wordenen Kleiepreisen  keine  Vorteile  im  Vor  verkaufe  sahen,, 
andererseits  aber  die  Händler  sich  bei  den  günstigen  Ernteaus- 
sichten auch  Vorsicht  auferlegten.  Größere  Preisbewegungen 
kamen  nicht  vor,  und  so  fehlte  die  Anregung. 
Drittes  Quartal.  Ini  Au^ust  änderte  sich  das  Bild  gewaltig;  die  neue  AVeizen- 

ernte  verzögerte  sich  infolge  des  eingetretenen  Eegenwetters.  Die 
besprochenen  Angstverkäufe  und  die  Hoffnung  auf  baldige  Zu- 
fuhren aus  der  neuen  Ernte  hatten  uns  von  den  alten  Beständen 
befreit,  und  nun  fehlten  die  erwarteten  Neuzufuhren.  Weizen- 
mehl in  den  besseren  Marken  wurde  immer  knapper,  und  so  ent- 
wickelte sich  endlich  einmal  im  Laufe  des  August  für  prompte, 
wie  auch  für  spätere  Lieferung  ein  sehr  flottes  Mehlgeschäft,, 
da  von  allen  Seiten  lebhaft  und  auf  weite  Sichten  hinaus  sehr 
viel  gekauft  wurde,  von  manchem  Händler  viel  zu  viel,  und  auf 
Meinung,  was  sich  in  den  späteren  Monaten  bitter  rächte.-  Die 
Knappheit  der  besseren  Weizenmehle  dauerte  bis  in  den  Sep- 
tember hinein  an,  wogegen  die  gewöhnlichen  Mehle  schon  An- 
fang September  reichlicher  herankamen  und  auch  bis  gegen  Ende 
des  Jahres  reichlich  vorhanden  blieben.  Infolge  verspäteter  Ernte 
kamen  die  schlesischen,  sogenannten  besseren  Mehle  erst  gegen 
Ende  September  heran,  zeigten  aber  sehr  ungenügende  Qualität, 
da  der  sohlesische  Weizen  größtenteils  in  stark  beschädigter  Ware 
herauskam.  Die  Mehle  gingen  aber  trotzdem  schlank  weg,  da 
der  Markt  ziemlich  ausgehungert  war.  Im  September  stockte  das 
Geschäft,  da  die  Weizenpreise  langsam  abbröckelten  und  die  Kund- 
schaft die  gekauften  Mehle  nur  abnehmen  wollte  und  nichts  hin- 


12.    Mehl  und  andere  Miüilenfabrikate.  71 

zukaufen  konnte.     Sie  konnte  aucli  zu  den  neuen  Mehlen  noch 
kein  Vertrauen  fassen. 

Gegen  Ende  September  und  in  der  ersten  Oktoberhälfte  er-  viertes  Quartal, 
folgte  ein  andauernder  Preisrückgang  für  Weizen  von  fast  um 
20  Mk.  pro  Tonne,  der  natürlich  auch  ein  starkes  Sinken  der 
Mehlpreise  bedang,  wenngleich  sich  dieser  Rückgang  nicht  im 
Verhältnis  zu  dem  großen  Preisrückgang  des  Weizens  bemerk- 
bar machte.  Das  Mehlan^ebot  war  weg^n  der  überall  vorhan- 
denen großen  Engagements  nicht  übermäßig  stark;  demnach 
wurden  zu  den  niedrigen  Pi^eisen  für  spätere  Monate  größere 
Abschlüsse  von  manchen  Händlern  getätigt.  Jedenfalls  gehörte 
der  Monat  Oktober  noch  mit  zu  den  lebhaften  des  Jahres.  Auch 
an  einigen  Tagen  des  November  bei  einer  vorübergehenden  Steige- 
rung der  Weizenpreise  um  5  bis  6  Mk.  pro  Tonne  war  ein  leb- 
haftes Mehlgesohäft  für  die  Wintermonate,  da  nach  dem  vor- 
herigen Rückgang  der  Weizenmehlpreise  diese  schließlich  auf 
ein  solch  niedriges  Niveau  angelangt  waren,  wie  wir  es  seit 
langen  Jahren  nicht  gehabt  haben.  Die  gewöhnlichen  billigeren 
Mehle  standen  verhältnismäßig  noch  niedriger  als  die  teueren. 
Von  Mitte  November  bis  Ende  Dezember  war  das  Geschäft  an- 
dauernd recht  still  und  schlecht.  AVenn  die  größeren  Mühlen 
und  Großhändler  nicht  in  den  kurzen  Perioden  der  Festigkeit 
des  Jahres  größere  Verkäufe  abgeschlossen  hätten,  dann  wären 
sie  diesmal  in  einer  sehr  schlimmen  Lage.  Das  Geschäft  war 
nur  in  einzelnen  kurzen  Perioden  lebhaft,  dann  aber  auch 
sehr  lebhaft;  sonst  bezeichnen  die  Berichte  für  Mehl  fast  an- 
dauernd lustlose  Tendenz.  Die  mit  wenigen  Unterbrechungen 
andauernd  rückgängige  Konjunktur  konnte  im  allgemeinen  nicht 
zu  großen  Unternehmungen  ermutigen.  Die  Preise  gingen  für 
gewöhnliche  Mehle  von  24,50  Mk.  bis  auf  21,75  Mk.  herunter, 
und  für  bessere  von  28,75  Mk.  bis  auf  26,75  Mk.,  erstere  also  um 
3/4  Mk.  mehr  als  letztere,  wobei  die  billigen  Mehle  trotzdem 
stärker  langeboten  blieben  ,als  die  besseren,  teils  wegen  der  in 
diesem  Jahre  tatsächlich  geringeren  Qualitäten,  teils  aber  wohl 
auch  infolge  der  verhältnismäßig  niedrigen  Mehlpreise  über- 
haupt, die  zweifellos  die  Verbraucher  für  die  besseren,  dabei  doch 
billigen  Mehle  interessieren  mußte. 

Die  neue  Ernte  brachte  manche  Ueberraschungen  hinsicht- 
lich der  Qualitäten.  Schlesien  und  der  Osten,  und  auch  teilweise 
Mecklenburg,  Pommern,  Posen  und  Brandenburg  hatten  manche 
sehr  schlechte  Qualitäten,  von  denen  einzelne  zur  menschlichen 
Nahrung  direkt  unbrauchbar  waren;  natürlich  waren  dement- 
sprechend »auch  manche  Mehle  sehr  schlecht  und  kraftlos  und 
hatten  sehr  hohen  Feuchtigkeitsgehalt.  Sachsen  und  die  Elbe 
lieferten  gute  Qualitäten.  Auch  in  diesem  Jahre  war  der  Bedarf 
an    feineren    Mehlen    größer    als    der    in    gewöhnlicheren. 


72 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Nachstellend   g^ben   wir    eine    Tabelle   der   niedrigsten    und 
höchsten  Weizenmehl-Notizen  in  den  einzelnen  Monaten  des  Jahres 
in  Mark  pro  100  kg. 
Tab.  2i.     Preise  für  Weizenmehl  00  im  Jahre  1913  (in  M.  für  100  kgm.  Sack) 


Niedrigste 
Notizgrenze 


Höchste 
Notizgrenze 


Januar   . 
Februar 
März .     . 
April 
Mai    .     . 
Juni  .     . 
Juli    .     . 
August  . 
September 
Oktober 
November 
Dezember 


24. 24. 

23.75—24. 
23.50—23. 
23.50—24. 
24.25-24. 

24. 24. 

24. 24. 

24.25—24. 
23.50—24. 

22. 23. 

21.75—22. 
21.75—22 


50 
25 
.75 
,50 
,50 
,25 
.50 
,50 
.25 
.50 
.25 
.25 


28.-- 
27.75- 
27.75- 
27.75- 
28.50- 
28.50- 
28.75- 
28.25- 
27.75- 
26.75- 
27.-- 
27.-- 


-28.— 
-28.— 
-27.75 
-28.75 
-28.75 
-28.75 
-28.75 
-28.75 
-28.25 
-27.75 
-27.50 
-27.50 


In  den  Jahren 
.Weizenmehl : 


1911 — 1913  betrug  Deutschlands  Export    an 


1911 
1912 
1913 
davon  nach  1913 

der  Schweiz 407  532 

Finland 387  165 

Dänemark 268  777 

Niederlande 291  117 


1  618  283 
1710  311 
1  946  656 


dz 


davon  nach  1913 

Großbritannien   ....  197  765 

Türkei 1337 

Aegypten 25  199 

Griechenland 1 


E/Oggenmehl. 

Roggen mehi.  ^^^  Eoggenmchlbestände  waren  am  Anfang  des  Jahres  normal. 

Das  Angebot  wax  im  Januar  und  Februar  reichlich,  wodurch 
die  Preise  langsam  abbröckelten.  Besondere  Bewegung  trat  nicht 
in  Erscheinung,  auch  hatte  die  Kundschaft  noch  große  Kontrakte 
vom  Herbst  her  laufen,  so  daß  prompte  Ware  stets  nur  mit  Preis- 
konzessionen untergebracht  werden  konnte.  Auch  im  März  war 
andauernd  großes  Angebot  auf  Alonate  hinaus  zu  zeitweise  sehr 
gedrückten  Preisen,  die  dann  ungefähr  eine  Mark  niedriger  als  am 
Anfang  des  Jahres  standen.  Im  April  war  wohl  infolge  der  Feld- 
bestellung weniger  Angebot,  und  dann  wurde  es  ganz  schwach. 
Unsere  hauptsächlichen  Posener  Lieferanten  konnten  wieder  große 
Posten  Roggenmehl  nach  dem  Norden,  Finland  und  Norwegen, 
verkaufen,  auch  hatten  diese  Mühlen  wie  unsere  großen  Ber- 
liner Mühlen  reichlichen  Absatz  nach  Südeuropa,  so  daß  hier 
naturgemäß  geringeres  Angebot  entstand,  was  sich  auch  durch 
Anziehen  der  BxDggenmehlpreise  um  oa.  V2  Mk.  stark  bemerkbar 
machte.  Im  Mai  und  Juni  war  der  Verkehr  in  Roggenmehl  an- 
dauernd still.  Die  Berichte  gaben  fast  andauernd  lustlose  Stim- 
mung für  Mehl  an,  und  da  sich  die  Emteaussichten  für  itoggen 
ziemlich   günstig   anließen,   so   lebte   man   von   der   Hand   in   den 


12.    Mehl  und  andere  Mühlenfabrikate. 


73 


Mund,  weil  man  von  leichten  Böden  bei  der  günstigen  AVitterung 
schon  Mitte  Juli  neuen  Roggen  erwartete.  Genügende  Bestände 
waren  überdies  überall  vorhanden,  so  daß  besondere  Anregung 
zu  Käufen  nicht  gegeben  war.  Im  Gnegensatz  zu  Weizenmehl  hielt 
sich  Roggenmehl  zur  allgemeinen  Ueberraschiing  gut  in  der 
Qualität.  Klagen  kamen  ;nur  vereinzelt  vor.  Der  Roggenmehl- 
bedarf Groß-Berlins  wird  ja  jetzt  auch  überhaupt  größtenteils 
aus  Beiiin-Brandenburg  selbst  gedeckt,  so  daß  die  Mehle  mit 
kurzem  Bahntransport  und  schnellem  Umschlag  schlanker  weg- 
gehen und  nicht  so  lange  lagern.  Das  andauernde  Ausbleiben 
der  Offerten  der  östlichen  Mühlen,  die  große  Posten  Mehl,  die 
sonst  für  den  Berliner  Markt  in  Frage  kamen,  ins  Ausland 
sandten,  machte  sich  Ende  August  und  Anfang  September  recht 
fühlbar;  es  setzte  hier  eine  ziemliche  Mehlknappheit  ein,  denn 
die  durch  den  anhaltenden  Eegen  verspätete  Weizen-  und  Hafer- 
ernte ließ  die  Landwirtschaft  nicht  rechtzeitig  zum  Dreschen 
des  Roggens  kommen.  Die  Ex)ggenmehlbestände  waren  in  Er- 
wartung einer  frühen  Roggenernte  aufgezehrt,  und  Nachschub 
kam  nicht  in  genügendem  Maße  heran.  Qiegen  Ende  September 
und  im  Laufe  der  ersten  Oktoberhälfte  bröckelten  die  Preise 
langsam  unter  dem  Drucke  der  großen  Weizenfläue  ab,  und  das 
Angebot  wurde  dann  stärker.  Andauernd  blieb  die  Tendenz  nun 
recht  lustlos,  und  das  allmähliche  Nachgeben  der  Preise  ging 
bis  Ende  des  Jahres  ohne  Halten.  Wenn  wir  die  Preisgestaltung 
des  Roggenmehlmarktes  in  diesem  Jahre  beobachten,  so  finden 
wir,  daß  wir  von  Anfang  bis  Ende  des  Jahres  ununterbrochen 
rückgängige  Konjunktur  hatten,  wobei  die  Preise  ungefähr  2  Mk. 
sowohl  für  feine  wie  für  gewöhnliche  Mehle  heruntergingen.  An- 
dauernd war  demnach  auch  die  Stimmung,  abgesehen  von  kurzen 
vorübergehenden  Unterbrechungen,  rec'ht  lustlos.  —  Ueber  die 
Backfähigkeit  der  diesjährigen  Roggenmehle  wird  vielfach 
geklagt. 

Die  Schwankungen  der  höchsten  Notizgrenzen,  die  die 
billigsten  Provinzmehle  betreffen,  und  die  höchsten  Notizgrenzen 
für  die  teuersten  hiesigen  Mehle  wiaren  für  Roggenmehl  0  und  1 : 


Tab.  25.     Preise  für  billigste  und  teuerste  Koggenmehle  im  Jahre  1913 


Januar . 

Februar 

März 

April 

Mai  . 

Juni. 

JuU  . 

August 

September 

Oktober     . 

November 

Dezember 


(in  M.  pro  dz), 
niedrigste  Notierung 

.  21.10—21.50 

.  20..50-21.— 

.  20.10—20.50 

.  20.10—20.50 

.  20.30—20.60 

.  20.20—20.50 

.  20.20—20.80 

.  20.10—20.50 

.  19.80—20.10 

.  19.10—19.80 

.  19. 19.50 

.  19.10—19.50 


höchste  Notierung 

23.40—23.60 

23. 23.50 

22.40—23.— 
22.40—22.80 
22.90—23.- 
22.50—22.90 
22.50—23.10 
22.50—22.80 
21.90—22.20 
21.40—21.90 
21.20—21.60 
21.40—21.60 


74  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B, .  Landwirtsch.  Fabrikate. 

Die  niedrigsten  mid  höchsten  Preise  für  Roggenmehl  0  und  1 
auf  Lieferung  waren  in  jedem  Monat  des  Jahres  1913  in  Mark 
pro  100  kg: 

Tab.  26.  Lieferungspreise  für  Roggenmehl  (in  M.  pro  dz). 

Mailieferung               Juli                 September  Oktober  Dezember 

Jan.  .  21.55—22.05  21.80—21.90             _  _  _ 

Febr.  .  21.35—21.80  21.65—22.-             _  _  _ 

März  .  20.80—21.50  20.75—21.85           20.75  —  — 

April  .  20.75—21.15  21.15—21.60  20.75—21.25  —  — 

Mai  .  20.90—21.10  21. 21.55  20.95—21.35  —  — 

Juni  .             —  20.70—21.40  20.70—21.10  20.80—20  90  20.80—20.90 

Juli  .            —  20.70—20.90  20.85—21.25  20.85—21.30  20.90—21.35 

Aug.  .             —                     —  20.50—21.—  20.55—21.05  20.65—21.10 

Sept.  .  20.75—21.10             —  20.35—20.75  20.35—20.75  20.35—20.80 

Okt.  .  20.15—20.90            —                     —  20.35—20.50  19.75—20.50 

Nov.  .  19.95—20.55             _                     _  _  19.50—20.15 

Dez.  .  19.95—20.50             —                     —  —  19.85—20.15 

Die  Ausfuhr  Deutschlands  an  Roggenmehl  betrug  in  den 
letzten  Jahren,  (in  dz): 

1911  1912  1913 

1457  098  1668  630  2  250  800 

c)  Kleiehan.de  1. 

Kleie.  Das  Jahr  setzte  in  sehr  ungünstiger  Situation  für  das  Kleie- 

geschäft ein.  Infolge  der  großen  Ernte  von  1912  und  besonders 
wegen  des  vielen  nassen  und  schlechten  Getreides,  das  zum  Teil 
verfüttert  werden  mußte,  war  der  Absatz  in  Kleie  sehr  schwierig 
geworden,  und  diese  Lage  hat  während  des  ganzen  verflossenen 
Jahres  auf  die  Tendenz  gedrückt.  Der  Absatz  in  Kleie  war 
seit  vielen  Jahren  nicht  so  gering,  wie  im  Jahre  1913.  Ein 
Glück  war  es  hierbei  noch,  daß  wenigstens  in  den  ersten  Monaten 
die  Zufuhren  vom  Auslände  verhältnismäßig  klein  waren  und 
daß  von  den  [Balkanstaaten  infolge  der  Feindseligkeiten  über- 
hatipt  keine  Ware  an  den  Markt  kam.  Aber  trotz  alledem 
mußte  in  einzelnen  Gegenden  schon  im  Monat  April,  welcher 
sonst  für  einen  Ider  besten  Absatzmonate  gehalten  wird,  mit 
der  Einlagerung  von  Kleie  begonnen  werden,  zumal  nicht  allein 
das  Inland,  sondern  auch  Schweden  und  Norwegen,  welche  sonst 
immer  große  Abnehmer  von  Kleie  sind,  sich  nicht  aufnahmefällig 
zeigten. 

Infolge  der  fruchtbaren  Witterung  konnte  bereits  anfangs 
Mai  in  einzelnen  Gegenden  mit  dem  Austrieb  des  Viehes  be- 
gonnen werden,  und  infolgedessen  verschlech  teerte  sich  die 
Situation  für  Kleie  immer  weiter,  zumal  immer  große  Massen 
von  verregnetem  und  ausgewachsenem  Getreide  vorhanden  waren. 
Eine  vorübergehende  Besserung  trat  ein,  als  gegen  Ende  Mai  aus 
manchen  Gegenden  über  Trockenheit  geklagt  wurde.  Auch  der 
Absatz    im   Juni    und    Juli   war   noch   leidlich,    doch   schlug   die 


13.    Brotfabrikation. 


/o 


Tendenz  gegen  Mitte  August,  bei  Beginn  der  neuen  Ernte,  in 
eine  völlige  Lustlosigkeit  um  und  verblieb  auch  so  bis  zum 
Scbluß  des  Jahres.  Nicht  allein  unsere  inländischen  Mühlen 
waren  dringend  Abgeber,  sondern  auch  das  Ausland  war  mit 
großen  Offerten  fortgesetzt  im  Markt,  und  namentlich  die  Bal- 
kanstaaten und  Rußland  verkauften  zu  jedem  eben  annehmbaren 
Preise,  so  daß  die  Händler  und  Mühlen  gezwiingen  waren,  da 
der  Konsum  völlig  stockte,  große  Quantitäten  einzulagern.  Am 
Schluß  des  Jahres  war  der  Absatz  in  Roggenkleie  außergewöhn- 
lich schlecht,  während  sich  die  Tendenz  für  Weizenkleie  besserte, 
und  diese  Besserunig  ihat  auöh  im  neuen  Jahre  angehalten. 

Die  Notierungen  für  Kleie  aji  der  Berliner  Börse  im  abge- 
laufenen Jahre  waren  zu  Beginn  eines  jeden  Monats: 

Tab.  27.  Preise  für  Weizen-  undRogrgenkleie  im  Jahre  1913  (inMark  für  100  kg). 


Anfang 

Weizenkleie         Roggenkleie 

Anfang 

Weizenkleie        Roggenkleie 

Januar 

11.10—11.60    11.25—11.75 

1 

August 

10.60—11.-     10.75—11.20 

Februar 

11.40—11.90    11.60—12.10 

Sept.          1 

10.25—10.75;  10.50— IL- 

März 

11.25—11.75    11.25—11.75 

Oktober     | 

IO.-— 10.50  |  10.25—10.75 

April 

11.-— 11.50    11. 11.50 

Nov. 

10. 10.50!  10. 10.50 

Mai 

a0.90— 11.40    10.90—11.40 

Dezemb.    i 

10. 10.50  1  10. 10.50 

Juni 

10.90—11.40  i  10.90—11.40 

EndeDez. 

10.25—10.75  !  10.10—10.60 

Juli 

10.40—10.90;  10.65—11.15 

Die  Einfuhr  Deutschlands  an  Kleie  betrug  während  der  letzten 
drei  Jahre  (in  dz) : 


1911 

14  182  234 


1912 

16  062  501 


1913 
14  142  564 


13.   Brotfabrikation. 

Das  Statistische  Amt  der  Stadt  Berlin  ermittelt-e  durch  Um- 
frage in  40  Bäckereien  folgende  Durchsehnitt-spreise  für  1  kg 
Boggen-  und  Weizenbrot: 


Tab.  28. 


Roggenbrotpreise   (in  Pfennig  pro  kg). 


Jan. 


1912  29.70 

1913  '29.18 


Febr.  I  März 


29.5029.64 
29.1229.01 


April 


29.71 
28.94 


Mai  I  Juni  \   Juli  |  Aug.  |  Sept.  |  Okt.  |  Nov.  |  Dez. 


29.91 
29.34 


29.99  30.3130.15  29.79  29.55  29.43  29.26 
29.09  29.09'28.94i29.09'28.55  28.08  28.03 


Jahr 


29.70 

28.87 


Biotprei.se. 


Die  Preise  der  Brotfabriken  sind  durchWeg  zirka  lOo/o   pro 
kg  niedriger  anzusetze q. 


Tab.  29. 


Weizenbrotpreise  (in  Pfennig  pro  kg). 


1912 
1913 


Jan.  I  Febr.    März  |  April '  Mai     Juni  |   Juli 


53.26  53.86  54.30 
54.09'  54.82'54.33 


53.85 
54.94 


55.2055.01 
54.9054.50 


55.44 
54.62 


Aug.    Sept. 


54.59 
53.89 


54.75 
54.36 


Okt.     Nov.  i  Dez.  II  Jahr 


54.43;54.18 
53.i7i53.7O 


54.66  54.46 
55.111!  54.37 


Die    Bewegung    der   Mehlpreise    war   nicht    sehr   groß    und 
tendierte  zum  Schluß  nach  unten.    Die  Qualität  des   vorjährigen 


Großbäckerei 


76  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

Mehles  war  nicht  gut  und  man  setzte  berechtigte  Hoffnungen 
auf  eine  große  und  gute  neue  Ernte.  Durch  den  dauernd 
feuchten  Sommer  wurden  aber  diese  Hoffnungen  zunichte  ge- 
macht. Die  Backfähigkeit  und  die  Ausbeute  des  Mehls  sind 
gering.  In  den  letzten  Monaten  wurde  über  schlechten  Brot- 
konsum geklagt,  der  wohl  teils  durch  den  niedrigen  Preis 
der  Kartoffeln,  teils  durch  die  zunehmende  Arbeitslosigkeit  her- 
vorgerufen ist.  Großen  Abbruch  an  der  Kundschaft  haben  alle 
Betriebe  durch  die  enorme  Ausbreitung  der  Konsum vereins- 
bäx:;kerei  erlitten,  die  mit  über  100  Verkaufsstellen  ein  enges  Netz 
über  Groß-Berlin  gezogen  hat.  Der  Konsumverein  bietet  seinen 
Mitgliedern  nicht  mehr  Vorteile,  als  jeder  leistungsfähige  Groß- 
betrieb der  Branche,  doch  hat  er  einen  großen  Zulauf,  der  sich  in 
erster  Linie  durch!  die  politische  Propaganda  erklärt.  Der  Ver- 
band der  Brotfabrikanten,  der  in  Berlin  seit  zirka  einem  Jahre 
besteht,  hat  sich  bewährt  und  auch  schon  mehrfach  erfolg- 
reich eingreifen  können;  u.  a.  wurden  Maßnahmen  g&,gen  den 
Brotumtausch   bei   der  Kundschaft  getroffen. 

Kleinbäckerei.  Den  Kleinbäckereien   brachte  der  Preisrückgang  der  Mehle 

keinen  besseren  Gresehäftsgang,  weil  die  wachsende  Arbeitslosig- 
keit und  die  schon  erwähnte  Konsumvereinsgründung  einen  schädi- 
genden Einfluß  ausübten.  Im  Konkurrenzkampf  gegen  die  Kon- 
sumvereinsbäekerei  leistete  die  im  vorigen  Jahre  von  dem  Zweck- 
verband der  Bäckermeister  Groß-Berlins  eiagefühirte  Zentral- 
Rabattmarke,  die  über  Erwarten  sich  beim  Publikum  gut  ein- 
führte, gute  Dienste.  Des  wenigen  Umsatzes  und  Ver- 
dienstes wegen  war  auch'  die  Neigung,  das  eigene  Geschäft  zu 
verkaufen  und  es  mit  einem  neuen  zu  versuchen,  recht  groß.  Um 
den  vielfachen  Unlauterkeiten,  die  bei  solchen  Vermittlungen 
seitens  verschiedener  Vermittler  zutage  traten  und  oft  zu  ge- 
richtlichen Klagen  führten,  entgegenzuwirken,  hat  der  Zweok- 
verband  ein  sogenanntes  Treuhänder-Institut  eingerichtet.  Durch 
dieses  sollen  den  Bäckermeistern  palende  Bäckereien  nach- 
gewiesen werden  und  der  Kauf  und  Verkauf  in  reeller  Weise 
stattfinden.  Das  Institut  hat  sich  gut  eingeführt.  Zwisclien  Mehl- 
händlern und  Bäckern  ist  es  nach  längeren  Verhandlungen  zur 
Festlegung  von  Verkaufsnormen  und  Bildung  eines  Schiedsgerichts 
gekommen,  was  endlich  geeignet  ist,  die  vielfachen  gerichtlichen 
Streitigkeiten  auszuschalten.  Das  große  Werk  der  Einkaufs^ 
zentrale  hat  sich  auch  ferner  gut  entwidkelt  und  den  Bäcker- 
meistern große  Vorteile  gebracht.  Die  drückendste  Sorge  ist  vielen 
Keller-Bäckereien  durch  die  versöhnlichere  Haltung  der  Re- 
gierung in  der  Gewährung  von  Dispensen  von  den  Vorschriften 
der  Polizeiverordnung  über  die  Errichtung  der  Bäckereien  ge- 
nommen worden.  Dem  energischen  Vorgehen  des  Schutz  Verbandes 
und  dem  Eingreifen  aller  bürgerlichen  Parteien  im  Reichstage 
ist   es    zu   danken,    wenn   bei    den   meisten   Bäckereien   jetzt   der 


14.    Keks-,  Honig-  und  Lebkuchenfabrikation.  77 

Dispens  bis  zu  einem  größeren  Umbau  oder  gar  dauernd  ver- 
längert wird.  Zli  Lohnbewegungen  kam  'es  im  vergangenen  Jahre 
in  Berlin  nicht.  Wie  Berlin,  waren  auch  beinahe  alle  15  Vor- 
ortsinnungen dem  Arbeitgeber-Schutzverband  korporativ  ]>eige- 
treten,  so  daß  für  die  Zukunft  das  Bäckergewerbe  ruhig'er  eiaem 
Streik  und  Boykott  en.tgegen&ehen  kann  als  bisher.  Die  Um- 
wandlung der  Innungskrankenkassen  ist  im  Gewerbe  ohne  große 
Erschü  tteriijngen  vor  sich  gegangen,  da  hier  der  Meisterstand 
und  Gesellenstand  Hand  in  Hand  arbeiteten.  Ein  gleich  gutes 
Einvernehmen  ist  von  der  Verwaltung  des  Zentralarbeitsnach- 
weises zu  berichten.  Zum  bisherigen  Terrain  für  das  Erholungs- 
und Altenheim  in  Seegefeld  wurde  ein  ebenso  großes  zuerworben. 
Im  neuen  Jahre  wird  mit  dem  Bau  des  Altenheims  begonnen. 
Mehr  als  100  000  Mk.  sind  schon  dazu  als  Bausteine  v^on  den 
Bäxjker-i  aufgebracht  worden.  In  diese  friedlichen  Bestrebungen 
wirft  die  Beratung  des  Sonntagsruhegesetzes  leider  einige  Auf- 
regung, da  mit  Recht  zu  befürchten  ist,  daß  auch  dem  Bäcker- 
ge werbe  durch  Beschränkung  der  Verkaufszeit  am  Sonntag  der 
Verdienst   noch   mehr   eingeengt   wird. 

14.    Keks-,   Honig-   und   Lebkuchenfabrikation. 

Der  Beschäftigungsgrad  innerhalb  der  Keks-,  Biskuits-,  Besc^l^^t•tiguup 
Waffel-,  Honigkuchen-  und  Lebkuchenindustrie  blieb  im  Jahre  ""  weie"^'' 
1913  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  merklich  hinter  dem 
des  Vorjahres  zurück,  wofür  wohl  nicht  am  wenigsten  die  allge- 
meine Geldknappheit  und  infolge  daraus  entstandene  Einschrä^n- 
kungen  als  Ursachen  anzusehen  sind.  Hauptsächlich  machten  sich 
die  schlechten  wirtschaftlichen  Verhältnisse  in  dem  Geschäfts- 
gang der  Detail geschäfte  in  den  Bäderorten  bemerkbar.  Das 
Publikum  drehte  sozusagen  jeden  Groschen  ein  paarmal  um,  ehe 
es  ihn  ausgab.  Der  Umsatz  im  Detailgeschäft  blieb  daher  gegen 
das  Vorjahr  vielfach  zurück.  Infolge  der  Geldknappheit  kamen 
öfter  Zusammenbrüche  und  Zahlungsschwierigkeiten  vor  und 
es  konnten  auch  die  ohnehin  langen  Zahlungsfristen  seitens  der 
Kundschaft  nicht  immer  innegehalten  werden.  Diese  schleppende 
Zahlungsweise,  in  Verbindung  mit  den  kaum  die  Herstellungs- 
kosten deckenden  Verkaufspreisen,  drückt  stark  auf  den  Industrie- 
zweig und  verstärkt  mehr  und  mehr  das  Verlangen  nach  Her- 
stellung von  Preisvereinbarungen,  wie  sie  vor  Jahren  innerhalb 
der  Keks-  und  Biskuits-Industrie  lange  bestanden  haben.  Ob 
"und  wann  dieser  Wunsch  in  Erfüllung  gehen  wird,  ist  zurzeit 
noch  nicht  abzusehen.  Solange  aber  die  Produktion  noöh  im  Lande 
Unterkunft  findet,  wird  sich  so  leicht  an  diesem  Zustand  nichts 
(ändern.  Tritt  indes  Ueberproduktion  ein,  für  die  wegen  der  zur- 
zeit herrschenden  Zoll  Verhältnisse  trotz  vorhandener  Möglich- 
keiten nicht  oder  doch  nur  mit  Verlust  ein  Export  geschaffen 
werden  kann,  dann  werden  sich  die  Fabrikanten  wohl  oder  übel 


L    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


Rolimaterial- 
preise. 


Konkurrenz 
des  Auslandes. 


bereit  finden  lassen  mü&S'en,  zu  Preisvereiiibarungen  zu  sichreiten 
bzw.   die  Produktion  einzuschränken. 

Arbeiterbewegungen  größeren  Umfanges  sind  im  Berichtsjahre 
nicht  zum  Ausbruch  gekommen,  dagegen  gärt^  es  in  einigen  Be- 
trieben des  Reiches,  in  denen  der  Zentralverband  der  Bäcker  und 
Konditoren  Einfluß  auf  die  Arbeiterschaft  zu  gewinnen  sucht, 
wodurch  das  bisher  gute  Verhältnis  zwischen  dieser  und  den 
Fabriksleitungen   getmbt  würde. 

Die  Preise  der  bei  der  Fabrikation  gebrauchten  Ex)hmaterialien 
sind  im  Berichtsjahre  zum  großen  Teil  gestiegen;  das  gilt  be- 
sonders für  Mehl,  Eier,  Butter  und  Marzipan.  Glücklicherweise 
war  zu  einem  kleinen  Teile  ein  Ausgleich  in  den  niedrigeren 
Zuckerpreisen  vorhanden. 

Hin  und  wieder  geklagt  wird  in  den  Kreisen  der  Keks-, 
Waffel-  und  Lebkuchenfabrikanten  noch  darüber,  daß  vielfach  die 
ausländischen,  namentlich  die  englischen,  Fabrikate  bevorzugt 
werden.  Es  ist  bedauerlich,  daß  das  Publikum  sich  so  schwer 
zu  dem  Glauben  aufschwingen  kann,  daß  der  deutsche  Fabrikant 
mindestens  gleichwertige  Erzeugnisse  herstellt  und  auf  den 
Markt  bringt.  Hier  wird  seitens  der  berufenen  Organe  noch' 
manches  zur  Aufklärung  zu  tun  sein.  Voran  geht  in  lieser  Be- 
ziehung der  Verband  der  Keks-,  Waffel-  und  Lebkuchenfabri- 
kanten, und  es  ist  sehr  zu  wünschen,  daß  auch  die  Korporationen 
von  Industrie  und  Handel  sich  diesem  Aufklärungsbeginnen  des 
Verbandes  anschließen.  Die  seit  1911  auch  vom  Verband  der 
Keks-,  Waffel-  und  Lebkuchenfabrikanten  angenommene  Schreib- 
weise ,.Keks"  statt  der  englischen  ,,Caces"  oder  der  vielfach  so- 
gar üblich  gewesenen  „Kakes"  führt  sich  mehr  und  mehr  ein 
und  dürfte  gewiß  recht  bald  allgemein   üblich  werden. 


15.    Rüböl. 

Jan.-Febr.  Das  Berliner  Oellager  betrug  am  Anfang  des  Berichtsjahres 

ungefähr  13000  Ztr.  Die  Oelp reise  eröffneten  für  Lieferung 
im  Januar  mit  65,50  Mk.,  im  Mai  mit  62,50  Mk.  pro  100  kg 
inkl.  Barrels  frei  Berlin,  d.  h.  mit  einem  Deport  von  3  Mk. 
pro  100  kg.  Das  Konsumgeschiäft  und  auch  der  Börsenhandel 
waren  ungemein  still.  Im  Verlaufe  des  Monats  Januar  zeigte 
sich  für  Maiöl  leichte  Kauflust,  die  diesen  Termin  etwas  stei- 
gerte und  den  Deport  Mitte  Februar  auf  IV2  Mk.  ermäßigte 
Am  12.  Febr.  bezahlte  man  Rüböl  per  Febr.  mit  66,70  Mk., 
Mai  mit  65  Mk.  und  Oktober  wurde  zum  ersten  Male  mit  04,30 
Mark  pro   100  kg  inkl.   Barrels  frei  BerUn  gehandelt. 

März-April.  Im  März  und  April  wurde  das  Geschäft  wieder  recht  klein; 

erst  im  Mai  belebte  sich  der  Konsum  infolge  der  geringfügigen 
Andienungen  und  griff  flott  zu,  so  daß  ziemlich!  erhebliche  Rück- 
käufe  von  Maiöl  vorgenommen   werden  mußten.    Hierdurch  ver- 


15.  Rüböl. 


79 


schob  sich  die  Preisbildung  nicht  unwesentlich;  von  Alitte  bis 
kurz  vor  Ende  des  genannten  Monat-s  war  ein  Report  von  IV2 
Mark  auf  Oktober  entstaaden. 

Am  29.  Mai  bezahlte  man  für  Maiöl  67,30  Mk.,  am  31.  nur 
noch  6G,50  Mk.,  während  Rüböl  per  Oktober  an  beiden  Tagen 
lunverändert  65,90  Mk.  notierte;  der  Report  hatte  sich  mithin 
auf   60  Pf.   verkleinert. 

AVenngleich  das  Geschäft  im  Juni  und  Juli  wieder  ganz 
still  wurde,  war  die  Stimmung  für  Oel  doch  behauptet,  weil 
aus  Argentinien  ungünstige  Witterungsnachrichten  vorlagen,  wo- 
durch der  Markt  für  Leinsaat  befestigt  wurde.  Auch  die  Be- 
richte über  die  kleine  rumänische  Rübsenemte,  und  hohe  For- 
derungen für  indische  Rapssaat  ließen  eine  mattere  Tendenz  nicht 
aufkommen.  Am  9.  Juli  wurde  ziemlich  zum  gleiclien  Preise 
mit  Oktober  -  Rüböl  zum  ersten  Male  Rüböl  per  Dez.  mit  67,10 
Mark  pro  100  kg  inkl.  Bris,  frei  Berlin  gehandelt;  am  2.  Aug. 
wurden  mit  68,20  Mk.  für  Rüböl  per  Oktober  und  mit  68  Mk. 
für  Rüböl  per  Dezember  die  höchsten  Preise  des  Berichtsjahres 
erreicht.  Aber  der  Bedarf  war  doch  so  mäßig  und  man  kaufte  immer 
nur  das  Nächstliegende,  so  daß  die  Fabrikanten,  welche  ziemlich 
reichlich  Saaten  gekauft  hatten,  ungeduldig  wurden  und  sich 
als  recht  abgabelustig  erwiesen,  um  so  mehr,  als  sich  die  Speku- 
lation von  dem  Artikel  ganz  zurückgezogen  hatte. 

Im  August  und  September  wichen  die  Preise  langsam  und 
sie  konnten  sich  auch  im  Oktober  trotz  Aufnahme  der  Kündi- 
gungen nicht  bessern;  im  genannten  Monat  dürften  zirka  8000 
Zentner  von  außerhalb  herangezogen  und  angedient  wordeai  sein. 
Die  Nachfrage  nach  greifbarer  Ware  war  immerhin  jetzt  mehr 
hervorgetreten,  so  daß,  wenn  auch  ein  ruhiges,  so  doch  ein 
stetiges  Konsumgeschäft  einsetzte.  Ende  Oktober  kostete  Rüböl 
per  laufenden  Monat  65,40  Mk.,  per  Dez.  65,60  Mk.  pro  100  kg 
inkl.  Bris,  frei  Berlin.  Am  7.  Nov.  kam  pari  Dez.  die  erste 
Notiz  für  Rüböl  per  Mai  mit  64,90  Mk.  zustande.  Hatte  man 
an  diese  Notiz  die  Hoffnung  geknüpft,  daß,  weil  sie  niedrig  er- 
schien, die  Unternehmungslust  angeregt  werden  würde,  so  hatte 
man.  sich  gründlich  getäuscht.  Das  Geschäft  an  der  Börse  schlief 
in  der  Folge  ein,  so  daß  manchmal  eine  Woche  lang  kein  Ab- 
schluß stattfand  und  kein  Preis  notiert  wurde. 

Im  Dezember  wurden  knapp  1500  Zentner  angedient  und 
aufgenommen,  Preisschwankungen  waren  kaum  zu  verzeichnen. 
Am  9.  Dez.  wurde  für  den  laufenden  Monat  die  letzte  offizielle 
Notiz  über  rohes  Rüböl  mit  64,80  Mk.,  am  12.  Dez.  die  letzte 
für  Mai  1914  mit  65,50  Mk.  ermittelt.  Der  Rest  des  Monats 
verlief  in  völliger  Teilnahmslosigkeit  bei  matter  Grundtendenz. 
Ende  Dezember  dürfte  das  Berliner  Rüböllager  zirka  10000  bis 
11000   Zentner  betragen  haben. 


Mai. 


Juui-Juli 


Aug.-Xoveml), 


Dezember. 


80  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Ländwirtsch.  Fabrikate. 

16.    Kartoffelfabrikate. 
Geschäftslage  Der  Scliluß  des  Kalenderjahres  1912  hatte  bereits  erkennen 

Ende  1912.  Jassen,  daß  trotz  der  großen  Kartoffelernte  die  Stärkeproduktion 
nur  einen  mittleren  Umfang  erreichen  würde.  Es  zeigte  sich 
immer  mehr,  daß  die  östlichen  Provinzen,  in  denen  die  meisten 
Stärkefabriken  liegen,  keinen  wesentlichen  Ueberschuß  an  Kar- 
toffeln aufzuweisen  hatten,  und  vor  allen  Dingen,  daß  die 
Kartoffelfäule  in  bisher  kaum  gekanntem  Maße  um  sich  griff 
und  die  Vorräte  vernichtete.  Was  noch  irgend  zu  retten  war^ 
war  am  Anfang  der  Kampagne  den  Fabriken  angeliefert  worden, 
dann  aber  hörten  die  Zufuhren  plötzlich  auf.  Es  kam  kaum 
noch  Bx)hmaterial  für  die  Fabriken  an  den  Markt,  so  daß  bei 
Beginn  des  Berichtsjahres  1913  ein  großer  Teil  der  Stärke- 
fabriken den  Betrieb  bereits  eingestellt  hatte  oder  nur  noch 
!kurze  Zeit  aufrechterhalten  konnte.  Mit  Rücksicht  auf  die 
amtliche  Ernteziffer  von  50  209  466  t,  die  eine  Rekordernte 
für  Kartoffeln  bedeutete,  hatten  sich  die  Verbraucher  bei  Ein- 
deckung  ihres  Bedarfes  Zeit  gelassen,  während  in  Händlerkreisen 
die  durch  enorme  Fäule  gänzlich  veränderte  Lage  frühzeitig 
erkannt  und  daher  von  ihnen  alle  an  den  Markt  kommende 
Ware  aufgenommen  wurde.  Es  bot  sich  auch  im  weiteren  Ver- 
lauf für  die  Händler  ein  ergiebiges  Feld  zu  erfolgreicher  Be- 
tätigung, da  infolge  des  frühen  Kampagneschlusses  die  Angebote 
der  Fabriken  plötzlich  aufhörten. 
jan.-.sept.  i9i:j.  Gleich  die  ersten  Wochen  des  Berichtsjahres  brachten  eine 

scharfe  Aufwärtsbewegung  der  Preise  für  Kartoffelfabrikate^ 
da  sich  ein  allgemeines  Deckimgsbedürfnis  der  Verbraucher 
geltend  machte  und  auch  viele  Stärkefabriken  in  Ueberschätzung 
ihrer  Produktion  weit  mehr  verkauft  hatten,  als  sie  schließlich 
zu  liefern  in  der  Lage  waren.  So  gelangten  die  Preise  bis 
Mitte  Februar  auf  eine  unerwartete  Höhe,  die  schon  nahezu 
einer  Mißernte  entsprach.  Auf  das  etwas  überstürzte  Zugreifen 
der  Deckungsbedürftigen  folgte  bis  Ende  März  ein  ruhiges  Ge- 
schäft mit  abbröckelnden  Preisen.  Im  Frühjahr,  als  sich  heraus- 
stellte, daß  Kartoffeln  für  eine  Nachkampagne  nicht  mehr  er- 
hältlich waren,  belebte  sich  nochmals  die  Kauflust  in  Kartoffel- 
fabrikaten. Bis  Mitte  Mai  trat  demgemäß  eine  erneute  Preis- 
bewegung ein,  jedoch  wurde  der  Hochstand  vom  Februar  nicht 
mehr  erreicht.  Bei  langsam  wieder  rückgängigen  Preisen  setzte 
nun  wieder  eine  ruhige  Geschäftsperiode  ein,  die  bis  gegen 
Ende  Juni  andauerte.  Um  diese  Zeit  spricht  bereits  wesentlich 
die  Beurteilung  der  neuen  Ernte  mit.  Die  Aussichten  waren 
günstig,  was  in  billigen  Angeboten  für  neue  Kampagne  seinen 
Ausdruck  fand.  Für  alte  Ware,  die  sich  in  wenigen  Händen 
befand,  konnten  sich  die  Preise  bis  gegen  Mitte  August  auf 
ziemlicher  Höhe  behaupten.  Immer  günstiger  wurden  die  Aus- 
sichten  für  neue   Ernte,   und   es  zeigte  sich  nun  das   Bestreben^ 


16.  Kartoffelfabrikate. 


81 


die  alten  Bestände  an  Kartoffelfabrikaten  schnell  zu  ver- 
kaufen. Bei  der  Zurückkaltung  der  Verbraucher  gelang  es 
jedoch  nicht,  die  Vorräte  zu  räumen,  obgleich  die  Forderungen 
eine   wesentliche   Ermäßigung    erfuhren. 

Außergewöhnlich  früh  begann  diesmal  die  neue  Ernte,  und 
als  bereits  Mitte  September  die  erste  neue  Ware  zur  Äbliefe- 
jTung  kam,  waren  noch  viele  Läger  mit  alten  Beständen  gefüllt, 
an  denen  die  Besitzer  empfindliche  Verluste  erlitten.  Bis  Ende 
iSeptember  wurden  für  sofort  greifbare  Ware  noch  kleinere 
Aufschläge  gezahlt.  Als  dann  Anfang  Oktober  die  neue  Kam- 
pagne überall  in  vollem  Umfange  eröffnet  war,  wurde  ein 
Tiefstand  in  den  Preisen  erreicht,  wie  wir  ihn  seit  Jahren 
nicht  gehabt  haben.  Die  Zufuhren  an  Rohmaterial  waren  ent- 
sprechend der  enormen  Kartoffelernte  sehr  beträchtlich,  und 
die  Fabriken  nahmen  zu  dieser  Zeit  umfangreiche  Lieferungs- 
käufe in  E-ohmaterial  vor,  um  sich  eine  volle  Kampagne  zu 
sichern.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Oktober  war  ein  leichtes 
Anziehen  zu  verzeichnen,  das  jedoch  nicht  von  langer  Dauer 
war,  so  daß  wir  uns  am  Jahresschluß  wieder  auf  derselben 
Preisbasis  befanden,  auf  der  die  Kampagne  eröffnet  hatte.  Die 
Preisentwicklung  des  Berichtsjahres  zeigt  die  folgende  Preis- 
tabelle : 

Tab.  30.    Monatliche  Durchschnittspreise  für  Kartoffelfabrikate  im  Jahre  1913. 
(100  kg  franko  Berlin  in  Mark). 


Kartoffelstärke 
und  -Mehl 

Dextrin 

42er  Kap-Sirup 

Rohstärke 

Prima  Superior 

Januar 

25.75    26.25 

31.50 

29.50 

13.25 

Februar' 

28—    28.50 

33.75 

31.50 

14.50 

März  .     . 

28.-    28.50 

33.75 

31.— 

14.75 

April 

27.25    27.75 

33.50 

31.— 

— 

Mai    .     . 

27.25    27.75 

33.50 

31.75 

— 

Juni   .     . 

26.50    27.— 

33.— 

31.— 

— 

Juli    .     . 

26.50    27.— 

32  75 

31.25 

— 

August  . 

26.50    27.— 

32.50 

31.25 

— 

September 

22.—    22.50 

29.— 

26.50 

— 

Oktober 

19.25     19.75 

25.75 

23.— 

9.90 

November 

19.50    20.— 

25.75 

23.— 

9.80 

Dezember 

19.—    19.50 

25.50 

22.75 

9.60 

Neue  Kam- 
pagne. 


Preise. 


Der  Absatz  von  Kartoffelfabrikaten  war  fast  ausschließ- 
lich auf  den  Inlandsbedarf  angewiesen.  Die  verbrauchenden 
Industrien  waren  gut  beschäftigt  und  zeigten  sich  recht  auf- 
nahmefähig. Auf  den  Absatz  von  Gly kosen  wirkten  allerdings 
die  verhältnismäßig  niedrigen  Rübenzuckerpreise  nachteilig  ein. 
Unter  Streiks  und  Aussperrungen  hatte  die  Fabrikation  nicht 
erheblich  zu  leiden.  Durch  den  Streik  der  Hafenarbeiter  in 
Stettin,  der  von  Anfang  September  bis  Ende  November  dauerte, 
wurden  wohl  die  Verladungsspesen  etwas  verteuert,  jedoch  wurde 
durch  das  einmütige  Vorgehen  der  Stettiner  Spediteure  und 
Schiffahrts  -  Gesellschaften      der     Verkehr       ohne      wesentliche 


Absatz. 


Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


82 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwiitsch.  Fabrikate. 


Export. 


Störungen  aufrechterhalten.  Auch  der  niedrige  Wasserstand  von 
Elbe  und  Rhein  behinderte  im  Herbst  nur  ganz  vorübergehend 
den  Verkehr.  Aussperrungen  in  den  englischen  Spinnereien 
waren  ohne  wesentlichen  Einfluß  auf  den  Absatz,  da  ohnehin 
das  Exportgeschäft  auf  ein  Minimum  zusammengeschrumpft 
.war.  In  erster  Linie  Holland,  aber  auch  Oesterreich  und  Ruß- 
land waren  bis  Anfang  September  ständig  mit  so  wesentlich 
niedrigeren  Preisen  am  Markt,  daß  in  der  Hauptsache  nur  die 
Schlüsse  zur  Abwicklung  kommen  konnten,  welche  am  Anfang 
der  Kampagne  1912  mit  Rücksicht  auf  die  erwartete  Rekord- 
ernte eingegangen  waren.  Erst  mit  Beginn  der  neuen  Kampagne 
Wurde  Deutschland  wieder  exportfähig,  und  es  sind  im  August 
und  September  des  Berichtsjahres  auch  wiederum  größere  Ab- 
schlüsse in  deutscher  Ware  nach  dem  Auslande  getätigt  worden. 
Leider  fehlt  es  bei  vielen  deutschen  Fabriken  an  der  erforder- 
lichen Großzügigkeit  gegenüber  Auslandsaufträgen.  Teilweise 
sind  die  Aufträge  wohl  von  Händlerfirmen  angenommen  worden, 
doch  schließen  diese  langfristigen  Kontrakte  gerade  für  die 
Händler  stets  ein  größeres  Risiko  ein,  da  die  freie  Bewegung 
in  dem  Handel  mit  Kartoffelfabrikaten  durch  Verkaufsver- 
einigungen der  deutschen  Stärkefabriken  sehr  behindert  ist.  Die 
zu  erwartende  diesjährige  große  Produktion  berechtigt  zu  der 
Hoffnung,  daß  der  Handel  für  die  nächste  Zeit  zu  erfolgreicher 
Betätigung    Gelegenheit   finden   wird. 

Dio    Exportziffern    für    die    hauptsächlichsten    Kartoffel- 
«fabrikate    stellen    sich    für    die    letzten    drei    Jahre    wie    folgt: 

Tab.  31.      Export  von  Kartoffelfabrikaten  in  den  letzten  drei  Jahren  (in  dz) 


1911 
1912 
1913 


Mehl  u.  Stärke 


462  405 
141  339 

185  586 


Dextrin 


130  071 

91929 

121057 


Stärkesirup 
und  Zucker 


28  642 
12  689 
18  842 


Zusammen 


621  118 
246  010 
325  485 


Gedarrte 
Zichorien. 


17.  Zichorien  und  andere  Kaffee  Surrogate. 

Standen  die  letzten  Jahre  im  Zeichen  hoher  Preise  für  Roh- 
ware und  geringer,  kaum  ausreichender  Ernteerträge,  so  ist  seit 
dem  Herbst  1912  eine  ganz  entgegengesetzte  Wandlung  einge- 
treten. Di-e  Ergebnisse  der  Ernte  1912  erwiesen  sich  als  so  günstig, 
daß  die  Preise  ständig  heruntergingen.  Für  die  Fabrikanten,  die, 
eingedenk  der  bisherigen  Not  in  Rohware,  zu  Preisen  von  18  Mk. 
für  100  kg  Zichorienbrocken  abgeschlossen  hatten  und  nun  auf 
ihrer  teuren  Rohware  festsaßen,  war  diese  vollständige  Aenderung 
der  Verhältnisse  außerordentlich  nachteilig;  denn  je  weniger  sie 
in  der  Lage  waren,  die  billig  angebotene  Rohware  aufzunehmen, 
um  so  mehr  gingen  deren  Preise  zurück,  so  daß  im  Januar/Februar 
1913  Käufe  zu  13,50  und  13,75  Mk.  abgeschlos&en  werden  könnten. 


17.     Zichorien   und    andere   Kaffeesurrosrate. 


83 


Um  den  Anbau  von  Zichorien  nicht  etwa  wieder  zurückg-ehen  zu 
lassen,  bewilligten  die  Fabrikanten  gleichzeitig  für  Lieferungen 
aus  neuer  Ernte  pro  Herbst  1913  15  Mk.  pro  100  kg  ab  Magde- 
burg; und  das  trug  dazu  bei,  die  offiziellen  Preise  für  greifbare 
Ware  bis  in  den  Juli  hinein  auf  14  Mk.  im  allgemeinen  festzu- 
halten. Als  dann  aber  auch  die  Aussichten  für  die  neue  Ernte 
wieder  sehr  günstig  wurden  und  schon  im  August  neue  gedarrte 
Zichorien  für  Lieferung  Ende  September/Oktober  mit  13,25  bis 
13  Mk.  für  100  kg  ab  Magdeburg  angeboten  wurden,  war  auch 
für  greifbare  Ware  nicht  mehr  als  13,50  bis  13  Mk.  zu  erzielen. 
Und  im  September,  lals  die  Aufgrabungen  der  neuen  Wurzeln 
die  günstigen  Erwartungen  bestätigten,  wichen  die  Preise  gar 
bis  auf  12,50  Mk.,  im  Oktober  sogar  auf  12  Mk.  für  100  kg. 
Wieder  waren  die  Fabrikanten  übel  daran,  die  mit  15  Mk.  den 
größten  Teil  ihres  Bedarfes  hereinnehmen  mußten.  Gelingt  es 
den  Fabrikanten  nicht,  durch  festes  Zusammenhalten  hinsichtlich 
der  Verkaufspreise  einer  wüsten  Schleuderei  vorzubeugen,  dann 
werden  sie  von  neuem  Schaden  erleiden,  nachdem  sie  in  den 
letzten  Jahren  nur  mit  schweren  Opfern  arbeiten  konnten,  weil 
die  Verkaufspreise  mit  den  enorm  hohen  Einkaufspreisen  für 
Rohziohorien  nicht  in  Einklang  zu  bringen  waren.. 

Nachstehend  bringen  wir  eine  Tabelle  über  die  Preisbewegung 
im  Jahre  1913.  Die  Preise  verstehen  sich  sämtlich  für  100  kg 
gedarrte  Zichorienbrocken  frei  ab  Magdeburg  bzw.  für  Belgien  frei 
ab  dortiger  Versandstation: 

Tab.  32.  Preise  für  gedarrte  Zichorien  im  Jahre  1913 

(in  M.  bzw.  Frcs.  pro  100  kg). 


Januar  . 
Februar  . 
März  .  . 
April .  . 
Mai  .  . 
Juni  .  . 
Juli  .  . 
August  . 
September 
Oktober . 
November 
Dezem^ber 


ab  Magdeburg 
für  greifbare,  i  für  Ernte  1913 


ab  Belgien 

für  greifbare,  |  -..    ^     .    ,„^„ 
aus  Ernte  1912     für  Ernte  1913 


13.50 
13  50—14.— 

14.— 
13.75—14.— 

14.— 

14.— 

14. 13.75 

14. 13.50 

1 13.50—12.50 
12.50-12.— 
12. 11.50 

11.50 


15. 

14.50 

14.50-15.-  1 

15.— 

15.— 

15. 

-—14.50 

14. 

13.75 

13.75       ! 

13.50—13.—  i 

13. 

12.50 

13. 

-  (1914)  1 

14-.— 14.25 

14. 13.50 

13.50—14.25 

14. 14.25 

13.50—13.75 

13. 12.75 

13.25—13.— 
13.— 

13. 12.50 

13. 12.25 

12.50—12.25 
12.50—12.25 


15.75 
15.50—16.— 
15.75—16.— 
15.75—16.— 

15.— 
14.50—14.— 
14.25—14.— 
14.25-14.— 

14. 1350 

13.50—13.25 
13.50—13.25 
13.50—13.25 


Bas  Geschäft  in  gedarrten  Rüben  lag  äußerst  still  und  schwer- 
fällig, so  daß  häufig  gar  keine  offiziellen  Notierungen  zustande 
kamen.  Die  Preise  für  greifbare  Ware  schwankten  bis  zum  Juni 
zwischen  13,50  bis  13  Mk.  frei  ab  Magdeburg,  gingen  im  Juli 
auf  12,50  bis  12  Mk.  zurück,  und  im  weiteren  Verlaufe  waren 
dann  Rüben  zu  12  Mk.  dauernd  zu  kaufen.  Für  Herbstlieferung 
1913  aus  neuer  Ernte  wurden  bis  Juni  13,50  Mk.  bezahlt,  im  Juli- 


Gedarrte 
Rüben. 


84 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Zichorien- 
fabrikate. 


Gerösteter 
Getreidekaffee 
und  Malzkaffee. 


Au^st  13  Mk.  und  seit  September  12  Mk.  für  100  kg  frei  ab 
Magdeburg.  Im  November  ^ing  der  Preis  für  gedarrte  Rüben 
auf  11,50  Mk.,  gegen  Ende  dieses  Monats  auf  11  Mk.  herab; 
im  Dezember  blieb  er  auf  11  Mk.  stehen,  während  gleichzeitig 
die  Ware  auf  Lieferung  im  Herbst  1914  mit  13  Mk.  gehandelt 
wurde. 

Die  Verkaufspreise  der  Zichorienfabrikate  sind  dank  den 
Preisvereinbarungen,  die  zwischen  den  namhaften  Fabrikanten 
bestehen,  unverändert  festgehalten  worden  und  bewahrten  die 
Fabriken,  die  zu  hohen  Preisen  Rohware  abgeschlossen  hatten, 
vor  gar  zu  empfindlichen  Verlusten.  Leider  sind  nach  wie  vor 
Außenseiter  vorhanden,  die  das  Geschäft  durch  billige  Angebote 
beunruhigen  und,  da  sie  von  der  Hand  in  den  Mund  ihre  Rohware 
kaufen,  bei  den  jetzt  gewichenen  Preisen  für  Rohware  den  Frieden 
ernstlich  zu  gefährden  drohen. 

Das  Geschäft  in  geröstetem  Getreidekaffee  (Malzkaff  ee)  war  für 
die  Fabrikanten  sehr  wenig  erfreulich  und  lag  sehr  ungünstig, 
da  infolge  des  Balkankrieges  die  Zufuhren  an  Gerste  sehr  er- 
schwert und  die  Preise  Scliwankungen  unterworfen  waren.  Vor- 
nehmlich waren  die  großen  Fabriken  gegen  Ende  1912  und  noch 
Anfang  1913  gezwungen,  wegen  der  Unsicherheit  der  Lage  große 
Mengen  Gerste  aufzunehmen,  damit  für  alle  Fälle  ausreichende 
Vorräte  vorhanden  wären.  An  diesen  Abschlüssen  erlitten  sie 
aber  großen  Schaden,  als  im  Laufe  des  Jahres  1913  die  Preise 
immej'  weiter  zurückgingen.  Der  Konsum  ist  nach  wie  vor  sehr 
bedeutend  und  in  ständiger  Zunahme  begriffen. 


Spargel. 


Schoten. 


Bohnen. 


Gemüse. 


Pilze. 


18.  Konserviertfei  Früohte  und  Gemüse. 

Im  Berichtsjahre  war  die  Spargelernte  wesentlich  besser  als 
^n  Vorjahre.  Die  von  den  Fabrikanten  festgesetzten  Preise  für 
Stangen-  und  Bruchspargel,  für  extrastark  bis  mittelstark,  be- 
haupteten sich,  während  die  Preise  für  Spargel  50/60  und  dünn 
infolge  zu  geringer  Nachfrage  sich  ermäßigten. 

Die  Schotenemte  verlief  besonders  für  Kaiserschoten  sowie 
für  extrafeine  und  feine  Erbsen  recht  günstig.  Die  Ordres  konnten 
diesmal  voll  und  ganz  ausgeführt  werden. 

Die  Bohnenemte  war  normal,  obwohl  aus  einzelnen  Gegenden 
über  nicht  genügende  Anfuhr  in  gleich  guter  Qualität  berichtet 
wurde.  In  Prinzeß-Bohnen  ließ  die  Ernte  quantitativ  wie  quali- 
tativ zu  wünschen  übrig.  Das  Auftreten  dei^  Blattlaus  hat  der 
Pflanze  sehr  geschadet. 

In  Wirsingkohl,  Weißkohl,  Kohlrabi,  Karotten  und  Spinat 
fiel  die  Ernte  reichlich  aus.  Infolgedessen  sind  genügend  Vor- 
räte vorhanden  und  die  Preise  dieser  Konserven  niedrig. 

In  Morcheln  war  die  Ernte  infolge  der  feuchtwarmen  Witte-, 
rung  gut,  so  daß  sich  der  Preis  auf  1,75  bis  2,25  Mk.  für  ge- 


18.    Konservierte  Früchte  und  Gemüse. 


85 


trodknete  Ware  und  für  konservierte  Vi  Dose  auf  1,10  bis 
1,50  Mk.  stellt.  Dagegen  war  in  Steiapilzen  eine  Mißernte  zu 
verzeicknen.  Auch  Pfefferlinge  gab  es  recht  wenig,  so  daß  von 
den  Abschlüssen  nur  50  o/o  geliefert  wurden.  Der  Preis  für  Vi  Dose 
stellte  sich  auf  0,90  bis  1,10  Mk.,  für  Steinpilze,  Vi  Dose,  auf 
1,40  bis  1,75  Mk. 

In  Preiselbeeren  war  die  Ernte  nicht  besonders  gut;  auch 
in  Schweden,  Norwegen  und  Finland  waren  infolge  der  kalten 
«Witterung  höhere  Preise  zu  zahlen.  Der  Preis  für  Rohware  war 
pro  Zentner  22  bis  32  Mk.;  für  eingekochte  mit  50  o/o  Zucker 
werden  32  bis   36  Mk.  gefordert. 

Kirschen,  Stachelbeeren,  Aprikosen,  Pfirsiche  und  Mirabellen 
sind  in  manchen  Gegenden  in  der  Blüte  erfroren.  Einige  haben 
sich  wieder  erholt,  fund  manche  haben  weniger  gelitten.  Erd- 
beeren gab  es  reichlicher.  In  Pflaumen  und  Birnen  war  die  Ernte 
gut.  Frische  Pflaumen  wurden  pro  Zentner  inkl.  mit  3  Mk. 
verkauft;  die  Preise  sind  infolgedessen  etwas  gefallen. 

Gegen  Ende  des  vorigen  Jahres  machte  sich  eine  Ver- 
minderung der  Nachfrage  nach  sauren  Gurken  bemerkbar,  die 
fast  ungünstig  auf  die  Preise  zum  Schaden  der  hiesigen  Ein- 
leger gewirkt  hätte.  Die  flaue  Stimmung,  die  sich  daraus  er- 
gab, mußte  aber  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  einer  besseren 
weichen,  da  plötzlich  reges  Leben  in  das  Geschäft  kam.  In 
Berlin  waren  noch  einigermaßen  gefüllte  Läger  vorhanden, 
dagegen  bemerkte  man,  als  man  draußen  im  Lande  noch  Ware 
flür  Berlin  beschaffen  wollte,  daß  dort  nicht  mehr  viel  zu 
haben  war,  ja  einige  Gebiete  schon  im  Frühjahr  gänzlich'  ge- 
räumt hatten.  So  konnte  Berlin  seine  Ware  bei  anziehenden 
Preisen  noch  gut  unterbringen.  Die  Preise  stiegen  nach  und 
nach  noch  bis  auf  4  Mk.  pro  Schock  und  darüber  (I.  Sorte),  und 
die  Berliner  Einleger  konnten  daher  mit  der  im  Juni  d.  J. 
beendeten  Kamj)agne  wohl  zufrieden  sein.  Den  Uebergang  von 
der  alten  zur  neuen  Saison  bildeten  nun  wieder  die  italienischen 
Gurken,  die  in  diesem  Jahre  nicht  so  massenhaft  wie  sonst 
eintrafen.  Was  herankam,  wurde  von  den  Einlegern  imiaer  flott 
bei  hohen  Preisen  —  3  bis  4  Mk.  pro  Schock  —  aufgekauft; 
Neue  saure  Gurken  konnten  daher  im  Juni  und  Juli  nicht 
durchweg  mit  10  Pfg.  pro  Stück  im  Kleinhandel  verkauft 
werden,  da  bei  einigermaßen  angemessenem  Nutzen  der  Ein- 
leger nicht  unter  5 — 6  Mk.  pro  Schock  an  die  Detailgeschäfte 
verkaufen  konnte.  Da  die  italienischen  Einlegegurken  stets 
schnell  vergriffen  sind,  und  die  Ernte  in  Italien  sich  rasch  ihrem 
Ende  zuneigte,  so  erwartete  man  mit  Ungeduld  den  Beginn 
der  Gurkenernte  in  Liegnitz,  Calbe,  Lübbenau,  Großengottern 
»und  Naumburg.  Der  Erntebeginn  verzögerte  sich  durch  die 
kühle  Witterung,  und  daher  setzten  die  Preise  bei  der  überaus 
regen  Nachfrage  nach  Einlegegurken  hoch  ein.   Noch'  am  25.  Juli 


Preifselbeere. 


Früchte. 


Gurken. 


86  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    ß.  Landwirtsch.  Tabrikate. 

kosteten  diese  franko  hier  3,50  Mk.  das  Schock.  Erst  nach 
diesem  Datum  fielen  die  Einkaufspreise  bis  auf  1,40  Mk,  franko 
hier  während  zirka  zwei  Wochen.  Liegnitz  hatte  die  größte 
Ernte  und  mußte  und  konnte  fast  ganz  Norddeutschland  mit 
Ware  versehen,  da  einige  Produktionsgebiete  wie  Großengottern, 
Calbe,  Lübbenau  nur  minimale  Erträge  hatten.  So  kam  es, 
daß  die  Einkaufspreise  wieder  stiegen  und  nach  und  nach  auf 
2,50  Mk.  und  darüber  getrieben  wurden,  während  die  Qualität 
dabei  naturgemäß  schon  schlechter  wurde.  Dieser  Umstand  ver- 
anlaßte  manchen  Einleger,  einen  Versuch  mit  ausländischen 
Ourken,  vorzugsweise  wieder  mit  holländischen,  zu  machen, 
-die  anscheinend  billiger  sein  sollten.  Diese  Ware  wird  nach 
Gewicht  eingekauft.  Man  hatte  am  Zentner  wohl  7 — 8  Schock; 
bei  einem  Durchschnittspreise  von  10  Mk.  pro  Zentner  frei 
hier  stellte  sich  also  das  Schock  auf  ungefähr  1,40  Mk.  bis 
Berlin.  Dieser  Preis  ist  zwar  an  sich  nicht  hoch;  aber  man 
(muß  berücksichtigen,  daß  die  Ware  auch  nur  klein  ausfiel 
und  sich  als  Sauergurke  schwer  verkauft.  Jedenfalls  werden 
die  Einleger,  die  sich  von  diesem  Geschäft  fernhielten,  klüger 
gehandelt  haben;  denn  am  Ende  des  Berichtsjahres  konnte  man 
feststellen,  daß  in  Berlin  hauptsächlich  die  Sauer gurke  Lieg- 
nitzer  oder  Calber  Provenienz  zur  Zufriedenheit  der  Einleger 
abgesetzt  werden  konnte,  während  die  anderen  Sorten  schwieriger 
unterzubringen  waren.  —  Die  Preise  für  gute  Sauergurken, 
also  Ware,  von  der  die  Tonne  mit  7 — 8  3chock  gefüllt  ist, 
bewegten  sich  in  Berlin  zwischen  4  Mk.  und  4,75  Mk.  pro 
Schock,  je  nach  Quantum.  Die  Haltbarkeit  der  Gurken  ist  gut. 
Wenn  das  Frühjahr  1914  nicht  schlechter  wird,  dann  ist  der 
Gurkenhandel  auch  in  dieser  Kampagne  noch  nutzbringend.  Der 
Konsum  ist  bei  den  hohen  Preisen  nicht  so  groß  wie  im  Vorjahre. 
saaerkohL  Anfangs  des  Jahres  war  das  Geschäft  schleppend,  und  die 

Preise  für  Sauerkraut  waren  sehr  mäßig.  Der  Nutzen  war  bei 
den  hohen  Fabrikationsunkosten  nur  gering;  100  kg  Sauerkraut 
kosteten  18  Mk.  Unter  diesen  Verhältnissen  blieb  das  Geschäft 
flau  bis  zum  April,  von  wo  ab  sich  die  Verkaufspreise  um' 
1  Mk.  pro  100  kg  hoben.  Ein  größerer  Umsatz  wurde  aber 
nicht  erzielt,  da  die  Witterung  sehr  milde  war  und  der  Konsum 
infolgedessen  nicht  steigen  konnte.  Es  fand  aber  trotzdem  alles, 
was  vorhanden  war,  bis  Ende  der  Saison,  auch  teilweise  noch' 
'ZU  besseren  Preisen,  Absatz,  so  daß  wohl  überall  geräumt 
worden  ist.  Die  neue  Saison,  die  Mitte  Juli  beginnt,  ließ  bei 
der  großen  Trockenheit,  welche  bis  dahin  herrschte,  hohe  Preise 
vermuten.  Diese  hielten  auch  einige  Wochen  an.  Nachdem 
•dann  Ende  Juli  wieder  Niederschläge  und  Feuchtigkeit  ein- 
traten, erholte  sich  der  AVeißkohl  zusehends  und  infolgedessen 
fielen  auch  die  Preise  rapid,  so  daß  im  August  100  kg  Sauer- 
kraut  mit   26    Mk.    abgegeben   werden   konnten.    Es   fand   auch 


19.    Zuckor. 


87 


in  diesem  Jahre  nach  Südamerika  ein  bedeutender  Export  an 
Sauerkohl  statt.  Die  Ursache  lag  in  der  dort  herrschenden 
anhaltenden  Dürre.  Die  Ausfuhr  erfolgte  weniger  aus  Berliu 
als  aus  vielen  anderen  Gegenden  Deutschlands,  besonders  aus; 
Magdeburg  und  der  Rheingegend.  Man  kann  die  Ausfuhr  auf! 
gut  120  000  Zentner  fertige  Ware  schätzen.  Trotzdem  Amerika 
diesen  großen  Posten  aus  Deutschland  entnahm,  gingen  die 
Preise  noch  zurück,  und  infolge  der  schlechten  wirtscliaftlichen 
Verhältnisse,  Arbeitslosigkeit  usw.,  blieben  sie  niedrig,  und  der 
Umsatz  war  um  1/3  geringer  als  in  dem  Vorjahre.  Die  AVeiß- 
kohlernte  war  im  Berichtsjahre  ganz  vorzüglich  und  überall 
ist  noch  derartig  großer  Vorrat  vorhanden,  daß  eine  Steigerung 
der  Preise  vorläufig  nicht  zu  erwarten  sein  wird.  Daher  wird 
auch  in  Sauerkraut  kaum  eine  Erhöhung  der  Preise  eintreten 
können,  und  wenn  nicht  kalte  Witterung,  die  zum  Geschäft 
unbedingt  nötig  ist,  eintritt,  werden  die  Umsätze  im  Winter 
klein   bleiben    und   die  Preise   keine   Erhöhung  erfahren. 

Tab.  33.  Detailpreise  für  Rot-,  Weiß- und  Sauerkohl  im  Jahre  1913  (inPfeunig.) 


Rotkohl 
pro  Kopf 


Weißkohl 
pro  Kopf 


Sauerkohl 
pro  ^^2  feg 


Januar  . 
Februar  . 
März  .  . 
April  .  . 
Mai  .  . 
.Juni  .  . 
Juli  .  . 
August  . 
September 
Oktober  . 
November 
Dezember 


10—25 
10-35 
20—35 
30-80 
40—80 

20—30 
10—40 
5—30 
5—30 
5-30 
5—30 


10—25 
10-35 
20—35 
15—50 
20—50 

10—20 
10-25 
5—20 
5—20 
5-20 
5-20 


5-7V2 

•7V2 
7Vo-15 

15 
20—25 
15—20 
20—30 
20-30 
15—20 

15 

15 

15 


19.  Zucker. 

Im  Vergleich  zu  den  bewegten  beiden  Vorjahren  zeigte  die 
diesjährige  Beriohtsperiode  nur  mäßige  Preisschwankungen.  Die 
bestimmenden  Momente  waxen  der  Ernteausfall  Rußlands,  die 
überraschend  große  Kuba-Ernte  und  der  stark  anwachsende  Ver- 
brauch. Die  Kampagne  1912/13  mit  ihrer  noch  nie  erreichten 
Welterzeugung  schloß  mit  nicht  allzu  grollen  Beständen.  Dabei 
ist  allerdings  zu  bemcksichtigen,  daß  ein  Teil  des  Mehrverbrauchs! 
für  die  Auffüllung  der  bei  Beginn  der  Kampagne  sehr  erschöpften 
Vorräte  der  ersten  und  zweiten  Hand  nötig  wtar.  Die  politischen 
Verhältnisse  und  die  Geldteuerung  waren  zwar  nicht  einflußlos, 
sie  störten  laber  mehr  die  Kreise  der  Spekulation  als  die  des 
regulären  Handels  und  !waa:^n  deshalb  von  geringer  Bedeutung 
für  die  Preisentwidklung.  Die  Furcht  vor  der  russischen  Kon- 
kuiTenz,  das  Schreckgespenst  der  Kampagne  1911/12,  war  infolge 


Allgemeine 
Lage. 


88 


I.    Pflaiizl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Neue  Ernte. 


Statistik. 


der  russischen  Mißernte  einstweilen  gegenstandslos.  Rußland 
wird  ja  wohl  wieder  gute  Ernten  und  eine  große  Produktion  haben, 
schon  die  Schätzungen  für  1913/14  weisen  darauf  hin,  aber  die 
niedrigeren  Zuckerpreise  werden  einerseits  den  inneren  Verbrauch 
anregen  und  andererseits  den  Reiz,  den  Export  zu  forcieren,  ver- 
ringern. Die  Kolonien,  namentlich  Kuba,  sind  wohl,  schon  weil 
die  veralteten  Anbau-  und  Fabrikationsmethoden  immer  mehr  den 
modernsten  Einrichtungen  Platz  machen,  noch  in  aufsteigender 
Linie,  aber  auch  hier  werden  die  niedrigen  Preise  mäßigend  wirken. 
Die  Zollreform  der  Vereinigten  Staaten  wird  sicher  den  Zucker- 
verbrauch auch  sehr  vergrößern,  dagegen  die  Entwicklung  der 
amerikanischen  Rübenzuckerindustrie  und  der  Louisiana-Rohr- 
zuckererzeugung erschweren.  In  Europa  zeigt  Italien  1913/14  eine 
recht  große  Vermehrung  des  Rübenanbaues,  sein  Inlandsverbrauch 
ist  aber  wohl  auch  infolge  der  sehr  hohen  Zuckerpreise  noch  sehr 
rückständig.  —  Alles  in  allem  kann  die  deutsche  Rübenzucker- 
industiie  für  die  nächste  Zeit  keine  glänzenden  Resultate  er- 
warten, sie  braucht  aber  nicht  zu  verzagen.  Steigt  der  Verbrauch 
wie  bisher,,  so  wird  auch  die  zu  erwartende  Mehrerzeugung  wohl 
untergebracht  werden,  und  ein  Ernteausfall  in  einem  der  großen 
Erzeugungsgebiete  kann  rasch  wieder  eine  gewisse  Knappheit 
bringen.  Namentlich  die  Rohrzucker länder,  deren  Anteil  an  der 
Weltversorgung  immer  mehr  wächst,  sind  wir  Ueberraschungen 
Natur  und  der  politischen  Verhältnisse  besonders  ausgesetzt. 

Die  Schätzungen  der  Rübenzuckeremten  für  1913/14  gingen 
bis  Mitte  Oktober  nicht  über  eine  gute  Mittelemte  hinaus.  Die 
sommerliche  Witterung  der  zweiten  Hälfte  Oktober  und  des  ersten 
Novemberdrittels  hat  aber  für  die  noch  im  Felde  stehenden  Rüben 
das  Wachstum  so  gefördert,  daß  man  quantitativ  mit  einer  Rekord- 
ernte rechnen  muß.  Der  Zuckergehalt  bleibt  hinter  dem  Vorjahre 
noch  recht  zurück,  und  es  ist  zu  befürchten,  daß  dieser  Rückstand 
sich  noch  wesentlich  vergrößern  wird.  Die  Fabriken  konnten, 
da  der  nasse  Sommer  den  Beginn  der  Rübenernte  verzögerte, 
erst  später  als  sonst  beginnen  und  werden  bei  den  großen  Quanten 
in  der  Mehrzahl  nicht  wie  sonst  bis  Ende  Dezember,  sondern  wohl 
noch  bis  in  die  zweite  Januarhälfte  hinein  arbeiten  müssen.  Die 
Rübe  ist  auch  infolge  der  warmen  Witterung  weniger  haltbar 
und   starkem   Frost    gegenüber    auch    weniger    widerstandsfähig. 

Der  Zuckerhandel  hatte  in  der  abgelaufenen  Berichtsperiode 
sehr  wenig  Anregung;  die  Klagen  über  zu  starken  Wettbewerb 
und  zu  geringen  Verdienst  haben  sich  noch  vermehrt. 

Die  Schätzungen  der  internationalen  statistischen  Vereinigung 
vom  27.  Oktober  wurden  vom  Handel  als  zu  niedrig  angesehen 
und  brachten  eine  kleine  Verflauung,  die  sich  durch  das  an- 
haltend schöne  Wetter  immer  mehr  verschärfte. 

Die  Ergebnisse  der  Kampagne  1911/12  und  1912/13  und  die 
Produktionsschätzungen  für  1913/14  sind  (in  dz)  folgende: 


20.    Spiritus. 


89 


Tab.  34. 


Zuckerproduktion  (in  Doppelzentnern). 


1 

1911/12 

1912/13 

Schätzung  1913/14 

Deutschland 

14  977  000 

27  009  000 

24  790  000 

Oesterreich-Ungarn     .     . 

11456  000 

19  016  000 

16  982  000 

Frankreich 

5  060  000 

9  609  000 

7  384  000 

Belgien    ....... 

2  349  000 

2  986  000 

2  310  000 

Holland 

2  619  000 

3  162  000 

2  323  000 

Schweden 

1  278  000 

1  320  000 

1  305  000 

Rußland 

20  460  000 

13  745  000 

17  390  000 

Andere  Länder  .... 

4  340  000 

5  838  000 

7  201000 

Europ.  Rübenernten  zus. 

62  539  OuO 

82  b85  ÜOO 

79  685  UOO 

Rohrzucker  ernten  .     .     . 

90  711000 

92  110  000 

99  110  000 

Vereinigte   Staaten 

1 

Rübenzucker    .... 

5  41 1  000 

6  240  000 

1         6  400  000 

158  661  000 


181  035  000 


185  195  000 


F.  0.  Licht  schätzte  am  17.  Okt.  die  europäiscbe  Rübenemte 
auf  84150000  dz,  darunter  die  deutsche  auf  26  500  000  dz.  Die 
Kuba-Ernte  brachte  1912/13  24280000  dz  und  wird  für  1913/14 
auf   '25  000  000   dz    geschätzt. 

Die  Weltbeständßi  am  1.  Sept.  betrugen  nach  F.  0.  Licht: 


1911 
9  630  000  dz 


1912 

11560  000  dz 


1913 
15  270  000  dz 


Die  sichtbaren  Bestände  Deutschlands  waren  nach  F.  0.  Licht 
in  Kohzuckerwert  am  1.   Sept.: 


1911 

1  751  200  dz 


1912 
1  492  600  dz 


1913 
2  403  000  dz 


Tab.  35.     Deutschlands  Zuckerausfuhr 
und  Verbrauch  (in  dz). 


1910/11  .  . 
1911/12  .  . 
1912/13  .  . 


Ausfuhr 


Verbrauch 


11277  300 

2  892  700 

11427  700 


14  227  000 
12  469  000 
14  642  000 


Die  Notiz  für  Ba^is  88^  R  fob  Hamburg  betrug  in  Hamburg 
im  Jahre  1913  für  den  Doppelzentner: 

Tab.  36.      Zuckerpreise  nach  Hamburger  Notierung  (in  M.  pro  100  kg). 


2.  Jan.  I  1.  April  |  1.  Juli  |  1.  Aug.  |  1.  Okt.  j  1.  Nov.  |  12.  Nov.  [  1.  Dez.    |  31.  Dez. 
18.85  1  20.15  I  18.60  I  18.05  1  18.65  1  19.15  1    18.95  1    18.70  1  18.— 


20.  Spiritus. 

Die  Spiritus-Zentrale  G.  m.  b.  H.  berichtet  über  das  Geschäfts- 
jahr vom  16.  Sept.  1912  bis  15.  Sept.  1913  folgendes: 

Im  Geschäftsjahre  1912/13  wurden  unserem  Unternehmen 
326,4  Mill.  Liter  Spiritus  zugeführt.  Der  Absatz  an  gereinigtem, 
ungereinigtem  und  vollständig  vergälltem  Branntwein  belief  sich 


Ergebnis. 


90  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

auf  insgesamt  302,9  Mill.  Liter.  In  den  Zahlen  für  Zufuhr  und 
Absatz  sind  die  von  den  Mitg4iedern  des  Verwertungsverbandes 
Deutscher  Spiritusfabrikanten  für  Haus-  und  Lokalbedarf  und 
zum  eigenen  Gebrauoh  nach  vollständiger  Verrgällung  verwen- 
deten Mengen  einbegriffen.  Der  Verwertungspreis  ist  auf  54  Mk. 
^Vioo  Pfg.  (54,0056  Mk.)  festgestellt,  so  daß  dem  zuletzt  gezaJil- 
ten  Absohlagspreise  von  53  Mk.  eine  Nachzahlung  von  1  Mk. 
^Vioo  Pfg-  (1,0056  Mk.)  folgt. 

Das  erste  Jakr  unter  der  Geltung  der  Branntweins teuemovelle 
vom  Jahre  1912  und  nach  Aufhebung  des  staatlichen  Kontingents 
liegt  hinter  uns.  Ein  absohließendes  Urteil  über  den  Einfluß 
der  Gesetzesänderungen  auf  die  Lage  des  Brennereigewerbes  er- 
schiene verfrüht.  Die  Lebensbedingungen  des  Gewerbes  haben 
eine  so  tiefgreifende  Aenderung  erfahren,  daß  es  eines  längeren 
Zeitraumes  bedürfen  wird,  um  ein  klares  Bild  von  der  Wirkung 
der  neuen  gesetzlichen  Zustände  zu  gewinnen.  Für  sich  be- 
trachtet, können  die  Ergebnisse  des  abgelaufenen  Geschäftsjahres 
nicht  als  befriedigend  bezeichnet  werden.  Zwar  wurden  die  bei 
Beginn  des  Jahres  vorherrschenden  Besorgnisse  über  die  Gestal- 
tung dei^  Spirituserzeugung  behoben.  Indessen  ließ  der  Absatz  zu 
wünschen  übrig,  und  es  bestehen  begründete  Zweifel,  ob  es  sich 
hierbei  nur  um  eine  vorübergehende  Erscheinung  handelt.  Der 
Geschäftsgang  wai*  im  allgemeinen  ruhig. 
Erzeugung.  Dio  Kartoffelernte  des  Sommers  1912  war,  an  Hand  der  amt- 

lichen Statistik  für  das  ganze  Reich  betrachtet,  überaus  ergiebig. 
Es  wird  nachgewiesen :  bei  3  341  000  ha  Anbaufläche  ein  Ertrag 
von  50,2  Mill.  t,  davon  4,1  o/o  erkrankt,  gegen  3  321000  ha  An- 
baufläche mit  einem  Ertrag  von  34,3  Mill.  t,  davon  1,3 o/o  erkrankt 
im  Jahre  1911 ;  3  296  000  ha  Anbaufläche  mit  einem  Ertrag  von 
43,4  Mill.  t,  davon  8o/o  erkrankt,  im  Jahre  1910;  3  323  000  ha 
Anbaufläche  mit  einem  Ertrag  von  46,7  Mill.  t,  davon  5  o/o  er- 
krankt, im  Jahre  1909. 

Dieses  Bild  verliert  aber  schon  merklich  von  seinem  Glänze, 
wenn  die  ZaJilen  für  die  wichtigsten  Spiritusproduktionsgebiete 
hera.usgegriffen  werden.  Während  das  Durchschnittsergebnis  im 
Reiche  mit  15,45  t  vom  Hektar  sich  beträchtlich  über  das  Mittel 
der  letzten  zehn  J^re  von  13,53  t  erhebt,  blieb  in  Westpreußen 
und  Pommern  der  Ackei^rtrag  hinter  dem  zehnjährigen  Durch- 
schnitt zurück.  In  den  anderen  Ostprovinzen  stand  der  Mehr- 
ertrag zumeist  nicht  annähemd  auf  der  Höhe  der  für  das  Reich 
ermittelten  Ziffer. 

Allgemein  aber  vollzog  sich  eine  scharfe  Trennung  zwischen 
den  amtlichen  Erhebungen  und  der  Wirklichkeit  durch  den  Um- 
stand, daß  zu  Anfang  Oktober  scharfe  Fröste  eintraten,  die  den 
weitaus  größten  Teil  der  Kartoffeln  noch  im  Felde  antrafen. 
Die   nachteiligen   Wirkungen    dieses    Vorganges    ließen    sich    im 


20.    Spiritus.  91 

ersten  Augenblickl  nicht  erkennen  und  fanden  darum  auch,  in  der 
amtliclien  Statistik  noch  keine  Bewertung;  sie  wurden  auoh  in 
manchen  Interessentenkreisen  anfänglich  unterschätzt.  Bezeich- 
nend ist  in  dieser  Beziehung,  daß  die  Preise  für  Kartoffelstärke 
auf  die  amtlichen  Emteziffem  hin  von  Ende  September  bis  Mitte 
Oktober  einen  Rückgang  von  2  bis  3  Mk.  für  den  Zentner  er- 
fuhren. Von  der  zweiten  Hälfte  Oktober  an  trat  unter  den  Kar- 
toffelbestäjiden  des  Ostens  eine  starke  Neigung  zur  Fäulnis  und 
eine  Minderung  des  Stärkegehaltes  hervor.  Daraufhin  schlug  die 
Stimmung'  am  Stärkemarkte  um.  Die  Preise  fingen  an  zu  steigen, 
und  diese  Bewegung  verschärfte  sich,  als  bei  der  Verarbeitung 
der  Kartoffelmieten  Verluste  durch  Fäulnis  bis  zu  50  o/o  der 
Gesamtmenge  zutage  traten.  Die  Stärkepreise  stiegen  von  Mitte 
Oktober  bis  Anfang  Februar  um  reichlich  6  Mk.  für  den  Zentner. 

Die  Wahrnehmung  der  Frostsohäden  erregte  auch  im  Brenne- 
reigewerbe eine  begreifliche  Beunruhigung.  Wenn  zwar  die 
Notwendigkeit  einer  beschleunigten  Verwertung  der  kranken 
Kartoffeln  dazu  drängte,  den  Betrieb  der  Brennereien  zeitig  aufzu- 
nehmen und  mit  aller  Tatkraft  zu  fördern,  so  ließen  sich  doch 
Zweifel  über  die  Dauer  und  das  Endergebnis  der  Brennkampagne 
nicht  abweisen;  vielfach  trat  die  Befürchtung  auf,  daß  das 
Material  im  Frühjahr  fehlen  würde,  wozu  die  andauernd  starke 
Nachfrage  für  Kartoffeln,  die  von  den  Stärkefabriken  ausging, 
das  ihrige  beitrug.  Damit  bei  dieser  Sachlage  das  Brennerei- 
gAwerbe  nicht  durch  die  wiederholte  Herabsetzung  unserer  Ver- 
kaufspreise über  den  Erlös  im  laufenden  Brenn] ahre  beunruhigt 
wurde,  ließen  wir  noch  im  Februar  1913  eine  Erhöhung  des 
seit  Beginn  des  Geschäftsjahres  auf  52  Mk.  festgesetzten  Ab- 
söhlagspreises  um  1  Mk.  auf  53  Mk.  eintreten.  Es  erwies  sich, 
daß  die  durch  das  neue  Branntweinsteuergesetz  herbeigeführte 
Begrenzung  der  Erzeugung  einen  starken  Zwang  auf  die  Brenne- 
reien ausübt,  die  ihnen  verbliebenen  Produktionsrechte  auch  unter 
Schwierigkeiten  wahrzunehmen.  Die  Erzeugung  des  Jalires  be- 
läuft sich  auf  375  Mill.  Liter  gegen  345  Mill.  Liter  im  ver- 
gangenen Jahre  und  347  Mill.  Liter  im  Jahre  1910/11.  Die  Be- 
stände haben  sich,  auf  den  30.  Sept.  berechnet,  gegen  das  Vor- 
jahr um  18  Mill.  Liter  erhöht  und  nähern  sich  dem  Umfange, 
der  als  Sicherung  gegen  unerwartete  Störungen  der  Produktion  er- 
forderlich ist. 

Dei'  gesamte  Trinkverbrauch  umfaßte  187  Mill.  Liter  und  hat  Absatz, 

damit  gegen  das  Vorjahr  eine  Verminderung  um  etwa  6,5  Mill. 
Liter  erlitten.  Diese  Erscheinung  verdient  vornehmlich  darum 
eine  nähere  Betrachtung,  weil  der  Rückgang  des  Verbrauches 
eintrat,  wiewohl  die  Verkaufspreise  im  Mittel  des  Jahres  sehr 
erheblich  unter  denjenigen  des  Vorjahres  lagen.  Es  will  danach 
erscheinen,  als  ob  dauernde,  vielleicht  sogar  in  ihrem  Einflüsse 
zunehmende  Ursachen  am  Werke  sind. 


92  I.    Pflanzl.  Kohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

In  erster  Eeihe  macht  sieh  noch  fortgesetzt  die  Belastung 
des  Konsums  fühlbar,  die  aus  der  Erhöhung  der  Verbrauchs- 
abgabe vom  Jahre  1909  und  der  Aufhebung  der  Kontingents- 
vergütung vom  Jahre  1912  hervorging.  Die  Wirkung  wurde 
in  diesem  Jahre  durch  den  Rückschlag  in  der  inländischen 
Wir tschaf tskon j unktur   verschärft. 

Im  weiteren  ist  anhaltend  die  Neigung  vieler  Destillateure 
izur  Herabsetzung  des  Branntweingehaltes  in  ihren  Erzeug- 
nissen bemerkbar.  Ist  eine  Verbilligung  auf  Kosten  der  Be- 
schaffenheit des  Fabrikates  schon  an  sich  ein  fragwürdiges! 
Mittel  zur  Hebung  des  Verbrauches,  so  verfehlt  sie  in  diesem 
Falle  um  so  mehr  den  Zweck,  als  die  Verschlechterung  der 
Spirituosen  vielfach  zur  völligen  Abwendung  vom  Branntwein- 
genusse  führt. 

Schließlich  erhebt  das  Destillationsgewerbe  lebhafte  Klagen 
über  zunehmende  behördliche  Erschwernisse  für  den  Trink- 
absatz. Bestehende  Schankerlaubnisse  wurden  bei  einem  Wechsel 
im  Besitz  der  Schankstätten  aufgehoben,  neue  Schankgenehmi- 
gungen  nur  sehr  selten  erteilt  und  häufig  an  die  Bedingung 
bestimmter  Verkaufspreise  geknüpft,  die  durch  ihre  Höhe  nahezu 
einem  Verbote  des  Verbrauches  gleichkamen.  Hierzu  treten  ört- 
liche polizeiliche  Anordnungen  über  einen  frühzeitigen  Laden- 
schluß an  Tagen,  an  denen  sich  sonst  der  hauptsächlichste 
Absatz   vollzog. 

Unter  dem  Zusammenwirken  dieser  Umstände,  zu  denen 
sich  die  allgemeinen,  auf  Abwendung  vom  Alkoholgenuß  ge- 
richteten Bestrebungen  gesellen,  ist  die  Lage  des  Destillations- 
gewerbes außerordentlich  gedrückt.  Man. zögert  darum  in  diesem 
Kreise,  an  Reformen  heranzutreten,  die  eine  Gesundung  der 
Verhältnisse  herbeiführen  könnten.  Für  den  einzelnen  Unter- 
nehmer ist  es  schwer,  damit  den  Anfang  zu  machen;  er  kann 
durch  höhere  Aufwendungen  für  seine  Erzeugnisse  leicht  in 
seiner  Wettbewerbskraft  leiden,  solange  nicht  das  gesamte 
Destillationsgewerbe   in   der   gleichen   Weise   vorgeht. 

Für  gewerbliche  Zwecke  wurden  unter  Berücksichtigung 
ider  zu  Beginn  und  zum  Schlüsse  des  Geschäftsjahres  vor- 
handenen Vorräte  von  vollständig  vergälltem  Branntwein  ins- 
gesamt 166  Mill.  Liter  gegen  161  Mill.  im  Vorjahre  verbraucht. 
Der  Mehrabsatz  entfällt  im  wesentlichen  auf  vollständig  ver- 
gällten Branntwein   (Brennspiritus). 

Die  Entwicklung  des  Brennspiritusverbrauches  ist  noch 
nicht  als  abgeschlossen  anzusehen.  Der  andauernd  befriedigende 
Absatz  von  Brennspiritus-Apparaten  und  vornehmlich  von 
Brennspiritus-Lampen,  den  unsere  technische  Abteilung  zu  ver- 
zeichnen  hat,    bekundet,    daß   sich    immer   neue   Kreise   für   die 


20.    Spiritus. 


93 


Verwendung  von  Brennspiritus  finden.  Dadurch  wird  nicht 
allein  ein  Ersatz  für  die  Beeinträchtigung  des  Verbrauches 
gaschaffen,  die  aus  der  Verbreitung  von  Elektrizität  und  Gas 
hervorgeht;  es  liegt  darin  auch  die  Anwartschaft,  dem  stärksten 
Eivalen,  dem  Petroleum,  noch  weiterhin  Feld  abzugewinnen, 
ein  Ziel,  das  allerdings  ununterbrochener  Anstrengungen  bedarf. 

Der  Verbrauch  für  unvollständig  vergällten  Branntwein 
zeigt  keine  nennenswerte  Veränderung.  Gewisse  Schwankungen 
des  Bedarfes  erklären  sich  aus  der  wechselnden  Geschäftslage 
in  der  chemischen  Industrie  und  aus  Aenderun^en  ihrer  Arbeits- 
methoden, wodurch  —  wie  bei  der  Herstellung  von  Kunst- 
seide —  die  Verwendung  von  Spiritus  bald  zurückgedrängt, 
bald  bevorzugt  wird. 

Die  deutsche  Branntweinausfuhr  lag  im  vergangenen 
Jahre  vollkommen  brach.  Eine  Aenderung  der  Verhältnisse 
bleibt  bei  der  Lage  des  inländischen  Absatzes,  die  dem  Er- 
zeugungsbedürfnisse des  Brennereigewerbes  bei  weitem  nicht 
gerecht  wird,  außerordentlich  wünschenswert.  Die  wichtigste  Vor- 
aussetzung dafür  wäre  eine  Beseitigung  der  von  den  Konkurrenz- 
ländern Rußland,  Oesterreich,  Italien  und  anderen  gewährten 
Ausfuhrprämien,  die  den  Weltmarktpreis  von  Spiritus  weit 
unter  die  Herstellungskosten  drücken.  Bleibt  das  deutsche  Er- 
zeugnis noch  für  einen  längeren  Zeitraum  dem  Weltmarkte 
fern,  an  den  es  jetzt  schon  seit  mehreren  Jahren  nicht  mehr 
gelangt,  so  kann  es  leicht  der  völligen  Entfremdung  und  Ver- 
gessenheit im  Auslande  verfallen;  die  Gefahr  rückt  herauf, 
daß  der  Absatz  für  deutschen  Branntwein  nicht  mehr  zurück- 
zugewinnen sein  wird,  auch  wenn  dem  deutschen  Export,  sei 
es  durch  Verständigung  mit  dem  Auslande  in  der  Frage  der 
Ausfuhrprämien,  sei  es  durch  Erhöhung  der  inländischen  Aus- 
fuhr Vergütung,  die  benötigten  Erleichterungen  verschafft 
werden. 

Der  Rückgang  des  inländischen  Trinkverbrauchs  und  der 
Mangel  an  Absatz  nach  dem  Auslande  drückten  auf  die  Be- 
schäftigung der  unserer  Gemeinschaft  angeschlossenen  Reini- 
gungsanstalten, so  daß  der  Prozentsatz  des  erledigten  Sprit- 
kontingents merklich  unter  demjenigen  des  Vorjahres  liegt. 

Die  Verkaufspreise  betrugen  zu  Beginn  des  Geschäftsjahres, 
solange  noch  die  Nachwirkungen  des  vorangegangenen  Brenn- 
jahres nicht  behoben  waren,  75,50  Mk.  für  Primasprit  in  Berlin. 
Sobald  aus  der  Entwicklung  der  Spiritusproduktion  im  Sep- 
tember und  Oktober  1912  die  ungestörte  Befriedigung  des  Be- 
darfes gesichert  erschien,  begannen  wir  mit  der  Herabsetzung 
der  Verkaufspreise,  die  in  Abschnitten  von  6  Mk.  im  Oktober, 
4  Mk.  im  November  1912  und  3  Mk.  im  Februar  1913,  ina- 
gesamt 13  Mk.,   vollzogen  wurde.    Der  dadurch  erreichte  Preis 


Ausfuhr. 


Reinigungs- 
anstalten. 


Preis- 
bewegung 


Ausblick  aut 


94  I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

von  62,50  Mk.  für  Primasprit  in  Berlin  blieb  bis  zum  Schlüsse 
des  Geschäftsjahres  ohne  Aenderung.  Der  Preis  für  Brenn- 
spiritus, der  im  Vorjahre,  wie  erinnerlich,  von  der  allgemeinen 
Preissteigerung  nur  zu  einem  geringen  Teil  ergriffen  wurde, 
blieb  in  diesem  Jahre  von  der  Ermäßigung  unberührt  und 
hielt   sich   während   des   ganzen   Jahres   ohne  Aenderung. 

Die  außergewöhnlich  reiche  Kartoffelernte  des  Jahres  1913 
Geschäftsjahr.'  '^^^  nicht  zum  wenigsten  der  Umstand,  daß  bei  den  Kartoffel- 
vorräten  vielfach  die  Neigung  zur  Fäulnis  hervortritt,  lassen 
voi  aussehen,  daß  die  landwirtschaftlichen  Brennereien  ihre 
Produktionsrechte  nach  Kräften  ausnutzen  werden.  Unter  diesen 
Umständen  ist,  wiewohl  für  das  laufende  Betriebsjahr  nur 
96  o/o  des  Durchschnittsbrandes  zugelassen  sind,  eine  den  Ab- 
satz merklich  übersteigende  Branntweinerzeugung  vorauszusehen. 
Die  Bestände  dürften  infolgedessen  bis  zum  Ende  des  neuen 
Jahres  einen  Umfang  erreichen,  wie  er  seit  dem  Jahre  1902 
nicht  mehr  zu  verzeichnen  war.  Die  Aufbewahrung  derartig 
btarker  Vorräte  ist  einerseits  mit  sehr  beträchtlichen  Kosten 
verknüpft;  auf  der  anderen  Seite  liegt  darin  aber  ein  wert- 
voller Eückhalt  für  Jahre  mit  unzureichender  Kartoffelernte. 
Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  daß  für  die  gesamte  Branntwein- 
industrie nichts  schädlicher  ist,  als  ein  begründeter  Zweifel  in 
die  Befriedigung  des  Bedarfes.  Neben  der  starken  und  oft 
schroffen  Steigerung  der  Preise  übt  vor  allem  die  allgemeine 
Unsicherheit  einen  lähmenden  Einfluß  auf  den  Geschäftsverkehr 
aus.  Demgegenüber  wird  ein  reichliches  Spirituslager  zwar 
keinen  unbedingten  Schutz,  doch  aber  ein  gewisses  Maß  von 
Beruhigung  bieten  und  gegebenenfalls  die  Preisbewegung  auch 
dadurch  mildern,  daß  die  Verwertung  der  Bestände  mutmaßlich 
einen  Ueberschuß  gegen  den  Buchwert  und  demgemäß  einen 
willkommenen   Beitrag   zum   Erlöse   bringen   dürfte. 

Der  Abschlagspreis,  der  sich  vom  Vorjahre  her  in  der 
Höhe  von  53  Mk.  übertrug,  wurde  gegen  Ende  November  auf 
50  Mk.  herabgesetzt.  Angesichts  der  dadurch  verringerten  An- 
sprüche an  den  Erlös  der  Brenner  konnte  den  Verbrauchern 
eine  Erleichterung  gewährt  werden.  Dem  Verlangen  des  Destil- 
lationsgewerbes folgend,  das  aus  einer  mechanischen  Herab- 
setzung der  Verkaufspreise  nur  den  Anstoß  zu  erneuten  und 
verschärften  Konkurrenzkämpfen  fürchtete,  wurde  auf  der 
Grundlage  unveränderter  Verkaufspreise  eine  Babattvergütung 
eingeführt.  Durch  Babattvergünstigungen  an  die  Mitglieder 
solcher  Vereinigungen,  die  sich  tatkräftig  einer  Förderung  des 
Destillationsgewerbes  und  einer  Abstellung  der  vielfach  inner- 
halb dieses  Gewerbes  beklagten  Mißstände  widmen,  soll  die 
Wirksamkeit  dieser  Organisationen  unterstützt  und  an  einer 
Verbesserung  der  allgemeinen  Verhältnisse  des  Gewerbes  mit- 
gearbeitet werden. 


21.    Branntwein-    und   Likörfabrikation. 


95 


21.  Branntwein-  und  Likörfabrikation. 
Wie  für  frühere  Jahre,  so  ist  auch  für  das  Jahr  1913  ein  fort- 
dauernder Konsumxückgang  in  Branntwein  und  Likören  zu  kon- 
statieren, der  besonders  in  den  Monaten  Juni,  Juli  und  August  er- 
schreckende Dimensionen  angenommen  hat.  Der  Boykott  des 
Branntweins  seitens  der  Grewerkschaften  ist  noch  immer  fühlbar. 
Der  Konsum  alkoholfreier  Getränke,  die  oft  von  zweifelhafter  Her- 
kunft und  Beschaffenheit  sind,  hat  infolge  der  fanatischen  Ab- 
stinenzbewegung  zugenommen.  Die  Kreditfähigkeit  der  Kund- 
schaft in  'den  Kreisen  der  Kestaurateure  und  Kolon ialwaren- 
händler  ließ  im  III.  Quartal  1913  viel  zu  wünschen  übrig. 
Die  Kredite  wurden  nicht  nur  voll  ausgenutzt,  sondern 
selbst  '  von  bisher  durchaus  potenten  Firmen  erheblich 
überschritten.  Im  Prozeßwege  ist  von  einem  großen  Teil  der 
Gastwirtskundschaft  Befriedigung  nicht  zu  erlangen,  da  das  In- 
ventar usw.  ihren  Lieferanten  (Brauereien,  Billardfabrikanten)  ge- 
hört. Die  Kolonialwarenbranche  liegt  infolge  der  wirtschaftlich 
schlechten  Zeiten  und  des  dadurch  bedingten  Rückgangs  des  Kon- 
sums der  notwendigsten  Nahrungsmittel  ganz  besonders  danieder. 
Wenn  schon  der  Konsum  an  Nahrungsmitteln  zurückgeht,  so  muß 
derjenige  in  Gnenußmitteln,  wie  Likören  und  sonstigen  Spirituosen, 
in  großem'  Maße  abnehmen. 

Nicht  unwesentlich  trägt  zur  schlechten  Lage  des  Spirituosen- 
gewerbes die  unbegreifliche  Preispolitik  der  Zentrale  für  Spiritus- 
verwertung bei.  Der  Destillateurstand  wird  vollständig  dadurch 
ruiniert,  daß  man  der  verminderten  Kaufkraft  durch  Herabsetzung 
der  Spirituspreise  absolut  nicht  Eechnung  trägt.  Es  ist  der  VeiTr 
dacht  geäußert  worden,  daß  dieser  alleinige  Lieferant  von  Spiri- 
tus seine  Kundschaft  ruinieren  wolle,  um  sich  durch  die  Fabri- 
kation von  Branntwein  an  die  Stelle  seiner  bisherigen  Abnehmer 
zu  setzen.  'Die  überall  reiche  Kartoffelernte,  welche  die  Stärke- 
und  Stärkezuckerfabrikanten  veranlaßt  hat,  mit  ihren  Preisen 
wesentlich  herunterzugehen,  hat  die  Erwartungen  der  Spiritus- 
verarbeitungsgewerbe auf  Herabsetzung  des  Preises  ihres  Roh- 
materials 'nicht  erfüllt.  Bis  zum  Oktober  des  Berichtsjahres,  zu 
welchem  Zeitpunkte  sich  der  Ausfall  der  Ernte  schon  übersehen 
ließ,  ist  Tieine  Ermäßigung  eingetreten. 

Die  niedrigen  Zuckerpreise  ermöglichten  es,  trotz  schlechter 
J'ruchternte  Fruchtsäfte  der  Ernte  1912  billig  zu  verkaufen.  Die 
diesjährige  Ernte  in  Himbeeren  war  reichlich  und  hat  in  Ver- 
bindung mit  den  Zuckerpreisen  zu  einem  weiteren  Sinken  der 
Preise  Veranlassung  gegeben.  Kirschen  haben  in  einem  großen 
Teil  des  Landes  durch  Frost  gelitten;  der  Verkauf  von  Kirsch- 
syrup  ließ  wenig  Nutzen.  Der  Absatz  in  diesem  Artikel  lag  in 
den  letzten  Monaten  ganz  danieder. 

Trotz  dieser  traurigen  Verhältnisse  der  Spirituosenbranche 
werden  den  Gastwirten  von  Staat  und  Kommunen  Pflichten  und 


Absatz. 


Preispolitik 
der  Spiritus- 
zentrale. 


Fruchtsäfte. 


Gastwirts- 
Gewerbe. 


96 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Allgemeines. 


Rohmaterialien 
und  Löhne. 


Lasten  auferlegt,  welche  diesen  schwer  um  seine  Existenz  kämpfen- 
den Stand  mehr  und  mehr  dem  Untergange  näher  bringen.  Die 
ungeheure  Zahl  der  leerstehenden  Lokale  in  Berlin  spricht,  mehr 
als  alle  Worte,  für  die  Kalamität  der  Branche. 

22.  Essigf a,brikation. 

Der  Prei^  des  Rohmaterials  für  die  Essigfabrikation,  des  Spi- 
ritus, war  seit  dem  letzten  Vierteljahr  1912  etwas  niedriger  ge- 
worden und  Ycrblieb  auf  gleicher  Höhe  bis  Ende  1913,  so  daß 
die  Fabriliation  des  Speiseessigs  sich  in  ruhigen  Bahnen  besser 
entwickeln  konnte  als  vorher.  Der  Bedarf  an  Essig  war  im  Früh- 
jahr lind  Sommer  befriedigend;  leider  war  die  Einmachezeit,  in 
der  das  größte  Quantum  Essig  im  Jahre  verbraucht  wird,  in- 
folge der  nur  mittelmä^ßigen  Ernte  der  Gurken  nicht  zufrieden- 
stellend. Der  Bedarf  an  Weinessigen  war  befriedigend;  seine 
Herstellung  \vird  immer  weniger  lohnend,  da  die  dazu  nötigen 
Weine  Infolge  der  schlechten  Ernten  immer  knapper  und  teurer 
werden. 

•  23.  Bierbrauerei. 

Das  abgelaufene  Geschäftsjahr  (1.  Okt.  1912  bis  30.  Sept. 
1913)  wai*  für  die  Berliner  Brauereien  im  allgemeinen  nicht  un- 
günstig. Das  schlechte  Wetter  in  den  beiden,  für  die  Brauereien 
hauptsächlich  in  Betraeht  kommenden  Monaten  —  Juli  und 
August  —  beeinträchtigte  zwar  den  Bierkonsum ;  der  milde,  sonnige 
Herbst  ließ  aber  den  Bierabsatz  wieder  bis  zur  Höhe  des  Vorjahres, 
ja  teilweisö  sogar  darüber  hinaus,  steigen.  Den  mäßigen  Hopfen- 
preisen des  Jahres  1912  standen  allerdings  hohe  Preise  für  Gerste 
bei  geringerer  Ergiebigkeit  in  Mälzerei  und  Brauerei  gegenüber. 
Ungünstig  wurde  der  Geschäftsgang  auch  beeinflußt  durch  die 
im  Berichtsjahre  zum  Teil  wenig  befriedigende  wirtschaftliche 
Lage,  besonders  durch  die  infolge  der  Versteifung  des  Geldmarktes 
lahmgelegte  Bautätigkeit,  wie  auch  durch  die  allgemeine  an- 
haltende Verteuerung  der  Lebensmittel.  Eine  empfindliche  ge- 
werbliche Störung,  zum  Teil  auch  eine  neue  erhebliche  Belastung 
bedeutet  für  die  Berliner  Brauereien  die  seit  dem  1.  April  1913 
zur  Erhebung  gelangende  Gemeindebiersteuer.  Trotz  der 
lebhaftesten  Vorstellungen  der  beteiligten  Kreise,  und  ungeachtet 
der  von  einer  starken  Minderheit  in  der  Stadtverordnetenversamm- 
lung geltend  gemachten  schweren  Bedenken  ist  die  Steuerordnung 
beschlossen  und  eingeführt  worden.  Den  Kampf  gegen  diese  Steuer 
führt  das  Berliner  Braugewerbe  im  ordentlichen  Gerichts-  und 
im  Verwaltungsstreitverfaliren  zugleich  im  Interesse  der  ohne- 
hin durch  Sondersteuem  hart  bedrückten  Betriebe  fort.  In  der 
ersten  Instanz  vor  dem  Bezirksausschuß  ist  bekanntlich  die  Bier- 
steuerordnung für  rechtsungültig  erklärt  worden. 

Die  Gerstenernte  des  JaJires  1912  blieb  infolge  der  un- 
günstigen Witterung  während  der  Erntemonate  hinter  dem  Durch- 


23.   Bierbrauerei. 


97 


schnitt  dei'  Vorjahre  zurück,  so  daß  die  Preise  für  gute,  ver- 
arbeitungsfähige Ware  infolge  der  außerdem  geradezu  als  Preis- 
ti'eiberei  wirkenden  Zujüoklialtung  der  Gersteneigner  rasch  zu 
ungewöknlioher  Hölie  am  Beginn  der  Kampagne  stieg.  Nach  all- 
mählicher Erkenntnis  d-es  Irrtums  trat  im  Januar  1913  ein  un- 
erwarteter Sturz  der  Grerstenpreise  ein,  von  dem  aber  die  Braue- 
reien, die  inzwischen  zu  hohen  Preisen  ihren  Bedarf  hatten  decken 
müssen,  meistens  keinen  entsprechenden  Nutzen  mehr  ziehen 
konnten.  Auch  die  Ausbeute  der  Gerste  des  Jahres  1912  ließ 
vielfach  zu  wünschen  übrig..  Die  ^leh  rauf  Wendungen  für  Gerste 
und  Malz  konnten  bei  weitem  nicht  durch  die  infolge  der  günsti- 
gen Hopfenernte  ^^egen  das  Vorjahr  erheblich  niedrige re>n 
Preise  ausgeglichen  ^werden.  Die  Löhne  der  Brauereiarbeiter 
erfuhren  keine  Steigerung,  da  der  im  Jahre  1910  geschlossene 
Tarifvertrag  bis»  zum  1.  April  1914  läuft. 

Unter  dem  Zusammenwirken  der  erwähnten  Momente  war  es 
den  besser  situierten  Brauereien  meist  möglich,  ihren  Absatz  zu 
vergrößern  und  ein  gleich  günstiges  Ergebnis  wie  im  Vorjahre 
zu  erzielen.  ,'  So  überschritt  der  Jahresabsatz  der  Brauerei  Fried- 
richshöhe  vorm.  Patzenhofer  zum  ersten  Male  eine  Million  Hekto- 
liter. Die  Schloßbrauerei  Schöneberg  setzte  251 568  hl  ab,  was 
einer  Steigerung  von  6432  hl  gegen  das  Vorjahr  entspricht.  Das 
finanzielle  Erträgnis  der  Brauereien  Groß-Berlins  kommt  zum 
Teil  in  den  zur  Ausschüttung  gelangten  Dividenden  der  Aktien- 
brauereien  zum  Ausdruck,  die  sich  gegen  das  Vorjahr  wie  folgt 
stellten : 


Rentatilität. 


Tab. 


Dividenden  der  Berliner  Brauereien. 


1912/13  Zu- (+) 
oder  Ab- 
nahme   ( — ) 
gegen  1911/12 
% 


Bergschloßbrauerei 

Bierbrauerei  vorm.  Hilsebein .     .     . 

Bockbrauerei 

Böhmisches  Brauhaus  A.-G.     .     .     . 
Deutsche  Bierbrauerei  A.-G.    .     .     . 

Brauerei  Friedrichshain 

Friedrichshöhe   vorm.  Patzenhofer . 

Brauerei  Königstadt 

Löwenbrauerei  Hohenschönhausen  . 

Münchener  Brauhaus 

Brauerei  Pfefferberg 

Schloi3brauerei  Schöneberg      .     .     . 

Schultheissbrauerei  A.-G 

Spandauerberg-Brauerei       .... 

Brauerei    Ernst    Engelhardt  Nachf. 

Berliner  Kindlbrauerei  konv.  .     .     . 

St.-Pr..     .     . 

Unionsbrauerei 

Victoria-Brauerei 

Weißbierbrauerei  vorm.  Bolle  .     .     . 
vorm.  C.  Landre . 

Berl.  Jahrb.  1.   Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


o 

2 

2 
14 

4 
12 

7 
10 
11 
15 

5 
13 
14 
16 

0 

6 

0 

2V2 


24 

0 

6 

7 

3 

2 
15 

4V2 
12 

7 

10 
11 
16 

5 
13 
15 
17 

3 

6 

0 

0 


+  2 
+  _1 

4-1 
+  V2 


4-1 


4-1 
4-1 
4-3 


-2V2 


98 


I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Aussichten. 


Berliner 
Weißbier. 


Malz-  und 
Karamelbier. 


Bei  sieben  der  Groß-Berliner  Aktienbrauereien  trat  eine  Er- 
höhung der»  Dividende  um  %  bis  3 o/o  gegen  das  Vorjahr  ein;  bei 
einer  Brauerei  verringerte  sich  die  Dividende  um  2V2O/0,  und  bei 
den  übrigen  Betrieben  Isam  die  gleiche  Dividende  zur  Verteilung. 
Bei  drei  Aktienbrauereien  gingen  die  Aktionäre  leer  ans. 

Für  das  neue  Geschäftsjahr  sind  die  Aussichten  im  ganzen 
nicht  ungünstig.  Der  größere  Ertrag  nnd  die  bessere  Ergiebig- 
keit dei"  diesjährigen  Ernte  hat  die  hohen  Gersten-  und  Malz- 
preise wieder  auf  einen  normalen  Stand  zurückgebracht.  Die 
Hopfenpreise  dagegen  haben  infolge-  der  geringeren  Ernte  wieder 
stark  angezogen,  doch  dürften  für  diese  höheren  Aufwendungen 
die  noch  für  Monate  reichenden  Vorräte  der  Brauereien  an  vor- 
jälirigem  Hopfen  einen  vollen  Ausgleich  bieten.  Auch  die  Futter- 
mittelpreise sind  gegen  das  Vorjahr  wieder  etwas  zurückgegangen. 
Mit  Besorgnis  blickt  das  Braugewerbe  und  der  mit  ihm  eng  ver- 
knüpfte Gastwirtestand  der  Novelle  zur  Reichsgewerbeordnung, 
insbesondere  der  geplanten  Aenderung  des  §  33,  des  Schank- 
Konzessions-Paragraphen,  entgegen.  Eine  nicht  zu  unterschätzende 
Belastung  'wird  auch  für  die  Brauereien  die  im  nächsten  Jahre 
in   'ihrer   ersten   Rate    fällige   Wehrsteuer   sein. 

Pur  die  Berliner  Weißbierindustrie  war  das  abgelaufene  Ge- 
schäftsjahr infolge  des  regnerischen  Sommers  und  der  herrschenden 
Arbeitslosigkeit,  namentlich  im  Baugewerbe,  wieder  sehr  nach- 
teilig. Die  ungewöhnlich  hohen  Malz-  und  WeizenpreLse  haben 
das  Ergebnis  ebenfalls  ungünstig  beeinflußt.  Von  Jahr  zn  Jahr 
tritt  die  Tatsache  immer  mehr  in  die  Erscheinung,  daß  das  Weiß- 
biei"  nur  noch  als  Sommergetränk  Verwendung  findet.  Der  mit 
den  Arbeiterorganisationen  neu  abgeschlossene  Tarifvertrag,  der 
für  die  nächsten  drei  Jahre  gilt,  verursacht  den  Weißbierbraue- 
reien größere  Ausgaben  für  Löhne.  —  Die  Aussichten  für  das 
neue  Geschäftsjahr  sind  insofern  günstiger,  als  Gerste  und  Weizen 
weit  billiger  als  im  Vorjahre  zu  haben  siad.  Anch  siud  beide 
Bohprodukte  imi  allgemeinen  von  guter  Beschaffenheit  und  geben 
eine  reiche  Ausbeute.  Ausschlaggebend  für  die  weitere  Geötal- 
tung  des  Weißbiergeschäfts  ist  allein  das  Sommerwetter  des  neuen 
Jahres. 

Das  Malz-  hzw.  Karamelbier  findet  bei  den  Konsumenten, 
immer  mehr  Anhänger.  In  mehreren  Sommermonaten  hat  zwar 
die  wenig  günstige  Witterung  nachteilig  auf  den  Absatz  ein- 
gewirkt; im  allgemeinen  war  aber  eine  Absatzsteigerung  Zu  ver- 
zeichnen. Nach  wie  vor  wird  darüber  geklagt,  daß  die  reellen 
Produzenten  empfiudlich  darunter  zu  leiden  haben,  daß  ver- 
schiedene kleine  Unternehmungen  zur  Herstellung  des  obergärigen 
Süßbieres,  um  die  Verwendung  des  teuren  Zuckers,  der  zum 
Süßen  'des  Bieres  erforderlich  ist,  und  um  die  Zahlung  der  daratif 
ruhenden  hohen  Brausteuerabgabe  zu  sparen,  in  gesetzwidriger 
Weise  Saccharin  verwenden  und  das  Bier  alsdann  zn  Schleuderi 


23.   Bierbrauerei. 


99 


preisen  verkaufen.  Die  Preise  der  Rohinaterialien  waren  im  Be- 
richtsjahre 'durchgängig  normal.  Die  Bierpreise  sind  noch  ^hr 
verschiedenartig.  '  Eine  Preisvereinbarung  zwischen  den  Brauereien 
besteht  nicht.  Die  Berliner  Biersteuerordnting,  die  für  Karamel- 
bzw. Malzbier  eine  Abgabe  von  10  Pfg.  pro  Hektoliter  vorsieht, 
hat  auch  diesem  Zweig  der  Bierbrauerei  eine  fühlbare  Belastung 
gebracht.   '  '  , 


Tab.  38.     Betriebs-  und  Produktionsverhältnisse  in  den  Brauereien 

Großberlins. 


Jahr 

Zahl  der  im 

Betriebe 
gewesenen 
Brauereien 

Malzverbrauch 
kg 

Steuerleistung 
Mk. 

Untergäriges  Bier 
(Lagerbier) 

1911 
1912 
1913 

23 
23 
23 

78  551  120 

79  584  015 
82  863  862 

15  454  708.50 
15  974  535.85 
15  921  248.30 

Unter-  u.  obergäriges 
Bier 

1911 
1912 
1913 

13 
12 
13 

10  998  645 
10  746  945 
11511050 

2  275  778.70 
2  320  483.05 
2  646  010.36 

Weißbier 

1911 
1912 
1913 

7 
7 
6 

4  806  190 
3  792  265 
3  123  710 

715  227.25 
556  644.40 
473  821.20 

Weißbier,    Braunbier 

1911 
1912 
1913 

56 
52 
52 

6  555  618 
4  898  375 
4  448  160 

1  065  513.75 
847  075.85 
720  034.13 

Malzextrakt 

1911 
1912 
1913 

2 
2 

1 

54  300 

46  920 

3  630 

7  666.05 

7  379.70 

499.85 

Tab.  39. 


Rohstoffpreise  für  die  Brauereien. 


Alte 
Kampagne 


Neue 
Kampagne 


Schlesische  bzw.  Oderbrucher  und 
uckermärkische  usw.  Gerste  .     . 

Mährische  und  böhmische  Gerste  . 

Uckermärkischer  Brauweizen      .     . 

Schlesischer  bzw.  sächsischer  Brau- 
weizen     

Bayerischer  Hopfen 

Böhmischer  Hopfen 


für  1000  kg 
1000  „ 
1000  „ 

1000  „ 
50  „ 
50  „ 


164—206 
196—208 
200—220 


167—200 
204-222 
186—210 


260-285 
270—295 


Tab.  40. 


Malzpreise  für  100  kg. 


Alte  Kampagne 
Mk. 


Neue  Kampagne 
Mk. 


Für  böhmisches  und  mährisches     .     .     . 

„  schlesisches,  Oderbrucher,  ucker- 
märkisches  und  Saale  .... 

„     märkisches  und  Posener      .... 

„  Weizenmalz  (schlesisches  bzw. 
sächsisches  und  märkisches)     . 


33—35 
27—33 

28V2-3IV2 


3OV2— 33 
27—321/2 

26V2-3OV, 

7* 


100        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Tab.  41. 


BerliDS  monatliche  Ein-  und  Ausfuhr  von  Bier  in  kg  =  1,029  1. 


Januar     Febr.       März 


April 


Mai 


Juni    I     Juli       AugTist  I    Sept. 


Okt. 


Nov. 


Dez. 


Zu 


Einfuhr: 

1911.  . 

1912.  . 

1913.  . 
Ausfuhr : 

1911.  . 

1912.  . 

1913.  . 


1495  857 
1642195 
486132 

!  502  055 
571 160 
1956  755 


3  210112 
4472  487 
3  821 234 

3  657  999 

4  755  290 
3427  788 


4655306 

3  810314 
4 114  664 

4633  824 

4  222  837 
4124168 


4  022069 

3  718426 

4  906  026 

4  470 106 
4  954  772 
4  927124 


3496  697 
4709  509 
3880  668 

6  194  677 

7  374557 
5859  694 


4  254895 
3  621 877 
3683  688 


3  702  690  5  048437 

3  818  694  4  771 956 

4  286316  3  473  218 


7  551674  6  344  244 
5174155  6  692  874 
5  262176|6  805  202 


8  708  624 
6  899  822 
5 140 174 


3  97166913119  056 
3  6«0  240 14  575  306 
3  267  975i4  578  083 


5  262934 
3  731 633 
3549116 


6  327  926:4  871  538  5  411 798 

3  995  2721 4  413  138i3  536  428 

4  772  435 1 4  692  797 1 3  245  693 


4020913 
3  771 250 

3  560925 

4  031 649 
3  676087 
3  619  185 


4816 
48  32 
47  60 

63  60 
59  26 
55  88 


Tab.  42.      Ein-  und  Ausfuhr 

von  Bier  auf  Berliner  Bahnhöfen  in  kg  =  1,029 

1. 

Einfuhr: 

Ausfuhr: 

1911    _[        1912                1913 

1911         !         1912        1         1913 

Schlesischer  Bahnhof.     .     . 

3  21150o!  1808  000 

1810  000 

4  45199o!  3  156  400 

3  180  000 

Hamburg-Lehrter  Bahnhof 
Görlitzer  Bahnhof  .... 

206  659,        69  241 

51002 

4  045  730,  3  277  215 

3  153  157 

257  100 

103  870 

47  330 

5  454  8301  5  407  790 

4  171280 

Potsdamer  Bahnhof    .     .     . 

21  029  330 

21  674  500 

21000  500 

6  574  6301  7  528  820 

7  335  100 

Anhalter  Bahnhof  .... 

22  678  490 

23  287  133 

22  861581 

10  367  1581  9  187  840 

9  176  979 

Stettiner  Bahnhof  .... 

312  860 

225  510 

195  480 

9  959  7801  8  554  990    7  591040 

Ostbahnhof 

250  886;      263  743 

212  452 

20  821  33620  636  467  19  651  735 

Nordbahn |      213  810;      891890 

1  429  700 

1930  660|   1516  870    1573  900 

Zusammen 

|48  160  635  48  323  887 

47  608  045 

63  606  114|59  266  392|55  833  191 

23.   Weinhandel. 


Allgemeine 
Geschäfslage, 
Konkurrenz. 


Der  Absatz  von  Wein  war  auch  im  Berichtsjahre  wieder 
sehr  schwierig  und  konnte  nur  mit  großer  Mühe  auf  der  früheren 
Höhe  gehalten  werden.  Der  Umsatz  in  feinen  Stillweinen, 
deutschen  Schaumweinen,  insbesondere  aber  in  französischen 
Schaumweinen,  ist  weiter  zurückgegangen.  Nach  billigen  kleinen 
Weinen  besteht  zwar  große  Nachfrage,  aber  infolge  der  letzten 
schlechten  Ernten  fehlt  es  an  billigen  Angeboten  aus  den  Wein- 
baugebieten. Da  der  Handel  im  Interesse  der  Erhaltung  seiner 
Kundschaft  zu  niedrigen  Preisen  liefern  muß,  so  bringt  der 
Umsatz  in  den  kleinen  Weinen  bei  Berücksichtigung  der  Ge- 
schäftsunkosten keinen  Gewinn,  vielleicht  sogar  Verlust.  Un- 
günstig beeinflußt  wurde  der  Geschäftsgang  ferner  durch  An- 
gebote großer  Weinbestände,  die  aus  Konkursen  herrührten 
und  von  gewissen  Firmen  verkauft  wurden.  Auch  die  unlautere 
Reklame  ist  im  Weinhandel  noch  nicht  verschwunden  und  er- 
schwert dem  soliden  Handel  das  Geschäft.  Geklagt  wird  in 
Weinhändlerkreisen  auch  über  die  Ankündigungen  mancher 
Winzervereine,  die  sich  gegen  gezuckerte  Weine  richten,  obwohl 
allgemein  bekannt  ist,  daß  Naturweine  in  den  zumeist  ver- 
langten niedrigen  Preislagen  überhaupt  nicht  oder  wenigstens 
nicht  so  geliefert  werden  können,  wie  sie  das  Publikum  ver- 
langt. Die  Verdächtigungen  der  gezuckerten  Weine  veranlassen 
aber  das  Publikum  nicht,  einen  stechend  sauren  Naturwein 
aus  unreifen  oder  kranken  Trauben  zu  trinken.  Es  verzichtet 
clann  lieber  auf  den  Weingenuß  überhaupt  und  wendet  sich 
anderen  Getränken  zu.    Solche  Ankündigungen  sind  daher  kurz- 


24.    Weinhandel.  101 

sichtig  und  schädigen  den  Weinbau  und  Weinhandel,  während 
es  Aufgabe  des  Kaufmannes  ist,  seinem  Kunden  in  erster  Linie 
eine    Ware    anzubieten,    die   dessen    Wünschen   entspricht. 

Mußte  bisher  regelmäßig  über  die  Konkurrenz  der  Offizier- 
und  Zivilkasinos  berechtigte  Klage  geführt  werden,  so  drohte 
im  Berichtsjahre  dem  Großberliner  Weinhandel  eine  neue  Kon- 
kurrenz durch  den  Plan  des  Magistrats  von  Neukölln,  einen 
städtischen  Weinhandels-  und  Weinrestaurations-Betrieb  ein- 
zurichten. Dieser  Plan  fand  mit  Recht  nicht  nur  in  Kreisen 
des  zunächst  betroffenen  Weinhandels,  sondern  auch  in  denen 
anderer  Geschäftszweige  lebhafte  Gegnerschaft.  Denn  es  kann 
nicht  Aufgabe  der  Kommunen  sein,  mit  den  Privatbetrieben  in 
"Wettbewerb  zu  treten,  wenn  diese  in  der  Lage  sind,  den  Bedarf 
in  angemessener  Weise  zu  befriedigen.  Dazu  kommt  das  weitere 
Bedenken,  daß  ein  nach  kaufmännischen  Grundsätzen  ver- 
walteter städtischer  Weinhandelsbetrieb,  bei  dem  also  alle  Un- 
kosten aus  dem  Gewinn  des  Unternehmens  und  nicht  aus 
anderen  städtischen  Konten  gedeckt  werden  müssen,  mit  großen 
Weinhandelsfirmen,  die  den  Wein  von  der  Traube  an  bearbeiten, 
nicht  erfolgreich  konkurrieren  kann,  und  wenn  er  deren  Preise 
.unterbieten  will,  das  nur  auf  Kosten  der  Steuerzahler  tun 
kann.  Der  Plan  des  Magistrats  von  Neukölln  wurde  denn  auch 
fallen  gelassen. 

Auf  den  großen  Herbst  des  Jahres  1911,  der  nach  den  zu-  Weinernten 
tmeist  ungünstigen  deutschen  Weinernten  der  Jähre  1906  bis  weingesetz. 
1910  dem  Winzer  und  Weinhändler  neue  Hoffnungen  für  die 
'Zukunft  brachte,  folgte  die  durch  Oktoberfröste  in  ihrer  Quali- 
tät stark  beeinträchtigte,  an  Ertrag  aber  leidliche  Ernte  des  , 
Jahras  1912,  und  im  Berichtsjahre  eine  bis  auf  wenige  nicht 
bedeutende  Gebiete  in  Menge  und  Art  sehr  mäßige  Ernte.  In 
verschiedenen  Weinbaugebieten,  so  z.  B.  im  Rheingau,  war  der 
Ertrag  oft  nur  ^/is  desjenigen  von  1911,  und  das  Produkt  so 
stechend  sauer  und  arm,  daß  es  ohne  Zu<jker  nicht  genießbar 
werden  kann.  Eine  dem  Weingesetz  entsprechende  Zuckerung 
mit  dem  Höchstzusatz  von  ^U  der  Gesamtmenge  genügt 
aber  nicht,  um  artige,  süffige  Weine  herzustellen.  Die  ün- 
zuträglichkeit  des  §  3  des  Weingesetzes  zeigt  sich  in  diesem 
Jahre  ganz  besonders  deutlich.  Keinem  Menschen,  weder  dem' 
Konsumenten,  noch  dem  Händler,  wäre  ein  Schaden  entstanden 
aus  einer  Bestimmung,  die  das  Höchstmaß  der  Zuckerung  eines 
Mostes  oder  Weines  nach  dem  jeweiligen  Jahrgange  bemessen 
hätte,  mit  einer  Grenze  —  wenn  überhaupt  eine  solche  gegeben 
werden  muß  — ,  die  entweder  für  die  versdhiedenen  Weinbau- 
gebiete, je  nach  der  örtlichen  Lage  (Rheinpfalz,  Mosel),  ver- 
schieden festgesetzt  oder  doch  soweit  gesteckt  werden  müßte, 
daß  auch  die  Produkte  aus  Jahren  wie  1896,  1902,  1912 
oder    1913    schmackhaft    hergestellt    werden    können.     Dadurch 


102        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 


Weinabsatz. 


Wein- 

reetauratioDS- 

betrieb. 


•wären  dem  Winzer  gute  Preise  und  ein  sidherer  Verkauf  auch 
in  sdilechten  Jahren  gewährleistet,  insbesondere  dann,  wenn 
die  Winzervereine  die  Zuckerung  unter  ihrer  Aufsicht  und  in 
geeigneteren  Bäumen  vornehmen  würden,  als  es  die  Keller  der 
Bauern  sind. 

Für  den  Weinhandel  sind  die  heutigen  Verhältnisse  ebenso 
unerträglich  wie  für  den  Winzer,  der  für  seinen  Lebensunter- 
halt einzig  und  allein  auf  den  Ertrag  seiner  Weinberge  ann 
gewiesen  ist.  Der  Weinhandel  soll  seinen  Abnehmern  Weine  in 
niedrigen  Preislagen  liefern;  inländische  Erzeugnisse  sind  aber 
nicht  zu  bekommen,  da  das  Weingesetz  es  verbietet,  sie  in 
schlechten  Jahren  so  herzustellen,  wie  sie  der  Konsument  zu 
trinken  wünscht.  Dem  Weinhandel  bleibt  daher  nichts  anderes 
übrig,  als  aus  dem  Auslande  geeigneten  Ersatz  zu  beziehen, 
•wenn  er  nicht  auf  sein  Geschäft  überhaupt  verzichten  will. 
Wenn  von  manchen  Seiten  zur  Besserung  der  geschilderten 
mißlichen  Verhältnisse  im  Interesse  der  Winzer  eine  Zoll- 
erhöhung auf  Auslands^weine  erstrebt  wird,  so  ist  demgegen- 
über darauf  hinzuweisen,  daß  eine  solche  Maßnahme  voraus- 
sichtlich auch  zu  einer  schweren  Schädigung  des  deutschen  Wein- 
baues führen  würde.  Es  würde  dadurch  die  Einfuhr  billiger 
Weine  unterbunden,  und  ein  großer  Teil  des  Publikums,  das 
nicht  in  der  Lage  ist,  hohe  Preise  für  Weine  zu  zahlen,  dem 
Weingenuß    völlig    entfremdet   werden. 

Auf  den  Rückgang  des  Weinabsatzes  wirkte  neben  der 
Temperenzbewegung  auch  die  in  Verbindung  mit  der  ungünstigen 
wirtschaftlichen  Lage  und  den  Steuerbelastungen  stehende 
größere  Neigung  zum  Sparen  ein,  die  in  erster  Linie  bei  Genuß- 
mitteln in  Erscheinung  tritt.  Li  gleicher  Richtung  wirkte  der 
in  den  letzten  Jahren  hervorgetretene  Rückgang  der  Besucher- 
zahl wohlhabender  Fremden  in  Berlin.  Der  Balkankrieg,  die 
Ausstellungen  in  Leipzig  und  Breslau,  die  schlechte  Saison 
in  den  Ostseebädern  und  im  Gebirge  und  die  noch  imlner  un- 
sichere politische  Lage  hielt  einen  großen  Teil  des  Fremdeun 
Stroms  von  Berlin  fern  und  ließ  dadurch  manches  Versand- 
gBEchäft  für  den  Berliner  Weinhandel  nicht  zustande  kommen. 

Im  Weinrestaurationsbetrieb  machte  sich  in  den  Sommer- 
monaten ein  außergewöhnlicher  Rückgang  der  Erträgnisse  be- 
imerkbar, so  daß  viele  Geschäfte  mit  Verlusten  arbeiteten.  Zum 
Teil  liegt  die  Ursache  hierfür  in  den  niedrigen  Preisen  für 
Speisen.  In  keiner  Großstadt  besteht  ein  solches  Mißverhältnis 
zwischen  Ein-  und  Verkaufspreisen  wie  in  Berlin.  Bei  dem 
zurückgehenden  Weinkonsum  besteht  keine  Aussicht  auf  eine 
Besserung.  Am  ungünstigsten  liegen  die  Verhältnisse  bei  den 
Neugründungen,  die  mit  hohen  Einrichtungskosten  und  Mieten 
•zu  rechnen  haben,  während  ihhen  gegenüber  die  alten  Ge- 
scSiäfte,   die   langfristige,   günstige   Verträge   abgeschlossen   und 


24.    Weinhandel. 


103 


in  günstigen  Jahren  reichliche  Inventurabsohreibungen  vor- 
genommen haben,  im  Vorteil  sind.  Der  Absatz  in  Schaum- 
weinen ist  in  den  Weinrestaurationsbetrieben,  wahrscheinlich' 
infolge  der  schlechteren  allgemeinen  Wirtschaftslage,  weiter 
zurückgegangen.  Den  Weinrestaurationsbetrieben  tun  auch  Ab- 
bruch die  Kinotheater,  die  5-Uhr-Tees  in  den  Hotels,  die  Verab- 
reichung von  Speisen  in  Cafehäusem,  die  Restaurationsbetriebe  der 
Warenhäuser,  sowie  vor  allen  Dingen  die  überhand  nehmenden 
luxuriösen  Nachtlokale  und  die  spät  schließenden  Theater. 

Auf  Grund  der  S;tatistik  geben  wir  folgendes  Bild  des 
Weinverkehrs  im  deutschen  Zollgebiet  einerseits  und  in  Groß- 
Berlin  andererseits: 

Tab.  43.     Einfulir  von  Wein,  Most  und  Maische  in  Fässern  oder  Kesselwagen 
(180  a — d,  45  c)  aus  den  Haiiptimportländem  (in  Doppelzentnern). 


Jahr 


Frank- 
reich 


Algier 


Italien  '  Spanien 


Oesterr.-  IGriechen- 
Ungarn  |      land 


Portugal  j  Türkei    Amerika 


Qesamt- 
menge 


475  545 
565  326 


23  679 
23  615 


151000 
52  635 


656  246 
689  217 


432  476^  19  106 


156  820!745  197 


76  225    122  988 

69  193  1  120  074 

105  432  1163  101 


177  483  53  796 
86  540  151  093 
61  294  57  283 


6  579 
107 
193 


1  743  541 
1  657  800 
1  740  902 


Tab.  U.  Einfuhr  von  Schaumwein  (181a) 

in  den  letzten  drei  Jahren  (in  ^/i  Flaschen). 


Jahr 


Gesamt-Einfuhr 


Davon  aus  Frankreich 


1911 
1912 
1913 


1  047  472 
1060  511 
1  015  864 


1  042  109 
1  055  308 
1  012  299 


Tab.  45.     Ein-  und  Ausfuhr  von  Wein,  Most,  Trauben,  Arrak,  Rum,  Kognak 
in  den  Jahren  1912  und  1913. 


IIP 


Artikel 


180a 
180b 
180  c 
180d 
181b 
181a 
45  c 
178b 

179c 


180 

181b 

181a 

178  b 

179  c 


Einfuhr: 
Roter  Verschnittw ein  u.  -Most 
Wein  zur  KognakbereitTing 
Marsala-,  Port-,  Madeira  weine 
Anderer  Wein  im  Faß  .  . 
Stiller  Flaschenwein     .     .     . 

Schaumwein 

Weinmaische 

Arrak,    Rum,   Kognak,  u.  a. 

im  Faß 

do.  in  Flaschen     .     .     .     ■     . 

Insgesamt 

Ausfuhr: 
Wein  u  frischer  Most  im  Faß 
Stiller  Flaschenwein     .     .     . 
Schaumwein     ...... 

Arrak,   Rum,    Kognak,   u.  a. 

im  Faß 

jdo.  in  Flaschen  .  .  .  .  . 
Ilnsgesamt 


1912 


Menge 


"Wert  in 
1000  Mk. 


38  906 

50  032 

33  434 

1174  719 

7  366 

20  545 

371  543 

17  649 
1432 


dz 


1088 
1514 
2  274 
56  387 
1201 
6  342 
9  801 

2  347 
306 


1  715  626  dz  81  260 


81817  dz 
94  897  „ 
26  512  „ 


4  453 
157  935 


365  892  dz  30  074 


7  169 

12  566 

3  732 

377 
6  230 


1913 


Menge 


57  480 
41129 
36  249 

143  438 

5  997 

19  394 

476  717 

19  706 
1320 


dz 


Wert  in 
1000  Mk. 


1762 
1454 
2  864 

49  957 

990 

6  075 

12  457 

2  995 
290 


1  801  430  dz  I  78  844 


95  866 
83  804 
29  224 

5  669 
147  911 


dz 


I  362  474  dz 


8  478 

11584 

4  258 

395 
6  438 


31  153 


104         I.    Pflanzl.  Eohprodukte  usw.    B.  Landwlrtsch.  Fabrikate. 

Tab.  46.    Einfuhr  von  rotem  Verschnittwein  und  Wein  zur  Kognakbereitung  aus 

den  einzelnen  Ländern  (in  dz). 


Roter  Verschnittwein  (180  a) 

Wein  zur  Kognakbereitung  (180  b) 

Jahr 

Gesamteinfulir 

Davon    aus: 

Gesamteinfuhr 

Davon   aus: 

Spanien    |  Frankreich  u.  Alsrier 

Prankreich       |           Itaüen 

1911 
1912 
1913 

41354 
38  906 

57  480 

23  834    1             2  001 

24  167    j             6  690 
51595    1             2  337 

46  290 
50  032 
41129 

12  655 
26  911 
21202 

18  863 
4  915 
3  725 

Tab.  47.     Verzollungen  in  Groß-Berlin  und  Bestände  der  Teilungsläger  in  kg. 


Wein  im  Faß 

Wein  in  Flaschen 

Schaumwein 

Gesamt- 

Es  ver- 
teilen 

in  kg 

in  kg 

in  kg 

menge  der 

1 

1 

Bestände 

Jahr 

Verzollt    i    ß^!*^^d 

Verzollt 
wurden 

Bestand 

Verzollt     B^f^^d 

in  kg  in  den 
Teilungs. 

=s.M 

wurden 

31.  Dezbr. 

z.  Satze 
v.48Mk. 

31.  Dezbr. 

wurden    3,   %^^^^ 

lägern  am 
31.  Dezbr. 

1909 

fehlt 

4  074  750 

fehlt 

302  410 

fehlt        7  708 

4  384  868 

37    23 

1910 

5  216  616 

4  913  721 

60  366 

162  239 

797  733      4  504 

5  080  464 

21 

9 

1911 

4  492  548 

4  876  239 

46  220 

242  570 

302  928  i     7  070 

5  125  879 

20 

9 

1912 

5  250  704 

6  046  585 

69  689 

213  013 

636  535  1     4  988 

6  264  648 

23 

11 

1913 

4  695  989 

6  559  476  ;  86  551  |  212  806 

598  788  j  13  508 

1               1 

6  785  789 

40 

24 

Tab.  48.              Gesamtmenge  des  eisernen  Kredites 

Großberliner  Weinfirmen. 

Jahr 

1909 

1910        i        1911 

1912        1        1913 

1 

kg 


1  147  000    1  767  499    1  750  000    1  705  000  !  1  685  000 


Verschnitte  unter  Zollaufsicht  wurden  im  Jahre  1913  nicht 
gemacht. 


Tab.  49.      Herstellung  von  Schaumwein  im  deutschen  Zollgebiet  (1913:  248  Betriebe) 
und  in  der  Provinz  Brandenburg  (1913:  18  Betriebe), 
a)   Schaumwein  aus  Fruchtwein,  ohne  Zusatz  von  Traubeuwein. 


Rechnungsjahr 
1.  April  bis  31.  März 

Ohne  Flaschengärung 

Mit  Flaschengärung 

Deutsches  Zoll- 
gebiet 
Vi  Flasche 

hiervon 
% 

Berlin  und  Provinz 

Brandenburg 

Vi  Flasche 

Deutsches  Zoll- 
gebiet 

Vi  Flasche 

hiervon 

% 

Berlin  und  Provinz 

Brandenbur;? 

Vi  Flasche" 

1910—1911 
1911—1912 
1912—1913 

821  521 

1  086  951 

899  046 

13,6 
19,2 

22,2 

112  060 
209  047 
199  167 

85  084 
206  581 
315  897 

19,9 
1,3 
4,6 

16  927 
2  634 

14  550 

b)  Schaumwein  aus  Traubenwein  und  schaumweinähnliche  Getränke. 


Ohne  Flaschengärung 

Mit  Flaschengärung 

Rechnungsjahr 
1.  Aprü  bis  31.  März 

Deutsches  Zoll- 
gebiet 
Vi  Flasche 

hiervon 
% 

Berlin  und  Provinz 

Brandenburg 

Vi  Flasche 

Deutsches  Zoll- 
Vi^FhJsche 

Berlin  und  Provinz 
haervon        Brandenburg 
%               1/1  Flasche 

1910—1911 
1911—1912 
1912—1913 

311  212 

279  661 
208  922 

44,3 
57,1 
55,9 

137  833 
159  691 

116  899 

11  761  693 
13  663  371 

12  015  208 

2,5            292 128 
1,8    '        242  082 
2,4    1        289  639 

25.  Gastwirtsg-ewerbe. 


05 


Tab.  50.         Zoll-  und  Steuer-Erträge  aus  dem  Wein- 
in Deutschland. 


etc.  Verkehr 


Jahr 


Zollerträge  von  Stillwein 
aller  Art 


Gesamt- 
betrag 


M. 


im  Ver- 
hältnis 
zum  ge- 
samten 
deutsch. 

Zoll- 
ertrage 
% 


umge- 
reclmet 
aufden 
Kopfd. 
Bevöl- 
kerung 

Pf. 


Steuer-  u. 
Zoll-Ein- 
nahmen von 
Schaumwein 
im  Rech- 
nungsjahr 
ab  1.  IV. 

M. 


^  .        i      Zoll-  und  Steuer- 

Gesamt-      |  Erträge  f.  d.  Staat  an 
emgangszoUei^Yein,  Kognak,  Likören 

1  ••    J-     u  "•  a.  in  12  Mon. 

ausländische 
Edelbrannt- 
weine  im  Be- 
triebsjahr 
am  1.  X. 


M. 


Gesamt- 
betrag 

M. 


umger. 
auf  den 
Kopf  d. 
Bevö  • 
kerung 
Pf. 


1908 
1909 
1910 
1911 
1912 


24  570  000 
22  599  000 
29  646  000 
29  486  000 
28  730  000 


3,6 
3,0 
3,7 
3,4 
3.2 


39 
35 
45 
45 
43 


8  839  400 
15  742  600 
15170  500 
15  008  500 
13  498  200 


13  310  900 
5  252  400 
7  249  400 
5  095  600 


46  720  300 
43  594  000 
52  065  900 
49  590 100 


74 
68 
80 
75 


Tab.  51.    Der  Verkehr  von  ausländischem  und  fremdem  Branntwein 
erbrachte  dem  Staat  folgende  Einnahmen: 


Betriebsjahr  ab  1.  X.     |        1907/8 


1908/9 


1909/10 


1910/11 


1911/12 


Gesamtbetrag      IMk.  |153  561  6001176  009  400 


Umgerechnet  aufden 
Kopf  der  Bevölke- 
rimg Mk. 


2,45 


2,77 


192  548  900i215  035  500 
2,99  3,30 


210  472  300 


3,19 


24.   Gastwirtsgewerbe. 

Das  Gastwirtsgewerbe  hat  sich  im  abgelaufenen  Jahre  in 
der  unerfreulichsten  Weise  entwickelt.  Der  Druck,  welchen 
die  politischen  Wirren  und  Kämpfe  auf  alle  Industrien  aus- 
geübt haben,  mußte  sich  in  ganz  besonders  fühlbarer  Weise  in 
einem  Gewerbe  bemerkbar  machen,  das  als  eigentliches  Verkehrs- 
gewerbe die  Ausstrahlungen  einer  wirtschaftlichen  Depression 
in  allererster  Eeihe  zu  empfinden  hat.  Ganz  besonders  empfinde 
lieh  aber  wurde  es  durch  die  infolge  der  wirtschaftlichen  Misere 
einsetzende  Arbeitslosigkeit  und  das  vollkommene  Danieder- 
liegen  der   Bautätigkeit  betroffen. 

Das  Hotelgewerbe  hatte  auf  das  Jubiläumsjahr  be- 
sondere Hoffnungen  gesetzt.  Sein  Verlauf  brachte  aber  große 
Enttäuschungen,  da  selbst  in  den  wenigen  Festwochen  keine 
übermäßige  Inanspruchnahme  der  Unterkunftsräume  der  Hotels 
zu  verzeichnen  war,  so  daß,  mit  einigen  wenigen  begünstigteren 
Ausnahmen,  Dividendenrückgänge  unausbleiblich  waren.  Am 
schlimmsten  gestalteten  sich  die  Verhältnisse  bei  den  mittleren 
lund  kleineren  Hotels,  die  neben  der  sonstigen  Ungunst  der  Zeit 
auch  noch  unter  der  drückenden  Konkurrenz  von  Privatpensionen 
und  ähnlichen   Erscheinungen   zu   leiden  hatten. 

Das  Cafehausgewerbe,  das  sich  in  den  letzten  Jahren 
eines    bemerkenswerten    Aufschwunges    zu    erfreuen    hatte,     ist 


Allgemeine 
Uebersicht. 


Hotelgewerbe. 


Cafehäuser. 


106         I.    Pflanzl.  Ilohpix>diikte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

ebenfalls  in  seiner  Ertragsfäiiigkeit  in  bemerkenswerter  Weise 
zuilickgegangen.  Diese  Unwirtscbaftlichkeit  wird  nicbt  nur  ver- 
ursacht durch  die  imm^r  mehr  anwachsende  Konkurrenz,  sondern 
auch  durch  den  dadurch  ausgeübten  Zwang,  sehr  bedeutende 
Kapitalien  in  deren  luxuriöse  Ausstattung  hineinzustecken. 
Als  eine  besonders  drückende  Last  für  das  Cafehansgewerbe 
machen  sich  die  Ansprüche  des  Publikums  an  eine  gute  Musik' 
und  in  Verbindung  damit  die  ungewöhnlich  hohen  Anforde- 
rungen für  das  Aufführungsrecht  durch  die  Tonsetzergesell^ 
Schäften  bemerkbar.  Im  übrigen  haben  auch  hier  die  allgemeinen 
schlechten  Erwerbsverh'ältnisse  wesentliöh  zu  einer  Verringerung 
des  Besuchs  beigetragen. 

sa»igeschäft.  Das  Saalgeschäft  hat  an  dem  wirtschaftlichen  Nieder- 

gang einen  ganz  besonderen  Anteil.  Das  Vergnügungsgewerbe 
lag  vollkommen  danieder.  Mit  Ausnahme  der  für  die  Lebewelt 
und  die  vermögenden  Gesellschaftsklassen  veranstalteten  Fest- 
lichkeiten blieben  Besucherzahl  und  Konsum  weit  hinter  den 
früheren  Jahren  zurück.  Dadurch  war  ein  E-ückschlag  auf  die 
von  ihnen  bisher  gezahlten  Mieten  unausbleiblich'.  Ein  ganz 
besonders  harter  Schlag  war  die  für  dieses  Gewerbe  am  I.April 
1913  für  Berlin  in  Kraft  getretene  Lustbarkeitssteuer,  die  trotz 
ihres  ersichtlichen  Bemühens,  die  schwächeren  Elemente  zu 
schonen,  dennoch  vernichtend  für  die  Ertragsfähigkeit  dieser 
Unternehmungen  war,  und  deren  Außerkraftsetzung  im  Inter- 
esse einer  Gesundhaltung  dieses  ErwerbszWeiges  dringend  ge- 
fordert werden   muß. 

Schank-  Der    Schankwirtschaftsbctrieb    ist    in    noch    fast 

betrieb.^*  höherem  Maße  als  die  vorgenannten  Zweige  des  Gastwirts- 
gewerbes von  der  Wirkung  der  Lebensmittelteuerung  und  der 
abflauenden  Konjunktur  getroffen  worden.  Durch  die  große 
Arbeitslosigkeit  in  einzelnen  Industriezweigen  müssen  Tausende 
von  Arbeitern  auf  ihre  gewohnten  Genußmittel  verzichten,  und 
daß  dadurch  ganz  besonders  die  Existenz  der  kleineren  Wirt- 
schaften gefährdet  und  bedroht  ist,  kann  nicht  geleugnet  werden. 
Ferner  hat  das  Gewerbe  auch  unter  den  ungünstigen  Verhältn 
nissen  auf  dem  Hypothekenmarkt  gelitten,  wie  es  überhaupt 
unter  einem  Uebermaß  von  Steuern  und  Sondersteuern  leidet. 
Der  Rückgang  wird  am  allerbesten  bewiesen  durch  den  Rück- 
gang des  Bierkonsums  im  allgemeinen.  Nach  der  amtlichen 
Statistik  ist  der  Bierverbrauch  innerhalb  der  Norddeutschen 
Brausteuergemeinschaft  von  83  Liter  auf  78,6  Liter  pro  Kopf 
der  Bevölkerung  zurückgegangen.  Dieser  Minderabsatz  von 
4,4  Liter  pro  Kopf  der  Bevölkerung  macht  sich  natürlidh  in 
den  einzelnen  und  speziell  in  den  kleineren  Betrieben  besonders 
bemerkbar.  Auch  der  Branntweinkonsum  hat  einen  erheblichen 
und   stetigen   Rückgang   zu   verzeichnen. 


26.    Tabak  und  Tabakfabrikate. 


107 


25.  Tabak  und  Tabakfabrikate, 
a)  Zigarrenindustrie. 
Die  Gesckäftslagie  im  Tabakgewerbe  hat  im  Jahre  1913  nicht 
nur  keine  Besserung,  sondern  zweifellos  eine  sehr  erhebliche  Ver- 
schlechterung erfahren.  Die  Tabakbranche  gehört  zu  denjenigen 
Erwerbszweigen,  welche  die  Einwirkung  der  steuerlichen  Aende- 
rungen  des  Jahres  1909  immer  noch  empfinden  und  unter  den 
zurzeit  bestehenden,  ganz  besonders  ungünstigen  wirtschaftlichen 
Verhältnissen  in  erster  Linie  zu  leiden  haben.  Die  von  der  Klärung 
dei'  politischen  Lage,  besonders  von  der  Beendigung  des  Balkan- 
krieges erwartete  Besserung  ist  nicht  eingetreten ;  in  allen  Zweigen 
wird  mit  voller  Bereöhtigung  über  den  B-ückgang  der  Umsätze 
und  der  Wirtschaftlichkeit  der  Unternehmungen  geklagt.  Für 
die  nächste  Zukunft  erscheint  eine  irgendwie  erhebliche  Besserung 
ausgeschlossen. 

Die  ständig  :anh  altende  Verteuerung  der  notwendigsten 
Lebensbedürfnisse,  die  von  Jahr  zu  Jahr  sich  mehrenden  Lasten 
und  Steuern,  das  Daniederliegen  ganzer  Erwerbszweige,  wie  des 
Baumarktes  usw.,  haben  die  Kaufkraft  und  Kaufwilligkeit  der 
Raucher  geschwächt.  Die  Mindereinnahmen,  welche  schon  im 
Jahre  1912  sich  bemerkbar  gemacht  haben,  haben  sich  noch  weiter 
erheblich  gesteigert.  Der  Verbrauch  von  Zigarren  geht  von  Jahr 
zu  Jahr  relativ,  d.  h.  mit  Büöksicht  auf  die  steigende  Bevölke- 
rungszahl, zurück.  Nach  den  Feststellungen  des  Deutschen  Tabak- 
vereins wurden  im  Jahre  1908  8,6  Milliarden  Zigarren  herge- 
stellt gegenüber  8,3  Milliarden  Zigarren  im  Jahre  1911.  Für  das 
Jahr  1912  sind  derartige  Erhebungen  nicht  angestellt  worden. 
Nach  der  Keichsstatistik  über  die  Mengen  der  verzollten  und  ver-; 
steuerten  Rohtabake  und  nach  den  Zahlen  der  Tabakherufsgeniosse ri- 
schaft über  die  versicherungspfliohtigen  Arbeiter  ist  scheinbar 
die  Produktion  im  Jahre  1912  und  auch  im  Berichtsjahre  gegen 
früher  gestiegen;  dei:  größte  Anteil  hinsichtlich  der  Rohtabak- 
mengen  dürfte  jedoch  auf  die  Zigarettenindustrie  entfallen  und 
nur  der  verbleibende  geringe  Rest  auf  die  Zigarrenfabrikation. 
Diese  ist  jedoch  nicht  proportional  den  gestiegenen  Mengen  an 
Rohtabak  und  der  Zahl  der  versicherungspflichtigen  Arbeiter  ge- 
wachsen. Begründet  ist  dieses  in  folgendem:  Das  Durchschnitts- 
gewicht der  Zigarren  hat  seit  drei  Jahren  um  rund  10  bis  12  o/o 
zugenommen,  d.  h.  es  werden  mehr  größere  Zigarren  als  früher 
gefertigt.  Hierdurch  erklärt  es  sich,  daß  trotz  des  steigenden 
Veibrauchs  an  Rohtabak  die  Anzahl  der  gefertigten  bzw.  ver- 
brauchten Zigarren  nicht  gewachsen  ist.  —  Bezüglich  der  höher 
gewordenen  Zahl  der  versicherungspflichtigen  Arbeiter  wird  be- 
merkt, daß  bis  zum  Jahre  1909  etwa  10  000  bis  12000  Personen  in 
Strafanstalten  usw.  mit  Anfertigung  von  Zigarren  usw.  beschäf- 
tigt worden  sind,  welche  nicht  in  den  Zahlen  der  Tabak-Berufs- 


Zigarren 
Industrie 


Allgemeines. 


Handel. 


108         I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwii'tsch.  Fabrikate. 

genossenschaf t  erschienen.  Nach  Inkrafttreten  des  neuen  Steuer- 
gesetzes sind  derartige  Betriebe  ganz  erheblich  eingeschränkt 
bzw.  eingestellt  worden,  und  zwar  auf  Anordnung  der  höheren 
Verwaltungsbehörden,  um  den  freien,  versicherungspflichtigen  Ar- 
beitern nach  Möglichkeit  Beschäftigung  zu  gewähren.  Hiernach 
hat  alles  in  allem  eine  Ea:höhung  der  im  Tabakgewerbe  be-. 
schäf  tigten  Arbeiterzahl,  trotz  des  ständigen,  wenn  auch  geringen 
Anwachsens  der  versicherungspflichtigen  Arbeiter,  nicht  statt- 
gefunden. Die  in  Groß-Berlin  immer  mehr  um  sich  greifende 
Preisschleuderei  im  Zigarettenhandel  mit  ihren  Nebenerschei- 
Jiungen  hat  dem  Zigarrenhandel  schWere  Schäden  zugefügt;, 
namentlich  leidet  der  Absatz  billiger  Zigarren  erheblich  durch 
den  Verkauf  von  Zigaretten,  die  unter  den  von  den  Fabri- 
kanten festgesetzten  Preisen  in  das  Publikum  gelangen.  In 
Groß-Berlin  sind  während  des  letzten  Jahres  Hunderte  von 
sogenannten  Schleudergeschäften  neu  entstanden,  die  den  Ver- 
kauf in  denjenigen  Zigarettensorten,  welche  infolge  großer  Re- 
klame als  Marken  zu  bezeichnen  sind,  fast  vollständig  an  sich 
gerissen  haben,  zum  Schaden  der  reellen  Geschäfte,  die  zu  den 
vorgeschriebenen  Preisen  verkaufen.  Alle  Bemühungen  seitens 
der  Fachverbände  und  der  zu  dem  besonderen  Zwecke  der  Unter- 
bindung der*  Preisschleuderei  gegründeten  Vereinigungen,  den  be- 
stehenden Krebsschaden  zu  beseitigen,  sind  erfolglos  geblieben. 
Die  Zigarette^  verdrängt  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  die  Zigarre,  be-. 
sonders  in  den  niedrigen  Preislagen.  Die  Anzalil  der  Zigarren- 
raucher nimmt  ständig  ab,  diejenige  der  Zigarettenraucher  in  weit 
höherem  Maße  zu.  Die  folgenden  Zahlen  geben  ein  Bild  von  dem 
Steigen  des  Zigarettenverbrauches  bzw.  der  Herstellung.  An 
Zigaretten  wurden  in  Deutschland  gefertigt  in  den  Rechnungs- 
jahren: 1907:  5694  Mill.  Stück;  1908:  6024  Mill.  Stück;  1909: 
6866  Mm.  Stück;  1910:  8361  Mül.  Stück;  1911:  9383  Mill.  Stück; 
1912:  '10  995  Mill.  Stück.  Von  1907  bis  1912,  d.  h.  inner^ 
halb  von  sechs  Jahren,  hat  sich  die  Zigarettenproduktion  in 
Deutschland  fast  verdoppelt.  Einschließlich  der  eingeführten  aus- 
ländischen Zigaretten  sind  in  Deutschland  im  Jahre  1912  11500 
Millionen  Zigaretten  verbraucht  worden,  das  sind  fast  17  o/o  mehr 
als  im  Rechnnugs jähre  1911.  An  diesem  Mehrverbrauch  hat  die 
reelle  Händlerschaft  fast  gar  keinen  Anteil  genommen,  weil  er 
fast   ausschließlich  durch'   Schleuderer   abgesetzt  worden   ist. 

Der  den  Restaurationen,  Cafes  und  ähnlichen  Betrieben  außer- 
halb dei"  Geschäftszeit  der  offenen  Ladengeschäfte  erlaubte  Ver- 
kauf von  Zigarren,  Zigaretten  usw.  blüht  fortgesetzt  weiter  und 
tut  den  Spezialgeschäften  erheblichen  Abbruch.  Ebensosehr 
werden  die  Händler  benachteiligt  durch  die  Gepflogenheit  der 
allei'  Orten  bestehenden  Beamten-  und  Arbeiterve  rein  igungen, 
ihren  Mitgliedern  und  Freunden  die  bezogenen  Zigarren,  Ziga^ 
retten  usw.  zum  Einkaufspreise  abzugeben. 


26.    Tabak  und  Tabakfabrikate. 


109 


Auch  das  AVeihnachtsgeschäft  hat  nicht  voll  befriedigt.  Das 
ungünstige  Wetter  der  letzten  Weihnachtswoche  hat  zweifellos 
dazu  beigetragen,  daß  die  Umsätze  sich  in  mäßigen  Grenzen  be- 
wegten und  daß  nicht  einmal  die  an  sich  schon  bescheidenen 
Ziffern  von  1912  erreicht  wurden. 

Im  Engrosgeschäft  kommt  besonders  die  verschlechterte  wirt- 
schaftliche Lage  der  Zigarrenhändler  in  der  Provinz  zum  Aus- 
druck. Neben  verkleinerten  Umsätzen  macht  sich  die  verschlech- 
terte Zahlungsweise  auffallend  bemerkbar.  Wechselproteste,  Zah- 
lungseinstellungen und  Konkurse  häufen  sich. 

Das  Exportgeschäft  ist  infolge  der  Auslandszölle  immer 
mühevoll  gewesen.  Der  Wettbewerb  gegen  die  Erzeugnisse  aus 
Ländern  mit  niedrigen  Tabakzöllen  ist  sehr  schwer.  Ob  eine 
Ausfidir  von  Zigarren  nach  den  Vereinigten  Staaten  von  x\merika 
nach  Ermäßigung  der  dortigen  Einfuhrzölle  möglich  sein  wird, 
läßt  sich  noch  nicht  vorhersagen.  In  der  Hauptsache  wird  die 
Tabakbranehe  nach  wie  vor  auf  den  inländischen  Verbrauch  ange- 
wiesen sein. 

Von  Interesse  dürften  folgende  Angaben  sein:  Es  betrug  die 
Einfuhr  an  Zigarren  aus  Oesterreich-Ungarn  im  Kalenderjahre 

1911  1307  dz,  1912  1480  dz;  aus  Italien  im  Kalenderjahre  1911 
407  dz,  1912   758  dz;  aus  Kuba  im  Kalenderjahre  1911   529  dz. 

1912  550  dz,  wahrend  in  demselben  Zeitraum  der  Export  naeh 
Schweden,  d.  h.  dem  Lande,  nach  welchem  die  größte  Ausfuhr 
vorhanden,  im  Kalenderjahre  1911  nur  781  dz,  1912  873  dz 
betrug. 

Bezüglich  der  Zigaretten  sei  bemerkt,  daß  die  gesamte  Ein- 
fuhr Deutschlands  im  Kalenderjahre  1911  6240  dz,  1912  7430  dz 
betrug.  Hiervon  entfallen  auf  Oesterreich-Ungarn  im  Kalender- 
jahre 1911  4944  dz  gegen  5999  dz  im  Jahre  1912;  dagegen  betrug 
die  gesamte  Ausfuhr  an  Zigaretten  im  Kalenderjahre  1911 
1186  dz  gegen  1423  dz  im  Jalire  1912. 

Unter  dem  Rückgang  des  Zigarrenverbrauchs  litt  selbstver- 
ständlich die  Zigarrenfabrikation  ganz  wesentlich.  An  vielen 
Orten  wurden  Verkürzungen  der  Arbeitszeit,  auch  Entlassungen 
von  Arbeitern  und  sogar  Betriebseinstellungen  wegen  Ueber- 
füllung  der  Läger  vorgenommen.  Besonders  ungünstig  scheint  die 
Lage  der  Zigarrenfabrikation  in  Westfalen  zu  sein,  während  die 
Verhältnisse  in  Süddeutschland  teilweise  günstiger  liegen  sollen. 
Nach  den  Angaben  ^des  „Vorwärts"  büßten  in  der  Zeit  vom 
30.  Sept.  1912  bis  31.  Juli  1913  die  organisierten  Hamburger 
Tabakarbeiter  allein  47  550  Arbeitstage  ein.  Dieser  Verband  der 
organisierten  Tabakarbeiter  zählt  etwa  2500  Mitglieder ;  von 
diesen  waren  zieitweise  400  ohne  Beschäftigung.  Der  „Vorwärts" 
schreibt  weiter:  „Eine  solche  Arbeitslosigkeit  haben  die  Ham- 
burger Tabakarbeiter  auch  in  den  schlechtesten  Zeiten  nicht  er- 
lebt.'" 


Engros- 
geschäft. 


Export  und 
Import. 


Fabrikation. 


110        I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

Die  Herstellung  deutscher  Zigarren  in  höheren  Preis- 
lagen ist  gestiegen,  und  zwar  hauptsädhlich'^w^egen  der  außerordent- 
lidien  Verteuerung  der  Havanna-Importen  durch  den  im  Jahre 
1909  eingeführten  40proz.  Wertzoll.  Diese  Steigerung  steht  je-, 
doch  in  keinem  angemessenen  Verhältnis  zu  dem  Schaden,  welcher 
dem  Zigarrenhandel  durch  die  Verteuerung  der  Havanna-Importen 
erwachsen  ist.  ,  Zweifellos  haben  in  der  Zigarrenfabrikation  große 
Verschiebungen  seit  der  Steuererhöhung  im  Jahre  1909  stattge- 
funden. Alte  angesehene  und  selbst  bedeutende  Firmen  sind  zur 
rückgegangen,  und  nur  wenige  jüngere  Unternehmungen  haben 
einen  Aufschwung  genommen.  Die  Wirtschaftlichkeit  der  Be- 
triebe in  der  Zigarrenfabrikation  hat  sich  mit  geringen  Ausnahmen 
weiter  verschlechtert.  Nur  wenige  Betriebe  dürften  vorhanden  sein, 
welche  mehr  als  eine  normale  Verzinsung  der  Anlagekapitalien 
in  den  letzten  Jabren  erbracht  haben;  viele  Fabrikanten  haben 
sicherlich  bei  normaler  Bilanz  auf  Stellung  mit  Verlust  gearbeitet. 

Von   größeren   Streiks  oder   Aussperrmaßregeln   ist   die   Zi- 
garrenbranche als  unmittelbare  Folge  ihres  Daniederliegens  ver- 
schont geblieben. 
Rohtabak.  Der  Rohtabakmarkt  stellte  sich  im  Jahre   1913  etwas  gün- 

stiger  als   im  Vorjahr. 

Sumatra-Tabak :  Die  Ernte  von  1912,  welche  1913  in  Amst-er- 
dam  an  den  Markt  kam,  war  der  voraufgegangenen  infolge  ihrer 
vorzüglichen  Reife  sowohl  hinsichtlich  ihrer  Qualität  wie  in  be- 
zug  auf  die  Farben  überlegen.  Obwohl  der  Durchschnittserlös 
(136  C^nts  für  1  Pfund  holländisch  gegen  142  Cents  im  Jahre 
1912)  etwas  geringer  war,  wurden  wiederum  für  Partien,  welche 
einen  hohen  Prozentsatz  hell  oder  hellfabler  Farben  enthielten, 
infolge  der  großen  Konkurrenz  der  deutschen  und  der  zahlreichen 
ausländischen  Reflektanten  sehr  hohe  Preise  bezahlt.  Ebenso 
stellten  sich  zu  ümblattzwecken  geeignete  Sortierungen  teurer, 
während  Mitteltabake  unter  den  vorjährigen  Notierungen  zurück- 
blieben. Immerhin  war  der  Preisstand  dieses  für  die  deutsche 
Fabrikation  wichtigsten  Deckmaterials  zur  Erzielung  eines  an- 
gemessenen  Nutzens   am  Fabrikate  noch'  wesentlich   zu  hoch. 

Java-Tabake  haben  sowohl  quantitativ  wie  qualitativ  nicht 
die  vorjährige  Ernte  erreicht.  Besonders  bei  Vorstenlanden  warde 
über  Qualitäts-  und  Brandmangel  geklagt;  dagegen  fielen  Be- 
zoeki  besser  aus.  Hell  fallende  Decktabake  erzielten,  haupt- 
sächlich auf  umfangreiche  amerikanische  Käufe  hin,  höhere  Preise, 
wäbrend  die  deutsche  Zigarrenindustrie  die  für  Umblatt-  und 
Einlagezwecke  benötigten  Tabake  günstiger  als  im  Vorjahre  er- 
stehen konnte. 

Bomeo-Tabak.  Die  wenig  befriedigende  Qualität  der  Ernte 
fvon  1912  fand  in  den  erheblich  herabgesetzten  Preisen  ihre  an- 
gemessene Bewertung. 


26.    Tabak  und  Tabakfabrikate.  111 

Für  die  Wichtigkeit  der  oben  genannten  drei  Tabaksorten, 
welche  der  deutschen  Zigarren industrie  durch  die  holländischen 
Rohtabakmärkte  zugeführt  werden,  spricht  die  Tatsache,  d'aß  die 
Herkunft«  der  Sundainseln  etwa  47  o/o  der  Gesamtrohtabak- 
einfuhr   nach   Deutschland   darstellen. 

Havanna-Tabake,  die  in  der  deutschien  Zigarrenindustrie 
hauptsachlich  für  Einlagezwecke  Verwendung  finden,  haben  hin- 
sichtlich ihrer  Qualität  die  durch  die  günstigen  Vorberichte  er- 
weckten Erwartungen  nicht  voll  erfüllt;  Brand  und  Qualitäit 
haben  vielfach  enttäuscht.  Partien  von  wirklich  guter  Qualität 
mußten  hoch  bezahlt  werden. 

Eelix-Brasil-Tabake  werden  bei  uns  fast  ausschließlich  als 
Eiolage  verwendet  Der  deutsche  Bedarf  an  Brasildecke  geht, 
entsprechend  der  Geschmacksrichtung  der  deutschen  Konsumen- 
ten, welche  in  steigendem  Maße  leichte  Zigarren  bevorzugen, 
ständig  zurück.  Trotz  mäßiger  QuaKtät  hielten  sich  die  Preise 
hierfür  auf  der  Höhe  des  Vorjahres,  da  diese  Tabake  besonders 
von  den  Eegien  von  Oester reich,  Ungarn,  Frankreich  und  Spaniea 
IQ  ganz  erheblichen  Quantitäten  aus  dem  Markt  genommen  werden. 

Mexico-Tabake  gelangten,  infolge  der  anhaltenden  politischen 
Unruhen,  nur  in  mäßigen  Mengen  auf  den  deutschen  Markt. 

Domingo-Tabake :  Von  diesem  Produkt,  welches  in  Deutsch- 
land fast  lediglich  zu  Umblatt-  und  Einlagezwecken  verwertet 
wird,  ist  wenig  Brauchbares  an  den  Markt  gekommen.  Meist 
ungesund,  mußten  die  Preise  hierfür  erhebliche  Einbuße  erleiden. 

Manila-Tabake:  Die  große  Ernte  von  Manila  (295832  dz 
im  Werte  von  16,7  Mill.  Mk.)  geht  in  der  Hauptsache  nach 
'Amerika.  Die  deutsche  Einfuhr  geht  andauernd  zurück;  in  den 
ersten  zehn  Monaten  von  1913  betrug  sie  nur  840  dz  gegenüber 
1159  dz  in  der  gleichen  Zeit  von  1912. 

Deutsche  Tabake:  Die  1912er  Ernte  war  groß,  der  Ausfall 
befriedigend,  teilweise  sogar  so  gut,  daß  die  Ernte  den  besten 
Jahrgängen  zugezählt  werden  kann;  die  Preise  hierfür  stellten 
sich  trotz  des  erheblichen  Konsumrückganges  in  den  niedrigsten 
Preislagen  ziemlich  hoch.  Die  neue  Ernte,  die  fast  durchweg 
zuviel  Kegen  erhalten  hat,  verspricht  wenig  Gutes.  Vielfach 
haben  Hagelschläge  großen  Schaden  zugefügt,  so  daß  der  Gre- 
samtertrag  der  1913er  Ernte  auf  etwa  ^/s  einer  Normalemte  ge- 
schätzt wird.  Die  teilweise  etwas  günstigeren  Rohtabakpreise 
sind  spurlos  an  der  Zigarrenindustrie  vorübergegangen.  Die 
Preise  der  Fertigfabrikate  sind  nach  wie  vor  gedrückt  und 
stehen  in  keinem  Verhältnisse  zu  den  hohen  und  ständig  wechseln- 
den Ansprüchen  der  Konsumenten  an  Farbe  und  Qualität.  Der 
durch  die  starke  Ueberproduktion  verschärfte  Konkurrenzkampf 
läßt  leider  für  die  deutsche  Zigarrenindustrie,  auf  welcher,  nebein 
der  Ungunst  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse,  die  Folgen  der 
Steuer-    und   sozialpolitischen   Gesetzgebung    der    letzten    Jahre 


112         I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

doppelt  schwer  lasten,  auch  für  die  nächste  Zukunft  keine  wesent- 
lidie    Besserung   erwarten. 
Trust  und  Als  Zweifelsfrei  lerwiesen   darf   angesehen  werden,   daß    der 

^ewJgung.  amerikanische  Tabaktrust,  welcher  bereits  in  England  und  auch 
in  anderen  Staaten,  wie  Japan  usw.,  festen  Fuß  gefaßt  hat,  auf 
das  eifrigste  bemüht  ist,  auch  die  Tabakindustrie  bzw.  den  Tabak- 
handel Deutschlands  in  seine  Gewalt  zu  bringen.  Vorerst  hat  er, 
soweit  äußerlich  erkennbar,  seiae  Bemühungen  nur  auf  die  Ziga- 
rettenindustrie  erstreckt  und  in  dieser  Hinsicht  in  Deutschland 
große  Erfolge  erzielt.  Solches  ist  dem  Tabaktrust  nur  vermöge 
seines  rücksichtslosen  Vorgehens  in  der  Wahl  der  Kampfes- 
mittel und  durch  seine  außerordentliche  Kapitalkraft  möglich 
gewesen.  Ueberall  treten  seine  monopolistischen  Tendenzen 
klar  zutage.  So  ist  auch  die  Preisschleuderei  im  Zigaretten- 
hajidel,  deren  außerordentlich  schädigende  Wirkungen  hauptsäch- 
lich in  Groß-Berlin  zutage  getreten  sind,  als  ein  Hilfsmittel  des 
Tabaktrustes  zul  erachten,  einerseits,  um  die  deutsche  Zigaretten- 
industrie zu  beunruhigen,  zu  schädigen,  und  andererseits,  um 
Uneinigkeit  und  Verderben  in  die  Reihen  der  Zigarren-  und  Zigar 
rettenhändler  zu  tragen.  Gelingt  es  dem  Trust,  welcher  bereits 
mehr  als  25  o/o  der  gesamten  deutschen  Zigarettenproduktion  be- 
herrschen soll,  seine  [Miacht  durch  Angliederung  noch  weiterer 
deutscher  Zigarettenfirmen  erheblich  zu  verstärken,  dann  dürfte 
er  eine  Preispolitik  betreiben,  die  zweifellos  zu  einer  starken 
und  dauernden  Schädigung  aller  Zigarettenraucher  führen  wird. 
Der  Verband  zur  Abwehr  des  Tabaktrustes,  Sitz  Dresden,  be- 
kämpft die  Bestrebungen  des  Trustes  mit  Energie  und  Ausdauer; 
das  Gleiche  tun  eine  Anzahl  maßgebender  Verbände  des  Zigarren- 
handels im  Deutschen  üeiche.  Ob  der  Erfolg  den  vielseitigen 
Bemühungen  entsprechen  wird,  hängt  in  letzter  Linie  von  dem 
Verhalten  der  Zigarettenraucher  selbst,  d.  h.  der  Konsumenten, 
ab,  welche  über  die  ihnen  drohenden  Gefahren  immer  noch  nicht 
hinreichend  aufgeklärt  worden  sind.  Hier  wäre  ein  dankbares 
Feld  für  die  Handel  und  Industrie  vertretenden  Körperschaften, 
welche  in  geeigneter  Weise  für  Aufklärung  sorgen  müßten. 
Schwer  geschädigt  haben  dem  gesamten  Kampfe  die  Vorgänge, 
welche  sich  im  Innern  des  „Verbandes  zur  Abwehr  des  Tabak- 
trustes" in  den  letzten  Monaten  abgespielt  und  dazu  beigetragen 
haben,  daß  überall  berechtigte  Zweifel  aufgetaucht  sind,  welche 
von  den  deutschen  Zigarettenfabrikanten  als  zum  Tabaktrust  ge- 
hörig anzusehen  sind.  In  diesem  Kampfe  haben  leider  persönliche 
Momente  eine  große  Holle  gespielt.  Ganz  besonders  erschwert 
wird  auch  der  Kampf  gegen  den  Trust  dadurch,  daß  die  gesamte 
Händlerschaft  von  Groß-Berlin  in  allererster  Linie  durch  die 
Preisschleuderei  in  ihrem  Erwerbe  so  schwer  bedrängt  und  ge- 
schädigt wird,  daß  sie  die  Gefahren,  die  ihr  durch  den  Trust 
drohen,  zurzeit  noch  hintan  stellt,  vielleicht  auch  hintan  stellen 


26.    Tabak  und  Tabakfabrikate. 


113 


muß.  AVenn  die  Preisschleuderei,  an  der  leider  auch  der  größte 
Teil  der  sogenannteii  „trustfreien  Zigarettenfabrikanten'*  beteiligt 
ist,  beseitigt  werden  könnte,  würde  der  Kampf  gegen  den  Trust 
sicherlich  von  allen  Seiten  mit  größerem  Eifer  und  Erfolg  be- 
trieben werden  können.  Alle  deutschen  Volksschichten  und  vor 
allem  auch  die  Arbeiter,  müßten  aufgerüttelt  werden  um  gegen 
die  monopolistischen  Bestrebungen  des  Trustes  Front  zu  machen. 

b)  Zigarettenindnstrie. 
Die  Lage  der  Zigarettenindustrie  hat  sich  im  Berichtsjahre 
1913  nicht  günstiger  gestaltet  als  im  Vorjahre,  da  die  beiden 
Gefahren,  die  Preisschleuderei  und  der  Trust,  die  Erhaltung  der 
wii'tschaftlichen  Selbständigkeit  von  Handel  und  Industrie  in 
Frage  stellten.  Die  Preisschleuderei,  die  schon  seit  längerer  Zeit 
den  Gegenstand  ernstester  Sorge  für  den  Fabrikanten  und  Händler 
bildet,  hat  im  Bei'ichtsjahre  einen  geradezu  verhängnisvollen  Um- 
fang angenommen.  Alle  Vorschläge  und  Versuche  seitens  der 
einzelnen  Interessenten  und  Interessen  vereine,  hier  endlich  Wandel 
zu  schaffen,  haben  sich  bisher  nutzlos  erwiesen;  sie  konnten  das 
stark  zunehmende  Umsichgreifen  der  Schleuderei  nicht  aufhalten. 
Daduich,  daß  die  Konsumenten  immer  mehr  dazu  übergingen,  ihren 
Bedarf  auf  billigerem  Wege,  also  bei  Schleuderern,  zu  decken, 
sah  sich  die  solide  Händlerschaft  genötigt,  ebenfalls  zu  schleu- 
dern, zu  sogenannten  „Muß-Schleuderem"  zu  werden;  andernfalls 
drohte  ihr  die  Gefahr,  ev.  ganz  aus  dem  Handel  ausgeschaltet 
zu  werden.  So  kam  es,  daß  heute  von  den  in  Groß-Berlin  bestehen- 
den ca.  6000  Zigarren-Einzelgeschäften  (Filialen  nicht  mitgerech- 
net) nachweislich  mehr  als  5000  schleudera.  Durch  die  all-  und 
gegenseitig  einsetzenden  Preisunterbietungen  bis  zum  Selbst- 
kostenpreis hin  und  darunter  ist  es  nun  sogar  dahingekommen, 
daß  die  wirtschaftliche  Lage  des  gesamten  Detailhandels  in  Berlin 
äußerst  bedrängt  geworden  ist.  Man  kann  wohl  sagen,  daß 
ca.  Töo'o  der  kleineren  und  mittleren  Händler  nicht  mehr  in 
der  Lnge  sind,  sich  durch  den  Verdienst  im  Geschäft  zu  er- 
nähren. Zigarrenhändler,  die  jahrzehntelang  ihren  selbständigen 
Erwerb  hier  gefunden  haben,  sind  in  letzter  Zeit  gezwungen 
Worden,  einen  Nebenberuf  zu  ergreifen  oder  gar  einem  anderen 
Beruf  sich  ganz  zuzuwenden,  indem  sie  das  Ladengeschäft  der 
Obhut  ihrer  Familie,  zumeist  der  Ehefrau,  überlassen.  Ja,  selbst 
Groß  -  Filialisten,  die  ihren  Gewinn  zu  nicht  unbeträchtlichem 
Teile  aus  dem  Vertrieb  der  bekannten  Zigarettenmarken  ziehen, 
sahen  sich  neuerdings  auch  veranlaßt,  eine  Anzahl  ihrer  Filia- 
len eingehen  zu  lassen,  da  die  hohen  Mieten  infolge  des  allzu 
geringen  Verdienstes  nicht  mehr  aufgebracht  werden  konnten. 
Sind  so  in  Berlin  die  Zustände  im  Zigarettenhandel  recht  miß- 
lich, so  erscheinen  sie  noch  unerfreulicher  dadurch,  daß  infolge 
der  hier  bisher  vergebens  geführten  Bekämpfung  der  Preisschleu- 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  8 


Zigaretten- 
industrie 


Preis- 
schleuderei. 


114         I.    Pflanzl.  Rohprodukte  usw.    B.  Landwirtsch.  Fabrikate. 

derei  diese  auch,  in  der  Provinz  Eingang  zu  finden  sucht.    Die 
ersten   Schleuderer  in   Berlin,   deren   anfängliche   großen  Erträg- 
nisse  sich   durch    die   schnelle   Zunahme   des   Schleuderunwesens 
rasch  schmälerten,  haben  sich  neuerdings  in  der  Provinz  nieder- 
zulassen gesucht,  so  z.  B.  in  Hamburg,  Frankfurt  a.  M.,  Kiel, 
Wilhelmshaven,  Frankfurt  a.  0.,  Guben,  Magdeburg  usw.  Wohl 
ist  es  dem  einmütigen  Vorgehen  der  Fabrikanten  und  der  Händ- 
lei-schaft  bisher  gelungen,   dort  der  Schleuderei  im  gerichtlichen 
Wege  beizukommen,  doch  scheinen  die  Aussichten  für  eine  weitere 
wirksame  Bekämpfung  wenig  günstig  zu  sein,  denn  aus  der  Ver- 
teidigung des  Prinzips  des  freien   Wettbewerbs   bis   zur  letzten 
Konsequenz  kommt  das  Gnericht  oft  zu  Schlüssen,  die  im  Gegen- 
satz zu  den  direkten  Lebensinteressen  der  Händlerschaft  stehen, 
indem  z.  B.  der  Verkauf  von  Markenartikeln  zu  niedrigeren  als 
den  festgesetzten  Preisen  nur  dann  als  sittenwidrig  gilt,  sofern 
ein    direkter   Vertragsbruch   oder   eine    direkte    Verleitung   dazu 
nachgewiesen   werden  kann.     -Der   Gefahi^    die   sich   aus   solcher 
Rechtssprechung  ergibt,  ist  man  sich  in  allen  Branchen,  die  mit 
Markenartikeln  zu  tun  haben,   bewußt,  und  so  wird  denn  jetzt 
der   von    verschiedenen    ßeiten    geäußerte   Gedanke   lebhaft    de- 
battiert,  durch  gesetzliche  Maßregelung  über  den  Verkauf  mit 
Markenartikeln   einen   weitgehenden    Markenschutz    einzuführen, 
der  die  traurigen  Zustände  im  Detailhandel  nach  Ansicht  vieler 
Interessenten  mit  einem  Schlage  beheben  würde, 
rabaktrust.  Hinsichtlich  der  Lage  der  Industrie  an  sich    stand  das  Jahr 

im  Zeichen  erbitterten  Kampfes  gegen  den  Jasmatzi-Konzern, 
der  mit  dem  britisch-amerikanischen  Tabaktrust  identisch  ist. 
Schon  im  vorigen  Jahre  wurde  bekannt,  daß  dieser  im  I^aufe 
kürzester  Zeit  6  Firmen,  darunter  Großfirmen,  wie  Josetti,  Bat- 
schari,  Sulima  und  Adler  &  Co.  A.-G.,  durch  angemessene  Kapital- 
beteiligung an  sich  gebracht  hätte  und  weitere  Angliederungen 
beabsichtige.  Die  Produktion  dieser  Firmen,  deren  Zugehörig- 
keit zum  Trust  heute  feststeht,  macht  bereits  zirka  30o/o  der 
gesamten  Produktion  Deutschlands  aus;  es  ist  aber  auch  sehr 
leicht  möglich,  daß  auch  noch  andere  Firmen  zu  dem  Trust  Ln 
irgendwelcher  Beziehung  stehen;  der  Nachweis  läßt  sich  nur  zu 
schwer  führen.  Im  Hinblick  auf  die  hieraus  sich  ergebende  Be- 
drängung der  deutschen  noch  unabhängigen  Industrie  schloß  sich 
daher  eine  Anzahl  der  freien  deutschen  Fabriken  zu  einem  Ver- 
band zusammen  (Trust-Abwehr- Verband)  und  verpflichtete  sich 
gegenseitig  durch  Vertrag  bei  ev.  Zahlung  einer  außerordent- 
lich hohen  Konventionalstrafe,  in  keinerlei  finanzielle  oder  ge- 
schäftliche Beziehungen  zum  Trust  zu  treten.  Außerdem  setzte 
man  sich  zum  Ziel,  durch  eine  sdhnell  in  die  Wege  zu  leitende, 
großzügige  Propaganda  die  Händlerschaft  wie  die  Konsumenten 
über  die  Gefahr  aufzuklären,  die  für  sie  durch  die  Knebelung 
der    deutschen    Industrie    seitens   des   Trustes    entstehen   würde. 


26.    Tabak   und  Tabakfabrikate. 


115 


Diesas  energischio  Vorgehen  entfachte  ein'en  heftigen  Konkurrenz- 
kampf. Mit  allen  Mitteln,  z.  B.  übermäßigen  Reklame-Aufwen- 
dungen, hohen  Eabattsätzen  mittels  des  Zugabesystems',  suchte 
der  Trust  seine  Marken  überall  einzuführen  und  die  Händler- 
schaft  für  sich  zu  gewinnen.  Doch  es  glückte  ihm  nicht.  In 
der  Provinz  sind  ihm,  dank  der  Rührigkeit  des  Abwehrverbandes, 
seitens  eines  großen  Teiles  der  Händlerschaft  Schwierigkeiten 
bereitet  worden,  insofern,  als  diese  die  Trustwaren  dem  Publikum 
weder  anbieten  noch  im  Schaufenster  ausstellen.  In  Berlin  hin- 
gegen, wo  die  Branche  durch  den  Kampf  gegen  die  Schleudere! 
von  dem  allgemeinen  Interesse  stark  abgelenkt  wird,  ist  es  dem 
mit  allen  möglichen  Mitteln  arbeitenden  Trust  gelungen,  den  Markt 
in  hohem  Maße  an  sich  zu  reißen.  Hier  unterbot  er  die  Verkaufs- 
bedingungen  der  Konkurrenz  in  jeder  Weise,  und  die  Händler- 
schaft, der  durch  die  allgemeine  Schleuderei  nur  eine  geringe 
Verdienstmöglichkeit  blieb,  verfiel  den  Anlockungen  des  Trustes 
mit  seinen  Rabatten  und  Zugaben.  So  wurde  die  Trustfirma  Jo- 
setti  die  einzige  von  den  am  hiesigen  Platze  dominierenden  Ziga- 
rettenfabriken, die  iliren  Absatz  in  entsprechender  Weise  zu 
steigern   vermochte. 

Der  Tabakmarkt  wurde  durch  die  politischen  Verhältnisse 
aui  dem  Balkan  naturgemäß  stark  beeinflußt.  Die  einzelnen 
Tabaksorten  sind  im  Preise  außerordentlich:  gestiegen  und  zwar 
infolge  der  durch  die  Krise  veranlaßten  lang  andauernden  Ein- 
lagerungen und  infolge  des  Bestrebens  der  Amerikaner,  die  vor- 
handenen Vorräte  soweit  als  möglich  aufzukaufen.  Wie  sich  der 
Tabakhandel  in  Zukunft  gestalten  wird,  läßt  sich  rioch  nicht  über- 
sehen. Dies  ist  ganz  und  gar  abhängig  davon,  welche  Anstren- 
gungen die  neuen  Staaten  machen  werden,  um  die  durch  den  Krieg 
hervorgerufenen  schweren  Schäden  zu  heilen.  Es  ist  anzunelimen, 
daß  die  Regierungen  von  Bulgarien  und  Griechenland  sich  be- 
mühen werden,  schon  wiegen  des  finanziellen  Vorteils,  mit  allen 
Mitteln  den  Wiederanbau  des  Tabaks  in  erweitertem  Maßstabe 
zu  fördern.  So  ist  Hoffnung  vorhanden,  daß  nach  und  nach  nor- 
male   Verhältnisse    eintreten. 

Im  Gregensatz  zum  Vorjahre  haben  bedeutende  Lohnbewe- 
gungen stattgefunden.  Alle  Arbeiterkategorien,  Maschinen-  und 
Handarbeiter,  wurden  in  ihren  Löhnen  aufgebessert,  so  daß  die 
Industrie    nicht   unwesentlich   damit   belastet  wurde. 

Der  Umsatz  der  im  Inlande  hergestellten  und  verkauften 
Zigaretten  zeigte  die  normale  Steigerung.  Der  Import  von  aus- 
ländischen Zigarettenmarken  ist  nicht  wesentlich  größer  ge- 
worden. Dem  Export  stehen  die  schon  im  vorjährigen  Bericht 
erwähnten  Hindemisse,  besonders  die  Einfuhrzölle  oder  Monopole 
fremder  Staaten,  entgegen,  so  daß  es  zu  einer  größeren  Steigerung 
des    Exportes   nicht   kommen    konnte. 

8* 


Rohtabak- 
raaikt. 


Arbeitsmarkt. 


Umsatz. 


116  1.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 

C.   Kolonialwaren. 

27.     Kaffee. 

Allgemeines.  Der  Kaffeehandel  war  im  Berichtsjahr  schweren   Erschütte- 

ruiigea  ausgesetzt.  Alles  das,  was  Brasilien,  namentlich  aber  der 
von  einer  rücksichtslosen  Spekulantengruppe  unterstützte  Staat 
Sao  Paulo  in  den  Jahren  1910  und  1911  aufgebaut  und  1912 
zu  behaupten  vermocht  hatte,  stürzte  im  Berichtsjahr  wieder 
in  sich  zusammen.  Schuld  an  diesem  plötzlichen  und  schnellen 
»Zusammenbruch  waren  die  übertriebenen  Forderungen  des  Pro- 
duktionslandes  und  die  Ueberspekulation.  Die  Ende  1912  erreich- 
ten Preise  von  mehr  als  70  sh  Kostfracht  füi^  Superior  sollten 
immer  noch  nicht  zur  Gewährleistung  einer  Rentabilität  der  Plan- 
tagen genügen,  obwohl  in  den  Jahren  des  völligen  Danieder- 
liegens  und  zu  Beginn  der  Valorisation,  als  die  Regierung  von 
Sao  Paulo  sich  infolge  der  außerordentlich  gedrückten  Preise 
zum  Eingreifen  veranlaßt  sah,  eine  Preisbasis  von  zirka  45  sh 
für  Superior  -  Kostfracht  als  ausreichend  bezeichnet  war.  Nach 
den  voi  Santos  ausgehenden  Nachrichten  waren  die  Produktions- 
kosten besonders  durch  die  infolge  der  schwierigen  Arbeiter- 
verhältnisse nötig  gewordene  Aufbesserung  der  Löhne  usw.  in 
den  letzten  Jahren  derartig  gestiegen,  daß  erst  eine  Preisbasis 
von  zirka  100  Eres.  bzw.  80  Pf.  eine  angemessene  Rentabilität 
der  Plantagen  gew^äh rleisten  sollte.  Die  auch  von  Oj^timisten 
nicht  erträumte  Preissteigerung  des  Artikels  hatte  den  Leuten 
den  Ueberblick  über  die  ganze  Bewegung  entzogen.  Man  glaubte,. 
unter  allen  Umständen  die  Preise  forcieren  zu  müssen,  und  ließ 
sich  dabei  nicht  von  der  Vernunft  leiten.  Derartige  Ueber- 
treibungen  mußten  in  wälde  Spekulationen  ausarten  und  eincs- 
Tages  zui'  Katastrophe  führen.  Man  hatte  diese  aller- 
dings schon  w^esentlich  früher  erwartet,  da  man  nicht  glaubte^ 
daß  die  Brasilianer  in  der  Lage  wären,  die  erreichte  Preisbasis 
von  zirka  70  Pf.  längere  Zeit  aufrechtzuerhalten.  Da  ihnen 
dies  wider  Erwarten  w^ährend  der  Dauer  eines  Jahres  gelang, 
hatte  sich  der  Konsum  vielfach  mit  den  gegebenen  Verhältnissen 
vertraut  gemacht.  Aber  er  leistete  trotzdem  den  teuren  Preisen,, 
die  ihm  absolut  keinen  Nutzen  ließen,  in  der  Weise  AViderstand^ 
daß  er  bei  seinen  Einkäufen  äußerste  Vorsicht  w^alten  ließ  und 
sich  nur  auf  kurze  Zeit  versorgte.  Die  Detailpreise  waren  seiner- 
zeit der  großen  Steigerung  nur  mit  Mühe  und  Not  und  lange 
nicht  in  dem  Maße,  wie  die  Eorderungen  Brasiliens  in  die  Hohe 
gingen,  gefolgt,  sondern  fanden  selbst  mit  ihrer  mäßigen  Er- 
höhung erst  nach  längerer  Zeit  und  dann  auch  nur  widerAvillig 
beim  Konsum  Aufnahme.  So  lange  noch  in  einigen  wenigen 
Händea  sich  etwas  billigere  Kaffees  befanden,  wurde  im  Detail 
billig  weiter  verkauft,  so  daß  fast  allgemein  die  Ladenpreise 
gedrückt  blieben.    Ein  großer  Teil  der  offenen  Konsumgeschäfte 


27.    Kaffee. 


117 


stand  daher  vor  dem  Ruin.  Von  selten  des  Publikums  wurden 
iii  immer  größerem  Umfange  Surrogate  in  Gebrauch  genommen; 
daher  mangelnder  und  schlechter  Abzug  für  Kaffee.  Diese  Punkte 
haben,  zusammen  mit  der  ungesunden  und  über  alle  Maßen  enga- 
gierten Spekulation  den  Anstoß  zum  Zusammenbruch  gegeben. 
Es  erscheint  unerklärlich,  daß  ein  Konsum-  und  Weltartikel,  wie 
Kaffee,  der  ein  fast  unentbehrliches  Genußmittel  ist  und  in  allen 
Bevölkerungsschichten  weitesten  Eingang  gefunden  hat,  in  der- 
artig kurzer  Zeit  Preisschwankungen  von  70  Pf.  auf  44  Pf. 
Hamburger  Börsennotierung  unterworfen  sein  kann,  die  sich' 
durch  nichts  rechtfertigen  lassen.  Die  Reaktion  folgte  allerdings 
auf  dem  Fuße,  und  vom  August  ab  wurden  die  Preise  wieder 
getrieben. 

Am  1.  Januar  1913  betrug  der  sichtbare  Weltvorrat  13  437  000 
Sack  gegen  13  566  000  Sack  am  gleichen  Tage  des  Jahres  1912. 
Der  Rückgang  war  also  nicht  so  erheblich  wie  im  Jahr  vorher, 
wo  er  zirka  600  000  Sack  betragen  hatte.  Bis  zum  30.  Juni 
1913  ging  dieser  Stock  auf  10  275  000  Sack  zurück,  so  daß  sich 
der  dem  Handel  zur  Verfügung  stehende  Kaffee  inkl.  des  Valori- 
sationsstocks  um  über  3  000  000  Sack  verringerte.  Gerade  in  dieser 
Zeit  w^ar  der  Preisrückgang  von  zirka  25  Pf.  zu  verzeichnen. 
Man  motivierte  den  Rückgang  in  den  guten  Aussichten  für  die 
Ernte  1913/14,  die  einen  erheblichen  Ueberschuß  der  Produktion 
über  den  Konsum  ergeben  sollte.  Von  Juli  an,  als  Brasilien  diese 
anfangs  als  groß  bezeichnete  Ernte  nun  tatsächlich  verkaufen 
mußte,  änderte  sich  das  Bild  wiederum.  Die  bis  dahin  12  bis 
13000  000  Sack  betragenden  Sclxätzungen  wurden  bedeutend  er- 
mäßigt und  sogar  auf  nur  8  bis  9  000000  Sack  angegeben,  so  daß 
die  Preise  vom  August  ab  innerhalb  ganz  kurzer  Zeit  von  44  Pf. 
bis  auf  Vs'ieder  über  60  Pf.  stiegen.  Damit  war  der  Höhepunkt 
aber  auch  wieder  erreicht;  namentlich  unter  dem  Druck  der 
großen  Zufuhren  mußten  die  Preise  wieder  zurückgehen.  Die 
Hoffnung,  daß  die  Santoszufuhren  nun  eadlich  abfallen  würden, 
erfüllte  sich  nicht.  Im  Gegenteil,  sie  blieben  verhältnismäßig 
groß,  und  die  ersten  sechs  Monate  von  Juli  bis  inkl.  Dezember 
ergaben  zusammen  8  674  000  Sack.  Es  herrschte  allgemein  Ge- 
schäftslosigkeit.  Lange  Zeit  schwankten  die  Preise  zwischen 
51  und  52  Pf.  Erst  die  letzten  Tage  im  Dezember  nahmen  eine 
ausgesprochen  flaue  Haltung  an,  so  daß  die  Terminnotierung 
für  den  Monat  März  bis  auf  48V4  zurückging. 

Im  Januar  wurden,  wie  regelmäßig  in  den  früheren  Jahren, 
von  dem  Valorisations-Komitee  dem  Handel  300000  Sack  zur  Ver- 
fügung gestellt,  die  an  den  größeren  Hafenplätzen  zum  Verkauf 
gelangten.  In  X(3w  York  war  der  ganze  Valorisationsvorrat  von 
931 000  Sack  verkauft  worden.  Die  Regierung  hatte  natürlich 
ein  große.s  Interesse,  diese  Kaffees  nicht  unter  Wert  zu  verkaufen ; 
sie  erzielte-  auch  noch  sehr  gute  Preise,  zumal  der  Markt  von  allen 


Weltvorrat. 


Verkäufe  des 

Valorisations- 

Komitees, 


118  I.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 

Seiten  durch  spekulative  Stützungskäufe  gehalten  wurde.  Kaum 
waren  jedoch  diese  yalorisationskaffees  untergebracht,  als  die 
Baisse  ihren  Weg  begann  und  zu  dem  oben  angeführten  derartig 
großen  Preissturz  führte,  so  daß  an  den  Seeplätzen  und  im  In- 
land große  Summen  verloren  gingen  imd  zahlreiche  größere 
Firmen  zur  Zahlungseinstellung  gezwungen  wurden.  Waren  Ende 
1912  ca.  69  bis  70  sh  für  Superior-Kostfracht  von  den  brasilianischen 
Exporteuren  gefordert  worden,  so  konnte  man  im  billigsten 
Augenblick  —  im  August  —  gleiche  Qualitäten  ungefähr  mit 
49  sh  kaufen.  Die  Inlandpreise  konnten  zu  Anfang  der  Be- 
wegung nicht  ganz  ebenso  i^eduziert  werden,  da  die  Verluste  an 
den  im  Besitz  des  Handels  befindlichen  Kaffees  sonst  zu  groß 
gewesen  wären.  Von  ßeiten  der  Detaillisten  wurde  dem  Preis- 
rückgajig  in  der  Weise  und  insofern  Rechnung  getragen,  als  für 
die  sich  vor  allen  Dingen  herausbildende,  gangbarste  Preislage 
von  1,60  Mk.  pro  Pfund  eine  bedeutend  bessere  Qualität  geliefert 
wurde.  Infolge  des  reichlichen  Ausfalls  der  Ernte  in  den  zentral- 
tunerikanischen  Kaffees  war  der  Handel  in  der  Lage,  die  blauen 
Kaffees  für  die  genannte  Preislage  zu  verwerten,  da  diese  einen 
Rückgang  von  ca.  16  bis  17  Pfg.  in  der  Zeit  vom  März  bis  Juli 
aufzuweisen  hatten.  Für  1,60  Mk.  Verkauf  wurde  ein  in  jeder 
Beziehung  guter  und  einwandfreier  zentralamerikanischer  Kaffee 
geliefert.  Die  durch  diese  Qualitätsverschiebung  hervorgerufene 
außerordentlich  starke  Nachfrage  nach  blauen  zentralamerikani- 
schen Kaffees  bewirkte  natürlich  recht  bald  wieder  einen  Wech- 
sel ihrer  Werte.  Dem  starken  Preisrückgang  folgte  in  kurzer 
Zeit  wieder  eine  Aufwärtsbewegung,  die  die  Preise  bald  wieder 
auf  den  früheren  und  teilweise  sogar  noch  etwas  höheren  Stand 
braxjhte.  Hatten  im  Juli  und  August  wirklich  brauchbare 
zentral  amerikanische  Kaffees  ca.  68/69  Pfg-,  teilweise  sogar  nur 
63  bis  65  Pfg.  gekostet,  so  betrug-en  die  Forderungen  im  Sep- 
tember bereits  für  gleiche  Qualitäten  wieder  über  80  Pfg.  Ende 
Oktober  kosteten  wirklich  brauchbare  zentralamerikanische 
Kaffees  86  bis  88  Pfg.,  d.  h.  noch  mehr,  als  zu  Anfang  des  Jahres. 
Solche  Bewertung  dieser  Kaffees  steht  in  besonders  scharfem 
Gegensatz  zum  Terminmarkt.  Denn  Anfang  des  Jahres  kosteten 
feine  blaue  Kaffeea  85  bis  87  Pfg.  bei  einer  Terminnotierung 
von  68  Pfg.,  wälirend  im  Oktober  die  gleichen  Preise  bei  einer 
Terminnotierung  von  nur  57  Pfg.  gefordert  wurden.  Waren  die 
Schwankungen  des  Terminmarktes  also  vor  allen  Dingen  auf 
Spekulationen  und  Uebertreibungen  zurückzuführen,  so  ist  die 
Preissteigerung  in  den  zentralamerikanischen  Provenienzen  dem 
Eingreifen  des  Konsums  selbst  zuzuschreiben. 

Preist.  Während  der  rückläufigen  Konjunktur  war  es  für  den  Im- 

porteur schwer,  Bezüge  zu  machen,  da  er  sich  immer  mit  dem 
Gedanken  vertraut  machen  mußte,   daß  im  Augenblick,  wo  die 


27.    Kaffee. 


119 


Ware  im  Hafenplatz  greifbar  wurde  und  er  sie  also  weiter  ver- 
kaufen konnte,  ei^  vor  einer  vollständig  veränderten  Preisbasis 
stehe,  die  sämtliche  Kalkulationen  illusorisch  macht.  Zwar  war 
Aussicht  vorhanden,  daß  auf  der  allmählich  erreichten  niedrigen 
Preisbasis  sich  sowohl  für  den  Dietaillisten  als  auch  für  den 
Grossisten  ein  rentables  Geschäft  entwickeln  würde,  wie  es  zur 
Gesundung  der  ganzen  Branche  unumgänglich  notwendig  ist. 
Während  all  der  Haussejahre  ist  an  dem  Artikel  nichts  verdient 
worden,  weil  es  nicht  möglich  war,  wie  schon  verschiedentlich 
dargelegt,  die  Detailpreise  den  hohen  Forderungen  des  Welt- 
marktpreises anzupassen;  und  wenn  auch  der  Preissturz  im  ersten 
halben  Jahre  natürlich  noch  bedeutend  größere  Wunden  ge- 
schlagen hat,  so  hatte  man  doch  im  Sommer,  als  der  Tiefstand 
von  44  Pfg.  erreicht  war,  auf  eine  längere  Periode  günstig  bleiben- 
der Preise  und  auf  ein  besser  werdendes  Geschäft  rechnen 
zu  dürfen  geglaubt.  Die  Hoffnung  erfüllte  sich  aber  nicht.  Denn 
fortwährend  im  Herbst  hereinkommende  schlechte  Nachrichten 
über  die  Ernte  1914/15  beeinflußten  die  Preise  entsprechend  den 
Terminmärkten,  so  daß  Ende  Oktober  gute,  gangbare  Santos- 
ware  ca.  8  Pfg".  höher  im  Preise  stand  als  im  August  und  Sep- 
tember. 

Hierdurch  wurde  die  Kauflust  des  Konsums  ungünstig  be- 
einflußt. Dieser  schränkte  sich  naturgemäß  wieder  ein.  Die  letzte 
der  folgenden  Statistiken  zeigt,  welchen  Einfluß  die  hohen  Kaffee- 
preise in  den  letzten  Jahren  auf  den  Konsum  gehabt  haben. 
Danach  hat  er  seit  1911  um  über  180000  dz  labgenommen.  Da  außer- 
dem bei  den  größeren  Zufuhren  auch  das  Angebot  wieder  reich- 
licher wurde,  gaben  die  Preise  für  effektive  Brasilware  eben- 
falls nach.  Der  Tiefstand  der  Preise,  wie  er  in  den  Monaten 
August  und  September  zu  verzeichnen  war,  wurde  jedoch  nicht 
erreicht. 


Tab.  52. 


Hamburger  Kaffeepreise. 

Amtliche  Notierungen  in  good  average  Santos. 
Die  Preise  schwankten  (V2  kg  in  Pfg.)  : 


Statistjlf. 


im  Januar    zwischen 

.     .     68 

67 

68 

663/4 

.,     Februar 

.     .     67 

65 

62 

6II/2 

n     März 

•     •     6IV4 

60 

571/2 

601/, 

„     April 

.     .     6OV2 

56 

561/2 

57 

,.     Mai 

.     563/, 

S8V2 

561/2 

551/2 

„     Juni 

.     55 

51 

481/4 

491/2 

„     JuU 

.     491/2 

46 

441/4 

483/4 

n     August 

.     48 

46 

461/2 

48I/2 

„     September    „ 

•     471/4 

461/4 

4Q 

51 

„     Oktober 

.     531/2 

56 

581/2 

551/2 

„     November    „ 

.     553/, 

541/4 

51 

52 

„     De/.ember     „ 

•       513/4 

521/2 

503/, 

4'' 

120 

I. 

Pflanzliclie  Eohprodukte  usw. 

C.  KolonialAvaren. 

Tab.  63.                 Zufuhren  in  Santos 

und  Rio 

(in  1000  Sack). 

lyii 

1912 

1913 

Santos      1         Rio 

Santos 

Rio 

Santos 

Rio 

Januar .     .     . 

234 

194 

396 

135 

409 

181 

Februar 

134 

126 

279 

144 

259 

161 

März      . 

122 

105 

310 

185 

182 

181 

April 

85 

71 

310 

155 

121 

127 

Mai   .     . 

97 

88 

225 

103 

143 

145 

Juni .     . 

218 

136 

1         290 

146 

321 

195 

Juli   .     . 

'!        796 

248 

1         672 

219 

847 

169 

August  . 

11      1415 

300 

i       1212 

256 

1745 

284 

September 

2  034 

348 

1484 

397 

1850 

357 

Oktober     . 

1981 

324 

!       1663 

425 

1710 

447 

November 

1280 

236 

1  164 

350 

1334 

409 

Dezember 

ll         697     j       167 

955 

258 

1  188 

269 

Zus.  Jan./Dez 

9  093 

2  443 

8  960 

2  773 

10109 

2  905 

Tab.  54. 


Sichtbare  Weltvorräte  (in  1000  Sack  zu  60  kg) 


1911 


1912 


1913 


1.  Januar  . 
1.  Februar  . 
1.  März  .  . 
1.  Aprü  .  . 
1.  Mai  .  . 
1.  Juni  .  . 
1.  Juli  .  . 
1.  August  . 
1.  September 
1.  Oktober  . 
1.  November 
1.  Dezember 


14  106 
13  655 
13  333 
12910 
12  605 
11912 
11085 
10  877 
11451 

12  383 

13  122 
13  420 


13  566 
13  167 
12  589 
12  244 
11813 
11390 

10  965 
11035 

11  438 

12  151 
12  682 
12  861 


13  437 
12  690 
11980 
11  632 
11047 
10  565 
10  275 

10  482 

11  484 

12  181 

12  770 

13  141 


Tab.  55.         Ablieferungen  in  Europa  und  Nordamerika  in  den  Jahren  1910 
und  1911  in  1000  Sack. 


1 

1911 

1912 

191B 

in  Europa 

in  Nord- 
amerika 

in  Europa 

in  Nord- 
amerika 

in  Europa  j 

in  Nord- 
amerika 

Januar  .     .     . 

685 

701 

948 

543 

1  139       ' 

694 

Februar      .     . 

694 

461 

903 

598 

864 

598 

März       .     .     . 

686 

395 

926 

644 

i        822 

501 

April       .     .     . 

615 

417 

1002 

701 

829 

549 

Mai     ...     . 

971 

457 

913 

501 

895 

504 

Juni  .... 

1025 

554 

663 

520 

1        857 

486 

Juli    .... 

870 

488 

744 

437 

76  + 

479 

August  .     .     . 

882 

515 

699 

515 

944 

541 

September 

1089 

641 

1        887 

559 

1  034 

665 

Oktober      .     . 

1  178 

648 

1     1116 

654 

1  129 

743 

November 

958 

540 

i     1010 

677 

1  008 

670 

Dezember  .     . 

733 

416 

i        664 

473 

790 

617 

28.    Tee.                                                      121 
Tab.  56.    Einfuhr  von  Rohkaffee  nach  Deutschland  (in  Doppelzentnern). 

19U 

1912 

1913 

Januar 

Februar      

'        258  600 
149  400 
96  000 
103  000 
124  200 
130  200 
253  200 
195  000 
127  800 
138  600 
129  000 
117  600 

251  032 
157  456 
113  204 
123  564 
126  508 

126  279 
215  970 

96  605 
100  458 

127  884 
129  665 
111  888 

245  249 

147  838 

März 

April 

110  723 
121  652 

Mai 

134  527 

Juni 

Juli 

August .      .      .    ; 

124  209 
132  007 
123  886 

September \ 

114  751 

Oktober 

132  031 

November 

Dezember       .     .          

131387 
122  876 

Jahr  ! 
28. 

1  823  400 

Tee. 

1  680  506 

1  641  236 

Im  Berichtsjahr  hatte  der  Teehandel  unter  den  Einwirkimgen 
von  mancherlei  Schwierigkeiten  zu  leiden.  Die  ungünstigen  politi- 
schen Verhältnisse  nach  dem  Balkankrieg  und  die  hierdurch  hervor- 
gerufene schlechte  wirtschaftliche  Lage  in  vielen  Ländern,  ver- 
bunden mit  einem  ungewöhnlich  hohen  Geldstand,  sowie  kleinere 
Einten  in  den  Produktionsl ändern  machten  sicii  im  Teehandol 
äußerst  fühlbar.  Die  Gresamtproduktion  der  teebauenden  Länder 
bezifferte  sich  im  Jahre  1913  auf  ca.  752  Mill.  Pfd.,  denen  im 
Jahre  191:^  ein  Gresamterträgnis  von  oa.  738  ^lill.  Pfd.  englisch 
gegenüberstand.  Von  diesem  Gesamtquantum  erntete  Indien 
allein  ca.  265  Mill.  Pfd.  oder  ein  Drittel  der  Weltemte  in  Tee. 
Trotz  dieser  kleinen  Erhöhung  für  1913  konnte  die  Ernte  dem 
Bedarf  nicht  vollkommen  genügen.  Die  natürliche  Folge  war, 
daß  die  Preise  zu  Ende  des  J^^hres  eine  bedeutende  Steigerung 
erfuhren.  Größere  Anstrengungen  der  Pflanzer  und  'reeinter- 
eshcnten  haben  kein  günstigeres  Ergebnis  erreichen  können,  da 
\iele  Gebiete  unter  abnormen  Wettereinflüssen,  besonders  im 
FriÜijahr  und  im  Sommer  unter  großer,  längere  Zeit  anhaltender 
Dürre,  zu  leiden  hatten.  Dies  gilt  besonders  für  Indien  und  Java. 
In  Java  konnten  im  Berichtsjahr  zum  erstenmal  die  Zufuhren 
aus  den  verschiedenen  Distrikten  nicht  die  Nachfrage  befrie- 
digen, und  letztere  stand  zum  Angebot  nicht  mehr  im  gleichen 
^^  rhältnis  wie  früher.  Obgleich  in  Indien  bei  den  forcierten  An- 
strengungen der  Tee-Kompagnien  ein  Mehrquantum  von  zirka 
5  Millionen  gegen  das  Vorjahr  erzielt  wurde,  so  bedeutet  doch 
diese  geringe  Mehrproduktion  gegenüber  der  stetigen  Zunahme 
des  AVeltkonsüms  in  Tee,  an  dem  England  allein  mit  ca.  10  Mill. 
Pfund  pro  Jahr  beteiligt  ist,  sehr  wenig.  Ceylon  konnte  dieselbe 
Produktionshöhe  erreichen.  Allerdings  dürfte  dort  mit  einer 
Steigerung  der  Prodnlvtion  für  die  nächsten  Jahre  wohl  kaum 
zu  rechnen  sein,  da  dieses  Land  den  Höhepunkt  seiner  Produktions- 
fähigkeit erreicht  zu  haben  scheint.     Geg-en   die  Mehrproluktion 


Allsrenieiiies. 


122 


].    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 


Indiens  blieb  China  bedeutend  zurück.  Man  schätzt  den  Ausfall 
auf  ca.  300  000  halbe  Kisten.  Daß  dieser  ^roße  Ausfall  bisher 
wenig  bei  der  Preisbildung  in  Erscheinung  trat,  ist  in  der  Haupt- 
sache darauf  zurückzuführen,  daß  noch  erhebliche  Vorräte  der 
Ernte  1912/13  in  den  Ablagerungshäfen  lagerten.  Immerhin 
werden  jetzt  zu  Beginn  des  neuen  Jahres  bei  der  lebhafteren 
Nachfrage  'die  Preise  auch  für  diese  Gattung  von  Tee  anziehen.  Es 
ist  aber  damit  zu  rechnen,  daß  China-Tees  nicht  den  Preisstand 
der  indischen  Tees  erreichen  werden,  da  die  Chinesen  im  nächsten 
Jahr  eine  größere  Ernte  auf  den  Markt  bringen  und  diese  den 
Ausgleich  gegen  den  vorherigen  Emteausfall  wettmachen  dürfte. 
Diese  ungiinstigen  Einflüsse  konnten  nicht  verhindern,  daß  der 
Konsum  in  allen  Ländern,  auch  Deutschland,  wiederum  eine 
Steigerung  erfuhr.  Es  ist  dies  darauf  zurückzuführen,  daß  der 
Artikel  Tee  immer  mehr  und  mehr  als  ein  einwandfreies  gesundes 
Getränk  den  Menschen  zum  Bedürfnis  geworden  ist. 
Geschäftsgang.  Das  Geschäft  bewegte  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  Berichts- 

jahres in  mäßigen  Bahnen  und  wollte  sich  auch  beim  Eintreffen 
der  neuen  Ernte  nicht  lebhafter  gestalten.  Die  Importeure  hatten 
im  vorigen  Jahr  ihre  Lager  zu  sehr  ianfgefüllt.  Bei  Ankunft  der 
neuen  Ernte  waren  daher  noch  erhebliche  Vorräte  in  den  Import- 
häfen vorhanden,  die  die  Kauflust  abschwächten. 

Die  Ernte  war  kleiner  als  im  Jahr  1912;  doch  deckte  das 
Angebot  bei  der  geringen  Kauflust  vollkommen  die  Nachfrage. 
Die  Qualitäten  waren  befriedigend,  und  auch  die  billigen  Sorten 
zeigten  gute  Werte  bei  nicht  zu  hohen  Preisen. 

Die  kleinere  Ernte  in  Poochow-Tee  ist  zum  größten  Teil 
darauf  zurückzuführen,  daß  die  Chinesen  weniger  produzierten,, 
um  bessere  Preise  zu  erzielen,  da  sie  in  den  Vorjahren  bei  den 
forcierten  Ernten  unter  großen  Verlusten  zu  leiden  hatten.  Die 
besseren  politischen  Verhältnisse  vermehrten  die  eigene  Auf- 
nahmefähigkeit Chiuas.  Größere  Posten  fanden  daher  guten 
Absatz  nach  dem  Norden  Chinas  und  der  Mongx)lei.  Diesen  Faktor 
werden  sich  die  Chinesen  in  den  nächsten  Jahren  zunutze 
machen ;  es  bleibt  abzuwarten,  welche  Folgen  hieraus  für  den 
Exporthandel  sich  ergeben  werden.  Im  letzten  Jahr  hatte  diese 
Tatsache  keinen  Einfluß  für  den  europäischen  Handel,  da,  wie 
schon  erwähnt,  bedeutend  kleinere  Mengen  als  in  den  vorhergehen- 
den Jahren  nach  dem  Kontinent  abgeladen  wurden. 
?5ou«hong.  Die  feinen  Qualitäten  von  Souohong  zeigten  im  letzten  Jahr 

gute  Werte  und  gutes  Blatt.  Die  mittleren  Sorten  fielen  etwas 
zu  roh  im  Blatt  aus  und  hatten  zu  hohen  Grusg-^ehalt.  Das  Angebot 
von  true  Souchong  war  recht  klein,  dagegen  kamen  von  tarry 
Souchong  genügende  Quantitäten  auf  den  Markt.  Feine  Souchongs 
mit  Oolong-flavour  fehlten  fast  ganz,  da  der  Export  hierin  nach 
Amerika  durch  die  neuen  amerikanischen  G-esetze  lahmgelegt  ist. 
Hingegen  brachten  Panjong-  und  Chingchow- Souchongs  eine  große. 


China-Tee. 


Foochow-Tee. 


28.    Tee. 


123 


recht  gute  Auswahl.  Billige  Souchongs  ließ'en  zu  wünschen  übrig. 
Die  Preise  notierten  im  allgemeinen  um  ca.  8  o/o  höher,  als  im 
Jahr  1912,  doch  ist  dies  auf  den  höheren  Wechselkurs  zurück- 
zuführen. 

Zirka  62  000  halbe  Kisten  von  Congou  wurden  weniger  als  im  congou. 

Jahre  1912  auf  den  Markt  gebracht.  Packlums  und  Panjongs 
zeigten  durchweg  ein  gutes  Blatt  und  waren  auch  in  der  Tasse 
sehr  gut.  Pecoo-Congous  in  niedriger  und  mittlerer  Preislage 
stellten  sich  relativ  sehr  billig  und  [zeigten  gute  Werte.  Die  Preise 
hielten  sich  ungefähr  auf  gleicher  Höhe  wie  im  Vorjalir. 

Für  Pecoo-Blüten  lag  eine  recht  lebhafte  Nachfrage  von  Pecco-Biüten. 
Seiten  Rui31ands  vor,  das  fast  die  ganze  Ernte  aufnimmt,  während 
der  Absatz  nach  den  anderen  Ländern  von  Jahr  zu  Jalir  kleiner 
wird.  Feinste  Blütenware,  sogenannte  Schlangen-Peccos,  zeigten 
gute  Werte  und  wurden  hohe  Preise  gezahlt,  da  die  Ernte  nur 
klein  hierin  war.  Desgleichen  zeigten  mittlere  und  untere  Pecoos 
gute  Werte,  und  gute  Preise  konnten  erzielt  werden. 

Für  Hankow-Tee  war  die  Nachfrage  bei  Eröffnung  des  Hankow-Tee 
Marktes  besonders  von  selten  Rußlands  sehr  stark,  imd  die  Preise 
notierten  ca.  12  o/o  höher  als  im  vorhergehenden  Jahr  bei  einer 
kleineren  Ernte.  Der  Gresamtausfall  ist  gerade  in  Hankow-Tee 
enorm  und  betrug  annähernd  200000  halbe  Kisten  gegenüber  dei- 
Saison  1912.  Besonders  Tee  der  ersten  Ernte  wurde  sehr  schnell 
abgesetzt  ttnd  in  erster  Linie  von  Rußland  zu  erhöhten  Preisen 
aus  dem  Markt  genommen.  Auch  die  zweite  und  dritte  Ernte  fand 
bei  dem  kleinen  Angebot  schlanken  Absatz  und  dürfte  sich  noch 
zu  Anfang  dieses  Jahres  ein  gewisser  Mangel  gerade  in  Hankow- 
Tees  für  Europa  bemerkbar  machen.  Die  Qualitäten  fielen  sehr 
gut  laus,  besonders  Kintucks  und  Keemuns  zeichneten  sich  durch 
ein  sehr  feines  Flavour  aus.  Auch  das  Blatt  konnte  befriedigend 
genannt  werden.  Dasselbe  gilt  von  besseren  und  mittleren 
Ningchows,  die  einen  guten  Aufguß  zeigten.  Mittlere  und  geringe 
Monings  waren  recht  brauchbar.  Die  Zufuhren  waren  kleiner 
als  im  Vorjahr,  doch  genügten  sie  noch  der  Naclifrag-e.  Die  Preise 
waren  im  Durchschnitt  ea.  12  o/o  höher  als  im  Vorjahr. 

Der  Export  nach  Nordafrika  von  grünen  Tees  zeigte  in  dem  Grauer  Tee 
Berichtsjahr  eine  stetige  Zunahme,  trotz  der  höheren  Notierungen 
auf  dem  Markte  in  Shanghai,  so  daß  bereits  in  den  letzten  Monaten 
des  Jahres  ein  Mangel  sich  bemerkbar  machte.  Feine  Chang-Mee 
zeigten  eine  außergewöhnlich  gute  Qualität,  ebenso  Gunpowders ; 
in  mittleren  Foong-Mee  und  Sow-Mee  waren  die  Zufuhren  nur 
gering  und  erzielten  gute  Preise,  die  etwa  20  o/o  höher  als  im 
Vorjahr  sich  berechneten. 

Den    großen    Preissturz,    den    der    indische    Tee   infolge    der      indischer  Tee 
forcierten  Produktion  im  Jahre  1912  durchmachte,  hat  die  Saison 
1913  trotz  einer  weiteren,  wenn  auch  beschränkten  Produktions- 
Erhöhung    durch    die   große   Nachfrage   und    Aufnahmefähigkeit. 


124  T.    Pflanzliche  Eohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 

deren  der  indische  Tee  auf  dem  Weltmarkte  sich  erfreut,  wieder 
wettgemacht ;  zudem  ist  auch  der  Konsum  in  Indien  selbst  unter 
der  indischen  Bevölkerung  durch  die  Propaganda  der  Pflanzer- 
gesellschaften im  AA'achsen  bagriffen.  Genaue  Angaben  hierüber 
fehlen  zurzeit  noch,  doch  wird  der  Verbrauch  auf  reichlich 
30  Mill.  Pfd  englisch  geschätzt.  Im  Gegensatz  zu  den  China- 
Tees,  die  einen  bedeutenden  Ausfall  an  Export  nach  dem  Kontinent 
zu  verzeichnen  hatten,  hatte  der  indische  Tee  allein,  trotz  der 
schlechten  politischen  ^''erhältnissie,  eine  Zunahme  im  Export  zu 
verzeichnen.  Der  Mehrexport  nach  Deutsichland  wird  auf  zirka 
10  oo  geschätzt.  Es  machte  sich  im  letzten  Jahr  ftüilbar,  daß  der 
indische  Tee  sich  mehr  Eingang  in  Deutschland  verschafft.  Unter 
diesen  Umständen  schraubten  sich  natürlich  die  Preise  für  in- 
disches Prodiikt  langsam  in  die  Höhe.  Ueber  die  Qualität  ist  nur 
^nstiges  zu  berichten.  Mittel-Pecoo  und  Pecco-*Souchong  fielen 
befriedigend  aus.  Orange-Peccos  mit  gelben  Spitzen  waren  wäh- 
rend der  Saison  besonders  gefragt  und  njotierten  10 o/o  höher  als 
letztes  Jahr,  feinste  Gattung-en  hielten  sich  auf  gleicher  Höhe. 
Für  Deutschland  kommen  besonders  Darjeelings-  und  Travanoore- 
Tees  in  Betracht,  -die  sich  auch  in  England  großer  Beliebtjheit 
erfreuen  und  bei  höheren  Preisen  schlanken  Absatz  fanden.  Man 
rechnet  schon  heute  für  das  nächste  Jahr  mit  einer  weiteren, 
erhöhten  Produktionssteigerung,  die  wieder  den  Ausgleich  zwischen 
Angebot  und  Nachfrage  bewirken  dürfte.  Voraussetzung  ist  hier- 
bei jedoch,  daß  die  Arbeiterfrage,  die  sich  in  Indien  zurzeit  zu 
einer  Kalamität  herauswächst,  befriedigend  gelöst  werden  kann. 
Ceylon-Tee.  Wie  bereits  erwähnt,  scheint  in  Ceylon  die  Produktion  an  Tee 

ihren  Höhepunkt  erreicht  zu  haben,  da  die  umfangreichen  Gummi- 
anpflanzimgen  einer  weiteren  Entwicklung  der  l'eeproduktion  ein 
Ziel  setzen.  1913  schätzte  man  das  für  Teeanpflanzungen  in  Frage 
kommende  Areal  auf  ca.  400  000  acres.  Es  vergrößerte  sich  in  den 
letzten  Jahren  um  nur  ca.  1  o/o,  so  daß  in  der  Tat  wohl  mit 
nennenswerten  Mehrquanten  kaum  zu  rechnen  ist.  Besonders 
kommen  die  hochgelegenen  Distrikte  kaum  noch  für  neue  An- 
;;flan Zungen  in  Frage.  Die  i!^ achfrage  nach  Peeco  und  Pecco- 
Souchong  war  eine  sehr  lebhafte  bei  ca.  15  o/o  höheren  Preisen. 
Orange-Pecoo  erfreuto  sich  weiter  wachsender  Nachfrage  und 
erzielte  ebenfalls  ca.  10  «o  höhere  Preise  als  im  Vorjahr.  Die 
geringeren  Qualitäten  ließen  zu  wünschen  übrig  und  erreichten 
nicht  den  Standard  der  indisehen  Tees  für  gleiche  Gattungen. 
lava-Tee.  Zum  erstcnmale  seit  einer  Reihe  von  Jahren  ist  das  Ernte- 

ergebnis auf  Java  gegen  die  Vorjahre  zurückgegangen.  Dies  ist 
in  der  Hauptsache  den  ungünstigen  Witterungsverhältnissen  zu- 
zuschreiben. Es  wurden  a.ber  fast  durchschnittlich  tadellose 
Qualitäten  abgeladen,  die  guto  Preise  erzielten.  Im  letzten  Jahr 
ist  auf  Sumarta  zum  erstenmal  mit  der  Anlage  von  Teeplantagen 
begonnen   worden.     Es  bleibt  abzuwarten,  ob   der  Boden  für  die 


29,    Kakao   und  Kakao  waren,   Zuck  er  waren. 


125 


Einrichtungen  der  FaJitoreien  geeignet  ist  und  genügend  Arbeits- 
kräft-e  vorhanden  sind,  um  eine  Konkurrenz  mit  dem  indischen 
Tee  aufzunehmen.  In  letzter  Zeit  wird  auch  von  den  Pflanzern 
auf  Java  und  Sumatra,  für  diese  Tees  auf  dem  Kontinent  Reklame 
gemacht,  um  die  Nachfrage  für  diese  Gattungen  zu  steigern. 
Ohne  Frage  sind  die  Aussichten  für  Java-  und  Sumatra-Tees 
nicht  ungünstig,  um  so  mehr,  als  die  Auktionen  der  letzten  Monate 
in  Holland  imgewöhnlich  hoch  verliefen  und  die  Xotierungen  ein 
gleichem  Preisniveau  mit  den  indischen  und  Ceylon-Tees  bereits 
erreicht  haben. 


Tab.  57. 


Einfuhr  von  Tee  nach  Deutschland  (in  dz). 


1911 


1912 


1913 


Im  ganzen  ... 
davon  aus  China 
ins  Brit. -Indien  .  , 
„  Niederl. -Indien 
„  Ceylon   .  .  , 


38  124 

22  006 

5  167 

5  955 

3  549 


41384 

24  039 

5  522 

5  804 

4  043 


42  903 

22  8d4 

5  910 

7  394 

4  556 


29.    Kakao    und    Kakao  waren,    Zuckerwaren. 
Erster  Bericht. 

Das  Jahr  1913  hat  für  die  Kakao-  und  Schokoladen-Industrie 
keine  IJ  eberraschungen  gebracht.  Wenn  auch  die  Preisbewegung 
auf  dem  Markte  für  Rohkakao  als  steigend  betrachtet  werden 
muß,  so  schufen  andererseits  die  rückgängigen  Zuckerpreise 
wieder  einen  Ausgleich.  Im  übrigen  haben  die  Preise  für  Roh- 
kakao  seit  Dezember  wieder  eine  weichende  Tendenz  einge- 
nommen. Eine  Erhöhung  der  Preise  für  die  Fertigfabrikate  wurde 
nur  in  geringem  Umfange  notwendig.  Für  eine  Preiserhöhung 
können  nur  Konsumfabrikate  in  Betracht  kommen.  Bei  den 
Maikenartikeln  ist  insofern  eine  Preiserhöhung  fast  unmöglich 
gemacht,  als  die  Detailpreise  allgemein  feststehend  sind  und  der 
Händler  sich  bis  aufs  äußerste  gegen  eine  Verringerung  seines 
Verdienstes  sträuben  würde.  Der  Absatz  war  im  allgemeinen  gut, 
ist  aber  am  Schlüsse  des  Jahres  weniger  lebhaft  gewesen.  Die 
Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitern  waren  gut. 
Die  Ausfuhr  der  Artikel  wird  zum  Teil  sehr  erschwert  durch 
die  Zoll  Vergünstigung,  die  England  in  seinen  Kolonialgebieten 
genießt;  dennoch  ist  eine  Steigerung  des  Exporthandels  wahr- 
zunehmen. Die  Tarifermäßigung  von  seiten  Amerikas  wird  für 
die  Branche  keine  allzugroße  Bedeutung  haben.  Kartelle, 
Syndikate  usw.  bestehen  in  dem  Industriezweige  nicht. 

Zweiter  Bericht. 

Die  Kakao-  und  Schokolade-Industrie  kann  im  Berichtsjahre 
auf  keine  "befriedigenden  Erfolge  zurückblicken.  Bohkakao,  I^^kao- 
butter,  Mandeln  und  (Nüsse  usw.  sind  im  Preise  gegen  das   Vor- 


Erster  Bericl. 


Zweite  1 
Bericht 

Allgemoiut 
Lage 


126  I.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 

Jahr  bedeutend  gestie^n,  lund  wenn  auch  die  Zuckerpreisie  normal 
waren,  so  konnte  dennoch  an  den  Fertigfabrikaten  nur  wenig  ver- 
dient werden. 
Absatzveriuiit-  Der  Absatz  in  Kakao-  und  Schokoladenwaren  war  im  allgc- 

"*^^*''  meinen   schlechter  als  im  Vorjahre,  und  wenn  einige  große  Fa- 

briken trotzdem  erhöhte  Umsätze  aufweisen  können,  so  konnten 
sie  nur  durch  Vergrößerung  der  Betriebe  und  niedrige  Preise  bzw. 
Unterpreise  erzielt  werden.  Die  durch'  die  Ejriegsunruhen  und 
große  Geldknappheit  verschlechterte  Konjunktur  ist  als  Ursaöhe 
des  schleppenden  Absatzes  anzusehen.  Auch  das'  Exportgeschäft 
ließ  viel  zu  wünschen  übrig. 

Roh-  Die  Preise  von  Eohkakao  waren  trotz  einer  größeren  Welt- 

ernte von  zirka  15  000  t  im  Berichtsjahre  im  Durchschnitt  um 
zirka  15  Mk.  für  100  kg  höher  als  1912.  In  Deutschland  wurden 
1913  zirka  4  Mill.  kg  Kakaobohnen  weniger  verarbeitet,  d.  h. 
verzehrt,  als  im  Vorjahre.  Es  wurde  an  Kakao  eingeführt  und 
verzollt  (also  verarbeitet)  1912:  55  085  t,  1913:  51053  t. 

Die    Durchschnittspreise    für   Rohkakao    waren    für    100    kg 
ab  Hamburg  unverzollt: 

Tab.  58.     Preise  von  Rohkakao. 

II     1912     I     1913~^ 

Akkra ';  105,33  I  119,40 

Bahia,  sup i  112,08  !  124,70 

Ariba !l  114,17  1  138,34 

Kakaobutter.  Die   Marktlage    in  Kakaobutter   war   das    gaaze   Jahr   über 

äußerst  fest.  Die  Preise  für  verzollte  Butter  hielten  sich  stets 
auf  290  bis  300  Mk.  pro  100  kg.  Die  Nachfrage  .war  in  Deutsch- 
land größer  als  das  Angebot,  denn  mancher  Fabrikant,  der  früher 
selbst  Verkäufer  war,  tritt  jetzt  als  Käufer  auf.  Der  Konsum  '\n 
kakaobutterreichen  Schokoladen  nimmt  von  Jahr  zu  Jahr  zu, 
während  der  Absatz  in  Kakaopulver  stockt.  Also  auf  der  einen 
Seite  ein  großer  Butter  verbrauch,  auf  der  anderen  geringerer 
Absatz  für  Kakaopulver,  den  Hauptbestandteil  der  Kakaobohne. 
Hierin  kann  nur  ein  Ausgleich  durch  eine  großzügige  Propa- 
ganda für  Kakaopulver  geschaffen  werden.  Das  Publikum 
(auch  die  Behörden)  müssen  immer  wieder  darauf  aufmerksam 
gema^'ht  werden,  daß  Kakao  ein  gesundes,  dabei  wohlschmeokendeg 
und  billiges  Getränk  ist. 

An   Kakaobutter  hat  Deutschland   eingeführt    1912   617   dz, 
1913  941  dz;  ausgeführt  1912  36  426  dz,  1913  19  593  dz. 
Zucker,  Nüsse,  Zuckcr  war  infolge  der  vorjährigen  itekordemte  billig,  da- 

gegen hatten  Mandeln  und  Nüsse  infolge  von  Mißernte  und  des 
immer  größer  werdenden  .Bedarfs  einen  bisher  noch  nie  dage- 
wesenen Preisstand  erreicht.  Bari-Mandeln  kosteten  1913  zirka 
100  Mk.  und  Nüsse  zirka  40  Mk.  pro  100  kg  mehr  als  1912. 


29.    Kakao   und  Kakaowaren,   Zuckerwaren. 


127 


Der  Export  von  Kalvao-  und  Schjokoladewaren  war  1913 
etwas  geringer  als  1912.  Die  Einfuhjr  von  Schokolade  aus  'der 
Schweiz  hat  leider  wieder  zugenommen,  obwohl  unsere  heimische 
Industrie  an  Qualität  unbestreitbar  gleich  Gutes  liefert.  Die 
Einfuhr  von  Kakaopulver  aus  Holland  war  etwas  geringer  als 
im   Vorjahre. 


Tab.  59.     Außenhandel  mit  Schokolade  und  Schokoladeersatzstoffen. 

Jahr 

Einfuhr 
i              insgesamt             ]    davon  aus  der  Schweiz 

Ausfuhr 

1911  .... 

1912  .... 

1913  .... 

16  864 

'              19  291 

19  452 

15  478 
17  500 
17  259 

4  686 

8  387 

9  567 

Tab.  60. 


Außenhandel  mit  Kakao pulv er  (in  dz). 


Jahr 

!            insgesamt 

E 

i  n 

fuhr 

1  davon  a.  d.  Niederlanden 

Ausfuhr 

1911  .... 

1912  .... 

1913  .... 

70^3 
j               7533 
!               7479 

6979 
7410 
7363 

7  589 
13  199 
11  190 

Ein-  und 
Ausfuhr. 


Zu  gröi^eren  Diff eirenzen  zwischen  Arbeitgebern  und  -nehmern 
kam  es  im  Berichtsjahre  in  keinem  Berliner  Betriebe,  und  das 
gegenseitige  Verhältnis  war  daher  als  gut  zu  bezeichnen.  Sowohl 
an  gelernten  als  ungelernten  Arbeitnehmern  war  das  ganze  Jahr 
Ueberangebot  vorhanden. 


Verhältnisse 

zwischen 
Arbeitgeber 
und  Arbeit- 
nehmer. 


Dritter   Bericht. 
(Zucke  rwaren.) 

Die  geschäftlichen  Verhältnisse  haben  sich  in  der  Zucker- 
warenindustrie  im  Jahre  1913  weiter  ungünstig  zugespitzt.  Der 
Umsatz  ist  tiberall  zurückgegangen.  Der  schlechte  Geschäftsgang, 
der  auf  allen  geschäftlichen  G-ebieten  vorhanden  sein  dürfte,  ist 
in  der  teuren  Geldlage  und  Knappheit,  in  dem  Daniederliegen  des 
Baumarktes  und  in  der  allgemeinen  Arbeitslosigkeit  zu  suchen. 
Bankinstitute  nehmen  für  Kredite  an  Industrie-Unternehmen  7 
bis  lOo/o  Zinsen.  Die  teuren  Geldverhältnisse,  die  immer  größer 
werdenden  sozialen  Abgaben  der  Industriebetriebe  zwingen  den 
Unternehmer,  möglichst  die  Zahl  des  Personals  einzuschränken. 
Die  Folge  davon  ist  Arbeitslosigkeit.  Besserung  ist  erst  zu  er- 
warten, wenn  die  Geldverhältnisse  günstiger  werden.  Hoffent- 
lich wird,  nachdem  Millionen  für  die  Privatbeamten-Versiche- 
rung aufgespeichert  Worden  sind,  das  Geld  für  den  Industrie- 
und   Hypothekenmarkt  'wieder  flüssiger. 

Von  einer  Lohnbewegung  blieb  die  Branche  im  Berichts- 
jahre bewahrt,  da  die  Arbeitgeber  aus  freien  Stücken  weitere 
Zugeständnisse  zur  Verbesserung  der  Lage  gemacht  haben  und 
die  organisierte  Arbeiterschaft  ,nicht  in  der  Lage  war,  Bedin- 
gungen zu  diktieren. 


Dritter  Bericht. 
Zuckerwaren. 
Allgemeines. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


128  I.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 

30.    Reis. 
Weltmarkt.  Wenn   im   vorjährigen   Bericht   gesagt   war,    daß   mit   Eück- 

sicht  auf  verschiedene  Umstände,  trotz  der  verhältnismäßig  gut^^n 
Ernteaussichten,  dennoch  mit  hohen  Preisen  im  kommenden  Jahre 
zu  rechnen  sein  dürfte,  so  hat  sich  diese  Vermutung  teilweise 
leider  als  irrig  herausgestellt.  Der  Artikel  Reis  hat  im  ver- 
flossenen Jahre  ebenso  wie  viele  andere  Artikel  unter  der  Un- 
gunst der  Verhältnisse  zu  leiden  gehabt,  und  er  hat  den  ^lühlen 
wie  den  Händlern  im  allgemeinen  nicht  allzuviel  Freude  be- 
reitet. Die.  Notierungen  für  Rohreis  haben  1913  wider  Erwarten 
einen  beträchtlichen  Rückgang  aufzuweisen  gehabt.  Ende  1912 
forderten  die  Versehiffer  für  neuen  Rangoon-  und  Bassein-Roh- 
reis noch  9  sh  3  d,  und  sie  zeigten  sich  dabei  im  großen  ganzen 
noch  so  abwartend  und  zurückhaltend,  daß  es  den  europäischen 
^fühlen  als  durchaus  günstig  und  angemessen  erschien,  als  sie 
Anfang  1913  einen  großen  Teil  ihres  Bedarfs  zu  ca.  9  sh  ein- 
decken konnten.  Dennoch  erwiesen  sich  diese  Ankäufe  im  weite- 
ren Verlauf  des  Jahi^es  als  wesentlich  zu  teuer.  Man  hatte  all- 
gemein angenommen,  daß  der  Bedarf  Japans,  infolge  des  Ernte- 
ausfalls dort,  ganz  besonders  aber  die  kleine  Ernte  in  Vorder- 
indien, Grund  genug  dafür  sein  würde,  daß  sich  die  Preise  in 
Buxmah  mindestens  auf  einer  Basis  von  ca.  9  sh  halten  müßten ;  denn 
man  rechnete  mit  Sicherheit  darauf,  daß  der  Osten  selbst  große 
Quantitäten  Reis  für  sich  in  Anspruch  nehmen  würde;  es  war 
aber  nicht  berücksichtigt  worden,  daß  Japan  in  der  Lage  war, 
einen  großen  Teil  seines  Bedarfes  in  Saigon,  wo  die  Ernte  recht 
gut  war,  einzudecken,  und  ferner,  daß  auch  die  Ernte  in  Burmah 
sich  als  "wesentlich  größer  herausstellte,  als  man  ursprünglich 
angenommen  hatte.  Sie  war  ca.  325  000  t  größer,  als  man  sie 
geschätzt  hatte.  Die  Polge  dieser  Umstände  war,  daß  die  Preise 
für  Rohreis  im  Laufe  des  Jahres  einen  nicht  unbedeutenden  Rück- 
gang erfuhren.  Sie  erreichten  mit  7  sh  6  d  den  tiefsten  Stand 
im  Monat  August.  Zu  diesem  billigen  Preise  sind  einigte  La- 
dungen nach  Europa  verkauft  worden.  Später  konnten  die  Ko- 
tierungen sich  zwar  wieder  etwas  erholen,  doch  zeigte  der  Kon- 
tinent keine  Kauflust  mehr,  teils  weil  einerseits  die  ungekläi'te 
politische  Lage,  anderemeits  der  teure  G-eldstand  die  Unterneh- 
mungslust beeinträchtigten;  teils  auch,  weil  man  mit  ziemliclier 
Bestimmtheit  darauf  rechnen  konnte,  daß  die  späteren  Liefe- 
rungen, wie  so  häufig,  von  geringerer  Qualität  sein  würden. 
Hamburger  Das  Geschäft  auf  dem  Hamburger  Markt  war  im  allgemeinen, 

mit  nui'  wenigen  Unterbixichmigen,  schleppend  und  bewegte  sich 
in  den  engsten  Grenzen.  Der  Markt  war,  je  nachdem  .Vngebot  oder 
Nachfrage  vorlagen,  fortwälirenden  Schwankungen  unterworfen, 
besonders  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jalires.  Die  Preisschwan- 
kungen bewegten  sich  aber,  mit  Ausnahme  von  Siamreis,  für 
fast  sämtliche   Provenienzen   in   engen   Grenzen,   und   die   Saison 


30.   Eeis. 


129 


verlief  fast  ganz  ohne  irgendwelche  nennenswerte  Erscheinungen. 
Die  Vorräte  am  Hamburger  Platz  waren  Ende  1913  wesentlich, 
kleiner  als  zur  gleichen  Zeit  im  Vorjahre,  und  eine  etwas  leb- 
haftere Nachfrage  dürfte  genügen,  um  sie  bis  zum  Eintreffen  der 
neuen  Ernte  vollständig  zu  räumen. 

Der  Reisimport  nach  dem  Kontinent  betrug  im  Jahre  1913: 
1  428  974  t  gegen  1  318  342  t  im  Jahre  1912  und  1  312  056  t  im 
Jahre  1911. 

Der  Import  von  Rohreis  in  Hamburg  betrug  nach  Abzug  der 
zur  Durchfuhr  gelangten  Quantitäten : 


Import  nach 
dem  Kontinent. 


Hamburger 
Reis-Einfuhr. 


1910 

3  212  803 


1911 

3  100  417 


1912 

3  620  121 


1913 

3  152  605  Säcke 


Wenn  in  früheren  Jahren  sich  zum  Frühjahr  hin  die  Lager- 
bestände meistens  so  ßtark  gelichtet  hatten,  daß  man  mit  Un- 
geduld auf  die  ersten  Ankünf  te  aus  der  neuen  Ernte  wartete,  so  war 
das  im  Berichtsjahre  bei  weitem  nicht  der  Fall.  Die  schlechte 
Qualität  des  Jahrganges  1912  und  die  dennoch  verhältnismäßig 
sehr  hohen  Preise  hatten  nicht  nur  den  Reisverbrauch  ziemlich 
beeinträchtigt,  sondern  auch  einige  Mühlen  und  manchen  Speku- 
lanten veranlaßt,  relativ  gute  Partien  vom  Markte  zurückzuhal- 
ten, in  der  Erwartung,  daß  späterhin  noch  höhere  Preise  für  ein- 
wandfreien weißen  Iteis  bezahlt  werden  würden.  So  kam  eins 
zum  andern:  schleppender  Konsum  und  dringender  werdendes 
Angebot.  Die  Lagerbestände  waren  noch  nicht  verbraucht,  als 
die  ersten  Ankünf  te  [aus  der  neuen  Ernte  im  Frühjahr  1913 
eintrafen. 

Die  Qualität  von  diesen  beiden  Provenienzen  war  im  allge- 
meinen recht  gut.  Nur  die  späteren  Ladungen  von  Rangoon-  wie 
von  Basseinreis  fielen  etwas  gelber  aus.  Eangoon  Ol  -  Siebung 
sdhwankte  im  Laufe  des  Jahres  von  13,25  Mk.  bis  14  Mk.  und 
notierte  Ende  1913  13,75  Mk. ;  bessere,  vollere  Qualität  ca.  1,50 
Mark  teurer.  Basseinreis  00-Siebung  wurde  im  Monat  Mai,  im 
billigsten  Moment,  zu  ca.  14,50  Mk.  gehandelt,  stieg  aber  im 
weiteren  Verlauf  des  Jahres  um  ca.  1  Mk.  Der  heutige  Preis 
für  000-Siebun^  beträgt  ca.  16,25  Mk. 

Der  neue  Patnareis  war  zwar  nicht  von  so  blendender  Schön- 
heit wie  im  Jahre  zuvor,  besonders  war  das  Korn  nicht  so  voll 
und  so  groß,  aber  dennoch  war  die  Qualität  schön  zu  nennen. 

Der  Patnareis  war  recht  teuer;  für  000-Siebung  mußten  im 
höchsten  Moment  ca.  22,50  Mk.  gefordert  werden.  Geringere 
Siebungen  waren  dagegen  ziemlich  vernachlässigt  und  kosteten 
Ende  1913  ca.  18,50  Mk.,  während  in  den  Sommermonaten  bis 
19,50  Mk.  dafür  gefordert  werden  mußten. 

Die  Einfuhr  von  Siampatnareis  war  im  letzten  Jahre 
recht  groß,   und   die   Preise   waren,   im  Einklang  mit  den  stark 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  '  9 


Geschälter 

Reis  im 

Berliner 

Großhandel. 


Rangoon-  und 
Bassein-Reis. 


Patna-   und 

Siampatna- 

Reis. 


130 


I.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 


Moulmaiu-  und 
Arracan-Reis. 


Larong-, 

Saigon-  und 

Japanreis. 

Bruchreis. 


Javareis  und 
Garo)  inareis. 


Aussichten   für 
die   neue  Reis- 
ernte. 


g)6*wiclienen  Preisen  in  Bangkok,  im  Laufe  der  Saison  einem 
starken  Rückgang  unterworfen.  Während  zu  Beginn  der  Saison 
0-Siebung  oa.  17,50  Mk.  kostete,  ging  der  Preis  später  auf 
oa.  14,50  Mk.  herunter. 

Obwohl  die  Qualität  von  Moulmain-  und  Arracan-Reis  sehr 
gut  ausgefallen  war,  fanden  diese  beideto  Provenienzen  am  hiesigen 
Platze  wie  gewöhnlich  wenig  Beachtung.  Moulmain-00-Siebung 
kostete  anfänglich  ca.  14,50  Mk.,  besserte  sich  später  auf  zirka 
16  Mk.,  mußte  dann  aber  wieder  wegen  mangelnder  Nachfrage 
bis  auf  ca.  15,25  Mk.  zurückgehen.  Für  000-Siebung  wird  am 
Schluß  des  Jahres  16,75  Mk.  gefordert. 

Larrong-,  Saigon-  und  Japanreis  wurden  im  Berichtsjahre  auf 
dem  hiesigen  Platze  fast  gar  nicht  gehandelt.  Die  Nachfrage  nach 
Bruchreis  war  im  letzten  Jahre  nicht  sehr  lebhaft,  die  Preise 
gingen  stetig  zurück.  Während  grober  Bruchreis  auf  Lieferung 
aus  dei'  neuen  Ernte  ca.  14  Mk.  erzielte,  betrug  die  Notierung 
Ende  Dezember  nur  ca.  12,25  Mk. 

Die  Qualität  des  neuen  Javareis  war  einwandfrei  schön. 
Schon  Ende  1912  hatten  die  holländischen  Reismühlen  infolge 
günstiger  Einkäufe  ihre  Notierungen  um  zirka  50  Pfg.  pro 
50  kg  ermäßigen  können.  Diese  Preise  zeigten  im  Laufe  des 
Berichtsjahres  wenig  Sch'wankungen,  und  waren  sie  auch  in 
den  Monaten  Mai  bis  August  durch  die  allgemein  rückgängige 
Koiijunktur  auf  dem  Reismarkte  etwas  in  Mitleidenschaft  ge- 
zogen, so  konnten  sie  sich  doch'  im  Laufe  der  späteren  Saison 
wieder  entsprechend  aufbessern.  Der  Konsum  von  Javareis  War 
am  Berliner  Platze  recht  gut.  Reichlich  in  demselben  Maße, 
wie  der  Verbrauch  von  Rangoon-  und  Basseinreis  hier  ab- 
genommen hat,  dürfte  der  Verbrauch  von  Javareis  zugenommen 
haben.  Man  kann  daraus  ^vohl  den  Schluß  ziehen,  daß  die 
lAnsprüche  an  die  Lebenshaltung  auch  in  den  minder  wohl- 
habenden Schichten  der  Bevölkerung  im  Aufsteigen  begriffen 
sind.  Carolinareis  konnte  zwar  1913  nicht  nach  Europa 
importiert  werden,  weil  die  Ernte  recht  ungünstig  gewesen  war, 
der  neue  Carolinareis  hatte  fast  durchweg  gelbes  Korn,  viel- 
fach war  er  auch  mit  Geruch  behaftet  — ,  aber  die  Vorräte  aus 
der  alten  Ernte,  die  sich'  die  holländischen  Mühlen  gesidhert  und 
eingelagert  hatten,  genügten  bis  zum  Jahresende,  um  den  Ber- 
liner Bedarf  von  dieser  edelsten  aller  Reissorten  zu  decken. 

Wenn  man  sich  ein  Bild  davon  machen  will,  wie  die  neue 
Ernte  sein  und  wie  der  Markt  1914  möglicherweise  verlaufen 
wird,  so  ist  zunächst  folgendes  zu  beachten:  Für  Japan  be- 
trägt die  Sehätzung  zirka  6  667  000  t  gegen  6  974  465  t  Ergebnis 
im  vorigen  Jahr.  Für  Slam  beträgt  die  Schätzung*  zirka  1000000 
Tonnen  gegen  1000  000  t  Ergebnis  im  vorigen  Jahr.  In  Saigon 
ist  eine  sehr  große  Ernte  zu  erwarten,  man  schätzt  sie  auf  zirka 


30.   Reis.  131 

1  400  000  t  gegen  1 140  000  t  im  VorjaK'r.  Die  Reisernto  in  Vorder- 
indiea  soll  wiederum  um  zirka  2  000000  t  kleiner  als  im  Vor- 
jahr ausgefallen  sein.  Da  die  vorjährige  Ernte  um  zirka  4000  000 
Tonnen  kleiner  als  im  Jahre  1912  war,  so  ergibt  sich  ein  Fehl- 
betrag von  zirka  6  000  000  t  gegen  ein  normales  Jahr.  Die  Ernte- 
Schätzung  für  Burmah  beträgt  zirka  2  700  000  t  gegen  zirka 
5  610000  t  Sdiatzung  und  2  934  000  t  effektives  Ergebnis  im 
Vorjahre.  Wie  aus  diesen  Schätzungen  hervorgeht,  dürfte  mit 
großen  Ernten  in  Saigon,  Burmah  und  Bangkok  zu  rechnen  sein, 
hingegen  mii.  einem  beträchtlichen  Ausfall  in  Japan  und  in  Vorder- 
indien. Japan  hat  im  letzten  Jahre  zirka  400  000  t  fremden  Reis 
importiert.  Man  nimmt  an,  daß  dieses  Land  1914  mindestens 
700  000  t  importieren  muß.  Ferner  darf  man  nicht  unbeachtet 
lassen,  daß  Vorderindien  auch  im  kommenden  Jahre  wieder  zeitr 
weilig  als  großer  Käufer  an  den  Märkten  des  Ostens  auftreten 
wird;  man  ist  allgemein  der  Ansicht,  daß  das  Plus  der  Ernten 
in  Burmah,  Saigon  und  Bangkok  kaum  annähernd  ausreichen  wird, 
um  den  kommenden  Bedarf  in  Vorderindien  zu  decken.  Schon 
heute  sollen  Anzeichen  vorliegen,  daß  die  kleinste  Nachfrage  für 
Vorderindien  genügt,  um  die  Verschiffer  in  Burmah  zu  erregen 
und  zurückhaltend  za  machen!  Auch  sollen  tatsächlich  schon 
•einige  Aufträge  für  Vorderindien  in  letzter  Zeit  zur  Aus- 
führung gebracht  sein.  Der  Kontinent,  der  sich  lange  den  Offerten 
der  Verschiffer  gegenüber  ablehnend  verhalten  hatte,  hat  zum 
Schluß  des  Jahres  trotz  der  ungeklärten  Lage  sich  dennoch  ent- 
schlossen, größere  Ankäufe  in  Bassein-  und  Eangoon-E,ohreisi  vor- 
zunehlnen,  und  zwar  zu  zirka  7  sh.  9  d.  Die  bisherigen  Ver- 
käufe sollen  zirka  200  000  t  betragen.  Es  läßt  sichj  siehr  schwer 
sagen,  ob  in  den  näöhsten  Monaten  eine  aufsteigende  Konjunktur 
für  Reis  zu  gewärtigen  ist,  da  man  die  wirtsioh'aftliche  De- 
pression, die  sich  überall  geltend  macht,  nicht  aus  dem  Auge 
verlieren  darf,  und  es  auch  heute  noch  nidht  abzusehen  ist,  wann 
•sich  eine  allgemeine  Besserung  im  Geschäftsleben  einstellen  wird. 
—  Wenn  man  aber  alles  in  Betracht  zieht,  ,muß  man  doch 
sagen,  daß  ein  Preis  vion  7  shj  9  d  für  Eohreis  nicht  als  zu  hodh 
angesehen  werden  kann  und  daß  eine  regere  Nachfrage  von 
Japan  und  von  Vorderindien  unter  allen  Umständen  ein  Anziehen 
der  Rohreisnotierungen  zur  Folge  haben  dürfte.  Auf  Lieferung 
aus  neuer  Ernte  haben  einige  wenige  Umsätze  in  gieschälter  Ware 
stattgefunden.  Doch  waren  sie  angesichts  der  äußersten  Zurück- 
haltung der  Käufer  erheblich  kleiner  als  in  früheren  Jahren. 

Tab.  61.  Deutsche  Einfuhr  von  Rohreis  (in  Doppelzentnern). 

Jahr [I Insgesamt |  Dayon  aus  Britisch-Indien 

1911 i         1  531  551        I         1  332  093 

1912 I         1004  504  872  578 

1913 j         1 634  430  1  543  539 


132 


I.   Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    0.  Kolonialwaren, 


Südfrüchte. 
Apfelsinen. 


Citronen. 


Tab.  62.  Deutschlands  Außenhandel  mit  poliertem  Reis  (in  Doppelzentnern). 

Jahr 

Einfuhr 

Ausfuhr 

1911 

1912 

1913 1 

2  659  093 

3  188  984 
3  141458 

2  069  120 
1  732  100 
1843  346 

31.  Südfrüchte  und  Dörrobst. 

Ende  November  1912  setzte  der  Handel  mit  Mnrcia-  und 
Valencia-Apfelsinen  ein.  Die  Preise  waren  zu  Anfang  erheb- 
lich niedriger  alä  im  Vorjahre.  Auch  brachten  die  reichlichen. 
Zufuhren  in  Hamburg  im  Monat  Dezember  einen  ziemlich  gleich- 
mäßigen Markt.  Im  Januar  1913  zogen  die  Preise  für  714  er  um 
oa.  2  bis  3  Mk.  ,aii,  und  der  Konsum  erstreckte  sich  mehr  auf 
420  er.  Später,  als  auch  die  Preise  hierfür  anzogen,  konnte  wieder 
ein  Ausgleich  in  der  Nachfrage  beider  Sorten  hergestellt  werden. 
420  er  large  und  1064  er  large  wurden  ebenfalls  mehr  als  sonst 
begehrt.  Im  April  nahmen  die  Preise  für  714  er  infolge  Knappheit, 
der  kleinen  Früchte  (wieder  eine  steigende  Richtung  ein  und 
blieben  bis  zum  Schluß  der  Saison  teuer.  Im  Berichtsjahr  machte- 
sich  wieder  größere  (Niachfrage  in  besseren  Sorten  spanischer 
Apfelsinen  bemerkbar.  Auch  über  die  Haltbarkeit  ließ  sich 
keine  Klage  führen.  iNur  feine,  ausgewählte  Früchte,  welche^ 
an  und  für  sich  schon  empfindlich  sind,  zeigten  öfter  reich- 
lichen Verderb.  Bei  Blut-Orangen  bestand  wieder  bessere  Nach- 
frage in  Murcia  und  Valencia  der  verschiedenen  Größen.  Diese- 
waren  nicht  übermäßig  teuer,  und  es  gelangten  gute  Sorten  auf 
den  Markt.  Weniger  groß  blieb  die  Nachfrage  in  besten  Messina- 
Blut- Orangen  (markierte  Ware),  bei  denen  sehr  oft  die  Qualität 
in  keinem  Verhältnis  zu  den  dafür  geforderten  Preisen  stand.. 
Ebenfalls  fanden  Sanguini  (Halbblut)  •  nicht  die  Beachtung  wie 
sonst.  In  hellen  Messina-Apfelsinen  war  das  Geschäft  so  schlecht 
wie  selten  zuvor,  da  kaum  gute  Ware  auf  den  Markt  kam. 

Hecht  ungünstig  gestaltete  sich  der  Handel  mit  Zitronen  im 
Berichtsjahr.  Die  Preise  blieben  von  Anfang  an  stets  gleichmäßig 
hoch,  und  der  Konsum  war  nicht  annähernd  so  groß  wie  sonst. 
Wo  im  Juni  und  Anfang  Juli  des  Vorjahres  gute  300  er  und  360  er 
Früchte  zu  9  bis  12  Mk.  zu  verkaufen  waren,  mußten  diese  im. 
Berichtsjahre  um  die  gleiche  Zeit  mit  15  bis  18  Mk.  gehandelt 
werden.  Die  Preise  ließen  für  die  Folge  zwar  etwas  nach,  aber 
das  Geschäft  blieb  schleppend.  Im  Juli/September,  wo  fast  aus- 
schließlich  Vertelli-Zitronen  auf  den  Markt  gelangen,  und  mit 
denen  sonst  ein  dankbares  Geschäft  —  schon  der  Haltbarkeit 
wegen  —  zu  verzeichnen  war,  hat  es  große  Verluste  gegeben. 
Es  fehlte  die  andauernde  Hitze,  und  der  Konsum  blieb  daher  sehr 
beschränkt.  Später,  im  Oktober,  als  über  die  Haltbarkeit  nicht, 
mehr  sehr  geklagt  werden  brauchte,  sind  die  Preise  für  gute, 
klare  300  er  so  hoch  gewesen,  daß  hier  am  Platze  vorzugsweise 
360  er  verlangt  wurden.   Zwar  waren  diese  in  klarschaliger,  feiner 


31.    Südfrüchte  und  Dörrobst.  133 

"Ware  auch  nicht  billig,  aber  es  drängte  alles,  veranlaßt  durch 
das  sohlechte  Geschäft,  auf  geringe  Qualitäten  hin.  Der  Handel 
mit  Malaga-Zitronen,  die  nie  g^ern  gekauft  werden,  bot  nichts  be- 
osonders  Erwähnenswertes.  Die  Preise  standen  fast  auf  gleicher 
Höhe  wie  im  Vor  jähre.  Die  Zufuhren  trafen  jedoch  14  Tage 
:später  als  sonst  ein.  Ebenso  spät  wie  Malaga-  trafen  die  ersten 
Siraensa-Zitronen  via;  Triest  hier  ein,  und  zwar  erst  Anfang  No- 
vember. Der  Grund  dafür  lag  darin,  daß  niemand  infolge  des 
schlechten  Geschäftes  zuerst  die  hohen  Preise  bewilligen  wollte, 
lieber  Hamburg  bezogene  Messina-Herbst-Zitronen  setzten  eben- 
falls teurer  als  sonst  ein,  doch  ließen  die  Preisie  später  etwas 
nach.  Große  Zitronen  150  er,  200er  und  300  er  wurden  reichlich 
zugeführt ;  in  360  er  machte  sich  ein  Mangel  an  Ware  bemerkbar. 

In   Mandeln  machte  sich  schon  bei  Beginn  des  JaJires  eine  Mandeln, 

große  Knappheit  bemerkbar.  Die  Hoffnung,  daß  die  Preise  für 
diesen  Artikel  nach  Weihnachten  nachgeben  würden,  erfüllte  sich 
ebensowenig  wie  in  den  Vorjahren.  Infolge  der  hohen  Preise 
wurde  stets  nur  das  Nötigste  gekauft,  was  fortgesetzte  Treibereien 
zur  Folge  hatte.  Kurante  Mandeln  waa^en  stets  nach  Ankunft 
geräumt.  Der  Konsum  war  ungewöhnlich  schlecht  versorgt  und 
bewilligte  schlank  die  Aufschläge.  Im  April  traten  besonders 
in  Italien  starke  Frostschäden  und  Stüi^me  auf,  und  die  Preise  für 
Mandeln  erreichten  eine  nie  gekannte  Höhe.  Da  Italien  infolge 
der  vorauszusehenden  Mißernte  fast  unerschwingliche  Forderungen 
stellte,  trat  Spanien  als  Hauptprovenienz  in  den  Vordergrund. 
Provence-Mandeln  und  nordafrikanische  Mandeln  waren  ebenfalls 
stark  begehrt.  Spanien  bot  große  Auswahl  in  schönen  bruchfreien 
süßen  und  bitteren  Qualitäten.  Da  man  allgemein  annalim,  daß 
der  Konsum  infolge  der  Hohen  Preise  nachlassen  würde,  wurde 
seitens  des  Handels  wenig  im  voraus  gekauft,  so  daß  das  Mandel- 
geschäft im  Berichtsjahr  trotz  der  ständig  steigenden  Preise  wenig 
Nutzen  einbrachte.  Als  Hauptkonsumenten  treten  immer  mehr 
die  großen  Konfitürenfabriken  hervor,  während  seitens  der 
früheren  hauptsächlichen  Verbraucher,  der  Bäckereien,  immer 
mehr  Mandelersatzstoffe  bevorzugt  werden. 

Die  Preise  für  gew.älilte  süße  Bari-Mandeln  betrugen  im 
-Jahre  1913  für  alte  und  neue  Ernte  in  Berlin  verzollt  pro  50  kg 
in  Ballen  brutto  für  netto  im 

Ware  aus  Ernte  1912                  Ware  aus  Ernte  1913 

Januar 104  M.  —  M. 

Februar 107  „  —  „ 

März 109  „  —  „ 

April 117  „  —  „ 

Mai 132  „  —  „ 

Juni 134  „  —  „ 

Juli 136  „  —  „ 

August 1 38  „  — 

September     ....  142  „  — 

Oktober 145  „ 

November      ....  148  „ 

Dezember      ....  156  „ 


134 


I.    Pflanzliche  Rohprodukte  usw.    C.  Kolonialwaren. 


Sultaninen. 


Rosinen. 


Die  Vorräte  in  Sultaninen  aus  der  Ernte  1912  waren  schoÄ 
zu  Beginn  des  Berichtsjahres  infolge  guten  Abzuges  sehr  gelichtete 
Das  Geschäft  war  das  ganze  Jahr  hLuduroh  als  normal  zu  be- 
zeichnen. Im  Juli  war  die  Auswahl  namentlich  in  feineren  Sorte», 
gering.  E/Cgengüsse  hatten  nachteiligen  Einfluß  auf  die  Qualität 
der  netien  Ernte,  besonders  in  Smyma,  so  daß  im  Oktober  Offerten 
für  helle  Sultaninen  ganz  zurückgezogen  oder  sehr  bedeutend 
erhöht  wurden.  Im  Dezember  erfolgte  ein  starker  Preissturz. 
Die  Durchschnittspreise  stellten  ^ich  im  Jahre  1913  für  alte  und 
neue  Ernte  in  Berlin  verzollt  pro  50  kg  für  Kiup  Karaburnu  SuK 
tanas,  entstielt  und  gereinigt,  in  Kisten: 

Kiup  Vourla  Sultaninen: 

Ware  aus  Ernte  1912                  Ware  aus  Ernte  1918 

Januar 65, —  M.                                 —     M. 

Februar 65, —    „                                   — 

März 63, —    „                                  — 

April 64, —    „                                   — 

Mai 62,—  \                                  —      „ 

Juni 60, —    „                                    — 

Juli 58,—    „                                   —      „ 

August 57, —    „                                  — 

September —      „  53, —    „ 

Oktober —      „  57,—    „ 

November —      „  57, —    „ 

Dezember —      „  50,- —    „ 

Die  diesjährige  Rosinenemte  fiel  besser  aus  als  man  in  Anbe^ 
tracht  der  Trockenheit  "und  der  Kriegsfolgen  annehmen  konnte^ 
Die  Nachfrage  nach  Eosinen  läßt  ständig  weiter  nach.  Es  werden, 
faßt  nur  noch  Suitanas  gefragt.  Die  Preise  in  Berlin  waren 
im  Jahre  1913  für  alte  und  neue  Ernte  folgende  für  50  kg^ 
verzollt,  Kiup  Karaburnu  Eleme  in  Kisten 

Kiup  Karaburnu  Elem^-Rosinen : 

Ware  aus  Ernte  1912  Ware  aus  Ernte  1913 

Januar 48, —  M.                                 —  M. 

Februar 47, —  „                                  — 

März 46, —  „                                  — 

April 47,—  „                                  —  „ 

Mai 45,—  „                                  — 

Juni 43,—  „                                  —  l 

Juli 42,—  „                                  —  , 

Au^st 41, —  „                                  —  „ 

September —  „  43, —  „ 

Oktober —  „  44,—  „ 

November —  „  43, —  „ 

Dezember —  ^  45. —  „ 


Dörrobst  Amerikanische  Riugäpfel  hatten  bis   in  den  Sommer  hinein 

Aepfei.  bei  verhältnismäßig  niedrigen  Preisen,  34  bis  40  Mk.  pro  50  kg- 

frei  Berlin,  verzollt,  starken  Absatz.  Große  Posten  wurden  dann 
in  die  Kühlhäuser  gelegt  und  fanden  bis  zur  neuen  Ernte  gute 
Verwendung.  Die  Geschäfte  auf  Lieferung  von  neuer  Ernte  be- 
gannen im  Mai.   Es  vnirden  etwa  34  Mk.  Kost  und  Fracht  Hamburg- 


32.    Speiseöl. 


135 


per  Oktober/November  giezaJilt.  Die  Käufer  hielten  sich  zunächst 
sehr  zurück,  weil  Berichte  über  große  Mengen,  die  in  Eishäusern 
lagern  sollten,  auf  den  Markt  drückten.  Zur  Zeit  der  effektiven 
Lieferung  im  November  stiegen  »die  Preise  bis  auf  etwa  42  Mk.,, 
der  Nachfrage  konnte  kaum  genügt  werden.  Die  Qualität  der 
neuen  Eingäpfel  war  sehr  mittelmäßig. 

Kalifornische  Birnen  1912  er  Ernte  wurden  Anfang  des  Be-  Bimen. 

richtsjahres  viel  gekauft,  doch  fehlte  es  bald  an  einer  hellen  Ware, 
und  die  Preise  gingen  in  die  Höhe.  Die  neue  Ernte  stellte  sich  als 
klein  heraus,  feine  Marken  waren  schon  im  November  in  Kali- 
fornien lausverkanft. 

Die  alten  Klagen  liber  die  mangelhafte  Dörrung  der  serbischen  Pflaumen. 
Pflaumen,  soweit  diese  in  Säcken  zum  Versand  kamen,  wurden 
wieder  f a^t  bei  jeder  Lieferung  laut.  Alle  Vorstellungen  bei  Be- 
hörden und  Privaten  blieben  fruchtlos;  die  serbische  Qualitäts- 
kontrolle versagte  vollständig.  Unter  diesen  Umständen  machte 
das  Pflaumengeschäft  keine  Freude,  und  es  wurde  erwogen,  ob 
man  nicht  künftig  auf  den  Bezug  serbischer  Saokpflaumen  ganz 
verzichten  wolle.  Bosnien  liefert  bessere  Ware,  namentlich  waren 
die  doppelt  etüvierten  und  entsteinten  Pflaumen  in  Kisten- 
packUngen  von  recht  guter  Beschaffenheit.  Die  Preise  waren 
weichend,  nur  großstückige  Frucht  wurde  fester  gehalten.  Von 
Frankreich  wurde  der  hohen  Forderungen  wegen  im  Berichtsjahre 
nichts  bezogen,  dagegen  wurde  kalifornische  Ware  1912  er  Ernte 
bis  in  den  Herbst  hinein  regelmäßig  gehandelt.  Die  neuen  kali- 
fornischen Pflaumen  wurden  erst  Ende  des  Berichtsjahres  erwartet. 
Die  Ernte  war  klein,  und  die  Preise  auf  Lieferung  namentlich 
von  großer  Ware  zogen  stetig  an.  Neben  Santa-Clara-Pflaumen 
wurden  neuerdings  Oregon^Pflaumen  italienischer  Abstammung 
bezogen.  Diese  Pflaumen  sind  groß,  schmecken  etwas  säuerlich 
und  haben  viele  Liebhaber  gefunden ;  ihre  Haltbarkeit  läßt  aber 
zu  wünschen  übrig'.  Die  Preise  sind  etwaß  niedriger  als  die  der 
echten  kalifornischen  Pflaumen. 

Kalifornien  hatte  im  Berichtsjahre  eine  Mißernte,  die  Qualität         Aprikosen, 
war  im  ganzen  befriedigend,  nur  fehlte  esi  an  ganz  feiner  fancy 
und  extra  fancy  Ware.    Die  Preise  waren  so  hoch,  ca.  68  bis  80  Mk. 
pro    50    kg,    verzollt    frei    Berlin,    daß   sich    der    Konsum    sehr 
zurückhielt. 

Ebenso  war  es  mit  Prünellen,  die  sich   auf  ca.  68  Mk.  per         PrüneUen. 
50  kg,  verzollt  frei  Berlin,  stellten  und  deren  Beschaffenheit  üud 
Haltbarkeit  recht  gering  war. 


32.  SpeiseöL 

Die  Olivenernte  ergab  in  den  Mittelmeerländem  ein  befrie- 
digendes Eesultat,  sowohl  was  Menge,  als  auch  was  die  Qualität 
der  Oliven  anbelangte.  Es  wurden  für  Berlin  hauptsächlich  die 
feineren  Olivenspeisieöjle  dier  Hiviera  ^kauft,  daneben  auch  mitt- 


Olivenspeiseö 
(Provenceöl). 


136 


I.   Pflanzliche  Rohprodukte  usw.   C.  Kolonialwaren. 


lere  Qualitäten  aus  Bari.  Der  Preis  für  feinstes  extra  Viergie- 
Olivenspeiseöl  schwankte  zwischen  73  Mk.  und  76  Mk.  pro  50  kg, 
ab  italienischer  Station;  mittlere  Qualitäten  notierten  zwischen 
63  Mk.  und  66  Mk.  pro  50  kg.  Die  neue  Ernte  veö-spricht  ein 
gutes  Resultat,  und  man  erwartet  etwas  niedrigere  Preise.  Das 
Geschäft  verlief  im  Berichtsjahre  ziemlich  normal.  Die  feinsten 
Qualitäten  behaupteten  ihre  Geltung. 

ErdußnöL  Erdnußöl  erfreut  sich  einer  wachsenden  Beliebtheit  und  gilt 

mehr  und  mehr  als  vollwertiger  Ersatz  für  Olivenöl,  dem  gegen- 
über es  außerdem  den  Vorzug  erheblich  größerer  Billigkeit  hat. 
Spezialfirmen  haben  seit  geraumer  Zeit  wesentlich  dazu  bei- 
getragen, deutsches  Erdnußöl  in  weiten  Kreisen  bekannt  zu  machen 
und  dadurch  mittelbar  unseren  Kolonien  genützt,  wo  Erdnüsse  in 
großem  Umfange  angebaut  werden. 

Sesamöi.  Scsamöl,  ebenfalls  ein  hochfeines  Speiseöl,  findet  mehr  in  Süd- 

deutschland Beachtung.  Für  den  großen  Konsum  werden  jetzt 
vielfach  Mischöle  an  den  Markt  gebracht  Unter  den  verschiedensten 
Bezeichnungen  und  von  oft  zweifelhafter  Güte.  Dadurch  wird 
das  Geschäft  in  ^uten  Qualitäten  oft  empfindlich  geschädigt, 
da  Käufer  leicht  geneigt  sind,  in  erster  Linie  billig  zu  kaufen, 
selbst  wenn  die  Ware  auch  gering  ist. 

In  den  verarbeitenden  Industrien  war  der  Verbrauch  an  Speise- 
ölen schwächer  als  im  Vorjahre,  da  die  Butter-  und  Schmalzpreise 
niedrig  waren,  wodurch  der  Bedarf  nicht  die  vorjährige  Höhe 
erreichen  konnte. 


33.    Gewürzhandel. 

Allgemeines.  In  fast  allen  Gewürzen  zeigte  das  Jahr  1913  einen  ruhigen 

Handel ;  die  Preise  (der  meisten  Artikel  bröckelten  ab,  die  Speku- 
lation  hielt  sich  diesem  Grebiete  vollständig  fern,  und  es  fand 
nur   ein   Bedarfs geschäft  statt. 
Pfeffer.  Die    Vorräte   an   Pfeffer  sind   immer  noch   groß,   besiondors 

hat  Havre  einen  bedeutenden  Vorrat  von  ca.  10  000  t,  auch  (Lon- 
don hat  großes  Lager.  Hierdurch  wurde  verhindert,  daß  sich 
der  Artikel  aufbessern  konnte.  Bei  jeder  Anregung,  welche  die 
Pfeffemotierungen  von  Indien  brachten,  trat  sofort  das  Angebot 
der  europäischen  Terminbörsen  dringend  hervor,  so  daß  eine 
Besserung  der  Preise  stets  im  Keime  erstickt  wurde.  Dabei  waren 
die  Ernten  in  Indien  kleiner  als  in  früheren  Jahren,  und  die 
Tendenz  an  den  Exporthäfen  blieb  durchaus  fest.  Die  Preise 
für  schwarzen  Singapore-Pfeffer  setzten  zu  Anfang  des  Jahres 
mit  52  Mk.  pro  50  kg  cif  Hamburg  ein  und  ermäßigten  sich 
bei  schleppendem  Geschäft  nach  und  nach  bis  ai;f  47  Mk.  Die 
Abladungen  von  Indien  zeigten  meist  zufriedenstellende  Qualität, 
ab  und  zu  wurde  über  dumpfige  Ware  Klage  geführt.  Weißer 
Singapore-Pfeffer   ließ   oft   in   Qualität  zu  wünschen   übrig,   die 


33.   Gewürzhandel. 


137 


Abladungen  von  Indien  haben  sieh  von  Jahr  zu  Jahr  verschlech- 
tert; weißer  Singapore-Pfeffer  ist  recht  iinb-eliebt  geworden.  Die 
Preise  schwankten  zwischen  81  und  78  Mk.  pro  50  kg  cif  Ham- 
burg. Die  Qualität  des  weißen  Java-(Muntok-)Pfeffers  fiel  im 
allgemeinen  g-ut  aus  imd  die  AVare  wurde  gern  gekauft.  Zeit- 
weise machte  sich  Mangel  an  greifbarer  "Ware  geltend;  besonders 
in  den  Herbstmonaten  wurde  ein  ziemliches  Aufgeld  für  sofort 
lieferbaren  Mujitok-Pfeffer  bezahlt.  Die  Preise  notierten  von 
85  Mk.  bis  89  Mk.  pro  50  kg  cif  Hamburg.  Die  übrigen; Pf effer- 
sorten,  wie  schwarzer  Lampong-Pfeffer,  weißer  ^iam-  und  weißer 
Penang-Pfeffer  kamen  für  den  Berliner  Markt  weniger  in  Be- 
tracht, die  Preise  dieser  Qualitäten,  folgten  den  Notierungen  der 
Hauptsorten. 

Zanzibar-Nelken  setzten  Anfang  des  Jahres  1913  hoch  ein 
und  notierten  ungefähr  95  Mk.  pro  50  kg  cif  Hamburg.  Dieser 
Preis  h,ielt  sich  bis  in  die  Sommermonate,  dann  kamen  Nach- 
richten von  Zanzibar  über  eine  ungewöhnlich  große  Ernte  und 
die  Preise  'gingen  langsam  zurück.  Als  sich  im  Herbst  heraus- 
stellte, daß  die  Ernte  ca.  175  000  Ballen  betragen  würde,  gegen 
30  000  Ballen  im  Jahre  1912,  fielen  die  Preise  für  Nelken  weiter 
rapide  und  erreichten  im  November  den  niedrigsten  Stand  von 
55  Mk.  pro  50  kg  cif  Hamburg.  Bei  dieser  außerordentlich  billigen 
Notiz  zeigte  sich  von  allen  Seiten  starke  Kauflust,  so  daß  die 
Preise  im  Dezeniber  auf  59  Mk.  steigen  koointen.  Die  Qualität 
der  Zanzibar-Neiken  war  gut,  und  der  billige  Preis  dürfte  den 
Konsum  aufbessern.  Nach  einer  großen  Ernte  ist  mit  ziemlicher 
Sicherheit  für  1914  auf  ein  kleineres  Erträgnis  zu  rechnen,  weil 
die  Bäume  erschöpft  sind  und  wenig  Blütenansätze  zeigen  sollen. 

Die  Preise  für  Jamaika-Piment  hielten  sich  das  ganze  Be- 
richtsjahr hindurch  auf  der  niedrigen  Preisbasis  von  ca.  ,18  Mk. 
pro  50  "kg  cif  Hamburg.  Der  Konsum  dieses  G-ewürzeS  geht 
anscheinend  zurück.  Der  außerordentlich  billige  Preis  dürfte  kaum 
die  Kultur  auf  Jamaika  noch  lohnen  lassen.  Die  Qualität  der 
Jamaika-Abladungen  ließ  viel  zu  wünschen  übrig  und  gab  zu 
vielfachen  Bemängelungen  Anlaß.  Die  Plantagenbesitzer  geben 
sich  hex  den  unlohnenden  Preisen  anscheinend  wenig  M.ühe,  eine 
einwandfreie  Qualität  für  den  Export  fertigzustellen. 

Die  Preise  für  Cassia  lignea  blieben  im  Jahre  1913  ziem- 
lich unverändert  und  bewegten  sich  zwischen  30  Mk.  und  32  Mk. 
pro   50  kg  cif  Hamburg. 

Das  Geschäft  in  Kaneel  war  schleppend,  die  Preise  gingen 
zurück,  es  wurde  nur  für  den  nötigsten  Bedarf  gekauft,  ziumal 
die  Preisbasis  immer  noch  hoch  ist.  Amerika,  namentlich  Mexiko, 
haben    dieses  Jahr  wenig  Kaneel  von   Ceylon   importiert. 

Die  Ernte  in  Ingwer  fiel  gut  aus,  und  die  Preise  ^wurden 
nichtig.  Feiner  geschälter  Kochin-Ingwer,  Sortiment  B,  notierte 
von  64 — 44  Mk.  pro  50  kg  cif  Hamburg. 


Weißer  Java- 
(Muntok)- 
Pfeffer 


Nelken. 


Piment. 


Cassia  lign 


Kaneel. 


Ingwer. 


138 


II.    Tierische  Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Macisnüsse.  Macisnüsse  verharrten  auf  einer  niedrigen  Preisbasis.   Gegen 

Ende  des  Jahres  konnten  die  Preise  etwas  aliziehen,  weil  in 
Lf^msterdam  ein  Terminmarkt  für  dieses  Gewürz  eingerichtet 
wurde  und  Käufer  reichlich  vorhanden  waren.  Macis blute  hatte 
omten   Konsum   bei   ziemlich  hohen   stabilen  Preisen. 

o 

Kardamom.  Das  Ernteergebnis   in  Kardamom  war  größer,  als  erwartet 

wurde,  und  die  Preise  mußten  sich  einen  starken  Rückgang  ge- 
fallen lassen.  Ceylon  Kardamom  notierte  noch  im  Januar  500  Mk. 
pro  50  kg  cif  Hamburg,  um  dann  bis  425  Mk'.  zurückzugehen. 


Einwirkung  der 
Ernteverhält- 
nisse    auf    die 
Viehhaltung. 


II.    Tierische  Rohproduicte  und  Fabriicate. 

34.   Vieh. 

Wie  im  vorigen  Jahnesbeirieht  dargetan  Wurde,  stand  die 
Versorgung  decr  Bevölkerung  mit  Schlachtvieh  und  Fleisch  im! 
Jahre  1912  noch  Unter  der  Nachwirkung  der  äußerst  ungüttstigec 
Futtermittel  ernte  des  Jahres  1911.  Auch  im  Jahre  1913  machte 
sich  diese  Nachwirkung  trotz  der  guten  Ernte  des  Jahres  1912 
und  der  ebenfalls  guten  Ernte  des  Jahres  1913  noeh  mehr 
bemerkbar,  als  man  hätte  annehmen  sollen.  Die  Ernte  hatte 
gebracht : 


Tab.  63. 

Ernteerträge  an  Futtermitteln  (in 

Tonnen). 

Jahr 

Sommergerste 

Kartoffeln 

i 

Wiesenheu 

1910 
1911 
1912 

2  902  938 

3  159  915 
3  481974 

43  468  395 
34  374  225 
50  209  466 

28  250115 
19  975  324 
27  681  860 

Stand  den  Viehzüchtern  und  Mastern  hiemach  vom  Herbst 
1912  an  eine  bedeutende  Futtermienge  zur  Verfügung,  so  ge^ 
nügte  sie  doch  nicht,  die  verminderten  Bestände  an  Bindern, 
Kjälbern  und  Schafen  zu  ergänzen  und  zugleich  die  nötige 
iMenge  Schlachtvieh  für  den  Fleischkonsum  zu  liefern.  Um 
diesen  einigermaßen  zu  befriedigen,  wurden  die  Rinder  viel- 
mehr unter  dem  Einfluß  hoher  Verkaufspreise  vielfach  in  un- 
reifem Zustande  zum'  Schlachten  verkauft  und  dafür  wieder 
Kälber   zrur  Aufzucht   aufgestellt. 

Am  ehesten  hätte  erwaxtet  werden  können,  daß  sioli  die 
Schweinezucht,  gestützt  auf  die  reiche  1912er  Ernte  an  Gerste 
und  Kartoffeln,  auf  ihre  frühere  Höhe  erheben  würde,  und 
man  hat  wohl  ziemlich'  sicher  gehofft,  daß  dies  schon  im 
Frühjahr  1913  eintreten  Und  das'  fehlende  Fleisch  der  anderen 
Tierarten  in  ausreichendem  Maße  durch  \Schweinefleisch'  ersetzt 
werden  wiirde.  Aber  auch  diese  Hoffnung  ging  nur  zu  einem 
sehr  geringen  Teile  in  Erfüllung,  indem  zwar  im  zweiten  Viertel- 


34.   Vieh. 


139 


jalire  lein  etwas  reiöhliclheres  Angebot  'an  Soh weinen  erfolgt©, 
das  auch  von  einem  merkbaren  Preisnachlaß  begleitet  war;  aber 
bereits  mit  Beginn  des  dritten  'Vierteljahres  verminderte  sich 
das  Angebot  wieder  'unter  Steigerung  der  Preise. 

Eine  Erklärung  für  (diese  iatiffallende  Erscheinung  dürfte 
in  der  verminderten  Einfuhr  ausländischer  Gerste  zu  finden  sein, 
die  lauf  die  Schweinehaltung  des  Deutschen  Reiches  einen  so 
erheblichen  Einfluß  gewonnen  hat  tmid  deren  verminderte  Ein- 
fuhr den  einheimischen  Gertstenpreis  bis  zur  Jahresmitte  sehr 
hoch  hielt.  Recht  ungünstig  haben  auf  die  Schweinezucht  auch 
die  weitverbreiteten  und  sich  im  Laufe  des  Berichtsjahres'  immer 
mehr  ;ausdehnenden  ansteckenden  Sohweinekrankheiten  gewirkt, 
die  in  nicht  wenigen  landwirtschaftlichen  Gehöften  zur  gänz- 
lichen Einstellung  der  Ferkelzucht  und  der  Schweinemast  gCn 
führt  haben  dürfte,  weil  sie  sich  unter  diesen  Verhiältnissen 
als    unrentabel   erwiesen. 

Im   Deutßichen  B;eichie   betrug   der   Viehbestand: 


Tab.  64. 

Viehbestand  des  Deutschen  Kelches 

Jahr 

Rindvieh     | 

Schafe     1 

Schweine 

1904 
1907 
1912 

19  331  568   i 

20  630  544   i 

20  158  738   1 

7  907  173 
7  703  710 

5  787  848 

18  920  666 
22  146  532 

21  885  073 

in    Preußen,    in   dem    alljiährlidh    eine    Viehzählung   stattfindet 
Tab.  65.  Viehbestand  Preußens. 


Jahr 

Rindvieh    | 

Schafe 

Schweine 

1908 

12  089  072 

5  260  238 

13  422  373 

1909 

11763161 

4  975  632 

14162  367 

1910 

11  592  521   ! 

4  632  069 

16  491559 

1911 

11688  234   i 

4  372  489 

17  244  855 

1912 

11  856  106   i 

4  107  377 

15  452  951 

Dia  die  Bevölkerung  des'  Reiches  in  den  letzten  10  Jahren 
jährlich  um  rund  1,4  o/o  und  die  des  preußischen  Staates  um 
1,5  o/o  zugenommen  hat,  &o  geht  aus  den  vorstehenden  Zahlen 
hervor,  daß  die  Entwidkltuig  der  Viehzucht  mit  der  der  Be- 
völkerung niöht  mitgekommen,  sondern  erheblich  hinter  ihr 
zurückgeblieben  ist.  Denn,  übertrifft  die  Zunahme  der  Schweine- 
zucht laudli  ©twaß  die  Zunahme  der  Bevölkerun,g,  so  ist  die  der 
Rinder-  und  Sdhafztucht  doch  so  jsehr  zurückgeblieben,  daß  ein 
Ausgleich  nicht  stattfindet.  Hinsichtlich  des'  Jiindviehes  i;st 
das  um  &o  bedauerlicher,  lals  ©9  nicht  nur  Fleisch,  sondern  auch 
Ihochwertige  Molkereiprodukte,  Felle  usw.  liefert.  Immerhin 
dürfte  angesichts  der  befriedigenden  Weltgetreidoemte  ;und  der 
gleichfalls  befriedigenden  einheimischen  Ernte  des  Berichtsjahres 
zu  Beginn  des  Jahres  1914  ein  Mehrangebot  von  Vieh,  besonders) 
von  Schweinen,  und  ein  Nachlassen  der  Preise  zu  erwarten  sein. 


Viehstatistik. 


140 


II.    Tierische  Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Viehseuchen. 


Preis- 
feststellungs- 

lind 

Fütteruiigs- 

ordnung. 


Zufuhr  zumBer- 

liner  Schlacht- 

viehmarkt. 


Ausfuhr 

nach  anderen 

Märkten. 


Viehpreise. 


Außer  den  Schweineseuchen  haben  andere  Viehseuchen  nicht 
störend  auf  den  Viehhandel  eingewirkt,  so  daß  sich  eine  ver- 
mehrte Vieheinfuhr  aus  dem  Auslande,  aus  Dänemark,  Schweden, 
Oesterreich,  Holland  und  der  Schweiz  entwickeln  konnte.  Ueber 
den  hiesigen  Markt  wurde  w|ährend  der  Berichtszeit  keine 
veterinärpolizeiliche  Ausfuhrsperre  verhängt. 

Als  das  Gesetz  vom  8.  Febr.  1909  und  die  auf  Grund  des- 
selben erlassene  Preisfeststellxmgsordnujig  beim  Markthandel  mit 
Schlachtvieh  für  den  hiesigen  Viehhof  am  1.  Juni  1909  in  Krafl 
trat,  war  der  HaupteiQwand  der  Fleischer  gegen  den  dadurch 
eingeführten  teilweisen  Wiegezwang  für  die  lebenden  Tiere  der, 
daß  dieser  den  Handel  nach  Lebendgewicht  begünstigen,  den  nach 
Stück  allmählich  verdrängen  und  damit  die  Fleischer  infolge 
der  einsetzenden  übermäßigen  Fütterung  des  Handelsviehes  benach- 
teiligen werde.  Die  Befürchtungen  der  Fleischer  sind  denn  auch 
im  Laufe  von  drei  bis  vier  Jahren  nach  und  nach,  eingetreten. 
Während  früher  Rinder  und  Schafe  auf  dem  Viehhofe  nur  aus- 
nahmsweise eine  mäßige  Beigabe  von  Kraftfutter  erhielten  und 
hauptsächlich  mit  Heu  und  Wasser  versorgt  wurden,  gingen 
die  Verkäufer  mit  der  Zunahme  des  Verkaufs  nach  Lebend- 
gewicht immer  mehr  dazu  über,  das  Kraftfutter  (Gerstenschrot 
und  Kleie)  als  Hauptfutter  zu  verabreichen,  weil  es  auf  längere 
Zeit  das  Lebendgewicht  der  Tiere  erhöhte  als  das  Rauhfutter. 
Dazu  kam  noch,  daß  das  Kraftfutter,  trocken  verabreicht, 
größeren  Durst  erzeugte,  der  aber  durch  Verabreichung  von 
Wasser  möglichst  erst  vor  Marktbeginn  ausreichend  gestillt  wurde. 
Schließlich  wurde  die  Sache  durch  Erlaß  neuer  Fütterungsbe- 
stimmungen vom  4.  März  d.  J.  in  geordnet©  Bahnen  zu  leiten  ver- 
sucht. Diese  Bestimmungen  erwiesen  sich  aber  nicht  als  aus- 
reichend für  den  beabsichtigten  Zweck,  und  es  folgte  unter  dem 
21.  Juli  1913  eine  neue  Fütterungsordnung,  die  sich  jedoch  eben- 
falls nicht  als  ausreichend  erwies,  die  übermäßige  Verabreichung 
von  Kraftfutter  an  Binder  und  Schafe  zu  verhindern.  Im  Gegen- 
teil wurde  sie  so  weit  getrieben,  daß  nicht  selten  Tiere  -an  Ver- 
dauungsstörungen erkrankten  oder  sogar  eingingen.  Die  weitere 
Folge  war  der  Erlaß  einer  dritten  Fütterungsoirdaung,  welche  am 
14.  Nov.  1913  erschien. 

Die  Zufuhren  zum  Berliner  Schlachtviehmarkte  waren  um 
8648  Binder,  95  632  Schweine,  11796  Kälber  und  4594  Schafe 
geringer  als  im  Jahre  1912. 

Die  Ausfuhr  lebender  Tiere  nach  anderen  Orten  betrug- 
7473  Binder,  13  088  Schweine,  1603  Kälber  und  17  592  Schweine 
mehr   als    ün    Jahre    1912. 

Die  seit  länger  als  einem  Jahrzehnt  mehr  oder  weniger  ge- 
stiegenen Viehpreise  erreichten  mit  Ausnahme  der  Schweine 
bester  Qualität  den  höchsten  bisher  gekannten  Stand.    Die  Preis- 


34.   Vieh. 


141 


erhöhnjigen     betrugen    gegenüber    dem    JaJire    1912    für   50    kg 
Schlachtgewiclit : 


ür 

Rinder     bester     Qualität    . 

.     .     0,14 

geringer       „ 
Schweine       „              „ 
Kälber  bester              „ 

.     .     3,63 

.     .     2,30 

.     .     .     6,33 

n 

„        geringer          „ 
Lämmer  bester           „ 
Schafe 

.     .     8,07 
.     .     5,26 
.     .     6,82 

geringer 

.     .     .     7,12 

Mk. 


Die  1912  eingetretene  Vieh-  und  Fleischteuerung  ging  im 
laufenden  Jahre  also  nicht  zurück,  sondern  stieg  sogar  noch.  Eine 
Preisermäßigung  trat  nur  für  Schweine  bester  Qualität,  und  zwar 
um  1,18  Mk.,  ein. 

Der  Stadt  Berlia  ist  auch  im  Berichtsjahre  die  ministerielle 
Genehmigung  zur  Fleischeinfuhr  aus  Rußland  bis  zum  1.  Ja- 
nuar 1914  erteilt  worden.  Es  beteiligten  sich  am  Bezüge  wieder 
mehrere  Vorortgemeinden,  doch  war  der  Erfolg  nicht  so  grtoß 
wie  im  Vorjahre,  weil  infolge  Konjunkturrückganges  in  der 
Industrie  wenig  Kauflust  für  russisches  Fleisch  vorhanden  und 
auch  die  Kaufkraft  der  arbeitenden  Bevölkerung  stark  ge- 
sunken war. 

üeber  den  Auftrieb  von  Schlachtvieh  auf  dem  Berliner  Markt, 
die  Schlachtungen  im  hiesigen  Schlachthof,  die  Ausfuhr  lebenden 
Viehes  und  die  Preisbewegungen  geben  die  folgenden  Tabellen 
näheren  Aufschluß. 


Einfuhr. 


Tab.  66. 

Auftrieb 

von  Schlachtvieh 

am  Berliner  Markt. 

i 

1909 

1910 

1911 

1912 

1913 

I.      1     IL     i     m.     1     IV. 

Vierteljahr                             ^^• 

Rinder     . 
Schweine 
Kälber     . 
Schafe     . 

262  516 

1  285  054 

211610 

632  758 

240  071 

1333  910 

197  828 

628  951 

222  992 

1  485  ^06 

196  428 

551413 

201  624 

1  500  484 

183  129 

570  510 

58  712 
342  608 

44  815 
136  833 

55  593 
367  530 

51038 
148  976 

37  700 
328  882 

39  336 
170  235 

40  971 
365  832 

36  144 
109  872 

192  976 

1  404  852 

171  333 

565  916 

Tab.  67. 


Schlachtungen  im  Berliner  Schlachthof. 


1909 


1910 


1911 


1912 


1913 

II.     I    m. 

Vierteljahr 


IV. 


Zus. 


Rinder 
Schweine 
Kälber 
Schafe   . 


158  184 

1  088  954 

173  026 

516  867 


148  463  138  286 

1  150  720  1  302  683 

163  121   159  398 

525  076  508  446 


114  064  26  382 

1  286  8521 284  545 

145  752|  33  329 

499  323  119  271 


23  934 
308  182 

38  077 
118  320 


22  437 

277  020 

30  624 

137  986 


25  190 
308  385 

30  323 
101  560 


97  943 

1  178  132 

132  353 

477  137 


Tab.  68. 

Ausfuh 

r  lebend 

en  Schlachtviehs 

vom  Berliner  Markt. 

1909 

1910             1911 

1912 

in  die 

Umgegend 

Berlins 

1913 
indieübrige 

Provinz 
Brandenbg. 

darüber 
hinaus 

Zus. 

Rinder  .     .     . 
Schweine  .     . 
Kälber  .     .     . 
Schafe   .     .     . 

104  332 

196  100 

38  584 

115  891 

91608 
183  190 

34  707 
103  875 

84  706 

183  223 

37  030 

42  967 

87  560 

213  632 

37  377 

71  187 

52  275 

105  691 
18  957 
12  748 

4  879 

101  930 

8  061 

29  272 

37  879 
19  099 
11962 
46  759 

95  033 
226  720 

38  980 
88  779 

142 


n.    Tierische  Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Tab.  69.  Preisbewegung  am  Berliner  Viehmarkt. 

(Preise  in  Mark  für  100  Pfund  Schlachtgewicht,  bei  Schweinen  für  100  Pfund  Lebendgewicht  mit  20  o/o  Tara.) 


Rinder 

Schweine 

Kälber 

Hammel 

Lämmer 

1912  1         1913 

1912  i         1913 

1912  1          1913 

1912    1          1913         1 

1912    1  191S 

Durchschnittspreis 

«i 

.»j 

.»»• 

*i 

^ 

^ 

-*i 

*{ 

*5 

*i 

00 

^ 
^ 

1 

1 

'S 

1 

1 

1 

•i 

1 

X! 

A 

^ 

A 

A 

!a 

A 

^ 

A           A 

a 

.a 

A 

Januar  .     .     . 

87.50 

90.50169.- 

61.22  82.75  75.25 

112.— 

120.38 

73.50 

72.80 

84.86 

65.14 

80.80 

94.5 

Februar 

86.— 

89.7569.— 

63.—  80.13  72.38 

104.— 

116.25 

75.88 

71.— 

85.67 

71.— 

82.— 

95.3 

März  . 

88.40 

89.-i67.80 

69.44!78.33|70.22 

109.78 

118.67  76.44 

74.— 

88.29 

73.14 

83.33 

98.- 

April . 

88.75 

89.5067.— 

73.50 

71.5663.67 

115.75 

119.11  65.— 

78.17 

88.— 

73.20 

88.67 

98.- 

Mai     . 

89.75 

89.8065.40 

72.11 

68.8962.56 

113.56 

120.89  78.44 

83.— 

88.— 

76.— 

92.— 

96.8 

Juni  . 

92.— 

91.7567.75 

71.78 

68.3861.88 

105.— 

110.88170.75 

88.— 

91.14 

75.29 

98.29 

97.7 

Juli    . 

!94.- 

92.5069.75 

175.56 

76.33169.44 

103.33;110.22 

78.— 

85.50 

86.75 

61.88 

99.— 

96.5 

August 

195.— 

92.60l66.40 

183.89 

77.89i71.89 

111.331113.67 

81.67 

84.86 

86.33 

65.— 

97.14 

97.- 

September 

93.7593.50168.— 

185.88 

75.75 

69.33 

112.75  114.63 

80.63 

87.— 

87.— 

69.— 

98.67 

96.- 

Oktober . 

91.25  91.75168.— 

185.22 

75.22 

69.— 

113.56120.11 

83.67 

80.67 

90  67 

64.67 

92.40 

98.3 

November 

93.80j92.20  68.40 

85.89i73.— 

66.— 

116  33  122.44 

76.33 

86.— 

91.- 

68.20 

96.— 

99.6 

Dezember 

92.50191.50  66.— 

84.13J69.25 

6175 

119.13:125.13 

78.38 

83.67 

88.80 

68.20 

93.33 

96.8 

Jahres- 
durchschnitt 

91.0691.20 

67.71 

75.97 

74.79 

67.78 

1 
111.37117.70 

76.56 

81.22 

88.04  69.23 

91.80 

97.0 

1911.  .  .  . 

84.17' 

58.91 

105.55i 

74.— 

82  85 

1910.  .  .  . 

82.78i 

68.04 

107.19 

77.31 

83.10 

1909 

•  • 

•  • 

76.78 

69.84 

94.74 

72.05 

76.36 

35.   Wild  und  Geflügel. 

Die  Wildzufiihren  des  Jahres  1913  liaben  diejenigen  des  Vor- 
jahres bei  weitem  übertroffen,  dementsprechend  sind  auch  die 
Preise  ^urüokgegangen.  Trotzdem:  ist  der  E-ückgang*  der  Preise 
aber  nicht  so  bedeutend,  als  man  es  hätte  eigentlich  hiemach 
und  in  Anbetracht  der  sinkenden  Fleischpreise  erwarten  siollen. 
So  betraf  der  Rückgang  der  Preise  bei  Hasen  z.  B.  nur  16  Pfg., 


Tab.  70. 


Monatliche  Durchschnittspreise  von  Wild  und  Geflügel 


Reh- 
wüd 

Rot- 
wild 

Dam- 
wild 

Wild- 
schwei- 
ne 

Frisch- 
linge 

Hasen 

Ka- 
ninchen 

Alte 
Reb- 
hühner 

Junge 
Reb- 
hühner 

Pfd. 

Pfd. 

Pfd. 

Pfd. 

Pfd. 

Stück 

Stück 

stück 

stück 

Januar      . 

73 

56 

56 

48 

68 

421 

109 

_ 

_ 

Februar 

— 

58 

59 

48 

62 

447 

107 

— 

— 

März    . 

82 

64 

63 

53 

65 

448 

110 

— 

— 

April    . 

73 

66 

68 

59 

64 

— 

90 

— 

— 

Mai.     . 

77 

65 

64 

46 

54 

— 

77 



— 

Juni     . 

74 

60 

61 

41 

— 

— 

68 

— 



Juli.     . 

81 

66 

68 

50 

58 

— 

81 

— 

— 

August 

69 

57 

56 

48 

— 

— 

79 

90 

132 

September 

86 

54 

60 

49 

— 

— 

86 

91 

133 

Oktober  . 

88 

48 

58 

49 

58 

380 

86 

89 

127 

November 

66 

49 

58 

44 

58 

377 

83 

80 

110 

Dezember 

73 

45 

46 

43 

56 

369 

88 

67 

108 

Jahresmittel 

1913  .     .    . 

77 

57 

60 

48 

60 

407 

89 

83 

122 

gegen  1 

?12 

—  7 

—  3 

—  2 

—  5 

—  3 

—  16 

—  2 

—  13 

— 

35.   Wild. 


J43 


trotzdem  die  Felle  im  vorigen  Jahre  tun  durchsclinittlicli:  80  Pfg. 
höher  bewertet  wurden.  Hochwild  und  Wildschweine  sind  durch- 
schnittlich im  Preise  um  4  Pfg.  pro  Pfund  zurückgegangen. 
Ziemlich  bedeutend  ist  der  Rückgang  bei  den  Fasanenhähnen, 
die  21  Pf'g.  im  Preise  nachließen,  was  darauf  zurückzuführen 
ist,  daß  im  Berichtsjahre  die  Qualitä^t  der  Fasanen  durchWeg 
igeringer  war.  Die  Tiere  müssen  sämtlich  unter  Nahrungsmangel 
gelitten  haben.  Rebhühner  wurden  um  13  Pfg.  niedriger  bewertet. 
Im  zahmen  Geflügel  wiesen  lebende  Enten  eine  Preissteigerung 
von  15  Pfg.  auf,  während  die  geschlachteten  Enten  um  33  Pfg. 
geringer  bewertet  wurden.  Lebende  sowohl  wie  geschlachtete 
Hühner  haben  um  ca.   7  Pfg.  im  Preise  nachgelassen. 

Qnter  Tabelle  70  geben  wir  die  Durchschnittspreise,  die  in 
den  einzelnen  Monaten  in  dem  Jahre  1913  erreicht  wurden,  an. 

Einem  anderen  Berichte  entnehmen  wir  folgende  ergänzende 
Ausführungen : 

Im  Januar  und  Februar  1913  wurden  die  im  Dezember  1912 
eingelagerten  "Wildbestände  zu  guten  Preisen  sehr  bald  geräumt. 
Sehr  groß  war  im  Berichtsjahre  die  Zufuhr  in  russischen  Hasel- 
hühnern. Die  Tiere  waren  infolge  des  milden  Winters  ^'ziemlich' feist 
und  wurden  im  Großhandel  pro  Stück  mit  1,10 — 1,20  Mk.  gehandelt. 
Schneewild  und  Birkwild  kam  weniger  reichlich  auf  den  Markt. 
Im  Mai  begannen  die  Zuf^ihren  in  Rehwild,  die  in  diesem  Jahre 
besonders  reichlich  ausfielen.  Der  Durchschnitt^reis  betrug 
0,65  ^k.  pro  V2  kg.  Im  Juli,  August  und  September  erzielten 
die  wenigen  Stücke  Rotwild  recht  gute  Preise.  Der  Durch- 
schnittspreis w^ar  wieder  0,45 — 0,60  Mk.  pro  V2  kg.  Die  Zufuhr 
in  Rebhühnern  war  in  diesem  Jahre  reichlicher  als  im  Jahre  1912. 
Es  wurden  junge  Hühner  mit  1,10 — 1,20  Mk.,  alte  mit  0,80  bis 
0,90  Mk.  im  Großhandel  bezahlt.  Die  Fasanenzufuh'r  war  geringer 
als   im   Jahre   1912,   die   Preise  waren  infolgedessen   auch  höher. 


im  Jahre  1913  in  Berlin  (in  Pf.  für  ein  Pfund  oder  Stück). 


Fa- 

/\      Geschl. 

QeschL 

Geschl. 

Geschl. 

Leb. 

Leb. 

Leb. 

Rasse- 

sanen- 
hähne 

sanen- 
hennen 

Hühner 

Enten 

Gänse 

Puten 

alte 
Hühner 

junge 
Hühner 

Enten 

geflügel 
dt.  Zucht 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

Stück 

273 

171 

238 

300 

64 

81 

213 

112 

207 

380 

304 

195 

218 

300 

97 

90 

205 

123 

230 

364 

313 

200 

228 

300 

— 

84 

239 

147 

300 

400 

266 

225 

211 

295 

98 

65 

233 

110 

212 

393 

200 

225 

212 

303 

90 

70 

213 

83 

175 

368 



270 

274 

71 

— 

190" 

81 

190 

312 

194 

222 

63 

— 

195 

78 

179 

— 

— 

— 

250 

214 

66 

— 

216 

102 

173 

340 

316 

220 

234 

247 

65 

— 

222 

118 

175 

295 

245 

156 

222 

290 

68 

_ 

218 

121 

205 

440 

235 

151 

211 

308 

68 

— 

213 

125 

216 

490 

292 

169 

213 

290 

69 

83 

207 

138 

388 

— 

272 

190 

223 

279 

74 

79 

214 

113 

221 

378 

—  21 

—  10 

—  6 

—  33 

—  1 

0 

-7 

+  2 

+  15 

—  60 

144  n.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 

Besonders  im  Dezember  fin^n  Fasanen  an,  knapp  zu  werden. 
Junge  Hähne  wurden  im  Großhandel  mit  2,50—2,75  Mk.,  alte 
mit  2—2,25  Mk.,  Hennen  mit  1,60—2  Mk.  bezahlt.  Die  Hasen- 
preise erreichten  im  Berichtsjahre  nicht  die  Höhe  wie  1912. 
Schuld  daran  waren  nicht  die  reichlichen  großen  Zufuhren, 
sondern  die  niedrigen  Preise  für  Hasenfelle.  Der  Fellpreis  be- 
trug im  Jahre  1912  1,25  Mk.,  1913  nur  0,50  Mk.  pro  Stück. 
Zum  Schluß  des  Jahres  1913  blieben  nur  geringe  Bestände  Wild 
und  Wildgeflügel  im  Kühlhaus  lagern.  Der  Wildhandei  kann,  mit 
dem  Jahre  1913  zufrieden  sein. 

Die  Herstellung  von  Gänseartikeln  setzte  1913  erst 
später  als  sonst  ein.  Während  in  normalen  Jahren  die 
Einfuhr  der  Gänse  Anfang  August  beginnt,  war  dies  im 
Jahre  1913  erst  Ende  August  der  Fall,  und  die  Einfuhr 
dehnte  sich  bis  Ende  September  aus.  Dies  war  für  den 
Fabrikanten  äußerst  peinlich,  da  in  der  ersten  Zeit  jeder  nach 
Ware  drängt.  Die  Preise  setzten  gleich  hoch  ein,  da  die 
Nachfrage  ziemlich  rege  war.  Dieser  Zustand  hielt  auch 
während  der  ganzen  Saison  an.  Die  Abschlußpreise  gingen 
Ende  November  um  5  Pfg.  zurück.  Vorrat  an  Fabrikaten 
war  überhaupt  nicht  vorhanden,  es  wurde  alles  sofort  versandt. 
Die  Vorräte  an  Brüsten  waren  bald  vergriffen,  so  daß  die 
Saison  schon  vor  Weihnachten  zu  Ende  ging.  Die  Preise  für 
igepökelte  imd  geräucherte  Gänseartikel  betrugen  ab  Pommern 
je  nach  Qualität:  für  Gänsebrüste  ohne  Knochen  1,85 — 2,05  Mk. 
per  1/2  kg,  füx  Gänsebrüste  mit  Knochen  1,80 — 2  Mk.  per  1/2  kg, 
für  Gänsefett  1 — 1,20  Mk.  per  V2  kg  und  für  GänsepökelfleLseh 
0,75—0,80  Mk.  per  1/2  kg. 

36.  Milchhandel. 
Das  Jahr  1913  brachte  dem  Milchhandel  wieder  ein  sehr 
schleohtAs  Geschäft.  Die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  legten  den 
Konsumenten  äußerste  Einschränkung  auf,  so  daß  selbst  einis 
der  notwendigsten  Nahrungsöiittel  —  Milch  —  darunter  zu  leiden 
hatte.  Die  Witterungsverhältnisse  waren  laußerdem  für  den  Ver- 
kauf recht  ungünstig,  so  daß  ein  sehr  starker  Konsumrückgang 
zu  bemerken  war.  Milch  war  bis  September  mehr  als  genügend 
am  Markt;  kurz  vor  dem  1.  Okt.,  zu  welcher  Zeit  sonst  die 
isogenannte  „Herbstknappheit"  einsetzt,  bestand  diesmal  eine 
regelrechte  Milohschwemme.  Einen  Einfluß  auf  den  Einkaufs- 
preis konnte  dieser  Milchüberfluß  nicht  mehr  ausüben,  da  die 
Verträge,  welche  in  den  tmeisten  Fällen  von  Oktober  zu  Oktober 
abgeschlossen  werden,  bereits  verlängert  waren,  'und  zwar  zu 
denselben  Preisen,  teilweise  zu  noch  etwas  höheren,  weil  ein 
so  großer  Milchüberfluß  nicht  vorauszusehen  war.  Die  Schleuder- 
konkurrenz macht  sich  deshalb  mehr  als  je  bemerkbar  und  findet 
beim  Publikum,  welches  infolge  der  schlechten  wirtschaftlichen 


37.    Butter.  145 

Verhältnisse  nicht  immer  auf  gute  Ware,  sondern  liauptsiäolilich 
auf  Billigkeit  sein  Augenmerk  richtet,  üeider  Anklang.  Die« 
ist  um  s'o  unverständlicher,  weil  bei  einem  so  wichtigen  Nahrungs- 
mittel, wie  die  Milch,  nur  das  Beste  gut  genug  sein  sollte.  Da 
die  Aussichten  auf  Besserung  der  wirtschaftliclien  Verhältnisse 
für  die  nächste  Zeit  nur  ©ehr  gering  sind,  geht  der  Milchhandel 
keiner   günstigen  Zukunft  entgegen. 

37.    B  U  1 1  e  r.  Aügemeine 

Uebersicht 

Der  Butterhandel  war  im  Jahre  1913  besonders  schwierig  Qualitäten, 
infolge  der  vielen  abfallenden  und  abschmecJkenden  Qualitäten, 
die  dem  Berliner  Maa^kt  zugeführt  wurden.  Dies  war  nicht  nur 
in  denjenigen  Monaten  der  Fall,  in  denen  infolge  des  Futter- 
wechsels stets  die  Qualitäten  zu  wünschen  übrig  lassen,  siondem, 
vom  Anfang  bis  zum  Schluß  des  Jahres  konnte  ein  bedeutender 
Teil  der  inländischen  Prodiiktion  nicht  als  la  Qualität  bezeichnet 
werden.  Das  Ausland,  in  der  Hauptsache  Dänemark  und  Holland, 
zeigte,  wie  immer,  für  idie  Butterproduktion  ein  ganz  besonderes 
Interesse  und  ist  immer  mehr  bestrebt,  dem  hiesigen  Markte  eine 
Ware  zuzuführen,  die  stets  als  erstklassig  bezeichnet  werden  kann. 
An  die  deutschen  Molkereien  mußte  sehr  oft  die  Mahnung  ge- 
richtet werden,  für  ein  besseres  Produkt  Sorge  zu  tragen,  aber 
die  meisten  inländischen  Molkereien  haben  in  der  Qualität  nicht 
das  erreicht,  was  das  Ausland  geliefert  hat.  Die  Fütterung  muß 
bei  vielen  deutschen  Molkereien  ungleichmäßig  und  schlecht  sein, 
denn  sonst  hätte  unmöglich  so  viel  ölige  und  sauere  Butter  dem 
Markte  zugeführt  werden  können,  wie  es  der  Fall  gewesen  ist. 
Auch  bezüglich  des  Wassergehaltes  der  Butter  paßt  sich  das  Aus- 
land mehr  den  gesetzlichen  Vorschriften  an.  Dem  hiesigen  Markte 
wurde  von  deutschen  Molkereien  vielfach  Butter  mit  über  16  o/o 
Wasser  geliefert.  Selbst  auf  die  Verpackung  legt  das  Ausland 
größeren  Wert  und  trägt  dem  Wunsche  der  Konsumenten  mehr 
Rechnung.  W^ünschen  die  inländischen  Molkereien  ihr  Produkt 
nicht  als  Butter  zweiter  Klasse  bewertet  zu  sehen,  so  müssen  die 
fast  überall  bestehenden  Fütterungsvorschriften  mit  aller  Strenge 
durchgeführt  werden.  Zum  Bezüge  von  feinster  Butter  mußte 
das  Ausland  mehr  herangezogen  werden,  als  angesichts  der  großen 
Inlandsproduktion   von    1913   nötig   gewesen   wäre. 

Der  Konsum  war  durchweg  schwach;   das  Geschäft  verlief  Kojj^sum 

fast  immer  ruhig,  was  vielfach  .auf  die  schlecht-en  wirtschaft- 
lichen Verhältnisse  zurückzuführen  ist.  Trotzdem  war  der  Preis- 
stand hoch,  da  aus  oben  angeführten  Gründen  die  hiesige  No- 
tierung fast  immer  nach  dem  Einkauf  ausländischer  Butter  fest- 
gesetzt werden  mußte.  Das  Jahr  1912  schloß  mit  einer  No- 
tierung \^n  132  Mk.,  und  während  sonst  im  Januar  die  Preise 
gewöhnlich  einen  Rückgang  erfahren,  hielten  sie  sich  auf  dem- 
selben   Niveau    während    des    ganzen    Monats.      In   der   zweiten 

Berl.  Jahrb.  f.   Handel  u.  Ind.    1913.    II.  10 


lind  Preise. 


146  n.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 

Februarwoche  stieg  die  Notierung-  auf  134  Mk.  und  bei  der 
letzten  Notierung  dieses  Monats  um  weitere  2  ^It.  auf  136  Mk. 
Im  Februar  gab  die  Provinz  mehr  Aufträge  nach  Berlin,  denn 
Hamburg  notierte  während  des  gaazen  Februar  147  Mk'.  Im 
März  konnten  sich  die  Preise  fa^t  während  des  ganzen  Monats 
auf  136  Mk.  behaupten ;  nur  am  Schlüsse  trat  eine  Abschwächung 
ein,  und  die  Notiz  wurde  auf  132  Mk.  gesetzt  und  fiel  im  April 
wiederholt  infolge  größerer  Zufuhren,  so  daß  Ultimo  April 
123  Mk.  notiert  wurde.  Die  Monate  Mai  und  Juni  bringen  ge- 
wöhnlich die  größte  Produktion,  und  die  Folge  hiervon  ist,  daß 
in  diesen  Monaten  die  Notiz  am  niedrigsten  ist.  Die  Preise  fielen 
im  Mai  von  120  Mk'.  auf  115  Mk.  und,  während  sonst  im  Juni 
die  Preise  gewöhnlich  noch  weiter  weichen,  konnten  sie  sich  in 
diesem  Monat  auf  115  Mk.  behaupten;  so  blieben  sie  den  Juli 
hindurch  bis  zum  9.  Aug.  Im  Laufe  dieses  Monats  trat  eine  Stei- 
gerung ein  und  am  Schlüsse  wurden  121  Mk.  notiert.  Im  Sep- 
tember erhöhte  sich  die  Notiz  infolge  Abnahme  der  Produktion 
auf  132  Mk.  und  wurde  am  8.  Okt.  noehmals  umi  2  Mk.  auf 
134  Mk,  heraufgesetzt.  Am  Schlüsse  des  Novembers  konnte  noch- 
mals eine  Erhöhung  von  2  Mk.  auf  136  Mk.  vorgenommen 
werden,  nach  Weihnachten  fiel  dann  die  Notiz  auf  132  Mk. 
Das  Ausland  notierte  während  des  ganzen  Jahres  sehr  hoch. 
Die  Bezüge,  namentlich  von  Holland,  waren  im  Sommfer  und 
Herbst  recht  bedeutend ;  auch  Von  Dänemark  und  Schweden  wurden 
erhebliche  Posten  importiert.  Die  sibirische  Butter  ist  für  den 
hiesigen  Markt  unentbehrlich  geworden,  ihre  Qualität  hat  sich, 
weiter  verbessert. 

Im    folgenden    geben    wir    über    den    Geschäftsgang   in    den 
einzelnen    Monaten    eine    eingehendere    Darstellung: 
Januar.  Die   Notierung   für   feinste    Butter   wurde    am   Schlüsse   des 

vergangenen  Jahres  von  136  Mk.  auf  132  Mk.,  also  um'  4  Mk., 
ermäßigt  Bei  diesem  Preise  war  das  Geschäft  zu  Anfang  des 
Jahres  in  allen  Qualitäten  ruhig;  feinste  Butter  wurde  genügend 
geliefert  und  für  II.  Sorten  war  wenig  Nachfrage  vorhanden. 
Die  Provinz  bot,  anstatt  Aufträge  zu  geben,  dringend  zu 
niedrigeren  Preisen  an,  namentlich  Sachsen  und  Süddeutscliland. 
Gegen  Mitte  des  Monats  trat  eine  leichte  Besserung  ein.  Die  Zu- 
fuhren von  wirklich  feinster  Butter  konnten  .geräumt  werden, 
und  die  Preise  behaupteten  sich  daher.  Der  größere  Teil  der  Ein-- 
lieferungen  bestand  aus  abfallenden  und  abschmeckenden  Qua- 
litäten, die  auf  den  Markt  drückten  und  nur  schwer  Abnehmer 
fanden.  So  verlief  das  Geschäft  bis  zum  Schlüsse  des  Monatsi; 
die  Notierung  wurde  auf  132  Mk.  gehalten.  Vom  Ausland  lau  beten 
die  Berichte  stets  ruhig,  von  England  sogar  flau.  In  Holland 
waren  die  Preise  so  hoch,  daßi  es  für  den  deutschen  Markt 
nicht  in  Betracht  kam.  Ganz  im  Gegensatz  zfu  dem  Geschäft 
in  inländischer  Butter  war  die  Nachfrage  nach  sibirischer  Butter 


3V.    Butter.  147 

stet^  sehr  gut.  AYährend  des  ganzen  Monats  wurden  die  Zufuhren 
von  feinster  AVare,  die  teils  nur  klein  waren,  schlank  geräumt; 
€s  wurden  hierfür  Preise  von  127 — 129  Mk.  erzielt.  Auch  II.  Qua- 
litäten und  gestandene  sibirische  Butter  waren  lebhaft  begehrt. 
Landbutter  wurde  nur  wenig  zugeführt.  Die  Einlieferungen 
fanden  schlanken  Absatz,  und  zum  Schlüsse  des  Monats  war  die 
Nachfrage   recht   gut. 

Mit  Beginn  des  neuen  Monats  befestigte  sich  die  Stimmung  Februar, 

wesentlich.  Nach  allen  Qualitäten  trat  eine  lebhafte  Nachfrage 
«in,  auch  II.  Sorten  waren  zu  besseren  Preisen  lebhaft  begehrt. 
Die  Notierung  wurde  um  2  Mk.  auf  134  Mk.  erhöht.  Hamburg 
meldete  einen  festen  Markt  bei.  steigenden  Preisen.  Die  Notierung 
wurde  dort  bereits  Ende  Januar  um  2  Mk.  und  im  Februar  u!m 
7  Mk  heraufgesetzt,  so  daß  Plamburg  schließlich  147  Mk.  notierte 
und  fast  das  Niveau  vom  Februar  1912  erreicht  wurde.  In  Berlin 
trat  nach  der  Steigerung  der  Preise  anfangs  eine  leichte  Ab- 
schwächung  ein.  Die  Zufuhren  von  Mecklenburg  und  Pommern 
waren  normal,  von  Ost-  und  AVestpreußen  dageg^en  schwach  und 
l)estanden  aus  diesen  Provinzen  meistens  aus  absclimeckenden 
Qualitäten.  Das  Platzgeschäft  war  zwar  noch  schwach  und  die 
Einlieferungen  hätten  kaum  untergebracht  werden  können,  wenn 
■faicht  die  Provinz  als  Käufer  aufgetreten  wäre,  indem  man, 
infolge  der  hohen  Hamburger  Notierungen  und  Forderungen, 
keine  Aufträge  nach  dort  legte.  Hierdurch  konnten  einige  Be- 
züge feinster  Butter  vom  Auslande  gemacht  werden  und  zwar 
von  Dänemark  und  Schweden ;  Holland  gab  schon  seit  "Wochen 
keine  Rechnung  mehr.  Durcli  die  am  Schlüsse  des  Monats  ein- 
getretene kalte  Witterung  wurden  die  Zuftihren  kleiner,  das 
Ausland  zeigte  eine  steigende  Tendenz,  und  da  infolge  weiterer 
guter  Provinzaufträge  Käufe  von  feinster  Butter  in  Dänemark 
zu  höheren  Preisen  gemacht  werden  mußten,  war  man  zu  einer 
weiteren  Steigerung  der  Notiz  um;  2  Mk.  gezwungen.  Der  Monat 
Februar  schloß  bei  136  Mk.  mit  einer  festen  Stimmung.  Sibirische 
Butter  erzielte  auch  in  diesem  Monat  gute  Nachfrage;  die  Zu- 
führen fanden  zu  Preisen  bis  132  Mk.  schlank  Abnehmer.  GroXk 
Kjiappheit  herrschte  in  billigeren  Sorten,  da  die  Läger  immer 
mehr  geräumt  wurden.  In  Landbutter  waren  die  Zufuhren  an- 
haltend sehr  klein,  bei  den  gestiegenen  Preisen  war  die  Nach- 
frage schwächer.  Die  Preise  waren  105 — 110  Mk.  und  blieben 
«omit  bedeutend  hinter  denjenigen  vom  vergangenen  Jahre  zurück. 

Nach  der  freundlichen  Situation  im  Butterhandel  ajn  Schlüsse  März 

des  Monats  Februar  konnte  man  auch  im  März!  ein  gutes  Geschäft 
■erw^arten,  docli  trat  ein  solches  für  feinste  Butter  nicht  ein, 
vielmehr  wurde  das  Geschäft  recht  schleppend.  Besser  beachtet 
waren  nur  geringe  und  billige  Sorten.  Die  Produktion  der  maß- 
gebenden Provinzen  war  normal.    Auch  in  Hamburg  verlief  das 

10* 


148  II.    Tierische  Rohprodukte   und   Fabrikate. 

Geschäft  ruhig;  man  hielt  aber  dort  trotzdem  die  Notierung'  un- 
verändert hoch,  und  diesem  Umstände  war  es  zu  danken,  daß 
die  Provinz  noch  regelmäßig  Aufträge  nach  Berlin  gab,  die 
{Zufuhren  fast  untergebracht  wurden  und  die  Notiz  sich  be- 
haupten konnte.  Kopenhagen  hatte  auch  die  Forderung  so  weit 
erhöht,  daß  Bezüge  von  dort^  keinen  Gewinn  ergaben,  dagegen 
offerierte  Holland  zu  passenden  Preisen,  aber  die  holländische 
Butter  genügt  im  Monat  März  den  Berliner  Ansprüchen  als- 
„ff ein"  nicht  und  kam  daher  nicht  in  Frage.  Die  Aussichten 
auf  ein  gutes  Ostergeschäft  waren  nur  schwach.  Erst  in  den 
letzten  Tagen  vor  dem  Fest  gestaltete  sich  der  Absatz  lebhafter, 
sodaß  die  Läger  geräumt  werden  konnten.  Nach  dem  Feste  fehlte 
es  an  der  nötigen  Kauflust,  die  Provinz  beorderte  nichts,  das 
Ausland  bot  billiger  an,  und  die  Notiz  wurde  am  Schluß)  des 
Berichtsmonats  auf  132  Mk.,  also  um  4  Mk.,  ermäßigt.  Nach 
sibirischer  Butter  bestand  auch  im  März  stets  gute  Naehfrage. 
Im  Anfang  wurde  noch  bis  131  Mk.  gezahlt,  doch  mußten  di^ 
Preise  auf  128  Mk.  und  schließlich  auf  122  Mk.  nachgebeni^ 
sodaß  sie  den  Importeuren  Verluste  brachten.  Landbutter  wurde 
auch  im  Berichtsmonat  wenig  zugeführt  und  fand  am  Schluß 
wenig  Beachtung. 
April.  Der  Quartalswechsel  hatte  einen  recht  ungünstigen  Einfluß 

auf  das  Geschäft  ausgeübt,  die  Kaufkraft  gemindert,  die  Pro- 
duktion hatte  bedeutend  zugenommen  und  das  Geschäft  litt 
weiter  unter  den  matten  Berichten  vom  In-  und  Auslande.  In 
Erwartung  niedrigerer  Preise  waren  die  Käufer  sehr  zurück- 
haltend, und  unter  dieser  Situation  wurde  die  Notiz  wiederholt 
ermäßigt,  so  am  Mittwoch,  den  9.  April,  auf  125  Mk.  Eine 
wesentliche  Besserung  trat  aber  nicht  eiu.  Viele  Klagen  wurden 
darüber  geführt,  daß  der  größere  Teil  der  Zufuhren  aus  ab- 
fallender,  unhaltbarer  Ware  bestand,  besonders  bei  Lieferungen 
aus  Ost-  und  Westpreußen,  welche  Provinzen  infolge  des  vor- 
herigen nassen  Herbstes  nur  ein  schlechtes  Futter  erzielt  hatten. 
Dänemark  gab  wegen  seiner  höheren  Notiz  keine  Rechnung,  auch 
Holland  kam  nicht  in  Betracht,  da  die  holländische  Butter  noch 
nicht  fein  ausfiel.  Die  Zufuhren  inländischer  Butter  von  wirk- 
lich feinster  Beschaffenheit  genügten  auch  dem  Bedarf.  Zur 
Belebung  des  Geschäfts  wurde  dann  am  Schlüsse  des  Monats  eine 
nochmalige  Ermäßigung  von  2  Mk.  auf  123  Mk.  vorgenommen. 
Auch  in  sibirischer  Butter  war  das  Geschäft  ruhiger,  das  An- 
gebot dringender  geworden.  Die  Preise  brachten  den  Importeuren 
weitere  Verluste;  feinste  Ware  wurde  mit  119  Mk.  gehandelt,  und 
die  Preise  gingen  schließlich  auf  113  Mk.  zurück.  Der  Absatz 
der  sibirischen  Butter  wurde  durch  die  vielen  inländischen  ab- 
weichenden Qualitäten  erschwert.  In  Landbutter  waren  die  Ein- 
lieferungen  zwar  klein,  die  Preise  mußten  aber  infolge  der  all- 
gemeinen  Situation  nachgeben;  die  Nachfrage  war  am  Schlüsse 


37.    Butter.  149 

des   Monats   so   schwach    geworden,   daß   selbst  die   kleinen   Zu- 
fuhren  nicht  untergebracht   werden   konnten. 

iSI^ach  dem  Rückgang  der  Preise  im  Monat  April  hatte  die  >iai. 

Stimmung   sich   gebessert,    aber   eine   regere   Kauflust   trat  erst 
«in,  nachdem  zu  noch  niedrigeren  Preisen  offeriert  wurde.    Die 
Produktion  hatte  weiter  zugenommen,  die  Zufuhren  waren  sehr 
^roß,    doch    bestanden    sie   allerdings    vielfach    aus    abfallenden, 
abschmeckende    Qualitäten,     die     den    Markt    ungünstig     beein- 
flußten  und  dringend  zu  jedem  Preise  angeboten  wurden.    Am 
3.  Mai  wurde  die  Notiz  auf  120  Mk.,  also  um  3  Mk.,,  ermäßigt; 
«s  war   dies    eine   Woche   vor   Pfingsten,    und   dieser   Rückgang 
'<der  Notierung  hat  wesentlich  zur  Erhöhung  des  Konsums  bei- 
getragen.   Das   Pfingstgeschäft   war   daher  so   rege  wie   selten. 
Nicht  nur  feinste  Butter,   sondern   auch   zweite  und  abfallende 
Sorten   waren   dringend    begehrt.    Trotz   der   größeren   Einliefe- 
rungen  konnten  bedeutende  Posten  feinster  Butter  aus  Dänemark, 
Schweden  und  Holland  bezogen  werden.    Die  Provinz  gab  reich- 
lich Aufträge,   so   daß  zu  Pfingsten  die  Läger  vollständig  ge- 
räumt  wurden.    Nach    dem   Feste   war   das   Geschäft  wiederum 
recht   ruhig;   die   Zufuhren   waren   groß,    es   wurde  viel   Ueber^ 
gangsbutter,     sogenannte     Blendlingsbutter,     geliefert,     die     zu 
räumen    jeder    Händler    bestrebt    war.     Die    Notiz    wurde     am 
17.  Mai  um  5  Mk.   auf  115  Mk.  herabgesetzt.    Die  Stimmung 
wurde  hierdurch    etwas    befestigt,    aber   infolge   der   reichlichen 
Zufuhren,     besonders     an     unhaltbaren    Qualitäten,     trat     zum 
Schlüsse  des  Berichtsmonats  eine  Abschwächung  ein.    Vom  Aus- 
lande konnte,   wie  bereits  gesagt,   bis   Pfingsten   feinst^e  Butter 
bezogen   werden.    Holland   lieferte   auch   bessere   Qualitäten,    so 
daß  der  Import  von  dort  wieder  aufgenomlnen  wurde.    Infolge 
^es  Rückganges  der  Preise  nach  dem  Feste  in  Berlin  gab  dann 
der   Bezug   aus   dem  Auslande  keinen   Gewinn   mehr.     Auch   in 
sibirischer    Butter   war   das    Geschäft   ruhig,   nur   feinste   Zieh- 
butter war  begehrt  und  für  diese  wurde  Anfang  Mai  bis  112  Mk. 
bewilligt.     Infolge   des    regen   Pfingstgeschäftes    trat   dann    all- 
gemein   für   sibirische   Butter   eine   bessere   Nachfrage   ein,   und 
die   Zufuhren   wurden    auch   hierin   geräumt.    Am   Schlüsse  des 
!Monais    war    der    Absatz    schwächer;    nur    solche    Butter,    die 
sich   als  Ziehbutter  eignete,  wurde  mit  109 — 111   Mk.  gekauft. 

Im  Juni  verlief  das  Geschäft  vom  Anfang  bis  zum  Schluß  juni. 

ruhig  bei  einer  stets  unveränderten  Notierung  von  115  Mk. 
für  la -Qualitäten.  Der  Monat  Juni  bringt  uns  stets  die  größte 
Produktion,  so  war  es  auch  in  diesem  Jahre.  Aber  es  wurde 
ullgemein  Klage  darüber  geführt,  daß  die  Einlieferungen  un^ 
haltbar  und  abschmeckend  waren.  Die  schlechten  Qualitäten 
drückten  auf  den  Markt,  erschwerten  das  Geschäft  und  blieben 
während  des  ganzen  Monats  dringend  zu  unregelmäßigen  Preisen 
-angeboten.    Nur   zu   Anfang  des   Monats  litt  die  Butter  durch 


150  II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

die  große  Hitze;  sie  kam  hierdurch  in  sehr  weichem  Zustande 
an.  Später  trat  kühlere  Witterung  ein,  aber  sie  brachte  un& 
keine  besseren  Qualitäten.  Der  Konsum  war  im  Verhältnis 
zur  Produktion  nur  schwach;  feinste  Butter  konnte  jedoch  ge- 
räumt werden,  um  so  mehr,  als  zu  Spekulationsz1;\^ecken  größere 
Posten  in  die  Kühlhäuser  (gestellt  (wurden.  Die  Provinz  Jberiöhtete 
stets  ruhig  und  gab  fast  keine  Aufträge.  Das  Ausland  war  im 
iMonat  Juni  fest;  die  Forderungen  von  dort,  auch  von  Holland, 
gaben  keine  Rechnung;  nur  am  Schlüsse  konnte  etwas, 
holländische  Butter  bezogen  werden.  In  sibirischer  Butter  war 
die  Nachfrage  nur  schwach.  Während  zum  Beginn  des  Monats. 
Jdie  Einlieferungen  noch  untergebracht  werden  konnten,  war 
es  in  der  zweiten  Hälfte  des  Juni  nicht  immer  möglich.  Weiße 
Waie  wurde  mit  106 — 108  Mk.  gehandelt,  für  Grasbutter  wurde 
112  Mk.  gefordert. 
Juli.  Im  Juli  verlief  das  Geschäft  wie  im  vorhergehenden  Monat; 

der  Mcnatswechsel  brachte  keine  Belebung  des  Marktes.  Die 
Tendenz  war  stets  ruhig,  Konsum  und  Absatz  blieben  sch'wach. 
Die  Zufuhren  waren  etwas  kleiner  geworden  infolge  der 
inzwischen  eingetretenen  Erntearbeiten  sowie  des  Bedarfs  in 
den  Sommerfrischen  und  Bädern,  aber  die  Einlieferungen  von. 
feinster  Butter  genügten  dem  schwachen  Bedarf.  Von  Mecklen- 
burg und  Pommern  wurde  weniger  geliefert,  dagegen  machte 
sich  in  Ost-  und  Westpreußen  eine  größere  Produktion  bemerk- 
bar. Die  seit  längerer  Zeit  auftretenden  Klagen  über  schlechte 
Qualitäten  wollten  nicht  verstummen;  im  Gegenteil,  mehr  denn 
je  wurden  solche  geliefert  und  sie  drückten  auf  den  Markt, 
verhinderten  jede  Belebung  des  Geschäftes  und  konnten  selbst 
'zu  den  niedrigsten  Preisen  nicht  untergebracht  werden.  Die 
große  Produktion  in  den  Monaten  Juni  und  Juli  hätte  wohl 
einen  weiteren  Rückgang  der  Notierung  als  gerechtfertigt  er- 
scheinen lassen,  um  den  1,^0 -Mk. -Ausstich  einzuführen  und 
das  Publikum  für  den  Artikel  Butter  mehr  zu  interessieren, 
aber  infolge  des  Umstandes,  daß  dem  Berliner  Markte  nicht 
nur  von  den  bekannten  Produktionsländern  so  viel  abschmeckende 
Ware,  sondern  auch  aus  anderen  Teilen  des  Reiches  Butter, 
aber  immer  nur  von  geringerer  Beschaffenheit,  zugeführt  wurde, 
konnte  sich  die  Notierung  auf  115  Mk.,  also  unverändert,  be- 
haupten. Das  Provinzgeschäft  war  im  Berichtsmonat  nur 
schwach,  es  liefen  nur  wenig  Aufträge  ein.  Vom  Auslande 
lauteten  die  Berichte  ebenfalls  ruhig.  Das  Geschäft  in  sibirischer 
Butter  war  im  Lau^3  des  Monats  still,  ungünstig  beeinflußt 
durch  die  viele  abschmeckende  inländische  Butter.  Bezahlt  wurde 
für  sibirische  Butter  106 — 109  Mk.  In  Landbutter  war  das 
Geschäft  sehr  schwach. 
Augu&t.  Im    August    "war    zu    Anfang    eine    wesentliche    Besserung^ 

des  Geschäfts  nicht  bemerkbar.    Der  Konsum  fing  nur  langsam 


37.    Butter.  '  151 

an,  sich  zu  heben,  die  Produktion  zeigte  eine  kleine  Abnahme, 
und  die  Zufuhren  wurden  durch  den  Eigenbedarf  auf  dem 
Lande  schwächer.  Wirklich  feinste  reinschmeckende  Butter  kam 
weniger  an  den  Markt  und  konnte  geräumt  werden;  es  wurde 
leider  immer  noch  ungemein  viel  abschmeckende  AVare  geliefert, 
die  vergeblich  dringend  und  billig  angeboten  wurde.  Mit  dem 
Schluß  der  Schulferien  besserte  sich  der  Konsum,  und  wenn 
die  inländische  Produktion  sämtlich  als  feinste  Butter  hätte 
Verwendung  finden  können,  wäre  sie  für  den  Bedarf  ausreichend 
gewesen.  Durch  die  vielen  schlechten  Qualitäten  wurde  man 
auf  das  Ausland  verwiesen  und  mußte  Bezüge  in  feinster  Butter 
von  Holland  zu  höheren  Preisen  machen.  Dänemark  kam  wegen 
zu  hoher  Forderungen  nicht  in  Betracht.  Die  Folge  war,  daß 
die  Notierung  am  13.  Aug.  um  3  Mk.  und  am  20.  Aug.  untei'f 
derselben  Situation  um  weitere  3  Mk.  auf  121  Mk.  erhöht' 
wurde.  Nach  den  Steigerungen  trat  eine  leichte  Absehwächung 
ein,  feinste  Butter  fand  aber  schlanken  Absatz;  namentlich 
dadurch,  daß  die  Provinz  mehr  Aufträge  nach  Berlin  gab. 
'Ha'mburg  hatte  seine  Notiz  wiederholt  gesteigert  und  stellte 
Forderungen,  zu  denen  die  Provinz  nicht  kaufen  konnte.  Das 
Ausland  war  im  Berichtsmonat  fest;  nur  von  Holland  wurden 
Bezüge  gemacht.  In  sibirischer  Butter  war  das  Geschäft  für 
feinste  Qualitäten  während  des  ganzen  Monats  recht  gut,  und 
es  wurden  Preise  von  110 — 112  Mk.  bezahlt.  Zweite  Qualitäten, 
die  viel  geliefert  werden  —  es  kam  viel  staffige  Ware  an  — , 
wurden  dringend  angeboten.  In  Landbutter  fanden  kaum  Um- 
sätze statt. 

Mit  Beginn  des  Monats  September  brach  eine  freundlichere  September 
Stimmung  durch.  Infolge  der  bisherigen  heißen  Witterung 
wurdo  viel  saure,  ölige  Butter  geliefert  und  nur  wenig  Butter 
von  feinster  Qualität.  Die  Provinz  gab  weiter  gute  Aufträge, 
allerdings  nur  für  la  -Ware,  und  da  diese  vom  Inlande  spär- 
lich einging,  mußte  man  allerfeinste,  trotz  höherer  Forderung, 
von  Holland  beziehen.  Diese  feste  Tendenz  hielt  fast  während 
des  ganzen  Monats  an.  Feinste  inländische  Butter  blieb  knapp, 
die  Zufuhren  bestanden  immer  wieder  zum  größten  Teil  aus 
abschmeckenden,  sauren,  fischigen,  öligen  Qualitäten  und  waren 
nui'  schwer  und  zu  unregelmäßigen  Preisen  verkäuflich.  Däne- 
mark stellte  so  hohe  Forderungen,  daß  Bezüge  von  dort  nicht 
gemacht  werden  konnten,  und  so  war  man  auf  Holland  an- 
gewiesen, welches  von  Woche  zu  Woche  seine  Preise  erhöhte. 
Bei  dieser  regen  Nachfrage  nach  la  -  Qualitäten  wurde  die 
iNotierung  am  10.  Sept.  auf  125  Mk.,  am  17.  Sept.  auf  130  Mk. 
und  am  24.  Sept.  auf  132  Mk.  erhöht.  Es  war  dies  eine  Steige- 
rung in  einem  Monat  um  11  Mk.  Auch  Haüiburg  lag  fest 
und  hatte  eine  Erhöhung  der  Notierungen  von  126  Mk.  bis  zum 
Schluß    des    Monats     auf     140    Mk.    eintreten    lassen.      Infol^ge 


152  n.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

dieser  rapiden  Steigerungen  hatte  aber  der  Konsum  abgenommen ; 
die  Provinz  beorderte  wenig  oder  nichts  mehr.  Die  kleinen 
Zufuhren  feinster  Butter  ließen  sich  allerdings  noch  räumen^ 
wenn  auch  die  Detaillisten  ihre  Käufe  einschränkten,  um  bei 
dem  jetzigen  Preisniveau  die  Kühlhausbutter  unterzubringen, 
.unter  diesen  Umständen  blieb  die  eingehende  abschmeckende 
Butter  unverkäuflich.  Das  Ausland  hatte  feste  Tendenz.  Von 
sibirischer  Butter  waren  feinste  Qualitäten  zu  Preisen  von 
112 — 115  Mk.  rege  begehrt;  es  wurde  aber  viel  abschmeckende, 
meist  staffige  Ware  geliefert.  Für  Landbutter  war  wenig 
Begehr. 
Oktober.  Der    Verlauf  des    Geschäftes   im    Oktober   hat   leider  nicht 

dem  Erwarten,  die  man  sonst  an  diesen  Monat  knüpft,  ent- 
sprochen. Das  Geschäft  begann  ruhig  und  verlief  so  während 
des  ganzen  Monats.  Der  Oktober  bringt  uns  gewöhnlich 
eine  kleine  Produktion,  und  damit  eine  rege  Nachfrage, 
aber  in  diesem  Jahr  war  die  Produktion  ziemlich  groß, 
•dagegen  der  Absatz  schleppend.  Immer  wieder  muß  hervor- 
gehoben werden,  daß  der  größte  Teil  der  Einlieferungen  aus 
abfallender  Butter  bestand,  besonders,  als  mit  der  Rübenernte 
begonnen  und  Eübenblätter  stark  gefüttert  wurden.  Die  wenig 
eingehende  feinste  Butter  ließ  sich  ziemlich  räumen,  dagegen 
waren  die  vielen  abschmeckenden  Qualitäten,  die  selbst  von 
Molkereien  geliefert  wurden,  von  denen  man  sonst  nur  Ja -Ware 
kennt,  nicht  unterzubringen.  Unter  diesen  Umständen  war  man 
für  feinste  Butter  wiederum  auf  den  Bezug  von  Holland  an- 
gewiesen, und,  um  hierbei  einigermaßen  Rechnung  zu  finden, 
wurde  die  Notiz  am  8.  Okt.  um  2  Mk-  auf  134  Mk.  erhöht. 
War  der  Konsum  schon  schwach,  .so  konnte  natürlich  diese 
Steigerung  nicht  zur  Besserung  des  Geschäftes  beitragen.  In 
früh  er  en  Jahren  wurde  gewöhnlich'  schon  im  Oktober  feinste 
Butter  mit  1,50  Mk.  pro  Pfund  von  Detaillisten  verkauft,  in 
diesem  Jahre  blieb  der  1,40 -Mk. -Ausstich  der  maßgebende. 
Die  schlechten  wirtschaftlichen  Verhältnisse  machten  sich  stark 
bemerkbar.  Ohne  jede  Anregung  verlief  dann  das  Geschäft 
matt  bis  zum  Schluß  des  Berichtsmonats  bei  einer  Notiz  von 
134  Mk.  Die  Provinz  beorderte  nur  wenig  und  dann  auch  nur 
feinste  Butter.  Hinsichtlich  des  Auslandes  ist  zu  erwähnen, 
idaß  Dänemark  und  Schweden  bei  hohen  Forderungen  keine 
Rechnung  gaben.  Holland  blieb  für  Berlin  allein  die  Bezugs- 
quelle für  feinste  Butter.  Sibirische  Butter  war  im  Oktober 
für  reinschmeckende  Qualitäten  recht  begehrt;  die  Zufuhren 
waren  hierin  klein  und  es  kam  viel  staffige  Ware  an.  Bezahlt 
wurde  für  feinste  sibirische  Butter  zu  Anfang  114 — 115  Mk., 
zum  Schluß  des  Beriehtsmonats  118 — 119  Mk.  In  Landbutter 
war  kein  Geschäft,  die  kleinen  Zufuhren  waren  fast  unver- 
käuflicli. 


37.    Butter. 


153 


In  der  ersten  Hälfte  des  Monats  November  fand  in  (den  November. 
Marktlage  gegen  den  Monat  Oktober  keine  Aendenmg  statt. 
Das  Geschäft  blieb  ruhig,  feinste  Butter  wurde  genügend  zu- 
geführt und  die  Preise  konnten  sich  behaupten.  Abfallende  Qua- 
litäten wurden  viel  geliefert  und  dringend  ajiqreboten.  Auch  in 
der  Provinz  verlief  das  Geschäft  ruhig  und  Aufträge  von  dort 
gingen  nur  spärlich  ein.  Gegen  Mitte  des  Berichtsmonatsi  besserte 
sich  alsdann  rlie  Situation,  nachdem  man  mit  der  Einstallung 
des  Viehes  be.rronnen  hatte.  Die  Produktion  \vurde  kleiner  und 
nach  feinsten  Qualitäten  machte  sich  eine  gute  Nachfrage  bemerk- 
bar. Die  Zufuhren  hierin  reichten  aber  nicht  immer  für  den 
Bedarf  aus  und  es  mußten  größere  Posten  ausländischer  Butter 
bezogen  werden,  und  zwar  aus  Dänemark  und  teils  auch  aus 
Schweden.  In  derselben  freundlichen  Haltung  verlief  das  Ge- 
schäft bis  zum  Schlüsse  des  Monats.  Feinste  inländische  Butter 
blieb  knapp  und  wurde  schlank  trotz  etwas  höherer  Forderungen 
geräumt,  und  da  auch  das  Ausland  seine  Preise  gesteigert  hatte, 
wurde  die  Notiz  trotz  des  Ultimo  umi  2  Mk.  höher,  auf  136  Mk., 
gesetzt.  Auch  zweite  Qualitäten,  die  noch  immer  viel  geliefert 
wurden,  fanden  mehr  Beachtung.  Von  der  Provinz  waren  die 
Aufträge  nur  klein  und  erstreckten  sich  dann  auch  nur  au,f 
feinste  Butter.  Vom  Ausland  lauteten  die  Berichte  anfangs  eben- 
falls schwach  und,  so  wie  in  Berlin,  trat  auch;  dort  langsam  eine 
Besserung  ein;  die  Preise  wurden,  wie  hier,  am  Schlüsse  de-s 
Monats  erhöht.  In  sibirischer  Butter  bestand  im  November  für 
feinste  Qualitäten  ein  reger  Begehr;  die  Preise  erhökten  sich 
von  Anfang  des  Monats  von  120  Mk.  bis  zum  Schlüsse  auf  127 
bis  128  Mk.  Auch  II.  Qualitäten  sibirischer  Butter  wurden 
schließlich  mehr  gekauft.  In  Landbutter  war  das  Geschäft  an- 
haltend ruhig,  die  Zufuhren  waren  klein. 

Im  Dezember  bewegte  sich  das  Geschäft  nach,  der  im  -ver-  Dezember, 
gangenen  Monat  eingetretenen  Erhöhung  der  Notiz  auf  136  Mk. 
in  recht  ruhigen  Bahnen.  Feinste  Butter  konnte  zwar  zu  un- 
veränderten Preisen  geräumt  werden,  um  so  mehr,  als  der  Bezug 
feinster  Qualitäten  vom  Auslande  wegen  zu  hoher  Forderungen 
fast  unmöglich  war;  aber  es  fehlte  die  rechte  Kauflust.  Ab- 
fallende Butter  wurde  auch  im  Dezember  viel  gelief^ert,  fand 
aber  infolge  der  hohen  Preise  für  sibirische  Butter  mehr  Be- 
achtung und  ließ  sich  besser  räumen.  In  der  dritten  Dezember- 
woche besserte  sich  die  Stimmung  für  sämtliche  Qualitäten 
Butter  anläßlich  des  herannahenden  Weihnachtsfestes,  imd  in 
der  Festwoche  selbst  war  die  Nachfrage  nacli  feinster  Butter 
sehr  lebhaft.  Es  konnten  größere  Bezüge  vom  Auslande  gemacht 
werden,  uud  auch  für  II.  uud  III.  Qualitäten  war  eiu  regier; 
Begehr.  Nach  den  Feiertagen  war  das  Geschäft  wiederum  sehr 
ruhig;  die  Notiz  wurde  sofort  nach  dem  Feste  auf  134  Mk.  heraV 
gesetzt   und   alsdann   um   weitere   2    V.k.   ermäßigt,   so   daß|  das 


154 


II.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Jahr  1913  mit  einer  Notiz  von  132  Mk.  schloß.  Die  Provinz  gab 
im  Berichtsmonat  nur  wenig  Aufträge  und  trat  auch  zum^  Weüi- 
nachtsfeste  nicht  als  besonders  großer  Käufer  auf.  Vom  Aus- 
lande lauteten  die  Berichte  im  Dezember  ziemlich  fest  und  die 
Preise  waren  hoch.  Nach  sibirischer  Butter  bestand  eine  rege 
Nachfrage,  besonders  nach  feinsten  Qualitäten.  Die  Forderungen 
wurden  gegen  den  November  noch  erhöht.  Schließlich  wurden 
130 — 132  Mk.  erzielt;  für  II.  frische  Qualitäten  wurden  bis 
120  Mk.  bezahlt.  In  Landbutter  fand  fast  kein  Umsatz  statt; 
die   Einlieferungen    waren   unbedeutend. 


Tab«  71. 

] 

Berliner  Butternotierungen  für  ] 

a  Qualiti 

Januar 

Februar 

März              1 

April              1 

Mai 

Juni 

1 

Notiz 

Notiz 

1 

Notiz 

(Ml 

Notiz 

1 

Notiz 

1 

Notiz 

4. 

130—132 

1. 

130—132 

1. 

134—136 

2. 

128—130 

3. 

118—120 

4. 

113—11 

8. 

128-130-132 

5. 

130-132-134 

5. 

134—136 

5. 

126—128 

7. 

118—120 

7. 

113—11 

11. 

130-132 

8. 

132—134 

8. 

134—136 

9. 

123—125 

10. 

118—120 

11. 

113—11 

15. 

130—132 

12. 

132-134 

12. 

134—136 

12. 

123—125 

14. 

118—120 

14. 

113—11 

18. 

130—132 

15. 

132—134 

15. 

134—136 

16. 

123—125 

17. 

113—115 

18. 

113—11 

22. 

130—132 

19. 

132—134 

19. 

134-136 

19. 

123—125 

21. 

113—115 

21. 

113—11 

25. 

130—132 

22. 

132—134 

22. 

134—136 

23. 

121—123 

24. 

113—115 

25. 

113—11 

29. 

130-132 

26. 

134—136 

26. 

130-132 

26. 

121—123 

28. 

113—115 

28. 

113—11 

1 

29. 

130-132 

30. 

121—123 

31. 

113—115 

Tab.  72. 


Monatsdurchschnittspreise  der  höchsten  Ja  Qualität  in  Berlin  und  Hamburg 
im  Jahre  1913  (Mark  für  50  kg). 


Jan 


Febr.      März 


April 


Mai 


Juni 


Juli    I    Aug.  I  Sept. 


Okt. 


Nov. 


Dez. 


Berlin  .  .  .  |  132.— 
Hamburg  .  j|  137.50 


134.— 135.11 
146.25142.25 


125.44 
125.75 


117.22 
118.20 


115.— 
115.- 


115.-118.33  127.- 
115.-122.-134.75 


133.55 
140.— 


134.22 
140.— 


135.33 
140.— 


Tab.  73  Jahres durchschnittspr eise  der  höchsten  la  Qualität. 

(Berlin  und  Hamburg  in  Mark  und  Kopenhagen  in  Kronen  für  50  kg). 


Städte 


1907 


1908 


1909 


1910 


1911 


1912   I   1913 


Berlin  .  .  . 
Hamburg .  . 
Kopenhagen . 


118.80 

119.58 

96.80 


124.25 
124.28 
101.85 


122.47 

121.52 

99.21 


124.80  129.48 
130.25  136.07 
100.—      104.50 


133.29  126.85 
136.79  131.28 
108.—      106.20 


Tab.  74. 


Deutschlands  Butterimport  (in  Doppelzentnern). 


— — =— 

losgesamt 

Aus 
Dänemark 

Aus  Oesterr.- 
üngarn 

Ans  den 
Niederlanden 

Aus 
Rußland 

1911 

1912 

1913 

560  734 
555  530 
542  394 

76  556 
54  979 
21546 

15  088 
14  198 
95  44 

134  601 
182  313 

184  548 

298  276 
257  631 

299  217 

Krster  Bericht. 


Amerikan 
Schmalz. 


38.    Handel    mit   Schmalz. 

Erster  Bericht. 
Der  Schmalzhandel  stand  im  Jahre  1913  im  Zeichen  mäßigen 
Bedarfs  und  großer  Zurückhalt-mg  des  Zwischenhandels  und  der 
Detailktindschaft.    Die  große  amerikanische  Maisernte  im  Jahre 


38.    Handel  mit    Schmalz. 


155 


1912  gab  zu  spekulativen  Meinungskäufen  keinen  Anreiz  und 
ida  der  Konsum  von  Schweineschmalz  auch  nicht  sehr  groß  war, 
so  hielt  die  Detailkundschaft  —  vielleicht  auch  infolge  der  im 
Jahre  1912  gemachten  schlechten  Erfahrungen  —  mit  Lieferungs- 
Ahschlüssen  sehr  zurück  und  kaufte  nur  nach  Bedarf.  Das  kon- 
sumierende Publikum  wird  durch  die  große  R-eklamo  der  Kunst- 
speisefettfabrikanten  veranlaßt,  Ersatzfette  —  wie  Margarine 
und  Pflanzenfette  —  dem  wirtschaftlich  und  gesundheitlich  wert- 
volleren Schweineschmalz  gegenüber  zu  bevorzugen.  Der  Detaillist 
bringt   auch  deshalb   dem  Artikel   Schweineschmalz   weniger  In- 


Jahre 1913  (Mark  für  50  kg). 


Juli 

August             1 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Notiz 

Notiz 

1 

Notiz 

Eh 

Notiz 

1 

Notiz 

Notiz 

113—115 

2. 

113  —  115 

3. 

119—121 

1. 

130-132 

1. 

130-132-134 

3. 

134—136 

113-115 

6. 

113-115 

6. 

119—121 

4. 

130—132 

5. 

132-134 

6. 

134—136 

113—115 

9. 

113—115 

10. 

123-125 

8. 

132—134 

8. 

132—134 

10. 

134—136 

113-115 

13. 

116-118 

13. 

123—125 

11. 

132—134 

12. 

132—134 

13. 

134—136 

113—115 

16. 

116—118 

17. 

128—130 

15. 

130-132-134 

15. 

132—134 

17. 

134—136 

113—115 

20. 

119—121 

20. 

128—130 

18. 

132—134 

18 

132—134 

20. 

134—136 

113—115 

23. 

119-121 

24. 

130—132 

22. 

132—134 

22. 

132—134 

24. 

134—136 

113—115 

27. 

119—121 

27. 

130—132 

25. 

130-132-134 

26. 

132—134 

27. 

132—134 

113-115 

30. 

119—121 

29. 

130-132-134 

29. 

134—136 

31. 

130-132 

teresse  entgegen,  da  ihm  dessen  Vertrieb  im  Vergleich  mit  dem 
der  Speisefette  bestenfalls  einen  ganz  unbedeutenden  Nutzen,  bei 
Lieferungsabschlüssen  aber  zum  großen  Teil  erheblidhen  Kon- 
junkturverlust zufügt.  Diese  Erkenntnis  brachte,  so  unerfreu- 
lich die  Ursachen  auch  sind,  dem  Zwischenhandel  ein  gesunderes 
Geschäft,  dessen  Gewinn  klein  und  unzulänglich  blieb.  Durch 
das  weitere  Vordringen  der  amerikanischen  Trustgesellschaften 
in  Stadt  und  Land  ist,  zum  Nachteil  der  deutschen  Importeure, 
die  Konkurrenz  der  noch  selbständigen  amerikanischen  Packers 
gegenüber  dem  Trust  bereits  vollständig  ausgeschaltet.  Hier- 
durch werden  dem  hiesigen  Großhandel  einstweilen  nur  die 
Großkonsumenten  entzogen,  aber  vielleicht  wird  der  Trust  sich 
eines  Tages  auch  den  Detailhandel  unterjochen.  Diesen  Vor- 
gängen müßte  auch  regierungsseitig  mehr  Beachtung  ge- 
schenkt, und  es  müßten  Maßnahmen  getroffen  werden,  die 
die  inländische  Schweinezucht  dun^h  freie  Einfuh'r  von  Futter- 
mitteln zwecks  reichlicherer  Fettgewinnung  im  Inlande 
iördern.  Trotz  der  großen  vorjährigen  amerikanischen  Mais- 
ernte blieben  die  Preise  für  amerikanisches  Schweineschmalz 
verhältnismäßig  hoch.  Anfang  Januar  notierte  Steamlard 
9,521/2  S  =  48,25  Mk.  pro  50  kg,  erste  Kosten,  cif  Hamburg, 
stieg  bis  Anfang  Juli  auf  55,75  Mk.  in  kleinen  Kurven 
langsam  an  und  erreichte  Mitte  Juli  seinen  Höchststand  von 
11,871/2  ^  =  59,50  Mk.    Seit  dieser  Zeit  erfolgte  ein  steter  lang- 


156 


n.    Tierische  Roliprodukte   und   Fabrikate. 


Deutsches 
Rohschmalz. 


Dänisches   und 

skandinav. 

Schmalz. 


Bratenschmalz. 


Schmilz- 
Vorräte. 


samer  Eückgang,  welcher  Mitte  Oktober  mit  10,27V2  S  =  52  Mk. 
seinen  Tiefstand  erreichte,  um  dann  wieder  langsam  bis  ,Aiitte 
Novembei  auf  10,871/2  $  =  54,50  Mk.  anzusteigen.  Ende 
Dezember  notierte  Steamlard  10,571/2  S  =  53,75  Mk.  Es  gelang 
den  Packers,  den  Markt  zu  halten,  da  die  amerikanischen 
Schweinebestände  permanent  durch  Schweineseuchen  gefährdet  sind 
und  man  den  Bestand  auf  ungefähr  30 o/o  unter  normal  einschätzt. 
Die  Haussebestrebungen  der  Packers  fanden  im  Juli  durch  die 
ungiinstigen  Ernteaussichten  der  neuen  Maiskampagne  eine  weitere 
Stütze,  doch  ließ  auch  diese  keinen  dauernden  Erfolg  aufkommen. 
Das  Durchschnittsgewicht  der  in  den  amerikanischen  Schlacht- 
häusern verarbeiteten  Schweine  war  im  ersten  Semester  normal 
und  stieg  von  225  Ibs  im  Januar  auf  244  Ibs  im  Juli.  Dann 
ging  es  aber  scharf  zurück  und  betrug  Mitte  November  nur 
205  Ibs.  Ende  Dezember  betrug  das  Durchschnittsgewicht  der 
Schweine  208  Ibs.  Diese  unzulängliche  Mästung  ist  jedenfalls 
eine  Eolge  ungenügender  Futter  verrate,  da  selbst  bei  dem  augen- 
blicklichen Wertstand  von  Mais  die  Schweinezucht  bei  der- 
zeitigen Marktpreisen  von  71/2 — 81/2  $  für  100  Ibs  Lebendgewicht 
für  den  Farmer  rentabel  ist. 

Die  deutsche  Schweinezucht  befindet  sich  in  aufsteigender 
Richtung;  die  allgemein  reichliche  Kartoffel-  und  Puttermittel- 
ernte  wird  zu  guter  Vollmast  Gelegenheit  geben.  Einer  weiteren 
Aufwärtsbewegung  der  Schmalzpreise  ständen  somit  die  natür- 
lichen Verhältnisse  für  die  nächste  Zeit  entgegen. 

Dänisches  und  skandinavisches  Schmalz  gewinnt  in  Deutsch- 
land immer  weiteren  Absatz  und,  da  die  Verhältnisse  dort  ebenso 
günstig  wie  in  Deutsehland  liegen,  dürfte  der  deutsche  Bedarf 
auch  von  dorther  reichlicher  versorgt  werden. 

Bratenschmalz  zeigte  unveränderten  Absatz  bei  geringem  Fa- 
brikationsgewinn. 
Tab.  75.  Weltvorräte  an  amerikanischem  Schmalz. 


Jahr 


I     Jan. 


Febr. 


März 


April 


M^i 


Jutii 


Juli 


Aug.     I    Sept.     I      Okt. 


Nov. 


1911 
1912 
1913 


124  934  111653 
226  000  294  500 
184  140  175  576 


144  546 
331  000 
198  361 


192  236 
351000 


214  370 
323  300 


190  0751204  624 


271  262  361  064 
338  7001411900 
267  969  355  061 


393  6:^3  328  076  282  446 
452  23l!362  500  276  500 
387  893^378  393  331  818 


207  573: 
196  000 
234  509 


Auftrieb 
von  Schweinen. 


Der  Auftrieb  von  Schweinen  betrug  an  den  westlichen  Haupt- 
plätzen während  der  Saison  (November/Oktober)  in  den  Jahren 


ir09fl0 
16,616 


WlO/ll 
22,043 


1911/12 
26,575 


1912/13 

25,241  (in  1000  Stück) 


ZweiterBericht 


Geschäftsgang. 


-Zweiter   Bericht. 

Das  Bericihtsjahr  muß  im  allgemeinen  als  sehr  ruhig  be- 
zeichnet wterden,  derl  spektilative  Einschlag  fehlte  vollständig 
und    damit   auch   90  ziemlidh    jede    zeitweise   Belebung   des   Ge- 


38.    Handel   mit    Schmalz.  157 

Schaftes,  wie  sie  die  "Benutztmg  von  Konjunkturen  bzw.  Gewinn- 
möglich  keiten  mit  sich  bringt.  Bestimmend  hierfür  waren  ein- 
mal die  ungewöhnlichen,  tuLklaren  politischen  Verhältnisse  und 
der  wenig  flüssige  Greldmarkt  lind  .andererseits  das  allgemeine 
Mißtrauen  in  die  Berechtigung  der  Wertlage  des  Artikels.  Die 
vorzügliche  amerikanische  Ernte  des  Vorjahrs  zeitigte  in  den. 
breitesten  Kreisen  Hoffnungen  auf  niedrigere  Preise,  die  sich  nicht 
nur  nicht  verwirklichten,  sondern  sich  im  Laufe  des  Jahres  ins 
direkte  Gegenteil  verwandelten.  Der  Zwischenhandel  hielt  sich 
andauernd  von  langfristigen  Kontrakten  fern,  und  das  Geschäft 
wickelte  sich  infolgedessen  vorzugsweise  in  greifbarer  Ware  oder 
kürzeren  Sichten  ab.  Es  war  für  den  Zwischenliandel  durch  den 
JFortfall  eines  größeren  Konjunkturrisikos  also  ziemlich  gesund, 
wenn  es  auch  nur  bescheidenen  Nutzen  ließ.  Die  Folge  davon 
war  allerdings,  daß  größere  Vorräte  in  Deutschland  fast  die 
ganze  Zeit  über  fehlten  tmd  greifbare  Ware  oft  mit  einem  Auf- 
gelde  bezahlt  werden  mußte,  das  zeitweise,  besonders  im'  Januar, 
recht  erheblich  war.  Die  Preise  hatten  anfangs  Januar  ihren 
niedrigsten  Stand,  gingen  bis  Mitte  Februar  da;.  6  Mk.  pro  Zentner 
höher  und  wiesen  sodann  nicht  beträchtliche  Schwankungen  bis 
Ende  Juni  auf,  wo  sie  jiochmals  stärker  anzogen  Und  Mitto 
Juli  nach  einem  weiteren  Gewinn  von  ca.  4  Mk.  pro  Zentner 
ihren  höchsten  Stand  erreichten.  Von  da  ab  trat  ein  allmählicher 
Rückgang  von  ea.  6  Mk.  pro  Zentner  ein,  so  daß  der  Wertstand 
gegen  Anfang  Januar  um  üa.  4  Mk.  pro  Zentner  höher  liegt. 
Der  Absatz  war  in  den  ersten  beiden  Monaten  recht  günstig  und 
überstieg  den  früherer  Jahre  erheblich,  ließ  dann  aber  bis  Ende 
Jimi  gegen  das  Vorjahr  bemerkenswert  nach  und  konnte  sich 
auch  später  nicht  ganz  lauf  der  vorjährigen  Höhe  behaupten. 
Zum  Teil  dürfte  die  außerordentlich  günstige  diesjährige  Stein- 
obsternte eine  Erklärung  für  den  sommerlichen  und  herbstlicihen 
Konsumrückgang  bieten,  aber  auch  der  durchschnittlich  schlechte 
Beschäftigungsgrad  der  Industriebevölkerung,  wie  das  gänzliche 
Diarniederliegen  des  Bauhandwerks  führten  zu  Einschränkungen 
des  Verbrauchs.  Wirtschaftliche  Krisen,  welche  die  industrielle  und 
gewerbliche  Arbeiterschaft  treffen,  kennzeichnen  sich  im  Schmalz- 
verbrauch immer,  da  der  Artikel  seinen  Absatz  vorzugsweise 
in  diesen  Kreisen  hat.  Die  Rentabilität  der  Preise  ließ  auch  in 
diesem  Jahr,  dank  der  scharfen  Konkurrenz,  viel  zu  wünschen 
übrig,  um  so  mehr,  als  die  Arbeiterlöhne  infolge  der  allgemein 
verteuerten  Lebensverhältnisse  wiederum  höher  stiegen.  /Wienn' 
sidi  auch  im  zweiten  Halbjahr  das  Bestreben  nach  besserem; 
Nutzen  bemerkbar  machte,  so  steht  dem  doch  immer  die  Rück- 
sichtnahme auf  den  größtenteils  schon  in  amerikanischen  Händen 
liegenden  direkten  Vertrieb  des  amerikanischen  raffinierten 
Schmalzes  gegenüber;  dadurch  werden  dem  Verdienst  sowieso 
schon  enge  Grenzen  gezogen. 


158  11.     Tierische  Eohprodukte    und    Fabrikate. 

Einfuhr.  Die    Einfuhr    von    Schweineschmalz    vom    Auslände    nach 

Deutschland   betrug   im   Jahre: 

1912 1061216  dz 

1913 1073  869    „ 

39.    Kunstspeisefett. 

Die  Vorbeding'ungen  für  ein  flottes  Geschäft  waren  im  Be- 
richtsjahre giegeben,  da  Schmalz  -das  ganze  Jahr  hindurch  einen 
hohen  Preisstand  beibehielt  und  auch  Pflanzenfette  fKokosnuß- 
butter  und  Palmbutter)  ihrer  hohen  Werte  halber  nicht  konsum- 
ablenkend zu  wirken  schienen.  In  den  ersten  Monaten  schienen 
sich  diese  Erwaxtiingen  auch  zu  verwirklichen,  aber  schon  vom 
Frühjahr  an  ließ  der  Absatz  ohne  direkt  erkennbare  Ursachen 
nach  und  ist  auch  im  weiteren  Verlaufe  nicht  über  einen  guten 
Durchschnitt  hinausgekommen.  In  erster  Linie  sind,  die  besseren, 
teueren  Qualitäten  an  diesem  Rückgange  beteiligt,  und  als  Er- 
klärung hierfür  kann  nur  die  Annahme  dienen,  daß  die  Ge- 
s'chmacksrichtimg  der  hierfür  in  Betracht  kommenden  Kreise  sich 
der  allgemein  gestiegenen  Ansprüche  an  die  Lebenshaltung  ent- 
sprechend mehr  anderen  teueren  Produkten,  wie  Schmalz,  Mar- 
g^arine  Und  Pflanzienbutter,  zugewendet  hat.  Die  Rohmaterial- 
versorgung war  größtenteils  nicht  mit  Schwierigkeiten  verknüpft, 
und  die  Preise  waren  dadurch,  daß  die  Spekulation  weniger  als 
in  früheren  Jahren  ihre  Hand  im  Spiele  hatte,  stetiger ;  es  fielen 
die  ungesunden,  sprungweisen  Wertveränderungen  der  Vorjahre 
fort.  Einzelne  Rohmaterialien,  wie  z.  B.  Talge,  waren  ^^eitweise 
bei  knappem  Ainjgebot  lebhafter  [gefragt  Und  bedangen  etwas 
höhere  Preise.  Im  allgemeinen  war  der  Markt  durchVeg 
fest  tmd  steigender  Richtung;  die  Preise  für  Kunstspeisefette 
standen  am  Ende  des  Berichtsjahres  je  nach  Qualität  um  1  Mk. 
bis  2  Mk.  pro  Zentn^er  höher  als  am  Anfang.  Der  Konkurrenz- 
kampf nahm  im  ersten  Halbjahr  ziemlich  scharfe  Formen  an, 
wurde  aber  im  weiteren  Verlaufe  erträglicher,  sio  daß  durch- 
schnittlich diesmal  ein  etwas  besserer  .Nutzen  erzielt  wurde. 
Leider  waren  die  langfristigen  Lieferungsverkäufe,  für  die  dem 
Lieferanten  Gegendeckung  höchstens  zu  einem  Teile  möglich  ist, 
immer  noch  nicht  aUs  der  Welt  zu  bringen.  Beunruhigung  brachte 
die  Ueberführung  flüssiger  Oele  und  Fette  in  konsistente  Form 
{Härtungsverfahren),  die  bei  weiterer  Vervtollkommnung  vielleicht 
geeignet  sein,  könnte,  einen  Umschwung  hinsichtlich  der  zur  Ver- 
•wiendung  kommenden  Rohmaterialien  hervorzurufen.  Vorläufig 
tsind  diese  Härtungsprodukte  allerdings  noch  nicht  für  Genuß- 
zwecke brauchbar,  und  es  steht  wohl  auch  dahin,  ob  nicht  seitens 
des  Reichsgesundheitsamtes  Beanstandungen  gegen  deren  Ver- 
'w'endung  erhoben  oder  wenigstens  gewisse  .Qualitätsgarantien 
g'efordert  werden. 


40.    Margarine   und  Pflanzenbutter. 


159 


40.  Margarine  und  Pflanzenbutter, 
a)  Margarine. 
Erster   Bericht. 

Der  Verlauf  des  Jahres  1913  enttäuschte  die  Margarine- 
Industrie.  Der  Konsum  hielt  sich  zwar  zu  Beginn  des  Jahres 
in  normalen  Grenzen,  er  ließ  dann  aber,  als  die  Natu  rhu  tberpneis^i 
stark  herabgesetzt  werden  mußten,  auf  der  ganzen  Linie  er- 
heblich nach  und  wurde  im  Herbst,  als  die  Preise  für*  Natur- 
butter wieder  anziehen  und  eine  ziemliche  Höhe  erreichen  konnten, 
durch  eine  vorzügliche  Obsternte  erneut  stark  beeinträchtigt. 
Namentlich  in  Mittel-  und  Norddeutschland  ergab  sich  speziell 
in  Pflaumen  eine  überreiche  Ernte,  und  es  bewahrheitete  sich 
wieder,  daß  ein  gutes  Obstjahr  in  der  Regel  ein  Ungunst igesi 
Jahr  für  den  Konsum  von  Fetten  zu  sein  pflegt.  Infolge  dieser 
für  das  Geschäft  nachteiligen  Umstände  dürften  fast  alle  Fa- 
briken über  Absatzmangel  zu  klagen  gehabt  haben,  und  die 
Gesamtproduktion  an  Margarine  im  Jahre  1913  dürfte  nicht 
unerheblich  geringer  gewesen  sein  als  im  Vorjahr.  Eine  be- 
deutende Itohmaterialteuerung  erschwerte  während  des  größten 
Teils  des  Jahres  die  Kalkulation  außerordentlich.  Tierische  Fette 
wurden  bis  in  den  Sommer  hinein  sehr  hoch  bewertet,  gaben  dann 
aber  zum  Herbst  hin  nach  und  bewegten  sich  zum  Schluß  in 
normaler  Preislage.  Dagegen  haben  Pflanzenfette  fast  ohne  Unter- 
brechung nur  Preiserhöhungen  erfahren  und  einen  bisher  noch 
nie  dagewesenen  Wertstand  erreicht.  Feine  Butteröle  mußten 
gleichfalls  von  .Monat  zu  Monat  höher  bezahlt  werden ;  sie  haben 
auch,  als  die  Abladungen  aus  neuer  Ernte  herankamen,  nur  wenig 
von  ihren  hohen  Preisen  eingebüßt. 

Die  Vertriebsunkosten  für  den  Artikel  Margarine  sind  weiter 
dauernd  im  Steigen  begriffen,  desgleichen  die  Betriebskosten,  die 
Löhne  mußten  erhöht  werden,  die  Beamten  Versicherung  kommt 
hinzu.  Aus  alledem  erhellt,  daß  die  Gesamtlage  der  Margarine- 
Industrie  im  Jahre  1913  durchaus  nicht  günstig  war,  für 
manche  kleineren  Werke  aber  sogar  kritisch  gewesen  ist.  Auch' 
weiterhin  richtet  sich  der  Gesclimack  der  Margarine  verbrauchen- 
den Kreise,  welche  sich  ständig  erw^eitem,  zum  überwiegenlen 
Teil  auf  die  Fabrikate  aus  allerfeinsten  tierischen  Eohstoffen 
und,  soweit  mittlere  Preislagen  in  Betracht  komtaien,  auf  Mischun- 
gen aus  tierischen  und  Pflanzenfetten.  Reine  Pflanzenbutter- 
Margarine  hat  den  Höhepunkt  ihres  Verbrauchs  längst  über- 
schritten. Der  Absatz  dieser  Ware  hat  wohl  besonders  infolge 
der  zumeist  beschränkten  Haltbarkeit  bedeutend  nachgelassen  und 
eiae  Reihe  von  Fabrikanten,  die  sich  sonst  ausschließlich  auf 
die  Produktion  pflanzlicher  Margarine  beschränkten,  hat  sich 
in  diesem  Herbst  veranlaßt  gesehen,  um  ihren  Absatz  wieder  zu 
fördern,  nunmehr  auch  Ware  aus  tierischen  Fetten  herzustellen. 


a)  Margarine. 

Erster  Beriebt. 

Absatz. 


Vertriebs- 
kosten. 


160 


11.    Tierische   Eohprodukte    und    Fabrikate. 


Eine  naturgemäße  Folge  aller  dieser  Verhältnisse  ist  der  immer 
schwerere  und  schärfere  Konkurrenzkampf  in  der  Margarine- 
Industrie,  welcher  auch  alle  schüchternen  Versuche  zu  einer  Preis- 
erhöhung nahezu  illusorisch  machte.  Nur  wo  noch  ganz  gedrückte 
Preise  bestanden  und  bei  Pflanzenbutter-Margarine  ließen  sich 
bescheidene,  indes  ganz  unzulängliche  Erfolge  in  dieser  Rich- 
tung erzielen.  Auch  im  Herbst  1913  trat  wieder  die  recht  un- 
erfreuliche Erscheinung  zutage,  daß  der  Zwischenhandel  unter 
der  langen  Transportdauer  der  Stückgüter  zu  leiden  hatte.  Die 
Fabrikanten  werden  dadurch  ebenfalls  hart  betroffen,  weil  der 
Zwischenhandel  von  ihnen  infolgedessen  immer  mehr  die  Liefe- 
rung der  Ware  als  Eilgut  ohne  Berechnung  der  Mehrfracht  auch 
für  das  Winterhalbjahr  verlangt.  Bei  dem  scharfen  Kampf  der 
Fabrikanten  um  die  Erhaltung  ihrer  Absatzgebiete  bleibt  ihnen 
leider  auch  nichts  übrig,  als  sich  diesen  Anforderungen  zu  fügen, 
wodurch  die  Rentabilität  der  Werke  für  das  Winterhalbjahr 
weiter  geschmälert  wird.  Die  Margarine-Industrie  muß  daher 
immer  und  w^ieder  fordern,  daß  die  ihr  für  das  Sommerhalbjahr 
gewährte  Vergünstigung  a.uch  auf  die  sechs  kühleren  Monate 
des  Jahres  ausgedehnt  werden  möchte;  in  zweierlei  Art  würde 
damit  Gutes  gewirkt,  es  würde  dem  Konsum  dazu  verhelfen,  ab- 
solut frischeste  AVare  zu  erhalten,  und  es  würde  auch  den  Fa- 
Ibrikanten  die  jetzige  schwierige  Lage  erleichtert  werden.  Im 
ganzen  genommen  hat  die  Margarine- Industrie  wohl  eins  der 
ungünstigsten  Jahre  seit  ihrem  Bestehen  hinter  sich,  und  auch 
für  die  nächste  Zukunft  zeigen  sich  nur  wenige  Anzeichen  für 
eine  Besserung  der  Lage. 


ZweiterBericht. 


Absatz- 
verhältnisse. 


Zweiter    Bericht. 

Die  Absatzverhältnisse  für  Margarine  können  im  großen 
,imd  ganzen  als  befriedigend  bezeichnet  werden,  wenn  im  Be- 
richtsjahre auch  nicht  die  außerordentlich  lebhafte  Steigerung 
des  Verbrauchs  vorhanden  war,  wie  sie  in  den  letzten  Jahren 
in  die  Erscheinung  trat.  —  Das  erste  Halbjahr  brachte  zwar 
ein  flottes  Geschäft,  wohingegen  im  zweiten  Semester  eine 
Stockung  in  die  Absatzverhältnisse  eintrat,  die  im  allgemeinen 
darauf  zurückzuführen  ist,  daß  durch  die  außerordentlich! 
igünstigen  Futterverhältnisse  im  Berichtsjahre  eine  erheblich  ge- 
^steigerte  Butterproduktion  und  infolgedessen  ein  starkes  An- 
gebot namentlich  in  billiger  Landbutter  vorhanden  war.  Die 
vermehrte  Butterproduktion  machte  sich  ebenfalls  für  das  Spät- 
jahr noch  in  einem  starken  Angebot  von  Standware  bemerkbar. 
Auch  die  günstige  Obsternte,  namentlich  in  Pflaumen,  wirkte 
hemmend  auf  den  Verbrauch  in  Margarine.  Was  die  Konkurrenz 
ausländischer  Produkte  betrifft,  so  ist  es  bezeichnend,  daß  bei 
der  gesteigerten  inländischen  Butterproduktion  vom  Ausland 
noch  ungefähr  das  gleiche  Quantum  wie  im  vergangenen  Jahre 


40.    Margarine   und  Pflanzenbutter. 


161 


eingeführt   wurde,    was    aucli   in   ungefähr    dem   gleichen   Maße 
bei  Schmalz  der  Fall  ist. 

Die  für  die  Margarinefabrikation  benötigten  animalischen 
Rohprodukte  haben  eine  wesentliche  Aenderung  in  der  seit 
Jahren  behaupteten  hohen  Preisstellung  nicht  erfahren,  dagegen 
verfolgten  die  Notierungen  für  vegetabilische  Fette  infolge  des 
stetig  steigenden  Bedarfs  eine  andauernde  Aufwärtsbewegung 
und  erreichten  in  diesem  Jahre  eine  vorher  nicht  gekannte 
Höhe.  Dieser  Umstand  dürfte  auch  die  Veranlassung  gewesen 
sein,  daß  verschiedene  Fabriken  in  der  Zwischenzeit  dazu  über- 
gingen, den  weitaus  größten  Teil  ihres  Bedarfs  in  Rohware, 
namentlich  in  Pflanzenfetten,  in  Deutschland  selbst  herzustellen, 
,und  auf  diesem  Gebiet  konnte  eine  außerordentlich  hohe 
Leistungsfähigkeit  sowohl  hinsichtlich  Qualität  als  Quantität 
erreicht   werden. 

Die  Verkaufspreise  für  das  fertige  Produkt  bewegten  sich 
im  allgemeinen  auf  derselben  Basis  wie  im  Jahre  1912.  Für 
Pflanzen-Margarine  mußte  infolge  der  erwähnten  anhaltend 
hohen  Notierungen  für  Pflanzenfett  eine  Aufbesserung  der  Preise 
angestrebt  werden,  um  eine  gleichmäßig  gute  Lieferung  zu 
ermöglichen. 

Li  einigen  Betrieben  entstanden  Schwierigkeiten  mit  den 
Arbeitern  auf  Grund  der  Bestrebungen  der  in  Frage  kommenden 
Organisationen,  auch  in  dieser  Industrie  Tarifverträge  erstmals 
zur  Durchführung  zu  bringen.  Wo  in  einzelnen  Fällen  mit 
Arbeitseinstellungen  zu  rechnen  war,  konnten  diese  nach  kurzer 
Zeit  wieder  beseitigt  werden.  Die  betreffenden  Organisationen 
dürften  jetzt  mit  dem  größten  Teil  der  Margarinefabriken  Lohn- 
tarife zum  Abschluß   gebracht  haben. 

Die-  in  der  Branche  üblichen  Verkaufsbedingungen  haben 
gegenüber  früher  eine  Abweichung  nicht  erfahren  und  konnten 
auch  trotz  der  durch  die  allgemeinen  Verhältnisse  verschlechter- 
ten Gesamtlage  im  großen  und  ganzen  eingehalten  werden. 
Der  Wettbewerb,  namentlich  unter  den  Groß-Detaillisten,  ge- 
staltet sich  immer  schärfer  und  zeitigt  Erscheinungen,  die  un- 
bedingt schädigend  wirken  müssen.  Die  Gewiährung  hoher 
Jlabattc  und  das  Angebot  von  Zugaben  aller  Art,  die  Ver- 
anstaltung von  Ausnahmetagen  und  Anpreisung  sonstiger  Ver- 
günstigungen usw.  sind  Auswüchse  gegenseitiger  Konkurrenz, 
die  überall  zu  beobachten  sind.  Auf  der  anderen  Seite  ist  mehr 
und  mehr  die  Beobachtung  zu  machen,  daß  auf  allen  Gebieten 
auch  seitens  der  Detaillisten  Zusammenschlüsse  erfolgen,  um 
die  aus  dem  gemeinschaftlichen  Einkauf  resultierenden  Vorteile 
zu  genießen,  insbesondere  auch  mit  Rücksicht  auf  die  immer 
stärker  werdende  Konkurrenz  der  Konsumvereine.  Für  Butter 
besteht  die  Vergünstigung,  daß  sie,  soweit  Einzelsendungen  in 

Berl.  Jahrb.  t  Handel  u.  Ind.    I9ia    H.  11 


Rohprodukte. 


Verkaufspreise. 


Arbeiter- 
verhältnisse 


Verkaufs- 
bedingungen 


162  II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

Betracht  kommen,  das  ganze  Jahr  hindurch  per  Eilgut  unter 
Anrechnung  der  gewöhnlichen  Fracht  expediert  wird.  Nach 
langen  Bemühungen  ist  vor  ungefähr  zwei  Jahren  dieselbe  Ver- 
günstigung auch  der  Margarine,  wenigstens  für  die  Sommer- 
monate, zugebilligt  worden.  Eine  Gleichstellung  der  Margarine 
mit  Naturbutter,  und  zwar  unter  Ausdehnung  auf  ganze 
•Waggonladungen,  wäre  dringend  erwünscht,  schon  mit  Rück- 
sicht darauf,  daß  in  den  Herbst-  und  Wintermonaten  erhebliche 
Stockungen  im  Güterverkehr  vorkommen,  die  Transportverzöge- 
rungen im  Gefolge  haben,  welche  seitens  der  Abnehmer  doppelt 
unangenehm    empfunden    werden. 

b)    Pflanzenbutter. 

b)  Pflanzen-  Während    Pflanzenfette    im    Jahre    1912    einen    verhältnis- 

mäßig günstigeren  Markt  trafen  als  1911,  war  im  Jahre 
1913  das  Gegenteil  der  Fall.  Durch  die  bisher  nicht  da- 
gewesenen hohen  Rohmaterialpreise  wurde  die  Nachfrage 
bedeutend  verringert.  Zurzeit  werden  bei  weitem  kleinere 
-Umsätze  erzielt,  als  vor  zwei  bis  drei  Jahren.  Der 
Schmalzmarkt  stand  im  Berichtsjahre  im  Zeichen  zwar  hoher, 
aber  doch  verständlicher  Preise,  während  Pflanzenfette  der- 
artig gestiegen  sind,  daß  sie  sich  zeitweise  den  Sch'malz- 
preisen  allzusehr  näherten.  Die  Konsumenten  zogen  daher  vor, 
das  ausgiebigere  Schmalz  zu  kaufen,  welches  sich  speziell  für 
[Bäckeieizwecke  kaum  oder  nur  wenig  höher  stellt  als  Pflanzen- 
fette bei  ihrer  heutigen  Preislage.  Der  Verbrauch  an  reinen 
Pflanzenfetten  ist  also  ganz  bedeutend  gesunken,  die  Margarine- 
Industrie  konnte  auch  nicht  so  viel  aufnehmen  wie  in  früheren 
Jahren,  und  die  Fabriken  sind  infolgedessen  meistenteils  recht 
schwach  beschäftigt  gewesen.  *Der  Rohmaterialmarkt  scheint 
ganz  in  die  Hände  der  Spekulation  geraten  zu  sein,  die  stark 
genug  war,  trotz  erheblicher  Zuführen  an  Rohmaterial,  die 
hohen  Preise  ohne  sonderliche  Abschwächung  durchzuhalten. 
Die  hohen  Rohstoffpreise  werden  darauf  zurückgeführt,  daß 
in  Amerika  großer  Konsum  besteht,  zu  dessen  Deckung  deutsche 
Fabiikate  herangezogen  und  von  den  deutschen  Mühlen  lohnend 
exportiert  wurden.  Die  Preise  des  fertigen  Fabrikats  ließen 
sich  mlei stenteils  mit  denen  der  Rohware  gar  nicht  in  Ein- 
klang bringen.  Von  einem  Nutzen  kann  in  der  Pflanzenfett- 
Industrie  im  Jahre  1913  nur  in  ganz  bescheidenem  Maße  ge- 
sprochen werden.  Die  Witterung  war  dem  empfindlichen  Artikel 
igünstig,  so  daß  die  Fabrikanten  in  diesem  Jahre  vor  den 
durch  Hitze  verursachten  Verlusten  zum  größten  Teil  verschont 
blieben.  Die  Bewegung  der  Rohmaterialpreise,  die  tatsächlich 
eine  Rekordhöhe  erreicht  haben,  zeigt  nachfolgende  Zusammen- 
stellung: 


41.    Honig. 


163 


Tab.  76.     Preise  für  Kokosöl  und  Palmkernöl  (in  Mark  für  100  kg 

ausschl.  Faß). 


31.1. 

28.2.|31.  3. 1  30.4.1  31.5.1  30.  6. 

31.7. 

31.8. 

30.9. 

31.10. 

30.11. 

31.12 

Kokosöl 

1912 

78 

77 

80 

83V, 

81V, 

80V, 

77V. 

80V, 

82 

83 

83 

84 

1913 

89 

90 

92 

90 

91 

93 

loovo 

102 

101 

98 

97Vo 

" — 

Palmkernöl 

1912 

70 

70 

72V, 

74V, 

71V, 

71V. 

71V, 

74V, 

76Vo 

75 

77 

77 

1913 

80 

80 

87 

83 

84 

89 

94V2 

91 

9OV2 

9OV2 

9IV2 

— 

41.   Honig. 

Im  Jahre  1913  war  das  Geschäft  in  ausländischem  Honig, 
wie  bei  den  meisten  Nahrungsmitteln,  sehr  still,  obschon  Deutsch- 
land eine  schlechte  Honigernte  hatte.  Die  Preise  waren  für 
die  meisten  Sorten  überseeischen  Honigs  wegen  schlechten  Ab-! 
Satzes  sehr  gedrückt,  und  die  Läger  konnten  nur  schwer  ge-j 
räumi  werden.  In  Italien  und  Kalifornien  war  die  Honigernt^ 
idurch  Regen  usw.  größtenteils  vernichtet,  so  daß  von  dort 
nur  wenig  Angebote  vorlagen.  Es  wurden  deshalb  für  kleine 
Posten  prima  Ware  noch  nie  dagewesene  hohe  Preise  verlangt, 
fanden  aber  deshalb  in  Deutschland  fast  gar  keinen  Absatz., 
Dagegen  wurden  große  Posten  russische  und  ungarische  Honige 
angeboten^  welche  in  Qualität  die  meisten  besseren  und  feinsten 
deutschen  Schleuderhonige  übertrafen.  Diese  Honige  konnten 
!bei  Preisen  von  50 — 65  Mk.  pro  Zentner  unverzollt  leider  ebeun 
falk  keine  Abnehmer  finden,  weil  sich  diese  zuzüglich  des, 
Einfuhrzolls  von  20  Mk.  pro  Zentner  zu  teuer  stellten.  Ueber- 
haupt  scheint  die  Bienenzucht  jetzt  in  diesen  Ländern  —  und 
zwar  ohne  staatlichen  Schutz  —  schon  bedeutend  weiter  fortn 
geschritten  zu  sein  als  in  Deutschland.  Als  Grund  hierfür 
ist  allerdings  auch  das  unbeständige  Klima  in  Deutschland] 
anzusehen.  Denn  man  kann  in  Deutschland  nur  alle  vier  Jahre 
auf  eine  mittlere  Honigernte  rechnen.  Diese  kann  aber  nicht 
den  zehnten  Teil  des  Bedarfes  decken.  Dennoch  versuchen  in 
letzter  Zeit  die  deutschen  Bienenzüchter  und  Agrarier  immer 
wieder  durch  die  verschiedensten  geheimen  Treibereien,  den  Eiui 
fuhrzoll  noch  ganz  bedeutend  zu  erhöhen,  außerdem  den  Dekla-. 
rationszwang  über  Herkunft  der  Honige  einzuführen,  um  hier- 
durch die  ganze  Einfuhr  dieser  edlen  und  billigeren  aus- 
ländischen Honigsorten  vollständig  zu  unterbinden.  Der  Grund 
hierfür  ist  das  Bestreben,  für  ihr  eigenes  Produkt  auf  diese 
leichte  Art  und  Weise  den  doppelten  Preis  zu  erzielen.  Die 
Tropenländer  haben  bei  ihrer  wunderbaren  Flora  bekanntlich' 
zwei  Honigernten  und  können  deshalb  ihr  Produkt  billiger  an 
den  Markt  bringen.  Durch  Broschüren,  Zeitungsartikel  usw. 
der  Bienenzuchtvereine  wird  dem  großen  Publikum  der  aus- 
ländische Honig  zu  Unrecht  als  unsauber,  verfälscht,  verdorben 
und  minderwertig  hingestellt. 

11* 


Ausländischer 
Honig. 


164 


II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 


Deutscher 
Heidehonig. 


Deutscher 
Schleuder- 
honig. 


Verhältnis 
zwischen 
Honig- 
großhändlern 
und  Imkern. 


Kunsthonig. 


In  deutschem  Heidehonig  war  im  Berichtsjahre  die  Ernte 
wegen  des  kalten  und  nassen  Sommers  resp.  Herbstes  nur  mittel- 
mäßig: die  Qualität  war  durchschnittlich  normal.  Rohhonig 
war    unter    50    Mk.    pro    Zentner   nicht   zu   kaufen. 

In  deutschem  Schleuderhonig  war  die  Ernte  sehr  geringe 
und  dem  Großhandel  lagen  nur  wenig  Angebote  zu  hohen 
Preisen  vor. 

Das  unerquickliche  Verhältnis  zwischen  den  Honiggroß- 
händlern und  den  Imkern  hat  auch  im  Berichtsjahre  sich  nicht 
gebessert. 

Der  Kunsthonighandel  lag  wegen  der  diesjährigen  guten 
Pflaumen  ernte  sehr  danieder.  Pflaumenmus  war  billiger  und 
wurde  deshalb  vorgezogen,  obsohon  die  Preise  für  Kunsthonig 
auch  sehr  gedrückt  waren.  Diese  niedrigen  Preise  haben  sich 
viele  Kunsthonigfabriken  selbst  zuzusdhreiben,  weil  in  den 
letzten  Jahren  meist  nur  eine  billige,  minderwertige  Ware 
fabriziert  wurde,  die  den  Konsumenten  nicht  zusagt,  im  Gegen- 
satz zu  früheren  Jahren,  in  denen  die  bessere  Ware  zu  guten: 
Preisen  großen  und  leichten  Absatz  fand. 


Erster  Bericht. 
Allgemeines. 


Schweizerkäse. 


West- 
preußischer 
Scnweizerkäse. 


42.  Käse. 

Erster  Bericht. 

Der  Käsehandel  litt  im  Jahre  1913  unter  niedrigen  Preisen^ 
welche  durch  die  günstige  Futterernte  bedingt  wurden,  während 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  der  Absatz  durch  die  verschlech- 
terte  wirtschaftliche   Lage    ungünstig    beeinflußt   wurde. 

Die  Schweiz,  welche  mit  der  Herabsetzung  der  Preise  lange 
zögerte,  setzte  plötzlich  im  J^li  und  Auglist  den  Preis  um; 
ca.  10  Mk.  pro  100  kg  herunter.  Dadurch  wurden  die  Umsätze 
erhöht,  so  daß  die  Schlußmonate  des  Jahres  einen  etwas  größeren 
Import  gestatteten.  Bayerischer  Schweizerkäse  zeigte  in  den 
ersten  sieben  Monaten  des  Jahres  keine  Preisveränderung  gegen 

1912,  jedoch  bröckelten  die  Preise  im  August,  September  um 
ca.  10  Mk.  pro  100  feg  ab,  so  daß  sich  dieser  Käse,  wenn  auch 
Unter  erschwerten  Verhältnissen,  wieder  zum  1-Mk.-Detailaus- 
sclmitt  eignete.  Dadurch  wurde  der  Konsum  gehoben,  zum  Nach- 
teil des  westpreußischen  Schweizerkiäses  und  des  echten  Emmen- 
thaler  Käses. 

Die  Produktion  in  westpreußischem  Schweizerfcäse  ist  nicht 
mehr  so  groß,  als  sie  in  früheren  Jahren  war.  Aus  diesem  Grunde 
war  die  Produktion  des  Jahres  1912  schon  frühzeitig'  aufgebraucht, 
so  daß  dieser  Artikel  nur  in  den  ersten  drei  Monaten  des  B^ 
rieh ts Jahres  für  den  Konsum  in  Betracht  kam.  Die  Preise  waren 
gegen  1912  unverändert.  Für  das  neue  Produkt,  Sommerproduktion 

1913,  wurden  fast  die  gleichen  Preise  von  den  Produzenten  ver- 
langt wie  für  die  Produktion  von  1912.   Die  Käufer  zeigten  kein 


42.    Käse. 


165 


Interesse  für  diesen  Artikel,  da  er  zu  teuer  war.  Man  kann  von 
einem  schleppenden  Geschäft  in  westpreußischem  Schweizerkäse 
sprechen.  Die  Umsätze  waren  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres 
ganz  minimal  und  wurden  nur  mit  Gewalt  und  zu  Verlustpreisen 
seitens  der  Händler  getätigt. 

Die  ersten  fünf  Mionate  des  Berichtsjahres  brachten  noch  TUsiter  Käse, 
die  alten  Preise  Von  1912 ;  jedoch  waren  die  Monate  Mai,  Juni 
schleppend  im  Absatz,  und  die  Produzenten  waren  gezi'wungen, 
die  Preise  erheblich  herunterzusetzen,  so  daß  mit  einem  Preis- 
abschlag von  ca.  20  Mk.  pro  100  kg  gerechnet  wurde.  Da- 
durch war  die  Möglichkeit  geschaffen,  den  80-Pfg. -Detailausschnitt 
für  allerbeste  Ware  wieder  einzuführen.  Aus  diesem  Grunde  hatte 
die  vergrößerte  Produktion  gute  Aufnahme  im  Markt  gefunden, 
ßo  daß  man  am  Schlüsse  des  Jahres  auch  noch  in  der  Lage 
war,  den  80-Pfg. -Detailausschnitt  zu  halten.  Man  kann  in  diesem 
Artikel  von  einem  normalen   Geschäft  sprechen. 

Holländerkäse  zeigte  für  die  ersten  neun  Monate  unveränderte  HoiiändeiKäse. 
Preise.  Dieser  Artikel  ist  mehr  ein  Delikatessenartikel  geworden, 
der  infolge  des  erhöhten  Ausschnittpreises  weniger  konsumiert 
wird.  In  den  letzten  zwei  Monaten  verlangte  Holland  stetis 
höhere  Preise.  Dadurch  ist  der  Konsum  weiter  zurückgegangen, 
so  daß  man  zum  Schlüsse  des  Jahres  nur  von  einem  kleinen  Ge- 
schäft berichten  kann. 

Edamerkäse  hat  sich  sehr  goit  eingeführt,  ist  beim  Publikum  Edamer  Käse, 
beliebt  und  konnte  längere  Zeit  in  guter  Qualität  zum  1-Mk.- 
Detailausstich  gegeben  werden.  In  den  letzten  Monaten  trat 
auch  für  diesen  Artikel  eine  Preiserhöhung  ein,  so  daß  die 
Verkaufspreise  erhöht  werden  mußten;  der  Konsum  blieb  aber 
der  gleiche,  so  daß  man  zum  Jahresschluß  von  einem  zufrieden- 
stellenden  Geschäft   in   diesem  Artikel   berichten  kann. 

Die  ersten  sieben  Monate  brachten  für  Limburgerkäse  einen         Limburger 
Preisabschlag  von   ca.    15   Mk.    pro   100  kg.     Der    Handel    enti-  ^^^'*^" 

wickelte  sich  günstig.  Für  August  und  September  versuchten 
die  Produzenten  einen  Preisaufschlag  von  ca.  16  Mk.  pro  100  kg 
durchzusetzen.  Man  zahlte  diese  Preise  nur  ungern,  und  der  Konsum 
ging  dann  plötzlich  derartig  zurück,  daß  das  Geschäft  vom  Sep- 
tember ab  sehr  danieder  lag  und  man  schließlich  in  kurzer  Zeit 
Preisrückgänge  von  ca.  25  Mk.  pro  100  kg  feststellen  konnte, 
welche  jedoch  nicht  imstande  waren,  das  Geschäft  zu  beleben, 
da  die  Abnehmer  kein  Interesse  mehr  für  diesen  Artikel  hatten; 
denn  die  Qualität  der  Limburgerkäse  hat  sich  in  den  letzten 
Jahren  ganz  erheblioh  verschlechtert,  d.  h.  die  Käse  sind  jetzt 
geschmacklos,  trocken  und  gleichen  fast  dem  gewöhnlichen 
Quadratkäse. 

Der  erste  Monat  brachte  noch  die  vorjährigen  hohen  Preise,         Romatour, 
und  der  Konsum  wurde   dadurch  ungünstig  beeinflußt.    In  den 
folgenden  vier  Monaten   gingen   die  Preise  um  ca.    10  Mk.   pro 


166 


II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 


100  'kg  zurück,  und  das  Geschäft  hat  sich  dann  günstig  abge- 
wickelt Für  die  nächsten  zwei  Alonate  wurden  aber  von  den 
Produzenten  wieder  erheblich  höhere  Preise  durchgedrückt,  wo- 
durch der  Konsum  ungünstig  beeinflußt  wurde.  Man  ^var  daher 
gezwungen,  für  die  letzten  drei  Monate  des  Jahres  wieder  Preis- 
abschläge vorzunehmen,  so  daß  der  Dezember  gegen  den  Januar 
eine  Preisdifferenz  von  28  Mk  .pro  100  kg  nach  unten  ergab, 
Der  Konsum  war  mittelmiäßig.  Am  Schlüsse  des  Jahres  waren 
keine  großen  Läger  vorhanden. 
Quadratkäse.  Quadratkäsc  ist  mehr  für  den  Konsum  der  großen  Arbeiter- 

masse bestimmt,  und  der  Konsum  war  infolge  der  schlechten  wirt- 
schaftlichen Lage  für  die  letzten  vier  Monate  des  Jahres  immer 
schwächer  geworden,  so  daß  im  Dezember  eine  Deroute  in  dieseui 
Artikel  war,  die  so  geringe  Preise  gebracht  hat,  daß  der  Pro- 
duzent bei  weitem  nicht  seine  Rechnung  finden  konnte  und  die 
Ware  mit  großen  Verlustpreisen  abgegeben  werden  mußte.  Trotz- 
dem ist  der  Konsujn  gering  geblieben,  so  daß  man  in  diesem  Ar- 
tikel nur  von  einem  ganz  schlechten  Geschäft  berichten  kaun. 
Quarkkäse.  Quarkkäßc  hatte   in  den   ersten  Monaten  noch  ziemlich  zu- 

friedenstellende Preise,  jedoch  war  der  Absatz  nicht  so  wie  im 
Jahre  1912.  Die  letzten  vier  Monate  brachten  ein  sehr  stilles 
Geschäft,  dadurch  wurde  der  Preis  für  das  Hohmaterial  so  stark 
heruntergedrückt,  wie  man  es  selten  erlebt  hat.  Es  wurden  die 
Preise  auch  für  das  fertige  Produkt  infolge  des  schlechten  Ab- 
satzes sehr  heruntergesetzt,  so  daß  man  am  Schlüsse  des  Jahres 
nur  Von  ganz  niedrigen  Preisen  berichten  kann,  die  nur  einen 
ganz  kleinen  Absatz  ermöglichten,  da  auch  in  diesem  Artikel 
die  Kaufkraft  des  Arbeiterpublikums   fehlte. 

ZweiterBericht.  Zweiter  Bericht. 

AUgemeines.  Während  in  den  letzten  beiden  Jahren  von  allen  Seiten  über 

Futtermangel,  Viehseuchen  und  geringere  !Milchproduktion  Klage 
geführt  wurde,  ist  vom'  Jahre  1913  das  Gegenteil  zu  berichten. 
Die  Futteremte  ist  durchweg  groß  ausgefallen,  in  Schlesien  und 
in  den  süddeutschen  Staaten  beinahe  zu  reichlich,  so  daß  in 
diesen  Gegenden  zeitweise  eine  Ueberproduktion  in  Milch  in  die 
Erscheinung  trat.  Infolge  Daniederliegens  des  Baug-ewerbes  und 
der  ungünstigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse  im  allgemeinen  fand 
eine  Einschränkung  des  Konsums  in  Käse  statt,  und  es  konnte 
daher  nicht  ausbleiben,  daß  die  bisherigen  hohen  Preise  eine  erheb- 
liche Einbuße  erlitten.  Der  Eückgang  machte  sich  gleich  zu  An- 
fang des  neuen  Jahres  bemerkbar,  und  wenn  auch  etwa  im  Mai/ Juni 
eine  leichte  Besserung  eintrat,  so  war  die  Abschwächung  im 
letzten  Drittel  des  Jahres  für  fast  alle  Gattungen  um  so  größer. 
Die  Differenz  zwischen  den  Notierungen  zu  Anfang  und  zu 
Ende  des  Jahres  betrug  je  nadh  der  Gattung  10 — 40  o/o.  Durch 
die    anhaltende     rückgängige    Konjunktur     wurde    natürlich     der 


42.    Käse. 


167 


Nutzen    beeinträchtig;    doch    stieg    auf   der    anderen   Seite,    ver- 
anlaßt durch  die  billigen  Preise,  allmählich  wieder  der  Umsatz. 

Unter  der  Ungunst  der  wirtschaftlichen  Lage  und  den  hohen 
Notierungen  litt  vornehmlich  der  Absatz  des  Schweizerkäses, 
und  zwar  gleichermaßen  das  inländische  wie  das  importiertfe 
Schweizer  Produkt.  Im  Mai/Juni  erhielt  der  ^larkt  plötzlich 
eine  andere  Physiognomie.  T)3ls  Ausland  trat  mit  ungewöhnlich 
niedrigen  Forderungen  für  das  Winterprodukt  hervor  und  gab 
damit  das  Zeichen  für  einen  allgemeinen  Rückgang.  Die  Allgäuer 
wie  die  westpreußischen  Schweizerkäse  büßten  dadurch  ebenfalls 
beträchtlich  im  Preise  ein,  fanden  dann  aber  einen  besseren 
Absatz.  Die  Notierungen  zu  Anfang  und  zu  Ende  1913  differierten 
bei  echtem  Eminen thaler  um  zirka  20  Mk'.,  bei  bayerischem 
Emmenthaler  und  westpreußischem.  Schweizerkäse  um  etwa  10  Mk. 
bei  100  kg. 

In  Tilsiterkäse  war  der  Absatz  bis  zum  Herbst  befriedigend, 
teilweise  sogar  flott.  Im  September/Oktober  ging  dann  der 
Konsum  in  auffälliger  Weise  zurück  und  veranlaßte  einen  be- 
trächtlichen Rückgang  der  Preise.  Die  Differenz  belief  sieh  auf 
zirka  loOo. 

In  Weichkiäse,  und  zwar  in  allererster  Linie  in  Limburger 
und  Romatour,  vollzog  sich  das  Geschäft  im  Berichtsjahre  nicht 
glatt  und  brachte  besonders  dem  Engros-Handel  empfindliche 
Verluste.  Der  fortwährende  Rückgang  in  den  ersten  Monaten 
wurde  im  kühlen  Juni  und  August  durch  eine  Aufwärtsbewegung 
unterbrochen,  im  Herbst  aber,  wo  sonst  programimäßig  die  Kon- 
junktur einzusetzen  pflegt,  gingen  die  Preise  Igeg^en  alle  Erwartung! 
stark  zurück.  Diese  Erscheinung  dauerte  bis  zum  Schlüsse  des 
Jahres  und  führte  zuweilen  Preisstürze  mit  sich,  wie  sie  um 
diese  Jahreszeit  in  Limburger  usw.  kaum  jemals  dagewesen  sind. 
Bei  einem  so  wohlfeilen  Nahrungsmittel  fäJlt  das  bei  den  miß- 
lichen Erwerbs  Verhältnissen  des  w^eniger  bemittelten  Publikums 
und  den  anderen  teueren  Lebensmitteln  weit  mehr  auf  und  findet 
nur  teilweise  seine  Aufklärung  in  der  Ueberproduktion.  Eine 
jgute  Durchschnitts  wäre  in  Limburger  notierte  Ende  dieses 
Jahres  25—28  Mk.   gegen  42—45  Mk.  Ende  1912. 

In  den  übrigen  Gattungen,  wie  Backsteinkäse,  Quarkkäse,  hat 
der  Absatz  bei  normalen  Preisen  den  Erwartungen  nicht  ent- 
sprochen. Eine  Belebung  des  Geschäfts  konnte  auch  eine  er- 
hebliche Preisreduktion,  die  übrigens  ein  zu  reichliches  Angebot 
bedingte,  nicht  herbeiführen.  Einen  wesentlichen  höheren  Ver- 
brauch hatte  der  hiesige  Platz  in  Weichkäse  nach  französischer 
Art  zu  verzeichnen.  Das  heimische  Produkt  in  seiner  jetzigen 
Vollendung  ist  auf  dem  besten  Wege,  das  französische  Fabrikat 
zu  ersetzen,  um  so  mehr,  als  es  bei  g-leicher  Güte  erhe^blilch 
billiger   ist. 


Schweizerkäse. 


Tilsiter  Käse. 


Weichkäse. 


Uebi-ige 
Käsegattungen. 


168 


II.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 


HoUanderKäse.  Der  echte  Holländerkäse  hat  im  Gegensatz  zu  allen  anderen 

Grattungen  eine  nennenswerte  Preissteigerung  orfahran.  Zwar 
ist  er  besonders  in  Berlin  vielfach  durch  den  Tilsiter  verdrängt, 
wird   aber  trotzdem  noch   in  großen  Posten  importiert. 


Allgemeines 


Inländische 
Eier. 


Sttd- 

russische    usw. 

Qualitäten. 


43.   Eier. 

Die  Wareneingänge  des  JaJires  1912  waren  ein  wenig  größer 
als  die  des  Vorjahres.  Die  Preise  boten  kein  einheitliches  Bild. 
Der  Durchschnittspreis  aller  Sorten  hat  sich  um  12,1  Pfg.  gegen 
1912  ermäßigt,  war  aber  mit  4,324  Mk.  für  das  Schock  no-dh 
immer  recht  hoch. 

Vollfrische  inländische  Eier  kamen  auch  im  Berichtsjahre, 
weil  die  an  den  Großhandelsmarkt  gelangenden  Quantitäten  viel 
zu  gering  waren,  nicht  zur  Notiz.  Ebensowenig  wurden  zweit<3 
^rten  notiert.  Solche  waren  zwar  namentlich  bei  den  süd- 
russischen Sendungen  im  Hochsomlmier  und  Herbst  bei  jeder  Ladung 
vorhanden,  immerhin  aber  waren  die  Eingänge  dieser  Qualität 
an  den  einzelnen  Markttagen  keine  so  erheblichen,  daß  eine  be- 
sondere Notiz  dafür  von  den  Interessenten  beansprucht  wurde. 
Abweichende  Ware  gelangte  nur  einmal  ini  Mai  mit  3  Mk.  zur 
Notiz.  Wenn  im  Vorjahre  das  Fehlen  der  Notierungen  für  zweite 
und  abweichende  Sorten  als  durch  im  allgemeinen  gute  und 
gesunde  Qualitäten  bezeichnet  werden  konnte.  so  kann 
dies  für  das  Jahr  1913  nicht  mit  derselben  Gewißheit  gesagt 
werden.  Die  Beschaffenheit  der  W^are  ließ  zu  manchen  Perioden, 
namentlich  in  der  Üebergangszeit  vom  Sommer  zum  Herbst,  recht 
viel  zu  wünschen  übrig. 

Vollfrische  ausländische  Eier  wurden  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des   Berichtsjahres   notiert  und  zwar  im 

Juli  August         September         Oktober        November  Dezember 

4,133  4,291  4,522  5.556  5,95  5,783  M. 

das  ist  gegen  die  gleichen  Monate  des  Vorjahres 

Juli  August         September         Oktober        November  Dezember 

+  27.2  0  +4,7  +  30.3         -f  23,8  +  2,3  Pf. 

Der  Durchschnittspreis  dieser  Qualität  stellte  sich  auf  5,039  Mk., 
d.  i.  20,4  Pfg.  teurer  für  das  Schock  als  1912,  und  lag  diesmal 
wieder  trotz  der  hohen  Preise,  welche  auch  für  normale  Sorten 
bezahlt  wurden,  um  82,3  Pfg.  über  dem  Mittelpreise  der  letzteren, 
eine   Spannung,  welche  als  eine  gewohnte  zu  bezeichnen  ist. 

Die  Durchschnittsnotierungen  für  südrussische,  bessere  und 
geringere  galizische,  ungarische  und  ähnliche  Qualitäten  waren 
die  folgenden: 

Jan.      Febr.     März     April       Mai       Juui        Juli        Aug.       Sept.       Okt.       Nov.       Dez. 
4,606  4,293  3,869  3,356    3,489    3,622    3,919    4,034    4,175    4,847  5,169  5,219  M. 

das  ist  gegen  das  Vorjahr  höher  (-j-)  oder  geringer  ( — ) 

Jan.         Febr.      März     April       Mai      Juni        Juli        Aug.     Sept.      Okt.      Nov.       Dez. 
-68,3   -174,6  -8,1  -36,9  +1,8  +12.8  +28,6    -0,8    -6,1  +15,3  -1,1  +3,1  Pf. 


43.   Eier.  169 

Bemerkenswert  sind  die  sehr  erheblidien  Preisabschläg^e  g'egon 
die  Preise  im  Januar  und  Februar  1912,  die  damals  die  Preise 
von  191].  fast  um  die  gleiche  Differenz  überstiegen.  Der  Durch- 
schnittspreis dieser  die  Grundlage  des  Handels  bildenden  Qua- 
litäten hat  sich  auf  4,216  Mk.,  d.  h'.  um  19,6  Pfg.  niedrij^er; 
als  1912,  gestellt.  Immerhin  ist  auch  dieser  Preis  noch'  als  hoch 
zu  betrachten.  Aussortierte,  kleine  u.  dgl.  Sorten  waren  etwas 
weniger  begehrt  als  in  früheren  Jahren  und  hatten  deshalb  mit 
alleiniger  Ausnahme  des  Monats  Juli  nur  Preisabschläge  gegen 
1912    zu   verzeichnen. 

Diesielben  notierten  im 

Jan.      Febr.      März      April        Mai        Juni        Juli        Aug.      Sept.       Okt.      Nov.        Dez. 
3,711    3,494    3,381    2,925    3,047    3,172    3,472    3,537  3,575  3,987    3,906    3,75  M. 

das  ist  im  Verhältnis  ztim  Vorjahre 

Jan.        Febr.      März      April      Mai    Juni       Juli       Aug.       Sept.       Okt.      Nov.  Dez. 

-12,8  -145,2  -7,2  -31,4  -11    -15  -f32,8  -12,7  -22,4  -2,1   -20,3  -39,1  Pf. 

Der  D'urchschnittspreis  stellte  sich  auf  3,496  Mk.,  d.  h.  21,4  Pfg. 
weniger  als  1912.  ^ 

Atich  im  Berichtsjahre  sind  rwieder  recht  ansehnliche  Mengen  Konservierte 
Eier  konserviert  wtorden,  obscihon  !die  .Prühjahrseinstandsp reise 
recht  hoch  waren.  Die  Spekulation  läßt  sich  dadurch  anschei- 
nend aber  nicht  mehr  'bedenklich  machen  und  hätte  dafür  diesmal 
vielleicht  viel  Lehrgeld  zahlen  müssten,  wenn  ihr  nicht  gerade 
im  gefahrdrohenden  Mjoment  ein  ganz  .unvorhergesehener  Um- 
stand zugute  gekominen  wäre.  Dies  war  das  plötzliche  Auf- 
treten Amerikas  als  Käufer  ia  London  und  an  den  deutschen 
Hauptplätzen  —  Berlin  und  Hamburg  —  und  auch  in  den  für 
iungeren  Markt  im  Spätherbst  namentlich  in  Betracht  kommen- 
di>ii  Produktionsgegenden,  insonderheit  in  Galizien.  Der  neue 
amerikanische  Tarif  hat  den  Zoll  atif  Eier,  der  sdhwer  ins  Ge- 
wicht fiel,  zlir  Aufhebung  gebracht  und  ungünstige  Witterungsi- 
\ierhältnisi9e  hatten  die  Produktion  der  Vereinigten  Staaten  selbsit 
sowie  in  denjenigen  Ländern,  die  isie  bisher  bei  Mehrbedarf  zu- 
meist mit  Eiern  versiorgten,  derartig  eingeschränkt,  daß  die 
(amerikanischen  Pirmen  sich  genötigt  sahen,  neue  Bezugsiquellen 
iaufzusiichen.  Auf  dieöe  Weise  Vurden  im  Spätherbsit  bereitsi 
'ziemlieh  deutlich  zutage  tretende  Anzeichen  schärferer  Preis- 
rückgänge vermieden,  die  Preise  für  frische  Ware  konnten  sich 
gut  behaupten  und  zogen  die  der  Kuhlhaus'-  und  Kalkeier  nach 
sich,  zumal  Amerika  weniger  frisiche  als  namentlich  Kalkeier 
aufnahm.  Ob  man  mit  diesem  Lande  in  Zukunft  als  mit  einem 
ständigen  Käufer  ajn  europäischen  Markte  wird  rechnen  können, 
läßt  sich  nicht  absehen,  da  das  ganz  von  der  Stärke  der  eigenen 
Produktion,  und  in  erster  Reihe  auch  derjenigen  von  Kanada  ab- 
hängt, das  es  bisher  in  großem  Maßstabe  mit  versorgt  hat.   Neben- 


170 


II.     Tierische    Rohprodukte    und    Fabrikate. 


Kühlhauseier. 


Kalkeier. 


Bahn-Einfuhr 
und  Ausfuhr. 


Verbrauch 
Berlins. 


bei  kajii  in  früheren  Jahren  bei  außer gewöhnliohem  Bedarf  \  on 
europäischen   Eiern  für   Amerika  nur   Irland   in  Beta:aoht. 

Auß  1912  waren  beine  Vorräte  von  Kühlhauseiem  übrig  ge- 
blieben. Solche  kamen  daher  erst  im  Oktober  des  Berichtsjahres 
zur  Notiz  und  zwar  mit  y4,646  Mk.  Im  November  notierten  sie 
4,672  und  im  Dezember  4,787.  Im  Oktober  1912  waren  Kühlhaus- 
eier noch  nidht  im  Handel.  Gegen  November  bedeutet  der  vor- 
stehend verzeichnete  Preis  eine  Minderung  vK>n  11,9  und  geg-en 
Dezember  eiae  solche  von  5  Pf g.  pro  Schock.  Der  Durchschnitts- 
preis war.  4,701  Mk. 

Die  nicht  wesentlidhlen  Bestände,  welche  an  Kalkeiern  aus 
1912  übrig  geblieben  wairen,  wurden  im  Januar  mit  4,168  Mk., 
d.  h.  17,4  Pfg.  höher  als  1912,  und  die  Lagerungen  aus  dem  Be- 
richtsjahre selbst  wurden  im  Oktober  mit  4,186  Mk.,  im  No- 
vember mit  4,169  und  im  Dezember  mit  4,154  Mk.  bezahlt. 
Das  sind  gegen  1912  Preisminderungen  um  12,6,  27,2  und  o8,o  t*lg., 
trotz  des  vorstehend  Igeschilderten  erhebliehen  Eingreifens  \k)Yi 
Alnerika.  Der  Durchschnittspreis  der  letzten  drei  Mionate  des 
Jahres  war  für  diesen  Artikel  4,169  Mk.  gegen  4,425  Mk.  im 
Vorjahre,  d.  h.  um  25,6  Pfg.  niedriger.  Audh  in  diesem  Jahre 
also  hat  sich  der  Abstand  |z wischen  Kühlhauseiern  und  Kalk- 
eiern auf  der  üblichen  Grenze  von  ca.  50  Pfg.  pro  Schock  bewegt. 
Die  Bestände,  die  am  Schlüsse  des  Jahres  an  konservierten  Eiern 
blieben,   waren  unter  den  igeschilderten  Umständen    nur   gering. 

Auf  den  lq  Berlia  'müjidenden  Bahnen  wurden  1913  43  270  421 
Kilogranar-  =  11538  779  Schock  gegen  11418  589  Schock,  d.  h. 
120190  Schoök  miehr  als  1912  eingeführt.  Der  Wert  der  Einfuhr 
stellte  sich,  zum  Gesamtpreise  aller  amtlich  notierten  Sorten  be- 
rechnet, welöher  4324  Mk.  Var,  auf  49  893  680  Mk.  gegen  50  755  628 
Mark,  d.  h.  861  948  Mk.  weniger  als  im  Vorjahre.  Ausgeführt 
wurden  3  875  440  kg  =  1033  450  Schock  gegen  876173  Scliock 
bzw.  157  277  Schjock  mehr  laJs  im  Vorjahre.  Der  Wert  der  Aus- 
fuhr stellte  sich  auf  4  468  637  Mk.  gegen  3  894  588  Mk.,  d.  h. 
574  049  Mk.  mehr  als  1912.  Die  Mehrausfuhr  dieses  Jahres 
gegen  das  Vorjahr  ist  wohl  ausschließlich  auf  die  amerikanischen 
Bezüge  zurückzuführen.  Berlin  hat  solchergestalt  zum  ersten 
Male  seit  einer  längeren  Heihe  von  Jahren  wieder  einen  nennens- 
•weopten    Transitverkehr    aufzuweisen    gehabt. 

Der  Verbrauch  Groß-Berlins  selbst  betrug  39  394  981  kg 
gleich  10  505  329  Schock  gegen  10  542  416  Schock,  d.  h.  37177 
Schock  weniger  als  1912,  und  stellte  zum  Durchschnittspreise 
von  4324  Mk.  einen  Wert  von  45  425  043  Mk.  dar  gegen 
46  861039   Mk.     bzw.    1435  996   Mk.   weniger   als    im   Vorjahre. 

Die  wichtigsten  Ziffern  der  Statistik  des  Berliner  Eier- 
großhandels enthalten  die  folgenden  Ziffern  über  Preise,  Zu- 
fuhr, Ausfuhr  und  Konsum  Berlins. 


44.    Speck. 


171 


Durchschnittspreise  für  frische,  d.  h.  nicht  konservierte  Eier  von  normaler  Größe 
im   Berliner   Großhandel  (in  Pfennig  für  ein  Schock). 


ur 

Januar 

Febr.    !    März    |    Aprü 

Mai 

Juni 

Juli 

August     Sept.    j  Oktob. 

Nov. 

Dez. 

Jahres- 
Durchschn. 

)9 

r531.7 

518.8 

414.8 

372.9 

317.6 

337.0 

337.4 

339.4 

372.2     401.0 

468.5     462.2 

393.8 

0 

357.3 

367.0 

337.9 

307.1 

304.3 

315.6 

323.8 

330.5 

399.0     454.6 

472.3     456.6 

368.8 

1 

454.6 

480.8 

370.2 

330.2 

329.4 

329.4 

336.8 

379.2 

406.2     424.4 

432.3  !  455.8 

394.1 

2 

528.9 

603.9 

395.0 

372.5 

347.1 

349.4 

363.3 

404.2 

423.4     469.4 

518,0    518.8 

441.2 

3 

460.6 

429.3 

386.9 

335.6 

348.9 

362.2 

391.9 

403.4 

417.5     484.7 

516,9 

521.9  1 

421.6 

Tab.     8 

Berlins   Einfuhr,  Ausfuhr  und  Konsum  von  Eiern  in 
Jahren  1909—1913. 

den 

Jahr 

Einfuhr 
Schock 

Ausfuhr 
Schock 

Konsum 
Schock 

£Z^:    1     Wert  der 

'treJs             ^^^^^ 
Mark                Mark 

"Wert  des 
Konsums 

Mark 

1909 
1910 
1911 
1912 
1913 

11  146  152 
11  143  117 
11418  485 
11418  589 
11538  779 

643  130 
779  835 
977  423 
826  173 
1  033  450 

10  503  022 
10  463  282 
10  441  062 
10  542  416 
10  505  329 

3,938 
3,682 
3,900 
4,445 
4,324 

43  893  546 
41  397  157 

44  532  091 
50  755  628 
49  893  680 

41  360  900 
38  525  805 
40  720  141 
46  861039 
45  425  043 

44.   Speck.    . 

Die  Fleisohnot  im  Jahre  1912  machte  im  Berichtsjahre, 
besonders  auf  dem  Schweinemarkte,  einer  kleinen  Erleichterung 
Platz.  Geht  man  aber  den  Ursachen  auf  den  Grund,  so  sind 
diese  nicht  in  einer  vergrößerten  Schweinezucht,  sondern  in  einem 
infolge  der  allgemeinen  schlechten  wirtschaftlidhen  Verhältnisse 
eingeschränkten  Fleischkonsum  und  in  den  seitens  der  Eegierung 
den  Kommunen  und  Wohlfahrtsanstalten  gemachten  Einfuhr- 
er leicht  er  im  gen  geschlachteten  Viehs  zu  suchen.  Am  Berliner 
Viehhof  sind  im  Jahre  1913  an  91  Markttagen  1  399  657  Schweine 
gegen  1493  783  im  Vorjahre  aufgetrieben  worden,  was  der  Stück- 
zahl nach  eine  Verringerung  von  ungefähr  7  o/o  bedeutet.  Trotz- 
dem war  die  Tendenz  eine  weichende.  Es  notierten  am  Berliner 
Viehhof  prima  Schweine  Anfang  Januar  1913  83 — 84  Mk.  für 
100  Pfund  Schlachtgewicht,  um  dann  langsam  weichend  Anfang 
Juni  ihren  Tiefstand  von  64 — 66  Mk.  zu  erreichen.  Im  Laufe 
des  Monats  Juni  befestigten  sich  die  Schweinepreise  bis  auf 
70 — 71  Mk.,  und  sie  setzten  die  Steigerung  bis  Anfang  August 
in  schärferem  Tempo  bis  auf  79 — 80  Mk.  fort.  Seit  dieser  Zeit 
ist  die  Tendenz  langsam  weichend,  und  prima  SdhWeine  kostet/cn 
Ende  Dezember  67—68  Mk. 

Die  Fabrikation  und  der  Handel  mit  Speck  hatten  im  ganzen 
Jahre  einen  schweren  Stand.  Im  ersten  Semester,  welches  insa 
besondere  der  Aufspeicherung  von  Vorräten  in  Bauchspeck  dient, 
konnte  eine  rentable  Eindeckung  nicht  erfolgen.  Bei  guter  Be-. 
schäftigung  der  Industrie  ist  frisches  Schweinebauchfleisch  zu- 
gunsten anderer  Fleisch  teile  wie  Karbonade,  Kamm,  Schinken 
usw.  im  Fleischhandel  von  den  Schweinefleisch  konsumierenden 
Volksklassen  weniger  begehrt  und  zu  niedrigeren  Preisen  für  dir 


Schweine- 
preise. 


Speckmarkt. 

Erstes 
Halbjahr. 


172  II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

SpeckfahrLkation  erhältlich.  In  diesem  Jahre  kleinen  Verdienstes) 
war  aber  frisches  Bauühfleisch,  weil  billiger  als  andere  Fleisch- 
teil'e,  für  den  Küchenbedarf  sehr  begehrt,  und  für  diesen  Artikel 
mul3ten  infolgedessen  auch  von  der  Speckfabrikation  höhere  Preise 
bewilligt  werden.  Die  Nachfrage  nach  gesalzenem  Bauch-  und 
Rückenspeck  war  während  dieser  ganzen  Zeit  gering.  Dem  vor- 
handenen Bedarf  brachte  der  Hamburger  Markt  dauernd  Offerten 
entgegen,  die  weit  unter  hiesigem  Einstand  lagen.  Lieferungs- 
abschlüsse in  Speck  waren  zu  angemessenen  Preisen  nicht  zu 
ermöglichen,  und  bis  in  den  Mai  hinein  blieben  die  hiesigen  Vor- 
räte gering.  Erst  im  Mai  und  Juni  wurde  das  Salzgeschäft  bei 
mäßigen  Preisen  für  frische  Bäuche  und  Rücken  lebhafter,  und 
da  allseitig  das  Bestreben  herrsehte,  die  Läger  etwas  aufzufüllen, 
hoben  sich  die  Einstandspreise  für  Bäuche  vorzeitig  schnell,  um 
im  Juli  den  ungewöhnlich  hohen  Stand  von  75  Mk.  zu  erreichen. 
War  das  Geschäft  in  gesalzenem  Speck  bis  dahin  leblos,  so  setzte 
jetzt  plötzlich  eine  große  Nachfrage  nach  sämtlichen  Sorten  Speck 
für  den  zu  erwartenden  Bedarf  der  Herbstmonate  ein.  Die  kleinen 
Speckvorräte  sowie  die  stark  angestiegenen  Preise  für  frische 
Bäuche  und  Rücken  einerseits,  andrerseits  die  schlechten  Erfah- 
ruQgen  de«;  Vorjahres  mit  Lieierungskäufen  machten  die  Speck- 
fabrikanten vorsichtig  und  mit  Verkäufen  zurückhaltend,  so  daß 
diese  manche  gute  Verkaufsgelegenheit  verpaßten.  Die  Hoff- 
nungen auf  gesteigerten  Herbstbedarf  waren  aber  trügerisch.  Der 
erwartete  große  Konsum  T>lieb  aus,  so  daß  die  Preise  für  gesalzenen 
10/16er  Bauchspeck  von  Ende  Juli  mit  85  Mk.  und  gesalzenen 
18/24er  Rückenspeck  init  75  Mk.,  während  der  Hauptbedarfszeit 
im  Oktober  auf  75  Mk.  bzw.  68  Mk.  als  Folge  eines  ungewöhnlich 
kleinen  Bedarfs  zurückgingen. 
Preise.  Die  Preise  der  beiden  Standardsorten,  10/15er  gesalzene  Bäuche 

und    18/24er   gesalzene   Rücken,    im   hiesigen    Großhandel   waren 
folgende : 

Tab.  79.  Berliner  Großhandelspreise  für  Speck  i.  J.  1913  (in  Mk.  für  50  kg). 

Jan.   Febr.  März  April  Mai   Juni        Juli  Aug.       Sept.   Okt.   Nov.  Dez. 

Bäuche     80      76      78      76      68      66     70—75     80—85     75     72     75      66 
Rücken     77       74       75      72      66      64  66  72  70      68      68      62 

Unter  solchen  Umständen  lag  für  den  Import  von  Speck  kein 
Interesse  vor,  znmal  die  Auslandspreise  wegen  des  hohen  Ein- 
gangszolles keinen  Nutzen  ließen.  Vereinzelte  Lieferungskäufe 
von  amerikanischem  Rückenspeck  (short  fat  backs),  welche  im 
Frühjahr  aul'  Basis  52  Mk.  pro  50  kg,  erste  Kosten,  cif  Ham- 
burg, auf  die  Sommermonate  getätigt  wurden  und  auf  74  Mk.  ein- 
standen, erzielten  wenig  Nachfrage  und  brachten  Verlust. 
Mittel  zur  Theoretische  Untersuchungen  allein  vermögen  die  Schweine- 

derpISe?^      preise  nicht  zu  beeinflussen.    Günstige  Verkehrs-  und  Transport- 
verhältnisse und  eine  große  Konkurrenz  sind  die  einzigen  Fak- 


45.    Därme.  173 

toren,  welche  dem  Konsum  das  vorhandene  Produkt  zu  mäßigen 
Preisen  zuführen.  Sind  die  allgemeinen  Erwerbsverhältnisse 
günstig,  so  werden  auch  höhere  Fleisdhpreise  leichter  über- 
*wuiiden.  Die  Zeiten  der  einfachen  Lebensgewohnheiten  und  einer 
anspruchslosen  Lebensführung,  besonders  in  der  Küche,  haben 
erhöhten  Ansprüchen  an  Speise  und  Ttank  Platz  gemacht  und 
den  Bedarf  in  hochwertigen  Fleischteilen  des  Schlachtviehs  ge- 
steigert. Hält  die  Viehproduktion  mit  dem  Konsum  nicht  gleichen 
Schritt,  so  werden  Beratungen  allein  zur  Verbilligung  der  Fleisch- 
nahrung nicht  beitragen.  Größere  heimische  Schweineprodiiktion 
muß  die  Richtlinie  Deutschlands  bleiben.  Die  Industrialisierung 
der  Schweinezucht  bei  zollfreier  Einfuhr  von  Futtermitteln  würde 
diese  Bestrebungen  am  wirksamsten  fördern.  Die  ungünstigen 
Verhältnisse,  mangelhafter  Verdienst  und  ungenügende  Fleisch- 
produktion fördern  die  moderne  Nahrungsmittelindustrie  unwirt- 
schaftlicher Surrogate,  welche  durch  eine  große  Eeklame  und 
verteuernde,  dem  Auge  gefällige  Verpackung  in  den  Verkehr 
gebracht  w^erden.  Der  Kochunterricht  in  den  Schulen  sollte  es 
sich  angelegen  sein  lassen,  dem  Küchenzettel  die  Verwendung  von 
Hülsenfrüchten  —  Graupen,  Grützen,  Griesen  — ,  E^üben,  Ge- 
müsen und  Knollengewächsen,  welche  Deutschland  reichlich  pro- 
duziert, sowie  von  tierischem  Fett  (Schweine,  Rind  und  Hammel) 
zwecks  Herstellung  kräftiger,  schmackhafter  und  preiswerter 
Mahlzeiten  einzureihen.  Hiermit  wäre  der  Allgemeinheit  jetzt 
und  zukünftig,  besonders  aber  in  Zeiten  geringen  Verdienstes, 
gedient. 

45.    Därme. 

Auch  im  abgelaufenen  Jahr  war  die  Lage  des  Darmmarktes  Allgemeines, 
ungünstig  und  der  Geschäftsgang  wenig  befriedigend,  weil  die 
Viehknappheit  und  die  hierdurch  bedingte  Fleischteuerung  des 
Jahres  1912  im  Berichtsjahre  weiter  anhielt.  Die  von  der  Staats- 
regierung zugelassene  Fleischeinfuhr  aus  Holland  und  Rußland 
konnte  einen  Einfluß  auf  die  Preisgestaltung  nicht  ausüben, 
denn  sie  war  infolge  der  harten  Bestimmungen  des  Fleisch- 
beschaugesetzes  und  der  bedingten  Eüifuhrerlaubnis  nur  gering. 
Da  Därme  ausschließlich  für  die  Herstellung  von  Wurst  Ver- 
iwendung  finden,  die  Wurstindustrie  jedoch  wegen  der  zu  hohen 
Fleisdhpreise  nun  schon  seit  einigen  Jahren  danieder  liegt,  so 
gestaltete  sich  der  Darmhandel  recht  schwierig.  Auch  der 
^Konsum  an  Wurst  ist  zurückgegangen,  nicht  zuletzt  durch  die 
ungünstigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse,  da  das  große  Publikum 
sich  Einschränkungen  in  der  Lebenshaltung  auferlegen  mußte. 
Viele  Zahlungseinstellungen  bei  AVurstfabrikanten  und  Darm- 
händiern  waren  die  Folgen.  Dauerwurst  wurde  wenig  hergestellt, 
und  die  Därme,  welche  hierzu  verwendet  werden  und  sonst  sehr 
begehrt  waren,  mußten  im  Preise  zurückgehen.  Wenn  auch  diese 
Preisrückgänge  an  sich  nicht  allzu  bedeutend  waren,  so  bewirkte 


174 


IL    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 


Gesalzene 
Därme. 

Rmderdärme. 


Schweins- 
därme. 


Schafdärme. 


dieses  einerseiis  der  große  Verbrauch  im  Auslande,  andererseits 
die  geringere  Einfuhr  aus  Argentinien,  woselbst  die  Schlachtungen 
ganz  erheblich  zurückgegangen  sind.  Da  auch  die  Schlachtungen 
in  anderen  Ländern  gegen  das  Vorjahr  zurückblieben,  waren 
die    Einkaufspreise    im   Darmhandel    allgemein   hoch. 

Gesalzene  nordamerikanische  Mitteldärme  büßten  im  Laufe 
des  Jahres  12  o/o  ein,  hingegen  konnten  südamerikanische  Mittel- 
därme ihre  Preise  behaupten,  weil  diese  Qualität  sehr  in  Auf- 
nahme gekommen  ist  und  infolge  der  geringen  Schlachtungen 
die  Abladungen  sofort  Aufnahme  fanden.  Die  Preise  für  andere 
Provenienzen  gaben  nur  wenig  nach',  enge  Sorten  waren  ver- 
nachlässigt. —  Kranzdärme  guter  Qualitjät  waren  stets  gefragt 
und  erzielten  allgemein  höhere  Preise;  neben  den  engeren  Sorten 
war  extra  weite  Ware  besonders  gesucht.  —  Die  vorjährige 
Knappheit  in  Binderbutten  hielt  weiter  an,  und  die  gegenwärtigen 
Preise  müssen  als  recht  hodh  bezeichnet  werden.  Da  die  Reichs- 
behörde die  Wiedereinfuhr  von  Schweinemagen,  welche  für  manche 
AVurstsorten  als  Eröatz  für  Butten  dienen  könnten,  abgelehnt 
hat,  ist  die  große  Nachfrage  erklärlich,  zumal  Nordamerika,  das 
iHauptproduktionsland,  fast  alle  Butten  sielhst  verbraucht.  — 
Goldsehlägerhäutchen  wurden  zu  hohen  Preisen  In  guter  Qualität 
stets  verlangt,  weil  sie  namentlich  in  großen  Mengen  für  die 
Herstellung   der  lenkbaren  Luftschiffe  benötigt  werden. 

h\  gekratzten  Schweinsdärmen  war  das  Gesehäft  ungünstig. 
Zwar  behaupteten  amerikanische  Pfundschweinsdärme  in  enger 
Sortierung  die  vorjährigen  Preise,  weil  hierin  die  Zufuhren  nur 
klein  sind.  Mittelweite  und  weite  Sortierungen  waren  indessen 
verna^chlässigt.  Vor  allem  aber  bewirkte  die  Ueberproduktion 
chinesischer  Schweinsdärme,  welche  wegen  ihrer  zähen  Darm- 
wandung nicht  im  gleichen  Maße  wie  früher  gekauft  werden, 
einen  wenn  auch  kleinen  Preisrückgang  für  deutsche  und  dänische 
Ware.  Die  Preise  für  Schweinsdärme  mit  Bändel  und  solche 
mit  Fett  waren  im  Gegensatz  zu  fmheren  Jahren  g-edrückt,  und 
der  Absatz  war  infolgedessen  schleppend.  —  Krausedärme  lagen 
unverändert  und  waren  im  Sommer  vernachlässigt.  —  Fettenden 
konnten  sich  im  Preise  nicht  erholen,  da  sie  für  Ex^hwurst  nicht 
im  gleichen  Maße  wie  früher  verwendet  werden.  —  Weite  Naoh- 
enden  waren  gesucht. 

Jii  sortierten  Saitlingen  lag  das  Geschjäft  unverändert. 
Engere  AVare  war  besonders  gefragt,  weil  die  Würstchen-Fabri- 
kanten gezwungen  sind,  diejenigen  Würstchen,  welche  zu  be- 
stimmten Preisen  und  pro  Stück  verkauft  werden,  in  kleinerem 
Gewidhrxi  herzustellen;  daher  war  im  Inlande  die  weitere  Ware 
reichlicher  angeboten.  Für  Original-Saitlinge  herrschte  im  Groß- 
handel feste  Tendenz;  denn  der  Export  nach  Amerika  in  extra 
weiter  Ware  lag  unverändert  günstig.  —  Hammelbutten  und 
-kappen  waren  Värhrend  des  ganzen  Jahres  lebhaft  gefragt  und 


45.   Därme. 


175 


erzielten  nocli  nie  dagewesene  Preise,  namentlich  in  weiter  Ware, 
da    solche    als   Ersatz    für   kleine   Einderbutten   gebraucht  wird. 

Trockene  Mitteldärme,  welche  ausschließlich  für  Hausschlach- 
tunged  verwendet  werden,  waren  nur  in  weiter  Ware  begehjrt, 
die  Preise  hierfür  zogen  etwas  an,  weil  sich  nur  wenige  Fabri- 
kanten infolge  der  hohen  Preise  für  das  ExDhmaterial  mit  der 
HeTstellung  dieses  Artikels  befassen.  —  Reöht  gut  lag  das  Ge- 
schäft in  allea  Sortierungen  trockener  Kranzdärme,  namentlich 
durch  die  Nachfrage  des  Auslandes.  Die  Preise  zogen  daher  um 
ca.  10  o/o  an.  —  Auch  getrocknete  E-inder-  und  Hammelbutten 
waren  knapp  und  wurden  schlank  zu  guten  Preisen  aus  dem 
Markt  genommen. 

Von  Blasen  waren  nam'cntlich  Rindblasen  begehrt,  da  Nord- 
amerika diesen  Artikel  fast  gar  nicht  mehr  exportiert  und  auch 
Rußland  ihn  mehr  und  mehr  im  eigenen  Lande  gebraucht  Das 
Angebot  genügte  daher  bei  weitem  nicht  der  Nadhfrage,  das 
gleiche  ist  über  Kalbs-  und  Schweinsblasen  sowie  über  Schlünde 
za  beridhten.    Die  Preise   zogen  um  ca.   10  o/o   an. 

Auch  die  Preise  für  Kälbermagen  sind  um  ca.  10  o/o  ge- 
stiegen. di:3  Eingänge  wurden  stets  von  der  Käselab-Industrie  so- 
gleich aufgenommen.  Deutsche  Kälbermagen  wurden  an  Zahl 
weniger  zubereitet,  weil  es  rentabler  war,  sio  zum  Gekröse  zu 
verwenden. 

Die  Notierungen  für  Pansen  und  Schwarten  waren  unge- 
heuer hoch  und  standen  in  keinem  Verhältnis  zu  ihrem  Nährwert. 

Der  Leberhandel  bot  das  übliche  Bild;  in  der  kälteren 
Jahreszeit  herrschte  besondere  Knappheit,  und  die  Preise  waren 
so  hoch,  daß  sie  der  Wurstindustrie  keine  Rechnung  ließen. 

Die  Einfuhr  war  bis  Ende  September  um  3 o/o  geringer  als 
im  Vorjahre,  die  Ausfuhr  hingegen  um  41/2 o/o  höher;  diese  Zahlen 
beziehen  sich  jedoch  nur  auf  das  Gewicht  der  Sendungen,  da  die 
AVerte   bei  der  Ein-   und  Ausfuhr  nur  geschätzt  werden. 

Da  die  vom  Reichstage  angenommene  Resolution  Ablaß  und 
Genossen  —  wonacli  selbständig  leicht  zu  untersuchende  Organe 
(Lebern  und  Zungen)  die  Ausnalime  zum.  §  12  des  Fleischbeschau- 
gesetzes gleich  Schinken,  Speck  und  Därmen  bilden  sollten  — 
eine  Gesetzesänderung  bisher  niöht  herbeigeführt  hat,  so  baten 
Jdie  Aeltesten  der  Kaufmannschaft  von  Berlin  und  auch  der 
Deutsche  Fleischer -Verband  den  Herrn  Reichskanzler  unter 
eingehenden  Begründungen  um  die  bezügliche  Gesetzes- 
Aendeiung.  Die  Verhältnisse  sind  tatsächlich  unhaltbar  ge- 
w^orden.  Der  Wurstindustrie  wäre  mit  einer  erleichterten  Leber- 
einfuhr sehr  gedient ;  die  Angelegenheit  ist  indessen  in  hohem 
Maße  auch  eine  volkswirtschaftliche,  deshalb  ist  es  wünschens- 
wert, daß  die  Reichsregierung  sich  den  berechtigten  Wünschen 
des  Parlamentes  und  der  Interessenten  nicht  weiter  verschließt, 


Trockene 

Därme. 


Rinderdäime. 


Schlünde 
und  Blasen. 


Kälbermagen. 


Pansen 
und  Seh  fr  arten. 


Lebern. 


Ein- 
und  Ausfuhr. 


Verschiedenes. 


176 


II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 


vielmehr  nach,  den  Anträgen  der  genannten  Körperschaften  eine 
Abstellung    der    herrschenden    Mißstände    ehestens    herbeiführt. 


Frische  Fische. 


Witterungs- 
einflfisse. 


KleinhandeL 


Aale. 


46.    Fische    und    Schaltiere, 
a)  Frische  Fische. 

Wie  im  Jahre  1912,  so  wurde  auch  im  Jahre  1913  das 
Fischgeschäft  von  den  schlechten  Witterungsverhältnissen  un- 
günstig beeinflußt.  Nach  einer  kurzen  Kälteperiode  im  Januar 
setzte  bald  milderes,  wenn  auch  keineswegs  warmes  und  zeit- 
weise sehr  stürmisches  Wetter  ein,  was  eine  ergiebige  Ausbeute 
der  Eisfischerei  in  den  letzten  Wintermonaten  nicht  zuließ. 
Auch  im  Frühjahr  folgte  einigen  warmen  Tagen,  während 
welcher  plötzlich  stärkere  Zufuhren  an  den  Markt  kamen,  ein 
erheblicher  Temperatursturz,  der  bis  zum  Mai  anhielt  und  aus- 
reichende Fänge  in  der  Wildfischerei  vollkommen  unterband. 
INTicht  allein  die  Wildfischerei,  sondern  auch'  die  Teichwirt- 
schaft hatte  unter  der  Ungunst  des  kalten  Wetters  im  Frühjahre 
zu  leiden.  Die  überwiegend  naßkalten  Sommermonate  fügten 
weitere  Schäden  vornehiü.lich  der  Teich^rtsdhaft  zu,  und  die 
folgenden  warmen  Herbstwochen  konnten  die  schädigenden  Ein- 
flüsse des  Sommerwetters  und  des  kalten  Frühjahres  nicht 
wieder  wettmachen.  Die  während  des  kühlen  Sommerwetters 
ungenügende  Gewichtszunahlne  konnte  selbst  die  reichliche 
Nahiungsannahme  in  den  warmen  Herbstwochen  nicht  voll 
ersetzen.  Das  Ergebnis  der  geschilderten  W^itterungseinflüsse 
auf  die  Teichwirtschaft  spiegelt  sich  wider  in  dem  um  durch- 
schnittlich 25  o/o  geringeren  Zuwachs  der  Teichfische  und  einem 
oftmals  beträchtlichen  Ausfall  an  der  Stückzahl  der  Satzfische. 
Gerade  für  die  begehrtesten  Fischarten  zeitigte  die  häufig 
durchaus  ungenügende  Zufuhr  recht  hohe  Preise,  was,  zumal 
sich  die  flaue  und  zurückhaltende  Geldlage  des  Weltmarktes 
auch  im  Fischgeschäft  hemmend  fühlbar  machte,  einen  flotten 
Handel  nicht  aufkommen  ließ. 

Der  Kleinhandel  stand  unter  dem  Druck  hoher  Einkaufs- 
preise und  eines  unverhältnismäßig  geringen  Nutzens  an  dem 
.Wiederverkauf.  Dies  gilt  sowohl  für  Süßwasserfische  als  auch 
für  Seefische,  und  zwar  für  erstere  in  verschärftem  Maße. 
Infolge  der  an  allen  Plätzen  einsetzenden  Propaganda  für  den 
geefischkonsum  gestaltete  sich  der  Absatz  der  Seefische  für 
den  Kleinhandel  immerhin  noch  gewinnbringender  als  der  Ver- 
kauf der  Süßwasserfische,  und  demzufolge  gelangte  der  Seefisch 
schon  mehrfach  in  bevorzugter  Weise  zum  Angebot.  Ueber 
Markt-  und  Preislage  einzelner  Fischarten  ist  im  besonderen 
kurz  folgendes  zu  erwähnen: 

Bei  den  allgemein  geringen  Zufuhren  zu  Beginn  des  Jahres 
muß  als  bemerkenswert  eine  reichlichere  Zufuhr  in  unsortierten 


46.     Fische    und    Schaltiere. 


177 


uiid  mittleren  Aalen  verzeichnet  werden.  Diese  Eingänge  wurden 
zu  guten  Mittelpreisen  abgesetzt.  Starke  Aale,  welche  fast 
während  des  ganzen  Jahres  knapp  eingingen,  waren  zeitweise 
sehr  begehrt  und  wurden  außerordentlich  hoch  bezahlt.  Mittel- 
aale waren  besonders  im  Mai  bei  hohen  Preisen  sehr  gesuöht. 
Die  Aalpreise  gingen  erst  während  der  kalten  Regentage  in 
der  ersten  Hälfte  des  Monats  August  besonders  für  unsortierte 
und  kleinere  Fische  zurück,  und  die  Preise  besserten  sich  nament- 
lich für  mittlere  und  starke  Aale,  da  größere  Zufuhren  in 
dänischen  und  schwedischen  Aalen  fast  gänzlich  fehlten,  in 
■den  Herbstmonaten  auf  und  blieben  bis  Jahresschluß  unver- 
ändert hohe. 

Hechte,  in  deren  Laichperiode  die  Karwoche  fiel,  gaben 
erst  nach  dem  Osterfeste  auf  kurze  Zeit,  infolge  durchweg 
stärkerer  Zufuhren,  im  Preise  nach.  Gegen  Ende  April,  un- 
mittelbar vor  den  jüdischen  Feiertagen,  zogen  die  Hechtpreise 
'bei  reger  Nachfrage  wieder  an  und  blieben  bis  in  den  Spätherbst 
fliinein  recht  befriedigend,  teilweise  sogar  sehr  hoch.  Im 
November  gingen  die  Preise  namentlich  für  unsortierte  und 
größere  Hechte  bei  stärkeren  Zufuhren  und  ruhigem  Geschäfts- 
gänge zurück,  und  in  dieser  Zeit  waren  nur  kleine,  sogenannte 
Bratheöhte  begehrt  und  gut  bewertet. 

Zander  einheimischen  Ursprunges  wurden  im  allgemeinen 
mäßig  zugeführt,  und  namentlich  in  der  Karwoche  und  vor 
den  jüdischen  Feiertagen  konnte  der  in  diesen  Fischen  vor- 
handene Bedarf  nicht  annähernd  gedeckt  werden.  Die  Preise 
hielten  sich  mit  geringen  Schwankungen  in  mittlerer  Höhe.  Im 
Herbst  gingen  sehr  reichliche  Zufuhren  in  kleinen  Haffzandern 
ein,  die  zu  sehr  billigen  Preisen  gehandelt  wurden. 

Weißfische  wurden  besonders  in  den  bevorzugten  Größen 
fast  während  des  ganzen  Jahres  nur  mäßig  zugeführt,  und  zu 
recht  befriedigenden,  teilweise  sogar  recht  hohen  Preisen  ab- 
gesetzt. Ein  Preisabschlag  trat  nur  vorübergehend  bei  stärkerer 
Anfuhr  unmittelbar  nach  Ostern  ein.  Seht  erheblich  gingen  die 
Preise  für  Plötzen  in  der  Laichperiode  zurück,  und  blieben  bis 
.Mitte  Mai  niedrig.  Sehr  gut,  teilweise  sogar  hodh  bewertet 
wurden  gutlebende  Barse  und  Karauschen,  welche  sich  immer 
mehr  den  Berliner  Markt  erobern.  Bleie  wurden  namentlich' 
in  größeren  Fischen  und  unmittelbar  vor  dem  Silvestergeschäft 
auch  in  kleineren  Fischen  zu  recht  annehmbaren  Preisen  ge-i 
handelt.  Hierbei  sei  noch  erwähnt,  daß  neben  Bleien  auch 
Plötzen  in  der  Silvesterwoche  am  Berliner  Markt  sehr  begehrt 
sind.  In  der  irrigen  Annahme,  daß  Plötzen  ebenso  im  Weih'-/ 
nachtsverkehr  sehr  gefragt  sein  würden,  wurde  der  Markt  zu 
dieser  Zeit  bereits  außerordentlich  mit  Plötzen  belegt,  was  in 
den    letzten    Tagen    vor    dem    Weihnaohtsfest   einen    Preissturz 

«erl.  Jahrb.  f.  Hanrlel  u.  Ind.    1913.     II.  12 


Hechte. 


Zander 


Weißfische. 


178  II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

für    Plötzen    zur    Folge    hatte.    —    Quappen    kamen    wiederum 
nur  in  sehr  geringen  Quanten  an  den  Berliner  Markt  und  wurden 
bei  Vorkommen   sehr  gut  bezahlt. 
Teichfische.  Wie  schon  oben  erwähnt,  zeigte  sich  die  nachteilige  Wirkung 

der  ungünstigen  Witterung  für  die  Teichwirtschaften  in  einem 
um  durchschnittlich  25  o/o  geringeren  Abwuchs  und  einem  er- 
heblicheren Ausfall  bei  der  Stückzahl  der  Satzfische.  —  Forellen, 
vom  Auslande  reichlich  eingeführt,  wurden  zu  festen  Preisen 
gehandelt.  —  Schleie  gingen  in  den  ersten  Monaten,  nament- 
lich in  unsortierten  Größen,  reichlicher  ein  und  wurden  zu 
festen,  bei  nachgebender  Zufuhr  anziehenden  Preisen  gehandelt. 
Portionsschleie  blieben  anfangs  knapp,  und  wurden  mit  geringen 
Abweichungen  fast  zu  allen  Zeiten  im  Kauf  bevorzugt.  Im 
allgemeinen  war  die  Preislage  für  Schleie  in  dem  Berichtsjahre 
eine  durchweg  günstigere  als  im  Vorjahre.  Besonders  begehrt 
und  hoch  bewertet  wurden  Schleie  während  der  Frühjahrs-  und 
ersten  Sommermonate,  sodann  auch  vorübergehend  im  Herbst. 
insbes-Karpfen.  Karpfen  standen,   da  nur  kleine  Restbestände  aus  der  vor- 

jlährigen  Saison  verblieben  waren,  zu  Beginn  des  Jahres  in 
geringen  Quanten  zum  Verkauf,  und  wurden  bei  reger  Nach- 
frage hoch  bezahlt.  Bemerkenswert  war  die  wider  Erwarten  in 
der  Karwoche  einsetzende  reichlichere  Zufuhr  in  Spiegel-  und 
Schuppenkarpfen  in  allen  Größen,  die  bei  der  äußerst  knappen 
"Zufuhr  in  allen  übrigen  Fischarten  zu  festen  Preisen  flott  ab- 
gesetzt werden  konnte.  Nach  dem  Osterfeste  blieben  Karpfen 
bis  zum  Einsetzen  der  Frühabfischungen  knapp,  und  kleinere 
Eingänge  aus  Wildgewässern  wurden  hoch  bewertet.  Die  bereits 
Ende  Juli  einsetzenden  Zufuhren  in  Frühkarpfen  brachten  hohe 
Preise  Die  günstige  Preislage  hielt  sich  bis  Ende  August,  wo 
infolge  stärkerer  Anfuhren  die  Preise  etwas  zurückgingen.  Ein 
erheblicherer  Preisabschlag  trat  erst  bei  den  allgemein  ein- 
setzenden Abfischungen  und  den  demzufolge  den  Bedarf  über- 
steigenden Zufuhren  Anfang  Oktober  ein,  und  die  Karpfen- 
preise besserten  sich  dann  bis  zum  Einsetzen  der  Hochsaison 
nicht  mehr  wesentlich  auf.  Noch  immer  verfügen  einige  Teich- 
wirtschaften mit  recht  beachtenswerten  Produktionen  nicht  über 
ausreichende  Hälteranlagen,  um  die  Karpfen  nach  den  Ab- 
fischungen stapeln  und  der  Nachfrage  entsprechend  zu  einer 
günstigen  Konjunktur  verwerten  zu  können.  Gerade  von  diesen 
Teichwirtschaften  werden  die  Produktionen  zu  einer  Zeit,  da 
der  Markt,  wie  z.  B.  während  der  Wild-  und  Geflügelhochsaison 
im  Oktober  und  November,  für  Fische  am  wenigsten  aufnahme- 
fähig ist,  zum  Verkauf  gebracht.  Von  Mitte  Dezember  ab 
wurden  Karpfen  in  größeren  Quanten,  wenn  auch  nicht  über- 
reichlich, zugeführt.  Der  Weihnachtsbedarf  konnte  am  hiesigen 
Platze  ohne  Schwierigkeiten  gedeckt  werden.  Auch  den  An- 
forderungen zu  Silvester  konnte  im  allgemeinen  genügt  werden, 


46.    Fische    und    Schaltiere.  179 

da  infolge  des  an  den  beiden  letzten  Tagen  des  alten  Jahres 
herrschenden  außerordentlich  starken  Schneefalles  sowohl  der 
Straßen-,  als  auch  der  Gelegenheitshandel  mit  Karpfen  beinahe 
ganz  ausgeschaltet  bzw.  nur  auf  ein  ganz  Geringes  beschränkt 
war.  Wäre  letzteres  nicht  der  Fall  gewesen,  so  würde  wohl 
mit  einem  Mangel  an  Fischen  zu  rechnen  gewesen  sein.  Immer- 
hin knapp  waren  Karpfen  mittlerer  Größe  und  kleine  Karpfen, 
während,  ähnlich  dem  Vorjahre,  wiederum  große  Fische,  ent- 
gegen der  anfänglich  allgemein  gehegten  Befürchtung,  gerade 
zu  Silvester  vollauf  zur  Verfügung  standen.  Die  Preise  im 
Großhandel  waren  sowohl  zu  Weihnachten  als  auch  zu  Silvester 
durchschnittlich  hoch,  und  ganz  besonders  am  30.  und  31.  Dez. 
wurden  kleine  Fische  verhältnismäßig  über  Wert  bezahlt.  —  Im 
Kleinhandel,  welcher  sich  bei  den  hohen  Einkaufspreisen  nur 
vorsichtig  eingedeckt  hatte,  verlief  das  Geschäft  ruhig,  wozu 
einerseits  die  hohen  Preise,  andererseits  die  Ungunst  der  Witte- 
rung beitrug.  Der  seßhafte  Kleinhandel  war  insofern  günstiger 
daran,  als  die  freie  Konkurrenz  fehlte,  und  er  konnte  dem- 
zufolge im  allgemeinen  seine,  wie  vorerwähnt,  nicht  überreich- 
lichen Bestände  glatt  räumen.  —  In  toten  Karpfen  herrschte 
bei  nur  sehr  geringer  Zufuhr  aus  Rußland  und  dem  gänzlichen 
Fehlen  rumänischer  Fische,  großer  Mangel,  so  daß  die  nicht 
allzu  reichlichen  Bestände  einheimischer  toter  Karpfen  selten 
hoch  bewertet  wurden  und  im  Preise  kaum  hinter  den  lebenden 
Fischen  zurückstanden.  —  Das  in  der  städtischen  Fischauktion 
zu  Berlin  in  der  Saison  vom  August  bis  einschließlich  Dezember 
1913  umgesetzte  Quantum  Karpfen  belief  sich  auf  3276  Zentner. 
Die  Preise  für  die  marktgängigsten  Sortierungen  waren  in  der 
Weihnachts-  bzw.  Neujahrswoche  in  Mark  pro  50  kg  folgende: 

Lebende  Spiegelkarpfen,  20—  30  er 90—103 

„  „  30—  40er 86—97 

40—  50er 85—94 

50— 100er 90—94 

Lebende  Schuppenkarpfen,  20—  30er 90—99 

30—  40er 89—92 

40-  50er 82-87 

50— 100er 79—87 

Lebende  Spiegel-  und  Schuppenkarpfen  gemischt,  20 —  30er   .     .  95 — 98 

„  30—  40er    .     .  86—96 

„  „  „  ,40—  50er    .     .  86—93 

50- 100er    .     .  79—92 

Die   monatlichen    Umsätze   lebender   Karpfen   stellten   sich 
wie  folgt: 

im  August  und  September  1913  auf    .     .  588  Zentner 

„    Oktober  1913  auf 515 

„    November  1913  auf 411 

„    Dezember  1913  auf ♦  1762 

Zusammen  3276  Zentner 

Auf  Auslandsware  entfielen  von  den  obigen  Quanten  ins- 
gesamt 270  Zentner. 

12* 


180 


II.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Seefische. 


Ausländische 
Zander. 


Lachse. 


Krebse. 


Der  Handel  mit  Seefischen  spielte  sich  mit  geringen  Schwan- 
kungen im  Eahmen  des  Vorjahres  ab.  Auch  der  Seefischhandel 
ist  vollkommen  abhängig  von  der  jeweiligen  Witterungslage, 
indem  stürmisches  Wetter  den  Fang  zeitweise  vollkommen  unter- 
bindet und  ein  plötzliches  Emporschnellen  der  Preise  bewirkt. 
Es  regeln  sich  demzufolge,  besonders  auch  in  Seefischen,  die 
Preise  vollkommen  nach  Angebot  und  Nachfrage.  Infolge  der 
stürmischen  Witterung  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  und  der 
Früh  Jahrsstürme  gingen  Seefische  zeitweise  sehr  knapp  ein,  und 
der  vorhandene  Bedarf  konnte  trotz  günstigster  Preislage  nicht 
gddeckt  werden.  Die  an  den  Markt  kommenden  Qualitäten  waren 
durchweg  gut,  und  nur  vorübergehend  machte  sich,  bei  knappen 
Fängen  u.  d  während  der  Sommermonate,  ein  Mangel  an  erst- 
klassigen Fischen  bemerkbar.  Besonders  begehrt  waren  wiederum 
Schellfische,  Kabliau,  Rotzungen  und  kleine  Schollen  (Flundern). 
Schellfische  in  erstklassiger  Qualität  waren  fast  das  ganze  Jahr 
hindurch  knapp  und  erzielten  zeitweise  recht  günstige  Preise. 
Seefische  erfreuen  sich  Dank  der  zielbewußten  Propaganda 
unter  den  Konsumenten  zunehmender  Beliebtheit,  zum  Vorteile 
unserer  gesamten  Hochseefischerei.  —  Die  wertvolleren  Seefisch- 
arten blieben  im  Preise  nach  wie  vor  hoch,  was  besonders  für 
bevorzugte  Größen  und  erstklassige  Qualitäten  gilt.  Vorüber- 
gehend reichlich  eingehende  kleine  Steinbutten  wurden  ihrer 
nicht  begehrten  Größe  wegen  zu  recht  wohlfeilen  Preisen  ge- 
handelt. —  Die  gewöhnlicheren  Seefischarten  waren  wiederum 
fast  durchweg  in  kleineren  und  kleinen  Größen  am  reichlichsten 
vorhanden. 

Russische  und  auch  gefrorene  persische  Zander  gingen  erst 
in  den  letzten  Monaten  des  Berichtsjahres  in  reichlicheren 
jyi engen,  jedoch  zum  Teil  nicht  in  den  gewohnten  guten  'Quali- 
täten,  ein.  Russische  Zander  in  la  -  Qualitäten  .und  bevorzugten 
Größen  wurden  gut  bezahlt,  mindere  Qualitäten  waren  indessen 
selbst  bei  wohlfeilen  Preisen  sch'wer  abzusetzen. 

In  gefrorenen  Lachsen  beherrschten  Steelhead-  und  Amur- 
lachse den  Markt,  während  Silverside  und  Puget-Soundlachse 
weniger  reichlich  angeboten  wurden.  Steelhead-  und  Amurlachse 
gelangten  vorwiegend  in  wenig  gesuchten  Größen  und  häufig 
auch  IIa  -  Qualitäten  an  den  Markt,  und  mußten  bei  schwacher 
Nachfrage  und  schleppendem  Geschäftsgange  zeitweise  zu  sehr 
niedrigen  Preisen  abgesetzt  werden.  Einheimische  frische  Lachse, 
wie  auch  solche  aus  Norwegen  und  Schweden,  gingen  nur  zeit- 
weise reichlicher  ein  und  wurden  namentlich  in  den  gesuchten 
Größen   recht  hoch   bewertet. 

Im  Krebsgeschäft  war  zu  Beginn  der  Hochsaison  Anfang- 
Mai  infolge  des  kühlen  Wetters  der  Bedarf  nicht  erheblich 
und  die  Preise  demzufolge  nur  mittlere.  Vor  dem  Pfingstfest 
.trat    eine    rege    Nachfrage    ein,    die    hohe    Preise    zeitigte.      In 


46.     Fische    und    Schaltiere. 


181 


großen  Krebsen  konnte  der  vorhandene  Bedarf  während  der 
Hochsaison  im  Mai  und  Juni  nicht  annähernd  gedeckt  werden. 
In  den  übrigen  Größen  war  die  Zufuhr  sowohl  in  Edel-  als 
auch  galizischen  Krebsen  (Sumpfkrebsen)  ausreichend.  Galizisdhe 
Krebse  wui'den  besonders  in  den  Wintermonaten  reichlicher  als 
sonst  zugeführt. 

Der  Jahresumsatz  in  lebenden  und  toten  Fischen  durch  die 
Fisehauktion  in  der  städtischen  Zentralmarkthalle  belief  sich' 
auf  zirka  37  868  Zentner.  Von  diesem  Umsatz  kommen  auf 
lebende  Flußfische  zirka  14  341  Zentner,  auf  tote  Fluß-  und 
Seefische  zirka  23  527  Zentner.  Zu  bemerken  ist,  daß  mindere 
Qualitäten  sowie  korb-  bzw.  kistenweise  verkaufte  Fische  in 
vorstehenden   Umsatzziffern   nicht   enthalten   sind. 

Die  monatlichen  Durchschnittpreise  ergibt  die  nachstehende 
Tabelle: 


Umsätze. 


Tab. 


MonatHche  Durchschnittspreise  für  Fische  im  Jahre  1913  (pro  50  kg  in  Mark). 


Jan.   I  Febr.  j  März  [  April  1    Mai 


Juni 


Juli   I  Aug.  j  Sept.  I   Okt. 


Nov.      Dez. 


Hechte  .... 

n        groß   .     . 

Schleie.     .     .     . 

Karpfen,  grofs    . 

„  mittel 

,.  klein  . 

.,  unsortiert 

Aale,  groß     .     . 

„      mittel  .     . 

„      klein    .     . 

„  unsortiert 
Zander .  .  . 
Plötzen  .  . 
Barse  .  .  . 
Bleie  .  .  . 
Bunte  Fische 
Roddow  .  . 
Aland  .  .  . 
Quappen  .  . 
Karauschen  . 


113,0 
95,1 

101,1 
92,0 
81,0 
79,5 
86,0 

101,1 
100,5 
98,2 
133,7 
50,8 
87,0 
56,2 
54,9 
54,1 
63,5 
59,1 
99,6 


a) 

108,7 

70,9 

114,1 

87,9 

89,0 

88,0 

90,3 

117,0 

112,0 

95,3 

100,3 

137,7 

49,0 

90,8 

62,6 

77,0 
66,1 
65,9 
93,8 


Lebende    Flußfische. 


108,9 

77,4 

124,1 

94,0 

90,3 

83,7 

94,0 

146,5 

136,2 

107,0 

115,0 

138,2 

48,3 

93,4 

60,2 

51,8 

56,3 

57,2 

70,3 

109,7 


97,5 

66,6 

128,0 

92,0 

91,3 

92,5 

81,0 

118,1 

120,1 

102,3 

114,3 

134,8 

40,0 

82,6 

55,1 

41,4 

48,9 

50,4 

58,0 

92,4 


113,4 

118,6 

115,2 

115,3 

115,8 

102,4 

66,5 

76,8 

85,8 

84,7 

75,2 

73,5 

125,8 

109,2 

120,2 

139,5 

129,2 

117,4 

96,0 

80,0 

— 

94,0 

92,1 

85,6 

96,3 

109,8 

112,0 

101,8 

83,6 

77,4 

— 

— 

— 

96,7 

80,9 

75,8 

100,0 

91,0 

112,5 

100,3 

86,0 

79,0 

113,7 

121,4 

136,9 

123,9 

104,2 

129,5 

124,1 

120,3 

126,2 

114,5 

104,3 

116,6 

86,7 

76,6 

72,4 

73,7 

70,7 

71,0 

106,9 

98,0 

95,5 

94,0 

89,4 

91,9 

127,7 

129,2 

140,5 

126,5 

118,3 

112,3 

47,0 

54,0 

65,5 

62,0 

58,1 

50,3 

86,2 

88,1 

93,5 

91,4 

86,2 

76,8 

52,8 

65,9 

68,9 

70,5 

58,7 

49,0 

49,6 

59,8 

67,1 

56,4 

50,8 

54,5 

60,5 

78,3 

79,4 

75,6 

63,5 

35,2 

57,6 

75,5 

83,8 

78,0 

66,7 

55,2 

60,0 

— 

— 

— 

— 

— 

89,6 

90,4 

88,9 

101,2 

92,1 

86,0 

88,4 

62,9 

105,8 

89,0 

80,7 

75,0 

79,3 

132,8 

121,3 

102,0 

101,8 

115,0 

49,2 

80,8 

47,9 

43,7 

54,8 

57,3 

64,5 

85,7 


92,9 

64,0 

111,6 

93,2 

85,1 

81,2 

86,0 

118,7 

119,9 

94,0 

106,5 
46,0 
80,0 
57,6 
44,0 
56,7 
60,5 
67,7 
82,5 


b)    Tote    F 

lußfi 

sehe 

Hechte 

80,9 

73,6 

81,3 

65,8 

60,8 

75,5 

80,2 

73,6 

67,7 

63,7 

58,5 

Zander       .     . 

118,8 

114,8 

114,8 

101,8 

96,7 

97,7 

108,0 

104,8 

86,2 

73,9 

80,3 

Schleie      .     . 

:    84,0 

77,6 

74,2 

67,3 

75,6 

67,0 

75,8 

83,5 

70,2 

64,7 

54,3 

Aland  .     .     . 

— 

46,0 

30,0 

32,8 

54,0 

34,3 

— 

46,4 

27,5 

32,0 

47,0 

Barse     .     .     . 

52,6 

47,8 

53,2 

43,1 

31,9 

42,8 

49,6 

46,0 

39,8 

38,8 

44,V 

Bleie     .     .     . 

39,3 

37,8 

38,7 

42,7 

28,4 

30,5 

37,0 

36,6 

19,5 

30,4 

29,1 

Bunte  Fische 

24,1 

22,8 

29,8 

19,8 

22,4 

26,7 

23,0 

28,0 

18,4 

18,2 

24,1 

Aale      .     .     . 

96,3 

93,2 

124,7 

102,6 

85,6 

84,1 

94,8 

90,2 

78,3 

73,3 

84.0 

Karpfen     .     . 

65,6 

63,6 

58,4 

42,7 

47,1 

43,0 

69,3 

65,6 

53,8 

48,1 

50,2 

Maränen    .     . 



— 

— 

29,0 

31,0 

28,0 

40,0 

40,0 

30,3 

31,7 

30,0 

„         groß 

— 

— 

— 

— 

— 

54,0 

44,3 

50,3 

Karauschen  . 

63,0 

— 

50,0 

41,0 

51,7 

42,4 

45,1 

50,2 

42,1 

3b,0 

43,0 

Quappen  .    . 

45,4 

50,3 

47,5 

43,2 

53,0 

52,0 

— 

— 

42,6 

40,7 

Kaulbars  .     . 

33,0 

29,8 

26,8 

— 

— 

— 

32,0 

29,5 

— 

13,b 

— 

Plötzen      .     . 

30,0 

26,8 

25,3 

19,8 

23,0 

27,0 

27,0 

27,0 

24,5 

24,5 

23,7 

62,8 
80,6 
59,0 
39,5 
45,7 
34,8 
20,9 
76,4 
64,8 
33,3 
47,0 

43,6 
35,0 
24,1 


182 


U.    Tierische  Rohprodukte   und   Fabrikate. 


Jan.   I  Febr.  j  März  j  April  ;    Mai    j  Juni  j    Juli      Aug.  j  Sept.  :   Okt.      Nov.      Dez 


crse 

efisc 

he. 

Lachs 

1313.3 

196.8 

178,4 

156,3 

168,4 

142,6 

172,8 

152^9 

175,4 

186,7  1 

„      gefroren  IIa     . 

j   70,5 

64,0 

70,0 

59,3 

60,5 

56,1 

60,0 

66,0 

61,7 

57,0! 

Laehsforellen     .     .     . 

171,0 

198,4 

186,5 

144,3  164,0 

— 

165,0 

120,0 

120,3 

131.7 

Seezungen     . 

150,4 

151,3 

167,0 

130,0  116,1 

150,0 

160,0 

154,0 

183,0 

179,3 

Steinbutten 

109,7 

167,8 

165,3 

109,1 

93,6 

73,6 

86,5 

97,7 

98,3 

95,5 

Schollen    . 

1  43,3 

33,7 

31,6 

29,0 

30,5 

— 

42,4 

40,1 

34,9 

29,4 

Schellfische 

i   33,3 

29,5 

37,5 

27,5 

29,0 

— 

28,0 

— 

25,0 

28.0 

Kabliau     . 

I  23,1 

19,6 

21,5 

17,5 

14,8 

17,4 

16.7 

19,6 

18,6 

Dorsch  .     . 

1  18,1 

14,4 

16,4 

8,8 

— 

— 

— 

15,6 

8,0 

9,8 

Heilbutton 

83,8 

74,3 

88,0 

58,5 

62,9 

64,0 

47,0 

58,6 

67,5 

60,8 

Flundern  . 

22,7 

17,3 

16,4 

12,7 

14,9 

14,7 

16,1 

14,3 

18,5 

20,2 

Lemanten 

71,0 

54,5 

43,3 

31,8 

39,3 

48,0 

40,8 

29,1 

39,0 

Rotzungen 

64,2 

57,5 

65,3 

29,6 

21,2 

27,4 

29,1 

37,6 

28,0 

32,4 

Kleist    .     . 

62,0 

— 

— 

49,7 

53,7 

40,0 

— . 

43;0 

— 

51,5 

Zander,  russischer     . 

85,2 

70,7 

76,6 

— 

65,0 

67,0 

82,7 

64,5 

53,9 

Stör  .     .     . 

— 

162,0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

1 122,0 

53,6 

132,4 

179,5 

102,9 

26,3 

40,5 

19,2 

10,2 

62,8 

23,0 

40,8 
57,0 
70,5 


Heringe. 
Erster  Bericht. 

Bestände. 


b)    Heringejt 
Erster   Bericht. 

Der  Heringsfang  im  Jahre  1912  war  recht  ungünstig  ge- 
wesen und  ergab  einen  Ausfall  bei  den  deutschen  Gesellschaften 
von  89  089  t,  bei  den  holländischen  Fischereien  von  109  252  t, 
beim  norwegischen  Fett-  und  Sloc-Hering  von  200  322  t  gegen 
das  Vorjahr.  Wenn  nun  auch  der  Fang  in  Schottland,  Yar- 
mouth  und  Lawestoft  ein  Plus  von  186  249  t  gegen  1911  auf- 
wies, so  darf  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  sich  in 
schottischen  Heringen  ein  äußerst  reges  Geschäft  entwickelt 
hatte,  und  am  Anfang  des  Berichtsjahres  in  brauchbaren  Sorten 
für  den  hiesigen  Markt  nur  Kleinigkeiten  in  Hamburg  und 
»Stettin  auf  Lager  waren.  Die  nachstehenden  Zahlen  lassen 
erkennen,  daß  die  Läger  an  beiden  Plätzen  zusammen  einen 
Mindeibestand  von   25  794  t  gegen  das   Vorjahr   aufwiesen. 

Es   waren    am    31.   Dez.   vorhanden: 


1910 

in  Stettin     .     .      73  971 
in  Hamburg    .         5  836 


1911  1912 

72  340  46  804  To. 

5  668  5  410     „ 


zusammen       79  807 


78  008 


52  214  To. 


Trotz  der  hohen  Preise  und  der  nicht  immer  gleichmäßig 
guten  Qualitäten,  besonders  auch  in  deutschen  Heringen,  welche 
hier  am  Platze  mit  Vorliebe  gekauft  werden,  entwickelte  sich 
das  Geschäft  am  Anfang  des  Berichtsjahres  in  recht  reger 
Weise. 

Die  hiesigen  Händler  konnten  ihre  Vorräte  sämtlich  räumen, 
teilweise  reichten  diese   bis   zum  Schluß   der  Saison  kaum  aus. 

Die  Preise  für  deutsche  und  holländische  Heringe  waren 
folgende  • 


46.    Fische   und    Schal tiere.  183 

Jan./Febr.  März/April  Mai/Juni  Preise. 

Superior  .  M.  58—60  p.  To.  60  p.  To.  60       p.  To. 

Sortiert   .  .  „    55—56       „  56—57       „  55—56 

Prima.     .  .  „    50—52       „  50—52       „  50—52 

Kleine      .  .  „   44—46       „  45—46       „  46—47       „ 

So  klein  die  Läger  in  Vollheringen  zu  Anfang  des  Berichts- 
jahres gewesen  sind,  so  reichlich  groß  erwiesen  sie  sich  in  kon- 
serviertem Matjes.  Trotz  der  normalen  Zufuhren  in  Hamburg 
»und  Stettin  während  der  Saison  sind  sehr  hohe  Preise  für 
Downingsbay  und  Castlebay  bezahlt  worden.  Dies  ist  in  der 
Hauptsache  der  Grund  gewesen,  daß  sich  die  Ware  sch'wer  ab- 
setzen ließ.  Es  kam  noch  hinzu,  daß  einige  Spekulanten  den 
Fehler  begingen,  sich  mit  zu  früh  gefangener  Ware  für  das 
Kühlhaus  einzudecken,  da  sie  den  hohen  Preis  für  den  Juni- 
fisch nicht  bewilligen  wollten.  Die  erhofften  Nachfragen  in 
;Matjas  blieben  aus,  und  daher  mußte  er  teilweise  mit  Verlust 
verkauft  werden.  Besonders  schwer  gestaltete  sich  das  Ge- 
schäft in  feinem  Castlebay,  da  diese  zwar  sehr  fein  in  Qualität 
waren,  aber  in  der  Größe  nicht  genügten  und  der  dafür  ge- 
forderte Preis  dem  Detailhandel  keinen  nennenswerten  Nutzen 
brachte.  Feine  Shetlands -Matjes,  welche  gut  in  der  Größe 
fielen,  fanden  bessere  Beachtung.  Folgende  Preise  wurden  für 
die  einzelnen  Sorten   bezahlt: 

Downingsbay  large M.  140 — 150  per  2/2  To. 

Castlebay  large „    130—140 

Shetlands  large „      96—110 

„  medium „      84 — 90 

Am  15.  April  wurden  in  Hamburg  die  ersten  neuen  Matjes 
zugeführt,  doch  war  die  Qualität  derartig  miserabel,  daß  nur 
Kleinigkeiten  davon  verkauft  wurden,  die  auch  nur  bestimmten 
Zwecken  dienten.  Für  den  hiesigen  Platz  genügte  die  Qualität 
erst  im  zweiten  Drittel  des  Monats  Mai^  und  zWar  konnten  zuerst 
nur  Downingsbay  large  und  medium  gehandelt  werden,  da 
Castlebay  und  Shetlands  noch  zu  grün  waren.  Anfang  Juni 
besserte  sich  die  Qualität  der  Castlebaj,  und  auch  dieser  wurde 
nunmehr  gekauft.  Shetlands -Matjes  waren  erst  Mitte  Juni 
besser  und  bedangen  dann  aber  auch  gleich  einen  ziemlich, 
hohen  Preis,  da  inzwischen  wieder  für  Downingsbay  large 
Preise  von  110 — 125  Mk.  pro  ^Z,  Tonne  transito  bezahlt  wurden. 
Auch  Castlebay  wurde  in  feiner  Qualität  recht  gut  bezahlt. 
Bemerkenswert  ist,  daß  sich  in  der  zweiten  Hälfte  Juni  Ge- 
legenheit bot,  extra  großfallende  Partien  Castlebaj^-,  Loch- 
boisdale-  und  Shetlands-Matjes  zu  kaufen,  wovon  erstere  beide 
Sorten  al»  Ersatz  für  die  viel  zu  hoch  bezahlten  Downingsbay 
large  dienen  konnten.  Im  allgemeinen  war  die  Qualität  ^er 
Downingsbay    und    Castlebay    einzelner    Partien    hervorragend 


184  II.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

schöiij   die   der   Shetlands   im.   großen    mid   ganzen  mittelmäßig. 
Die  Preise  dafür  waren  folgende: 
Am   Anfang   der   Saison: 

Downingsbaj  large M.     84  —  100  per  -/2  To. 

medium.     .     .     .  „      72-90 

Castlebay  large „      80—92 

Shetlands  large „      68—82 

„  medium „62  —  68 

Am   Schluß   der   Saison: 

Downingsbay  large M.  130—134  per  ^/^  To. 

„  medium .     .     .     .  „      96 — 116  „ 

Castlebay  u.  Lochboisdale  large  „    110 — 124 

med.    .  n      78—90 

Shetlands  large „      82—90 

„  medium „      70—84  „ 

Bereits  Mitte  Juni  trafen  die  ersten  Zufuhren  in  Schotten- 
heringen sowohl  in  Hamburg  wie  auch  Stettin  ein.  Die  Qualität 
war  zu  Anfang  derartig  gering,  daß  die  Ware  für  den  hiesigen 
Platz  noch  nicht  verwendet  werden  konnte.  Sofern  der  Shet- 
lands- und  auch  Ostküstenhering  fett  und  zart  ist,  wird  er  bis  zum 
reichlichen  Milch-  und  Rogenansatz  als  Matjes  gesalzen,  welches 
sich  bis  Anfang  Juli  erstreckt.  Um  diese  Zeit  gelangten  schon 
einzelne  recht  gute  Partien  Shetlandsheringe  zur  Besichtigung, 
doch  wurden  dafür  Preise  bezahlt,  welche  denen  der  Matjes- 
heringe nicht  viel  nachstanden.  Der  Grund  dafür  lag  in  den 
andauernd  schlechten  Fängen  sowohl  in  Shetland,  Orkney  als 
auch  an  der  Ostküste.  (Der  Ausfall  im  Fang  betrug  schon  bis 
zum  5.  Juli  240  496  t  gegen  1912.)  Diese  Situation  änderte 
sich  auch  den  ganzen  Sommer  hindurch  nicht.  Sehr  oft  war 
es  schwer,  selbst  zu  den  übersjpannt  hohen  Preisen  passende 
Ware  zu  erhalten.  Im  August  wurde  der  Fang  teilweise  etwas 
'besser,  und  die  Preise  mußten  eine  Kleinigkeit  weichen.  In 
schottischen  Trademarken  war  starke  Nachfrage  und  öfter  nichts 
Gutes  zu.  bekommen.  Crown  large,  CroWn  fuUs  und  Crown 
brand  -  Matfulls  waren  Ende  des  Monats  zirka  3  Mk.  billiger, 
doch  wurden  ungestempelte,  gute  Partien  eher  etwas  teurer 
als  Anfang  August  bezahlt.  Der  Grund  dafür  lag  darin,  daß 
alles,  was  einigermaßen  sich  dazu  eignete,  für  gestempelte  Ware 
Verwendung  fand.  Gestempelt  wurden  bis  zum  6.  Sept.  zirka 
222  996  t  gegen  158  040  t  in  1912.  Das  Geschäft  wurde  in  der 
Folge  etwas  schleppend,  da  in  der  zweiten  Hälfte  September 
deutsche  Heringe  viel  preiswerter  als  schottische  Heringe  zu 
kaufen  waren  und  letztere  dadurch  vernachlässigt  wurden.  Die 
preise  gaben  infolgedessen  erheblich  nach.  Wo  Anfang  Sep- 
tember noch  Crown   fulls  mit  46V2  Mk.  pro  Tonne  trs.  bezahlt 


46.     Fische    und    Schaltiere.  185 

wurde,  war  dieser  nach  dem  20.  Sept.  mit  41  Mk.  trs.  zu  kaufen. 
iEnde  des  Monats  trat  eine  Besserung  der  Nachfrage  ein,  was 
»wieder  ein  sofortiges  Anziehen  der  Preise  herbeiführte.  Bis' 
(Mitte  Oktober  hielten  sich  die  Preise  auf  gleichmäi^iger  Höhe, 
doch  übte  von  diesem  Zeitpunkt  ab  der  Yarmouth  -  Fang  einen 
Wesentlichen  Einfluß  aus  und  mußten  ein  Nachlassen  der  Preise 
bewirken.  Im  Verlaufe  von  vier  Wochen  hatte  sich  infolge 
stillen  Geschäftes  nichts  im  Markt  geändert,  und  in  der  zweiten 
iHälfte  November  zogen  die  Preise  wieder  an,  da  der  Fang  sich 
überall  wesentlich  verschlechterte.  Der  Ausfall  im  Fang  gegen 
das  Vorjahr  betrug  bis  zum  1.  Nov.  246  349   t. 

Der  Yarmouth-Fang  setzte  gegen  1912  recht  spät  ein.  Wo 
bis  Ende  September  des  Vorjahres  schon  60  000  bis  70  000  t 
gesalzen  waren,  blieb  er  im  Berichtsjahre  bis  Anfang  Oktober 
ohne  nennenswerte  Resultate.  Er  besserte  sich  aber  gegen  Mitte 
Oktober  ganz  wesentlich  und  konnte  teilweise,  begünstigt  durch 
das  schöne  Wetter,  als  ein  großer  bezeichnet  werden.  Die  Preise 
für  Yarmouthheringe  blieben  aber  ziemlich  gleichmäßig  hoch, 
da  große  Verkäufe  nach  dem  Osten  stattfanden. 

Das  Gesamtergebnis  des  Fanges  betrug  1913  in  Schottland 
1  545  000  t,   in  Yarmouth   und  Lowestoft   1  400  000  t. 

Die  Preise  für  die  einzelnen  Sorten  und  Größen  betrugen 
(in  Mark  für  die  Tonne) : 


Schott,  large  falls  .     .     . 

fulls 

„  matfuUs  .  .  .  . 
„  crown  lai-c^e  fulls 
fuUs  .  . 
„  crbrd.  matfulls  . 
„  n        malties 

„  „        Spents 


Juli  Aug-.  Sept.  Okt.  Nov./Dez 

60—62  58—60  56—53  55—53 

56—58  54—56  54—50  52—50 

52—56  50—52  50—48  50—48  48—50 

64—60  60—55  56—54  52—54 

61—58  58—52  54—52  52—54 

57—54  54—50  52—50  52 

52—50  50—48  48—47  47—48 

46—45  45—44  43—44 


Früher    als    sonst    schickten    die    deutschen    Gesellschaften  Deutsche 

ihre  Fahrzeuge  auf  die  Reise,  und  schon  in  der  zweiten  Hälfte  ^    ^^ 

Juni  kehrten  einige  Dampflogger  zurück.  Der  Ertrag  des  Fanges 
bestand  bis  Ende  Juli  fast  nur  aus  Matjes,  womit  sich  in 
diesem  Jahre  ein  recht  gutes  Geschäft  bot,  denn  der  nicht  sehr 
heiße  Sommer  brachte  keine  Verluste,  und  der  Fisch  ist  be- 
isonders  fett  und  zart  gewesen.  Erst  im  August  wurden  hier  am' 
Platze  Vollheringe  gehandelt,  die  in  Qualität  besonders  schön 
waren.  Im  Vergleich  zum  schottischen  Hering  konnten  die 
Preise  nicht  als  überspannt  hoch  bezeichnet  werden,  wie  sie 
sbnsT  zu  Anfang  zu  sein  pflegen,  da  die  Fischereien  gute 
•Resultate  durchweg  zu  verzeichnen  hatten.  Es  entwickelte  sich 
von  vornherein  ein  lebhaftes  Geschäft,  und  zeitweise  genügte 
das  Angebot  nicht  der  Nachfrage.  In  der  zweiten  Hälfte 
'August  trat  vielfach  eine  Knappheit  in  Ware  ein,  denn  einzelne 
Fischereien  verkauften  in  der  Erwartung  der  großen  Ankünfte 


Holländer. 


186  n.    Tierische   Rohprodukte   und   Fabrikate. 

und  verloren  öfter  die  Uebersioht.  Um  diese  Zeit  zogen  auch 
die  Preise  etwas  an.  Der  andauernd  gute  Fang  und  der  ab- 
flauende Markt  im  September  ließen  die  Preise  etwas  sinken, 
fund  konnten  speziell  Superior  und  Sortierte  reoht  preiswert 
.gehandelt  werden.  Nur  in  Prima  und  Kleinen  blieb  stets  gute 
Nachfrage,  und  die  Preise  hielten  sich  dafür  in  gleichmäßiger 
flöhe.  In  der  ersten  Hälfte  Oktober  trat  wiederum  öfter  eine 
Knappheit  in  Loco-Ware  ein,  doch  wurden  durch  reichliche 
•Ankünfte  in  der  zweiten  Hälfte  Oktober  wieder  preiswerte 
Offerten  von  den  Fischerei-Gesellschaften  gemacht.  Bis  Mitte 
November  ließen  die  Preise  für  Superior  und  Sortierte  ständig 
etwas  nach,  da  viel  große  Heringe  vorhanden  waren.  Es  konnten 
diese  Größen  öfter  zu  denselben  Preisen  bezogen  werden  wie 
Prima.  Der  notorisch  gute  Fang  zeigte  nicht  immer  eine  große 
Kauflust,  und  die  Spekulanten  blieben  in  Erwartung  eines  er- 
heblichen Preisrückganges.  Der  rege  Absatz  bei  den  Fischerei- 
Gesellschaften  täuschte  aber  die  Erwartung  vieler,  und  man 
vermutet,  daß  große  Spekulationskäufe  nicht  gemacht  wurden. 
Das  günstige  Herbstwetter  kam  der  Fischerei  sehr  zustatten, 
und  es  konnten  von  verschiedenen  Gesellsehaften  einige  Dampf- 
logger  sechs  Reisen  machen.  Die  Fischerei  wurde  mit  262  Fahr- 
zeugen gegen  283  Fahrzeuge  in  1912  betrieben  und  ergab  bis 
zum  6.  Nov.  einen  Fang  mit  912  Schiffen  von  396  355  Kantjes 
gegen  821  Schiffe  von  251583  Kantjes  in  1912.  Trotz  der 
verminderten  Flotte  (durch  Ausscheiden  der  Fischerei  -  A.-G. 
Weser  -  Elsfleth  und  Einziehen  einzelner,  nicht  mehr  seetüchtiger 
Schiffe)  konnte  also  bis  zum  genannten  Zeitpunkt  schon  ein 
Plus  von  144  772  Kantjes  gegen  das  Vorjahr  verzeichnet  werden. 
Eine  Aenderung  in  dem  Geschäftsbetriebe  der  meisten  deutschen 
Gesellschaften  trat  insofern  ein,  als  sie. einen  Zusammenschluß 
herbeiführten  und  unter  dem  Namen:  Deutsche  Heringshandeis- 
Gesellschaft  m.  b.  H.,  Bremen,  eine  Zentrale  errichteten,  welche 
den  alleinigen  Verkauf  der  von  diesen  Gesellschaften  gefangenen 
Heringe  übernahm.  Nach  Angabe  der  D.  H.  G.  soll  der  Zweck 
fin  der  Hauptsache  darin  liegen,  eine  Stabilität  des  Marktes 
herbeizuführen,  ferner  einen  Ausgleich  im  Angebot  zu  schaffen. 
Sie  umfaßt  sieben  deutsche  Gesellschaften.  Nicht  beteil isrt  an 
der  D.H.G.  sind:  Emder  Heringsfischerei  A.-G.,  Emden,  mit 
ihren  beiden  Tochtergesellschaften;  Bremen-Vegesacker  Fischerei- 
Ges.,  Vegesack,  und  Glückstädter  Fischerei  -  A.-G.,  Glückstadt. 
Der  Fang  ergab  gegen  das  Vorjahr  ein  Plus  von  111  407  t,  und 
zwar  wurden  gesalzen: 

1913  !9r2  1911 

3  396  745  t  2  282  675  t  3  173  565  t 

Die   holländische   Fischerei   hatte   ebenfalls   durchweg   gute 
Erfolge   zu   verzeichnen,   und   die   Preise   bewegten   sich   fast  in 


46.    Fische    und    Schaltiere. 


187 


den  gleiciien  Bahnen  wie  bei  den  Deutschen.  Im  November, 
um  die  Zeit,  als  bei  den  deutschen  Fischereien  Prima  knapp 
wurde,  war  bei  einigen  holländischen  Gesellschaften  dieser  um 
einige  Mark  billiger  zu  kaufen,  unter  Berücksichtigung  des 
Zolles  von  3  Mk.  Doch  in  der  zweiten  Hälfte  November  gingen 
sie  mit  ihren  Forderungen  wieder  in  die  Höhe.  Bei  gleichen 
Preisen,  selbst  wenn  die  Differenz  nur  1 — IV2  Mk.  beträgt,', 
fwird  dem  deutschen  Hering  der  Vorzug  gegeben,  da  nicht  alle 
holländischen  Fischereien  zuverlässig  liefern.  In  den  letzten 
Jahren  bestand  auch  bei  den  hiesigen  Detaillisten  nicht  mehr 
großes  Interesse  für  holländische  Heringe.  Bis  zum  5.  Nov. 
sind  650  663  t  gegen  25  723  t  in  1912  gefangen  worden.  Am 
Schluß  der  Fischerei  betrug  das  Ergebnis  in: 


1913 


1912 


1911 


-ic/X'j  ±ai^  ia±i 

784  863  t     gegen     529  335  t     gegen      638  487  t 

Die   Preise   stellten    sich   für   deutschen    und   holländischen 
Hering    folgendermaßen   pro    Tonne: 


Superior 
Sortierte 
Prima  . 
Kleine  . 
Maatjes . 


Juli 


43-45 


August 

58—60 
56—58 
50—52 
46-48 
44—45 


September 

58—56 

56—54 

50—48 

48—40 


Oktober 
52—50 
50—48 
48—46 
46—44 


Nov./Dez. 
48—46 
48—46 
44—43 
43—42 


Zweiter   Bericht. 

Daö  Jahr  1912  endigte  mit  sehr  hohen  Preisen  für  alle  Sorten 
Heringe,  und  auch  zu  Beginn  des  Jahres  1913  trat  in  dieser  Hin- 
sicht keine  Aenderung  ein,  da  die  Ultimo  1912  aufgenommenen 
Jahresbestände  an  den  verschiedenen  Importplätzen  sehr  kkin 
waren  und  kaum  zur  Deckung  des  Früh  Jahrsbedarfes  ausreichen 
konnten.  Dies  traf  in  erster  Linie  für  deutsch©  Heringe  zu,  die  in 
Berlin  besonders  bevorzugt  werden.  Dem  Absatz  in  Salzhering 
schien  durch  die  ziemlich  bedeutenden  Zufuhren  von  Frischhering 
etwas  Abbruch  gemacht  zu  sein,  doch  trat  dieses  bei  den  sehr 
hohen  Preisen  für  den  Artikel  weniger  in  Erscheinung.  Es  konnten 
sogar  die  alten  Bestände  im  Frühjahr  zu  anziehenden  Preisen 
geräumt  werden.  Vollhering  wurde  in  den  Monaten  April,  Mai 
und  auch  im  Juni  so  knapp,  daß  selbst  die  abfallenden  Sorten 
schlanken  Absatz  fanden.  Das  Geschäft  in  konserviertem  Matjes- 
hering (aus  den  Kühlhauslägern)  entsprach  nicht  den  Erwar- 
tungen; denn  die  ziemlich  bedeutenden  Bestände  konnten  nur  zu 
verlustbringenden  Preisen  geräumt  werden.  An  dem  schlechten 
Abzug  trugen  aber  auch  die  vielen  minderwertigen  Partien  von 
frühgefangener  Ware  schuld.  Man  erwartete  infolge  der 
schlechten  Qualitäten  der  konservierten  Matjesheringe  mit  Un- 
geduld die  ersten  Zufuhren  neuer  Matjesheringe,  die  gegen  Ende 
Mai,  Anfang  Jrnii  in  Berlin  eintrafen.    Die  Qualität  dieser  ersten 


ZweiterBericht. 


Allgemeines. 


188  11.    Tierische  Rohprodukte    und   Fabrikate. 

Matjeshering-e  war  erheblich  besser  als  die  der  gleichen  Zeit  des 
Vorjahres,  und  es  entwickelte  sich  sofort  ein  sehr  g-utes  Greschäft 
bei  nicht  allzu  teuren  Preisen.  Als  dann  gegen  Ende  Juni  auch  die 
ersten  Zufuhren  neuer  schottischer  Heringe  eii^trafen,  war  der 
Mai-kt  von  alten  Heringen  fast  ganz  geräumt.  Die  Folge  war,  daß 
sich  auch  in  neuen  schottischen  Heringen  gleich  ein  überaus 
lebhaftes  Geschäft  entwickelte.  Leider  waren  die  Preise  an  den 
Fangstationen  schon  derartig  hoch,  daß  dieselben  mit  allen  Trans- 
port und  Zollkosten  bis  Berlin  kaum  noch  dem  Detaillisten  und 
Händler  einen  Nutzen  ließen.  Die  Qualität  der  neuen  schottischen 
Heringe  befriedigte  zu  Anfang  nicht,  doch  änderte  sich  dies  sehr 
bald,  nachdem  von  der  Ostküste  Schottlands  ganz  vorzügliche 
Qualitäten  hereinkamen.  Die  Preise  hielten  sich  aber  auch  für 
schottische  Heringe  bis  in  den  Winter  hinein  auf  einer  außerordent- 
lichen Höhe,  so  daß  das  G-eschäft  in  schottiscben  Heringen  bald 
ganz  nachließ  und  die  billigeren  und  beliebteren  deutschen  Heringe 
wieder  den  Berliner  Markt  beherrschten. 
*^^'^*j®^-  Die    ersten   deutschen   lleringe   (sogenannte  Matjes)    wurden 

Anfang  Juli  an  den  Fangstationen  der  deutschen  Reedereien  greif- 
bar. Auch  die  Qualität  dieser  war  auffallenderu^eise  wie  bei  den 
schottischen  Heringen  zunächst  gering;  da  aber  alte  Heringe 
fehlten,  gingen  auch  diese  Heringe  schnell  in  den  Konsum  über. 
Ende  Juli  wiesen  dann  aber  die  deutschen  Matjes  eine  selten  schöne 
Qualität  auf,  die  den  Absatz  und  Konsum  sehr  förderte.  Das  Ge- 
schäft von  Ende  Juli  ab  war  in  deutschen  Matjes  ganz  bedeutend, 
und  dieser  Artikel  fand  bis  in  die  späten  Herbstmonate  hinein  bei 
den  Konsumenten  dauernd  Interesse.  Bemerkenswert  ist,  daß  die 
Preise  für  den  deutschen  Matjes  in  dem  verflossenen  Jahre  voll 
behauptet  iDÜeben  und  selbst  durch  den  dann  später  eintreffenden 
Vollhering  in  keiner  Weise  beeinflußt  wurden.  Die  ersten  neuen 
deutschen  Vollheringe  wurden  Ende  Juli  in  Berlin  angeboten 
und  waren  ebenfalls  von  vorzüglicher  Qualität;  das  sich  dann 
hierin  entwickelnde  Geschäft  war  durchaus  normal,  obgleich 
die  Preise  für  diese  ersten  deutschen  Vollheringe  übertrieben 
hoch  genannt  werden  müssen.  Es  Wurden  zum  Beispiel  für  prima 
deutsche  Vollheringe  (dem  sogen.  Mittelhering  8/850  Stück  pro 
Tonne)  Mitte  August  Preise  bis  43  Mk.  zollfrei  ab  Stationen  bezahlt. 
Dies  entsprach  einem  Preise  von  46  Mk.  franko  Berlin,  also  einem 
Verkaufspreise  von  48  bis  50  Mk.  und  darüber.  Solche  Preise  sind 
selbst  für  erste  Ware  zu  hoch.  Es  trat  dann  auch  bald  eine  starke 
Herabsetzung  der  Preise  ein,  um  so  mehr,  da  auch  die  ersten  hollän- 
dischen Vollheringe  dem  deutschen  llering  bereits  Konkurrenz 
machten.  Allerdings  hielten  sich  diese  hohen  Preise  noch  den 
ganzen  Monat  August  hindurch  und  erst  Anfang  September  trat 
ein  erheblicher  Rückschlag  ein.  —  Im  allgemeinen  hielten  sich  dann 
aber  die  Preise  für  deutsche  Heringe  sowohl  wie  auch  für  die 
anderen    Sorten,    da  der   Konsum   recht  bedeutend  war   und  dem 


46.    Fische   und    Schaltiere. 


189 


deuiFchen  Hering  kaum  eine  Konkurrenz  entstand;  denn  der 
Schottenhering  war  viel  za  teuer  und  kam  für  den  Berliner  Markt 
kaum  in  Frage.  Auch  der  holländische  Hering  erreichte  bald  eine 
Preishöhe,  die  den  deutschen  Vollhering  konkurrenzlos  machte. 
Für  den  Berliner  Markt  hat  der  deutsche  Hering  noch  nach  wie  vor 
wegen  seiner  reellen  Sortierung  und  Behandlung  den  Vorzug. 
Allerdings  trafen  im  Jahre  1913  auch  schon  von  Holland  ver- 
scliiodene  Abladungen  ein,  die  sich  durch  gaaiz  vorzügliche  Sor« 
tierung,  Behandlung  und  Qualität  auszeichneten. 

Sieben  Fischereien  an  der  Weser  und  Ems  haben  sich  zu  einer 
Verkaufsgesellschaft  zusammengeschlossen.  Diese  sieben  Fische^ 
reien  repräsentieren  die  Hälfte  der  deutschen  Fangflotte.  Dieser 
Zusaanmenschluß  hatte  zur  Folge,  daß  die  vereinigten  Ileedereien 
gewissermaßen  eine  Kontrolle  über  die  Verkäufe  gemeinsam  aus- 
übten und  also  in  der  Lage  waren,  je  nach  der  Zufuhr  und  Nach- 
frage die  Preise  zu  regulieren.  Für  den  Handel  mit  deutschen 
Heringen  ist  dieser  Zusammenschluß  in  einer  Hinsicht  als  durch- 
aus berechtigt  zu  bezeichnen ;  denn  bekanntlich  haben  die  deutschen 
Fischereien  infolge  einer  äußerst  scharfen  Konkurrenz  in  den 
vorhergehenden  Jahren  mit  großen  Verlusten  gearbeitet;  man  darf 
aber  auch  wiederum  bei  einem  solchen  Zusammenschluß  nicht 
vergessen,  daß  der  Artikel  Hering  eine  beliebte  und  billige  Nah- 
rung gerade  der  ärmeren  Bevölkerung  ist  und  bleiben  soll,  und 
daß  ein  derartiger  Zusanunenschluß  die  Preise  leicht  auf  einer 
Höhe  erhalten  oder  treiben  kann,  die  den  Artikel  Hering  nicht 
mein-  als  billiges  Nahrungsmittel  erscheinen  lassen  und  infolge 
einer  solchen  Verteuerung  dem  Artikel  Konsumenten  entwöhnen 
und  anderen  billigeren  Nahrungsmitteln  zuführen,  z.  B.  der  von 
Jahi-  zu  Jahr  zunehmenden  Fischindustrie  und  dem  Konsum  in 
Seefischen. 

In  den  Monaten  September/Oktober,  in  den  siogenannten  Haupt- 
konsum-Monaten für  Heringe,  war  das  Geschäft  sehr  lebhaft. 
Dia'^e  Nachfrage  wurde  durch  die  große  Kartoffelernte  und  billigen 
Kartoffelpreise  erhöht.  Im  November  trat  dann  die  alle  Jahre  m 
Erscheinung  tretende  Abflauung  im  'Geschäft  ein,  die  dann  in 
den  Monat  Dezember  hinein  anhielt.  Daß  die  Preise  in  diesen 
Monaten  auch  eine  rückgängige  Konjunktur  annehmen,  findet 
seine  Begründung  in  der  Rekordfischerei  an  den  englischen  Statio- 
nen Yarmouth  und  Lowestoft.  Man  erwartete  allgemein  von 
diesem  Ausfall  der  Fischerei  ganz  billige  Heringspreise,  doch 
traten  diese  wider  Erwarten  nicht  ein.  Das  FangTesultat  hatte 
nur  eine  vorübergehende  Abflauung  der  Preise  zur  Folge,  und 
deutsche  Heringe  konnten  sogar  zum  Schluß  des  Jahres  1913  und 
Beginn  des  Jahres  1914  von  den  Reedereien  zu  Preisen  geräumt 
werden,  wie  sie  in  dem  Monat  September  notierten.  Auch  die 
holländischen  Heringe  erholten  sich  bald,  nachdem  das  Pang- 
resultat;  der  englischen  Fischerei  auch  in  diesen  Sorten  eine  Ab- 


Zusammen- 
schluß  von 


fischereien. 


Gdschäftsgan; 


fassuiig. 


190  U.    Tierische   Rohprodukte    und   Fabrikate. 

Schwächung  hervorgerufen  hatte.  Es  stellt  sich  von  Jahr  zu  Jahr 
mehr  heraus,  daß,  so  ergiebig  die  Fischerei  an  den  englischen 
Stationen  Yarmouth  und  Lowestoft  sein  mag,  sie  doch  kaum  noch 
für  den  deutschen  Konsum  von  einschneidender  Bedeutung  ist. 
Der  sogenannte  Yarmouthhering  wird  mehr  und  mehr  ein  Spezial- 
artikel  für  die  russischen  Märkte. 
Zusammen-  Bas  Jahr  1913  kann  für  den  Berliner  Platz  im  Artikel  Hering 

als  durchaus  normal  bezeichnet  werden.  Wie  schon  bemerkt, 
kam  für  den  Konsum  in  den  Sommermonaten  Juni,  Juli,  August 
der  schottische  Hering  neben  dem  deutschen  in  Frage.  Für  den 
Eest  des  Jahres  fast  ausschließlich  der  deutsche  Hering.  Die 
Preiskonstellation  der  verschiedenen  Sorten  ist  hierbei  allerdings 
für  dieseb  Jahr  nicht  außer  acht  zu  lassen;  denn  der  scliottische 
Hering  kam  für  den  größten  Teil  des  Jahres  wegen  seiner  hohen 
Preise  nicht  in  Frage,  und  auch  der  holländische  Hering  stellte  sich 
vorübergehend  im  Beznge  teurer  wie  der  deutsche.  Sollte  aber 
der  Zusammenschluß  der  deutschen  Fischereien  für  die  Zukunft 
die  Preise  auf  einer  Höhe  halten,  die  nicht  mehr  den  Fangresultaten 
und  der  Nachfrage  Rechnung  trägt,  so  wäre  zu  wünschen,  daß  die 
holländischen  Abladungen  mit  größerer  Sorgfalt  als  bisheo?  erfüllt 
werden,  um  dem  deutschen  Hering  eine  Konkurrenz  zu  bieten. 
Ganz  billige  Heringspreise,  wie  in  früheren  Jahren,  mögen  für 
die  Entwicklung  des  Geschäftes  nicht  gerade  von  Vorteil  sein,  es 
ist  aber  auch  andererseits  für  den  Artikel  Hering  als  ungesund  zu 
bezeichnen,  wenn  dafür  Preise  bezahlt  werden,  wie  es  in  den  letzten 
Jahren  1912/13  der  Fall  war.  In  Berlin  liegt  der  Verkauf  der 
Salzheringe  ausschließlich  in  den  Händen  der  Händler,  die  nicht 
mit  allzu  reichen  Mitteln  ihr  Gewerbe  betreiben.  Für  diese  spielt 
es  eine  große  Ex)lle,  ob  sie  die  Tonne  Hering  mit  45  bis  50  Mk. 
und  sogai'  darüber  bezahlen  oder  mit  ca.  40  Mk.  Gerade  für  diese 
Händler  sind  deshalb  auch  die  beiden  letzten  Jahre  nicht  gewinn- 
bringend gewesen,  und  viele  konnten  nur  notdürftig  ihren  eigenen 
Unterhalt  aus  dem  Verkauf  der  Heringe  erwerben.  In  einzelnen 
Teilen  Berlins,  N,  NO,  O,  und  der  in  der  Nähe  liegenden  Vororte 
hatten  die  Händler  sehr  unter  der  großen  Arbeitslosigkeit  zu 
leiden.  Es  fehlte  in  diesen  Bezirken  gerade  an  kaufkräftigen 
Konsumenten,  und  es  machten  sich  bei  den  Gewerbetreibenden 
in  diesen  Gegenden  ganz  erhebliche  Mindereinnahmen  und  dem- 
zufolge auch  Minderverdienste  bemerkbar.  Auch  der  Engros- 
handel muß  heute  bei  der  Höhe  der  Preise  mit  geringerem  Nutzen 
arbeiten,  dafür  aber  größere  Kapitalien  bereitstellen;  denn  in  den 
letzten  beiden  Jahren  konnte  beinahe  als  Durchs chnittseink auf s^^ 
preis  38  bis  40  Mk.  und  sogar  darüber  zugrunde  gelegt  werden, 
während  in  früheren  Jahren  vorübergehend  wenigstens  Preise 
von  30  bis  35  Mk.  gebräuchlich  waren.  Die  Höhe  der  Preise  wird 
vielfach  irrtümlicherweise  der  Spekulation  zugeschrieben,  doch 
trifft  dies  nur  in  ganz  bescheidenem  Maße  zu.    Bei  den  diesjährigen 


46.    Fische   und    Schaltiere.  191 

Preisen  war  der  Hering  wirklich  nicht  mehr  spekulationsfähig. 
Der  Hauptgrund  für  die  hohen  Preise  dürfte  in  dem  zunehmenden 
Konsum  •  zu  suchen  sein,  dem  besonders  in  Rußland  ungeahnte 
Grenzen  geöffnet  werden,  und  zwar  durch  jährlich  zunehmende 
ganz  bedeutende  Eisenbahnwege.  Die  russischen  Märkte  können 
heute  für  den  Artikel  Hering  als  tonangebend  bezeichnet  werden, 
denn  der  russische  Käufer  spielt  an  den  Stationen,  besonders  in 
Schottland,  seit  einigen  Jahren  die  erste  Bx)lle. 


c)    Sardinen.  Sardinen. 

Der    Sardinenfang     an     der     spanisch-portugiesischen    Küste  Spanien, 

zeigte  im  Berichtsjahre  fast  genau  dasselbe  Bild  wie  im  Vorjahre,  Portugal, 

also  wiederum  ein  trauriges,  abgesehen  von  einem  kleinen  spa- 
nischen Küstenstrich,  der  einen  verhältnismäßig  regelmäßigen 
und  guten  Fang  ergab.  An  den  Hauptfangplätzen  hat  der  Fang* 
gerade  in  den  Hauptmonaten,  Juli,  August,  September,  so  gut 
wie  ganz  gefehlt.  Hin  und  wieder  wurden  an  ein  paar  Tagen 
Sardinen  gefangen,  die  aber  leider  durchweg  entweder  zu  groß 
oder  zu  klein  waren.  Die  richtige  Mittelgröße  hat,  genau  wie  im 
Vorjahre,  fast  ganz  gefehlt.  Die  für  die  frischen  Fische  bezahlten 
Preise  waren  infolgedessen  wiederum  ganz  außerordentlich  hoch, 
"und  zwar  nicht  nur  für  die  mittelgroßen  Fische,  sondern  auch 
für  die  weniger  gesuchten  zu  großen  oder  zu  kleinen  Fische.  Das 
Vorjahr  brachte  ganz  spät  noch  —  gewissermaßen  nach  Schluß 
der  Saison  —  etwas  Fischfang  in  den  von  der  Knappheit  beh 
sonders  heimgesuchten  Gegenden,  und  damit  wenigstens  einen 
kleinen  Ausgleich  für  den  großen  Ausfall  während  der  Haupt- 
fangszeit.  Auch  dieser  Ausgleich  fehlte  im  Berichtsjahre,  so 
daß  das  Gesamtergebnis  noch  ganz  bedeutend  hinter  demjenigen 
des  ohnehin  schon  sehr  knappen  Vorjahres  zurückblieb.  Am 
Schluß  des  vorjährigen  Berichtes  wurde  zum  Ausdruck  gebracht, 
daß  selbst  bei  einem  reichen  Fischfang  in  diesem  Jahre  ein 
Zurückgehen  der  Preise  für  die  frühere  Basis  als  ausgeschlossen 
zu  betrachten  sei.  Dies  hat  sich  durchweg  bestätigt;  denn  das 
gegenwärtige  Jahr  setzte  mit  wesentlich  höheren  Preisen  als  das 
Vorjahr  ein,  aber  selbst  diese  erhöhten  Preise  mußten  natürlich 
infolge  des  oben  geschilderten  Verlaufs  des  Fischfanges  eine 
weitere  erhebliche  Erhöhung  erfahren.  Dies  machte  sich  wiederum 
ganz  besonders  bei  den  größeren  Dosenformen  bemerkbar,  >ind 
eine  weitere  Steigerung  wird  kaum  ausbleiben,  da  auf  größere  Zu- 
fuhren nicht  mehr  zu  rechnen  ist  und  die  jetzigen  Bestände  zur 
Befriedigung  des  Bedarfes  bis  zum  Beginn  des  nächstjährigen 
Fischfanges  bestimmt  nicht  ausreichen.  Die  zum  Schluß  des  Vor- 
jahres bezahlten  hohen  Preise  für  die  kleinen  Dosenformen  sind 
(infolge  der  nach  der  Saison  unerwartet  eingetroffenen  Posteji 
etwas  zurückgegangen  und  haben  sich  seitdem  für  einige  Formate 


192 


II.    Tierische   Rohprodukte    und    Fabrikate. 


so  gut  wie  gar   nicht,   für   andere  Formate   aber  wesentlich   ba- 
festigt. 
Frankreich.  Die  Sardinenfischerei  in  Frankreich  hat  nach  ihren  Anfäugen 

alle  Zeichen  für  einen  wenig  günstigen  Fang  giehabt,  und  diese 
Voraussagiing  der  Fischer  hat  sich  leider  vollständig  bewahr- 
heitet. Der  Fang  war  während  der  ganzen  Zeit  unregelmäßig; 
zufällig  erfolgreiche  Arbeitstage  wechselten  ab  mit  einer  Periode 
schlechten  Fischfanges,  und.  niemals  zuvor  weiß  man  sich  eines 
solchen  Oktober-Monats  zu  erinnern,  in  dem  überhaupt  kein  Fang 
war.  Es  wurden  zwei  verschiedene  Fischgrößen,  sehr  große  und 
sehr  kleine,  gefangen,  der  gute  Mittelfisch  ist  immer  selten 
gewesen. 

Infolge  dieser  ungünstigen  Resultate  und  der  vollständigen 
Erschöpfung  alter  Vorräte  nalimen  die  Preise  eine  steigende 
Richtung  an,  um  so  mehr,  als  der  Begehr  nach  Ware  an)- 
haltend  so  bedeutend  ist,  daß  derselbe  auch  nicht  annähernd  be- 
friedigt werden  konnte.  Im  ganzen  haben  die  französischen 
Sardinenpreise  seit  Beginn  der  Saison  dreimal  eine  Erhöhung 
erfahren.    Das  erstemal  erhöhten  sich  die  Preise  um : 


M.  10,- 


7- 


5,- 


per  100/1 


100/2 


100/4 


100/8  Dosen 


das  zweitemal  erhöhten  sich  die  Preise  um  weitere: 


M.  10,- 


4.— 


3  — 


per  100/1 


100/2 


100/4 


100/8  Dosen. 


Astrachaner 

"  Malossol- 

Hausen-Kaviar. 


Auch  im  Berichtsjahre  haben  einige  französische  Sardinen- 
Fabrikanten  schon  von  Anfang  an  ilire  Kontrakte  nur  teilweise 
erfüllt.  Da  der  Fischfang  nach  eingegangenen  Mitteilungen  in 
Fraukreich  jetzt  definitiv  beendet  ist,  so  ist  also  auf  eine 
Besserung  der  allgemeiaen  Lage  des  Sardiaenmarktes  nicht  zu 
rechnen,  im  Gegenteil,  dieselbe  wird  sich  bis  zum  Beginn  des 
nächsten  Fanges  wohl  noch  verschärfen.  Es  wurde  im  letzten 
Bericht  zlim  Ausdruck  gebracht,  daß  die  französische  Sardinen.- 
saison  im  vergangenen  Jahre  wohl  als  die  schlechteste  seit  Jahren 
zu  bezeichnen  sei.  Die  gegenwärtige  Saison  hat  sich  aber  leider 
als  noch  ungünstiger  erwiesen,  nur  mit  dem  Unterschiede,  daJJ 
das  Geschäft  durch  die  höheren  Preise  nicht  ungünstig  beeinflußt 
worden  ist,  da  man  sich  von  vornherein  nicht  der  Hoffnung  auf 
wesentlich    billigere   Preise   hingegeben   hatte. 

d)   Kaviar. 

Der  Verbrauch  an  Kaviar  im  allgemeinen  und  an  Hausen- 
Malossol  im  besonderen  ging  im  Berichtsjahr  etwas  zurück,  eines- 
teils wohl  infolge  der  Geldknappheit  und  des  dadurch  bedingten 
schlechteren  Geschäftsganges,  andererseits  wegen  des  infolge  ge- 


46.    Fische   und   Schaltiere. 


193 


ringerer  FäJige  sich  ergebenden  hohen  Freies,  welcher  für  Winter- 
ware von  Januar  bis  April  48  Mk.  für  das  Kilo  Kaiser-Malosisol 
betrug  gegen  43 — 44  Mk.  im  Vorjahr,  Die  Prühjahrsfänge  waren 
ebenfalls  nicht  sehr  reichlich,  so  daß'  der  Preis  für  beste  Sommer- 
ware eine  Erhöhimg  bis  zu  45  Mk.  gegen  39 — 42  Mk.  in  1912 
erfuhr.  Dabei  war  die  Qualität  keineswegs  bes-onders  gut,  ein 
Umstand,  der  dem  sehr  milden  Winter  zuzuschreiben  sein  dürfte. 

Die  Preise  von  September  bis  Dezember  hielten  sich  aui  46 
bis  47  Mk.,  gingen  aber  gegen  Ende  des  Jahres  wesentlich  zurück, 
weil  die  anhaltend  warme  Witterung  in  den  Fanggebieten  ein 
längeres  Fischen  zuließ  und  infolgedessen  große  Mengen  Kaviax 
auf  den  Markt  kamen,  ohne  daß  Nachfrage  dafür  vorhanden  ge- 
wesen wäre.  Die  Qualität  aus  den  Herbs-tfängen  war  im  großen 
ganzen  gut. 

Auch  im  Jahre  1913  war  die  Nachfrage  nach  Stör-Kavia^J 
seitens  der  Kundschaft  wieder  größer  als  nach  Hausen-Kaviar. 
Die  Ware  war  von  ganz  vorzüglicher  Beschaffenheit  während 
der  Monate  Januar  bis  April.  Die  Sommerware  dagegen  ließ  zu 
wünschen  übrig,  und  auch  wäiirend  der  Herbstmonate  bis  zum 
Ende  des  Jahres  wurde  mit  geringen  Ausnahmen  nicht  die  schöne, 
gleichmäßige  Qualität,  wie  solche  in  vorhergehenden  Jahren  ge- 
liefert wurde,  erreicht.  Die  unbeständige,  zum  Teil  nasse,  ofü 
ungewöhnlich  warme  Witterung  beeinflußte  die  Güte  dieser 
zarten,  empfindlichen  Ware  ungünstig.  Die  Preise  für  beste 
E-ybinsker  Kaiser-Ware  schwankten  im  Januar  bis  April  zwischen 
48 — 50  Mk.  ab  russischer  Grenze  ohne  Zoll;  für  Sommerwar»ö 
zwischen  30 — 36  Mk.  für  das  Kilogramm.  Während  bis  dahin 
höhere  Herbstpreise  bezahlt  werden  mußten  als  im  Vorjahr, 
setzten  diese  niedriger  ein  und  zwar  mit  38  Mk.  gegen  44  Mk.  in 
1912,  um  bis  zu  44  Mk.  zu  steigen  und  bis  gegen  Ende  des  Jahres 
auf  39  Mk.  wieder  zurückzugehen.  Dieser  Rückgang  wurde  haupt- 
sächlich durch  das  vorher  erwähnte  Eintreffen  der  größeren 
Mengen  Hausen-Kaviar  lauf  den  Märkten  in  Petersburg,  Moskau, 
Warschau  und  Berlin  veranlaßt. 


Kleinkörniger 
Astrachaner 
Stör- Kaviar. 


e)  Krebse. 

Das  Krebsgeschäft  nahm  im  großen  imd  ganzen  im  Berichts- 
jahre einen  ähnlichen  Verlauf  wie  im  vergangenen  Jahre,  eher 
noch  einen  ungünstigeren.  Die  Einkaufspreise  sind  weiter  in  die 
Höhe  gegangen,  da  in  Rußland,  welches  während  der  Saison 
den  größten  Teil  des  Bedarfes  deckt,  die  Beschaffung  der  Ware 
mit  immer  größeren  Schwierigkeiten  und  Unkosten  verknüpft 
ist  und  Rußland  neuerdings  durch  den  geringen  Fang  stark  als 
Selbstkäufer  in  Betracht  kommt.  Die  Verkaufspreise  können  mit 
den  sehr  hohen  Einkauisp reisen  nicht  entsprechend  standhalten, 
denn  wenn  auch  für  einige  selten  große  Exemplare,  sogenannte 
Luxuskrebse,    ein   recht    hoaer   Preis   erzielt  wird,   so   legt  doch' 

Berl.  Jahrb.  1.   Elandel  u.  Ind.    1913.     II.  13 


Krebse. 


194 


11.    Tierische   Rohpix)dukte   und   Fabrikate. 


Krebs- 
konserven. 


das  kaufende  Publikum  und  die  Restaurateure  und  Händler-Kund- 
schaft im  allgemeinen  nur  einen  bestimmten  Preis  an  und  schränkt 
lieber  den  'Bezug  ein,  wenn  die  Preise  eine  gewisse  Höhe  übe|r- 
schreiten.  Die  Qualität  der  russischen  Edelkrebse  ist  fraglos 
zurückgegangen.  Die  aus  deutschen  Gewässern  auf  den  Markt 
kommenden  Krebse  sind  durch  höhere  Pachten,  teurere  Pänger- 
löhne  usw.  ^gleichfalls  ganz  wesentlich  im  Preise  gestiegen,  auch 
wird  die  Situation  seitens  derjenigen  deutschen  Fischer,  die  größere 
Ware  zu  liefern  in  der  Lag^  sind,  scharf  ausgenutzt.  Die  weiß- 
füßigen  Stachelkrebse,  k>genannte  galizische  Krebse,  haben  immer 
mehr  Eingang  gefunden,  in  den  letzten  Jahren  sogar  bei  einem  Teil 
der  heueren  Privatkuixdschaft.  Auch  diese  Krebse  haben  eine 
ganz  bedeutende  Preiserhöhung  erfahren  und  zu  manchen  Zeiten, 
beinahe  den  Preis  der  Edelware  erreicht.  Durch  das  anhaltende 
warme  Herbstwetter  konnte  der  Fang  ununterbrochen  ausgeübt 
werden,  so  daß  große  Quantitäten  für  den  Winter  aufgesetzt 
wurden.  An  vielen  Stellen  sind  die  vorrätigen  Krebse  jedoch 
durch  zu  ^frühzeitiges  Einsetzen  und  die  hohe  Wassertemperatur 
hälterkrank  geworden  und  mußten  bereits  jetzt  so  schnell  als 
möglich  geräumt  werden. 

Das  Geschäft  in  Krebskonserven  ist  unverändert  geblieben 
und  die  Nachfrage  nach  ihnen  weiter  rege.  (  » 


Hummern. 


Austern- 
gewinnung 


f)  Hummer. 

Entgegen  einzelnen  durch  die  Tageszeitungen  geg-'angenen 
-Berichten  —  wovon  einzelne  sogar  von  einem  „Rekord- Huminer- 
Jahr"  sprachen  —  waren  Hummern  während  des  Berichtsjahres 
nicht  sehr  reichlich  vorhanden,  namentlich  war  die  gangbarste 
Größe  von  1  Pfund  das  Stück  oft  kaum  aufziutreiben.  pie 
Qualität  ließ  ebenfalls  sehr  zu  wünschen  übrig.  Die  Hummern 
waren  mager,  hohlschWänzig  und  das  Fleisch  nicht  wie  in  früheren 
Jahren  fest  'und  gehaltreich.  Der  Verbrauch  war  wiederum  größer 
ials  im  Vorjahre.  Die  Preise  stellten  sich  für  das  Pfund  'ab 
Dänemark  folgendermaßen : 

Januar  Februar  März  April  Mai  Juni 

M.  2,60—2,70      2,70—2.80       2,80—2,85  2,85  2,85—2,20      1,90—2,10 

Juli  August  September  Oktober  November  Dezember 

M.  2,10— 2,20      2,35—2,60       2,55—1,95       1,95-2,30      2,35—2,55      2,55—2,65 

g)  Austern. 

Die  in  Deutschland  gangbaren  Sorten,  englische,  holländische, 
Holsteiner  und  Helgoländer  Austern  waren  sowohl  im  ersten 
Vierteljahr  1913  als  auch  zur  Herbst-  und  Wintersaison  in  ge- 
nügenden Mengen  vorhanden.  Der  Verbrauch  im  Anfang  des 
Jahres  war  ungefähr  der  gleiche  w^ie  in  den  VorjaJiren,  dagegen 
war  die  Nachfrage  im  Herbst  infolge  des  langanhaltenden  warmen 
Wetters  geringer. 


47.   Baumaterialien. 


195 


Gut?  und  Beschaffenheit  der  englischen  Austern  waren  im 
:allgemeinen  befriedigend.  "W^ährend  der  Monate  Januar,  Februar 
xmd  März  konnte  eine  ganz  vorzügliche  weiße  und  fette  War© 
geliefert  werden.  Die  Preise  hielten  sich  wie  zu  Beginn  der 
Herbstsaison  1912  auf  50  Mk.  für  die  Vs  t  =  300  Stück  bester 
'Qualität.  Dagegen  war  der  im  allgemeinen  sehr  kühle  Sommer 
•dem  Wachstum  der  für  das  Herbstgeschäft  benötigten  Austern 
nicht  sehr  förderlich  und  verzögerte  ihre  Entwicklung",  so  daß 
Burnham,  Colchester  und  Pyefleet  Xatives  erst  im  Laufe  des 
Oktober  in  guter  Qualität  geliefert  werden  konnten.  Die  Herbat- 
preise waren  niedriger  als  diejenigen  zu  Anfang  des  Jahres  und 


hielten   sich    auf   40 — 45    Mk.    für  die 


300   Stück  bestei' 


Ware. 

Der  ^^erbrauch  der  holländischen  Austern  war  auch  im  Be- 
richtsjahre wieder  sehr  stark.  Die  Zufuhren  waren  stets  reichlich; 
•die  Qualität  war  gut,  die  Auster  im  allgemeinen  weiß,  fett  und 
fest  im  Fleisch.  Die  Prei&e  hielten  sich  wie  im  Vorjahre  zwischen 
<3ö — 8d  Mk.  für  das  Tausend  ab  Fischereien  in  Holland  je  nach 
Gewicht  und  Sorte. 

Di(i  sich  immer  größerer  Beliebtheit  erfreuende  Auster  der 
Königlich  Preußischen  Austernfischerei-Pachtung  in  List  auf  Sylt 
kam  während  der  Monate  Januar  bis  März  in  sehr  schöner,  im 
Herbst  in  ganz  hervorragend  schöner  Ware  auf  den  Markt.  Leider 
scheinen  Stürme  und  die  Ungunst  der  Witterung  die  Vorräte  sehr 
vermindert  zu  haben,  so  daß  schon  vor  Weihnachten  der  Versand 
bis  auf  weiteres  eingestellt  werden  mußte.  Der  Preis  war  wie 
im  Vorjahre  11  Mk.  für  das  Hundert  großer  Ware»  ab  Fischerei., 

Für  Back-  und  Kochzwecke  waren  Helgoländer  Austern  von 
g-uter  Beschaffenheit  und  reichlich  vorhanden  und  zu  den  früheren 
Preisen  von  8—12   Mk.   für  das  Hundert  zu  haben. 


Englische 
Austern. 


Holländische 
Austern. 


Holsteiner 
Austern. 


Nordsee- 
(sogenannte 
Helgoländer) 

Austern). 


IM.    Industrie  der  Steine  und  Erden. 


47.    Baumaterialien, 
a)   Ziegelsteine. 

Das  Jahr  1912  hatte  das  Ziegeleigewerbe  auf  einen  Tief- 
stand gebracht,  wie  er  seit  langen  Jahren  nicht  erreicht  war, 
und  man  hegte  die  Hoffnung,  daß  mit  deon  Jahre  1913  eine  wenn 
auch  nur  geringe  Besserung  eintreten  würde.  Es  kam  hinzu, 
daß  die  Produktion  des  Jahres  1912  durch  Stillegung  einer  Anzahl 
größerer  Ziegeleien  verringert  worden  war,  um  die  Produktion 
mehr  dem  Konsum  anzupassen,  und  daß  für  dieses  Jahr  die 
Außerbetriebsetzung  noch  weiterer  Werke  beschlossen  und  durch- 
geführt wurde.  Die  politische  Spannung  und  die  allgemeine  Wirt- 
schaftslage legten  den  Geldgebern  weiter  Zurückhaltung  auf  und 

13* 


a)  Ziegelsteine. 

Ziegel- 
fabrikation. 


196 


m.    Industrie   der    Steine   und   Erden. 


/iegelhandel. 

Hinter- 
mauerungs- 
steine. 


die  Unmöglichkeit,  Hj^potheken  bzw.  Bargelder  zu  bekommen^ 
setzten  dem  Baugewerbe  mehr  und  mehr  Schranken  und  ver- 
minderten die  Bautätigkeit  weiter.  Die  dadurch  bewirkte  geringe 
'Aufnahmefähigkeit  des  Baumarktes  drückte  andererseits  auf  den 
Preis  der  aus  den  früheren  Jahren  an  den  Markt  kommenden  "Ware,, 
und  bei  der  Geringfügigkeit  des  Bedarfs  nahmen  die  nicht  kar- 
tellierten "Werke  mit  ihren  Steinen  einen  großen  Teil  des  Konsums, 
für  sich  vorweg.  Dazu  kam,  daß  die  mit  dem  Märkischen  Ziegelei- 
besitzerverband in  Interessengemeinschaft  stehenden  Kalksand- 
steinwerke  sich  freimachten  und  nun  auch  ihrerseits  mit  der 
ganzen  Produktion  auf  den  M,arkt  drückten.  Dies  veranlaßte 
die  Mauerstein  verbände,  die  Preise  herabzuestzen,  um  die  Kon- 
kurrenz der  vorerwähnten  Lieferanten  zu  beseitigen.  Auch  wurden 
gleichzeitig  angesichts  der  Unmöglichkeit,  die  statutarisch  fest- 
geset-zten  Abnahmequoten  unterzubringen,  diese  herabgesetzt.  Da. 
hiermit  den  Gesellschaftern  das  Recht  zustand,  ihre  Verträge- 
zu  kündigen,  und  dieselben  hiervon  Gebrauch  machten,  war  die 
(\^ereinigung  der  Märkischen  Ziegeleibesitzer  gezwungen,  am 
1.  Okt.  in  Liquidation  zu  treten.  So  ist  es  den  Ziegel  eibesitz  ern 
trotz  der  großen  Opfer,  die  sie  brachten,  indem  sie  ihre  Betriebe 
stillegten  und  die  Steine  zu  Preisen  auf  den  Markt  warfen,  die 
weit  unter  den  Herstellungskosten  lagen,  nicht  gelungen,  ihre 
Ware  abzusetzen.  Auch  dieses  Jahr  schließt  daher  mit  Ergebnissen 
ab,  die  den  geringer  Bemittelten  unter  ihnen  die  weitere  Existenz- 
möglichkeit genommen,  aber  auch  den  wirtschaftlich  stärkeren 
Produzenten  schwere  Verluste  2nigefügt  haben. 

Was  nun  die  Aussichten  für  das  kommende  Jahr  anbelangt^ 
so  scheiat  es,  als  ob  Anzeichen  für  eine  geringe  Besserung  vor- 
handen wären.  Die  Steifheit  des  Geldmarktes  hat  etwas  nachge- 
lassen. Die  leerstehenden  Wohnungen  haben  sich  verringert  und 
nach  kleinen  Wohnungen  zeigt  sich  bereits  eine  größere  Nach- 
frage. Bevor  jedoch  nicht  die  Belastung  des  Grundbesitzes  durch' 
Staat  und  Gemeinden  wieder  auf  ein  erträgliches  Maß  zurück- 
gebracht ist  und  den  HypothekendarleLhem  eine  unbedingte 
Sicherheit  durch  die  Gesetzgebung  gewährleistet  wird,  dürfte 
sich  das  Baugeschäft  nicht  wieder  beleben. 

Die  seit  mehreren  Jahren  andauernde  trostlose  Lage  im 
Mauersteiahandel  resp.  im  Baugewerbe  hat  in  diesem  Jahre  noch 
eine  weitere  Verschlechterung  erfahren.  Eine  ganze  Anzahl  von 
Ziegeleien  hatte  gar  nicht  gearbeitet  und  von  den  in  Betrieb  be- 
findlichen Werken  wurde  vielfach  nur  mit  halber  Kraft  ge- 
arbeitet, da  noch  enorme  Bestände  von  fertigen  Steinen  aus  der 
1912er  Produktion,  teilweise  sogar  noch  aus  1911  auf  den  Ziegeleien 
lagerten.  Im  größten  Ziegeleibezirk  Zehdenick  lagerten  allein 
ca.  275—300  Mill.  fertige  Steine,  so  daß  nur  6—7  Betriebe  in 
diesem  Jahre  arbeiteten,  deren  Absatzgebiet  vornehmlich  in  der 
Provinz,  weniger  in  Berlin,  war.    Die  Zehdenicker  Vereinigung 


47.   Baumaterialien. 


197 


sowie  der  IMärkische  Ziegeleibesitz'er-Bund  hatten  wenig  Absatz, 
2"umal  die  freien  Ziegeleien  zusamimen  mit  den  Kalksandstein- 
fabriken den  größten  Teil  des  Groß-Berliner  Bedarfes  decken 
konnten;  es  konnten  daher  die  festgesetzten  Hätidlerpreise  von 
20,25  Mk.  pro  Mille  per  Wasser  und  21,50  Mk.  pro  Mille  per 
Bahn  rnii-  so  lange  gehalten  werden,  als  die  Händler  laut  Vertrag 
verpflichtet  waren,  nur  ausschließlich  von  den  beiden  Vereinigun- 
.gen  Steine  zu  beziehen.  Am  15.  Mai  des  Berichtsjahres  hörte  diese 
Verpflichtung  für  die  Händler  auf  und  sofort  fielen  die  Preise 
ganz  erheblich.  Wassersteine  ^^nlrden  mit  19  Mk.,  Bahnsteine  mit 
'120  Mk.  pro  Mille  angeboten;  Anfang  Juni  er.  wichen  die  Preiset 
weiter  um  ca.  1  Mk.  pro  Mille.  Die  Verkaufsvereinigungen^ 
wollten  nicht  müßig  zusehen,  wie  die  freien  Werke  ihre  Waren 
absetzten  und  beschlossen,  mit  Kampfpreisen  vorzugehen,  um 
•die  nichtkartellierten  Werke  2rur  Einstellung  der  Fabrikationi 
bzw.  der  Verkaufstätigkeit  zu  zwingen  und  ihre  eigenen  alten 
Bestände  zu  verringern.  Die  Preise  fielen  auf  16,50 — 17  Mk. 
pro  Mille  frei  Ufer  Berlin,  einzjelne  Posten  sollen  sogar  noch 
billiger  verkauft  worden   sein. 

Anfangs  hoffte  man  auf  eine  Besserung  der  Marktlage 
im  Herbst  durch  die  sofort  in  Angriff  zu  nehmenden  um-, 
fangreichen  Kasemenbauten  auf  Grund  der  Militärvorlage  in 
Berlin,  Spandau,  Lankwitz,  Döberitz,  Königs  Wusterhausen  usw., 
^Is  auch  durch  die  seitens  der  Stadt  Berlin  in  Angriff  (zu 
nehmenden  großen  Schulneubauprojekte  usw.  zur  Steuerung  der 
Ai'beitslosigkeit.  Eine  Besserung  der  Preise  ist  jedoch  nicht  ein- 
.^e treten ;  ob  eine  solche  im  Frühjahr  zu  erwarten  ist,  hängt  davon 
ab,  wie  weit  sich  bis  dahin  die  jetzigen  Bestände  vermindert 
haben. 

So  lange  nicht  die  private  Bautätigkeit,  die  allein  von 
billigem  Gelde  abhängt,  mehr  in  Gang  kommt,  ist  wohl  auf  ein 
lebhafteres,  besseres  Geschärft  nicht  zu  rechnen,  zumal  die  Industrie 
sich  jetzt  auch  Beschränkungen  auferlegt. 

Verblendsteine  haben  ebenfalls  im  ganzen  wenig  Absatz  ge- 
funden. Weiße  Glasuren  und  schlesische  Verblendsteine  sind  reich- 
lich angeboten.  Die  Werke  sind  zu  Preisnachlässen  bereit,  wenn 
größere  Anfragen  an  sie  herantreten.  Eine  rühmliche  Ausnahme 
machen  die  Bathenower  Verblendsteine.  Diese  Industrie  ist  gut 
beschäftigt  gewesen,  und  da  sie  nicht  übermäßig  produziert  hat, 
konnte  sie  stets  Absatz  zu  guten  Preisen  finden.  Es  war  sogar 
im  ganzen  Jahre  eine  Knappheit  an  geeignetem  Material  zu,  kon- 
statieren. Der  scheinbare  Gegensatz  dieses  Berichtes  gegenüber 
der  allgemeinen  Marktlage  des  Baugeschäfts  erklärt  sich  damit, 
-daß  erstens  eine  Ajnzahl  von  Ziegeleien  dieser  Kategorie  im  vorigen 
Jahre  ihren  Betrieb  eingestellt  hatte  und  daß  zweitens  die  Ha- 
thenower  Ziegeleien  guten  Absatz  nach  anderen  Plätzen,  wie 
H[annover,   Hamburg  usw.,   gefunden  haben. 


Verblend- 
steine. 


Rathenower 
Verblend- 
steine. 


198 


III.     Industrie   der    Steine    und   Erden. 


Hartbrand- 
steine. 


I))  Kalksand- 
steine. 

Allgemeines 


Absatz  und 
Preise. 


Der  Absatz  in  Hartbrandsteinen  lag  ebenfalls  sehr  danieder^ 
haben  aber  besonders  mit  der  Konkurrenz  des  Betonbaus  zu. 
kämpfen. 

b)   Kalksandsteine. 

Dieselben  Verhältnisse,  die  das  Geschäft  in  der  Ziegelei- 
branchc  ungünstig  beeinflußten,  wirkten  auch  auf  das  Geschäft, 
in  Verblend-,  Hartbrand-,  Rathenower-  und  Kalksandsteinen  und 
gebrannten  Steinen  schädigend  ein.  Ein  Zusammenschluß  der" 
Kalksandsteinfabriken  mit  den  Ziegeleien  mußte  aufgegeben 
weiden,  da  er  aus  den  oben  genannten  Gründen  nicht  die  er- 
hofften Ergebnisse  brachte.  Infolgedessen  war  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahres  der  Preis  um  15 — 20  o/o  niedriger.  Aber  auch 
zu  diesem  Preise  konnte  nur  wenig  abgesetzt  werden.  Obgleich 
sämtliche  Ziegeleien  und  Kalksandsteinwerke  sich  in  ihrer 
Pnoduktion  erheblich  eingeschränkt  hatten,  sind  die  Bestände- 
am  Schluß  des  Berichtsjahres  noch  sehr  erhebliche  und  das  An- 
gebot ein  sehr  großes.  Etwas  lebhafter  setzte  die  Nachfrage  am 
Schluß  des  Jahres  allerdings  ein  durch  die  Inangriffnahme 
größerer  Militär-  und  städtischer  Bauten.  Da  diese  Bauten  aber 
auch  nur  langsam  fortschreiten,  sind  sie  auf  den  Absatz  dieses. 
Jahres  noch  ohne  wesentlichen  Einfluß  geblieben.  Der  Bedarf 
an  Mauersteinen  für  Spekulationsbauten  bleibt  nach  wie  vor  sehr 
gering. 

Der  Absatz  und  die  damit  zusammenhängende  Erzeugung  ist 
auf  Vs  eines  Durchschnitt«  jähr  es  heruntergegangen.  Ein  großer 
Teil  der  kleineren  Kalksandsteinfabrilien  liegt  seit  Mitte  des. 
Jahres   vollständig   still.     Die   Preise   für   die  Rohstoffe   blieben. 


Tab.  81. 


Steinpreise  (in  Mark 


I.  Quartal 
1912         I         1913 


Hintermauerungsziegel  I.  Klasse 

desgleichen  per  Bahn  bezoo^en 

(Hintermauerungsziegel  II.  Kl.  sind  1  M.  billiger) 

Hintermauerungsklinker  I.  Klasse 

Brettziegel  von  der  Oder 

Hartbrand ziegel  vom  Freienwalder  Kanal  und 

von  der  Oder 

Klinker 

Birkenwerder  Klinker 

Rathenower  Hand  Strichziegel 

„  zu  Rohbauten 

«  Maschinenziegel  la  Verblender 

II 

„  Dachziegel 

Poröse  Vollziegel 

„        Lochziegel ... 

Chamotteziegel 

Lausitzer  gelbe  Verblender 

Berliner  Kalksandsteine 


21,25—23 
22—25 

23,75—30 

l  25—30 

20-35 

46—65 

35—40 

38—43 

44—52 

35—45 

30—42 

26,50-30 

I      24—30 

I      80—110 

I      50—60 

1       19—22.50 


20,75—24,50" 
21,50—24.50* 

23—28 

24,50—36 

25—40 
36—65 
36—48 
40—50 
44—55 
38—48 
30—40 
27—33 
24,50-28 
80-110» 
50—60 
19—23 


47.   Baumaterialien. 


199 


dieselben,  nur  wiederum  mit  Ausnahme  der  Kohlen,  die  sich  im 
Jahre  1913  abermals  im  Preise  erhöht  haben.  Der  Wettbewerib 
zwischen   Ziegeln   und  Kalksandsteinen   war   friedlicher  Art. 

Das  Verhältnis  zu  den  Arbeitern  war  ein  gutes.  Die  Zah- 
lungsverhäjtnisse  sind  schlecht.  Die  Zahl  der  Konkurse  und 
Zahlungseinstellungen  unverändert  groß.  Die  Bestrebungen,  das 
Auskunftswesen  zu  verbessern,  sind  nur  wenig  von  Erfolg  be- 
gleitet. Die  gegebenen  Auskünfte  gestatten  in  den  seltenste^. 
Fällen  genügende  Einblicke  in  die  Verhältnisse  des  Kreditsuchers. 

c)    Zementfabrikation    und   Handel. 

Alle  am  Berliner  Markt  interessierten  Fabriken  verkaufen! 
ihre  Erzeugnisse  in  Berlin  und  Umgebung  durch  die  Zementr 
zentrale  Berlin  G.  m.  b.  H.  Im  Jahre  1913  ist  es  gelunge/ii)^ 
die  außerhalb  dieser  Vereinigung  stehenden  Eisenportland- 
Zementfabriken  mit  der  Zementzentrale  zu  kartellieren,  so  daß 
jetzt  durch  diese  Verkaufsstelle  der  gesamte  Zementkonsum  in 
Berlin  bis  auf  einen  kaum  in  Betracht  komjmenden  Außenseiter 
kontrolliert  wird. 

Während  schon  im  Jahre  1912  der  Zementkonsum  in 
Berlin  einen  Eückgang  um  ca.  500  000  Faß  (d.  i.  etwa  Vö  des 
Gesamtkonsums  des  Vorjahres)  erfahren  hatte,  ist  im  laufenden 
Jahre  die  Abnahme  noch  um  weitere  50  000  Faß  PortJand-Zement 
zurückgegangen.  Der  Schaden,  den  die  Zementindustrie  durch' 
die  Stagnation  der  Bautätigkeit  erleidet,  kann  durch  die  großen 
kommunalen  Bauten,  die  sich  hauptsächlich  auf  die  Untergrund- 
bahn beschränken,  nicht  ausgeglichen  werden.  Die  Zement- 
fabriken waren  aus  diesem  Grunde  schon  von  der  Mitte  des  Jahres 


Arbeiter-  und 

Zahlungs- 
verhältnisse. 


c)  Zement- 
fabrikation. 


Konsum. 


für  1000  Stück). 

II.  Quartal 

III.   Quartal 

IV.  Q 

uartal 

1912        i        1913 

1912        1 

1913 

1912 

1        1913 

20,25-23.50 

20—24,50 

20.25—22,50 

18—21,75 

20,25—23,50 

17—21 

21—24 

21-24.50 

21,25-23.50 

19—22,50 

21,25—24 

18,25-22 

23,75—29 

21,50—28 

23,50—29 

21—28 

22—28 

19—25,50 

26—30 

24-36 

24,50—30 

25-30 

23-32 

24—30 

23,75-45 

24—36 

23,75-36 

23—36 

23—38 

22,75—36 

36—60 

35—60 

36-  65 

35—60 

36—65 

34—60 

35-43 

35—48 

36—43 

35-48      : 

36—45 

34—48 

38-48      1       39—50 

38-60 

38-50 

38,50—50 

38—48 

38-52      1       45—51 

40—50 

46—52      i 

42—55 

46—52 

36—45 

40-48 

38—45 

40—46      1 

38—50 

39—48 

27,50—42 

25—40 

27,50—40 

28—40      1 

27—40 

30-40 

27—30 

27,50—33 

25,50—30 

27-32      ! 

27—33 

27—32 

24-30 

24,50-30 

24—30 

24-30      1 

22,25—30 

24-30 

80-150 

80—160 

80-150 

75-160    I 

80—110 

75—160 

45—60 

46—65 

45—60 

45-65      1 

43—60 

45—71 

19-22 

18—22 

17,50—22 

17—19,50^ 

18—23 

16-19,50 

200 


III.    Indus  tri©  der    Steine    und   Erden. 


Preise. 


Export. 


Arbeiter- 
Verhältnisse. 


ZemeuthandeL 


ab  gezwungen,  bedeutende  Teile  ihrer  Betriebe  vollkommen  still- 
ztilegen. 

Die  Verkaufspreise  waren  befriedigende  und  hielten  sich 
auf  der  Höhe  des  Vorjahres.  Die  drohende  Grefahr,  daß  durch  die 
Errichtung  einer  neuen  Fabrik  in  Rüdersdorf,  von  der  wir  im 
vorjährigen  Bericht  eingehend  Mitteilung  machten,  die  endlich 
erreichte  Einigung  der  am  Berliner  Markt  beteiligten  Fabräken 
zerstört  werden  könne,  ist  vorläufig  dadurch  beseitigt  worden, 
daß  durch  erhebliche  pekuniäre  Opfer  ein  Aufschub  in  der  Er- 
richtung des  neuen  Werkes  erzielt  worden  ist.  Immerhin  bleibt 
die  Gefahr  bestehen,  und  es  ist  zweifelhaft,  ob  noch  größere 
Quantitäten  von  Portlandzement  in  Berlin  untergebracht  werden 
können,  da  die  Produktionsfähigkeit  der  beiden  in  Rüdersdorf 
vorhandenen  Fabriken  bereits  um  öQo/o  größer  ist  als  der  gesamte 
Berliner  Konsum. 

Die  Aufnahmefähigkeit  der  Provinz  hat  nicht  den  enormen 
Rückgang  erfahren  wie  das  Berliner  Geschäft.  Die  verhältnis- 
mäßig hohen  Produktionskosten  der  Berliner  Werke  und  die 
teuren  Bahnfrachten  begrenzen  aber  den  Aktionsradius  diesen 
Werke,  und  es  werden  daher  in  der  Provinz  nur  verhältnismäßig 
geringe   Mengen  Portlandzement  abgesetzt. 

Das  Exportgeschäft  hielt  sich  in  demselben  Rahmen  wie  im 
Vorjahre.  Die  ungünstigen  ZoUverhältnis&e,  die  für  Zement  in 
allen  Ländern  ohne  Ausnahme  hohe  Zölle  vorsehen,  während 
nach  Deutschland  Zement  zollfrei  eingeführt  wird,  wirken 
hemmend  auf  das  Exportgeschäft  ein  und  der  Inlandsmarkt  wird 
durch  ausländische  Konkurrenz  schwer  geschädigt.  Es  ist  ein 
unbedingtes  Erfordernis,  daß  die  Regierung  bei  neuen  Zoll  Ver- 
handlungen hier  Wandel  schaffe  und  einen  gerechten  Ausgleich 
herbeiführe,  denn  eine  mächtige  deutsche  Industrie  ist  durch  die 
bestehenden   Zustände   schwer   gefährdet. 

Die     Arbeiterverhältnisse      waren      infolge     geringer     Be- 
schäftigung   erträgliche,    Streiks    oder    sonstige    Schwierigkeiten 
mit   den   Arbeitern    sind    im    Berichtsjahre   nicht   vorgekommen. 
Aus   einem   anderen   Bericht   entnehmen   wir  noch'  folgende 
Ausführungen : 

Da  die  Fabriken  resp.  deren  Zentralverkaufsstelle  aber  dem 
Handel  wenig  entgegenkommen,  namentlich  den  Händlern  das  Ge- 
schäft mit  Großabnehmern  ganz  ujimöglich  machen,  so  hatte 
der  Zement  h  an del  als  solcher  keinen  Vorteil.  Die  Zement- 
händler versuchten  daher  vielfach,  für  sich  ein  Geschäft  zu 
ermöglichen,  indem  sie  Zemente  aus  Werken  beziehen,  welche 
dem  Ringe  nicht  angeschlossen  sind.  Ein  bekannter  Groß- 
industrieller hat  in  der  Nähe  von  Berlin  mit  dem  Bau  einer 
neuen  großen  Zementfabrik  begonnen.  Um  diese  Konkurrenz, 
welche  die  gesamte  2^mentindustrie  mit  ihrer  zweifellos  vor- 
handenen Ueberproduktion   scJiwer  schädigen   würde,   unwirksam 


47.   Baumaterialien. 


201 


zu  machen,  haben  die  zusamimeng^eschlossenen  Zementfabriken 
.unter  großen  Opfern  bewirkt,  daß  der  Betreffende  den  Bau  der 
[Fabrik  auf  mehrere  Jahre  hinausgeschoben  hat.  Es  hat  daiher 
den  Anschein,  als  ob  es  den  vereinigten  Fabriken  gelingen  würde, 
auch'  für  das  Jahr  1914  ihren  Zusammenschluß  aufrechtzuer- 
halten 

d)   Mörtelfabrikation. 

Schon  im  vK)r jährigen  Bericht  wurde  angedeutet,  daß  die 
Aussichten  der  Berliner  Mörtelindustrie  für  das  Jahr  1913  un- 
günstig sein  würden.  Diese  Befürchtungen  sind  durch  dije  Tat- 
sachen noch  übertroffen  worden.  Der  Absatz  ist  auch  weiter 
gegen  das  Vorjahr  wieder  ganz  erheblich  zurückgegangten,  und 
wohl  kein  Werk  wird  das  laufende  Jahr  ohne  Verlust  abschließen. 
AVie  alle  am  Baugewerbe  interessierten  Industrien  hatte  auch 
die  Mörtelfabrikation  unter  der  Depression  am  Baumarkt  schwer 
zu  leiden  Die  Erträgnisse  der  Mörtelindustrie  sind  durch  den 
^geringen  Absatz  und  die  dadurch  bedingte  gieringere  Arbeits- 
leistung der  zahlreichen  eigenen  Grespanne  wesentlich  zurück- 
gegangen. In  den  Arbeiterverhältnissen  sind  Aenderungen  nicht 
eingetreten.  Die  "Wirkungen  des  mit  den  Kutschern  geschlossenen 
Tarifvertrages  können  sich  erst  zeigen,  wenn  eine  Belebung  des 
Geschäftes  eintritt.  Die  Befürchtungen  für  das  Jahr  1914  über 
einen  weiteren  Rückgang  des  Absatzes  scheinen  sich  jedoch  nicht 
zu  erfüllen. 


d)  Mörtel- 
fabrikation. 


e)  Gipsindustrie.  e)  Gips. 

Die  bereits  im  Jahre  1912  gehegten  Befürchtungen,  daß  der  Absatz. 

Absatz  an  Gips  im  Jahre  1913  weiter  abflauen  würde,  haben  sich 
leider  bewahrheitet.  Die  Bautätigkeit  in  Großberlin  hat,  was 
AVohnhausbauten  anbetrifft,  fast  ganz  nachgelassen,  so  daß  Ab- 
satz Verhältnisse  eintraten,  wie  sie  seit  Jahrzehnten  nicht  ge- 
wesen sind.  Unter  diesen  Umständen  gingen  die  an  und  für  sich 
schon  schlechten  Preise  noch  weiter  zurück,  so  daß  die  Harzer 
AVerke  wohl  kaum  die  Selbstkosten  erzielt  haben  dürften.  Auch 
die  weitere  Steigerung  der  Kohlenpreise  machte  sich  belastend 
für  die  Gipsfabrikation  bemerkbar,  ebenso  auch  infolge  des  ge^ 
ringen  Absatzes  die  schlechte  Ausnutzung  der  Fabrikanlagen  und 
ungünstige  Verwendung  der  Arbeiter.  Sofern  nicht  bald  bessere 
Verhältnisse  auf  dem  Baumarkte  eintreten,  dürfte  es  den  Fabri- 
kanten sehr  schwer  werden,  die  dauernd  wachsenden  sozialen 
Lasten  für  die  Angestelltenversicherung  usw.  zu  tragen. 

An  einen  Zusammenschluß  der  Fabrikanten  ist  bei  der  Konvention, 
schlechten  Geschäftslage  kaum  zu  denken,  da  sich  jeder  Fabrikaut 
zu  ungewöhnlichen  Zugeständnissen  bequemen  müßte.  Nach  den 
bisherigen  Erfahrungen  wird  wohl  die  Möglichkeit  eines  Zu- 
sammenschlusses erst  dann  gegeben  sein,  wenn  ein  großer  Teil 
der  Gipswerke  vor  dem  geschäftlichen  Ruin  steht. 


202 


III.     Industrie    der    Steine    und    Erden. 


Straßenbau- 
materialien. 


Pflastersteine. 


Bordschwellen- 
handel 
in  Berlin. 


Lieferungen. 


Der  Handel  von  Gips  in  Säcken  mit  Mindergewicht  bestand 
aucli  im  Jahre  1913.  Wenn  auch  einzelne  Firmen,  die  sich  mit 
diesem  Handel  befaßten,  teilweise  durch  Aufgabe  des  Geschäfts, 
teilweise  durch  Zusammenbrechen  infolge  der  ungünstigen  Ge- 
schäftslage, von  der  Bildfläche  verschwanden,  so  tauchten  doch 
neue  Firmen  auf,  die  in  dieser  unfairen  Handlungsweise  für  sich 
einen  Vorteil  erblickten.  Auch  diese  Firmen  dürften  nicht  lange 
.bestehen,  jedoch  wird  nach  wie  vor  der  reelle  Händler  hierdurch 
erheblich  geschädigt.  Der  Absatz  an  Gips  und  Gipsdielen  für 
Großberlin  belief  sich  im  Jahre  1913  auf  ca.  7000  Waggons,  von 
denen  ca.  4500  Waggons  die  Sperenberger  Gipswerke  und  den 
Rest  die.  Harzer  Werke  lieferten.  In  Anbetracht  der  trostlosen 
Lage  des  Baumarktes  ist  wohl  kaum  ein  Fabrikant  von  Verlusten 
mehr  odei  weniger  verschont  geblieben. 

f)  Straßenbaumaterialien. 

Im  Berichtsjahre  war  die  Nachfrage  sowohl  nach  besser 
bearbeiteten  als  auch  nach  geringeren  Eeihenpflastersteinen  in- 
ländischer und  schwedischer  Herkunft  geringer  als  im  Vorjahre. 
Als  Ursache  war  die  allgemein  ungünstige  Geschäftslage  und 
insbesondere  die  des  Baumarktes,  und  der  Umstand,  daß  viel- 
fach für  bereits  bestehende  und  neue  Straßenzüge  dem  Asphalt 
der  Vorzug  gegeben  wurde.  Die  Folge  war  ein  Nachlassen  der 
Verkaufspreise,  und  die  in  diesen  enthaltenen  Gewinnaufschläge 
wurden  teils  durch  höhere  See-  und  Flußfrachten,  teils  durch 
Bewilligung  höherer  Löhne  an  die  Steinhauer  aufgezehrt.  Auch 
in  diesem  Jahre  waren  die  Inlandsbrüche  voll  beschäftigt  und 
Riicht  in  der  Lage,  den  an  sie  herangetretenen  Anforderungen  in 
vollem  Umfange  und  rechtzeitig  zu  genügen,  was  zur  Folge  hatte, 
daß  in  verschiedenen  Fällen  seitens  deutscher  Steinbruchbesitzer 
Anfragen  an  schwedische  Bruchbetriebe  geriehtet  worden  sind» 
Der  Absatz  aus  nordischen  Betrieben  naöh  Uebersee  und  nach 
dem  europäischen  Auslande  war  im  Berichtsjahr  recht  gering,  was! 
Mehrkosten. 

Der  Absatz  an  Bordschwellen  aus  nordischen  Betrieben 
nach  Großberlin  war  außerordentlich  gering  und  erfolgte  nur  zu 
sehr  mäßigen  Preisen.  Der  hohe  Zoll  auf  Bordschwellen,  dagegen 
die  Frachtermäßigungen  auf  preußischen  und  sächsischen  Bahnen 
für  Inlandsmaterial  ermöglichten  es  den  Inlandsbetrieben,  solche 
Materialien  zu  guten  Preisen  in  Großberlin  und  billiger  abzusetzien^ 
als  dies  den  nordischen  Betrieben  möglich  ist. 

Es  ist  zu  bedauern,  daß  nur  sehr  wenige  Verwaltungs- 
stellen sich  dazu  verstehen  können,  ihren  Materialbedarf  für 
das  nächste  Jahr  schon  im  Herbst  auszuschreiben  und  zur  Liefe- 
rung zu  vergeben.  Im  anderen  Falle  wären  sämtliche  Stein- 
brüche in  der  Lage,  während  der  Wintermonate  die  Steine 
schlagen  zu  lassen,  und  könnten  dann  wenigstens  einen  größeren 


47.    Baumaterialien. 


203 


Teil  ihrer  Steinarbeiter  über  die  für  die  Steinindustrie  schlech- 
testen Monate  hinaus  beschäftigen.  Jetzt  werden  wegen  Mangel 
an  Aufträgen,  da  die  gesamte  Bautätigkeit  im  AYinter  längere 
oder  kürzere  Zeit  ruhen  muß,  häufig  größere  i^rbeiter-, 
entlassungen  zur  Notwendigkeit.  Da  fast  jede  Stadt  aus  nur 
selten  stichhaltigen  Gründen  ihr  eigenes  Profil  für  ^Bordschwellen 
hat,  so  ist  ein  Arbeiten  auf  Vorrat  in  diesem  Artikel  nicht 
angängig.  Die  Ausschreibungen  der  Städte  finden  erst  nach 
Aufstellung  ihrer  Etats,  meist  im  ersten  Viertel  des  neuen 
Jahres,  statt,  und  die  Lieferungen  erfolgen  dann  im  Sommer. 
Hierdurch  sind  die  nordischen  Betriebe  und  diejenigen  Inlands- 
betriebe, die  AVasserverfrachtungen  haben,  nicht  in  der  Lage, 
die  jeweils  billigen  See-  bzw.  Flußfrachten  im  Frühjahr  aus'-i 
zunützen,  vielmehr  müssen  die  häufig  erheblich  höheren  Sommer- 
frachten  bei  Abgabe  der  Preise  berücksichtigt  werden. 

Das  Berichtsjahr  hat  trotz  mancher  ungünstigen  Momente 
eine  ziemlich  befriedigende  Beschäftigung  im  Alphaltgeschäft 
ergeben.  Es  sind  wieder  ziemlich  bedeutende  Straßenflächen 
mit  Asphalt  ausgeführt  worden.  Neben  dem  Stampfasphalt, 
der  nur  auf  verkehrsreichen  Straßen  Anwendung  finden 
kann,  sind  in  einigen  Städten  Straßenzüge  mit  geringerem 
Verkehr  mit  hydraulisch  gepreßten  Stampf  asphaltplatten  mehr- 
fach befestigt  worden.  Bedauerlich  ist  nur,  daß  die  Preise 
für  diese  Arbeitsausführungen  sich  noch  immer  nicht  ge- 
bessert haben,  sie  sind  vielmehr  infolge  der  scharfen  Kon-» 
kurrenz  teilweise  noch  zurückgegangen.  Namentlich  ist  hervor- 
zuheben, daß  es  nicht  gelungen  ist,  die  Herstellung  des; 
Unterbetons  für  die  Stampfasphaltstraßen  im  Einklang  mit 
den   hohen    syndizierten    Zementpresien   zu   bringen. 

Einzelne  Städte  haben  sich  dem  Vorgehen  der  großen  Städte 
angeschlossen,  und  bei  den  Stampfasphalt-Arbeiten  von  dem 
iSubmissionsverfahren  abgesehen,  diese  Arbeiten  vielmehr  be- 
kannten leistungsfähigen  Firmen  nach  abgeschlossenen  Verträgen 
übei geben  und  somit  den  scharfen  "Wettbewerb  ausgeschaltet. 
In  diesen  Fällen  sind  leidliche  Preise  erzielt  worden.  Die 
Straßenbefestigung  in  Stampfasphalt  oder  in  hydraulisch  ge- 
preßten Platten  bei  den  Terrain-Gesellschaften  sind  als  wenig 
befriedigend    und   nicht    lohnend    zu    bezeichnen. 

Die  Arbeitsausführungen  in  Gußasphalt  —  abgesehen 
\^on  der  Verwendung  für  Gußasphaltstraßen,  die  nur  in  be- 
scheidenem Umfange  ausgeführt  sein  dürften  —  sind  infolge 
des  Daniederliegens  des  Hochbau-Geschäftes,  bei  dem  Befesti- 
gungen Von  Durchfahrten,  Höfen,  Trottoiren,  Isolierungen  us'w. 
hauptsächlich  für  Gußasphalt  in  Frage  kommen,  gegenüber  dem 
letzten  Jahre  außerordentlich  scharf  zurückgegangen,  und  die 
'Erw^artungen,  Welche  man  nach  Beendigung  der  politischen 
Wirren    für   diese   Branche  hegte,    sind   nicht   in   Erfüllung   ge- 


Asphalt. 
Stampf  aspha  lt. 


Gufsasphalt, 


2  04  ni.    Industrie   der    Steine    und   Erden. 

gangen,  vielmehr  hat  sich  der  Baugeld-  und  Hypothekenmarkt 
noch  weiter  verschlechtert,  so  daß  in  vielen  Bezirken  die  Bau- 
tätigkeit vollständig  stockte.  Sofern  einige  größere  Arbeiten  in 
Gußasphalt  ausgeboten  wurden,  war  das  Angebot  so  außer- 
ordentlich groß,  daß  die  Arbeiten  nur  zu  Preisen  hereingeholt 
werden  konnten,   die   mitunter  kaum  die  Selbstkosten  deckten. 

Auch    in    der    Provinz    ist    die    Bautätigkeit    teilweise    als 
eine  sehr  geringe  zu  bezeichnen,  was  den  Absatz  dieser  Artikel 
beeinträchtigt. 
Asphalt  INach    einem    anderen    Bericht    sind    in    Berlin    und    seiner 

Umgebung  im  Berichtsjahre  zirka  272  000  qm  (gegen  zirka 
356  000  qm  im  Jahre  1912)  Fahrdämme  mit  Stampfasphalt 
und  zirka  44  000  qm  (gegen  zirka  83  000  qm'  im  Jahre  1912) 
Pahi dämme  mit  Gußasphalt  befestigt  worden,  wozu  zirka 
30  000  t  Asphalt  zu  den  Stampfasphaltbelägen  und  zirka 
2500  t  zu  den  Gußasphaltbelägen  erforderlich  waren.  Etwa 
i/io  der  Menge  des  Stampfasphaltes,  also  zirka  3000  t,  stammen 
aus  deutschen  Gruben,  zirka  27  000  t  aus  Herkommen  in  Italien, 
Prankreich,  Schweiz.  Die  Ausführung  der  Arbeiten  wurde  durch 
zehn  einheimische  und  zwei  englische  Firmen  bewirkt. 

Auf  der  ganzen  Linie  prägt  sich  deutlich  die  allgemeine 
schlechte  Geschäftslage  aus.  —  In  allen  Orten,  die  hier  in 
Frage  kommen,  ist  man  offensichtlich  bemüht,  für  Straßen- 
ausführungen möglichst  wenig  Mittel  aufzuwenden.  Fast  überall 
ist  der  Umfang  der  ausgeführten  Arbeiten  geringer  geworden 
als  im  Vorjahr.  So  z.  B.  sind  in  Berlin  nur  51  000  (72  000)  qm, 
in  Charlottenburg  14  000  (33  000)  qm,  in  Wilmersdorf  32  000 
(89  000)  qm  Stampfasphaltstraßen  ausgeführt  worden.  Nur  in 
wenigen  Orten  ist  die  Arbeitsausdehnung  größer  geworden,  so 
in  Neukölln  40  000  (22  000)  qm,  Weißensee  13  000  (4000)  qm. 
In  diesen  beiden  Orten  hat  man  erst  später  angefangen,  Asphalt- 
straßen zu  bauen  und  ist  damit  noch  nicht  so  weit,  um  Ein- 
schränkungen eintreten  lassen  zu  können.  Hier  liegt  also  sozu- 
sagen ein  Zwang  für  die  Verwaltung  vor.  Auch  die  Flächen 
der  Gußasphaltarbeiten  sind,  wie  die  zu  Eingang  dieses'  er- 
wähnten Zahlen  zeigen,  seit  dem  vorigen  Jahr  ganz  erheblich', 
fast   bis    auf  die   Hälfte,    zurückgegangen. 

Die  Preise,  welche  für  Asphaltarbeiten  gezahlt  werden, 
sind  so  gering,  daß  bei  gewissenhafter  Ausführung  ein  Ver- 
dienst nicht  mehr  zu  erzielen  ist. 

g)  Kies  und  g)  Kics   Und  Sand. 

Sand.  0/ 

^gg  Im  Jahre  1913  hat  das  Kiesgeschaft  einen  Tiefstand  erreicht, 

wie  er  seit  vielen  Jahren  im  Groß-Berliner  Baumarkte  nicht  mehr 
gewesen  ist.  Die  allgemeine  Notlage  im  Baugeschäft,  und  das  Fehlen 
derjenigen  besonderen  Bauten,  welche  speziell  Beton  in  größeren 
Massen    zu   verwenden    pflegen,    wie    z.  1B.   Umbauten   von    Ge- 


47.   Baumaterialien. 


205 


schlaf tshäusern,  Neubauten  von  Fabrikanlagen  usw.,  beeinträch- 
tigten diese  Branche.  Die  Untergrundbahnbauten  waren  zum 
Teil  fertiggestellt,  zum  Teil  die  neuen  Linien  noch  nicht  so 
w^eit  in  der  Bauentwicklung  begriffen,  daß  sie  wesentliche 
Mengen  an  Kies  gebraucht  hätten.  Obwohl  sich  die  in  unserem 
vorjährigen  Berichte  bereits  angedeutete  Vereinigung  der  Kies- 
interessenten gebildet  hat,  ist  sie  nicht  imstande  gewesen,  auf 
die  Preisgestaltung  irgendwelchen  Einfluß  auszuüben,  sondern 
die  Preise  sind  noch  unter  das  Niveau  des  vorigen  Jahres 
heruntergegangen.  Es  ist  auch  nicht  anzunehmen,  daß  die  Ver- 
einigung in  ihrer  heutigen  Zusammensetzung  jemals  in  der 
Lage  sein  wird,  irgendwelchen  maßgebenden  Einfluß  auf  das 
allgemeine   Kiesgeschäft  zu  gewinnen. 

Die  Plußbaggereien  haben  naturgemäß  unter  den  geringen 
Absatzmöglichkeiten  ebenso  gelitten  wie  die  Grubenkiese.  Für 
[das  nächste  Jahr  werden  die  Flußbaggereien  nach  den  bis-i 
herigen  Absichten  der  Regierung  überhaupt  für  den  Berliner; 
Baumarkt  fortfallen,  da  auf  der  Elbe  nur  ein  Bagger  bleibt, 
der  im  wesentlichen  für  Hamburg  in  Betracht  kommt,  während 
auf  der  Oder  und  Neiße  die  Baggerungen  wahrscheinlich  ganz 
eingestellt  werden.  Die  "Wasserverhältnisse  waren  für  die  Fluß- 
baggerungen  in  diesem  Jahre  durchweg  günstig,  so  daß  auch' 
die   Schiffahrt   sich   glatt   hat   abwickeln   können. 

Ein  großes  neues  Kieswerk  ist  in  der  Nähe  von  Alt-Buch- 
horst während  des  Jahres  1913  derartig  ausgebaut  worden,  daß 
es  für  das  nächste  Jahr  in  seiner  fast  unbeschränkten  Leistungs- 
fähigkeit den  zu  erwartenden  Ausfall  an  Flußkies  reichlich; 
(wird  ersetzen  können.  —  Durch  seine  günstige  Lage  sowohl  als 
auch  durch  die  gute  Beschaffenheit  des  Kieses  wird  das  neue 
Werk  Wahrscheinlich  im  nächsten  Jahre  einen  wesentlichen  Ein- 
fluß auf  das  allgemeine  Kiesgesöhäft  ausüben. 


Fluß- 
baggerkies. 


Grubenkies. 


h)  Beton   und  Eisenbeton. 

Auch  die  Betonindustrie  hatte  unter  dem  Daniederliegen  der 
privaten  Bautätigkeit  zu  leiden.  Für  Behörden  war  dagegen  im 
Tiefbau  wie  im  Hochbau  leidlich  gute  Beschäftigung  vorhanden, 
und  die  Heeresverstärkung  hat  auch  eine  größere  Anzahl  Militär- 
bauten in  den  Vororten  von  Berlin  veranlaßt.  Daß  durch  die  herr- 
schenden niedrigen  Preise  die  Baufirmen  zur  allergrößten  Spar- 
samkeit gezwungen  werden,  kann  nur  nachteilig  auf  die  Sicher- 
heit der  Ausführungen  wirken,  weil  gerade  auf  diesem  Arbeits- 
gebiete eine  ganz  besondere  Gewissenhaftigkeit  und  Zuverlässig- 
keit am  Platze  ist.  Die  Tarifverträge  mit  den  Arbeitnehmern 
konnten  —  wie  im  allgemeinen  Baugewerbe  —  nach  längeren 
Verhandlungen  erneuert  werden.  Mit  dem  1.  Aug.  1913  ist 
eine  allgemeine  Lohnerhöhung  von  2  Pfg.  für  die  Stunde  ein- 
getreten, und  eine  weitere  gleiche  i^rhöhung  ist  für  die  Zeit  vom 


h)  Beton  und 
Eisenbeton. 


206  ni.     Industrie   der    Steine    und   Erden. 

1.  Okt.  1914  bis  31.  März  1916  zugestanden  worden.  Der 
Preis  für  'Zement  hat  gegen  das  Vorjahr  keine  nennenswerte 
Veränderung  erfahren;  für  das  Jahr  1914  hat  dagegen  die 
Berliner  Zementzentrale  eine  Erhöhung  von  0,35  Mk.  für  das 
jPaß  =  170  kg  netto  festgesetzt,  und  dadurch  den  Abnehmern 
die  Entschädigung  auferlegt,  die  in  Höhe  von  500  000  Mk.  jähr- 
lich mit  einem  Großunternehmer  dafür  festgesetzt  ist,  daß  dieser 
auf  dem  Rittergute  Eüdersdorf  bis  zum  Jahre  1916  keine  neue 
^ementfabrik  baut.  Der  Ankauf  dieser  Besitzungen  in  Eüders- 
dorf gegen  Zahlung  von  zirka  81/2  Mill.  Mk.,  der  von  den 
Berliner  Fabriken  mit  Unterstützung  der  auswärtigen  Verbände 
geplant  war,  ist  im  letzten  Augenblick  an  dem  Widerstand  einer 
Firma  gescheitert.  Da  das  Rheinisch* -Westfiäliscihe  Zement-t 
Syndikat  nach  langwierigen  Verhandlungen  neu  zustande  zu 
kommen  scheint,  so  ist  ein  freier  Wettbewerb  auf  dem  Zement- 
markte in  Deutschland  einstweilen  ziemlich  ausgeschlossen,  und 
die  Zementfabriken  sind  in  der  Lage,  die  Preise  zu  diktieren. 
Daß  die  hohen  Zementpreise  der  Verwendung  von  Beton  und 
Eisenbeton  vielfach  hinderlich'  sind,  braucht  nicht  weiter  er- 
läutert zu  werden.  In  Groß-Berlin  sind  die  Eisenbetondecken 
durch  die  Steineisendecken  fast  vollständig  verdrängt  worden, 
weil   Deckensteine   sehr   billig   verkauft  "werden. 

48.    0  f  enf  abr  ik  a  t  io  n. 

Absatz.  Das  Berichtsjahr  wich  in  keiner  Weise  von  dem  vorherigen 

ab.  Die  Lage  in  diesem  Gewerbezweige  ist  nach  wie  vor  ^überaus 
traurig,  der  Absatz  der  gering^en  Bautätigkeit  wegien  minimal, 
und  die  Preise  sind  gedrückt.  Eine  Anzahl  Fabriken  sind  in 
iKonkurs  geraten,  andere  haben  den  Betrieb  eingestellt.  Die 
Einführung  des  zweiten  Teiles  des  Gesetzes  zum  Schutze  der 
Bauhandwerker  wird  von  dem  Berichterstatter  für  notwendig 
gehalten,  denn  die  Verluste  ,am  Baumarkt  gefährden  die  meisten 
Interessenten  ernstlich.  Selbst  wenn  die  Bautätigkeit  infolge 
der  Einführung  des  zweiten  Teiles  des  Gesetzes  sich  noch  ver- 
ringern sollte,  so  wäre  doch  die  Möglichkeit  großer  Verluste  zum 
größten  Teil  beseitigt.  Mangels  einer  geeigneten  Organisation 
der  Bauinteressenten  und  Handwerker  ist  es  unmöglich,  den  Stand- 
punkt dieser  Kreise  öffentlich  wirksam  zur  Geltung  zu  bringen. 
Als  Vertretung  ihrer  Gesamtinteresisien  ist  der  Schutzverein  der 
Berliner  Bauinteressenten  anzusehen,  dessen  Stellungnahme  je- 
doch' die  Bauhandwerker  nicht  immer  vollauf  befriedigt.  Arbeits- 
einstellungen haben  in  diesem  Jahre  seitens  der  Arbeitnehmer  nicht 
stattgefunden,  da  infolge  der  trostlosen  Lage  das  Angebot  an 
Arbeitskräften  ungemein  groß  war.  Tarifänderungen  sind  nicht 
vorgekommen,  wohl  aber  boten  sich  Arbeitskräfte  unter  den 
Tarifpreisen  an.  Der  in  früheren  Jahren  erfolgte  Zusammen- 
schluß   aller   Ofenfabriken   Deutschlands   hat   es   natürlich   auch 


49.    Chamo  ttewaren;  207 

nicht  vermocht,  die  Zustände  auf  dem  Baumarkt  zu  ändern  oder 
aber  einen  größeren  Absatz  zu  erzielen,  da  Preisunterbietungien 
seitens  schwachf'undierter  Fabriken  nicht  verhindert  werden  konn- 
ten. Das  Yerkaufssyndikat  der  Vel teuer  Ofenfabriken  ist  in  die 
Brüche  gegangen.  Die  Preise  der  Rohmaterialien  haben  sich  un- 
gefähr auf  der  gleichen  Höhe  gehalten  wie  im  vorigen  Berichts- 
jahr, so  daß  die  Herstellun^gskosten  für  alle  Fabrikate  auch 
ungefähr  dieselben  geblieben  sind.  Nach  dem  Auslande  sind  zwar 
einige  wesentliche  Geschäfte  zustande  gekommen,  jedoch  haben 
diese  wenigen  Geschäfte  kaum  großen  Einfluß  auf  die  Lage 
imseres  Oewerbezweiges  ausigeübt. 

49.    Chamottewaren. 

Der  Rückgang  der  Baukonjunktur  hat  auch  die  Chamotte- 
fabrikation  sehr  beeinträchtigt.  Während  im  Vorjahre  der  Ab- 
satz an  Chamotteprodukteii  für  das  Baugewerbe  etwa  noch  25 o/o 
(des  normalen  Absatzes  betrug,  ist  der  Bedarf  in  diesem  Artikel 
im  Berichtsjahre  so  weit  zurückgegangen,  daß  der  Umsatz  auf 
etwa  10  bis  150/0  des  Umsatzes  der  Vorjahre  einzusehätzen  ist.  — 
Leider  darf  in  absehbarer  Zeit  eine  Besserung  nicht  erwartet 
v^erden. 

Die  Industrie  als  Käuferin  von  Qualitätsware,  welche  den 
zuverlässigeren  Teil  des  Absatzgebietes  repräjsientiert,  ist  im  Ab- 
flauen begriffen;  die  Neubauten  von  Feuerungs-  und  Ofenanlagen 
sind  daher  nicht  so  zahlreich  g'-ewesen,  wie  zurzeit  der  Hoch- 
konjunktur. Die  Chamottewerke  Sachsens,  Söhlesiens  und  Rhein- 
land-AVestfalens,  welche  Jahre  hindurch  stark  beschäftigt  waren 
und  meist  längere  als  sonst  übliche  Lieferfristen  verlangen  mußten, 
waren  im  Berichtsjahre  zum  Teil  nicht  ausreichend  beschäftigt. 
Ein  Rückgang  der  Preise  hat  sich  indessen  nicht  bemerkbar  ge- 
macht. Die  Ursache  ist  wohl  darin  zu  suchen,  daß  die  stetig  steigen- 
den Erstehungskosten  der  Chamo tteprodukte  einem  Nachlassen 
der   Preise   entgegenwirkten. 

In  Berlin  hat  sich  die  Minderbeschäftigung  der  Chamotte- 
werke durch  ein  stärkeres  Angebot  bemerkbar  gemadht,  ohne  in- 
dessen auf  die  Preisbildung  zu  wirken,  abgesehen  von  zahl- 
reicli'en  geringen,  nicht  als  Qualitätsware  anzusprechenden  Fabri- 
kaleii,  welche  zu,  Sdhleuderpr eisen  angeboten  werden.  Da  ein 
weiteres  Nachgeben  der  Allgemeinkonjunktur  nicht  aus- 
geschlossen erscheint,  wird  das  Ergebnis  des  Berichtsjahres, 
welches  dem  des  Vorjahres  naehstand,  kein  erfreuliches  sein; 
die  Zukunft  wird  kaum  eine  Besserung  des  Umsatzes  bringen. 
Das  Gesamtergebnis  des  hiesigen  Handels  ist  recht  un- 
erfieulich.  Auf  die  Erzielung  eines  nennenswerten  Gewinnes 
Avird  man  wohl  allgemein  verzichten  müssen.  Nur  die  Besserung 
des   Hypothekenmarktes   kann   Hilfe   bringen. 


208  ni.    Industrie  der    Steine    und   Erden. 

PorzeUan.  50.   Porzellan   und   Steingut. 

Fabrikation.  Die  Kgl.  Porzellan^anufaktur  in  Berlin  berichtet  folgen-i 

des:  Die  Geschäftslage  der  Königlichen  Porzellan-Manufaktur 
war  das  ganze  Jahr  hindurch  außerordentlich  günstig.  Der  Ab- 
satz war  auf  allen  Gebieten  unserer  Fabrikate  —  weiße  und  be- 
malte Tafelgeschirre,  Kunstgegenstände  und  öhemisch-technischö 
Geräte  —  in  stetigem  Steigea,  so  daß  zur  Befriedigung  der  drin- 
gendsten Nachfrage  der  Bau  eines  großen  Rundofens  in  eingriff 
genommen  werden  mußte.  Soweit  vorauszusehen,  wird  auch  nach 
dessen  Vollendung  noch'  auf  lange  Zeit  hinaus  die  ganze  Pro- 
duktionskraft  der  Manufaktur  zur  Erledigung  vorliegender  und 
eingehender  Aufträge  in  Anspruch  genommen  werden  und  an 
die  wünschenswerte  Ergänzung  der  Lagervorräte,  die  notwendig 
wäre,  um  die  Kundschaft  rascher  zu  bedienen,  wird  noch  nicht 
g'edacht  werden  können. 

Die  Manufaktur  vollendete  im  September  1913  das  150.  Jahr 
ihres  Bestehens  als  Staatsinstitut,  und  aus  diesem  Anlasse  wurde 
im.  hiesigen  Kunstgewerbemuseum  eine  umfassende  Ausstellung 
ihrer  Erzeugnisse  aus  allen  Zeitabschnitten  veranstaltet  und  durch 
Se.  Majestät  den  Kaiser  am  20  Okt.  eröffnet. 

Einem  anderen  Bericht  über  die  Fabrikation  und  den  Handel 
mit   Porzellan    entnehmen   wir   folgende   Ausflührungen: 

Diejenigen  Faktoren,  die  bereits  im  letzten  Viertel  des  Jahres 
1912  den  Gesdijäftsgang  ungünstig  beeinflußt  haben,  machten  sich 
auch  während  des  ganzen  Berichtsjahres  fühlbar.  Die  politische 
Lage,  die  groß©  Geldknappheit,  die  noch  immer  recht  merkliche 
Lebensmittel teuerung  setzten  die  Kaufkraft  herab.  Das  "Weih- 
nachtsgeschäft war  trotz  des  ungünstigen  "Wetters  besser,  als 
man  es  erwartet  hatte;  jedoch  erreichten  die  Umsätze  im  allge- 
meinen nicht  die  Höhe  derjenigen  der  Jahre  1911  und  1912. 
Außerdem  waren  die  Aufwendungen  für  Propaganda  wesent- 
lich höher  und,  soweit  die  Detailgeschäfte  nicht  die  Barzahlung 
rein  durchgeführt  hatten,  mußten  sie  mehr  als  in  <ien  Vor- 
jahren kreditieren.  In  dem  Artikel  machte  sich  diese  Geschäfts- 
lage besonders  dadurch  bemerkbar,  daß  ganz  teure  Service  und 
Einzelstücke  wenig  gekauft  wurden,  dagegen  war  die  Nach- 
frage nach  den  mittleren  Preislagen  im  Rahüien  des  geschilderten 
Geschäftsganges   lebhaft. 

Trotz  des  schleppenden  Geschäftsganges  in  den  Detailgeschäf- 
ten konnten  diejenigen  Porzellanfabriken,  die  bessere  Qualitäten 
fabrizieren,  das  ganze  Jahr  über  ziemlich  ohne  Einschränkungen 
arbeiten.  In  den  letzten  Monaten  mußten  sogar  einige  Fabriken 
mit  üeberstunden  arbeiten.  Dagegen  war  der  Geschäftsgang  in 
den  Fabriken,  die  billigere  Waren  fabrizieren,  nicht  mehr  so 
günstig   wie  in  den   Vorjahren.    Hierzu  trug  auch  der  Umstand 


öO.    Porzellan   und    Steingut. 


209 


bei,  daß  viele  AVarenhäuser  und  Grossisten  den  Revers  der  Por- 
zellankonvention nicht  untersclirieben  hatten  und  dalier  von  den 
Mitgliedern  der  Konvention  keine  AVare  erhielten.  Die  außer- 
halb der  Konvention  stehenden  Porzellanfabriken,  die  ausscliließ- 
lich  mittlere  und  billigere  AVaren  herstellen,  waren  aus  dem 
gleichen  Grunde  gut  beschäftigt,  so  daß  einige  von  ihnen  SDgar 
wesentliche  Vergrößerungen  vornehmen  konnten.  Innerhalb  der 
Konvention  sind  im  Laufe  des  Jahres  keine  wesentlichen  Aen- 
derungen  eingetreten,  jedoch  wird  von  denjenigen  Mitgliedern 
<ler  Konvention,  welche  früher  viel  an  "Warenhäuser  lieferten, 
daran  gearbeitet,  den  Konflikt  zu  beseitigen,  und  auf  der  anderen 
Seite  empfinden  auch  viele  AVarenhäuser  und  Grossisten,  die 
ihre  Sortimente  nicht  im  vollen  Umfange  aufrechterhalten  können, 
den  Konflikt  als  sehr  geschäftsstörend,  so  daß  für  das  Jahr 
1914  eine  Aenderung  in  dieser  Beziehung  nicht  als  ausgeschlossen 
erscheiner.  kann.  Zum  Teil  wurden  die  Porzellanfabriken,  die 
Mitglieder  der  Konvention  sind,  für  den  erwähnten  Ausfall  durch 
eine  Steigerung  des  Exportgeschäftes  entschädigt.  Wenn  die  Her- 
absetzung des  Tarifes  für  die  Vereinigten  Staaten  für  Porzellan 
auch  nur  sehr  gering  war,  so  hat  doch  schon  die  Beendigung 
der  Unsicherheit  zur  Belebung  des  Geschäftes  wesentlich  bei- 
getragen 

Ueber  den  Geschäftsgang  in  den  Fabriken  von  Luxusporzellan 
läßt  sich  nicht  leicht  ein  zusammenfassendes  Urteil  abgeben. 
Eine  Anzahl  von  Fabriken,  die  besonders  gute  Neuheiten  heraus- 
gebracht  oder  für  den  Export  große  Aufträge  zu  liefern  hatten, 
Avaren  gut  beschäftigt,  während  andere  Fabriken  ihre  Betriebe 
nur  in  beschränkter  Weise  aufrechterhalten  konnten.  Jedenfalls 
kann  der  Geschäftsgang  im  allgemeinen  nicht  als  ein  guter  be- 
zeichnet werden.  Dagegen  hatten  die  Staatsmanufakturen,  deren 
Marken  vom  Publikum  bevorzugt  werden,  sehr  stark  zu  tun, 
so  daß  sie  den  Ansprüchen  bei  weitem  nicht  genügen  konnten. 
Auch  die  Kopenhagener  Porzellanfabriken  machten  wieder  ein 
gutes  Geschäft.  Große  Streiks  waren  in  der  gesamten  Industrie 
nicht  zu  verzeichnen,  kleinere  Konflikte  konnten  beigelegt 
werden. 

Ueber  die  Geschmacksrichtung  in  Gebrauchsgeschirren  läßt 
sich  wenig  neues  sagen.  Auch  im  Berichtsjahre  waren  einfache, 
höchstens  durch  Rippen  und  andere  einfache  Verzierungen  unter- 
brochene Flächen  am  beliebtesten.  Die  größeren  Körper  der  Service 
wurden  noch  immer  in  ovalen  Formen  bevorzugt.  Banddekore  und 
breitere  Kanten  in  kräftig  nebeneinandergesetztena  Farben  wurden 
am  meisten  gebracht.  In  Luxusporzellan  wurden  billigere  Artikel 
in  Kopenhagener  Art  weniger  gekauft.  Für  bessere  Nippes  wurden 
kräftige  auf  Glasurdekore  in  der  Manier  von  Alt-Meißen  bevor-i 
zugt.  Die  Zahlungsweise  hat  sich  gegen  das  Vorjahr  eher  ver- 
scJilechtert,  jedoch  waren  die  Zahlungseinstellungen  im  Zwischen- 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  14 


Lusus- 
Porzella». 


Gebrauchs- 
porzellan. 


210 


51.     Glas    und    Glaswaren. 


SteiBgut  waren, 

Majoliken  und 

Terrakotten. 


Stemzeug 


Glaswaren. 


handel  nur  gering.  Von  größeren  ist  nur  die  einer  süddeutschen 
Firma  zu  erwähnen. 

In  Steingut  waren  nur  die  Fabriken,  die  bessere  Artikel  her- 
stellen, das  ganze  Jahr  über  befriedigend  heschäftigt,  die  Fabriken 
von  sogenanntem  Feinsteingut,  die  ihre  Spezialitäten  haben,  sogar 
jgut.  Die  Steingutkonvention,  die  trotz  ihrer  Ueorganisation  keine 
merkliche  Einwirkung  auf  Preise  usw.  entfalten  konnte,  gab  im 
Frühjahr  üiren  Mitgliedern  die  Preise  völlig  frei,  so  daß  sie 
tatsächlich  völlig  unwirksam  wurde.  Gegen  Ende  des  Jahres 
kündigte  ein  Mitglied  der  Steingutkonvention  den  G-esellschafts- 
vertrag,  so  daß,  wenn  keine  Reorganisation  auf  neuer  Grund- 
lage erfolgt,  diese  Konvention,  die  während  ihres  langjährigen 
Bestehens  nur  eine  sehr  geringe  Tätigkeit  entfaltet  hat,  Ende 
1914  zu  bestehen  aufhören  wird.  Das  Geschäft  der  Hartsteingut- 
Spülwarenfabriken  litt  imter  der  Ungunst  des  Baumarktes  in 
erheblicher  "Weise,  so  daß  auch  hier  der  Geschäftsgang  viel  zu 
wünschen  übrig  blieb.  —  Das  Geschäft  in  Majoliken  war  nicht 
[bedeutend,  dagegen  wurden  die  rheinischen  Terrakotten,  die  teils 
Nachbildungen  klassischer,  italienischer  Arbeiten,  teils  moderne 
Formen   brachten,   gut  gekauft. 

In  Steinzeug  Avurden  die  besten  Qualitäten  gut  gekauft.  Auch 
in  technischen  und  hauswirtschaftlichen  Artikeln  war  der  Umsatz 
ein  befriedigender.  Auch  in  diesen  Industrien  war  im  allgemeinen 
das  Verhältnis  zwischen  Unternehmern  und  Arbeitern  ein  be- 
friedigendes. Von  andauernden  großen  Streiks  und  Aussperrungen 
war  nichts  zu  berichten.  Hier  und  da  führten  freilich  die  von  den 
Unternehmern  infolge  des  ungünstigen  Geschäftsgauges  gemachten 
Versuche,  die  Arbeitslöhne  auf  den  früheren  Stand  herabzusetzen, 
zu  Konflikten,  die  aber  immer  beigelegt  werden  konnten. 

51.    Glas    und    Glaswaren. 

In  billigen  Glaswaren  und  Beleuchtungsglas  war  der 
Geschäftsgang  befriedigend.  Gegen  Ende  des  Jahres  führten 
die  Beleuchtungsglashütten  sogar  einen  Preisaufschlag  ein.  Für 
Preßglas  brachte  das  neue  Eichgesetz,  das  am  1.  Okt.  in  Kraft 
trat,  eine  außerordentlich  starke  Erhöhung  des  Geschäftsganges. 
Im  übrigen  wurde  hier  aber  wieder  über  Preisunterbietungen,  die 
besonders  durch  die  Reklame  verkaufe  der  Warenhäuser  herbei- 
geführt wurden,  lebhaft  Klage  geführt.  In  Kelchglas  war  das 
Geschäft  kein  besonders  gutes,  so  daß  in  den  eigentlichem 
Konsumartikelfabriken,  die  besonders  in  AVestdeutschland  liegen, 
kein  erheblicher  Nutzen  geblieben  sein  dürfte.  Dagegen  war 
das  Geschäft  in  schwergeschliffenem  Bleikristall  auch  im  Be- 
richtsjahre wieder  ein  lebhaftes,  wenn  auch  hier  und  da  ein  Nach- 
lassen der  Nachfrage  berichtet  wird.  Neben  den  ausländischen 
^larken  sind  im  Berichtsjahre  auch  einige  deutsche  Erzeugnisse 
'gut   verkauft   worden.     Zu   den   teuren   Kunstgläsem   traten   als 


51.     Glas    und    Glaswaren. 


211 


l^euheit  im  Berichtsjalire  Kunstg'läser  nach  Entwürfen  der  Haidaer 
T'achschule,  die  bei  hohen  Preisen  Anklang  fanden.  Da  der  all- 
.gemeine  schlechte  Geschäftsgang  sich  auch  für  diese  feinen 
Kristallartikel  bemerkbar  machte,  so  konnten  die  Lieferanten 
ihren  Verpflichtungen  besser  als  in  den  Vorjahren  nachkommen 
^ind  einen   Teil   der  rückständigen  Aufträge  ausliefern. 

Wenn  sich  die  allgemeinen  Verhältnisse  auf  dem  deutschen 
<jreldmarkt  bessern,  so  dürften  auch  für  die  keramische  und  Glas- 
brauche  im  Jahre  1914  günstigere  Verhältnisse  zu  erwarten 
«ein,  da  im  allgemeinen  die  Vorliebe  des  kaufenden  Publikums 
für  diese  Artikel  eher  im  Steigen  als  im  Abnehüien  begriffen  ^ 
«ein  scheint  und  auch  die  Fabrikanten  ihre  Anstrengungen,  schöne 
und.  bra.uchbare  Erzeugnisse  herzustellen,  immer  mehr  steigern. 
YAr  wünschen  wäre  nur,  daß  in  der  Herstellung  von  Neuheiten 
^in  langsames  Tempo  eingeschlagen  würde,  da  durch  die  Schaffung 
von  allznvielen  Neuheiten,  die  natürlich  nur  zum  geringsten  Teil 
wirklich  gut  sein  können,  die  Produktion  verteuert  tind  das 
Oeschäft  für  den  Zwischenhandel  in  unnötiger  AVeise  kompliziert 
w^ird.  Für  die  durchaus  notwendige  Reform  in  dieser  Beziehung 
wäre  es  von  größter  Wichtigkeit,  daß  in  Leipzig  nicht  mehr  wie 
bisher  zwei  Messen,  sondern  nur  eine  Messe  stattfinden  würde, 
da  die  Fabrikanten  naturgemäß  glauben,  zu  jeder  Messe  Neuheiten 
bringen  zu  müssen,  und  so  anstelle  der  früher  üblichen  einmaligen 
Musterung  im  Jahre  jetzt  eine  zweimalige  getreten  ist.  Von  vielen 
Einkäufern  im  Reich  und  im  Auslande  würde  ein  Ausbau  der 
Berliner  Musterläger  unter  Fabrikregie  den  Messen  und 
«dem  Agenturbetrieb,  bei  weitem  vorgezogen  werden,  jedoch 
ist  hieran  kaum  zu  denken,  da  von  selten  der  Berliner  Be- 
-hcrden  dieser  Frage  bisher  noch'  nicht  die  geringste  Aufmerk- 
samkeit geschenkt  worden  ist,  während  die  Leipziger  alles  mög- 
liche für  die  Erhaltung  der  beiden  Mustermessen  tun,  die  der 
^tadt   jährlich    viele    Millionen   einbringen. 

Der  Handel  mit  Tisch-  und  Trinkgläsern  war  auch  in 
diesem  Jahre  lohnend.  Auswärtige  und  deutsche  Hütten  brachten 
neue  Muster,  wodurch  ein  noch  besserer  Umsatz  erzielt  wurde, 
^Is  im  Vorjahre.  Etwas  störend  berührten  die  ziemlich  hohen 
Preissteigerungen  der  englischen  Glashütten.  Arbeitsein- 
stellungen traten   nicht  ein. 

In  der  Flaschenfabrikation  waren  im  ersten  Halbjahre  des 
Berichtsjahres  die  Absatzverhältnisse  günstig,  und  es  konnte 
eine  ziemlich  erhebliche  Steigerung  gegenüber  dem  gleichen  Zeit- 
räume des  Vorjahres  verzeichnet  werden.  Durch  die  dann  ein- 
getretene kühle  Sommerwitterung  erfolgte  ein  starker  Rück- 
gang des  Absatzes  und  es  wurde  außerdem  die  Nachfrage  nach 
diesen  Fabrikaten  durch  die  allgemeine  wirtschaftliche  Lage 
ungünstig  beeinflußt.  Besonders  im  Exportgeschäft  hat  sich 
dieser   Rückgang    bemerkbar    gemacht. 


Aussichten. 


Tisch-  und 
Trinkgläser. 


Flaschen- 
fabrikation. 


212 


III.    Industrie  der    Steine    und   Erden. 


Sowohl  die  Preise  für  Kohlen  und  liohmaterialien  als  auch 
die  Arbeitslöhne  haben  im  Berichtsjahre  eine  weitere  Erhöhung 
erfahren.  In  den  Arbeiterverhältnissen  sind  Störungen  nicht 
vorgekommen. 

Spiegelglas  Durch  den  Bau  der  neuen  Spiegelglasfabrik  „Girresheim"  hat 

von  Beginn  des  Jahres  1913  an  eine  nicht  zu  leugnende  Unsicherheit 
in  der  gesamten  Spiegelbranche  geherrscht.  Sowohl  das  Internatio- 
nale Spiegelglas-Syndikat  als  auch  die  Lagerhalter- Vereinigung 
ivaren  nicht  in  der  Lage,  zu  ersehen,  wann  die  Erzeugnisse  der 
neuen  Hütte  auf  den  Markt  kommen  würden.  Es  kam  hinzu,  daß 
die  Hütte  die  Händler  nicht  über  den  Weg  aufklärte,  den  sie  ein- 
zuschlagen gedachte.  Die  großen  Handlungen  hielten  deshalb  schon 
bei  Beginn  des  Jahres  mit  dem  Einkauf  zurück.  Das  Einschränken 
wurde  forciert,  bis  die  Hütten  im  Herbst  den  Händlern  Baisse- 
garantie, erst  bis  Ende  Dezember,  dann  bis  Ende  Januar,  anboten. 
Jetzt  wurde  zwar  gekauft,  aber  immer  noch  mäßig.  Das  Miß- 
trauen und  die  Furcht  vor  einem  plötzlichen  Preissturz  war  durch 
die  kurzbemessene  Baissegarantie  nicht  behoben.  Sich  für  Ja- 
nuar einzudecken,  barg  eine  große  G-efahr.  So  flaute  bereits 
Mitte  November  der  Einkauf  wieder  ab,  um  im  Dezember  gänzlich 
stillzustehen.  Die  Händler  lebten  von  der  Hand  in  den  Mund  und 
zerschnitten  ihr  gesamtes  Lager.  Die  Lage  war  also  am  Ende  des 
Jahres  genau  so  wie  am  Anfang.  Die  Verluste  müssen  auf  beiden 
Seiten  sehr  erheblich  sein.  Der  Absatz  ist  zweifellos  im  Jahre 
1913  zurückgegangen.  Der  Grund  hierzu  ist  die  allgemeine  be- 
kannte schlechte  Baulage.  Der  Kundschaft  der  Glashandlungen, 
also  den  Glasermeistern,  geht  es  kläglich.  In  einzelnen  Teilen 
Deutschlands  haben  die  Spiegelglashandlungen  teils'  durch 
die  Lagerhalter-Vereinigung,  teils  durch  den  Schutzverband  es 
möglich  machen  können,  die  Preise  im  Absatz  hoch  zu  halten, 
wodurch  sie  sich  vor  noch'  größeren  Verlusten  einigermaßen 
geschützt  haben.  Die  Bezugsbedingungen  sind,  wie  oben  er- 
wähnt, trotz  der  neuen  Hütte  die  gleichen  geblieben.  Auch 
die  Absatzbedingungen  sind  in  einigen  Bezirken  Deutschlands 
die  gleichen  geblieben.  In  denjenigen  der  neuen  Hütte  wird 
wegen  der  freigegebenen  Bezirke  zu  jedem  Preis  verkauft, 
also  auch  zum  Einkaufspreise. 

Arbeiter-  Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern 

sind  im  Spiegelglashandel  durchweg  gute.  Es  kommt  aber 
in  Betracht,  daß  die  Händler  wohl  meist  Arbeiter  haben,  die  sie 
selbst  angelernt  haben.  Organisierte  Glaser,  die  in  der  Hauptsache 
in  Großglasereien  angestellt  sind,  und  auch  nur  dort  Streiks 
inszenieren,  sind  in  der  Regel  in  großer  Anzahl  in  den  Glashand- 
lungen nicht  vorhanden. 
Export.  Das  Auslandsgeschäft  ist  unseres  Erachtens  für  den  deutschen 

Handel  wohl  so  gut  wie  aussichtslos.  Das  Internationale  Hütten- 
Syndikat,  mit  dem  Sitz  in  Brüssel,  wacht  ängstlich  darüber,  daß 


52.    Kohle. 


213 


ihm  kein  Auftrag  entgeht.  Immerhin  wäre  auch  für  den  Handel 
in  Rußland  ein  Geschäft  möglich,  wenn  die  Zölle  nicht  so  hoch 
wären.  Für  den  deutschen  Handel  ist  dieser  Verzicht  auf  den 
ausländischen  Handel  um  so  bedauerlicher,  wenn  man  die  Tatsache 
in  Betracht  zieht,  daß  das  deutsche  Hütten-Syndikat,  also  der 
Verein  deutscher  Spiegelglasfabriken,  zu  mehr  als  80  o/o  auslän- 
discher Besitz  ist.  

IV.  Montanindustrie. 

52.  Kohle. 

Wenn  sich  auch  in  einzelnen  Zweigen  der  kohlenverbrauchen- 
den  heimischen  Industrie  im  zweiten  Semester  des  Berichtsjahres 
ein  Nachlassen  des  Bedarfes  bemerkbar  machte,  so  hat  doch  dieser 
Umstand  den  Geschäftsgang  im  Kohlenhandel  nur  wenig  zu  be- 
einflussen vermocht.  Wie  im  Vorjahre  kam  aber  auch  diesmal 
der  Nutzen  aus  der  günstigen  Konjunktur  nicht  dem  Handel, 
sondern  fast  nur  den  Gruben  zugute. 

Die  Schiffahrt  auf  der  Oder  litt  bei  Beginn  der  Verladungen 
auf  dem  Wasserwege  unter  einem  allgemeinen  Streik  der  Boots- 
ieute und  der  Maschinisten,  so  daß  ein  regelrechter  Betrieb  erst 
nach  langwierigen  Verhandlungen  zustande  kam.  Die  Frachten- 
raten setzten  für  Kohlen  mit  5,70  Mk.  für  die  Tonne  ab  Kcsel,  mit 
5,10  M^k.  ab  Breslau  nach  Berlin-Oberspree,  also  in  derselben 
Höhe  wie  im  Vorjahre,  ein  und  unterlagen  während  der  Dauer 
der  Saison  nur  unbedeutenden  Schwankungen  nach  oben,  während 
sidhl  bei  Schluß  der  Saison  eine  mäßige  Abschwächung  auf  5,10 
Mark  für  die  Tonne  ab  Kosel  bzw.  2,60  Mk.  für  die  Tonne  ab 
Breslau  einstellte.  Der  Wasserstand  blieb  im  großen  ganzen 
ziemlich  normal;  nur  kurze  Zeiten  hindurch  trat  Hochwasser 
bzw.  Niedrigwasser  ein.  Auf  der  Elbe  waren  während  des 
größten  Teils'  des  Jahres  die  Frachten  mäßig.  Bei  Eintritt  niedri- 
geren Wassers  zogen  sie  jedoch  im  Oktober  scharf  an. 

Die  Gestellung  der  Eisenbahnwagen  erfolgte  prompt  in  der 
geforderten  Anzahl.  Selbst  die  im  günstig  belegenen  Gruben 
wurden,  abgesehen  von  vereinzelten,  aber  nur  ganz  geringen  Aus- 
fällen, ausreichend  mit  AVagen  versehen. 

In  den  letzten  vier  Jahren  betrug  die  Kohleneinfuhr  nach 
Berlin  und  seinen  Vororten  in  Tonnen: 
'^^^-  ^--  Kohlenzufuhr  nach  Berlin  (in  Tonnen). 


1910                1911                 1912                1913 

Englische  Steinkohlen 

1416  680    1411944 

467  662       414  585 

10  735!        39  002 

1835  675    1628  555 

258  385       275  598 

22  157|        26  234 

1720  706!  1904  866 

6  985|        18  393 

1  426  404     1  653  802 

Westfälische        „            ... 

478  758  i      531  122 

Sächsische            „            ... 

69  309  i        22  953 

Oberschlesische  „            ... 
Niederschlesische  Steinkohlen 
Böhmische  Braunkohlen   .     . 
Braunkohlen -Briketts    .     .     . 
Inländische  Braunkohlen 

2  516  248 
335  376 

25  580 
2  141  945 

17  185 

1  982  803 
347  363 

24  299 

2  144  103 

13  234 

«                                        Zusamm 

en 

5  738  985     5  719  177 

1  7  010  805 

6  719  679 

Allgemeines. 


Scluffahrt. 


Wageu- 
geatellung. 


Kohleneinfuhr 
nach  Berlin. 


214 


IV.    Montanindustrie. 


Englische 
Steinkohlen. 

Erster  Bericht. 


Dai?  JaJu:  1910  zeigte  gegen  das  Vorjahr  einen  Rückgang- 
um  411879  t  oder  6,67 o/o,  das  Jakr  1911  einen  solchen  um 
19  808  t  oder  Vs^/o,  während  das  Jahr  1912  mit  einer  Zunahme 
rsron  1  291  628  t  oder  22,14  o/o  abschloß.  Das  Jahr  1913  brachte 
dagegen  wieder   einen  Eückgang   um  291 126  t  oder  um   2,4  o/o. 

Die  Einfuhr  englischer  Steinkohlen  nach  Berlin  und  seinen 
Vororten  zeigt  die  folgende  Tabelle : 

Tab.  83.         Berlins  Zufuhr  an  englischer  Steinkohle  (in  Tonnen). 


1912 

1913 

gegen  1912 

I.  Quartal 
II.           r, 
III. 
IV. 



74  255 
372  063 
637  991 
342  095 

200  994 

547  184 
555  137 
350  487 

+  126  739 
+  175  121 
—    82  854 
+      8  392 

Zusammen  1 

1  426  404 

1  653  802 

+  227  398 

Die  Einfuhr  hat  sich  also  gegen  1912  um  227  398  t  oder 
zirka   16  o/o   vermehrt. 

Die  Preise  auf  den  beiden  hauptsächlichsten  Kohlenmärkten 
in  NewCastle  und  Cardiff  waren  zu  Beginn  des  Jahres  bis  um 
6  sh  höher  als  zur  gleichen  Zeit  des  Vorjahres;  die  Differenz 
gegen  1911  betrug  noch  um  1  bis  2  sh  mehr.  Im  einzelnen  gibt 
die  folgende  Tabelle  die  ziu  Beginn  der  letzten  Jahre  gezahlten 
Preise  an: 


Tab.  84.     Preise  auf  den 

englischen  Kohlenmärkten  1912  und  1913  (sh  pro  t). 

Zu  Beginn  1912 

Zu  Beginn  1913 

In  Newcastle: 

Steamkohlen  .     .     . 

.     .     .     . 

12/- 

14/- -15/6 

SmaUs 

7/- 

11/— 12/- 

Gaskohlen  .... 

. 

12/9 

14;-— 15/- 

In  Cardiff: 

Steamkohlen  .     .     . 

, 

16/— 17/- 

18/6—19/- 

Smalls 

9/. 

12/ — 15/- 

Diese  Preise  erfuliren  bis  Mitte  Mai  eine  weitere  Steigerung- 
um  IV2  sh,  die  zum  Teil  a,uf  den  Streik  in  Oberschlesien  zurück- 
zuführen war.  Gegen  Ende  Mai  trat  eine,  wenn  auch  nicht  er- 
liebliche  Abschwächung  der  Preise  ein,  die  zum  Teil  durch  ver- 
schiedene große  Streiks  auf  den  Werken  der  Abnehmer  in  Mittel- 
[England  und  durch  einen  nur  kurz  dauernden  Streik  der  Boots- 
leute an  der  Tyne  verursacht  wurde.  Die  Preise  für  Industrie- 
kohlen  konnten  ihren  Höchstpreis  vom  Mai  nicht  wieder  er- 
reichen. Gaskohlen  dagegen  blieben  bis  zum  Jahresschluß  sehr 
gefragt  :Und  ohne  Preisab Schwächung.  Eine  lebhafte  Anregung 
erfuhr  der  englische  Kohlenmarkt  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 


52.    Kohle.  215 

durch  sehr  umfangreiche  Bestellungen  für  russische  Haien.  Diesem 
Umstand  ist  es  wohl  zuzuschreiben,  daJ3  der  englische  Kohlen- 
markt sich  noch  nach  Beginn  des  Kon junktunnick ganges  sehr 
großer  Lebhaftigkeit  erfreute  und  daß  die  Preise  im  Berichtsjahre 
keinen  wesentlichen  Rückgang  erfahren  haben.    In  welchem  Um-  '^ 

fange  ein  Preisrückgang  für  das  Jahr  1914  zu  erwarten  sei, 
darüber  waren  am  Jahresschluß  die  Meinungen  sehr  geteilt.  Die 
Produzenten  behaupteten  jedenfalls,  daß  infolge  der  neuen  Ver- 
sicherungsgesetze  und  der  erheblich  gestiegenen  Löhne  —  in  Wales 
stiegen  die  Löhne  im  JaJire  1913  auf  ßO^/o  über  den  Standard 
gegen  11  o/o  im  Jahre  1896  —  die  Preise  keineswegs  wieder 
auf  den  Tiefstand  wie  vor  dem  Streik  zurückkommen  können. 
Trotzdem  rechnete  man  am  Jahresschluß  damit,  daß  sich  die 
Preise  im  Jahre  1914  um  1  bis  2  sh  unter  den  letztjährigen 
Marktpreisen  bewegen  würden.  Die  gesamte  Ausfuhr  Englands 
(mit  Ausnahme  von  Bunkerkohlen)  betrug  im  Jahre : 

1912  ....     67  035  848  t  im  Werte  von  £  34  462  000 

1913  .    .    .    .    76  687  241  t    „        „         „      „  44  709  000 
Zunahme       9  651  393  t  im  Werte  von  £  10  247  000 

Der  durchschnittliche  Wert  der  1913  ausgeführten  Kohlen 
betrug  daher  14  sh  pro  t  gegen  12, 71/2  sh  pro  t  im  Vorjahr,  war 
also  um  l',4V2  sh  höher.  Die  Seefracht  von  der  Tjme  nach  Ham- 
burg bewegte  sich  im  Jahre  1913  zwischen  Vd  und  4  sh. 

Die  vorjährige  feste  Haltung  des  englischen  Kohlenmarktes  hat  zweiter  Berieht 
auch  im  Berichtsjahre  angedauert.  Im  April  und  Mai  war  nament- 
lidh  für  gute  Durham-Gaskohlen  eine  weitere  Preissteigerung  zu 
verzeichnen.  Auch  in  den  landeren  Gebieten  Großbritanniens  war 
der  Markt  ständig  fest.  Gleichwohl  wurden  zeitweise  von  Ham- 
burger Importeuren;  welche  Mengen  schottischer  Nuß-,  und  Erbs- 
kohlen abzunehmen  hatten,  die  in  Hamburg  nicht  zu  plazieren 
waren,  Konsignationsladungen  naeh  Berlin  gebracht,  die  dann 
Preise  zeitigten,  bei  denen  die  Kosten  der  Fracht  von  Hamburg  / 
nach  Berlin  verloren  gingen.  Die  Preise  für  Anthrazitkohlen 
blieben  ebenfalls  fest.  Im  Berliner  Großhandel  wurden  durch-, 
weg  um   eine  ^Maxk   für   die   Tonne  höhere   Preise   als   im   Vor-  ' 

jähre  gezahlt. 

Bei  der  AVürdigung  der  Ziffer  der  Berliner  Zufuhr  an  eng- 
lischen Kohlen  ist  zu  berücksichtigen,  daß  in  ihnen  erhebliche! 
Mengen  enthalten  sind,  welche  aus  dem  vorigen  Jahre  nach- 
zuliefern waren.  Wenn  \die  Zufuhr  an  oberschlesischen  Kohlen 
gegenüber  der  des  .Vorjahres  zurückblieb,  so  ist  dies  dadurch 
zu  erklären,  daß  die  vorjährige  Ziffer  als  eine  durch  den  eng- 
lischen Streik  hervorgerufene  Rekordziffer  angesehen  werden 
muß.  Die  Einfuhr  ,an  oberschlesischen  Kohlen  war  in  der  Zeit 
vom   1.  Jan.   bis   31.  Okt.   des   Berichtsjahres   bereits   größer   als 


VVeatf »lisch  e 
Steinkohlen. 


216 


IV.    Montanindustrie. 


die  Gesamtzufuhr,  des  Jahres  1911,  so  daß  das  Berichtsjahr  auch 
für  oberschlesische  Kohlen  im  Vergleich  zu  den  Vorjahren  — 
ausgenommen   1912   —  ,eine   erhebliche   Mehreinfuhr  aufwies. 

Die  Einfuhr  westfälischer  Steinkohlen  nach  Berlin  und  seinen 
Vororten  betrug  in  Tonnen: 


Tab.  85.       Berlins  Zufuhr  an  westfälischer  Steinkohle  (in  Tonnen). 


1912              t              ^9^3              1        Se^en  1912 

I.  Quartal 

IL        „                .... 

IIL        „           

IV.        .,           

135  816                   152  615                +16  799 

133  508                   117  347         i        —16  161 

97  395          1          133  492                 +36  097 

112  039          !          127  668         1        -H5  629 

Zusammen 

478  758                    531122                 +52  364 

Sächsische 
Steinkohlen. 


Die  Einfuhr  hat  sich  also  gegen  1912  um  52  364  t  oder  11  o/o 
(vermehrt.  Die  günstige  Marktlage  des  Jahres  1912  hielt  auch 
wiährend  der  ersten  Hälfte  des  Berichtsjahres  an.  Besonders  im 
ersten  Viertel  1913  war  die  Nachfrage  nach  Kohlen  außerordentlich 
lebhaft,  so  daß  die  Produktionsgebiete  nur  mit  Anspannung  aller 
Kräfte  den  Anforderungen  nachkommen  konnten.  AVestfälischo 
Kohlen  profitierten  von  dieser  günstigen  Lage,  entsprechend  ihrem 
Anteil  am  Berliner  Kohlenmarkt;  es  wurden  bei  Nsuabschlüssen 
für  das  Berichtsjahr  wiederum  erhöhte  Preise  erzielt.  Auch  die 
abgesetzten  Mengen  erfuhren  eine  Zunahme,  obwohl  in  der  zwei- 
ten Hälfte  des  Jahres  die  Knappheit  auf  dem  Markte  mehr  und 
mehr  nachließ.  Die  Wasserfrachten  blieben  während  des  Sommers 
ziemlich  günstig,  erhöhten  (sich  jedoch  im  Herbst  infolge  des 
niedrigen  Wasserstande^  der  Elbe  und  der  Havel  derart,  daß  der 
Bezug  westfälischen  Materials  auf  dem  Wasserwege  ziemlich  aus- 
geschaltet wurde.  Man  war  fast  ausschließlich  auf  den  teuren 
Bahnweg  angewiesen,  was  naturgemäß  die  Ziffer  der  abgesetzten 
Mengen  ungünstig  beeinflußt  hat.  Der  alljährlich  im  Herbst 
einsetzende  Wagenmangel  trat  Wenig  in  Erscheinung.  Störun- 
gen in  der  Versorgung  der  Verbraucher  waren  nicht  zu  beob- 
achten. Westfälischer  Sclimelz  k  o  k  s  war  andauernd  stark  ge- 
fragt. Der  Bedarf  der  Eisen-  und  Metallgießereien  blieb  groß 
und  verminderte  sich  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres.  Zen- 
tralheizungskoks wurde  während  des  Winters  lebhaft  begehrt, 
da  in  Gaskoks  weder  Bestände  noch  sonst  greifbare  Mengen  vor- 
handen waren.  Die  Versandziffem  haben  gegen  das  Vorjahr  eine 
beträchtliche  Steigerung  erfahren,  und  auch  in  den  Verkaufspreisen 
trat  am  1.  April  eine  allgemeine  Erhöhung  um  1,50  Mk.  bis  2  Mk. 
für  die  Tonne  ein.  Der  Gesamtmehrabsatz  gegen  1912  beträgt  un- 
gefähr 150/0. 

Die  Einfulir  sächsischer  Steinkohlen  nach  Berlin  und  seinen 
Vororten  betrug  in  Tonnen: 


52.    Kohle.  217 


Tab. 

86.        Berlins 

Zufuhr  an 

sächsischer  Steinkohle  (in 

Tonnen). 

L 

1912 

1913 

gegen  19 1 2 

T 

Quartal      .     . 

j 

23  216 
13  431 
22  250 
10412 

7  841 
6  794 

3  943 

4  375 

15  375 

II. 

TU 

.     .     . 

—    6  637 
18  307 

TV 

6  037 

Zusammen  69  309  22  953  !      —46  356 

Die  Einfuhr  ist  um  46  356  t  oder  70  o/o  zurückgegangen.  Die 
vorjährige  Steigerung  war,  wie  in  dem  letzten  Bericht  erwähnt, 
lediglich  eine  Folge  des  englischen  Bergarheiterausstandes  vom! 
Jahre  1912. 

Die   Einfuhr   oberschlesischer    Steinkohlen    nach    Berlin   und         Oberschies. 

T^  ,  1      ,  •       m  Steinkohlen. 

seinen    Vororten  betrug  m  Tonnen: 

Tab.  87.       Berlins  Zufuhr  an  oberschlesischer  Steinkohle  (in  Tonnen). 


1912 

1913 

gegea  1912 

I.  Quartal 

!          596  005 

318  709 

—  277  296 

II.         ,            

!           716  525 

420  443 

—  296  082 

in.        „           

'           619  322 

657  866 

!      +    38  544 

tv.        .           

;           584  396 

583  785 

1      4-      1 309 

Zusammen  li        2  516  248  1^82  303  —533  445 

Die  Einfuhr  hat  sich  somit  um  nicht  weniger  als  533  445  toder 
21  o/o  verringert.  Das  Berichtsjahr  hat  sich  für  die  Einfuhr  ober- 
schlesischer Kohlen  in  den  zwei  ersten  Quartalen  sehr  ungünstig 
gestaltet.  Im  ersten  Quartal  verhinderte  der  Schifferstreik  die 
Verlaxiungen  auf  dem  AVasserwege,  so  daß  die  an  demselben  be- 
legenen und  auf  diese  Bezugsweis-e  angewiesenen  Industrien  ge- 
nötigt waren;  ihren  Bedarf  zum  großen  Teil  in  englischer  Kohle 
zu  decken.  Im  zweiten  Quartal  trat  zu  dem  ersteren  Streik 
der  BergaTbeiterausstand  in  Oberschlesien  hinzu,  der  mit  dem 
21.  April  einsetzte  und  erst  am  16.  Mai  sein  Ende  fand.  Der  durch 
diese  Störungen  hervorgerufene  Ausfall  war  naturgemäß  in  den 
letzten  beiden  Quartalen  des  Berichtsjakres  nicht  wieder  einzu- 
holen; doch  zeigen  die  Einfuhrziffem  eine  kräftige  Erholung 
und  gleichzeitig  eine  nicht  unwesentliche  Abschwächung  im  Be- 
züge des  konkurrierenden  englischen  Produktes.  Die  Preisgestal- 
tung für  oberschlesische  Kohlen  war  im  Berichtsjahre  für  die 
Grubenverwaltungen  äußerst  günstig.  Der  sonst  mit  dem 
1.  April  eintretende  Sommerabschlag  kam  in  Fortfall,  die  Winter- 
preise blieben  also  bestehen,  während  mit  dem  1.  September  ein 
erneuter  Winteraufschlag  in  der  normalen  Höhe  hinzukam.  Die 
nicht  zu  befriedigenden  Anforderungen  an  den  oberschlesisohen 
Kohlenmarkt  veranlaßte  die  Konvention,  die  Förderung  ohne  jede 
Beschränkung  freizugeben,  so  daß  das  Jahr  1913  auch  bezüglich 
der  Produktionsmengej  fals  |ein  Rekord  jähr  zu  bezeichnen  ist. 
Leider   profitierte   der   Handel   hiervon   weniger;   die   Besserung 


218 


rv.    Montanindustrie. 


ZweiterBericht. 


Niederschles. 
Steinkohlen. 

Erster  Bericht. 


kam,  wie  schon  am  Eingang  des  Berichtes  erwähnt,  wieder  fast 
allein  den  Gruben  zugute. 

Während  im  vorigen  Jahre  der  große  englische  Bergarbeiter- 
streik einschneidend  auch  auf  den  Berliner  Markt  einwirkte,  hatten 
wir  in  diesem  Jahre  mit  einem  Streik  der  Bergarbeiter  in  Ober- 
schlesien zu  rechnen.  Derselbe  dauerte  vom  19.  April  bis  zum 
17.  Mai  und  bedingte  einen  Ausfall  in  der  Förderung  von  I3/4  Mill. 
Tonnen.  Dieser  Ausfall  wurde  jedoch  bald  wieder  durch  volle 
Ausnutzung  der  Produktionsfähigkeit  der  Gruben  wettgemacht, 
wobei  den  oberschlesischen  Gruben  außerordentlich  zustatten  ge? 
kommen  ist,  daß  die  Oderschiffahrt  mit  nur  kleinen  Unterbrechun- 
gen während  des  ganzen  Jahres  ohne  Störungen  blieb.  Der 
Kohlenhandel  ist  aber  nicht  nur  durch  den  Streik  in  Oberschlesien, 
sondern  weiter  auch  durch  den  Generalstreik  in  Belgien,  den  Dock- 
arb eiterstreik  in  England,  den  Streik  der  Bootsleute  auf  den 
deutschen  Wasserstraßen'  tind  femer  durch  die  Balkanwirren  fort- 
gesetzt in  Spannung  gehalten  worden.  Die  weichende  Konjunk- 
tur in  der  Eisenindustrie  hatte,  wenigstens  am  Berliner  ^larkte, 
vorerst  noch  wenig  Einfluß. 

Die  Einfuhr  niederschlesischer  Steinkohlen  nach  Berlin  und 
seinen  Vororten  betrug  in  Tonnen: 

Tab.  88.     Berlins  Zufuhr  an  niederschlesischer  Steinkohle  (in  Tonnen). 


1912 

1913 

gegen  1912 

I.  Quartal 

n. 
in. 

IV. 



108  630 
71083 
79  370 
76  293 

83  695 
38  753 
92  314 
87  901 

—  24  935 
+  12  670 
-+-  12  944 
-f  11  608 

Zusammen  | 

335  376 

347  663 

+  12  287 

Die  Einfuhr  hat  Isich  somit  gegen  1912  ,u!m  12  287  t  oder  zirka 
32/3  ^/o  erhöht.  Das  niederschlesische  Revier  nahm  ebenso  wie  die 
anderen  Kohlenbezirke  lebhaften  Anteil  an  der  günstigen  Kon- 
junktur und  war  in  der  Lage,  seine  Produkte  zu  höheren  Preisen  ab- 
zusetzen. Die  Versandziffern  haben  in  den  verschiedenen  Kohlen- 
bzw. Koksgattungen  durchweg  eine  Erhöhung  erfahren,  wozu 
neben  der  gesteigerten  J^achfrage  wesentlich  der  Umstand  bei- 
trug, daß  ein  Wagenmangel  in  dem  sonst  gekannten  Umfange 
nicht  zu  verzeichnen  war,  wenn  auch  vorübergehend  der  An- 
forderung vonj  Fahrzeugen  nicht  voll  entsprochen  werden  konnte. 
Flammkohlen  fanden  guten  Absatz.  Es  konnten  nicht  nur 
die  laufenden  Schlüsse  erneuert,  sondern  auch  Verbraucher  gefun- 
den werden,  welche  von  englischen  und  oberschlesischen  Kohlen 
zu  niederschlesischen  übergingen.  Sch!miedekohlen  waren 
während  des  ganzen  jJahres  ihrer  vorzüglichen  Eigenschaften 
wegen  stark  gefragt.  Steinkohlenbriketts  wurden  ebenso 
lebhai+   begehrt  und  waren   zeitweilig  sehr  knapp.    Der  Ueber- 


52.    Kohle. 


219 


gang  G^Qi"  Gaskoksverbraucher  zur  Verwendung  von  Schmelz- 
koks  nimmt  zu.  Schmelzkoks  waren  bei  guten  Preisen  an-i 
dauerrd  knapp.  Die  Wasserladung  wickelte  sich,  infolge  der 
sehr   günstigen   Schiffahrtsverhältnisse  durchweg   glatt   ab. 

Die  Berliner  Marktverhältnisse  haben  sich  für  das  nieder- 
schlesische  Eevier,  im  allgemeinen  nicht  verändert.  Was  den  Ab-; 
satz  der  einzelnen  Produkte  anbetrifft,  so  konnten  in  Industrie^, 
und  Flammkohlen  die  bisherigen  Geschäfte  erneuert  werden.  Gas- 
kohlen wurden  glatt  abgesetzt;  der  Versand  nach  dem  Berliner 
Bezirk  hat  etw^as  zugenommen.  Schmiedekohlen  waren  andauernd 
sehr  gefragt  nnd  konnten  mit  erhöhten  Preisen  verkauft  werden. 
Das  Gleiche  gilt  für  Steinkohlenbriketts,  die  zeitweise  recht  knapp 
waren.  Das  Geschäft  in  Schmelzkoks  hat  sich  befriedigend  ge- 
staltet und  sich  bei  erhöhten  Preisen  in  bezug  auf  den  Umfang 
im  Rahmen  des  Vorjahres  gehalten.  Die  Schiffahrt  war  während 
di&s  Berichtsjahres  ziemlich  regelmäßig  und  konnte  während  der 
ganzen  Schiffahrtsperiode  aufrechterhalten  werden.  Preilidhl 
waren  die  Frachten  zeitweise  recht  hoch.  Im  übrigen  konnte  die 
Wasserverladung  von  Schmelzkoks  in  diesem  Jahre  nur  in  be- 
schränktem Umfange  vor  sich  gehen,  da  durch  die  anhaltende 
Knappheit  in  Schmelzkoks  und  infolge  des  Fehlens  sämtlicher 
Bestände  die  Produktion  durch  den  gleichhiäßigen  Bahnversand 
vollauf  in  Anspinich  genommen  war. 

Die  Einfuhr  böhmischer  Braunkohlen  nach  Berlin  und  seinen 
Vororten  betrug  in  Tonnen: 


Zweit  erBericht. 


Böhmische 
Braunkohlen. 


Tab.  89.      Berlins  Zufuhr  an  böhmischer  Braunkohle  (in  Tonnen). 


II               1912 

1913 

1        gegen  1912 

I. 

Quarta] 

6  772 

5  414 

_ 

1358 

IL 

5  588 

5  563 

!         — 

25 

III. 

5  842 

6  657 

1     H- 

815 

IV. 

w                  

7  378 

6  665 

713 

Zusammen 


25  580 


24  299 


—      1281 


Die  Einfuhr  hat  sich  somit  gegen  1912  um  1281  t  oder  zirka 
5,30/0  vermindert. 

Die  Einfuhr!  von  Braunkiohlenbriketts  nach  Berlin  und  seinen 
Vororten  betrug  in  Tonnen: 


Braunkohlen- 
briketts. 

Erster  Bericht. 


Tab.  90.  Berlins  Zufuhr  an  Braunkohlenbriketts  (in  Tonnen). 


1912 

1913 

gegen  1912 

I.  Quartal 

II.         „             

m.      „        

IV.                n                      

549  652 
430  565 
564  923 
596  805 

556  491 
444  918 
608  755 
533  939 

+      6  839 
-h    14  353 
4-    43  832 
—    62  866 

Zusammen 

2  141  945 

2  144  103 

+      2  158 

220 


IV.    Montanindustrie. 


ZweiterBericht. 


Inländische 
Braunkohlen. 


Die  Einfuhr  hat  sich  somit  gegen  1912  nur  um  2158  t  ver- 
größert. Im  Berichtsjahr  hat  die  Einfuhr  also  weitaus  nicht  in 
dem  !Maße  zugenommen  wie  im  Jahre  1912.  Die  Ursache  hiervon 
ist  in  der  außergewöhnlichen  milden  Witterung  des  Winters  zu 
suchen,  durch  welche  die  Nachfrage  in  Salonware  eine  wesentliche 
Einschränkung  erfahren  hat.  Wenn  sich  trotzdem  gegen  das  Vor- 
jahr immerhin  noch  ein  kleines  Plus  von  2158  t  ergibt,  so  ist 
dieses  lediglich  darauf  zurückzuführen,  daß  infolge  der  unauß- 
gese tzten  Bemüh ung-en  sowohl  seitens  des  Syndikats  wie  auch 
der  Handelsgroßfirmen  das  Industriebrikett  in  Verbraucherkreisen 
immer  mehr  Anklang  findet.  Die  Einfuhr  an  Industriebriketts 
betrug  im  Jahre  1913  schätzungsweise  674  300  t.  Unbestellte 
Sendungen  in  Salonware,  wie  sie  in  den  Vorjahren  mehrfach 
vorgekommen  sind,  haben  sich  im  gegenwärtigen  Berichtsjahr 
nicht  wiederholt. 

Infolge  der  Auflösujig  des  mitteldeutschen  Braunkohlen- 
brikettsyndikates haben  die  bisher  in  demselben  vereinigten 
Werke,  da  es  ihnen  infolge  der  riesigen  Produktionssteigerung  an 
Absatzmöglichkeiten  in  ihrem  natürlichen  Absatzgebiete  fehlte, 
einen  Teil  ihrer  Produktion  auf  den  Berliner  Markt  geworfen  und 
hier  eine  große  Beunruhigung  hervorgerufen.  Wenngleich  die 
mitteldeutschen  Qualitäten  wegen  verschiedener  Eigenschaften, 
beispielsweise  wegen  hohen  Schwefelgehaltes,  sich  für  den  Berliner 
Markt  wenig  eignen,  so  ist  es  ihnen  doch  gelungen,  sich  bei  der 
Industrie  durch  außergewöhnlich  niedrige  Preise  Eingang  zu 
verschaffen,  zumal  die  Niederlausitzer  Werke  sich  mit  Rücksicht 
auf  die  besseren  Eigenschaften  ihrer  Marken  nur  schwer  zu  Er- 
mäßigungen der  Preise  verstehen  könnten.  Nicht  unerAvähnt  sei, 
daß  die  Bergbau-A.-G.  Ilse  aus  dem  Syndikat  lausgetreten  ist,  weil 
sie  sich  in  ihrer  Ausdehnung  und  Entwicklungsmöglichkeit 
behindert  fühlte. 

Die  Einfuhr  inländischer  Braunkohlen  nach  Berlin  und  soinen 
Vororten  betrug  in  Tonnen: 


Tab.  91.      Berlins  Zufuhr  an  inländischer  B 

raunkohle  (in 

Ton 

nen). 

1912               1 

1913 

gegen  1912 

I.  Quartal 
II.        ., 
III.        „ 
IV. 



4  837 
3  776 
3  189 

5  383 

4  581 
2  931 
2  731 
2  991 

1 

! 

—  256 

—  845 

—  1458 

—  2  392 

Zusammen 

i          17  185           1 

13  234 

I 

—  3  951 

Koks. 
Erster  Bericht. 


Die  Einfuhr  hat  sich  somit  gegen  1912  wiederum  verringert 
und  i:war  um  3951  t  oder  zirka  23  o/o. 

Zu  Ende  des  Geschäftsjahres  1912/13  machte  sich  für  die 
Gasanstalten  ein  Mangel  an  Gaskohlen  bemerkbar.  Infolge  der 
hohen    Preise,    welche   für   diese   Kohlensorte   gefordert  wurden, 


1 


52.    Kohle. 


221 


gingen  einzelne  Gasanstalten  dazu  über,  den  erzeugten  Gaskoks 
teilweise  zur  Wassergasbereitung  zu  verwenden.  Damit  wurden 
erhebliche  Quantitäten  dem  Markte  entzogen,  und  es  entstand 
eine  Knappheit,  welche  eine  Preissteigerung  für  Gaskoks  hervor- 
rief. Es  kommt  hinzu,  daß  einzelne  Gasanstalten  infolge  erhöhter 
ßeklaxme  für  Gaskoks  einen  steigenden  Absatz  bei  den  Ortsver- 
brauchern erzielten  und  geringere  Mengen  als  bisher  zur  Abgabe 
nach  auswärts  frei  hatten.  Infolgedessen  war  die  Marktlage  für 
Gaskoks  mit  Beginn  des  Gneschäftsjahres  1913/14  sehr  angespannt, 
und  aus  diesem  Grunde  sowie  weil  die  Gaskohlen  weiterhin  im 
Preise  gestiegen  wai-en,  forderten  die  Gaswerke  erheblich  höhere 
Preise  für  1913/14,  als  sie  für  1912/13  erzielt  hatten.  Der  Gaskoks 
wurde  bis  zu  60  und  70  Alk.  pro  10  t  im  Preise  gesteigert.  Trotz- 
dem hat  die  Nachfrage  nicht  nachgelassen,  wohl  weil  in  den  ver- 
besserten Anlagen  der  Gasanstalten  zurzeit  ein  Koks  produziert 
wird,  der  an  Güte  dem  Zechenkoks  kaum  nachsteht.  Trotz  der 
Sommermonate  kamen  deswegen  die  Gaswerke  bisher  nicht  zu 
Vorräten. 

Die  Aussichten  für  Gaskoks  waren  zu  Beginn  und  im  Ver- 
lauf des  ganzen  Jahres  bis  in  die  letzten  Wochen  hinein  als 
sehr  günstig  zu  bezeichnen,  da  die  Anstalten  zu  keinen  Be- 
ständen kommen  konnten  und  ihre  Produktion  und  zwar  mit 
um  4  Mk.  für  die  Tonne  höherem  Preise  wie  im  Vorjahre  ver- 
kauft hatten.  Es  war  daher  im  allgemeinen  eine  große  Knapp- 
heit vorhanden.  Infolgedessen  hat  der  Handel  auch  ziemlich  viel 
ausv;ärtigen  Koks  herangezogen,  um  für  den  Winter  gesichert 
zu  sein.  Da  aber  winterliches  Wetter  bis  zum  Jahresschluß 
ausblieb,  schlug  die  Stimmung  in  das  Gegenteil  um,  eine  Er- 
scheinung, die  nicht  zu  verwundern  ist,  denn  der  Koksabsatz 
hängt  mehr  als  der  jedes  anderen  Materials  von  der  Witterung 
ab.  In  Schmelzkoks  hat  das  Rheinisch- Westfälische  Syndikat 
seinen  Mitgliedern  eine  erhebliche  Produktionseinschränkung 
auferlegen  müssen. 

Nicht  unerwähnt  soll  bleiben,  daß  das  Publikum  mehr  und 
mehr  zu  der  für  den  Detailvertrieb  bestehenden  Koks-Konvention 
Vertrauen  faßt,  zumal  da  die  von  dieser  Konvention  einge- 
richtete und  streng  durchgeführte  Kontrolle  hinsichtlich  reeller 
Eieferung  sich  bestens  bewährt  und  das  Publikum  vor  Schaden 
schützt. 

Der  Winter  1912/13  war  in  seinem  Verlauf  im  allgemeinen 
milde.  Zwar  brachte  der  Januar  zwei  kurze  Kälteperioden  und 
belebte  dadurch  den  Geschäftsgang.  Sonst  herrschte  aber  fast 
nur  in  den  Näöhten  Frost,  während  am  Tage  gelindere  Tempe- 
raturen überwogen.  Trotz  der  im  ganzen  wenig  winterlichen 
AVitterung  machte  sich  im  Januar  beim  Einsetzen  des  Frostes 
ein  Mangel  an  Gaskoks  bemerkbar.  Vorräte  waren  auf  den  An- 
stalten  nicht  vorhanden,  und   da   auch   die  englische  Gasanstalt 


ZweiterBerichL 


Detailgeschält 


222 


rV.    Montanindustrie. 


Detailhandels- 
preise 


ihren  Abnehmern  die  Schluß quantitäten  um  13  o/o  kürzte,  trat 
für  den  Händler  ein  erheblicher  Ausfall  ein.  Um  seine  einge- 
gan^nen  Verbindlichkeiten  decken  zu  können,  war  er  zur  Be- 
willigung wesentlich  höherer  Preise  genötigt.  Unter  diesen  Ver- 
hältnissen verblieben  ihm  nur  geringe  Quantitäten  zur  freien 
Verfügung,  so  daß  die  eingetretene  Preissteigerung  nicht  ausge- 
nutzt werden  konnte.  Auch  in  Briketts  waren  erstklassige 
GMarken  im  Januar  knapp.  In  der  zweiten  Hälfte  des  März 
herrschte  bereits  ein  derart  warmes  Wetter,  daß  das  Heize q  ein- 
gestellt werden  konnte.  Zwar  trat  in  der  zweiten  Monatshälfte 
de.s  April  ein  Rückschlag  ein,  doch  blieb  die  dadurch  veranlaßte 
Wiederaufnahme  des  Heizens  auf  nur  zirka  14  Tage  beschränkt. 
Die  Sommermonate  waren  sehr  still,  der  Bedarf  an  Brennmaterial 
verringeri  sich  immer  mehr,  je  weitere  Kreise  zur  Benutzung 
von  Gaskochern  während  der  warmen  Jahreszeit  übergehen.  Auch 
die  zur  Hebung  des  Absatzes  in  der  stillsten  Zeit  für  die  Mo- 
nate Mai,  Juni  und  Juü  für  einzelne  Artikel,  insbesondere  für 
Briketts,  eingeführten  Ausnahmepreise  fanden  zur  Eindeekung 
des  Winterbedarfes  wenig  Beachtung,  sondern  wurden  in  auf- 
fällig geringem  Grade  benutzt.  Erst  im  September,  in  welchem 
zur  Mitte  des  Monats  die  Winterpreise  in  Kraft  traten,  war  ein 
etwas  regeres  Geschäft  zu  verzeichnen.  Alles  in  allem  ließ  der 
Geschäftsgang  zu  wünschen  übri^.  Dieser  Umstand  ist  auöh 
wohl  mit  als  Ursache  dafür  anzusehen,  daß  die  Bedingungen 
der  im  Januar  verlängerten  Koks-,  Steinkohlen-  und  Brikett- 
Konventionen  trotz  teil  weiser  Verschärfung  nicht  immer  ein- 
gehalten und  die  festgesetzten  Preise  häufig-  unterboten  warden. 
Die  Preise  stellten  sich  im  Detailgeschäft  für  einen.  Zentner 
frei  Keller  je  nach  Quantum: 

Tab.  92.     Berliner  Kohlenpreise  im  Detailhandol  (in  Mark  p.  Ztr.  frei  Keller). 


Oberschlesische  Steinkohlen, 
Stück.  Würfel,  Nuß  I  .  . 
Nuß  II 

Böhmische  Braunkohlen  .     . 

Englischer  Anthracit  .     .     . 

Salonbriketts 

Industriebriketts 


Sommer  1913 

Winter  1913 

M.  1,70     . 

M.  1.75 

»     1,60                  i 

„    1.65 

.    1,65 

«    1,70 

„    2,60                i 

.    2,65 

r.        l,lfi                                1 

„    1,23 

„    1.05                 ' 

.    1,10 

Deutsche 
Gesamt- 
produktion. 


Die  gesamte  deutsche  Produktion  an  Stein-  und  Braunkohlen, 
Koks,  Briketts  und  Naßpreßsteinen  betrug  in  den  letzten  Jahren  : 


Tab.  9:i.  Kohlenproduktion  im  Deutschen  Reiche  (in  1000  t). 


■|| 

1911            1 

1912 

1913 

Steinkohlen ,     . 

160  742 

177  095 

191  511 

Braunkohlen 

■   ,i 

73  517 

82  340 

87  116 

Koks 

!l 

25  405 

29  141 

32  168 

Briketts  und  Naßpreßsteine  . 

•  il 

21  828 

24  392 

27  241 

53.    Eoheisen   und  Fertigeisen. 


223 


Die    GesamtemfTihr   an   Steinkohleai   und   Braunkohlen   nach 
Deutschland  weist  für  die  gleichen  Jahre  folgende  Ziffern  auf: 


Tab.  94. 


Deutschlands  Kohleneinfuhr  (in  1000  t). 


1911 


1912 


1913 


Steinkohlen  . 
Braunkohlen 


10  914 

7  069 


10  380 
7  266 


10  540 

6  987 


Die  deutsche  Gresamt ausfuhr  an  Stein-  und  Braunkohlen  be- 
lief sich  auf: 


Außenhandel. 


Tab.  95. 

Deutschlands  Kohlenausfuhr  (in  1000  t). 

i           1911 

1912 

1913 

Steinkohlen  . 
Braunkohlen 

1! 
27  412 

58 

31145 

57 

35  574 
60 

Hiernach  ergibt  sich  für  Deutschland  ein  Eigenverbrauch  (d.  h. 
Produktion  -\-  Einfuhr  —  Ausfuhr)  an  Steinkohlen  und  Braun- 
kohlen (in  1000  t) : 


Tab.  96.            Kohlenverbrauch  im  Deutschen  Reiche  (in  1000  t) 

• 

il         1911 

1912 

1913 

Steinkohlen 144  247 

Braunkohlen 80  528 

156  332 
89  545 

167  477 
94  043 

53.    Eoheisen    und   Fertigeisen. 
1.  Roheisen. 
Nach  den  Ausweisen  ides  Vereins  deutscher  Eisen-  und  Stahl- 
industrieller  hatte  die  deutscbe  Boheisenproduktion   in  den  ein- 
zelnen Monaten  der  letzten  drei  Jahre  folgenden  Umfang : 


Tab.  97.      Monatsziffern  der  deutschen  Roheisenproduktion 

in  Tonnen. 

1911 

1912 

1913 

Januar 

1320  712 

1  385  493 

1609  714 

Februar 

1  173  137 

1  337  134 

1492  511 

März 

1  322  142 

1  446  143 

1  628  190 

April 

1  285  396 

1  451  404 

1  587  300 

Mai 

1312  255 

1  492  157 

1  641  646 

Juni 

1  262  997 

1  452  657 

1  608  305 

JuH 

1  290  106 

1  505  360 

1647  718 

August 

1  284  302 

1  526  831 

1  038  824 

September 

1  250  702 

1518  623 

1  589  197 

Oktober 

1  334  941 

1  633  539 

1  651  447 

November 

1313  896 

1  537  205 

1  587  288 

Dezember 

1  377  637 

1  566  025 

1  609  680 

Die  Statistik  des  Vereins  ergibt  ftir  die  genannten  drei  Jahre 
eine  JahresTproduktion  von: 


1911 

1912 
in    Tonnen 

1913 

15  534  223 

17  868  909 

19  291920 

Eigen- 
verbrauch. 


Roheisen- 
Produktions- 
statistik. 


224 


IV.    Montanindustrie. 


Krster  Bericht. 


Handel. 


Dem  Jahresbericht  der  Eirma  S.  Elkaii  &  Co.  in  Hamburg 
entnehmen   wir    folgendes : 

Die  Hoffnung  auf  eine  ungeschwächte  Aufwärtsentwicklung 
der  Eisienindustrie,  mit  der  das  Jahr  1912  ausklang,  hat  rieh 
nicht  erfüllt.  Tetire  Geldsätze  beeinträchtigten  die  Unter- 
nehmungslust, insbesondere  m  der  Bautätigkeit,  und  das  gesamte 
Gesdiäftsleben  wurdie  duröh  politisidhe  Beunruhigungen,  insbe- 
sondere  durch  die  Balkanwirren,  immer  von  neuem  aus  dem  Gleich- 
gewicht gebracht. 

Auf  dem  deutselien  l^oheisenmarkte  traten,  dank  der  Ein- 
sicht des  Roheisen v^erbandes,  der  im  März  bis  1917  verläiig-ert 
wurde,  die  Preisschwankung'en  nicht  so  in  die  Erscheinung  wie 
im  Ausland.  Der  iWarrantsmarkt  —  das  vBarometer  für  alle 
Eisen  markte  —  zeigte  dagegen  Scli  wankungen  von  kaum  je  vor- 
her dagewesenem  Umfange.  Der  Preis  fü.r  Middlesbro- Warrants, 
der  im  JaJire  1912  von  48/8  bereits  auf  67/-  hinaufgegangen  war, 
stieg  bis  Ende  Mai  weiter  auf  70/6,  um  dann  rapide  am  10.  Juni 


Tab  98. 


Deutsche  Roheisenpreise  im  Jahre  1913 


I      Januar 


Februar 


März 


April 


Mai 


"West-  und 
Süddeutschland 
Hematite      ) 
Gießerei  1   i  ab  Werk 
Gießerei  3  J 

Luxemburger  3 

ab  Luxemburg 

Nord-,  Mittel-  und 
Ostdeutschland 
Hematite      |  frachtfrei 
Gießerei  1    >      Ver- 
Gießerei 3  J  brauchsort 

Luxemburger  3 

ab  Luxemburg 


8IV2 

771/2 
741/2 

63-65.- 


86i/o-87Vo 
321/^-831/2 
79\/2-80i/2 

6OI/2-62.- 


8IV2 

771/0 
741/2 

68-70.- 


66V2-87'2 
821/2-831/2 

791/2-8OI/2 
651/2-67.- 


861/,  861/0 

821/2  :  821/; 
791/2      791/2 


68-70. 


68-70. 


911/2-921/2  91V0-921/2 

871/2-881/2  871/2-88I/2 
841/0-851/2  841/2-851/0 


86I/0 

821/; 

791/2 

68-70.— 


917,-921/, 

871/0-881/2 
84i/;.85i/2 


651/2-67.- 1651/2-67.- i  651/2-6' 


Tab.  99. 


Durchschnittspreise  von  M.  N.  Warrants 


i 

Januar 

Februar     ]        März 

Aprü 

Mai 

Juni 

1911  .     .     i 

1912  .     . 

1913  .     . 

55.8 
55.6 
72.2 

55.OV2            54.- 
55  1                56.8 
68.6         i       70.6 

52,71/2 

59.3 

72.7 

52.2 

59.11 

73.8 

52.4 
61.4 
63.10 

Tab.  100. 

Durchschnittspreise  von  Warrants 

Januar 

Februar     i 

März 

AprU        1         Mai 

Juni 

1911  .    . 

1912  .     . 

1913  .    . 

4971/2 
49.6 
1     66.- 

49.-    1 

49.2        i 
62.71/2     1 

47.11 
50.10 
64.5 

46.71/2           46.1 
53.2              53.11 
66.6         1      67.4 

46.4 
54.9 
55.6 

53.    Roheisen   und  Fertigeisen. 


225 


auf  55/4  imd  bis  zum  21.  Niov.  auf  48/6  zurückzug^eihein. 
Von  da  an  zeigte  siöh  »eine  leiohte  Erholung,  so  daß  das  Jahr 
mit  einem  Preise  von  50/6  schloß.  Der  internationale  ßoheisen- 
handel  stand  unter  dem  Zeichen  dieser  beispiellosen  Elrschüitte- 
rungen.  Für  die  gesunde  Lage  des  Geschäfts  spricht  es,  daß  selbst 
der  überraschende  Zusaanmenbruch  des  ersten  englischen  Hoh- 
eisenhauses,  dessen  Folgen  anfangs  unübersehbar  und  unheilbair 
erschienen,    schnell   verschmerzt   wurden. 

Die  Bx>heisenprodüktion  in  Deutschland  einschl.  Luxemburg 
bezifferte  sich  auf  19  291  920  t  gegen  17  852  571  t  im  Jahre  1912, 
davon  wurden  1912  1055  611  t,  dagegen  1913  oa.  300000  t  ex- 
portiert.  Großbritannien  produzierte  9100  000  t  im  Jahre  1912 
und  oa.  10  000  000  t  im  Jahre  1913,  davon  im  Middlesbro-Distrikt 
3  357  708  t  im  Jahre  1912  (bei  zweimonatlichem  Streik)  gegen 
ca.   3  500  000  t  im  Jahre  1913. 

Die  öffentlichen  Läger  in  Middlesbro  —  die  einzige  siclit- 
bare  Eeserve  der  Welt  —  sind  von  536  634  t  Ende  1911  auf 
241835  t  Ende   1912  und  139  799  t  Ende  1913  zurückgegangen. 


Produktion. 


Vorräte, 
Aussichten 


(Syndikatspreise  in  Mark  für  1000  kg). 


Juni 


86V2 
82V2 
79V2 

3-70.— 


91V2-92S'. 


Juli 


August         September  ,      Oktober     1   November       Dezember 


8IV2 
771/2 

74V2 
63-65.— 


861/2-871/2 


871/2-881/2  i  831/2-841/2 
841/2-851/2  !  8OV2-821/2 

I 
651/2-67.-  I  6OI/2-62.- 


8 11/2 
771/2 
741/2 

63-65.— 


8I1/2 

771/2 
741/2 


63-6J 


8II/2 

771/2 
74V, 

63-65.- 


8IV2 
771/2 
741/2 

63-65.— 


8IV2 

771/2 
741/2 

63-65.- 


in  Anpassung  an  den  Auslandsmarkt  von  87^/2  bis  ca.  80.— 

831/2-84 V2  i  831/2-841/2  I  831/2-84V2  !  831/2-841/2  i  831/2-841/2 
801/2-821/2  s  8O1/2-821/2  I  8OI/0-821/0    8O1/2-821/2  i  8O1/2-821/2 

:       !  ■  ",       i 

in  Anpassung  an  den  Auslandsmarkt  von  62.—  bis  ca.  55.— 


f.  a.  B.  Glasgow  (Pfd.  Sterl.  für  1  t). 


Juli 


August       September  i    Oktober 


November    Dezember 


Durchschnitts- 
preis 


52.91/0  53.11/2 

63  3  67.51/2 

64.6  62.80 


52.7 
72.6 
60.11 


52.41/2 

72.6 

58.4 


53.21/4 

73.6 

55.5 


55.4 
73.3 
55.11 


53.5 
64.2 
64.11 


fob.  M  i  d  d  1  e  s  b  r  0  (Pfd.  Sterl.  für  1  t). 

1                   j 
Juli         1     August      ^  September  1     Oktober 

November 

Dezember 

Durchschnitts 
preis 

46.91/2 

57.5 

55.3V2 

i                   1 
47.2        ,     46.61/2     1       46.4 
61.6            66.2              66.5 
55.-     1     54.11             52.2 

47.2 
67.5 
49.31/2 

49.5 
67.2 
49.11 

47.5 
58.1 
58.3 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


15 


22(. 


IV.    Montanindustrie. 


Roheisen 
preise. 


ZweiterBericht. 


Geschäftsgang. 


Preise. 


Nichtsdestoweniger  hat  sich  die  Zahl  der  im  Middlesbro- 
Distrikt  in  Betrieb  befindlichen  Hochöfen  von  89  im  Vorjahre, 
auf  74  vermindert,  weil  es  anscheinend  den  Fabrikanten  bei  dem 
tteuren  Stande  des  Brennmaterials  immer  schwerer  wird,  ihre 
Rechnung  in  Einklang  mit  den  Tagespreisen  zu  bringen.  Dieses 
Mahnzeichen  sollte  in  der  deutschen  Kohlenindustrie  nicht  un- 
beachtet bleiben,  auf  deren  Weitsicht  die  Fortentwicklung  und 
Exportkraft  des  heimischen  Eisen-  und  Stahlhandels  nicht  zum 
wenigsten  angewiesen  ist.  Denn  ebenso  wie  Amerika  unter  dem 
Druck  seiner  1913  (auf  schätzungsweise  31100  000  t  angewach- 
senen Eoheisenproduktion.  im  GLf,a|ufe  des  zweiten  Halbjabrs  zu 
erheblichen  ProduktionseinsclLränkungen  übergegangen  ist,  ohne 
nennenswerte  Preisaufbesserungen  zu  erzielen,  so  dürfte  sich  auch 
auf  den  europäischen  <Boheisenniärkten  nur  langsam  die  Neu- 
belebung fühlbar  machen,  die  von  der  Erleichterung  des  Geld- 
marktes erwartet  wird. 

Aus  dem  Jahresbericht  der  Firma  S.  Elkan  &  Co.  bringen 
wir  ferner  auf  Seite  224  und  225  mehrere  Tabellen  der  deutschen 
und  der   englischen  Roheisenpreise. 

Eine  Berliner  Firma  berichtet  uns  über  das  Geschäft  in 
Gießereiroheisen : 

Die  Beschäftigung  der  Eisengießereien  war  bis  gegen  Ende 
des  dritten  Quartals  im  allgemeinen  sehr  reichlich,  so  daß  die 
^itens  des  Eoheisenverbandes  dem  deutschen  Markt  zur  Ver- 
fiügtiQg  gestellten  Miengen  Gießereiroheisen  leicht  Aufnahme 
fanden.  Die  Gießereien  beeilten  sich,  sobald  der  Roheisenverband 
den  Verkauf  für  Lieferungen  bis  Jahresende  freigegeben  hatte, 
ihre  Abschlüsse  anzumelden,  und  die  Abrufe  hielten  sich  hm 
zum  September  im  gix>ßen  ganzen  im  Rahmen  der  abgeschlossenen 
Mengen.  Im  Herbst  setzte  jedoch  lallgemein  eine  erhebliche  Ab- 
schwächung  der  Konjunktur  ein,  die  sidh  auch  im  Boheisengeschäft 
durch  bedeutend  verminderte  Abrufe  fühlbar  machte.  Der  Ver- 
sand des  Eoheisenverbandes  ging  im  November  a>uf  ca.  8 2 o/o,  im 
Dezember  sogar  auf  Ida.  78 o/o  der  Beteiligungsziffern  zurück. 
Im  Oktober  gab  der  Roheisen  verband  den  Verkauf  für  das  erste  Se- 
mester 1914  frei.  Doch  zeigte  sich  die  Kundschaft  trotz  der 
Preisermäßigungen,  zu  denen  der  Verband  sich  entschlossen 
hatte,  sehr  zurückhaltend,  iso  daß  bis  zum  Jahresende  nur  ver- 
hältnismäßig wenig  neue  Abschlüsse  zustande  kamen.  Vielfach 
hatten  die  Eisengießereien  infolge  des  Minderverbrauches  auch 
mit  erheblichen  Rückständen  aus  den  |ür  das  zweite  Semester 
1913  allzu  reichlich!  getätigten  Abschlüssen  ,zu  rechnen,  und 
manche  Gießerei  ist  mit  so  großen  alten  Abnahmeverpflichtungen 
ins  Jahr  1914  hinüberg-egangen,  daß  für  den  Bedarf  für  das 
erste  Quartal  1914  genügend  gesorgt  war. 

Die  vom  Roheisenverband  festgesetzten  Preise  stellten  sich 
für  Berlin  wie  folgt: 


53.    Roheisen  und  Fertigeisen.  227 

Tab.  101.   Berliner  Roheisen  preise  (in  Mark  für  IQQQkg,  frei  Waggon  Berlin). 

II I.  Semester  1913jir.Semesterl913|  I.  Semester  1914 


Hemalite- Roheisen 

Gießerei-Roheisen  Nr.  I  .  .  . 
Gießerei- Roheisen  Nr.  III  .  . 
Luxemburger  Roheisen  Nr.  III 


86  50 

86.50   ' 

83  50 

82  50 

83.50 

80  50 

79.50 

80.50 

74,50 

75.— 

76.— 

69.— 

Wie  aus  dieser  Zusammenstellung  ersiditlich,  hat  sich  der 
Boheisienverband  zu  erheblichen  Preisermäßigungen  für  Ab- 
schlüsse für  das  erste  Semester  1914  verstehen  müssen.  Er  hat 
dabei  lq  erster  Linie  der  drohenden  Konkurrenz  Englands  Jttech- 
nung  getragen.  Middlesbro-Roheisen  No.  3,  das  im  Mai  seiaen 
höchsten  Stand  mit  70/-  sh  fob  Middlesbro  erreicht  hatte,  ging 
stetig  im  Preise  zurück  und  erreichte  im  November  einen  Preis 
von  48/6  sh,  womit  sich  nacli  langer  Zeit  wiederum  die  MögHchkeit 
bot,  englisches  Roheisen  trotz  des  hohen  Eingangszolles  mit  Vor- 
teil an  den  deutschen  Markt  zu  bringen.  Diese  Situation  kam 
besonders  den  Gießereien  in  den  deutschen  Küstengebieten  zu- 
statten, denen  der  Iloh  eisen  verband  besondere  Preisvergünstigun- 
gen einräumen  mußte,  um  sich  des  englischen  Wettbewerbes 
zu  erwehren. 

AYenn  der  Roheisenverband  somit  auch  der  fremden  Kon- 
kurrenz gegenüber  das  Nötigste  getan  hat,  so  hat  er  nach  An- 
sicht der  deutschen  Verbraucher  doch  nicht  der  allgemeinen  ver- 
schlechterten Geschäftslage  genügend  Reclinung  getragen.  Auch 
manche  andere  von  der  Kundschaft  als  Härten  empfundene  Maß- 
nahmen des  Verbandes  boten  Anlaß  zu  Klagen  und  führten  dazu, 
daß  gegen  Jahresende  lebhafte  Bestrebungen  zur  Gründung  eines 
Verbandes  der  Eisengießereien  in  Fluß  kamen,  der  dem  Roheisen- 
verband  gegenüber  die  Interessen  der  Verbraucher  erfolgreicher^ 
vertreten  siollte,  als  es  dem  Einzelnen  möglich  war.  In  Berlin 
tvturde  der  „Gießereiverband''  gegründet,  dem  eine  erheblich« 
AnzaJil  bedeutender  Werke  beitrat.  Es  ist  dem  Roheisen  verband 
nachzurühmen,  daß  seine  Preispolitik  wahrend  der  Zeit  der  Hoch- 
konjunktur recht  vorsichtig  wao:,  so  daß  Ausschreitungen  ver- 
mieden wurden.  Eine  Haltung  des  Verbandes,  die  auch  in  schlech- 
teren Zeiten  sich  den  Ausgleich  der  Gegensätze  zur  Aufgabe 
macht,  würde  nach   allen  Seiten  Nutzen  stiften. 

2.  Walzeisen. 

Die  deutsche  Eisen-  und  Stahlindustrie  hatte  auch  im  Be- 
richtsjahre wiederum  eine  Zunahme  der  Produktion  zu  verzeichnen, 
und  es  wäre  bei  der  starken  wirtschaftlichen  Entwicklung  Deutsch- 
lands gewiß  auch  möglich  gewesen,  diese  erhöhte  Produktion 
voll  abzusetzen,  wenn  nicht  die  politischen  Beunruhigungen  das 
Geschäftsleben  gestört  hä.tten.  Die  Hoffnungen,  daß  der  Friedens- 
•Schluß  im  Orient  eine  Klärung  der  politischen  Verhältnisse  und 

15* 


Politik 

des  Roheiseu 

Verbandes 


Allgemeine 
Entwicklung 
des  Walzeisen- 
marktes. 


228 


IV.    Montanindustrie. 


Verbands- 
bestrebungen. 


Auslands- 
markt. 


Stabeisen. 


damit  auch  ein  erneutes  i^uf leben  der  wirtschaftlichen  Tätigkeit 
zur  Folge  haben  werde,  haben  sich  als  trügerisch  erwiesen.    Da- 
zu kam  die  von  Tag  zu  Tag  zunehmende  Versteifung  des  Geld- 
marktes    und    die    hierdurch    hervorgerufenen    Maßnahmen    der 
Banken,  die  eine  bisher  unbekajinte  Einschränkung  des  Kredites- 
vornahmen.    Der  Eisenmarkt,  der  zu  Anfang  des  Jahres  infolge 
der  noch  vorhandenen  mehrmonatlichen  Beschäftigung  der  Werke 
eine  gewisse  Widerstandsfähigkeit  zeigte,  ließ  deshalb  bald  eine 
sehr  bemerkbare  Erschlaffung  erkennen,  besonders  als  die  Werke 
in  dem  Bestreben,  sich  für  später  Arbeit  zu  sichern,  mit  billigeren 
Preisen  •  herauskamen     und     als     auch    diese   Preisermäßigung 
sich  als  unwirksam  zur  Auftragsbeschaffung  erwiesen  hatte.   Der 
Großhandel,    an   den   von   seinen  Abnehmern   immer  höhere   An- 
forderungen  hinsichtlich   der   Kreditgewährung   gestellt  wurden, 
beschränkte   sich   bei   seinen   Käufen    auf   ein   Mindestmaß,   weil 
er  angesichts  der  Lage  des  Geldmarkts  und  der  unsicheren  po- 
litischen   Lage    seiner    Kundschaft    gegenüber    darauf     Bedacht 
nehmen    mußte,     die     Außenstände    nicht    allzusehr    anwachsen 
zu  lassen.    Unter  diesen  Umständen  sanken  die  Preise  der  nicht- 
syndizierten  Eisen-  und  Stahlerzeugnisse  im  Verlaufe  des  Berichts- 
jahres   auf   einen    Stand   herab,   der  gegenüber  dem   Beginn   des 
Jahres    einen    ungefähren    Preisabschlag    von    30 o/o    ergab. 

Die  Folge  waren  erneute  Verhandlungen  der  Werke  zwecks 
Bildung  eines  Stabeisensyndikats.  Es  schien  auch,  als  ob  die 
mehrmonatigen  Beratungen  einen  Erfolg  haben  würden.  Des- 
halb waren  die  Werke  bestrebt,  ihre  Produktion  nach  Möglich- 
keit zu  erhöhen,  um  sich  hohe  Beteiligungsziffem  zu  sichern.  Ala 
dann  die  Verhandlungen  Ende  Juli  wegen  zu  hoher  Quoten« 
forderungen  einzelner  Werke  scheiterten,  führte  das  Bestreben 
der  Werke,  sich  für  ihre  erhöhte  Produktion  Absatz  zu  ver- 
schaffen, mit  Notwendigkeit  zu  weiteren  Preiskonzessionen. 

Die  gleichen  Verhältnisse  wie  auf  dem  Inlandmarkt  traten 
auch  im  Auslandsgeschäft  in  die  Erscheinung;  auch  hier  war  eine 
andauernde  Rückwärtsbewegung  der  Preise  festzustellen.  Belgien, 
das  ganz  besonders  auf  den  Export  angewiesen  ist,  kam  immer 
aufs  neue  mit  Unterbietungen  auf  den  Markt.  Die  deutschen 
Werke  waren  dadurch  genötigt,  zu  folgen,  um  sich  ihren  Ab- 
satz im  Auslande  auch  fernerhin  zu  sichern.  Auch  die  unauf- 
hörlichen Unruhen  am  Balkan  und  in  Ostasien  brachten  das  Ex- 
portgeschäft mehr  und  mehr  zum  Stocken.  Die  Preise  sankeiv 
unter  diesen  Verhältnissen  auf  einen  Tiefstand,  der  keinen  Nutzen 
mehr  ließ. 

Der  Artikel  Stabeisen,  der  den  weitaus  ersten  Platz  unter  den- 
Fertigprodukten  der  deutschen  Eisenindustrie  einnimmt,  hatte  in 
erster  Linie  unter  der  Ungunst  der  vorstehend  geschilderten  Ver- 
hältnisse zu  leiden.  Der  Inlandskonsum  blieb  gegenüber  dem  Vor- 
jahre merklich   zurück.    Angesichts  der  erhöhten  Produktion  der 


53.    Roheisen   und  Fertigeisen.  229 

«deutschen  Walzeisenwerke  wird  es  auch  weiterhin  ihr  Bestreben  sein 
müssen,  für  ihre  Mehrerzeugnng  den  nötigen  Absatz  im  Auslande 
zu  suchen.  Es  ist  erfreulicherweise  zu  konstatieren,  daß  esi  mög- 
lich war,  im  Berichtsjahre  die  deutsche  Ausfuhr  auf  etwa 
1  Mill.  t  zu  bringen.  Die  Preise  für  Flußstabeisen  bewegten 
.sich  auf  dem  Inlandmarkte  in  absteigender  Richtung  von  125  Mk. 
ab  Oberhansen  und  115  Mk.  ab  Saar  werk  zu  Beginn  des  Jahres 
bis  auf  97  Mk.  ab  Oberhausen  und.  90  Mk.  ab  Saarwerk  zu 
Ende  des  Jahres,  und  auf  dem  Exportmarkte  von  120  Mk.  bis 
116  Mk.  fob.  Seehafen  zu  Beginn  des  Jahres  bis  auf  92  Mk. 
bis  89  Mk.  am  Jahresende.  Die  Berliner  Lagerp  reise  stellten 
:3ich  zu  Beginn  des  Jahres  für  Flußstabeisen  auf  175  Mk.,  für 
Schweißeisen  auf  195  Mk.,  für  Grobbleche  auf  185  Mk.  und  für 
Feinbleche  auf  200  Mk.  für  1  t  gegenüber  135  bzw.  160  bzw. 
155  bzw.  165  Mk.  am  Ende  des  Jahres. 

Unter  dem  Drucke  der  Wirren  auf  dem  Balkan  hat  die  Eisen-        Feinbleche; 

vcrzinktG 

ausfuhr    und    im    besonderen   der   Export   von   verzinkten   Eisen-  Bleche, 

blechen  nach  den  Donaustaaten  fast  gänzlich  nachgelassen.  Die 
Preise  sind  daher  im  Laufe  des  Jahres,  insbesondere  im  III.  Quar- 
tal, im  Auslands-  wie  im  Inlandsgeschäft  auf  einen  Tiefstand 
gesunken,  wie  er  seit  langen  Jahren  nicht  zu  verzeichnen  war, 
so  daß  die  Erzeugung  nur  mit  erheblichen  Verlusten  möglich 
war.  Wenn  auch  die  Syndikate,  welche  den  Werken  die  Roh- 
und  die  Halbstoffe  und  Kohlen  liefern,  Preisermäßigungen  und 
Aus  fuhr  er  leichterungen  vornahmen,  so  kamen  diese  Maßregeln 
■doch  erheblich  zu  spät  und  erfolgten  in  so  unzureichender  AVeise, 
'daß  der  weiterverarbeitenden  Industrie,  die  im  Gegensatz  zur 
Schwerindustrie  auch  in  der  vorangegangenen  Zeit  keine  Hoch- 
konjunktur zu  verzeichnen  hatte,  empfindliche  Wunden  geschlagen 
wurden.  Infolge  der  politischen  Unsicherheit  wurde  von  allen 
Seiten  nur  der  nötigste  Bedarf  gedeckt.  Die  Läger  wurden  aufs 
•äußerste  verringert,  so  daß  den  Werken  nur  die  Wahl  blieb,  Be- 
triebseinschränkungen  vorzunehmen  oder  die  Erzeugnisse  zu 
Schleuderpreisen  auf  den  Markt  zu  werfen.  Der  Eisenhandel  hat 
sich,  begünstigt  durch  diese  fast  nie  dagewesenen  Einkaufsmög- 
lichkeiten, mit  großen  Kosten  weit  in  das  Jahr  1914  hinein, 
zum  Teil  sogar  für  das  ganze  Jahr  1914  versorgt.  Die  Käufe  er- 
reichten  einen  solchen  Umfang,  daß  kaum  eine  reguläre  Abnahlne 
zu  erwarten  ist. 

Die  Ausfuhr  nach  dem  europäischen  Auslandsmarkt  war, 
nicht  zum.  geringsten  durch  gute  Welternten  begünstigt,  in  quan- 
titativer Hinsicht  größtenteils  befriedigend;  die  Einkäufer  haben 
den  größten  Nutzen  aus  der  Preislage  gezogen.  Am  Schlüsse  des 
Jahres  zeigen  sich  einige  erfreulichere  Momente.  Aussichtsvolle 
Kartellverhandlungen  in  mehreren  Branchen  erzeugten  eine  ge- 
wisse Beruhigung  in  weiten  Kreisen.  Das  Inlandsgeschäft  wies 
infolge   des    milden    Winters    quantitativ   und    auch   hinsichtlich 


230  iV.    Montanindustrie. 

der  Preise  eine  Besserung  auf,  so  daß  die  Hoffnung  berechtigt 
erschien,  daß  der  Tiefstand  überwunden  sei,  sofern  die  Flüssig- 
keit  des    Geldstandes    weitere    Fortschritte    macht. 

Röhren.  Der  Rückgang   in   der   allgemeinen   Konjunktur,   welche  das. 

Jahr  1913  Sennzeichnet,  fiel  mit  einer  Erhöhung  der  Produktion 
der  deutschen  Ex3hrenwerke  infolge  Erweiterung  mehrerer  Be- 
triebe zusammen.  Hierdurch  entstand  ein  fühlbarer  Arbeits  bedarf, 
welchem  der  Absatz  im  Inlande,  insbesondere  auch  infolge  des- 
Daniederliegens  der  Bautätigkeit,  nicht  nachzukommen  vermochte. 
Die  im  Vorjahre  erfolgte  Verständigung  der  Bohren  werke  bezüg- 
lich einer  Preiskonvention  für  das  Inland  konnte  unter  diesen 
Umständen  nicht  standhalten  und  \vurde  im  Juni  aufgehoben. 
'Auch  eine  Verkaufsgemeinschaft  von  vier  großen  rheinischen 
Böhrenwerken,  welche  geschaffen  wurde,  um  wenigstens  die  Preise 
für  Gasröhren  vor  einem  noch  schlimmeren  Bückgang,  als  bereite- 
eingetreten  war,  zu  schützen,  konnte  sich  unter  solchen  Umständen 
nicht  bewähren  und  löste  sich  im  Herbst  wieder  auf.  Im  Herbst 
haben  die  Preise  für  Gasröhren  und  Siederöhren  ihren  tiefsten 
Stand  erreicht.  Erstere  wurden  mit  Babattsätzen  von  83  bis 
85o/o,  letztere  mit  Babattsätzen  von  76V2 — 84 o/o  für  die  üblichea 
Abstufungen  der  Dimensionen  gehandelt.  Diese  Preise  waren  für 
die  Werke  durchweg  verlustbringend,  um  so  mehr,  als  sich  Boh- 
eisen,  Kohle  und  Löhne  ziemlich  auf  dem  in  der  Hochkonjunktur 
erreichten  Preisstande  hielten.  Auch  Eisenschrott,  das  Bohmaterial 
für  den  erforderlichen  Siemens-Martinstahl,  ging  im  Preise  nicht 
im  Verhältnis  zu  den  Fertigfabrikaten  zurück.  Unter  dem 
Druck  dieser  ungünstigen  Verhältnisse  fanden  sich  sämtliche  deu1> 
sehen  Werke  im  November  wieder  in  einer  vorläufieren  Preis- 
konvention  zusammen,  welche  die  Bildung  eines  Syndikats  an- 
strebt. Ob  bei  den  hestehenden  Schwierigkeiten,  die  Ansprüche 
der  einzelnen  Gruppen  zu  befriedigen,  diese  Verhandlung'^n  Erfolg 
haben  werden,  war  beim  Jahresschluß  noch  nicht  zu  übersehen. 
Der  Absatz  nach  dem  Ausland  war  verhältnismäßig  lebhaft. 
Die  Qualität  des  deutschen  Materials  wird  auch  auf  neuen 
Märkten,  von  denen  seither  ausschließlich  englisches  oder 
amerikanisches  Böhrenmaterial  bezogen  wurde,  immer  mehr  an- 
erkannt. 

Weißblech.  Das  Berichtsjahr  begann  mit  einem  Standardpreis  für  eng- 

lisches Weißblech  von  15/3  £  für  die  Kiste  I C,  20  x  28  Zoll, 
56  Tafeln.  108  Ibs.  Ende  Januar  betrug  der  Preis  14/9,  Ende 
Februar  14/ — ;  er  blieb  dann  stetig  bis  Mai,  zeigte  im  Juni 
einen  Bückgang  um  6  d,  im  Juli  einen  weiteren  solchen  um 
41/2  d.  Der  Dezember  schloß  mit  einem  Preis  von  17/9  für  die 
gleiche  Standardkiste.  Die  englischen  Weißblech^reise  sind 
demnach  in  dem  Berichtsjahr  um  annähernd  6  Mk.  für 
die  Doppelkiste  von  112  Tafeln  des  in  Deutschland  am 
•meisten    gebrauchten    Formats    gefallen.     Von    Januar    bis    De- 


54.    Alteisen.  231 

ziember  war  also  ein  Preissturz  von  annähernd  17  o/o  zu  ver- 
zeichnen. Weii3blech-Stahlknüppel  kosteten  Anfang  Januar  1913 
6  i£  2  sh  6  d,  Ende  Dezember  1913  4  £  11  sh  3  d  die  Tonne. 
Zinn  kostete  Anfang  Januar  1913  229  £,  Ende  Dezember  1913 
dagegen  nur  170  £.  Dieser  Preissturz  hat  bei  allen  Weiß- 
blechinteressenten, welche  Lager  besaJäen,  außerordentliche  Ver- 
luste verursacht.  Nur  wenige  Baissespekulanten  unter  den 
Händlern  dürften  mit  diesem  Preissturz  zufrieden  gewesen 
sein.  Die  Ursache  des  Preissturzes  lag  in  der  Haupt- 
sache in  den  durch  den  lang  anhaltenden  Balkankrieg  ver- 
ursachten schwierigen  politischen  Verhältnissen.  Diejenigen 
englischen  Weißblechwerke,  welche  in  der  Hauptsache  für  den 
Balkanmarkt  lieferten,  warfen  sich  in  Eimangelung  von  Auf- 
trägen von  dorther  auf  andere  Märkte.  So  entstand  eine 
Ueberproduktion,  welche  die  Werke  in  eine  überaus  schwierige 
Lage  versetzte.  Der  Gesamtexport  Englands  betrug  1913: 
-194  921  t  =  ca.  9  898  000  Kisten  gegen  481 123  t  =  9  622  200 
Kisten  im  Vorjahre.  Die  Kiste  ist  angenommen  mit  56  Tafeln 
im  Foimat  510X715  mm.  Demnach  ist  der  Export  um  zirka 
14  000  t  oder  220  000  Kisten  gestiegen.  Diese  erhöhte  Export- 
ziffer rührt  daher,  daß  nach  den  Vereinigten  Staaten  von 
Amerika  in  dem  oben  erwähnten  Zeitraum  1913:  21516  t,  da- 
gegen 1912  nur  2135  t  exportiert  worden  sind.  Ein  erhöhter 
Export  fand  ferner  nach  Eußland,  China,  Hongkong,  Japan, 
Argentinien  und  British  Ost-Indien  statt.  Ein  erhebliches 
Minus  zu  verzeichnen  ist  im  Export  nach  Deutschland,  Bel- 
gien, Frankreich  und  Rumänien.  Deutschlands  Einfuhr  betrug 
im  Jahre  1913:  421407  dz  im  Werte  von  12  642  000  Mk.  gegen 
482116  dz  im  Werte  von  14  463  000  Mk.  im  Vorjahre.  Fast 
die  gesamte  Einfuhr  kam  aus  Großbritannien.  Die  Leistungs- 
fiähigkei"*^^  der  deutschen  Werke  hat  sich  auch  im  Berichtsjahr 
erheblich  gesteigert.  Die  Zeit  dürfte  nicht  mehr  fern  sein, 
in  der  die  deutschen  Werke  in  der  Lage  sind,  den  ganzen  deut- 
schen Konsum  zu  decken.  Dem  deutschen  Weißblechsyndikat' 
sind  im  vorigen  Jahr  die  „Vereinigten  Stahlwerke  van  der 
Zypen"  in  Wissen  a.  d.  Sieg  und  das  Weißblechwerk  von  Capito 
&  Klein  in  Benrath  a.  Rh.  beigetreten,  so  daß  nunmehr  sämt- 
liche in  Deutschland  Weißblech  produzierenden  Werke  der  Ver- 
kaufsor^anisation  des  Weißblech-Verkaufscomptoirs  in  Köln 
am  Rhein  angegliedert  sind.  Bei  der  Einfuhr  ist  zu  berück- 
sichtigen, daß  von  421  407  dz  99  605  dz  in  den  deutschen  Ver- 
edlungsverkehr gelangt  sind.  Im  Jahre  1912  betrug  die  Menge 
der   im   Veredlungsverkehr   eingeführten   Weißbleche   71 876   dz. 

54.  Alteisen. 

Das  Alteisen geschäf t  war  bis  zum  April  und  Mai  des  Be- 
richtsjahres außerordentlich  lebhaft,  weil  einerseits  die  Hütten- 


232 


IV.    Montanindustrie. 


werke  große  Mengen  Schmelzmateri^al  für  ihre  Martinöfen  be- 
zogen, andererseits  bei  der  Industrie  ein  großer  Entfjall  in  Eisen- 
fl^bfällen  vorh.;anden  war,  solange  ihre  Beschäftigung  günstig 
war.  Vom  Mai  ab  erlitt  im  Einklang  mit  den  allgemeinen  Preis- 
rückgängen im  Eisengeschäft  auch  der  Alteisenm^arkt  eine  er- 
h,ebliche  Einbuße.  Wenn  die  Preise  für  Alteisen  nicht  in  dem 
Maße  zurückgegangen  sind,  wie  diejenigen  für  Fertigfabrikate, 
so  ist  dies  darauf  zurückzuführen,  daß  die  im  Osten  und  in 
Mitteldeutschland  bestehenden  Syndik;ate  die  früheren  erheb- 
lrch,en  Preisschwankungen  unmöglich  machten.  Die  Alteisen- 
preise waren  zur  Zeit  der  günstigen  Situation  auf  dem  Eisen- 
markte bei  weitem  nicht  so  wie  früher  gestiegen,  wesh'alb  natur- 
gemäß auch  der  Preisrückgang  nicht  so  intensiv  in  die  Er- 
scheinung treten  konnte.  Im  letzten  Quartal  waren  die  Anforde- 
rungen der  Alteisen  verbrauchenden  Werke  derartig  gering, 
daß  es  dem  Handel  nicht  möglich  war,  die  auf  den  Markt  kom- 
menden Mengen  unterzubringen,  so  daß  das  Preisniveau  erheb- 
lich gedrückt  wurde.  Im  Gußbrucheisen  geschäft  sind  die 
Preise  ebenfalls  zurückgegangen,  obwohl  der  Verbrauch  groß 
war;  da.  das  Roheisensyndikat  die  Preise  für  Roheisen  nicht 
in  dem  erwarteten  Umfange  ermäßigt  hat,  setzen  die  Gieße- 
reien mehr  Brucheisen  zu,  als  es  sonst  der  Fall  gewesen  ist, 
so  daß  es  nirgends  zu  größeren  Beständen  in  Gußbrucheisen 
gekommen  ist.  Der  im  ersten  und  teilweise  noch  im  zweiten 
Quartal  stattgefundene  Export  von  Alteisen  speziell  nach 
Oesterreich-Ungarn  hat  im  weiteren  Verlaufe  des  Berichts- 
jahres fast  vollständig  aufgehört,  weil  auch  dort  die  Geschäfts- 
lage eine  wesentliche  xlbschwächung  erfahren  hat. 


Erster  Bericht. 


Welt- 

m;oduktion  und 

Weltverbrauch 

an  Kupfer. 


55.   Kupfer,   Blei,  Zink,   Zinn. 
Erster  Bericht. 

Die  endgültigen  Zahlen  für  die  Produktion  und  den  Verbrauch 
von  Kupfer  im  Jahre  1913  liegen  bei  Erscheinen  dieses  Berichts 
noch  nicht  vor.  Der  Firma  Aron  Hirsch  &  Sohn  in  Halbcrstadt 
und  Berlin  verdanken  wir  jedoch  provisorische  Ziffern,  welche 
ein  ungefähres  Bild  von  den  Verhältnissen  des  Kupfermarktes 
zu  geben  geeignet  sind. 

Die  Weltproduktion  von  Kupfer,  welche  in  den  beiden 
Vorjahren  erhebliche  Fortsc^hritte  gemacht  hatte,  ist  hiernach 
im  Berichtsjahre  auf  dem  Stande  vom  Jahre  1912  verblieben. 
Die  Produktion  der  Vereinigten  Staaten  und  Spaniens  sowie 
besonders  diejenige  Mexikos  blieben  hinter  der  des  Vorjahres 
zurück,  woran  in  den  Vereinigten  Staaten  und  Spanien  große 
Streiks,  in  Mexiko  politische  Unruhen  die  Schuld  trugen.  In 
den  meisten  übrigen  Ländern  hat  dagegen  die  Produktion  zu- 
genommen,   so   daß   die   Ausfälle   fast   ausQ:e,2:lichen   wurden. 


55.    Kupfer,  Blei,  Zink,  Zinn. 


233 


Tab.  102.      Weltproduktion  von  Kupfer  (in  engl,  tons 
zu  2240  Ibs) 


1911 


1912 


1913 


Deutschland  .     .     . 

Rußland      .... 

Schweden-Norwegen 

Spanien  und  Portugal 

Vereinigte  Staaten 

Mexiko  . 

Kanada . 

Chile .     . 

Peru  .     . 

Australien 

Japan 

Andere  Länder 

Weltproduktion 


30  500 

30  800 

31000 

.    '!         25  500 

33  000 

34  000 

9  500 

10  000 

11000 

1 

55  000 

58  000 

53  000 

487  300 

555  000 

546  000 

54  050 

72  000 

52  000 

24  000 

34  700 

34  000 

29  600 

37  000 

39  000 

26  000 

27  400 

27  500 

. 

44  600 

45  500 

46  000 

1        55  000 

65  000 

72  000 

1        28  370 

39  000 

42  500 

869  370 

1  007  000 

997  000 

Tab.  las.       Weltverbrauch  von  Kupfer  (in  engl,  tons 
zu  2240  Ibs). 


1911             1 

1912 

1913 

Europa 

640  000 

665  000 

— 

Deutschland    .     .     • 

235  000 

254  000 

270  000 

Frankreich .     .     .     • 

106  000 

106  000 

118  000 

England 

159  000 

150  000 

145  000 

Oesterreich-Ungam 

41  000 

52  000 

50  000 

Italien 

41000 

35  000 

32  000 

Nordamerika  .... 

317  000      ! 

366  000 

343  000 

Weltverbrauch    .     . 

V85  000      ' 

1  057  000 

1  049  000 

Auch  der  Weltverbraudh  von  Kupfer  hielt  sich  ungefähr 
auf  dei'  Höhe  des  Vorjahres.  Die  Zunahme  des  deutschen  Ver- 
brauches war  geringer  als  in  den  beiden  vorangegangenen  Jahren. 
Der  nordamerikanische  Konsum  blieb  hinter  dem  des  Vorjahres 
nicht  unbeträchtlich  zurück.  Das  gleiche  gilt  von  dem  eng- 
lischen Konsum,  der  schon  1912  gegen  1911  zurückgeblieben  war. 


L'ab.  104       Weltverbrauch  und  Weltproduktion  von  Kupfer  (in  tons  engl  zu  2240  Ibs). 


jj      1906       1      1907 

1908     j      1909     j      1910      1 

1911       :      1912      1      1913 

Weltverbrauch    .     .     . 
Weltproduktion  .     .     . 

.     1   787  564  698  026 
.     ,1  741  654!  702  044 

748  330 
746  585 

833739!  932  000 
834  940    856  600 

985  000 

869  370 

1057000  1049  000 
1007000    997  000 

Mehrverbrauch  ( — )  u. 
Mehrproduktion  (-|-) 

—45  910  +  4  018 

—  1755 

+  1  201  —75  400  - 

-115  630 

! 
-50C00-52  000 

Eine  Gegenüberstellung  des  Weltverbrauches  und  der  Welt- 
produktion zeigt,  daß  auch  im  Jahre  1913  der  Weltverbrauch 
die  Welterzeugung  übertraf.  Wenn  die  vorstehende  Tabelle 
diese  Tatsache  für  die  Mehrzahl  aller  Jahre  ausweist,  so  liegt 
die  Erklärung  dafür  darin,  daß  der  Konsum  nicht  ausschließlich 
auf  das  von  der  Produktionsstatistik  allein  erfaßte  neue 
Kupfer,  sondern  auch  auf  Altmetalle  zurückzugreifen  vermag. 
Sodani:    ist    die    an    sich    auffällige   Erscheinung    auch    dadurch 


234 


IV.    Montanindustrie. 


Deutsche 
Kupferstatistik. 

Tab.  105. 


ZU  erklären,  daß  die  Statistik  einzelner  Länder  die  Einfuhr 
von  Kupfer  und  Kupferfabrikaten  nicht  getrennt  angibt,  wäh- 
rend die  betreffenden  Exportländer  die  Kupferfabrikate  in  der 
Ausfuhr  gesondert  aufführen,  so  daß  das  in  Fabrikaten  steckende 
Kupfer  in  einem  Lande  berücksichtigt,  im  anderen  aber  vernach- 
lässigt wird. 

Ausführlichere  statistische  Angaben  besitzen  wir  über  Pro- 
duktion und  Konsum  in  Amerilra  und  Deutschland  und  über  die 
sichtbaren   Vorräte   Frankreichs  und  Englands. 

Deutscher  Kupferverbrauch  (in  metrisch.  To.). 


1909 

1910 

1911        1             1912              1            1913 

Einfuhr         

187  826t 
16  436t 

211522  t 
18  614  t 

224  621t      242462  t          |    268  000 

Ausfuhr 

19  114  t        20839  t          .      19  000 

Einfuhrüberschuß 

Produktion  .          

171390t 
23  509  t 

192  908  t 
28  860  t 

204  845  t       221623  1          !    249  000 
3 1  000 1    36  000  t  (K^Bchätzt)  i      3 1 000(ee 

Verfügbares  Kupfer ;  194  899t 

Vorräte  in  Hamburg  bei  Jahresschluß  ji         450t 


221  768  t 
9  500  t 


235  845  1 
2  900  t 


257623  t 
10518t 


280  000 
3  900 


Deutscher  Verbrauch '  194  449t 


212  268  t    238  245  t  i     268  Uli 
=  208  8261  =234985  ti=263957t 


276  100 
=271 750  tV 


Tab.  106.     Deutschlands  Außenhandel  in  Rohkupfer  (in  metrisch.  To.). 


1911 


1912 


1913 


Einfuhr     

Davon  aus  Verein.  Staaten  . 
Australien  .  .  . 
Belgien      .... 

Ausfuhr 

Davon  nach  Oesterr.-Ungarn  . 


191  590 
171  768 

7  968 
3  258 
6  914 
5  073 


200  608 

177  614 

10  010 

4  436 
7  854 

5  969 


225  392 

194  638 

26  582 

5  523 

7  208 

4  671 


Amerikanische 
Statistik. 


Die  Ziffer  des  deutschen  Kupferverbrauchs  wird  dadurch 
errechnet,  daß  von  der  Summe  von  Einfuhr  und  Produktion 
die  Ausfuhr  abgerechnet  wird  und  daß  ferner  die  Vorräte  im 
Hamburger  Freihafengebiet  berücksichtigt  werden.  Nicht  mög- 
lich ist  es  dagegen,  die  Läger  bei  Händlern  und  Produzenten 
in  Deutschland  zu  berücksichtigen,  deren  zu  Beginn  und  Ende 
eines  Jahres  oft  recht  verschiedene  Größe  für  die  richtige  Er- 
fassung des  Jahresverbrauchs  von  großer  Bedeutung  wäre.  Nach 
den  Berechnungen  von  Aron  Hirsch  &  Sohn  hat  Deutschland  im 
Jahre  1913  276  100  t  verbraucht.  Dies  bedeutet  gegenüber  dem 
Vorjahre  einen  verhältnism^äßig  kleinen  Zuwachs. 

Das  wichtigste  Material  zur  Beobachtung  der  statistisöhen 
Lage  des  Kupfers  bilden  die  Veröffentlichungen  der  amerika- 
nischen Kupferproduzentenvereinigung,  die  wir  schon  im  ersten 
Bande  des  Jahrbuchs  (Tabelle  131)  gegeben  haben,  an  dieser 
Stelle  jedoch   noch   einmal   abdrucken   zu  müssen  glauben. 


55.    Kupfer,  Blei,  Zink,  Ziüii. 


9^. 


öo 


"ab.  107. 


Amerikanische  Kupferstatistik  in  metr.  Tonnen. 
(Nach  den  Ausweisen  der  Copper  Producer's  Association.) 


Jan 


Febr.  \    März    |    April 


Mai 


Juni 


Juli     ,    Aug.    i    Sept.    ;     Okt.    j    Nov. 


Dez. 


Jahr 


911  52  480 

912  54132 

913  65  082 


49  818 
52  634 

59  398 


911 
912 
913 


911 
912 
913 


19  087122  916 

28  279|25  505 

29  579  27  069 


24135 
36  364 
27  390 


20  462 
28  644 
32  735 


a)  Produktion. 


59  209  53  5631  57  590!  56  498 


57  015 
61804 


56  911157  488  55  482 
61  387!  64  1021  55  276 


50  879 
62  216 
62  630 


56  924j  52  431 1  53  640i  50  747  55  746| 


0571  63  545,  65  9561  61  098 
59  708!  59  604:  63  082  60  822 


649  52& 


65  025f  717  559' 
63  0461  735  952 


b)  Inländischer  Konsum. 

29  9741  23  772,  29  277;  27  967  25  847i  27  187 

30  612  31  5311  32  978;  30  003  32  248  35  708 
35  244'  35  453'  36  799  31  OöO  26  719^  33  409 


c)  Export. 


26  799 
26  662 
34  739 


28182128  113  32  415 


24  155  31  519 
38  962  30  974 


27  874 
30  875 


33  966i  31  686 
27  271|31972 
35  598  33  231 


26  996;  29  061 
28  786138150 
30  317  30  922 


23  0541  27  254 
27  336i  21  601 
33  152  30  906 


30  8631  29  93211 321  879 

31  466!  26  532j!  371  798 
22  072  9  952!  348  071 


30  413135  9431 


11  55  353  64  611171051173  487 

12  1 40  577  30  065  28  5501  28  290 

13  47  770  55  883!  55  477147  298 


d)  Vorräte  am  1.  des  Monats. 

75  0961  75  296j  71  4121  62  4781  60  529|  63  910 


29  514122  505  201101  22  807 
34  270  30  647!  23  9971  24  311 


21184128  607 
17  3791  13  515 


25  359 
31783 


61235 
34  812 
14  791 


29  808 
33  3591 


342  422^ 
338  565. 
394  20T 


50  7061  31.  Dez. 


39  085 
21739 


1913 

41447 


Die  Produktion,  deren  Ziffern  sich  in  den  letzten  Monaten 
des  vcrigei-  Jahres  wesentlich  erhöhten,  hat  im  Berichtsjahre 
nicht  denjenigen  Umfang  gezeigt,  den  man  erwartete;  die  Eekord- 
zahlen  des  Vorjahres  wurden  nicht  erreicht.  In  einzelnen 
Monaten,  insbesondere  im  Juni,  blieb  die  Produktion  sogar 
außerordentlich  niedrig.  Der  Grund  hierfür  lag,  wie  erwähnt, 
in  Streikbewegungen  in  verschiedenen  Kupferproduktionsgebieten 
der  Vereinigten  Staaten.  Da.  aber  die  vorjährigen  Ziffern  die 
Steigeiung  der  Leistungsfähigkeit  der  Produzenten  gezeigt 
haben,  wurde  den  zeitweilig  geringeren  diesjährigen  Ziffern 
der  Pioduktion  keine  allzu  große  Bedeutung  beigemessen.  Der 
amerikanische  Konsum  hat  sich  im  Berichtsjahre  anfangs  ähn- 
lich wie  im  Vorjahre  entwickelt.  Der  Novemberkonsum  jedoch 
blieb  hinter  dem  Durchschnitt  der  übrigen  Monatsziffern  außer- 
ordentlich scharf  zurück,  und  der  Dezember  verbrauch  zeigte 
einen  ganz  außergewöhnlich  geringen  Umfang.  Die  Export- 
ziffern waren  in  fast  allen  Monaten  als  hoch  zu  bezeichnen. 
AVähiend  im  vorigen  Jahre  nur  dreimal  der  Export  30  000  t 
überschritt,  geschah  dies  im  Berichtsjahre  fast  regelmäßig.  Die 
guten  Exportziffern  und  die  langsame  Entwicklung  der  Pro-, 
duktion  hatten  bis  Oktober  einen  Rückgang  der  amerikanischen 
Vorräte  zur  Folge.  Während  km  1.  Jan.  47  770  t  vorhanden 
\^aren.  eine  Ziffer,  die  bis  Februar  noch  erheblich  anstieg,^ 
sanken  die  Vorräte  bis  zum  Oktober  bis  auf  13  515  t.  Dann 
freilich  setzte  eine  Zunahme  ein,  welche  die  Vorräte  am  Jahres- 
schluß wieder  auf  41  447  t  steigen  ließ. 

Neben  der  amerikanischen  Statistik  besitzen  wir  die  von 
dem    englischen    Metallhause   Merton    aufgestellte   Statistik   der 


Europäiscb« 
Vorräte. 


236 


IV.    Montanindustrie. 


Vorräte  in  England  und  Frankreich  einschließlich  der  von  Chile 
und  Australien  als  schwimmend  gemeldeten  Verschiffungen,  die 
wir  gleichfalls  schon  im  ersten  Bande  des  Jahrbuches  gebracht 
haben. 

Tab.  108.  Vorräte  in  England  und  Frankreich  einschließlich  der  von  Chile  und 

Australien  als  schwimmend  gemeldeten  Verschiffungen  am  JVJonatsende  (in  tons  zu  2240  Ibs.;. 


Jan.       j      Febr.     |     März     |    April    |     Mai      |     Juni 


Juli 


Aug. 


Sept.  I  Okt.  I  Nov. 


Dez. 


ii        I        I        I       I 

1910  iill0  808i  113  455'  111  432|ll0  2071106  815 

1911  ;!  83  193'  82  387  i  82  267!  78  068!  72  613 

1912  "  55  570  1  51  507  i  50  175  49  771  44  588 

1913  43  101  !  44  673   45  074  43  828  40  187 


103  9571  99  239i  97  506 
70  172!  68  025j  66  914 
41  5931  44  996|  45  636 
38  196  30  627134  045 


93  961 
67  340 
44  208 
27  819 


88  422j  86  250 
61836;  58  682 
43  300'  40  716 
25  827  26  757 


83  797 
57  283 
40  359 
.29  520 


Preise. 


Hiernach  stiegen  die  europäischen  Vorräte  von  Januar  bis 
März  von  43 101  auf  45  074  t.  Alsdann  ging  die  Ziffer  bis 
Ende  Oktober  auf  25  827  t  herab.  Nunmehr  setzte  auch  hier 
eine  Steigerung  ein,  die  die  europäischen  Vorräte  bis  Ende» 
Dezember  auf  29  520  t  anschwellen  ließ. 

Im  folgenden  geben  wir  die  Monatsdurchschnittspreise  der 
Berliner  Börse  für  Standardkupfer  im  Jahre  1913.  Um  Ziffern 
zu  haben,  die  für  eine  längere  Reihe  von  Jahren  Vergleiche 
gestatten,  geben  wir  ferner  die  Londoner  Monatsdurchschnitts- 
preisc  füi   die  Jahre  1911  bis  1913. 

Tab.  109.      Berliner  Monatsdurchschnittspreise  für  Standard-Kupfer  (in  Mark  für  lOO  kg). 


Jan. 


Febr. 


März 


Aprü        Mai     '    Juni 


Juli 


Aug.    I    Sept.        Okt. 


Nov. 


Dez. 


Standard-Kupfer. 
144,870     131,227  ]  132,340  |  136,990  |  138,348     130,930  |  129,253     138,475     146,921     147,795  '  138,424  \  132,603 


Tab.  110. 


Durchschnittsnotierungen  für  Standard-  und  Best-Selected-Kupfer  (nach  dem 
Londoner  Public  Ledger,  in  £  per  ton  zu  2240  Ibs.) 


Jan. 


Febr.    ,    März     i   Aprü  |     Mai 


Juni 


Juli     I  August  I    Set^t.    I     Okt. 


Not. 


Standard         1911    55.142 

1912  62.88 

1913  171.9233 
Best-Selectedl911  ij  59.34 

191211 67.28 
1913!!  78.083 


55.17 

63.02  ! 

65.619i 

58.176' 

67.— 

71.813 


54.16454.32 
66.02  1 70.40 
65.438i68.242 
58.79  |57.131 
69.88    74.66 
70.813i7425 


54.87 
72.52 

68.938 
58  22 
77.05 
75.028 


56.99 


56.156  56.76  55.71  i  55.52 


78.34  76.69 
65.223  64.294 
59.1891  60.44 
83.16  81.55 
71.188  69.722 


78.85 
69  300 
60  310 
83  44 


78.87  76.53 
73.264!  73.473 
58.172:  58.176 
83  56  182.03 


57.83  i  61 

77.—  !  75 
68.438>  65 
60.194  65 
82.33     81 


74.194  78.806!  78.917  73.625  70 


KuDfer- 
geschäft. 


Einem  Spezialbericht  der  Firma  Aron  Hirsch  &  Sohn 
über  die  Metalle  Kupfer*,  Zinn,  Zink  und  Blei  entnehmen 
wir  folgendes:  Die  Bechäftigung  der  kupferverbrauchenden 
Industrien  in  Europa  war  fast  während  der  ganzen  Berichts- 
periode sehr  gut,  insbesondere  wegen  des  großen  Bedarfes  der 
Schiffbauindustrie,  der  Munitionsbranche  und  vor  allen  Dingen 
der  Elektrizitätswerke.  Diese  ,gute  Beschäftigung  hielt  fast 
während  der  ganzen  Zeit  an.  Lediglich  in  der  Messingindustrie 
wurde,  so  weit  Stapelaii^ikel  in  Frage  kamen,  die  Beschäftigung 
im  letzten  Vierteljahre  weniger  gut;  insbesondere  wurde  in  dieser 


55.    Kupfer,  Blei,  Zink,  Zinn. 


237 


Industrie  über  den  langsameren  Eingang  von  neuen  Aufträgen 
Klage  geführt.  Die  Herstellung  von  Kupfer  in  Amerika  hatte 
unter  der  Ungunst  der  politischen  und  wirtschaftlichen  Lage 
sehr  zu  leiden.  Zunächst  beschränkten  die  Unruhen  in  Mexiko  die 
Zufuhren  von  Rohmaterial  stark,  dann  aber  hatten  infolge  von 
langandauemden  Streiks  im  G'ebiete  der  oberen  Seen  die  dortigen 
Hütten  eine  erhebliche  Minderproduktion   aufzuweisen. 

In  Zinn  waren  die  Preisschwankungen  nocli  viel  erheblicher 
als  in  Kupfer.  Wie  im  Vorjahre  machten  sich  auf  diesem  viel 
engeren  Markte  spekulative  Einflüsse  stark  bemerkbar,  was  die 
Verbraucher  außerordentlich  unangenehm  empfanden,  die  schon 
seit  langer  Zeit  nicht  mehr  in  so  großzügiger  Weise  wie  fiiiher, 
sondern  nur  das  allernötigste  zu  kaufen  pflegen.  Zinn  notierte 
am  2.  Jan.  in  London  228,15/—  £  bis  229,5/—  £  für  die 
englische  Tonne  und  schloß  am  31.  Dez.  mit  169,10/ —  £. 
Der  höchste  Stand  wurde  am  30.  April  mit  231,10/—  £  bis 
232 —/—    £  erreicht. 


Zini>. 


lab.   111. 


Durchschnittspreise  für  Zinn  (£  per  ton  engl.). 


Jan.     !   Febr.     |     März     |    April 


Mai 


Juni 


Jiüi 


Aug. 


Sept.    I     Okt.    I     NoY.    I     Dez. 


1911  !l87  941]189.5 

1912  il90-03  il97.— 


182.5021 193.152 
194.16  1202.38 


197.766l207.855  193.139  190.420 
209.22    207.42    202.29    208  09 


1913  11228,352  220.888  213  592  224  710I224.714!204.452|183.848  188.950 


180.928!  187.36 
223.89  :228,53 
193.381  185.0111181.—  1171.940 


jl95.264|203.335 
|227.83  I226.8Q 


Inbezug'  auf  die  statistische  Lage  des  Zinnmarktes  haben 
sich  die  Verhältnisse  gegen  Beginn  des  Jahres  nicht  sehr  wesent 
lieh  verschoben.  Der  amerikanische  Konsum  —  und  Amerika 
komlnt  ja  für  den  Verbrauch  von  Zinn  für  die  Weißblech- 
fabiikation  ganz  besonders  stark  in  Frage  —  hat  sich  in  der 
Berichtsperiode  etwas  schwächer  gezeigt,  während  der  Verbrauch 
in  Europa  etwa  gleich  geblieben  sein  dürfte,  wenngleich  vorüber- 
gehend infolge  der  sehr  hohen  Preise  eine  B^ihle  von  Weiß- 
blechfabriken in  Wales  ihre  Produktion  einschränkte  oder  ganz 
einstellte. 

Tab.  112      Deutscher  Außenhandel  in  Zinn  (in  Tonnen  zu  1000  kg). 


II           1911 

1912 

1913 

Einfuhr 

14  500 
8  209 

15  550 
7  254 

14  261 

Üavon  aus  Niederländ  -Indien    . 

6  384 

Australien     .... 

1111 

1519 

1661 

Großbritannien      .     . 

1524 

1644 

1697 

Niederlande  .... 

787 

1033 

569 

Ausfuhr.          ... 

7  606 
1777 

6  368 
1304 

6  437 

Davon  nach  Verein.  Staaten  .     . 

1041 

Zink  notierte  am  2.  Jan.  in  London  26, — / —  £  bis  26,5/ —  £ 
für  die  englische  Tonne  —  die  höchste  Notierung  der  Berichts- 
periode —  und  schloß  am  31.  Dez.  mit  21,9/16  £.  Die  niedrigste 
Notierung  wurde  im   Oktober  mit  2O1/4   erreicht. 


Zink 


238 


rv.    Montanindustrie. 


Tab.  lia 


Durchschnittspreise  für  Zink  {£  per  ton  engl.) 


Jan. 


Febr. 


März        April  |     Mai 


Juni 


Juli 


Aug.        Sept.     j    Okt.     j    Nov 


Dez. 


1911  I  23.836  23.191   22.9591  23.6841  24.504 

1912  ij  26.49  !  26.32  j  25.99  j  25.44  125.56 

1913  jl  25.955:  25.213|  24.566|  25.177|  24.515 


24.478  24.693 
25.59  I  25.65 
21.991!  20.557 


26.556  27.628  27.241!  26.656i  26.677 
26.06     26.80  '  27.29  j  26.71     26.02 
20.698  21.1901  20.638  20.7161  21.323 


Bas  Geschäft  in  Zink,  das  außerordentlich  lebhaft  begann, 
hat  im  Laufe  des  Jahres  wiederholt  zu  wünschen  übrig-gelassen 
Der  Konsum  nahm  mäßig  zu,  aber  auch  die  Produktion  hat  eine 
Steigerung  erfahren,  so  daß  die  Vorräte  der  sämtlich  im  Inter- 
nationalen Zinksyndikat  vereinigten  europäischen  Werke  gegen 
Ende  August  eine  Höhe  erreicht  hatten,  die  nach  den  Bestimmun- 
gen des  Verbandes  eine  Einschränkung  der  Produktion  herbei 
führte  Diese  Produktionseinschränkung  beziffertiC  sich  auf  etwa 
8  0/0  einer  Viermonatsproduktion.  Da  zugleich  mit  dem  Eintritt 
dieser  Einschränkiing  eine  lebhaftere  Nachfrage  nach  Zink  ein- 
setzte, so  haben  die  Bestände  im  Laufe  der  letzten  Monate  ganz 
erheblich  abgenommen  und  sind  auf  ein  Niveau  herabgesunken, 
das  als  normal  zu  bezeichnen  ist.  Die  gesamten  Bestände  an  Zink 
auf  den  europäischen  Hütten  dürften  Ende  Oktober  etwa  45  000  t 
betragen  haben. 


Blei. 


Tab.  114.                  Deutscher  Außenhandel  in  Zink 

(in  Tonnen). 

■ 

1911 

i            1912 

1913 

Einfuhr         .     . 

48  410 
30  688 
79  621 

24  488 

25  364 
13  687 

54  838 
31032 
100  284 
38  403 
28  878 
13  681 

55  964 

Davon  aus  Belgien 

Ausfuhr 

29  032 
105  107 

Davon  nach  Großbritannien    .     . 
Oesterreich  -Ungarn 
Rußland 

42  506 
24  492 
18  853 

Tab.  115. 


Blei  wurde  am  2.  Jan.  in  London  mit  17,17/6  £  bis  17,18/9  £ 
für  die  englische  Tonne  notiert  und  schloß  am  31.  Dez.  mit 
I8V2  £.  Die  Höchstnotierung  wurde  am  19.  Juni  mit  19,12/6  £ 
bis  21,10/ —  £,  die  niedrigste  Notiz  am  7.  März  mit  15,7/6  £ 
erreicht. 

Durchschnittspreise  für  Blei  (jt  per  ton  enel.). 


1911 
1912 
1913 


Jap.     I    Febr.    |    März    |    April    |     Mai      |     Juni    j     Juli     |  August  |    Sept.    |     Okt      |     Nov. 


10.032!  13.096  13.144  12.9211  12.957 
15  56  j  15.69  '  15.98  '  16  33  I  16.51 
17.059  16.422  15.984  17.4+2.  18.714 


13.2691  13.546)  14.0661  14.756!  15.3051  15.772 
17.58  I  18.43  i  19.28  '  21  45  1  20.40  !  18.23 
19  534  19  390;  19.763  19.742i  19  472  18.682 


Dez 


15.666 
18  08 
17.432 


Der  Bleimarkt  war  ganz  erheblichen  Schwankungen  aus- 
gesetzt und  starken  spekulativen  Einflüssen  unterworfen.  Die 
hohen  Preise  hatten  die  Wirkung,  daß  sich  die  Verbraucher  mit 
ihren  Einkäufen  sehr  zurückliielten.  Das  außergewöhnlich  hohe 
Preisniveau    von    Blei    während    der    Berichtszeit   war   einerseits 


55.    Kupfer,  Blei,  Zink,  Zinn. 


239 


durch  den  sehr  guten  VerbraueJi  hervorgerufen,  dann  aber  auch 
durch  eine  erhebliche  Einschränkung  in  den  Zufuhren.  Infolge 
von  Unruhen  waren  die  Zufuhren  von  Mexilco  sehr  gering,  zeit- 
weise blieben  sie  sogar  ganz  aus.  Ferner  waren  Streiks  in  Spanien 
und  im  australischen  ßrokenhilldistrikt  zu  verzeichnen,  die  die 
Zufuhren  von  Blei  ebenfalls  vombergehend  beschränkt  haben. 
Die  als  Verbraucher  in  Frage  kommenden  Industrien  waren  fast 
durchweg  ausgezeichnet  beschäftigt,  insbesondere  hatten  die  Kabel- 
fabriken dauernd  zu  tun,  während  die  Unternehmungen,  die  sich 
mit  der  Herstellung  von  Bleitabrikaten  für  Bauzwecke  befassen, 
allgemein  klagten,  daß  die  daniederliegende  Bautätigkeit  ihre  Be- 
schäftigung erheblich  beeinträchtigte.  Das  Syndikat  für  Blei- 
fabrikate, das  aufgelöst  war,  wurde  nach  langen  Verhandlungen 
wieder  geschlossen  und  vereinigt  fast  alle  in  Deutschland  be- 
stehenden  Werke. 


Tab.  116.  Deutscher  Außenhandel  in  Blei  (in  metrisch.  Tonnen). 


1911 


1912 


1913 


Einfuhr     .     .     

Davon  aus  Spanien 

Verein.  Staaten     .     . 

Belgien 

Australien     .... 

Ausfuhr 

Davon  nach  Oesterreich-Ungarn 

Rußland 

Schweiz 


100  540 
11788 
35  843 
33  798 

6  697 
32  067 
13  063 

6  767 


93  585 
24  370 
22  928 
33  165 

4  103 
38  122 
18  150 

6  468 


83  781 
42  793 
16  273 

13  973 
2  893 

41369 

14  661 
7  487 


Zweiter   Bericht. 

Ueber  die  Verhältnisse  auf  dem  Metailmarkte  wird  uns 
ferner  von  einem  hiesigen  Hüttenwerk  folgendes  berichtet: 

Der  in  unserem  vorjährigen  Bericht  schon  angedeutete  Rück- 
gang der  Konjunktur  hat  sich  im  Berichtsjahre  mehr  und  mehr 
bemerkbar  gemacht,  so  daß  am  Jahresschluß  kein  Zweifel  mehr 
darüber  bestand,  daß  die  Hochkonjunktur  überschritten  ist  und 
die  Industrie  sich  in  einer  Zeit  der  Depression  befindet. 

Die  Preisschwankungen  in  Kupfer  wurden  weniger  durch 
Angebot  und  Nachfrage,  als  durch  die  Spekulation  sowie  durch 
die  Depression  auf  den  Effektenmärkten  bedingt.  Trotz  des 
Niedergangs  der  Konjunktur  war  während  des  größten  Teils 
des  Jalires  die  Produktion  geringer  als  der  Konsum,  so  daß  sich 
die  Warenbestände  verringerten  und  Mitte  November  auf  einem 
Niveau  angekommen  waren,  die  zu  Bedenken  für  die  Versorgung 
Veranlassung  gaben.  In  den  beiden  letzten  Monaten  erst  fand 
wieder  eine  Zunahme  der  zusammengeschmolzienen  Vorräte  statt. 
Es  geht  aus  der  ganzen  Lage  hervor,  daß  der  Konsum  nicht 
so  labgenommen  hat,  wie  jnan  erwartete,  während  die  vielen  Streiks, 
die  sowohl  in  Amerika  als  auch  in  Spanien  (bei  der  Rio-Tinto- 


ZweiterBericht. 


Allgeiueines. 


Kupfer 


240 


rv.    Montanindustrie. 


Blei. 


Zinn. 


Antimon. 


Gesellschait)  vorkamen,   die  Produktion  erheblich  einschränkten. 
Die  Produktion  des  Gatanga-Gebietes  hat  nicht  die  Ausdehnung 
angenommen,   die  die   Gesellschaft  voraussagte. 
Zink.  Die  Zinkpreise  sind  der  allgemeinen  Konjunktur    und    dem 

Nachlassen  des  Bedarfs,  besonders  für  Zwecke  des  Baugewerbes, 
entsprechend  von  (dem  Syaidikat  allmählich  heruntergesetzt  worden. 
Der  Preis  betrug  zu  Anfang  des  Jahres  ca.  26V2  £  pro  Tonne  und 
ist  allmählich  auf  2OV2  £  gefallen. 

Die  Verhältnisse  auf  dem  Bleimarkt  waren,  wie  im  vorigen 
Jahr,  fast  ausschließlich  durch  die  Lage  in  Mexiko  bedingt. 
Aus  diesem  Lande  ist  auch  in  diesem  Jahre  so  gut  wie  gar 
kein  Bleierz  oder  Blei  exportiert  worden,  so  daß  fast  wälirend 
des  ganzen  Jahres  eine  Knappheit  an  promptem  Blei  Herrschte. 
Es  hatte  dieses  Metall  daher  bis  zum  Jahresschluß  einen  ver- 
hältnismäßig iTohen  Preis.  Auf  eine  dauernde  Ermäßigung  ist 
nur  dann  zu  rechnen,  wenn  Mexiko  wieder  in  die  Reihe  der  pro- 
duzierenden Länder  eintritt. 

Die  Preisschwankungen  in  Zinn  sind  mehr  durch  die  Spe- 
kulation als  durch  Angebot  und  Nachfrage  hervorgerufen  worden. 
Die  Lage  des  Artikels  war  am  Jahresschluß  ebenso  unklar  wie 
die  von  Kupfer. 

Dias  nach  dem  vorigen  Berichte  geplante  Syndikat  für  Anti- 
monhütten ist  wiederum  nicht  2rtLstaiide  gekommen.  Infolgedessen 
sind  auch  für  Antimon  die  Preise  erheblich  zurückgegangen; 
sie  standen  am  Jahresschluß  wieder  auf  dem  seit  einigen  Jahren 
als  normal  zu  betrachtenden  Stand  von  zirka  50  Mk.  für  100  kg. 

In  -der  deutschen  Metallindustrie  machte  sich  der  Konjunktur- 
rückgang schon  zu  Anfang  des  Jahres,  besonders  in  der  Klein- 
industrie, bemerkbar;  er  hat  teilweise  zu  erheblichen  Betriebs- 
einschi'äJikungen  geführt.  In  der  Großindustrie,  besonders  in  der 
Elektrizitätsindustrie,  ist  zweifellos  der  Rückgang  der  Konjunktur 
nicht  in  demselben  Maße  in  die  Erscheinung  getreten.  In  der 
ersten  Zeit  war  es  dieser  Industrie  sogar  erwünscht,  daß  sie  nicht 
mehr,  wie  in  den  vorangegangenen  Monaten,  im  Rückstande  mit 
ihren  Lieferungen  war.  In  späterer  Zeit  machte  sich  aber  ein 
unangenehmes  Nachlassen  der  Aufträge  für  große  Maschinen- 
aggregate usw.  fühlbar. 

Infolge  der  rückgängigen  Konjunktur  ist  während  des 
ganzen  Jahres  ein  überaus  großes  Angebot  von  Arbeitskräften 
vorhanden  gewesen,  so  daß  eine  Auswahl  in  einem  Maße  vor« 
banden  war  wie  seit  mehreren  Jahren  nicht.  Die  Schiffahrts- 
verhältnisse waren  fast  das  ganze  Jahr  über  normal  bis  auf  den 
November,  in  dem,  entgegen  aller  Erfahrung,  der  AVasserweg 
Hamburg-Berlin  durch  niedrigen  Wasserstand  behindert  war. 
Dritter  Bericht.  Uebcr  das  Geschäft  in  Walzzink  entnehmen  wir  einem  dritten 

Berichte : 


Lage  der  Metall- 
verarbeitenden 
l  [Industrien. 


Arbeitsmarkt 
und  Verkehrs- 
verhältnisse. 


56.   Altmetalle  und  Messingabfälle. 


241 


Das  Berichts  jähr  wies  unter  dem  Einfluß  der  allgemeineD 
rückgängigen  Konjunktur  einen  allmählichen,  aber  starken 
Preisrückgang  für  Walzzink  auf.  Der  Berliner  Markt  zeigte 
infolge  der  stetig  zunehmenden  Stagnation  im  Baugewerbe 
eine  geringe  Aufnahmefähigkeit.  Die  finanzielle  Schwädie 
vieler  Berliner  Bauhandwerker  erschwerte  durch  das  damit 
verbundene  Eisiko  das  Geschäft  bedeutend.  Ein  Außen- 
seiter versuchte  im  Laufe  des  Jahres  das  Absatzgebiet  der 
Berliner  Zinkblechhändler  zu  beunruhigen,  und  zwar  mit 
Zinkblechen  ausländischen  Fabrikats.  Da  die  Qualität  dieser 
Blqche  jedoch  den  hiesigen  Ansprüchen  nicht  genügte,  machte  sich 
diese  Konkurrenz  nur  in  geringem  Maße  fühlbar.  Der  Verbrauch 
von  Zinkblech  in  der  graphischen  und  elektrotechnischen  Industrie 
war  auch  im  Berichtsjahre  befriedigend. 

56.   Altmetalle   und   Met  a  Hab  fälle. 

Um  einen  richtigen  Maßstab  für  die  Marktgestaltung  der 
mit  Kupfer  legierten  Altmetalle  zu  erhalten,  ist  ein  Hinweis  auf 
die  statistischen  Verhältnisse  und  auf  die  Preisbewegung  des  roten 
Metalls  wünschenswert.  Der  Weltkupferkonsum  war  im  ersten  Se-5 
mester  1913  größer  als  in  irgendeinem  vorhergehenden  Jahre,  wäh- 
rend die  Produktion  durch  Streiks  in  Amerika,  Australien  und  Spa- 
nien abgeschwächt  war.  Die  Weltbestände  nahmen  daher  erheblich 
ab.  Deutschlands  Industrie  blühte  zunächst  trotz  deö  Balkan- 
krieges ungeschwächt  fort,  brachte  viel  Metallabfälle  an  den 
Markt  und  nahm  andererseits  jedes  Angebot  willig  auf. 

Infolge  der  Zurückhaltung  der  Byohkupferproduktion  war 
naturgemäß  die  Nachfrage  nach  Altkupfer  besonders  lebhaft, 
so  daß  sich  die  Preise  hierfür  oft  nicht  weit  von  denjenigen  für 
das  Rohmetall  entfernt  hielten.  IMr  die  Preisbewegungen  diesem 
Artikels  waren  indessen  häufig  die  äußeren  Verhältnisse  wirk- 
samer als  Nachfrage  und  Angebot.  Völlige  Zurückhaltung  der 
durch  schlechte  politische  Nachrichten  und  die  Gefahren  der  Geld- 
teuerung abgeschreckten  Konsumenten  wechselten  mit  stürmischer 
Nachfrage  zur  Deckung  des  dringendsten  Bedarfs,  so  daß  die  Preise 
starke  Schwankungen  zeigten.  Im  zXveiten  Halbjahr  trat  ein 
Niedei*gang  der  Konjunktur  ein,  der  sich  in  einer  starken  Ent^ 
Wertung  der  Preise,  die  ihren  Tiefstand  im  Dezember  erreichten, 
äußerte. 

Die  Messingwerke  litten  infolge  schwacher  Beschäftigung 
der  Lampenwaren-  und  Schraubenfabriken  unter  dem  Konjunktur^ 
rückgang  am  meisten.  Deshalb  ließ  in  der  letzten  Jahreshälfte 
in  Messing  der  Entfall  an  Abfällen  und  Spähnen  nach,  während 
die  Nachfrage  hierfür  gut  blieb.  Diese  Messingmaterialienj 
wurden  deshalb  höher  als  im  (sonstigen  Dttrchsohnitt  der  Jahre 
bezahlt  und  näherten  sich  mehr  als  früher  den  Standardkupfer- 
notierungen, 


Zinkblech. 


Allgemeines. 


Altkupfer. 


Messin  gabfäll  fc 
Messingspäne. 


ßerl.  Jahrb.  f.   ELandel  u.  Ind.    1913.    II. 


16 


242 


IV.    Montanindustrie. 


Rotguli. 


Altblei 


Altzink. 


Preistabelle. 


Bei  Maschinenrotguß  und  Blookrotguß  lagen  die  Verhältnisse 
umgekehrt.  Ein  reichliches  Angebot  fand  keine  gentoinde  Auf- 
nahme, da  die  OBnonz^egießereien  von  den  Maschinenfabriken  niöht 
genüigend  beschäftigt  wlirden.  Auch  wsur  der  in  Zeiten  guter 
amerikanischer  Konjunktur  früher  lebhafte  Export  im  Jahre  1913 
nur  gering.  Die  Preise  entsj)r.a]öhen  nicht  dem  richtigen  Legierungs- 
preisverhältnis tvlon  K'ulptfeir  und  Zinn.  Gesuchter  und  besser 
bezahlt  waren  Botgußspäne,  deren  Zufuhr  aber  oft  knapp  "wiar. 

(Dem  Gieschäft  in  Altblei,  K^abelblei  und  umges'chmolzenem 
Blei  kamen  die  hohen  Notierungen  von  Hüttenblei,  die  durch  das 
Stilliegen  der  mexikanischen  jBergwerke  und  Hütten  einerseits 
und  durch  die  (Bleikonvention  andererseits  verursaöht  wurden, 
sehr  zustatten.  Die  VerWertung  dieser  Altmetalle  fand  ohne 
Schwierigkeit  und  zu  jgünstigen  Preisen  statt. 

In  Altzink  waren  die  Zufuhren  infolge  der  geringen 
Bautätigkeit  mäßig,  die  Nachfrage  dagegen  sehr  groß,  da  die 
Schmelzereien  Altzink  zlim  Umschmelzen  in  Bemelted-Zink,  der 
einen  großen  Absatz  'wahrend  des  ganzen  Jahres  fand,  lebhaft 
begehrten.  Die  Preisbewertung  war  dementsprechend  insbesondere 
auch  für  Neuzinkbleohabfälle  sehr  gut. 

Die  nachstehende  Preistabelle  gibt  einen  vergleichenden 
Ueberblick  darüber,  wie  sich  die  Preise  der  vom  Bohkupferpreise 
beeinflußten  Altmetalle  zu  den  Standardkupfemotierungen  wäh- 
rend des  Jahres  verhalten  haben. 


Tab.  117. 


Preise  für  Standardkupfer 


1       Januar 

Februar 

März               April      |         Mai 

Durchschnitt  v.  Stan- 

■ 

dard-Kupfer  London        145.30 

132.55 

132.20 

137.85 

139.25 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Anf.    Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf.  1  Ende 

Stand-Notizen  £  p  t.    75.10  69.10  67.- 

64.- 

66.15 

66.10 

68.— 

67.15 

68.5  |68.— 

Schwerkupfer    .     . 

145 

135 

135 

129 

135 

129     137 

132 

134 

137 

Kupferdraht      .     . 

bß     146 

137 

140 

133 

140 

133!  138 

133 

137 

139 

Feuerbuchskupfer 

M 

150 

148 

142 

137 

142 

137 

142 

137 

142 

145 

Leichtkupfer      .     . 

R 

135 

130 

130 

124 

128 

122 

130 

124 

125 

131 

Messinghülsen  .     . 

113 

104 

103 

98 

103 

99 

106 

102 

100 

107 

Schwermessing      . 

93 

90 

90 

98 

88 

84 

89 

85 

87 

91 

Messingabfälle  .     . 

<^ 

111 

102 

101 

96 

101 

97 

104 

100 

98 

105 

Messingspäne     .     . 

86 

78 

77 

73 

79 

73 

82 

76 

82 

85 

Blockmessing    .     . 

102 

96 

92 

90 

92 

90 

96 

95 

94 

97 

Alter  Rotguß     .     . 

128 

123 

120 

117 

118 

116 

122 

120 

120 

124 

Rotgußblöcke  90% 

125 

120 

118 

117 

116 

115 

119 

118 

118 

120 

Aussichien. 


Am  Jahresi^chlusse  stand  der  Metallmarkt  noch  unter  der 
idurch  die  Geldteuerung  iverursachten  Depression.  Seitdem  aber 
Gneld  seither  bei  fallendem  Zinsfuß  reichlicher  angeboten  'wird 
und  hierdurch  das  Wirtsdiaftsleben  Mon  einem  schweren  Drucke 
befreit  ist,  kann  man  erwarten,  daß  mit  der  Rückkehr  z:\x  nor- 


57.    Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


243 


analen  Verhältnissen  eine  Neubelebung  der  Industrie  eintritt  und 
daß  sich  beslonders  die  Tätigkeit  ;auf  dem  Baumarkte  bessert. 
^ür  den  Altmetallhandel  (würden  sich  hieraus  erhöhte  Gesehäfts- 
jnögiichkeiten  und  gute  [Ergebnisse  erhoffen  lassien. 


V.  Metallverarbeitung. 

57.    Eisengießerei,    Baukonstruktionen, 

Maschinen^  und  Lokomotivenbau. 

1.    Eisengießerei. 

Erster  Bericht. 

Der  Verlauf  des  am  30.  Juni  beendeten  Greschäftsjahres  der 
l)erichtenden  Firma  hat  nicht  ganz  den  Erwartungen  entsprochen. 
Die  Eöhrengießerei  hatte  zwar  einen  nicht  unbedeutenden  Mehr- 
umsatz gegenüber  dem  Vorjahr  aufzuweisen,  doch  konnte  ein 
nennenswerter  Ertrag  nicht  erzielt  werden,  da  einerseits  die 
wichtigsten  Bohmaterialien  wie  Roheisen  und  Koks  erhebliche 
Preissteigerungen  erfahren  haben,  andererseits  infolge  der  Kon- 
kurrenz die  Verkaufspreise  den  höheren  Grestehungskosten  nicht 
folgen  konnten  und  d^aher  nur  bescheidenen  Nutzen  ließen.  Für 
die   allgemeine  Gießerei,  welche  Bohrformstücke,  Maschinenguß, 


Erster  Bericht. 


Geschäftsgang. 


und 

Altmetalle 

Juni    i    Juli    j   August    September 

Oktober 

November  j  Dezember 

131.80 

129.90 

140.— 

148.- 

148.40 

138.25 

131.90 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Monats- 

Anf.  Ende 

Anf. 

Ende 

Anf.  Ende 

Anf.  1  Ende 

Anf.  1  Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

66.5  63.15 

63.15 

66.10 

67.10170.15 

71.15172.-174.10174.— 

71.10 

67.10 

65.10 

65.10 

132  1  126  123 

128 

130 

135 i  137 

143 

137   140 

140 

127 

128 

125 

135^  128 

124 

130 

132 

138 i  140 

144 

140 

143 

140 

130 

130 

137 

140 

135 

133 

136 

140 

144  1  142 

146 

145 

148 

144 

135 

133 

140 

130 

122 

116 

120 

124 

131  130 

132 

130 

132 

126 

120 

122 

118 

100 

94 

94 

97 

97 

103!  102 

107 

102 

105 

104 

98 

98 

94 

86 

84 

82 

84 

86 

90 

88 

91 

88 

90 

90 

87 

86 

83 

98 

92 

92 

95 

95 

101 

100 

105 

100 

103 

102 

96 

96 

92 

78 

75 

74 

78 

80 

83 

84 

87 

83 

85 

81 

77 

80 

75 

96 

92 

90 

92 

96 

99 

100 

103 

96 

98 

98 

95 

94 

88 

122 

117 

114 

117 

119 

125 

125 

126 

124 

125 

120 

118 

116 

112 

119 

115 

114 

116 

120 

124 

122 

124 

119 

120 

118 

116 

115 

111 

Spezialguß  usw.  herstellt,  waren  die  Preise  auskömmlicher  und 
uuch  die  Beschäftigung  befriedigend,  so  daß  hier  ein  besseres 
Erträgnis  als  im  Vorjahre  erreicht  werden  könnte.  Die  Maschinen- 
fabrik der  Berichterstatterin  war  während  des  ganzen  Jahres  voll 
beschäftio-t  und  hat  einen  wesentlich  höheren  Umsatz  al^  im  Vor- 


16* 


244 


V.   Metallverarbeitung. 


Roheisen- 
Versorgung. 


jähre  zu  verzeichnen,  was  liauptsächlich  auf  große  Ablieferungen  in 
Schlousenbauaj-beiten  zurückzuführen  war.  Der  Betriebsgewinn 
entsprach  jedoch  nicht  dem  gestiegenen  Absatz,  da  diese  Arbeiten 
im  Submissionsverfahren  nur  zu  sehr  niedrigen  Preisen  herein- 
genommen werden  konnten  und  infolge  der  Preissteigerung  der 
Rohmaterialien  und  Löhne  sowie  hoher  Montagekosten  sich  un- 
günstiger abgerechnet  haben,  als  erwartet  worden  war.  —  'In 
der  zweiten  Hälfte  des  Jahreß  1913  machte  sich,  entsprechend 
der  Ungunst  der  Verhältnisse  sowohl  in  der  Eisengießerei  wie  in 
der  Maschinenfabrikation  eine  größere  Zurückhaltung  in  Kon^ 
sumentenkreisen  bemerkbar,  die  bis  in  das  neue  Jahr  liinein 
angehalten  hat. 

Der  Roheisenmarkt  war  das  ganze  Jahr  über  fest.  Es  wurden 
mehrfach  nicht  unerhebliche  Preiserhöliungen  vorgenommen.  Der 
Roheisenverband,  welcher  sämtliche  deutsche  Hochofenwerke  um- 
faßt, hat  hierbei  insofern  auf  die  Gießereien  wenig  Rück- 
sicht genommen,  als  er  diesen  nicht  nur  die  Preise,  sondern 
auch  die  zu  liefernden  Roheisenmarken  diktierte.  Außerdem 
machen  die  Hochofenwerke,  welche  durch  den  Roheisenzoll  einen 
hohen  Schutz  genießen,  durch  ihre  angeschlossenen  Gießereien  den 
reinen  Gießereien  die  schärfste  Konkurrenz. 


Z  weite  rBericht. 


Geschäftsgang. 


Roheisen- 
Syndikat 


Zweiter  Bericht. 

Während  die  Eisengießereien  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
wohl  durchweg  gut,  zum  Teil  sehr  gut  beschäftigt  waren,  wurde 
es  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  schwieriger,  Aufträge  herein- 
zuholen; vielfach  mußten  Preiskonzessionen  gemacht  werden,  um 
dies  überhaupt  zu  ermöglichen.  Im  letzten  Vierteljahr  war  e& 
einer  Reihe  von  Gießereien  nicht  möglich,  ihren  alten  Arbeiter- 
stamm voll  zu  beschäftigen,  so  daß  sie  genötigt  war,  einzelne  Ar- 
beiter feiern  zu  lassen.  Die  Löhne  waren  während  des  ganzen 
Jahres  unverändert  hoch,  und  soweit  nicht  noch  Lieferungsverträge 
für  Roheisen  aus  den  Vorjahren  ausgenutzt  werden  konnten^ 
mußten  die  von  dem  Roheisensyndikat  diktierten,  stark  erhöhten 
Preise  (Hämatite  83,50  Mk. ;  Roheisen  I  80,50  Mk. ;  Roheisen  III 
74,50  Mk. ;  Luxemburg  69  Mk.  für  die  Tonne  frei  Fabrikhof  Berlin) 
gezahlt  werden.  Hierdurch  wurde  der  Gewinn  in  der  zweiten 
Hälfte  d,es  Jahres  vielfach  sehr  stark  eingeschränkt.  Das  Roh- 
eisensyndikat hat  zwar  gewisse  Preisvergütungen  für  Ausfuhrgut 
angeboten,  indessen  sind  diese  Vergütungen  an  so  umständlich  zu 
erfüllende  Bedingungen  geknüpft,  daß  nach  Ansicht  des  Bericht- 
erstatters nicht  eine  einzige  Gießerei  davon  Gebrauch  gemacht  haben 
dürfte.  Man  dürfe  wohl  sagen,  daß  diese  Vergütungen  nur  angeboten 
werden,  um  in  der  Oeffentlichkeit  den  Anschein  zu  erwecken,  daß 
die  Syndikatspreise  nicht  in  voller  Höhe  zur  Anwendung  gelangen. 
Die  Preisermäßigungen,  welche  das  Roheisensyndikat  für  das  erste 


57.   Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


245 


Semester  1914  angekündigt  hat,  trügen  auch  nicht  entfernt  dem 
Rückgang  der  Konjunktur  Rechnung;  infolgedessen  sei  gegen 
Ende  des  Jahres  1913  zwischen  allen  in  Betracht  kommenden  Eisien- 
^ießereien  westlich  der  Weser  ein  Verband  zustande  gekommen, 
dessen  wichtigste  Aufgabe  es  ist,  das  Roheisensyndikat  zu  einer 
angemessenen  Herabsetzung  der  Preise  zu  veranlassen.  Die  Be- 
ziehungen zwischen  Arbeitgebern  tmd  Arbeitern  waren  während 
•des  ganzen  Jahres  zufriedenstellend.  Streiks  sind  nur  ganz  ver- 
<einzelt  und  aus  besonderen  Anlässen  vorgekommen. 


2.    Baukonstruktionen    und    Verwandtes. 
Erster  Bericht. 

Die  Eisenkonstruktionsbranche  war  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jahres  1913  gut,  jedoch  infolge  des  großen  Wettbewerbes 
Inur  zu  gedrückten  Preisen  beschäftigt.  Der  Auftragseingang' 
ließ  aber  im  zweiten  Semester  aus  verschiedenen  Gründen  nach. 
Der  Balkankrieg,  welcher  zujiächst  nur  eine  geringe  Einwirkung 
auszuüben  schien,  hat  späterhin  doch  dazu  gefHihrt,  daß  größere 
Projekte  zurückgestellt  wurden.  Als  weitere  Ursache  für  die 
wenig  günstige  Entwickelung  muß  die  Fortdauer  der  schon  im 
Vorjahre  bestehenden  Geldteuerung  und  die  von  allen  Geld- 
instituten geübte  Krediteinschränkung  angesehen  werden,  welche 
überall  die  Unternehmungslust  stark  eindämmte.  Der  teure  Geld- 
ßtand  und  die  nur  bei  großen  Opfern  mögliche  Hypotheken- 
beschaffung hat  während  des  ganzen  Jahres  den  Grundstücks- 
und Baumarkt  ungünstig  beeinflußt,  so  daß  das  Baugeschäft,  und 
damit  besonders  auch  der  Absatz  von  Baueisen,  sehr  beeinträch- 
tigt wurde.  Als  gegen  Mitte  des  Jahres  der  überseeische  Bedarf 
nachließ,  zeigte  es  sich,  daß  die  Walzeisen  und  Röhren  pro- 
duzierenden Werke,  welche  in  den  letzten  Jahren  zu  wesentlicheti 
Vergrößerungen  geschritten  waren,  die  Absatzmöglichkeit  über- 
schätzt hatten.  Die  infolge  der  erhöhten  Produktion  überschüssigen 
Mengen  ließen  die  Bestrebungen  zu  einem  Zusammenschluß  der 
Werke  scheitern  und  veranlaßten  einen  Preisdruck,  der  emp- 
findliche Wirkungen  nicht  nur  für  die  Werke,  sondern  auch 
für  die  lagerhaltenden  Händler  zur  Folge  hatte. 

Die  zurückgegangenen  Eisenpreise  dürften  f|ür  die  Folge 
Behörden  sowohl  als  auch  Privatunternehmer  zur  Ausführung 
der  in  den  letzten  Monaten  zurückgestellten  Pläne  anregen,  zu- 
mal, wenn  sich  die  Lage  auf  dem  Geldmarkt  bessert. 

Die  Materialpreise  stellten  sich  Anfang  Dezember  für  die 
Tonne  frei  Berlin  für  Stabeisen  auf  108  Mk.  gegen  142  Mk.  im 
Vorjahre,  für  Universaleisen  auf  116  Mk.  gegen  145  Mk.  im 
Vorjahre,  für  Grobbleche  auf  116  Mk.  gegen  150  Mk.  im  Vor^ 
jähre,  für  Formeisen  auf  132,50  Mk.  gegen  142,50  Mk.  im' 
Vorjahre. 


Bau- 
konstruktionen 
und 
Verwandtes. 

Erster  Bericht. 

Geschäftsgang. 


Aussichten. 


Preise. 


246 


V.   Metallverarbeitung. 


Arbeits- 
verhältnisse. 


ZweiterBericht. 
Geschäftsgang. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


Dritter  Bericht. 
Geschäftsgang. 


Submissionen. 


Bis  auf  geringfügige  Differenzen,  welche  sofort  beigelegt 
werden  konnten,  sind  Stt*eiks  oder  sonstige  Lohinstreitigkeitett 
mit  den  Arbeitern  im  Berichtsjabre  in  der  Eisenkonstrnktions- 
brauche  nicht  vorgekommen. 

Zweiter  Bericht. 

"Während  die  Eisenkons tniktionsbranche  mit  einem  verhältnis- 
mäßig hohen  Auftragsbestände  in  das  Berichtsjahr  eintrat  und 
man  die  Erwartung  hegte,  daß  sich  die  im  Vorjahre  loegonnene,. 
wenn  auch  geringe  Besserung  in  den  Preisen  fortsetzen  werde^ 
machte  sich  bald  ein  starkes  Abflauen  der  Tätigkeit  auf  dem 
Baumarkte  bemerkbar,  was  natürlich  bei  dem  bestehenden  großen 
Arbeitsbedürfnis  der  Konstruktionswerkstätten  einen  verschärften 
Wettbewerb  und  damit  eine  fortdauernde  Verschlechterung  der 
Preise  zur  Folge  hatte.  Die  bestehenden  Interessenverbände  und 
Syndikate  waren  diesen  Erscheinungen  gegenüber  machtlos,  um 
so  mehr,  als  schwierige  Zeiten  in  der  Regel  eine  große  Vereins- 
müdigkeit auslösen,  eine  Erscheinung,  die  ja  bei  den  Syndikats- 
verhandlungen der  Stabeisenhändler-  und  der  Trägervereinigungen, 
von  neuem  ihre  Bestätigung  fand.  Angesichts  der  geschilderten 
Sachlage  mußten  sich  die  Werkstätten  entschließen,  Arbeiten 
auch  zu  verlustbringenden  Preisen  hereinzunehmen,  um  nicht 
zu  Einschränkungen  der  Betriebe  schreiten  zu  müssen.  Freilich! 
mußte  man  sich  vielfach  zum  Scblusse  des  Jahres  auch  zu  dieser 
Maßnahme  verstehen,  weil  die  andauernde  Verschlechterung  der 
Geschäftslage  einen  anderen  Ausweg  nicht  bot. 

Streiks  haben  nicht  stattgefunden.  Es  hat  wohl  hierbei 
auch  die  Erkenntnis  auf  Seiten  der  Arbeiter  mitgewirkt,  daß- 
Streiks  unter  den  schwierigen  Verhältnissen  des  Berichtsjahres- 
keine    Aussicht    auf    irgendeinen    Erfolg    böten. 

Dritter  Bericht. 

Das  Wirtschaftsjahr  1913  muß  nicht  allein  hinsichtlich  der 
Beschäftigung,  sondern  auch  hinsichtlich  der  erzielten  Preise  in 
der  Eisenkonstruktionsbranche  und  im  Brückenbau  als  überaus 
ungünstig  bezeichnet  werden.  Diese  mißliche  Lage  wurde  durch 
den  allgemeinen  Niedergang  der  Konjunktur,  insbesondere  jedoch 
durch  die  Stagnation  auf  dem  Berliner  Baumarkt  hervorgerufen. 
Der  Umsatz  in  Eisenkonstruktionen  dürfte  für  den  Baumarkt  nur 
ca.  60 — 750/0  des  vorjährigen  erreicht  haben.  Der  Rückgang  in 
der  Beschäftigung  ist  femer  durch  den  verminderten  Bedarf  der- 
Behörden  zu  erklären;  der  Rückgang  dürfte  sich,  soweit  die  öffent- 
lichen Ausschreibungen  einen  Ueberblick  gestatten,  ungefäjir 
gleichmäßig  auf  die  Staats-  und  Kommunalbehörden  erstrecken.. 
Der  Mangel  an  Beschäftigung  drückte  natürlich  auch  die  Preise» 
und  besonders  bei  öffentlichen  Submissionen  wurden  Preise  ge- 
foidert,    die   nicht    einmal   die   Gestehungskosten   deckten.    Aus 


57.   Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


247 


diesem  Grunde  haben  verschiedene  Firmen  es  für  richtiger  ge- 
halten, sich  an  öffentlichen  Ausschreibungen  weniger  als  sonst 
zu  beteiligen. 

Die  Aussichten  für  die  nächste  Zukunft  waren  am  Jahres- 
schluß noch  wenig  günstig.  Es  djürfte  erst  dann  eine  Besserung 
zu  erwarten  sein,  wenn  eine  regere  Tätigkeit  auf  dem  Berliner 
Baumarkt  eingetreten  ist  und  nachdem  einige  Neulinge  in  der 
Eisenkonstruktionsbranche  die  Erfahrung  gemacht  haben  werden^ 
daß  man  für  eine  gelieferte  Arbeit  wenigstens  die  Selbstkosten 
bezahlt    erhalten    muß,    wenn    man    nicht   zugrunde   gehen    will. 

Vierter  Bericht. 

Die  Verhältnisse  im  Eisenkonstruktionsbau  sind  im  wesent- 
lichen dieselben  geblieben  wie  im  Vorjahr.  Doch  ist  die  Bau- 
tätigkeit noch  weiter  zurückgegangen,  und  die  Umsätze  und 
[Preise  haben  .sich  hierdurch  weiterhin  verringert.  Die  Be^ 
schäftigiing  war  deshalb  bei  allen  FirmeD  sehr  schlecht,  so  daß 
noch  nicht  einmal  die  Umsätze  des  Jahres  1912  erreicht  werden 
kbnnten.  Auch  im  Jahre  1913  kam  es  infolge  des  vorhandenen 
Arbeitsmangels  bei  fast  allen  Firmen  zu  einem  schweren  Kon- 
kurrenzkampf, so  daß  Preisangebote  für  Eisenkonstruktionen  weit 
unter  dem   Selbstkostenpreise   häufig  vorkamen. 

Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern 
waren  im  abgelaufenen  Jahre  ungetrübt.  Die  Arbeitszeit  betrug 
wie  bisher  54  Stunden  wöchentlich,  Lohnerhöhungen  haben  nicht 
stattgefunden. 

Fünfter  Bericht. 

Zu  Beginn  des  Jahres  war  die  geschäftliche  Lage  im  Eisenr 
konstruktionsgewerbe  sehr  still.  Die  Preise,  die  erzielt  wurden, 
waren  äußerst  gedrückt.  Die  Einkaufspreise  für  Stabeisen  und 
Bleche  hielten  sich  jedoch,  ja  gingen  noch  etwas  in  die  Höhe. 
Die  Einbringung  der  Wehrvorlage  gab  Hoffnung  auf  eine 
bessere  Beschäftigung  der  Industrie.  Infolge  der  späten  Ver-, 
abschiedung  der  Vorlage  konnten  aber  nur  noch  die  allerdring^ 
liebsten  Aufträge  verg-'eben  werden.  Die  Arbeit  häufte  sich 
dann  während  der  Sommermonate  auf  einen  so  kurzen  Zeitrau,m, 
daß  Nachtarbeit  zu  Hilfe  genommen  werden  mußte,  damit  die 
Lieferungen  pünktlich  ausgefjührt  werden  konnten.  Die  Preise, 
die  für  die  Arbeiten  erzielt  wurden,  waren  infolge  der  großen 
Konkurrenz  und  infolge  der  großen  Aufnahmefähigkeit  des 
Marktes  sehr  schlecht,  zumal  da  die  Einkaufspreise  für  Stab- 
eisen und  Bleche  gerade  in  jener  Zeit  von  Tag  zu  Tag  fielein. 
Infolge  des  allgemeinen  Konjunkturrückganges  hielt  sich  der 
Bedarf  zurück,  und  die  Beschäftigung  ließ  wesentlich  nach.  Zu 
Beginn  des   Oktober  warfen   die  Kündigung  der  Berliaer  Stab- 


Aussichten. 


Vierter  Bericht. 
Geschäftsgang. 


Arbeiter- 
Verhältnisse. 


FtinfterBericht. 
Wehrbeitrag. 


eisenveremigung 
schon  schlechten 


und    der    Kamj)f    gegen    einige    Outsider    die 
Preise  in  der  Eisenkonstruktionsbranche  noch! 


248 


V.   Metallverarbeitung. 


Kruppprozeß. 


Arbeits- 
verhältnisse. 


weiter  zurück.  Die  Balkanwirren  wurden  nicht  so  schnell,  wie 
man  annahm,  beendet.  Nach  dem  Friedensschluß  wurde  der 
Balkanmarkt  von  so  vielen  Seiten  bearbeitet,  daß  die  Preise  für 
Liefeiung    nach    dem    Balkan    ebenfalls   sehr   gedrückte   waren. 

Was  den  Krupp-Prozeß  betrifft,  so  teilt  die  berichtende 
Firma  nicht  die  Ansicht,  daß  er  eine  Schädigung  der  Industrie 
infolge  einer  Verschärfung  der  bureaukratischen  Formen  bedeuten 
müsse.  Sie  hofft,  daß  er  eine  Stählung  des  Verantwortungs- 
bewußtseins der  Staatsbeamten  bedeuten  wird  und  daß  mündliche 
Verhandlungen,  ohne  die  das  gesamte  Geschäftsleben  stocken 
würde,  in  Zukunft  erleichtert  und  nicht  erschwert  werden. 

Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern 
waren  im  Berichtsjahre  gut.  Doch  steht  die  Berichte rstatiterin 
nach  wie  vor  auf  dem  Standpunkte,  daß  ein  Arbeitswilligejn- 
schutzgesetz  als  wirksames  Mittel  gegen  den  Terrorismus  der 
Sozialdemokratie    durchaus    notwendig   sei. 


Sechster 
Bericht. 


Sechster  Bericht. 

Die  seit  dem  Jahre  1911  konstatierte  Besserung  in  der 
Beschäftigimg  der  Berliner  Eisenkonstruktionswerkstätten  hatte 
im  Anfang  des  Jahres  1913  anscheinend  ihren  Höhepunkt  erreicht. 
In  der  zweiten  Jahreshälfte  war  ein  deutliches  Abflauen  in  dei^ 
Beschäftigung  zu  bemerken,  welches  nur  in  geringem  Maße  mit 
Üer  üblichen  Abnahme  der  Berliner  Bautätigkeit  im  Winter  zu- 
sammenhing. Daß  die  nngünstige  Marktlage  auch  bei  den  Provinz- 
firmen mehr  lind  mehr  fühlbar  war,  ging  daraus  hervor,  daß 
die  Beteiligung  sämtlicher  Firmen  bei  den  öffentlichen  Aus- 
schreibungen der  Staatsbahn  und  der  Städte  außerordentlich'  rege 
war  und  daß  hierbei  Preise  gefordert  Wurden,  welche  eine  Deckung 
der  Unkosten  nicht  ermöglichten.  Die  Preise  sind  also  ttärker 
gefallen  als  die  Einkaufspreise  für  das  Eohmaterial,  für  Stab- 
eisen und  Formeisen.  Diese  Materialien  waren  infolge  des  ge- 
ringer gewordenen  Auftragbestandes  der  Hüttenwerke  wieder 
binnen   normaler   Lieferzeiten    erhältlich. 

Für  die  nach  wie  vor  äußerst  geringe  Nachfrage  nach'  Kon- 
struktionen für  den  Berliner  Baumarkt  boten  die  zahlreichen 
Ausschreibungen  der  Staatsbahn,  der  Militärbehörden  und  der 
Städte  reichlich  Ersatz.  Da  bei  dieser  Kundschaft,  sowohl  in 
•Groß-Berlin  als  außerhalb,  im  neuen  Jahre  infolge  der  zu 
erledigenden  Bauprogramme  noch  großer  Bedarf  vorliegt,  so 
ist  anzimehmen,  daß  die  Beschäftigung  schon  im  Laufe  des 
Jahres  1914  wieder  besser  werden  wird. 


Siebenter 
Bericht. 

Geschäftsgang. 


Siebenter   Bericht. 

Ueber  den   Gasanstaltsbau  wird  uns  berichtet: 
Der   Gasanstaltsbau  hat   im   Berichtsjahre   ungünstiger  ge- 
arbeitet  als    im    Vorjahre,    doch    konnte   die   berichtende   Firma 


57.   Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


249 


ihre  Fabrikate  zu  auskömmlichen  Preisen  unterbringen.  Der 
Bedarf  im  Inlande  ließ  erheblich  nach,  zum  Teil  infolge  des 
Einflusses  der  Konkurrenz  der  Koksofengas-Versorgungen,  zum 
Teil  infolge  Einführung  von  früherem  Ladenschluß,  zum  Teil 
infolge  anderer  Umstände,  die  die  Maximalabgabe  der  Gaswerke 
beeinflußten.  Neben  der  Verringerung  des  Bedarfs  im  Inlande 
trug  ein  Rückgang  des  ausländischen  Bedarfs  dazu  bei,  daß  das 
Berichtsjahr  einen  erhebliühen  Rückgang  im  Absätze  aufwies. 
Die  Absatzverhältnisse  wären  wesentlich  günstiger  gewesen, 
wenn  der  Geldmarkt  leichter  gewesen  wäre,  denn  alle  Städte 
und  Gemeinden,  welche  im  Besitz  von  Gasanstalten  sind,  und 
auch  viele  Gesellschaften  und  Privatbesitzer  mußten  ihre  Neu- 
anschaffungen auf  das  AUernotwendigste  beschränken,  weil  die 
erforderlichen  Baugelder  nicht  günstig  zu  beschaffen  waren. 
Der  Einfluß  der  Elektrizität  macht  sich  in  dem  Gasfach'  wenig 
bemerkbar,  weil  der  Ausfall  in  der  Abgabe  von  Gas  für  Leucht- 
zwecke durch  den  Verbrauch  von  Gas  für  Heiz-  und  Kochf^ 
zwecke  ausgeglichen  'wird. 

Die  fallenden  Preise  für  die  Halbfabrikate  ermöglichten 
auch  niedrigere  Preise  für  die  Fertigfabrikate.  Die  letzteren 
•wurden  durch  eine  lebhafte  Konkurrenz  erheblieh'  gedrückt.  Mit 
Rücksicht  auf  die  deshalb  für  einige  Fabrikate  nötig  gewordenen 
billigen  Verkaufspreise  mußte  eine  Verbilligung  der  Fabrikate 
durch  Verbesserung  der  Fabrikationseinrichtungen  angestrebt 
werden. 

In  den  Ausfuhrbedingungen  hat  sich  im  Berichtsjahre  nichts 
geändert.  Die  Höhe  der  Zoll-  und  Frachtauslagen  zwingt  die 
Gasanstaltsbaufirmen,  bei  Lieferungen  ins  Ausland  den  größten 
Teil  der  Aufträge  durch  Lieferanten  des  betreffenden  Landes 
ausführen  zu  lassen;  dies  gilt  ganz  besonders  für  Lieferungen 
nach  Rußland  und  Italien.  Die  Ermäßigung  einiger  Sätze  des 
Zolltarifs  der   Vereinigten  Staaten   blieb  ohne  Einfluß. 

Die  Beiträge  für  die  neue  Angestellten  Versicherung  in  Ver- 
bindung mit  den  fortwährend  gesteigerten  Ausgaben  für  Arbeiter- 
unterstützungen und  für  die  staatlichen  Versicherungen  gegen 
In^^alidität,  Krankheit,  Unfall  usw.  bilden  eine  bedeutende  Be- 
lastung der  Industrie,  so  daß  es  immer  schwerer  wird,  in  den-, 
jenigen  Ländern  lohnende  Aufträge  hereinzuholen,  in  denen  eine 
einigermaßen   leistungsfähige   Konkurrenz   vorhanden   ist. 


Preise. 


Export. 


Soziale  Lasten. 


3.    Triebwerke. 

Die  guten  Absatzverhältnisse  des  Jahres  1912  dauerten  auch 
ian  größten  Teile  des  Berichtsjahres  fort.  Nur  in  den  letzten 
Monaten  erfolgte  ein  nicht  unbeträchtlicher  Rückschlag.  Es  be- 
stehen noch  in  verschiedenen  Branchen  Neubaubedürfnisse  für 
den  Transmissionsbau,  doch  zögerte  man  w-egen  des  teuren  Geldes 
mit  der  Verwirklichung  der  Projekte.    Die  Preise  für  Stab-  und 


Triebwerksbau. 
Geschäfts  gang. 


250 


V.   Metallverarbeitung. 


Roheisen- 
syndikat. 


Export. 


Arbeits- 
verhältnisse. 


Konstruktionseisen  sind  erheblich  gewichen,  aber  Kohle,  Koksi 
und  Roheisen  aller  Art  blieben  so  hoch  im  Preise,  daß  sie  eine 
dem  KonjniLkturrückgang  Rechnung-  tragende  Verbilligimg  der 
Anlagen  nicht  ermöglichten.  Die  Rohoisenp reise  besonders  wiu^- 
den  vom  Syndikat  noch  fast  auf  der  Höhe  des  Vorjahres 
gehalten.  Die  Stabeisen-  und  Konstruktionseisenwerke  haben  den 
Verhältnissen  durch  starke  Preisherabsetzungen  sofort  richtig 
Rechnung  getragen  und  damit  anregend  auf  den  Bedarf  eingewirkt, 
so  daß  sie  auch  in  ganz  kurzer  Zeit  wieder  mit  Preiserhöhungen 
werden  vorgehen  können.  Das  Roheisen- Syndikat  soll^  um  seine 
deutschen  Preise  hochhalten  zu  können  und  sich  trotzdem  den 
•nötigen  Absatz  zu  sichern,  nach  England  exportiert  und  dort 
um  zwei  bis  drei  Schillinge  für  die  Tonne  billiger  verkauft 
haben,  als  in  England  der  Marktpreis  für  Roheisen  stand.  Eng- 
lisches Roheisen  wurde  Anfang  1914  auf  71  Mk.  für  die  Tonne, 
fracht-  und  zollfrei  jeder  Empfangsstation  an  der  Elbe  gelegener 
Gießereien,  angeboten,  während  das  Sj^ndikat  76,50  Mk.  forderte. 
Zwar  gewährt  das  Syndikat,  je  nach  Bezugsmenge,  Rabatte  von 
0,50  bis  zu  1,50  Mk.  für  die  Tonne  und  vergütet  ferner  auch  auf 
ein  in  der  Fertigware  exportiertes  Roheisen  6,25  Mk.  für  die 
Tonne.  Hierbei  wird  aber  verlangt,  daß  für  exportiertes  Roh- 
eisen genau  nachgewiesen  wird,  wohin  es  gegangen  ist  und 
welcher  Art  es  war.  Ja  es  müssen  förmlich  Export-  und  Geschäfts- 
geheimnisse preisgegeben  werden,  um  zu  der  geringen  Vergünsti- 
gung zu  gelangen.  Uebrigens  macht  die  Vergünstigung  bei  den 
nicht  stark  exportierenden  Firmen,  auf  den  Gesamtwert  des  be- 
zogenen Roheisens  berechnet,  nur  Pfennige  aus. 

Der  Export  wird  immer  schwieriger,  da  die  Konkurrenz  im 
Ausland  große  Fortschritte  macht.  Der  Zoll  für  Triebwerke 
macht  in  den  meisten  Ländern  soviel  aus,  wie  die  einheimischen 
Werke  für  das  fertige  Fabrikat  fordern.  Hoffentlich  bringen  die 
nächsten  Zollverträge  hierin  Wandel,  damit  ein  so  bedeutender 
Exportartikel,  wie  Triebwerke  (Transmissionen)  es  sein  könnten, 
nicht  ganz  ausgeschaltet  wird.  Im  wirtschaftlichen  Ausschuß 
zur  Vorbereitung  handelspolitischer  Maßnahmen  müßten  Leiter 
erster  Unternehmungen  jedes  Industriezweiges  sitzen,  damit  die 
Interessen  jeder  Branche  richtig  gewahrt  und  gefördert  werden. 
Fachleute  aus  dem  allgemeinen  Maschinenbau  können  nicht  als 
Kenner  des  Transmissionsbaus  gelten. 

Streiks  sind  im  Berichtsjahre  nicht  vorgekbmmen,  obwohl  die 
Besetzung,  wenigstens  im  ersten  Semester,  noch  sehr  gut  war.  — 
Die  vielen  großen  Ausgaben  auf  sozialem  Gebiete  beeinflussen  die 
Preisbildung  für  die  Fabrikate  sehr  empfindlich.  Ein  weiteres 
Beschreiten  dieser  Bahn,  etwa  durch  Schaffung  einer  Arbeitslosen- 
versicherung usw.,  würde  die  Lage  auch  der  besten  Unternehmun- 
gen weiter  Verschlechtem  und  kleinere  Unternehmungen  dem 
Ruin  zuführen. 


57.    Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


251 


4.  Hebewerkzeuge. 
Erster  Bericht. 

Das  vergangene  Jahrj  stand  unter  dem  Zeichen  eines  durcJi 
die  Balkanwirren  hervorgerufenen  wirtschaftlichen  Niederganges. 
Die  Umsätze  in  der  Aufzugsbranche  haben  nachgelassen,  und 
Iwenn  dies  auch  bei  der  berichtenden  Firma  nicht  in  so 
sehr  erheblichem  Maße  geschehen  ist,  weil  sich  ihr  Arbeitsfeld 
nicht  nur  auf  Berlin  und  das  übrige  Deutsehland,  sondern  auf 
ganz  Europa  und  selbst  andere  Weltteile  erstreckt,  so  hatten 
doch  die  übrigen  Firmen  der  Branche  schWer  unter  der  Un- 
gunst der  Zeiten  zu  leiden.  Eine  ausländische  Konkurrenzfirma 
suchte  auch  im  Berichtsjahre  mit  Schleuderpreisen  den  deutschen 
und  europäischen  Markt  zu  erobern.  Sie  dürfte  hiermit  auch 
so  lange  und  insoweit  gewisse  Erfolge  haben,  als  sie  ihre 
Fabrikate  zu  niedrigen  Preisen  anbietet.  Eine  andere  aus- 
ländische Firma,  die  den  deutschen  Älarkt  auch  schon  seit  langen 
Jahren  pflegt,  hat  geglaubt,  dieser  Schleuderei  ebenfalls  mit 
Schleuderei  begegnen  zu  müssen.  So  hatte  die  deutsche  Aufzngs- 
industrie  nicht  nur  gegen  die  Ungunst  der  allgemeinen  wirtschaft- 
lichen Lage  anzukämpfen,  sondern  insbesondere  auch  noch  gegen 
ausländische   Konkurrenten,   die  den   Markt  verdarben. 

Im  Kranbau  war  der  Umsatz  ziemlich  befriedigend.  Obwohl 
auch  hier  die  Preisstellung  nicht  als  besonders  gewinnbringend 
bezeichnet  werden  kann,  so  war  in  diesem  Fabrikationszrweig' 
doch'  nicht  mit  den  gleichen  ungünstigen  Verhältnissen  zu  rechnen 
wie  im  Aufzugsbau. 

Am  Jabresschluß  war  noch  nicht  abzusehen,  ob  man  mit 
besseren  Hoffnungen  in  die  Zukunft  blicken  durfte.  Die  An- 
zeichen, die  zu  solcher  Hoffnung  anregten,  waren  noch  zu  gering- 
fügig und  vielleicht  auch  nur  zufällig.  Ein  Zusammenschluß 
in  der  Aufzugsbranche,  welcher  seit  einigen  Jahren  angestrebt 
wird,  ist  angesichts  der  ausländischen  Schleuderkonkürrenz  wenig 
wahrscheinlich. 

Zweiter  Bericht. 

Der  Absatz  der  berichtenden  Firma  dürfte  im  Berichtsjahre 
dem  vorjährigen  bisher  größten  Absatz  kaum  oder  nur  um  ein 
Geringes  nachgestanden  haben.  Aber  die  Preise  für  die  Massen- 
artikel —  Flaschenzüge  für  Handbetrieb  u.  dgl.  —  sind  infolge  der 
sinkenden  Konjunktur  und  durch  die  Konkurrenz  geringwertiger 
Fabrikate  auf  einen  kaum  erträglichen  Stand  gedrückt  worden. 
Es  ist  bedauerlich,  daß  die  Verbraucher  bei  einem  für  die  Sicherheit 
der  Arbeiter  so  wichtigen  Artikel  selbst  bei  ganz  geringem  Preis- 
unterschiede vielfach  mit  minderwertigen  Fabrikaten  vorlieb 
nehmen.  Die  Abteilung  für  elektrische  Hebezeuge  und  Krane  war 
am  Jahresschluß  für  längere  Zeit  mit  Arbeit  versehen.  Das  Ver- 
hältnis zu  den  durchweg  ausgewählten  Arbeitern  war  bei  der  Be- 


Eister  Bericht 


Aufzüge. 


Kräne. 


Aussichten. 


ZweiterBericht. 


252 


V.   Metallverarbeitung. 


richterstatterin  auch  im  Berichtsjahre  gut.  Vollbezahlte  Ferien- 
tage  und  namhafte  Weihnachtsgratifikation  für  jeden  Arbeiter  bei 
guten  Löhnen  finden  merkbar  Anerkennung. 


Dritter  Bericht. 


Gesamt- 
tendenz. 


Preis- 
verhältnisse. 


Produktion 
und  Umsatz. 


Verkehr  mit 
dem  'Auslande. 


Dritter  Bericht. 

Die  Menge  der  eingegangenen  Aufträge  hielt  sich  in  gleicher 
Höhe  wie  im  Vorjahre,  so  daß  eine  befriedigende  Beschäftigung 
vorlag.  Die  vorhandenen  Betriebsmittel  genügten  für  die  Aus- 
führung der  eingegangenen  Aufträge,  so  daß  eine  Vermehrung  des 
x4.rbeitspersonals  nicht  stattfand.  Die  Baukrise  ist  bis  jetzit  immer 
noch  nicht  überwunden  und  dürfte  voraussichtlich  nicht  eher  be- 
endet werden,  als  bis  eine  Besserung  in  der  Geldbeschaffung  ein- 
tritt. Die  Grundstücksbesitzer  können  zweite  Hypotheken  kaum 
erlangen  und  haben  teilweise  Schwierigkeiten  selbst  bei  Unter- 
bringung erster  Hypotheken.  Ein  weiterer  Grund  für  die  an- 
haltende Dauer  der  Baukrise  ist,  daß  die  Baugrundstücke  durch 
die  Wertzuwachssteiier  außerordentlich  verteuert  werden  und  da- 
durch der  Verkauf  verhindert  wird.  Eine  Gesundung  der  Bau- 
branche ist  durch  die  Einführung  des  zweiten  Teiles  des  G^esetzes 
zur  Sicherung  der  Bauforderungen  kaum  zu  erwarten.  Nach  wie 
vor  gingen  gute  Aufträge  für  Behörden  und  Private  aus  dem  Reiche 
ein,  so  daß  der  durch  die  Berliner  Baukrise  entstehende  Ausfall 
vollkommen  ausgeglichen  wurde. 

Die  Preise  der  Rohmaterialien  waren,  was  Walzeisen  an- 
belangt, etwas  niedriger  wie  im  Vorjahre,  während  die  Eotguß- 
und  Kupferpreise  gegenüber  dem  Vorjahre  stiegen.  Eine 
Steigerung  der  Verkaufspreise  konnte  jedoch  nicht  stattfinden. 

Eine  Ueberproduktion  hat  bei  der .  berichtenden  Firma  nicht 
stattgefunden.  Die  eingegangenen  Aufträge  beschäftigten  die  in 
der  Abteilung  angestellten  Arbeitskräfte  vollauf,  so  daß  Vorräte 
nicht  angehäuft  zu  werden  brauchten.  Die  Konkurrenz  in  der  Auf- 
zugsbranche ist  dauernd  äußerst  scharf  und  wird  insbesondere 
dui'ch  die  ausländischen  Konktirrenzwerke  wie  die  amerikanische 
Otis-Gesellschaft,  die  Firma  Stigler,  Act.-Ges.  in  Mailand  und 
die  Firma  Schindler  &  Co.  ia  Luzern  erschwert.  Diese  Firmen 
unterhalten  in  Berlin  Filialen  bzw.  Vertretungen.  Selbst  von 
ersten  Baufirmen  werden  für  gute  und  bessere  Qualitätwaren  keine 
besseren  Preise  gezahlt,  sondern  die  billigeren  Konkurrenzpreise 
vorgezogen. 

Der  Verkehr  mit  dem  Ausland  wird  durch  die  hohen  Ein- 
fuhrzölle in  den  meisten  Auslandsstaaten  ganz  erheblich  erschwert. 
Besonders  gilt  dies  für  Frankreich  und  Oesterreich,  welche  ihre 
eigenen  Spezialwerke  durch  hohe  Einfuhrzölle  gegen  das  Ausland 
schützen.  Die  ausländischen  Konklirrenzwerke,  insbesondere  die 
Firma  Stigler  Act.-Ges.  in  Mailand,  können  ihre  Aufzugstoaschinen 
infolge    der   äußerst  niedrigen   Arbeitslöline   in   Italien   und   des 


57.   Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


253 


nicht  allzu  hohen  Einfuhrzolls  billiger  als  die  Berliner  Spezial- 
werke  bauen. 

Das  Angebot  der  Arbeitskräfte  genügte  dem  Bedarf.  Streiks 
und  Aussperrungen  fanden  im  Berichtsjahre  nicht  statt.  In  ab- 
sehbarer Zeit  sind  voraussichtlich  keine  Ar  heiter  ausstände  zu  er- 
warten. Da  jedoch  keine  Tarifverträge  abgeschlossen  sind,  ist 
hierfür  keine  Sicherheit  vorhanden.  Die  Löhne  sind  gegen  das 
Vorjahr  um  ein  Geringes  gestiegen. 

Eine  Besserung  der  Zahlungs Verhältnisse  im  Baugewerbe  ist 
gegen  das  Vorjahr  nicht  eingetreten.  Sie  haben  sich  sogar  infolge 
von  Zahlungseinstellungen  größerer  Baugeschäfte  zum  Teil  noch 
verschlechtert.  Die  Banken  haben  die  Kredite  für  Bauten  aufs 
äußerste  beschränkt,  was  vielfach  den  Bauunternehmern  die  Eortr 
führung"  und  den  Beginn  von  Neubauten  unmöglich  machte.  Die 
Schwierigkeit  der  Hypothekenbeschaffung  führte  vielfach  zu 
Subhastationen  bereits  fertiger  Bauten,  wobei  erhebliche  Eor- 
derungeiL  von  Bauhandwerkern  ausfielen.  Die  Bestrebungen  vieler 
Gemeinden,  den  Grundstücksbesitzern  billige  zweite  Hypotheken 
zu  beschaffen,  dürfte  eine  Besserung  in  diesen  Verhältnissen  herbei- 
führen. 

Vierter   Bericht. 

Per  allmähliche  Aufschwung,  den  die  Maschinenindustrie  in 
den  letzten  Jahren  zeigte,  ist  im  vorjährigen  Bericht  durch  eine 
Tabelle  dargestellt,  welche  die  steigenden  Eisenpreise  in  den 
Jahren  von  1909  bis  Ende  1912  zeigte.  Während  die  einzelnen 
Jahre  bis  Anfang  1912  ein  ganz  allmähliches  Anziehen  der  Preise 
zeigten,  stiegen  diese  im  Jahre  1913  ganz  erheblich,  und  zwar  für 
Eisen  für  100  kg  um  2  Mk.  und  für  Bleche  für  100  kg  ujn 
1,50  Mk.  Diese  Höchstpreise  erhielten  sich  bis  Mitte  1913,  ob- 
wohl sich  schon  vorher  ein  Nachlassen  des  Geschäftes  bereits 
bemerkbar  gemacht  hatte.  Nunmehr  folgte  ein  Niedergang  der 
Preise  bis  zu  einer  Notierung,  die  teilweise  noch  unter  der- 
jenigen von  1909  lag.  Gegen  Ende  des  Jahres  1913  trat  wieder 
eine  kleine  Erhöhung  der  Preise  ein.  Ein  genaueres  Bild  der 
Preisbewegung  ergibt  die  nachstehende  Tabelle: 


Arbeit  smarkt. 


Kiedit- 
verhältnisse- 


Yierter  Bericht. 

Konjunktur, 
Preise. 


Tab.  1 18.     Preise  der  Rohmaterialien  im  Aufzugsbau   (in  Mark  für   100  kg 


Es  kostete 
im  Jahre 

1909 

1910 

1911 

1912 

bis 
1.  Juni 

ab 
1.  Juni 

: 

ab 
l.Aug 

L913 

ab 
1.  Okt. 

ab 
I6.0kt. 

abl.Xov. 
bis  zum 
31.  Dez. 

Flußeisen     .     . 
Schweißeisen   . 
Feinbleche  .     . 
Grobbleche  .     . 
Maschinenguß, 
durchschnittl. 

14.— 
16.- 
16.50 
15.- 

22.50 

14.50 
16.50 
17.— 
15.50 

23.- 

•15.— 

17.- 
18.- 
16.50 

23.- 

15.50 
17.50 
18.50 
17.- 

24.50 

17.50 
19.50 
20.- 
18.50 

24.50 

16.50 
18.50 
19.- 
17.50 

24.50 

15.50 
17.50 
18.- 
16.50 

24.50 

14.— 

16.— 
16.50 
15.— 

24.50 

12.- 
16.— 
15.- 
14.— 

24.50 

13.50 
16.— 
16.50 
15.50 

24.50 

Der  plötzliche  schnelle  Niedergang  findet  zu  einem  großen 
Teil  seine  Erklärung  in  den  Balkanwirren,  die  infolge  des  gegen- 


254 


V.   Metallverarbeitung. 


Export. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


seitig^n  Mißtrauens  der  Gfroßmächte  auf  das  allgemeine  Wirtr 
schaftsieben  erheblich  einwirkten  und  sowohl  die  Produzenten 
wie  die  Konsumenten  zu  großer  Vorsicht  aufforderten.  Dazu 
kam  das  Vorhandensein  erheblidher  Bestände,  die  zunächst  unter- 
zubringen waren.  Aufträge  von  Eegierungs-  und  Staatsbehörden 
gingen  etwas  lebhafter  als  im  Vorjahr  ein;  da  sie  aber  meist 
im  Submissionswege  vergeben  wurden,  mußten  sie  zu  sehr  ge- 
drückten  Preisen  angenommen  werden. 

Der  Export  im  Jahre  1913  dürfte  sich  etwa  auf  der  Höhe 
desjenigen  vom  Jahre  1912  bewegen.  Das  Geschäft  mit  Mexiko^ 
das  nicht  unerheblich  war,  hat  infolge  des  Bürgerkrieges  völlig 
ausgesetzt.  Die  Hoffnungen,  die  auf  den  Friedensschluß  auf  dem 
Balkan  gesetzt  wurden,  teilt  die  Berichterstatterin  nicht,  da  sich 
die  Länder  von  den  ihnen  auferlegten  Opfern  nur  langsam  er- 
holen können. 

Die  neue  Krankenkassengesetzgebung  hat  der  Industrie  neue 
Lasten  gebracht,  die  in  Verbindung  mit  denen  der  Angestellten- 
versicherung sehr  beträchtlich  ins  Gewicht  fallen.  Die  Arbeits- 
löhne bewegten  sich  auch  im  Berichtsjahre  in  aufsteigender  Linie; 
ebenso  erhielt  sich  die  Arbeiterzahl  auf  gleicher  Höhe.  Die  Auf- 
tragsbestände sind  aber  wesentlich  zurückgegangen,  und  eine  Be- 
lebung des  Geschäftes  ist  sehr  zu  wünschen,  um  Arbeiter ent- 
lassungen  aus  dem  Wege  zu  gehen. 


Allgemeiner 
Maschinenbau. 

Gesanit- 
tendenz. 


Preise 


Land- 
wirtschaftliche 
Maschinen.    • 

Erster  Bericht. 

Umsatz 
und  Preise. 


5.    Allgemeiner   Maschinenbau. 

Während  das  Vorjahr  für  den  allgemeinen  Maschinenbau 
ganz  im  Zeichen  der  Hochkonjunktur  stand,  ließ  im  Frühjahr 
1913  der  Geschäftsgang  nach.  Gegen  das  Ende  des  Jahres  flaute 
das  Geschäft  vollkommen  ab.  Die  Aussichten  für  die  nächste 
Zukunft  sind  sehr  schwer  zu  beurteilen,  da  sie  von  unvorher- 
zusehenden  Umständen  abhängen.  Die  Aufträge  für  den  Schleusen- 
bau dürften  nachlassen,  da  die  Kanalvorlagen  zum  größeren  Teil 
erledigt  sind  und  die  neuen  beabsichtigten  Vorlagen  noch  nicht 
dem  Landtag  vorgelegt  wurden. 

(Die  Preise  sind  für  Itohstoffe  im  Anfang  des  Jahres  ein 
wenig  gestiegen,  während  sie  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 
nachließen;  die  Preise  der  Fertigwaren  gaben  von  Mitte  1913 
ab  nach. 

6.    Landwirtschaftliche  Maschinen. 
Erster   Bericht. 

J>as  Geschäft  in  landwirtschaftlichen  Maschinen  hat  im  Be- 
richtsjahre dem  Umsatz  nach  einen  weiteren  Aufschwung  er- 
lebt; dies  gilt  für  das  Inland  wie  für  den  Export,  der  aller- 
dings stellenweise  unter  den  politischen  Beunruhigungen  etwas 
gelitten  hat,  besonders  was  den  Export  nach  dem  Balkan,  dem 
Orient,  Rußland  und  Frankreich  anlangt.   Ob  der  erzielte  Nutzen 


57.   Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


255 


Steigerung  der 
Selbstkosten. 


ebenso  gestiegen  ist  wie  der  Umsatz,  ist  zum  mindesten  frag- 
lich. Zwar  wurde  im  September  des  Vorjahres  von  33  deutschen, 
7  Österreich-ungarischen  und  5  englischen  Fabriken  für  Dampf- 
und Motordreschmaschinen  nebst  Zubehör,  Strohpressen  und  den 
dazugehörigen  Lokomobilen  und  fahrbaren  Motoren  eine  Öproz. 
Preiserhöhung  beschlossen.  Im  November  des  Vorjahres  wurde 
ferner  eine  gleiche  Erhöhung  der  Preise  für  andere  Maschinen 
und  Geräte  verabredet.  Doch  sind  diese  Preiserhöhungen  nicht 
A'on  allen  Beteiligten  durchgeführt  worden.  Im  Oktober  des  Be- 
richtsjahres wurden  die  Preisvereinbarungen  auf  ein  weiteres 
Jahr  verlängert.  Zu  Preisrednktionen,  sei  es  in  Form  von  Er- 
mäßigungen der  Bruttopreise,  sei  es  von  Erhöhung  von  Rabatt- 
sätzen  wurden  Fabrikanten  und  Händler  landwirtschaftlicher  Ma- 
schinen vielfach  durch  die  Konkurrenz  des  Auslandes  gezwungen, 
die  nicht  nur  im  Export,  sondern  im  eigenen  Lande  selbst  fühlbar 
wurde.  Die  außerordentliche  Vermehrung  der  Einfuhr  von  Pflügen 
für  Kraftbetrieb,  von  Mähmaschinen  aus  Kanada  und  den  Ver- 
einigter. Staaten  sowie  Dreschmaschinen  aus  Großbritannien,  von 
verschiedenen  Maschinen  aus  Oesterreich-Ungarn  und  von  Milch- 
separatoren aus  Schweden  und  Belgien  bestätigt  von  neuem  die 
Notwendigkeit   eines  ausreichenden  Zollschiitzes. 

Ferner  wurde  der  erzielte  Nutzen  durch  eine  weitere  Steige- 
rung der  Selbstkosten  wesentlich  geschmälert.  Diese  ist  durch 
die  steigenden  Holzpreise,  durch  den  Wehrbeitrag  und  die  An- 
gestelltenversicherung  verursacht,  für  welche  die  Preisermäßigun- 
gen für  einzelne  Rohmaterialien,  die  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Jahres  einsetzten,  keineswegs  einen  Ausgleich  gewährten,  zumal 
da  die  Preise  für  Kohle  und  Roheisen  durch  die  Syndikate  auf 
einer  künstlichen  Höhe  gehalten  werden  konnten.  Die  Fabrikation, 
besonders  aber  der  Handel  in  Maschinen  werden  ferner  durch 
die  Gepflogenheit  der  Gewährung  der  höchsten  Rabattsätze  an 
die  Konsumenten  durch  die  landwirtschaftlichen  Genossenschaften 
nach  wie  vor  schwer  geschädigt. 

Zweiter   Bericht. 

Im  Jahre  1913  ist  das  Geschäft  in  landwirtschaftlichen  Ma-  Geschäftsgang, 
schinen  und  Geräten  in  eine  neue  schwere  Krisis  geraten,  deren 
Ende  noch  nicht  abzusehen  ist.  Zwar  waren  die  Ernten  in  den 
hauptsächlichsten  Absatzländern  im  ganzen  noch  mittelgut;  die 
durch  die  Preissteigerung  der  Fabrikations-  und  Betriebs- 
materialien bewirkten  Preiserhöhungen  auf  die  Fertigfabrikate 
schränkten  aber  die  Kauflust  erheblich  ein.  Femer  beeinträch- 
tigten der  Balkankrieg,  die  europäische  Kriegsgefahr  und  (die 
Geldknappheit  das  Geschäft,  so  daß  im  Juli  mit  Arbeitsiein- 
schränkungen  begonnen  werden  mußte.  Die  Stockungen  im  Ab- 
satz hatten  vielfach  ein  Ueberangebot  an  Fabrikaten  zu  Schleuder- 
preisen zur  Folge. 


ZweiterBericht. 


256 


V.   Metallverarbeitung. 


Preise.  Obwohl  die  Preise  für  Stabeisen,  Schrauben  usw.  wieder  ge- 

fallen sind,  können  doch  die  Fabrikanten  im  allgemeinen  vor- 
läufig nicht  von  ihren  Teuerungszuschlägen  abgehen,  da  viel- 
fach noch  Abschlüsse  zu  hohen  Preisen  laufen  und  viele 
Materialien  wie  Kohle,  Koks,  Holz  usw.  eher  noch  teurer  ge- 
worden sind.  Dazu  sind  durch  die  Angestelltenversicherung  usw. 
neue  soziale  Lasten  getreten.  Diese  Belastungen,  untergraben 
immer  mehr  die  durch  billige  Preise  erworbene  Stellung  der  In- 
dustrie  auf  dem  Weltmarkt. 

Export.  Da  die  Polgen  des  Balkankrieges  noch  schwer  auf  den  be- 

troffenen Ländern,  Kumänien,  Türkei,  Bulgarien,  Serbien, 
Griechenland  lasten,  ist  auf  eine  Wiederbelebung  des  Exportes 
in  kürzerer  Zeit  nicht  zu  rechnen.  Uebrigens  besagen  die  Export- 
ziffem  allein  wenig,  wenn,  nicht  festgestellt  ist,  unter  welchen 
Umständen  und  mit  welchem  Gewinn  dieser  Export  erfolgt.  Der 
Export  nach  Frankreich  ist  im  Berichtsjahre  durch  den  Boykott 
deutscher  Waren  stark  behindert  gewesen,  erschien  aber  am  Jahres- 
schluß für  die  Zukunft  wieder  möglich.  Die  hohen  SchutzzlÖlle 
in  Kußland  haben  die  Stellung  der  deutschen  Industrie  gegen- 
über der  schon  sehr  erstarkten  russischen  Industrie  weiter  ge- 
schwächt. 


Werkzeug- 
maschinen und 
Werkzeuge. 

Erster  Bericht. 


ZweiterBericht. 


7.  Werkzeugmaschinen-  und  Werkzeugfabrikation. 
Erster  Bericht. 
Im  ersten  Drittel  des  Jahres  war  die  Nachfrage  nach  Werk- 
zeugmaschinen außerordentlich  stark,  in  den  letzten  zwei  Dritteln 
des  Jahres  hat  sie  dagegen  langsam  nachgelassen,  und  insbesondere 
im  Dezember  ist  sie  beträchtlich  zurückgegangen.  Immerhin  war 
die  Beschäftigung  während  des  ganzen  Jahres  sehr  gut,  da  der 
aus  dem  Vorjahre  und  aus  dem  ersten  Drittel  des  Jahres  vor- 
liegende Auftragsbestand  zunächst  erledigt  werden  mußte.  Nen- 
nenswerte Vorräte  an  Werkzeugmaschinen  waren  zu  Ende  des 
Jahres  nicht  vorhanden.  Bemerkenswert  ist,  daß  ein  Bückgang 
des  Bedarfs  ausschließlich  im  Inlande  zu  verzeichnen  war;  'das 
Ausland  hat  unverändert  Aufträge  geschickt.  Die  Preise  für 
Stahl  haben  sich  nicht  erhöht,  während  für  Eisenguß  in  der 
ersten  Hälfte  des  Jahres  höhere  Preise  angelegt  werden  mußten. 
Nennenswerte  Aussperrungen  oder  Streiks  sind  während  des  ganzen 
Jahres  nicht  zu  verzeichnen  gewesen;  die  Löhne  sind  unverändert 
geblieben,    auch   nachdem   die   Aufträge  zurückgegangen   waren. 

Zweiter  Bericht. 

Die  starke  Beschäftigung  des  Jahres  1912  hielt  im  Werk- 
zeugmaschinenbau auch  im  Jahre  1913  an,  verstärkte  sich  sogar 
zum  Teil  noch.  Es  mußte  vielfach  mit  Ueberstunden,  teilweise 
sogar  mit  doppelter  Schicht  gearbeitet  werden.  In  den  letzten 
Monaten  des  Jahres  machte  sich  ein  starkes  Nachlassen  der  An- 


57.    Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


257 


fragen  und  Aufträge  der  kleinen  Privatkundschaft  bemerkbar, 
was  jedoch  durch  anderweitige  größere  Aufträge  ausgeglichen 
wurde. 

Das  Verhältnis  mit  den  Arbeitern  war  gut;  die  Löhne  sind 
ständig  gestiegen.  Streiks  haben  nicht  stattgefimden.  Das  Ver- 
hältnis der  Preise  von  Ex)hstoffen  und  fertigen  Fabrikaten  blieb 
das  gleiche  wie  in  den  Vorjahren.  Ein  Export  nach  den  Vereinigten 
Staaten  ist  der  hohen  Zölle  wegen  für  Werkzeugmaschinen  auch 
nach  dem  Erlaß  eines  neuen  Zolltarifs  noch  nicht  möglich. 


8.  Lokomotiv-  und  Bahnbau. 

Einem  Berichte  der  Firma  A.  Borsig,  Tegel  bei  Berlin,  ent- 
nehmen wir  folgendes: 

Die  Geschäftslage  war  im  Berichtsjahr  für  den  Lokomotiven- 
bau im  allgemeinen  günstig.  Sie  hat  jedoch  gegen  Ende  des  'Jahres 
eine  Abschwächung  gezeigt,  die  einmal  auf  die  Folgen  des  er- 
neuten Ausbruchs  der  Balkanwirren  zurückzuführen  ist,  der  eine 
allgemeine  Unsicherheit  zur  Folge  hatte,  und  femer  auf  den  die 
Kauflust  einschränkenden  hohen  Greldstand.  Sodann  ist  durch 
eine  Steigerung  der  Produktion  der  Wettbewerb  außerordentlich 
vergrößert  worden,  wodurch  diej  Preise  sehr  gedrückt  sind.  Außer- 
dem wird  durch  die  mit  dem  Export  verbundene  lange  Kredit- 
gewährung dem  Inland  viel  Geld  entzogen.  Infolge  der  im 
Laufe  des  Jahres  eingetretenen  Abschwächung  der  Kon-, 
junktur  wird  voraussichtlich  der  Geldstand  günstiger  werden. 
Ferner  ist,  wenn  es  den  geldbedürftigen  Staaten,  vor  allen 
den  Balkanstaaten,  gelingt,  neue  Mittel  aufzubringen,  der 
Eingang  erheblicher  Aufträge  und  somit  eine  Besserung  der 
Konjunktur  zu  erwarten.  Im  Inlandsmarkt  ist  als  Folge 
der  in  der  Hauptsache  guten  Getreide-  und  Kartoffelernte, 
die  neue  Geldmittel  bringt  und  die  Kauflust  anregen  wird,  eine 
Belebung  des  Geschäfts  zu  erwarten.  Bei  einer  Besserung  der 
Lage  des  Geldmarktes  wird  auch  mit  einer  Belebung  des  Baur 
marktes  zu  rechnen  sein. 

Die  Preise  der  Bohstoffe  sind  im  allgemeinen  zurückgegangen. 
Es  deuteten  jedoch  schon  am  Jahresschlüsse  verschiedene  Anzeichen 
darauf  hin,  daß  der  Tiefstand  erreicht  sei  und  mit  einer  Preis- 
besserung gerechnet  werden  müsse.  Insbesondere  sind  die  Preise 
für  Eisen  und  Kupfer  hei*unter gegangen,  indessen  weisen  sie 
trotzdem  eine  feste  Tendenz  auf,  die  u.  a.  zum  Teil  in  der 
Preispolitik  der  Syndikate  begründet  liegt,  welche  auch  in  Zeiten 
niedergehender  Konjunktur  eine  Beständigkeit  der  Preise  an- 
streben. Die  Preise  für  Fabrikate  sind  infolge  der  erhöhten  Pro- 
duktion vieler  "Werke,  die  einen  gesteigerten  Wettbewerb  zur 
Folge  hatte,  gesunken.  Da  der  Auftragsbestand  allmählich  auf- 
gearbeitet wurde,  lag  ein  erhöhtes  Bestreben  vor,  sich  möglichst 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u   Ind.    1913     II.  17 


Lokomotivbau 


Geschäftslage. 


Preise. 


258 


V.   Metallverarbeitung. 


Produktions- 

ver- 
besserungen. 


Export. 


Feld-, 
Industrie- 
und  Klein- 
bahnen. 

Inland. 


Export. 


viel  Arbeit  zu  sichern,  worauf  es  zurückzuführen  ist,  daß  teil- 
weise die  Preise  unter  die  Selbstkosten  sanken. 

Um  einigermaßen  einen  Ausgleich  für  den  Niedergang  "der 
Verkaufspreise  zu  schaffen,  sind  seitens  der  Fabrikanten  erheb- 
liche Neubauten  und  Neuerungen  ausgeführt  woirden,  einerseits  um 
Fabrikationsvorteile  und  eine  Ermäßigung  der  Selbstkosten  durch 
Normalisierung  der  Fabrikate  und  Einführung  einer  Massen- 
fabrikation zu  erreichen  und  andrerseits  um  dadurch  überhaupt 
eine   allgemein  gesteigerte  Konkurrenzfähigkeit  zu  erzielen. 

Im  Exportgeschäft  ist  im  Verkehr  mit  Frankreich  insofern 
eine  Erschwerung  eingetreten,  als  jetzt  die  innere  Verpackung 
mitgewogen  und  mitverzollt  wird;  ferner  besteht  die  Vorschrift, 
daß  die  Ware  den  Vermerk:  „Importe  d'Allemagne"  tragen  muß. 

Ueber  Feld-,  Industrie-  und  Kleinbahnen  wird  uns  berichtet: 

Las  Jahr  1913  ist  wie  das  Vorjahr  für  den  Feld-,  Industrie- 
und  Kleinbahtibau  recht  günstig  verlaufen.  Eine  rege  Bautätig- 
keit, speziell  für  Eisenbahnbau-  und  Kanal-Arbeiten,  brachte 
einen  ziemlich  großen  Bedarf  mit  sich;  ferner  verlief  auch  das 
Geschäft  in  landwirtschaftlichen  Bahnen  günstig.  Der  Bedarf  der 
Industrie  war  rege,  ließ  jedoch  gegen  Ende  des  Jahres  nacli.  Die 
Preise  waren  im  allgemeinen  gedrückt. 

Das  Exportgeschiäft  hat  sich  im  allgemeinen  in  normalen 
Bahnen  bewegt.  Das  europäische  Auslandsgeschäft  war  teilweise 
recht  lebhaft,  z.  B.  das  mit  Bußland,  wo  eine  rege  öffentliche 
Bautätigkeit  eingesetzt  hat.  Dagegen  hat  das  Balkan-Geschäft, 
das  während  des  Krieges  vollständig  brach  gelegen  hatte,  nach 
dessen  Beendigung  nur  an  ganz  vereinzelten  Stellen  neue  Be- 
lebung gezeigt.  Infolge  der  Schwierigkeiten  bei  der  xlnleihe- 
besehaffung  und  beim  Export  der  Landeserzeugnisse  ist  das 
Agio  in  einzelnen  dieser  Länder  dermaßen  gestiegen,  daß  die 
Kauflust  der  Industrie  völlig  erlahmt  ist.  In  Aegypten  haben  sich 
die  Hoffnungen  auf  eine  normale  Entwicklung  des  Geschäftes 
nicht  erfüllt.  Die  Baumwollernte  hat  den  Erwartungen  nicht 
entsp röche Q.  Das  von  der  Regie rung  eingeführte,  an  sich  zweifel- 
los sehr  gute  5-Feddan-Gesetz  hat  zunächst  die "  Kauffähigkeit 
der  kleinen  Grundbesitzer  unterbunden,  da  es  ihnen  die  Erlangung 
von  Krediten  unmöglich  macht.  Das  Geschäft  mit  Südafrika 
■war  mäßig.  In  China  hemmte  die  politische  Lage  jede  Ent- 
wicklung des  Geschäftes,  während  in  Japan  der  Absatz  anfäng- 
lich gunstig,  in  der  zweiten  Jahreshälfte  infolge  der  Geldknapp- 
heit jedoch  unbefriedigend  war.  Das  indische  Geschäft  hat  sich 
in  ruhigen  Grenzen  gehalten  und  unter  der  Finanzkrisis  in  Bom- 
bay wenig  gelitten.  Die  als  Kundschaft  besonders  in  Betracht 
kommende  Kohlenindustrie  hat  vorteilhaft  gearbeitet,  da  große 
Verträge  zu  günstigen  Preisen  vorgetätigt  waren,  doch  machen 
sich  jetzt  auch  schon  Anzeichen  eines  Rückganges  auf  dem  Kohlen- 
markt bemerkbar.    Das  südamerikanische  Geschäft  war  ziemlich 


57.    Eisengießer«!,  Baukonstruktionen  usw. 


259 


sdhwach;  es  machte  sich  im  allgemeinen  ein  Geldmangel  s-ehr 
bemerkbar.  In  Mexiko  war  infolge  der  politischen  Lage  jede 
Verkaiifsmöglichkeit  unterbunden. 

9.  Fabrikation  von   Spezialmaschinen. 

Der  Gesamtumsatz  in  Textilveredlungsmasöhinen  für  Baum- 
wolle und  Leinen  ist  im  Geschäftsjahr  1912/13  etwas  zurück- 
gegangen. Die  Erklärung  hierfür  liegt  in  dem  allgemeinen  Da- 
niederliegen des  Geschäfts,  sipeziell  in  der  Textilbranche,  wo- 
durch sich  auch  der  Bedarf  an  Maschinen  verringerte. 

Die  meisten  Kohstoffe  haben  keine  wesentlichen  Preisände- 
rungen gegen  das  Vorjahr  erfahren.  Doch  sind  sie  im  allge- 
meinen etwas  zurückgegangen:  Gießerei-Bx)heisen  je  nach  Quali- 
tät um  1  bis  2  o/o,  Messingguß  um  5  o/o,  E/otguß'  um  8  o/o,  Schmiede- 
eisen UQd  schmiedeeiserne  Bleche  um  3  bis  5  o/o,  Messingbleche 
um  5  f'/o,  Kupferbleche  um  4  o/o,  während  Zinn  um  ca.  2°/o  ge- 
stiegen ist;  technische  Gummiwaren  und  Walzenbezüge  sowie 
Blei  haben  keine  Preisänderung  erfahren.  Die  Preise  der  fer- 
tigen Fabrikate  sind  im  Berichtsjahre  zurückgegangen,  da  die 
Konkurrenz   in   der  Branche   sehr  scharf   ist. 

Der  Verkehr  mit  dem  Auslande  ist  annähernd  der  gleiche 
geblieben ;  er  beträgt  ca.  70  o/o  des  gesamten  Umsatzes.  Durch 
die  hohen  Zollsätze  ist  die  Lieferung  von  Maschinen  nach  Frank- 
reich wesentlich  erschwert.  Der  Export  von  Textilmaschinen  nach 
Amerika  und  die  Lieferung  nach'  Oesterreich  haben  sich  eben- 
falls durch  die  hohen  Zollsätze  bedeutend  verringert.  Der  Um- 
satz nach  den  Balkanländem,  Serbien  und  Bulgarien  lag  infolge 
des  dort  herrschenden  Geldmangels  vollständig  danieder.  Auch 
der  Absatz  nach  Mexiko  hat  durch  die  politische  Lage  sehr  ge- 
litten. 

Das  Angebot  von  Arbeitskräften  war  in  ausreichendem  Maße 
vorhanden.  Streiks  und  Aussperrungen  sind  nicht  vorgekommen. 
Die    Löhne   blieben   im    letzten   Jahre    fast  auf   gleicher   Höhe. 

In  dea  Zahlungsverhältnissen  ist  im  letzten  Geschäftsjahr 
keine  Besserung,  eher  eine  Verschlechterung  zu  konstatieren;  die 
Kundschaft  verlangt  in  vielen  Fällen  sehr  lange,  oft  über  mehrere 
Jahre  hinaus    ausgedehnte  Ziele. 

Das  Jahr  1913  gestaltete  sich  im  Geschäft  mit  Veredel (ings- 
maschinen  für  Wolle  und  Halbwolle  ungünstiger  als  das  Vor- 
jahr und  wies  vor  allem  bedeutend  geringere  Umsätze  auf.  Der 
Mangel  an  Nachfrage  für  textilindustrielle  Erzeugnisse  hat  aach 
die  Nachfrage  nach  Textilmaschinen  vermindert.  Der  ßalkankrieg 
hat  den  Absatz  nach  den  Balkanstaaten,  der  sich  In  den  letzten 
Jahren  günstig  entwickelte,  vollständig  stillgelegt,  xluch  das 
Geschäft  nach  den  an  diesem  Kriege  in  erster  Linie  interessierten 
Ländern  wie  B;Ußland  und  Oesterrerdh  hat  erheblich  nachgelassen. 
Die  Aussichten  für  das  Jahr  1914  scheinen  etwas  günstiger  zu 

17* 


Fabrikation 

von  Spezial- 

maschinen. 

Textil- 
veredlungs- 
maschinen    für 
Baumwolle 
und  Leinen. 


Veredlungs- 
maschinen  für 

Wolle 
vmd  Halbwolle 


260 


V.    Metallverarbeitung. 


Nähmaschinen 


Stick- 
maschinen. 


Brauerei- 
maschinen. 


sein;  docli  haben  sich  die  Lagerbes tände  bei  den  meisten  Unter- 
neh.mungen  derart  gehäuft,  daß  am  Jahresende  ein  normaler  Be- 
trieb nodh   nicht  möglich  war. 

In  Nähmaschinen  konnte  der  Umsatz  des  Vorjahres  wiederum 
erreicht  werden,  und  zwar  wiederum  durch  nachdrückliche  Pflege 
des  Exports  nach  den  außerdeutschen  Ländern  Europas  und 
nach  Uebersee.  Allerdings  mußte  hierbei  auf  die  durch  die 
Balkap kriege  geschaffene  unsichere  Lage  sowie  auch  auf  die 
scho^  seit  längerer  Zeit  ungünstigen  Verhältnisse  in  einem 
großen  Teile  Südamerikas  Rücksicht  genomtnen  werden.  Der 
auf  das  Inland  entfallende  Teil  des  Absatzes  erforderte  die 
seit  Jahren  notwendigen  scharfen  Abwehrmaßregeln  gegen  die 
amerikanische  Konkurrenz.  Im  Interesse  dei-  deutschen  Industrie 
wäre  zu  wünschen,  daß  der  Standpunkt  einzelner  maßgebender 
behördlicher  Stellen,  die  das  einheimische  Fabrikat  bevorzugen, 
eine  weitere  Beachtung  fände,  zumal  da  die  deutschen  Maschinen 
(den  amerikanischen  weder  in  der  Güte,  noch  in  der  Preis- 
würdigkeit nachstehen.  Dies  ist  um  so  wünschenswerter,  als 
es,  obwohl  die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  den  Artikel 
Nähmaschinen  auf  die  Freiliste  gesetzt  haben,  doch  recht  zweifel- 
haft bleibt,  ob  die  deutsche  Nähmaschine  in  Nordamerika  jemals 
einen  wesentlichen  Absatz  finden  wird.  Der  fast  die  gesamten 
deutschen  Nähmaschinenfabriken  umfassende  Fachverein  hat 
auch  im  Jahre  1913  mehrfach  Gelegenheit  nehmen  müssen,  dafür 
einzutreten,  daß  in  -  außerdeutschen  Absatzgebieten  eine  Ver- 
besserung der  Zollverhältnisse  vorgenommen  oder  wenigstens 
beabsichtigte  Verschlechterungen  vermieden  würden.  —  Die 
Preise  für  Nähmaschinen  sind  im  wesentlichen  gegenüber  dem 
Vorjahre  unverändert  geblieben;  es  hat  jedoch'  besonderer  An- 
strengungen bedurft,  um  die  im  Jahre  1912  allgemein  durch- 
geführte kleine  Preiserhöhung  aufrecht  zu  erhalten.  Anderer- 
seits hat  sich  ein  nennenswertes  Nachlassen  der  Preise  für 
Rohstoffe  nicht  feststellen  lassen. 

Wie  im  Vorjahre  so  hatte  auch  im  Berichtsjahre  die  Kurbel- 
stickmaschinenbranche  unter  dem  Einfluß  der  ungünstigen  pDli- 
tischen  Verhältnisse,  namentlich  infolge  des  Balkankrieges,  sehr 
zu  leiden.  Der  Umsatz  blieb  gegen  1912  noch  um  ein  ßeträoht- 
licihes  zuiüök.  Die  Hauptabsatzgebiete  der  berichtenden  Firma 
waren  Rußland,  England  und  einige  Staaten  von  Südamerika. 
Infolge  der  politischen  Wirren  und  des  andauernd  versteiften 
Geldmarktes,  sowie  des  durchweg  verregneten  Sommers  ist  der 
Absatz  in  Brauereimaschinen  und  Geräten,  sowie  in  Mälzerei- 
und  Kellereimasdhüien  im  Jahre  1913  wesentlich  zurückgegangen. 
Di-a  Ausfuhrziffern  in  diesen  Fabrikaten  sind  von  101  638  dz  im 
Jalire  1912  auf  85  515  dz  gefallen.  Die  Etnfuhrziffem  sind 
ebenfalls  und  zwar  von  1582  dz  im  Jahre  1912  auf  1006  zurück- 
gegangen.   Die  Statistik  führt  aber  außer  Brauerei-   and  Mälze- 


57.    Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


261 


reimascliiiien  in  der  gleiclien  Rubrik  auch  noch.  Brennerei-  und 
Masdliiinen  der  Zucker  Industrie  auf.  Von  der  Einfuhr  des  Jahres 
1912  (1582  dz)  entfielen  auf  die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika 
allein  500  dz,  weldhie  größtenteils  Maschinen  für  die  Zucker- 
industrie darstellen.  In  Wirklichkeit  verringert  sich  also  die 
Einfiüir  von  Brauereimaschinen  und  -Geräten,  sowie  von  Mälzerei- 
und  Kellereimaschinen  von  Jahr  zu  Jahr  stärker,  als  dies  der 
unübersichtlichen  Statistik  wegen  zahlenmäßig  festzustellen  ist. 

Der  Geschiäftsgang  in  Bierdruökapparaten  und  Armaturen 
war  im  Berichtsjahre  kein  allgemein  befriedigender.  Die  Ursache 
hierfür  ist  in  der  ungünstigen  Lage  des  Baumarktes  sowie  ia  der 
allgemein  schlechten  Konjunktur  zu  suchen.  Eine  andauerndem 
Hausse  auf  dem  Metallmarkte  zwang  zu  Preiserhöhungen  bzw. 
zui'  Erhebung  von  Teuerungsaufschlägen,  die  indessen  doch  nicht  in 
solcher  Höhe  vorgenommen  werden  konnten,  daß  die  tatsächlichen 
Mehraufwendungen  für  die  Materialien  gedeckt  wurden,  sodaß 
von  guten  Preisen  nicht  wohl  gesproöhen  werden  konnte.  Das 
Exportgeschäft  ist  nicht  bedeutend,  hat  jedoch  einen  kleinen  Auf- 
schwung erfahren. 

Die  gegen  Ende  des  Vorjahres  eingetretenen  politischen  ün« 
ruhen  und  die  damit  verbundene  allgemeine  Zurückhaltung  und  di^ 
Krisis  auf  dem  Baumarkte  wirkten  auf  die  deutsche  Geschäfts- 
lage in  Säge-  und  Plolzbearbeitungsmaschinen  recht  ungünstig. 
Wenn  auch  die  Nachfrage  nicht  sofort  nachließ,  waren  doch  Auf- 
träge nur  sehr  schwierig  hereinzuholen  und  die  erzielten  Preise 
nicht  günstig,  Im  Laufe  des  Berichtsjahres  verschlechterten  sich 
die  Preise  noch'  zusehends,  da  infolge  der  geringen  Kauflust  Läiger 
von  Maschinen  entstanden,  die  zum  Unterbieten  der  Preise 
führten.  Nach  wie  vor  wurde  über  eine  zu  weitgehende  Kredit- 
gewährung geklagt.  Die  damit  verbundenen  Zins  Verluste  schmä^ 
lern  einerseits  den  kaum  nennenswerten  Verdienst  des  Fabrikan- 
ten, anderseits  erfordert  die  Abwicklung  dieser  Ges'ehäfte  auch 
Zeit  und  Kosten.  Die  Bezugspreise  der  Rohmaterialien  und  Halb- 
fabrikate paßten  sich  im  Durchschnitt  denen  des  letzten  Jahres  an. 
Der  Exporthandel  blieb  auf  gleicher  Höhe  wie  im  letzten  Jahre. 

Der  Absatz  in  Maschinen  für  die  Zündholzfabrikation  blieb 
in  Deutschland  gering;  die  Ursache  dafür  ist  darin  zu  suchen, 
daß  der  Absatz  in  Zündhölzern  auch  im  vergangenen  Jahre  in 
Deutschland  weiter  zurückgegangen  ist,  und  zwar  deshalb,  weil 
die  Zündholzersatzmittel  von  der  Zündwarensteuer  befreit  sind, 
während  auf  den  Zündhölzern  eine  Steuer  von  beinahe  200  o/o  vom 
Wert  ruht.  Die  hierdurch  begünstigte  Konkurrenz  der  Zünd- 
holzersatzmittel hat  bewirkt,  daß  das  seit  drei  Jahren  auf  45  o/o 
der  möglichen  Produktion  festgesetzte  Zwangskontingent  der 
Zündholzfabriken  wieder  zu  hoch  ist  und  die  Zündhol^;- 
fabrikanten  d€shalb  beim  Bundesrat  um  eine  weitere  Herabsetzung 
des  Kontingents  auf  40 o/o  vorstellig  geworden  sind.    Natürlich  ist 


Bierdruck- 
Apparate. 


Säge-  und  Holz« 

bearbeitungs- 

maschinell. 


Maschinen  für 
die  Zündholz- 
fabrikation. 


262 


V.   Metallverarbeitung. 


Maschinen  für 
die  Holzstift- 
abrikation. 


Maschinen  für 

Furnier- 
faljrikation. 


Bäckerei- 
maschinen 


Brücken- 
waagen. 


unter  diesea  Umständen  der  Bedarf  der  deutsdien  Zündholz- 
industrie  aa  neuen  Masoliinen  sehr  mäßig.  Der  Absatz  im  Aus- 
land ist  gleich  geblieben,  in  Bußland  hat  er  sich  etwas  gehoben, 
so  daß  der  Gesamtumsatz  im  Berichtsjahr  ungefähr  der  gleiche 
wie  im  Vorjahr  gewesen  ist.  Die  Preise  vermochten  sich  immer 
noch  nicht  za  bessern,  da  bei  den  wenigen  größeren  Aufträgen, 
die  vergeben  wurden,  die  Konkurrenz  außerordentlicli  stark  war. 

In  Maschinen  für  die  Holzstiftfabrikation  ruhte  das  Ge- 
schäft in  Deutschland  vollständig,  da  die  immer  mehr  überhand- 
nehmende Herstellung  von  Schuhwaren  auf  maschinellem  W<ige> 
die  Handarbeit  immer  weiter  verdrängt.  In  Rußland  war  im 
Berichtsjahre  einige  Nachfrage  nach  diesen  Maschinen,  so  daß 
sidi   auch  hierin  ein   normales   Geschäft  entwickelt  bat. 

In  Maschinen  zur  Furnierfabrikation,  im  besonderen  in  Ein- 
richtungen für  Sperrholzplatten,  ist  die  Nachfrage  Rußlands  recht 
erheblich;  auch  die  Aussichten  für  das  nächste  Geschäftsjahr 
sind   für   diese   Maschinen   nicht   ungünstig. 

In  der  Industrie  der  Bäckereimaschinen  ist  das  Berichts-, 
jähr,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war,  noch  hinter  dem  Jahri 
1912  zurückgeblieben.  Das  Vorjahr  hatte  durch  den  beginnen- 
den Konjunkturrückgang  den  Interessenten  die  Lust  zu  Neu- 
etablierungen  vollkommen  genommen,  und  die  alte  Stammkunde 
Schaft  war  sehr  zurückhaltend.  Größere  Firmen  außerhalb 
Berlins  verkauften  noch  dazu  ihre  Erzeugnisse  zu  jedem  nur 
denkbaren  Preis,  nur  um  den  alten  Stamm  Arbeiter  zu  erhalten. 
Hierdurch  sanken  natürlich  die  Preise.  Dabei  mußten  einige 
große  Firmen  ihren  Betrieb  einstellen.  Neukonstruktionen 
wurden  nicht  herausgebracht,  da  die  Konjunktur  hierzu  zu 
schiecht  war.  Das  Ausland  blieb  dagegen,  ebenso  wie  1912, 
reger  Abnehmer.  Die  Rohmaterialienpreise  stiegen  zu  Anfang 
des  Jahres,  sind  aber  im  letzten  Halbjahr  noch  stärker  gefallen. 
Die  Arbeitslöhne  sind  dieselben  geblieben;  Uneinigkeiten  mit 
den  Arbeitern  sind  nicht  vorgekommen. 

Da^  Jahr  1913  ließ  sich  für  die  Berliner  Wagenindustrie 
recht  gut  an.  Besonders  günstig  war  der  Absatz  in  Fuhrwerks- 
Wagen,  und  zwar  sowohl  für  die  Industrie  als  für  die  Land- 
wirtschaft, Die  Preise  für  Waggonwagen  waren  gedrückt,, 
Während  für  alle  übrigen  Fabrikate,  so  besonders  für  hölzerne 
Dezimalwagen,  durchweg  normale  Preise  erzielt  werden  konnten. 
Diese  günstige  Lage  hielt  bis  Mitte  Juli  an.  Von  da  ab  wurde 
|die  Nachfrage  nach  Wagen  aller  Art  geringer.  Einige  Fabriken 
fwurden  gezwungen,  die  Arbeitszeit  zeitweilig  zu  verringern. 
Da  die  Lage  auf  dem  Baumarkte  sehr  schlecht  ist  und  auch' 
für  das  nächste  Jahr  eine  Besserung  der  Verhältnisse  am 
Baumarkte  kaum  zu  erwarten  ist,  so  ist  mit  einem  besseren 
Absatz  in  Fuhrwerks-  und  sonstigen  schweren  Bodenwagen  für 
Industriegebäude   usw.    für    das    Jahr    1914    kaum    zu    rechnen. 


57.    Eisengießerei,  Baukonstruktionen  usw. 


263 


Das  Geschäft  in  Typensetzmaschinen  wurde  von  der  Kon-i 
junktur  nicht  beeinflußt;  es  war  während  des  ganzen  Jahresi 
gleichmäßig  gut.  Die  Setzmaschine  gehört  heute  derart  zum' 
normalen  Inventar  der  Druckereien,  daß  ein  gleichmäßiger  Ab-, 
satz  garantiert  zu  sein  scheint.  Insbesondere  war  auch  der 
Export  während   des   ganzen  Jahres   befriedigend. 

Der  Gesamtumsatz  für  das  Jahr  1913  hat  den  des  Jahres 
1912  ü(berschritten.  Ein  höherer  monatlicher  Umsatz  wurde 
namentlich  in  den  Monaten  Januar  sowie  Juni  bis  Ende  Sep-i 
t^mber  erzielt.  Im  letzten  Monat  flaute  der  Bedarf  ab, 
doch  sind  noch  reichliche  Bestellungen  aus  dem  Jahr  1913 
ins  neue  Geschäftsjahr  übernommen  worden.  Die  Rohstoffpreise 
hielten  sich  durchweg  auf  der  Höhe  des  vorigen  Jahres.  Die 
Preise  der  Fertigware  waren  sehr  gedrückt.  Der  Umsatz  mit 
dem  Auslande  ist  gestiegen.  Infolge  der  hohen  Zölle  ist  das 
Geschäft  mit  Frankreich  weiter  zurückgegangen;  auch  mit 
,0  esterreich -Ungarn  ist  der  Verkehr  infolge  der  hohen  Zoll- 
sätze sehr  gering.  In  den  Ueberseeländern  nimmt  dagegen  der 
Absatz  stetig  zu.  Der  Absatz  nach  dem  Balkan  ruhte  infolge 
des  Krieges  im  letzten  Jahr  vollständig,  während  in  den  Vor- 
jahren ein  befriedigender  Absatz,  namentlich  nach  Rumänien,, 
möglich  war.  Im  europäischen  Ausland  ist  mit  der  Konkurrenz! 
Amerikas  nicht  zu  rechnen.  Dagegen  ist  im  überseeischen  Aus^ 
land  der  Einfluß  Amerikas  bisweilen  stark  fühlbar,  namentn 
lieh  in  Südamerika.  Die  Zahlungsbedingungen  sind  ungünstiger 
geworden,  indem  längere  Zahlungstermine  angenommen  werden 
mußten.  Namentlich  in  der  Kaliindustrie  sind  nur  Aufträge 
zu  erlangen,  wenn  außergewöhnlich  lange  Zahlungsfristen  be- 
willigt werden.  Die  Aussichten  für  die  Zukunft  lassen  sich' 
nidht  klar  übersehen,  jedoch  ist  mit  einer  Verminderung  des' 
Geschäftes  zu  rechnen.  Da  jedoch  noch  große  unerledigte  Auf- 
träge aus  dem  Jahre  1913  vorhanden  sind,  so  ist  eine  gute^ 
Beschäftigung  für  die  ersten  Monate  des  kommenden  Jahresi 
gesichert. 

Dem  Geschäftsbericht  der  Berliner  Maschinenbau  -  A.-G. 
vorm.   L.   Schwartzkopff   entnehmen   wir   folgendes: 

Der  Gesamtwert  der  Ende  Oktober  1913  vorliegenden  Auf- 
träge beläuft  sich  einschließlich  der  aus  dem  Vorjahre  über- 
nommenen, unerledigt  gebliebenen  Bestellungen  und  einschließe 
lieh  des  aus  einer  bereits  stattgehabten  Ausschreibung  der 
Preußischen  Staatsbahn-Verwaltung  demnächst  zu  erwartenden 
Auftrages  auf  rund  31  Mill.  Mk.  gegen  rund  26  Mill.  Mk.  im  Vor- 
jahre. Ueber  die  Aussichten  für  das  laufende  Gesichäftsjahr  glauben 
wir,  uns  wie  folgt  äußern  zu  können :  Unsere  Lokomotiv-», 
b  aun Abteilung  ist  erfreulicherweise  besser  als  im  Vorjahre 
beschäftigt,  da  die  Preußische  Staatsbahn-Verwaltung  den  üm^ 
fang  ihrer  Bestellungen   erhöht  hat.    Das  Auslandsgeschäft  hat 


Typen- 
Setzmaschinen. 


Pumpen 

undBergwerkB- 

maschinen. 


Verschiedenes. 


264 


V.   Metallverarbeitung. 


leider  noch,  keine  Besserung  erfahren;  die  Beendigung  des  jBalkan- 
krieges  läßt  indessen  einen  Umschwung  erhoffen.  Für  unsere 
Kriegsmaterial- Abteilung  haben  wir  infolge  reichliclier 
Aufträge  seitens  der  Deutschen  Reichs-Marine  sowie  des  Aus- 
landes volle  Beschäftigung  über  das  laufende  Geschäftsjahr 
hinaus.  Dias  Geschäft  in  Setzmaschinen,  F lausche n- 
maschinen  und  Druckluftgrubenbahnen  geht  unver- 
ändert gut,  desgleidhen  im  allgemeinen  Maschinenbau.  Die 
Ablieferungen  in  den  ersten  vier  Monaten  des  laufendea 
Geschäftsjahres,  Juli  bis  Oktober  1913,  haben  diejenigen  der 
gleichen    Zeit   des    Vorjahres   nicht    unwesentlich    überschritten. 

58.  E  1  e  k  t  r  i  z  i  t  ä  t  s  i  n  d  u  s  t  r  i  e. 


Erster  Bericht. 


Allgemeines. 


Finanzielles. 


Erster   Bericht. 

Dem  Bericht  der  Allgemeinen  Elektricitäts-Gesellschaft  für 
das  Geschäftsjahr  vom  1.  Juli  1912  bis  30.  Juni  1913  entnehtnen 
wir   folgende  Ausführungen: 

In  der  dreißigjährigen  Geschichte  der  AEG  hat  das  Be- 
richtsjahr die  besten  bisher  erreichten  Resultate,  insbesondere 
auch  an  Umsätzen  und  Aufträgen,  erbracht  und  bewiesen,  'daß 
unsere  Industrie  den  anhaltenden  politischen  Beunruhigungen 
des  letzten  Jahres  ausreichenden  AYiderstand  leisten  konnte. 
Eine  mäßige  Verlangsamung  des  Tempos  würde  die  Erträg- 
nisse unserer  Arbeit  vermutlich  nicht  gefährden,  wohl  aber 
die  Ueberspannung  der  Produktion  mildern  und  zugleich  um- 
fassendere Verbesserungen  der  Fabrikationsmethoden  erleichtern. 
iBisher  aber  ist  eine  Abnahme  des  Beschäftigungsgrades  bei  uns 
kaum  wahrzunehmen,  weil  die  fortschreitende  Elektrifizierung 
lin  Europa,  besonders  im  Russischen  Reich,  sowie  außerhalb 
Europas  große  Umsätze  bringt.  In  Deutschland  hat  die  Strom- 
versorgung weiter  Landesgebiete  einen  neuen  Anstoß  erfahren 
durch  die  wachsende  Erkenntnis,  daß  die  Krafterzeugung  an 
den  Fundorten  kalorischer  und  hydraulischer  Energie  zentrali- 
siert werden  muß.  Große  Einheiten,  bei  denen  Maschinen- 
leistungen  von  mehr  als  20  000  KW  nicht  mehr  zu  den  Selten- 
heiten gehören,  und  Leitungsnetze  bis  zu  100  000  Volt  führen 
zu  einer  steigenden   Verbilligung  der  Betriebskraft. 

Die  wachsenden  Aufgaben  forderten  eine  Verbreiterung 
unserer  finanziellen  Grundlage.  Laut  Beschluß  der  General- 
versammlung vom  3.  Dez.  1912  wurde  das  Grundkapital  um 
25  Mill.  Mk.  unter  Zuführung  von  27  304  483,15  Mk.  an  den 
tordentliohen  Reservefonds  erhöht.  Im  April  1913  sind  30  Mill. 
Mark  Teilschuldverschreibungen  begeben  worden.  Die  Kapitals- 
erhöhung ermöglicht  uns  auch  die  Beteiligung  an  der 
Finanzierung  der  Schnellbahn  Gesundbrunnen — Neukölln,  für 
Idie  ein   Kapital   von  rund   90  Mill.  Mk.,  teils  in  Aktien,   teils 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


265 


in  Sdiuldverschreibungen  —  letztere  untrer  Garantie  der  Stadt 
Berlin  —  in  Aussieht  genommen  ist.  Unser  derzeitiges  Bank- 
guthaben beträgt  rund  77  Mill.  Mk. 

Vorbildlich  für  sehr  große  und  moderne  Stromerzeugungs- 
anlagen soll  das  Werk  werden,  das  wir  im  Braunkohlenrevier 
Bitterfeld  auszuführen  beabsichtigen.  Gemeinsam  mit  befreun- 
ideten  Instituten  haben  wir  uns  mächtige  Kohlenlager  gesichert, 
um  für  den  Umkreis  von  Groß-Berlin  außerordentlich  billige 
'Energie  bereitstellen  zu  können.  Ob  und  in  welcher  Form  die 
Versorgung  des  Weichbildes  von  Berlin  hierbei  in  Betracht 
kommt,  wird  von  dem  Ergebnis  der  zwischen  der  Stadtverwal- 
tung und  den  Berliner  Elektricitäts-Werken  sohwebenden  Ver- 
handlungen abhängen. 

Die  Ablieferung  in  den  Fabriken  für  Großmaschinen,  Hoch- 
spannungsapparate, elektrische  Lokomotiven  und  Kleinmotoren 
ist  gestiegen.    Es   wurden   abgeliefert: 


Elektrizitäts- 
iverk  Bitterfeld. 


Maschinen- 
fabrik. 


Maschinen  und  Transformatoren 
mit  einer  Leistunsr  in  KW      .     . 


191011  1911112  1912/13 

92186  118  205  122  452 

1  756  001        1  861  344        1  973  987 


Als  Spezialmaschinen  sind  u.  a.  neu  aufgenommen  worden 
Jlochfrequenzmaschinen  für  sehr  hohe  Periodenzahl  und 
Leistungen,  ferner  Unterseebootmotoren  mit  günstiger  Eaum^ 
und  Gewichtsausnutzung. 

Die  befriedigende  Beschäftigung  der  Turbinenfabrik  ist  aus 
folgender    Zusammenstellung    ersichtlich : 


Turbinen- 
fabrik. 


Leistung  in  KW 


1910/11 
294  017 


1911/12 

489  942 


1912J13 
559  908 


Von  größten  Einheiten  wurden  geliefert  ein  Turbodynamo 
von  20  000  KVA,  drei  Turbodynamos  von  15  500  KVA  und 
vier  Turbodynamos  von  11 500  KVA.  Das  Geschäft  in  Kom-i 
pressoren  und  Gebläsen,  Kesselspeisepumpen  und  Luftpumpen 
für  Sohiffszwecke  hat  sich  zufriedenstellend  weiter  entwickelt. 
Unsere  Lizenznehmer  in  Deutschland,  Rußland  und  Oesterreich-i 
Ungarn  sind  stark  beschäftigt  und  haben  insgesamt  über  100 
ßchiffe  mit  mehr  als  2  Mill.  Pferdestärken  teils  geliefert,  teils 
in  Auftrag. 

Die  Bogenlampenfabrikation  hat  durch  die  Verbesserung 
der  sehr  ökonomischen  Metalldrahtlampe  Einbuße  erlitten, 
wählend  die  von  Zählern  und  elektrischen  Uhren,  namentlich^ 
von  Arbeiterkontrolluhren,  gute  Fortschritte  machte.  Allgemeine 
tiVnerkennung  hat  das  in  Gußeisen  gekapselte  Installations'n 
material  für  schwere  Betriebe  gefunden.  Kleinste  Motoren  haben 
sich  in  steigendem  Maße  neue  Anwendungsgebiete  erobert. 


Apparate - 
fabrik. 


266 


V.   Metallverarbeitung. 


Fabriken 
Hennigsdorf. 


Fabriken 
Frankfurt  a.  M. 


Kabelwerk 
Oberspree. 


GlOhlampen- 
fabrik. 


Dis  Porzellanfabrik  war  namentlich  für  Hochspannungs- 
zwecke  beschäftigt  und  erforderte  Vergrößerungen.  Auch  die 
iHeizapparatefabrik  mußte  erheblich  erweitert  werden.  Die 
AEG -Doppeldecker  sind  von  der  Heeresverwaltung  als  feld- 
dienstfähig  anerkannt  und  probeweise  in  mehreren  Exemplaren 
bestellt  worden.  Auf  dem  Flugplatz  in  Nieder-Neuendorf  werden 
Offiziere   als   Militärflieger   ausgebildet. 

Im  April  dieses  Jahres  wurde  etwa  die  Hälfte  des  bisher  von 
uns  benutzten  Fabrikareals  in  Frankfurt  a.  M.  verkauft.  In 
der  Stellwerkabteilung  wurden  elektrische  Signalapparate  mit 
gutem  Erfolge  entwickelt,  und  es  stehen  Bestellungen  dafür  in 
Aussicht,  da  die  gebräuchlichen  mechanischen  Stellwerke  bei  der 
Vergrößerung  der  Eisenbahnfahrgeschwindigkeit  kaum  noch  aus- 
reichen. In  erfreulichem  Fortschritt  ist  auch  die  Scheinwerfer- 
abteilung, hauptsächlich  für  den  Bedarf  von  Armee  und  Marine. 

Im  Kabelwerk  waren  sämtliche  Betriebe  ausreichend  be- 
schäftigt» In  der  Bleikabelfabrik  herrscht  fortgesetzt  steigende 
Nachfrage  nach  Kabeln  für  hohe  Spannung.  Die  Vervollkommnung 
der  Fabrikationsmethoden  gestattet  es,  Spannungen  über  50  000 
Volt  zu  bewältigen.  Der  fortschreitende  Ersatz  oberirdischer  Tele- 
phonleitungen durch  Kabel  veranlaßte  uns,  mit  anderen  Firmen 
die  Rechte  auf  Fabrikation  eines  Relais  zu  erwerben,  das  für 
die  Ausdehnung  der  Telephonie  auf  große  Entfernungen  von  Be- 
deutung zu  werden  verspricht.  Der  Preisstand  der  isolierten 
Drähte  und  Isolierrohre  hat  sich  gebessert,  während  auf  den 
Messingmarkt  ein  schärferer  Wettbewerb  drückte.  Die  Vergröße- 
rungen unseres  Messingpreßwerkes  kamen  in  diesem  Jahre  voll 
zur  Geltung,  und  die  Umsätze  in  den  Spezialfabrikaten  des  Werkes 
stiegen  wesentlicli.  Der  Kupferbedarf  erreichte  mit  33  SOO  t  seine 
höchste  Ziffer.  Die  Hartgummifabrik  erhielt  auch  aus  der 
chemischen    Industrie   umfangreiche   Aufträge. 

Der  Glülilampenfabrik  gelang  ein  Fortschritt  von  epoche- 
machender  Bedeutung  und  Tragweite:  die  Herstellung  hoch- 
kerziger  Lampen  mit  einer  Oekonomie  von  nur  1/2  Watt  bei  einer 
Nutzbrenndauer  von  800'  Stunden.  Vorläufig  werden  Lampen  mit 
Lichtstärken  von  600  bis  3000  Kerzen  hergestellt.  Der  Absatz 
von  Normallampen  stieg  um  50o/o.  Eine  erhebliche  Ermäßigung 
der  Herstellungskosten  ist  nicht  allein  diesem  Umstand,  sondern 
auch  der  Einführung  arbeitsparender  Maschinen  zu  danken.  Mit 
dem  Anwachsen  der  Nachfrage  nach  Metalldrahtlampen  ging 
der  Absatz  von  Kohlefadenlampen  zurück;  diese  Lichtquelle  wird, 
nachdem  sie  bei  einer  allmählichen  Verringerung  des  ursprüng- 
lichen Stromverbrauches  von  8  Watt  auf  3  Watt  pro  Kerze 
ihren  höchsten  Nutzeffekt  erreicht  hatte,  bald  der  Vergangenheit 
angehören.  Der  Beschluß  zur  Auflösung  der  seit  zehn  Jahren 
gut  funktionierenden  Verkaufsstelle  Vereinigter  Glühlampen- 
fabriken   war   die   Folge   dieser   Entwicklung.     Den  Anregungen 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


267 


zur  Bildung  einer  Kionvention  für  Metalldrahtlampen  näherzu- 
treten, mußten  wir  uns  versagen.  Abgesehen  davon,  daß;  die  Zoll- 
verhältnisse gegenüber  der  Einfuhr  vom  Ausland  und  der  Stand 
der  Patentfrage  einen  Zusammenschluß  nicht  ratsam  erscheinen 
lassen,  würde  er  ohne  Zweifel  die  noch  keineswegs!  abgeschlossene 
technische   Ausgestaltung  der   Lampen  hemmen. 

Mit  Eücksicht  auf  den  steigenden  Geschäftsumfang  wurde 
die  G.  m.  b.  H.  Neue  Automobil-Gesellschaft  in  eine  Aktien- 
gesellschaft mit  einem  Kapital  von  7  000  000  Mk.  umgewandelt, 
während  der  weitere  Kapitalbedarf  von  rund  10  000  000  Mk.  als 
Darlehn  gegen  angemessene  Verzinsung  bei  uns  gedeckt  wird, 
bis  wir  den  Zeitpunkt  für  eine  weiter.e  Finanztransaktion  für 
geeignet  halten.  Der  Absatz  erhöhte  sich  um  ein  Drittel  und 
gestattet  bei  vorsichtiger  Bilanzierung  die  Verteilung  einer  Di- 
vidende von  6 o/o.  Unter  den  Fabrikaten  begegnet  besonders  ein 
neuer  Typ  von   Omnibussen  reger  Nachfrage. 

Die  Elektrifizierung  der  Eisen-  und  Stahlwerke  beschäftigte 
unsere  Fabriken  ld  reichem  Maße.  Der  Kampf  zwischen  Groß- 
gasmotor und  Dampfturbine  als  Hauptkrafterzeuger  zeitigt 
Dynamomaschinen  von  stets  wachsenden  Leistungen.  Generatoren 
fvon  6000  Pferdestärken  und  darüber  für  Gasantrieb  werden 
laufend  ausgeführt.  Immerhin  bleiben  diese  bisher  erreichten 
Größen  hinter  den  Leistungen  unserer  Turbodynamos  wesent- 
lich zurück.  Von  uns  erstellte  Hüttenzentralen,  die  ausschließ- 
lich Dampfturbinen  für  die  Erzeugung  der  elektrischen  Kraft 
benutzen,  zeichnen  sich  außer  durch  gute  "Wärmeökonomie  auch 
durch  Einfachheit,  gesteigerte  Betriebssicherheit  und  billige  An- 
schaffung aus.  Für  den  Antrieb  von  Walzwerken  jeder  Art  ist 
der  Elektromotor  als  praktisches  Betriebsmittel  allgemein  an- 
erkannt. "Wir  fertigten  bisher  Walzantriebe  mit  einer  Gesamt-' 
leistung  von  760  000  PS,  darunter  23  für  Revers ierstraßea.  Im 
Bergwesen  fanden  unsere  Erzeugnisse  gesteigerten  Absatz  durch 
weitere  Einstellung  der  rotierenden  Kompressoren,  die  teils  durch 
Elektrizität,  teils  durch  Dampfturbinen  angetrieben  werden.  Cha- 
rakteristisch für  das  Hebezeugmaschinengeschäft  sind  die  stets 
wachsenden  Hubleistungen;  Krane  und  Verladevorrichtungen  mit 
300-PS-Hubmotoren  siad  keine  Seltenheit.  Wir  nähern  uns  hier 
amerikanischen  Verhältnissen,  während  hinsichtlich,  selbsttätiger 
Bewegungs-  und  Sicherheitsvorrichtungen  der  Vorsprung  auf 
unserer  Seite  ist.  An  214  verschiedene  Gaswerke  lieferten  wir 
bisher  Anlagen  für  Transport  und  Verarbeitung  der  Kohle  mit 
einer   Gesamtmotorleistung  von   35  000   PS. 

Von  den  reichlich  vorliegenden  Aufträgen  auf  elektrische 
Kraftstationen  und  Erweiterungen  nennen  wir  die  für  Chemnitz 
mit  12  500  KW,  Charlottenburg  6000  KAV,  Barcelona  12  000  KW, 
BaJiu  15  000  KW,  Straßburg  8000  KW,  Amsterdam  8000  KW, 
für     din     Kraftstationen     der     Bergwerksdirektion      Saarbrücken 


Neue 
Automobil- 
Gesellschaft 


Licht-  und 
Kraftanlagen. 


Elektrizitäts- 
werke. 


268 


V.   Metallverarbeitung. 


Elektrische 
Bahnen. 


Statistisches. 


10  000  KW  und  für  die  des  Rheinischen  Elektrizitätswerkes  im 
Braunkohlenrevier  mit  16  000  KW,  femer  die  elektrischen  Ein- 
richtungen des  zweiten  Ausbaues  des  Wasserkraftwerkes  Laufen- 
burg mit  12  000  KWi  und  die  des  Wasserkraftwerkes  San  Dal- 
mazzo-Gaudarena  mit  28  000  KAV.  In  den  Kraftwerken  der 
Victoria  Falls  and  Transvaal  Power  Co.  kommen  vier  weitere 
Turbodynamos  mit  48  000  KW  Gesamtleistung  und  drei  weitere 
Dampf-Turbokompressoren  von  je  7500  KW  durch  uns  zur  Auf- 
stellung. 

Das  Geschäft  im  Bau  von  Straßenbahnen  und  Kleinbahnen 
hat  sich  befriedigend  entwickelt.  Die  Nachfrage  nach  Wagen- 
ausrüstungen  für  Bahnen  mit  höherer  Gleichstromspannung 
nimmt  zu.  Von  den  vorliegenden  Aufträgen  sind  besonders  hervor- 
zuheben: die  Ueberlandbahnen  Merseburg — Mücheln,  Maastricht — 
Vaals  und  Gotha — Friedrichsroda.  Für  die  Schnellbahnen  in 
Hamburg  und  Buenos  Aires  sind  uns  auch  in  diesem  Geschäftls- 
jahr  größere  Aufträge  zugefallen.  Der  Bau  der  Schnellbahn 
Gesundbrunnen — Neukölln  wird  jetzt  in  Angriff  genommen.  Für 
die  Elektrifizierung  der  Stadtbahn  und  ihrer  Zubringerlinien 
wurden  der  Preußischen  Eisenbahnverwaltung  die  Mittel  vom 
Landtag  bewilligt;  größere  Aufträge  können  nicht  sofort  er- 
wartet werden,  da  die  Frage  nach  der  Art  der  Stromversorgung 
noch  nicht  völlig  geklärt  ist.  Die  Ausrüstung  eines  Probezuges 
für  die  Stadtbahn  ist  in  Arbeit.  Die  Ausdehnung)  des  elektrischen 
Betriebes  auf  sämtliche  Linien  der  London  Brighton  and  South 
Ooast  Railway  Co.  brachte  uns  einen  sehr  bedeutenden  Auftrag 
auf  Triebwagen-Ausrüstungen  nach  dem  Einphasen-System.  Eine 
Anzahl  Triebwagen  sind  uns  auch  für  Lauban-Königszelt  in 
Auftrag  gegeben.  Femer  haben  wir  27  elektrische  Lokomotiven 
zu  liefern.  Unsere  Straßenbahnbetriebe  erbrachten  steigende  Er- 
träge. 

Die  Gesamtleistung  der  abgelieferten  Maschinen  einschl. 
Turbodynamos  und  Transformatoren  belief  sich  auf  2  533  895  KW. 
Die   Zahl   der   Kontokorrent-Kunden   wuchs   auf  215  464. 


ZweiterBericht. 


AllgemeineB. 


Zweiter  Bericht. 

Von  den  Firmen  Siemens  &  Halske  A.-G.  und  Siemens- 
Schuckertwerke  G.m.b.H.  gehen  uns  folgende  Mitteilungen  zu: 

Das  Geschäftsjahr  umfaßt  die  Periode  vom  1.  Aug.  1912 
bis  31.  Juli  1913.  In  diese  Periode  fiel  der  Ausbrudh  der  kriege- 
rischen Verwicklungen  auf  dem  Balkan.  Wenn  auch  der  Kriegs- 
schauplatz auf  Gebiete  beschränkt  blieb,  die  für  die  Entfaltung 
unserer  Tätigkeit  nicht  von  größerer  Bedeutung  sind,  so  ver- 
minderte sich  doch  unter  den  Beunruhigungen,  die  der  Verlauf 
der  Ereignisse  mit  sich  brachte,  die  Unternehmungslust  in 
Deutschland  und  im  Auslande.  Li  der  Starkstromindustrie  machte 
sich  daher  mit  Beginn  des  Frühjahrs  eine  Abschwächung  des  bisher 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


269 


so  lebhaften  Begehrs  bemerkbar,  die  bis  in  das  neue  Gresdiäfts- 
jahr  hinein  angedauert  hat,  am  Jahresende  aber  wieder  eine 
Wendung  zum  besseren  zeigte.  Die  Ergebnisse  des  Geschäfts- 
jahres sind  bei  beiden  Firmen  als  befriedigend  zu  bezeichnen. 
Die  aufsteigende  Linie,  die  der  Greschäftsgang  während  der  voran- 
gegangenen Jahre  zeigte,  hat  auch  in  der  Berichtsperiode  ihre 
Fortsetzxmg  gefunden. 

Die  Anzahl  der  Angestellten  im  Konzern  der  beiden  Gresell- 
schaften  ist  von  77  000  im  Vorjahre  auf  81  235  Personen  zu  Ende 
des  abgelaufenen  Geschäftsjahres  gestiegen.  Die  in  unseren  deut- 
schen Betrieben  im  Geschäftsjahre  1912/13  gezahlten  Gehältei 
und  Löhne  belaufen  sich  auf  109  764  000  Mk.  ausschließlich  der 
Gratifikationen,  die  sich  mit  den  freiwilligen  und  gesetzlichen 
Leistungen  zugunsten  von  Beamten  und  Arbeitern  auf  8  430  301 
Mark  stellten.  Die  am  1.  Jan.  1913  in  Wirkung  getretene 
Versicherung  der  Angestellten  umfaßt  rund  11 000  Personen ; 
der  gesetzliche  Aufwand  der  Firmen  dafür  beträgt  jährlich  rund 
900000  Mark. 

Die  Siemens-Schuckertwerke  brachten  aus  ihren  deutschen 
AVerken  im  Berichtsjahre  132  800  Stück  Maschinen,  Motoren  und 
Transformatoren  mit  einer  Gesamtleistung  von  2  991 272  kW 
(=  4  064  228  PS)  ;zur  Ablieferung.  Sehr  rege  gestaltete  ßidh  wieder 
unsere  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  einheitlichen  Versorgung 
großer  Länderstrecken  mit  elektrischer  Energie.  AVenn  auch  die 
Technik  in  dieser  Beziehung  noch  manche  Aufgabe  zu  lösen 
hat,  so  wird  die  weitere  Entwicklung  doch  wesentlich  davon  ab- 
hängen, in  welcher  Weise  Staat,  Gemeinden  und  Private  zu- 
sammenwirken werden.  Das  Sonderinteresse  der  elektrischen  In- 
dustrie wird  befriedigt  sein,  wenn  bei  diesem  Zusammenwirken 
eine  weitere  gesunde  Entwicklung  stattfindet. 

Für  die  Ausdehnung  des  elektrischen  Betriebes  auf  den  Voll- 
bahnen ist  es  von  Bedeutung,  daß  der  preußische  Landtag  im 
Prinzip  seine  Einführung  auf  der  Berliner  Städte  und  Ringbahn 
zugestimmt  und  eiaen  Teil  der  dafür  erforderlichen  Mittel  be- 
willigt hat.  Für  die  hierfür  in  Aussicht  genommenen  weiteren 
Versuche  ist  uns  die  elektrische  Ausrüstung  zu  einem  Probe- 
ztuge  bestellt  worden.  Eine  größere  Anzahl  von  Lokomotiven 
für  Vollbahnbetriebe  befindet  sich  in  unseren  Werkstätten  in 
Arbeit.  Daneben  waren  wir  mit  Aufträgen  versehen  für  die 
Hoch-  und  Untergrundbahnen  in  Berlin  und  Hamburg,  sowie 
für  zahlreiche  Straßenbahnbetriebe,  Hütten-  und  Grubenbahnen. 

Von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  hat  die  Anwendung 
elektrischer  Antriebe  und  Einrichtungen  in  der  Industrie  weitere 
Fortschritte  gemacht.  Mit  der  Ausbreitung  der  Verwendung 
elektrischen  Stromes  für  Licht-  und  Kraftzwecke  hat  auch  die 
Nachfrage    nach    elektrischen    Bedarfsartikeln    bedeutend    zuge- 


Starkstrom. 


Elektrisierung 

der 
Eisenbahnen. 


IndnstrieUer 
Konsum. 


270 


V.   Metallverarbeitung. 


Export. 


Steigerung 
der  Leistungs- 
einheiten. 


Glühlampen- 
fabrik. 


Bogenlampen. 


nominell  und  die  weitere  Ausbildung  der  Massenfabrikation  ge- 
fördert. 

Von  den  überseeischen  Märkten  ist  zu  berichten,  daß  unsere 
Ausfuhi-  erheblich  zugenommen  hat  trotz  der  politischen  und 
wirtschaftlichen  Schwierigkeiten,  in  denen  verscliiedene  der  über- 
seeischen Gebiete  sich  befanden.  Besonders  erwähnenswert  ist  da- 
bei der  Auftrag,  den  uns  die  Chile  Exploration  Company  für  eine 
100  OOOvoltige  Kraftübertragung  von  Tocopilla  nach  Chu- 
quicamata  im  Werte  von  12  Mill.  Mk.  erteilt  hat. 

In  den  größeren  Leistungseinheiten,  die  bislang  nur  vereinzelt 
bestellt  wurden,  hat  sich  die  Nachfrage  inzwischen  vervielfacht; 
so  sind  uns  beispielsweise  Drehstrom-Turbogeneratoren  mit  Einzel- 
leistungen von  21500  kVA  mehrfach,  von  10  000—15  000  kVA  in 
jgroßerer  Zahl,  von  wassergekühlten  Transformatoren  solche  von 
je  23  500  kVA,  10  000  kVA  bei  110  000  Volt  Spannung  und 
12  000  kVA  bei  50  000  Volt  Spannung  in  Auftrag  gegeben  wor- 
den. An  selbstkühlenden  Transformatoren  haben  wir  Typen  bis 
5000  kVA  Einzelleistung  in  Arbeit;  Transformatoren  dieser 
Größe  sind  bisher  von  anderer  Seite  noch  nicht  geliefert  worden. 

Das  Glühlampenwerk  hat  im  abgelaufenen  Jahre  eine  nicht 
unerhebliche  Steigerung  der  Produktion  erreicht;  dabei  haben 
sieh  Verschiebungen  in  der  Herstellung  von  Wotan-,  Tantal- 
tmd  Kohlefadenlampen  zugunsten  der  Wotanlampe  (Wolfram- 
drahtlampe)  vollzogen.  Das  Gesamtergebnis  war  nicht  so  günstig 
wie  zur  Zeit  der  Vorherrschaft  der  Tantallampe,  weil  seitdem 
die  Preise  für  die  Glühlampen  jeder  Art  von  Jahr  zu  Jahr 
ständig  gewichen  sind.  Auf  der  anderen  Seite  sind  erhebliche 
Vereinfachungen  und  Verbesserungen  bei  der  Herstellung  der 
[Wotanlampe  erzielt  worden.  Auf  "  Grund  vertraglicher  Ab- 
machungen mit  der  amerikanischen  General  Electric  Company, 
betreffend  den  Austausch  von  Metallglühlampenpatenten,  wurde 
die  Fabrikation  einer  neuen,  von  dieser  Gesellschaft  angegebenen 
Metalldrahtlampe  aufgenommen,  die  bei  einem  Energieverbrauch 
von  1/2  Watt  pro  Kerze  vorläiufig  nur  für  größere  Lichtstärken 
anwendbar  ist. 

Das  Streben  nach  gesteigerter  Lichtausbeute  für  die  gegebene 
Stromeinheit  hat  aach  auf  dem  Gebiete  der  Bogenlampen  zu 
nennenswerten  Fortschritten  geführt;  hierzu  hat  die  in  mancher- 
lei Abstufungen  hergestellte  Effektlampenkohle  wesentlich  bei- 
getragen. Der  Strombedarf  ist  bei  den  günstigsten  Lampenkohlen 
auf  unter  0,2  Watt  pro  Kerze  herabgedrückt.  In  dem  Wettlauf 
zwischen  Bogenlicht-  und  Gltihlichtbeleuchtung  ist  die  Bogen- 
lampe durch  die  Leuchtmittelsteuer  wesentlich  stärker  belastet 
als  die  anderen  Leuchtmittel,  was  um  so  schwerer  ins  Gre wicht 
fällt,  als  verschiedene  ausländische  Staaten,  insbesondere  die  Ver- 
einigten Staaten  von  Nordamerika,  für  Flammbogenlampenkohlen 
durch   den   neuen   Zolltarif  ihren   Zollsatz   in   außerordentlicher 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


271 


Weise  erhöht  haben  und  dabei  diesen  Zollsatz  nicht  nur  auf 
den  einfachien  Marktwert  der  Kohlenstifte,  sondern  auf  den  um 
die  deutsche  Leuchtmittelsteuer  erhöhten  Marktwert  berechnen. 
Unsere  Söhwachstromwerkstätten  haben  im  abgelaufenen  Ge- 
schäftsjahre Erweiterungen  erfahren  und  werden  auch  demnächst 
wieder  weitere  Neuanlagen  erfordern.  Die  Schwachstromtechnik 
ist  naturgemäß  in  bezug  auf  Menge  und  Grewicht  der  Fabrikate 
nicht  so  umfangreich  wie  das  Starkstromgeschäft,  aber  die  letzten 
Jahre  haben  auch  hier  eine  beträchtliche  Ausdehnung  und  auf 
manchei  Gebieten  eine  niöht  vorausgesehene  Entwicklung  gezeigt. 
Dieser  Aufsdiwung  der  Schwachstromtechnik  hat  später  einge- 
setzt als  derjenige  der  Starkstromtechnik,  die  zeitweilig  die 
Kräfte  vorzugsweise  in  Anspruch  genomnien  hat.  Die  neuere  Ent- 
wicklung auf  dem  Gebiete  der  Telegraphie,  der  Telephonie,  des 
Signal  Wesens,  der  Elektromedizin  und  der  elektrischen  Instru- 
mente läßt  aber  erkennen,  daß  auch'  auf  diesem  Gebiete  neue  Ridh- 
tungen  zum  Dnrchbruch  gekommen  sind,  die  zu  reicher  tech- 
nischer  Nenarbeit   Gelegenheit   geboten   haben. 

Die  Einführung  der  automatischen  und  halbautomatisöhen 
Fernsprechzentralen  machte  gute  Fortschritte.  Die  Anlagen 
haben  sich  in  allen  Fällen  aufs  beste  bewährt  und  zu  großer  Zu- 
friedenheit der  Interessenten  gearbeitet,  wenn  auch  die  üeber- 
leitung  in  die  neue  Betriebsform  hin  und  wieder  mit  Schwierig- 
keiten verknüpft  war.  Das  öOpaarige  Femsprechkabel  nach  dem 
Pupin-System  zwischen  Berlin  und  Magdeburg,  das  uns  von  der 
Beichspostver waltung  in  Auftrag  gegeben  war,  ist  mit  gutem 
Erfolge  vollendet  und  seine  Verlängerung  in  Ausführung  be- 
griffen. Auch  vom  Auslande  liegen  Aufträge  auf  interurbäne 
Fernsprechkabel  vor.  Infolge  eines  Abkommens  über  gegen- 
seitigen Austausch'  der  Patente  auf  dem  Gebiete  der  Telephon- 
zentralen sind  wir  auch  zu  der  Firma  Telephon- Apparate  G.  Zwie- 
tusch  &  Co.,  G.  m.  b.  H.  in  Berlin-Charlottenburg  in  Beziehungen 
getreten  und  haben  Anteile   dieser  Gesellschaft  übernommen. 

Unsere  Schnelltelegraphie  erfreut  sich  wachsender  Beliebt- 
heit bei  den  in-  und  ausländischen  Telegraphenverwaltungen. 

Auf  dem  Gebiete  der  Instrumente  und  der  elektromedi- 
zin ischen  Apparate  haben  wir  eine  Anzahl  von  Neuerungen  auf 
den  Markt  gebracht,  die   Anerkennung   fanden. 

Das  Blockwerk  war  wiederum  auf  allen  seinen  Gebieten 
reichlich  beschäftigt.  Die  Anwendung  der  elektrischen  Kraft  auf 
die  Bewegung  von  Weichen  und  Signalen  macht  immer  weitere 
Fortfiehritte.  — 

Im  Be ri eil ts jähre  sind  unsere  Fabriken  von  Streikbewegungen 
verscliont  geblieben.  In  verschiedenen  deutschen  Städten  ver- 
suchten jedoch  die  Monteure  wieder,  mit  Unterstützung  des  Metall- 
arbeiterverbandes den  Abschluß  von  Tarifverträgen  herbei- 
zuführen, ohne  daß  es  ihnen  jedoch  gelungen  wäre,  einen  Erfolg 


Schwachstrom. 


Telephonie 


Telegraphie. 


Elekt^omediz^ 
Apparate. 


Eisenbahn- 
üignal-  und 
Sicherun  crs- 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


272 


V*.    Metallverarbeitunor, 


Rohmaterial. 


Verkehrs- 
angelegen- 
heiten. 


ZU  erzielen.  Im  übrigen  ist  auch  für  das  Berichtsjahr  ein  Steigen 
der  Stundenverdienste  bei  sinkender  Arbeitszeit  zu  verzeidinen. 

Besondere  Schwierigkeiten  in  der  Beschaffung  der  für  unsere 
Fabrikation  benötigten  Bohmaterialien  sind  im  Berichtsjahre  nicht 
aufgetreten.    Auch  die  Entwicklung  der  Preise  war  normal. 

Die  Aenderungen  in  den  spanischen  und  rumänischen 
Zolltarifen,  die  innerhalb  des  Geschäftsjahres  in  Wirksamkeit 
traten,  haben  unseren  Export  nach  Spanien  und  Rumänien  nicht 
ungünstig  beeinflußt.  Unangenehm  fühlbar  machten  sich  dagegen 
die  Auslegungen,  die  die  französischen  Zollbehörden  den 
Ausführungsbestimmungen  zum  Zollgesetz  über  die  Einfuhr 
deutsche?  Fabrikate  nach  Frankreich  sowie  für  die  Durchfuhx 
gaben.  Üeber  den  Entwurf  des  neuen  Zolltarifes  für  die  Nieder- 
lande ist  noch  kein  gesetzlicher  Beschluß  gefaßt.  In  Italien 
ist  eine  erhebliche  Besserung  in  bezug  auf  die  Abwicklung  der 
Verzollungen  eingetreten.  Die  Türkei  hat  die  in  Aussicht  ge- 
nommene Zollerhöhung  von  11  auf  15  o/o  vom  Werte  noich  nicht 
zur  Duichführung  bringen  können.  Der  in  Nordamerika  im 
Oktober  in  Kraft  getretene  neue  Zolltarif  hat,  wie  erwähnt, 
eine  erhebliche  Erhöhimg  des  Zolles  auf  Kohlenstifte  gebracht, 
Bodaß  unser  Export  in  diesem  ilrtikel  nach  Nordamerika  da- 
durch schwer  geschädigt  worden  ist.  Im  übrigen  brachte  der 
neue  Zolltarif  für  den  größten  Teil  unserer  Fabrikate  eine  Re- 
duktion des  Wertzolls;  eine  Erweiterung  unserer  geskiiäftlichen 
Betätigung  in  Nordamerika  ist  dadurch  aber  kaum  zu  erwarten. 

Vom  Frachtenmarkte  ist  zu  berichten,  daß  im  kontinentalen 
Verkehr  wesentliche  Frachtveränderungen  nicht  eingetreten  sind. 
Die  Bemühungen,  günstige  Det^arifierungen  für  den  Verkehr  nach 
Frankreich  und  Spanien  zu  erlangen,  befinden  sich  noch  in  der 
Schwebe.  Für  die  überseeischen  Transporte  st-and  der  Frachten- 
markt  im   Zeichen   der   Hochkonjunktur. 


Dritter  Bericht.  Dritter  Bericht. 

^^'S^trie^""  ^^^  Deutschen  Telephonwerke  G.  m.  b.  H.  zu  Berlin  berichten 

über  die  Lage  der  Schwachstromindustrie  folgendes: 

Der  Beschäftigungsgrad  wax  im  abgelaufenen  Jahre  gut. 
Die  erzielten  Preise  waren  jedoch  noch  immer  gedrückt  und 
widerlegen  die  in  der  Presse  öfter  aufgetauchten  Nachrichten 
über  eine  angebliche  Syndizierung  der  Telephonindustrie.  Streiks 
waren  nicht  zu  verzeichnen.  Von  größeren,  im  Auftrage  der 
Reichspost  ausgeführten  Arbeiten  sind  die  Erweiterungsbauten 
der  Fernsprechämter  in  Wilmersdorf,  sowie  die  Neubauten  der 
Berliner  Aemter  Königstadt  und  Alexanderplatz,  sowie  die 
Aemter  Hansa  und  Römer  in  Frankfurt  a.  M.  zu  erwähnen.  Die 
neuen  Fernsprechämter  für  Berlin  und  Frankfurt  werden  Anfang 
1914  in  Betrieb  genommen.  Neu  bestellt  wurden  Fernsprech- 
ämter   in   Karlsruhe,    Wilhelmshafen     sowie   zwei   neue   Aemter 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


273 


in  Berlin  (Lindenstraße  und  Eberswalder  Straße).  Unser  auto- 
matisches Telephonsysteini  haben  wir  weiter  ausgebildet ;  wir  haben 
auch  bereits  einige  automatische  Telephonzentralen  mit  gutem 
Erfolg  in  Betrieb  gesetzt.  Ein  von  uns  etwa  vor  2  Jahren  neu 
aufgenommener  Artikel  Wechselstrom^Gleichst^om-Umformer,  ein 
Apparat,  welcher  zur  Entnahme  von  Gleichstrom  aus  Wechsel- 
stromnetzen dient,  hat  sich  inzwischen  gut  bewährt  und  sich  im 
größeren  Maßstabe  eingeführt. 


Vierter   Bericht. 

Im  Zusammenhang  mit  der  allgemein  mckläufigen  Konjunk- 
tur ist  der  Geschäftsgang  auch  im  Akkumulatorenbau  in  den  letzten 
Monaten  des  Berichtsjahres  ruhiger  geworden.  Der  Preis  des 
Bleis,  des  hauptsächlichsten  Kohmaterials,  hielt  sich  andauernd 
auf  einer  außergewöhnlichen  Höhe.  Diesem  Umstände  konnte 
jedoch  in  den  Verkaufspreisen  einigermaßen,  wenn  auch  nicht 
in  vollem  Umfange,  Kechnung  getragen  w^erden.  Im  Export- 
geschäft sind  nennenswerte  Aenderungen  nicht  eingetreten.  Der 
Auftragseingang  war  etwa  der  gleichö,  wie  im  Vorjahr.  Die 
Balkanwirren  haben  nur  bei  der  Zweigniederlassung  der  Bericht- 
erstatterin in  Wien  und  bei  den  in  den  Balkanländern  befind- 
lichen selbständigen  Tochtergesellschaften  eiaen  ungünstigen  Ein- 
fluß ausgeübt.  — 

Einem  ferneren  Berichte  entnehmen  wir  folgendes:  Die  Be- 
scüiäftigung  war  in  der  Akkumulatorenbranche  äußerst  lebhaft, 
auch  waren  die  erzielten  Preise  zum  Teil  befriedigend.  Infolge 
des  niedrigen  Kabelzolles  macht  sich  aber  die  ausländische  Kon- 
kurrenz im  wachsenden  Maße  durch  Preisunterbietungen  be- 
merkbar. Sie  ist  dazu  umsomehr  in  der  Lage,  da  sie  zum  Teil 
in  üirem  eigenen  Lande  durch  Prohibitivzölle  vor  fremder  Kon- 
kurrenz ge-schützt  ist. 

Fünfter   Bericht. 

Für  die  Elektrizitätsiadustrie  ist  das  Jahr  1913  eine  Zeit 
weiteren  Aufschwunges  und  reger  Beschäftigung  gewesen.  Erst 
gegen  Schluß  des  Jahres  war  die  steigende  Kurve  der  Konjunktur 
weniger  steil  als  im  Anfang. 

Die  Versorgung  großer  Gebiete  von  Kraftwerken  aus,  die 
in  der  Nähe  von  Kohlengruben  oder  anderen  ausgiebigen  Energie- 
quellen liegen,  hat  zwar  die  Gründung  vieler  kleiaer  Werke 
aufgehalten,  jedoch  der  Elektrizitätsiadustrie  erst  Gelegenheit 
zum  Bau  sehr  großer  und  wirtschaftlich  arbeitender  Maschiaen- 
einheiten  von  mehr  als  20000  KW  gegeben,  die  Herabsetzung; 
der  Stromkosten  erlaubt  und  in  jeder  Beziehung  befruchtend  ge- 
wirkt. Die  Notwendigkeit  zur  elektrischen  Femübertragung 
führte  zum  Bau  von  Kabeln  bis  äu  60000  Volt,  nachdem  erst 
vor  kurzem  die  Fortleitung  des  Stromes  durch  Kabel  mit  30000 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  18 


Vierter  Bericht. 


Akku- 
mulatoren. 


FünfterBericht 


Kraftzentralen. 


274 


V.   Metallverarbeitung, 


Elektrischer 

Antaieb 

in  der  Industrie. 


Beleuchtung^ 
Wesen. 


Elektrische:» 
Bahnwesen. 


Schwachstrom- 
industrie. 


Rohmaterial- 
preise. 


Kartelle. 


Volt  die  HödLstleistung  gewesen  war.  Transformatoren  von  bis- 
her imbekannter  Leistungsfähigkeit  wurden  gebaut,  und  indirekt 
wurde  auch  die  Industrie  der  Großgasmaschinen  und  Dampftur- 
binen zum  Bau  immer  größerer  Antriebsmotoren  angespornt.  Auch 
das  Ausland  hatte  den  Nutzen  der  Zentralisation  der  elektrischen 
Kraftquellen  erkannt  und,  zum  Teil  mit  Hilfe  der  deutschen 
Elektrizitätsiadustrie,  Großzentralen  in  Betrieb  gesetzt  oder  pro- 
jektiert. 

Mit  dem  "Wachsen  der  Werke  stieg  auch  die  Aufnahme- 
fähigkeit des  Marktes.  In  der  Industrie  ist  der  elektromotorische 
Antrieb  fast  durchgeführt.  Walzwerke  jeder  Art  brauchen  große 
Elektromotoren.  Der  Gruppenantrieb  wurde  immer  mehr  durch 
den  Einzelantrieb  ersetzt,  kleinste  Motoren  in  Feiniadustrie  und 
Handwerk  verlangt. 

Für  die  Anwendung  der  elektrischen  Beleuchtung  war  die  Ein- 
führung der  Halbwatt-Glühlampe  von  größter  Bedeutung;  sie 
setzte  für  Lampen  von  über  600  Kerzen  die  Stromkosten  um 
die  Hälfte  herab  und  wird  wieder  der  Bogenlampenindustrie  den 
Antrieb  zu  neuen  Verbesserungen  geben. 

Wenn  auch  der  Bau  von  Straßenbahnen  in  größeren  Städten 
im  wesentlichen  durchgeführt  ist,  gewährten  doch  der  Ersatz  und 
die  Erweiterung  der  Bahneinrichtungen  und  besonders  der  Ueber- 
gang  zu  hoher  Gleichstromspannung  der  Industrie  reiche  Be- 
schäftigung. Für  die  Elektrifizierung  der  Vollbahnen  ist  die  Be- 
willigung des  Umbaues  der  Berliner  Stadtbahn  von  Wichtigkeit. 
Untergrundbahnen  wurden  nicht  nur  in  Berlin,  sondern  auch  in 
großen  Städten  des  Auslandes,  z.  B.  Buenos  Aires,  eröffnet  und 
in  Angriff  genommen. 

Die  Schwachstromindustrie  hatte  infolge  der  Ausbreitung 
des  Fernsprechverkehrs  in  Deutschland  und  durch  den  Export  ge- 
nügend zu  tun.  Versuche  zur  Hebung  des  iaterurbanen  und  inter- 
nationalen Telephonverkehrs  mittels  Relais  und  besonderer  Kabel- 
leitungen sind  gut  gelungen. 

Das  weitere  Sinken  der  Gummipreise  und  die  Schwankungen 
der  Kupfer-  und  Eisenpreise  haben  keinen  wesentlichen  Eiafluß 
auf  die  Herstellung  der  Fertigfabrikate  gehabt.  Durch  wesent- 
liche Differenzen  'zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitern  wurde 
die    deutsche   Elektrizitätsindustrie   nicht   gestört. 

Im  Kartellwesen  der  Elektrizitätsindustrie  ist  die  Auflösttng 
der  Verkaufsstelle  vereinigter  Glühlampenfabriken  zu  erw,ähnen. 
Die  Vereinigungen  der  Fabrikanten  für  isolierte  Drähte  und  die 
für   Isolierrohre  richteten  im  Berichtejahre  Verkaufsstellen  ein. 


Sechster 
Bericht. 


B.  E.  W. 


Sechster   Bericht. 

Dem  Jahresbericht  der  Berliaer  Elektrizitätewerke  über  das 
Geschältejahr  vom  1.  Juli  1912  bis  30.  Juni  1913  entnehmen  wir 
folgendes: 


58.    Elektrizitätsindustrie. 


275 


Die  Stadtgemeinde  hat  von  ihrer  Befugnis  zur  Kündigung  des 
bestehenden  Vertrages  Grebrauch  gemacht,  indem  sie  uns  davon 
Kenntnis  gab,  daß  die  Anlagen  der  BEW  zum  1.  Oktober  1915 
in  ihr  Eigentum  übergehen  sollen.  Diese  Kündigung  war  zur 
formellen  Wahrung  der  vertragsmäßig  der  Stadt  eingeräumten 
Befugnisse  erforderlich ;  indessen  nehmen  die  Verhandlungen  über 
Verlängerung  des  Vertrages  ihren  Fortgang,  und  man  ist  weiter 
bestrebt,  eine  Basis  für  eine  Verständigung  zu  finden.  Eine  solche 
wäre  für  die  Gesellschaft  wertvoll,  wenn  ihr  der  Betrieb  der 
AVerke  auf  eine  längere  Reihe  von  Jahren  zugesichert  würde,  tind 
die  Gesellschaft  könnte  hierfür  gewisse  Opfer  bringen.  Sollten  die 
Verhandlungen  an  'den  Ansprüchen  der  Stadtgemeinde  scheitern, 
so  würde  das  der  Gesellschaft  füi*  Ueberlassung  der  Werke  zu- 
fallende belangreiche  Kapital  sie  in  die  Lage  setzen,  ihre  Tätig- 
keit neuen  gewinnbringenden  Unternehmungen  zuzuwenden,  die 
seit  Jahren  vorbereitet  wurden.  Um  eine  weitgehende  Herab- 
setzung der  Tarife  in  Zukunft  zu  ermöglichen,  glauben  wir, 
die  Verlegung  der  Stromerzeugung  an  die  Fundstelle  des  Heiz- 
materials vorbereiten  zu  müssen,  und  haben  uns  zu  diesem  Zweck 
Braunkohlenvorkommen  in  der  Nähe  von  Bitterfeld  in  einem  Um- 
fang gesichert,  der  nicht  häufig  in  einer  Hand  vereinigt  war. 

Das  abgelaufene  Geschäftsjahr  hat  eine  befriedigende  Weiter- 
entwicklung des  Unternehmens  gezeitigt.  Die  Steigerung  des 
Stromkonsums  ist  in  der  Hauptsache  dem  Verbrauch  der  Groß- 
abnehmer zu  danken,  die  in  Anbetracht  der  niedrigen  Preise  immer 
mehr  zu  der  Ueberzeugung  gelangen,  daß  der  Anschluß  an  ein 
großes  Elektrizitätswerk  Vorteile  gegenüber  der  Selbsterzeugung 
bietet.  Wir  haben  grundlegende  Aenderungen  der  Bestimmungen 
und  Tarifsätze  für  die  Stromentnahme  vorbereitet,  bei  der  Un- 
gewißheit indessen,  ob  die  Verteilung  der  Elektrizität  unserer  Ge- 
sellschaft in  ZuJiunft  verbleiben  wird,  ihr  Inkrafttreten  aufge- 
schoben. Der  Gleichwert  der  Anschlüsse  ist  bei  einer  Erhöhung  der 
Abnehmerzahl  von  36  909  auf  43  816  um  28  781  KW  =  12,7o/o  auf 
255  721  KW  gestiegen.  Hiervon  werden  mit  Niederspannung  ver- 
sorgt 93  514  KW  für  Beleuchtung  und  131  662  KW  für  Kraft- 
zwecke; mit  Hochspannung  wurden  Abnehmer  mit  einem  An- 
schluß von  30  545  KW  bedient.  Der  Zuwachs  der  Anschlüsse 
betrug  gegen  das  Vorjahr:  an  Glühlampen  201872,  an  Bogen- 
lampen 960,  an  Motoren  4714,  an  Apparaten  570  und  an  Kilowatt 
28  781.  Am  30.  Juni  1913  waren  insgesamt  1  763  309  Glühlampen, 
45  755  Bogenlampen,  40  033  Motoren  und  7338  Apparate  ange- 
schlossen. Es  waren  im  ganzen  255  721  KW,  43  816  Abnehmer  und 
50  647  Hausanschlüsse  angeschlossen.  In  der  vorstehenden  Auf- 
stellung sind  für  öffentliche  Beleuchtung  2981  Glühlampen  und 
1026  Bogenlampen  enthalten.  Die  Versuche  mit  langbrennenden 
Bogenlampen  haben  zu  günstigen  Ergebnissen  geführt.  Einen 
bedeutenden  Fortschritt  in  der  öffentlichen  Beleuchtung  stellt  die 

18* 


Verhandlungen 
der  B.E.W. 

mit  der 
Stadt  Berlin. 


Zunahme 
der  Anschlüsse 


276 


V.   Metallverarbeitung. 


Stromabgabe, 
Verwendungs- 
zweck. 


neue  hochkerzige  Metalldralitlainpe  in  Aussicht,  die  die  Hälfte 
des  Stromes  der  bisherigen  gleichartigen  Lampen  konsumiert. 

Nutzbar  abgegeben  wurden  einschließlich  des  Selbstver- 
brauchs: 58  678  495  Kwstd.  für  Licht,  80  828199  Kwstd.  für  Kraft, 
72  251  754  Kwstd.  für  Bahnen  und  40  337  345  Kwstd.  als  Hoch- 
sp annungsstrom,  zusammen  252  095  793  Kwstd. 

Die  in  den  letzten  10  Jahren  nutzbar  abgegebene  Energie 
in  Kilowattstunden  ist  aus  der  folgenden  Tabelle  ersichtlich : 


Tab.  119. 


Stromabgabe  der  Berliner  Elektrizitätswerke  1903 — 1912  in  Kwstd. 


Stromabgabe  für         1903/04 

1904/05 

1905/06 

1906/07 

1907/08 

1908/09    1    1909/10 

1910/11 

1911/12 

191 

Privatbeleuchtung  . 
Oeffentl.     Beleucht. 

einschl.  Bahnhöfe). 
Gewerbl.  Anlagen  . 
Akkumiilatoren- 

anlagen 

Hochsp  annungstarif 

Straßenbahnen    .    . 

Selbst-       r  Licht. 

Terbrauch  \  Kraft . 

16  727  266 

2  016  797 
30326  974 

3  245878 

45166449 

658  288 
359  752 

20 139  869 

2  318525 
36  687  516 

3  798  969 

47  287  808 
809  123 
630  972 

24  817  983 

2  808339 
43  049  036 

4  522  829 

50  952  760 

893322 

1 059  579 

28  524790 

3376513 
48902  247 

5  088  784 

63196  218 

956  711 

2  876  553 

31655185 

3  902  525 
53  687  519 

5  468  928 

55901607 

830  562 

3 '68  809 

31881236|  34385164 

4089  6421     4  704176 

54  834  6571  62124384 

6  212  757  j     6  262  502 
-        1     2069540 

55  323  564;  59  220993 
11t  »7  6:^41     1043178 
443S135!     4631001 

39  405  627 

6  170 197 
67  777  2(» 

5644  582 

9  817  72C 

64  406  442 

999  653 

4  911519 

42626365 

5  516496 
69  779436 

5  021621 

23  609  959 

69  846  104 

1199  289 

5  872  342 

461. 

61 
74  2 

51 

40  ä 

72  2 

12 

66 

Insgesamt 

98  501404 

111572  782 

128103  848 

142  921816 

155  115  135 

157  887  625!  174  430  937  198  031  743 1223  371 6I2I252  0 

Die  höchste  gleichzeitige  Beanspruchung  betrug  107  150  KW 
(i.  V.  94  570  KW).  Die  allein  im  Weichbild  von  Berlin  installier- 
ten 33  027  Elektromotoren  stellen  eine  Leistung  von  112  294  PS 
dar.    Von  diesen  dienen  für: 


Tab.  120.    Statistik  der  Elektromotoren  im  Weichbilde  von  Berlin. 

Anzahl  PS 

1.  Metallbearbeituncr 6  513  21664 

2.  Aufzüge 4430  29121 

S.Holzbearbeitung :     .       3  572  11946 

4.  Pressen 3  365  9  080 

5.  Ventilatoren 3  290  1 400 

6.  Fleischereibetrieb 1  851  6 174 

7.  Nähmaschinen 1  206  1  055 

8.  Spül-  und  Waschmaschinen     ...  880  2  108 

9.  Pumpen 752  3  815 

10.  Papierbearbeitung 671  1 922 

11.  Schleif-  und  Poliermaschinen  .     .     .  500  1  611 
12    Tuchschneidemaschinen 478  344 

13.  Lederbearbeitung 319  1  119 

14.  Spulmaschinen 288  624 

15.  Antrieb  von  Dynamos 218  31 86 

16    Kaffeemühlen  und  Röstmaschinen    .  145  274 

17.  Hutbügelmaschinen 47  139 

18.  Galvanoplastik 42  104 

19.  diverse  Zwecke     .     . 4  460 16  608 

Zusammen     .     .     .     33  027  112  294 

Am  Ende  des  Geschäftsjahres  waren  45  isolierte  Akkumtila- 
torenanlagen  in  Tätigkeit.  Der  Stromabsatz  für  Elektromobile 
hat  ebenfalls  erheblich  zugenommen.  Außer  für  Droschken  sind 
neuerdings  auch  für  Privatelektromobile  Ladestellen  eingerichtet 
worden,  deren  Anzahl  immer  mehr  zunimmt. 


i 


59.     Boots-    und    Schiffbau. 


277 


Der  in  Berlin  erzielte  Verkaufspreis  für  Elektrizität  stellte 
sicK  —  nach  Abzug  der  Abgabe  an  die  Gemeinde  —  für  die 
Kilowattstunde  auf  durchschnittlich  14,45  Pfg.  gegen  14,75  Pfg. 
im  A^orjahr.  Die  Ermäßigung  resultiert  auch  dieses  Mal  aus 
den  billigeren  Sätzen  für  Hochspannungs-  und  Bahnstrom. 

Bei  einer  Häuserfront  von  608  km  im  Berliner  iWeichbild 
weisen  die  verlegten  Kabel  eine  Länge  von  insgesamt  8306  km 
auf,  von  denen  4972  km  für  Licht  und  Kraft,  532  km  für  Straßen- 
bahn, 1856  km  für  Hochspannungsanlagen  und  der  Rest  für  Tele- 
phon und  Prüfdrahtnetze  dienen. 

Dem  Elektrizitätswerk  Südwest  waren  angeschlossen:  am 
30.  Sept.  1912  576  878  Glühlampen,  5142  Bogenlampen  und  Mo- 
toren mit  znsaminen  15  512  PS,  am  30.  Sept.  1913  dagegen  688  103 
Glühlampen,  5080  Bogenlampen  lind  Motoren  mit  zusammen 
16  522  PS.    Nutzbar  abgegeben  wurden  vom  1.  Jan.  bis  30.  Sept. 

1912  20  585  616  KW-Stunden,  dagegen  vom  1.  Jan.  bis  30.  Sept. 

1913  21664  967   KW-Stunden. 

Li  der  folgenden  Tabelle  geben  wir  eine  monatliche  Ueber- 
sicht  über  den  Groß-Berliner  Stromverbrauch  der  letzten  zwei 
Jahre. 


Preise 


Kabelnetz. 


Elektrizitäts- 
werk  Südwest. 


Stromabgabe 
in  Groß-Berlin. 


121.    Stromabgabe  der  Elektrizitätswerke  Groß-Berlins  (einschl.  Selbstverbrauch  Id  Kwstd.). 


Jan. 


Febr. 


März 


April 


Mai 


I  Juni 


Juli 


August 


Sept. 


Okt. 


Nov. 


Dez. 


Jahr 


Berliner  Etektricitäts  -Werke. 


19837602 
32  914  251 
J5021Ö64 

1938138 
2158024 
2490  577 

2  725  3801 
3022  619 
31174091 

621915' 

648 147 

1068  945 


18  OÖS  406  17  123  901 
20  465  326  20  135  773 


21  812  278 

1 705  346 
2  032  631 
2 192  708 

2  334  030 
2  696  365 
2  839  988 

512  8411 
599  643 

8:32  1881 


22  140  364 


15  5413^4 

18  109  40i 

19  745  822 


15  270  828 

16  738  694 
18  242  829 


14  015  487 


19  489  289 


L4  257  616 


16  82)776  16  674  975 


18  902  383 


15  320334 
17  909  426 
19  644  542 


16589  705 
19  518  625 


19  426  61020949  332121  643  890208044995 


22  743  858 


20  513  480  23  131 934 


Charlottenburger  Elektrizitäts  -Werke. 


1585  5721  1408  7731  1200  934!  1211990|  1211991 
1851386!  15H1877i  1441548  1277  018  1277  019 
2  031814|  1903  1921  1596  5531  1494  46S|  1494  469 


1241624;  1556015!  1795  8571 
1 532  235  1  752  280|  2  1(»8  96S| 
1585  9171  1879  773;  2  194  002! 


2  242  37 
2  459  934 
2  644  607 

484  371 

629  636 

1  090  779 


Elektrizitätswerk  Südwest  Afet.-Qes.  in  Berlin -Wilmersdorf. 


1  8^5  535|  1 945  3971  2  2 14  89S   2  467  724 
1 926  412!  2  133  9S2  2  ;ö90  559   2  697  674 
2045  831]  2  264  859;  2  515  078  2  953367 
Berliner  Vororts-Elektrizitäts -Werke,  Zentrale  Steerlitz»). 
447  3261     408  761!     346  970:     329  4571     380  2151     416  7541     457040 


2  069  800;  1960  7701  1828070 
2  291282  2  2219S1  2013073 
2  335  647  2  254  672|  2  03o513 


541381! 

861 0481 


505  833 
770  218| 


5.53  942 
726  713! 


573  131 
766  975' 


604  899 
813  951 


621689      8833  57 
912173!  1083  879 


23  871930 
25  863  178 

2175  495 
2  373  782 

2  573888 

2727071 

3  041  866 
3  424474 

513  8161 

925  498 

1151650 


24924  833! 
25739186 

2  164  771' 
2  519  115; 
2  661597 


29391581 
3  332  003 
3896  249J 

547  7961 
1 053  333^ 
1290  712 


240827  872 
260246849 

19  196  535 
21905  883 
24 148  958 

27320210 
30  217  750 
32  428695 

5  467  269 
8  151 019 
11 429  235 


•)  Die  Zentrale  Friedenau  derselben  Firma  gab  im  Jahre  1913  ab:   1820  330  Kwstd. 
„    am  Teltowkanal    „  „  „      ..        ,.         „       ,.      2  919  145 


59.    Boots-    und   Schiffbau. 

Der  Beschäftigungsgrad  im  Berichtsjahre  war  im  allgemeinen 
mäßig.  Infolge  des  vorjährigen  schlechten  Sommers  sind  Be- 
stellungen auf  Passagierfahrzeuge  nur  in  geringer  Zahl  ein- 
gegangen. Der  Bau  von  Dienstfahrzeugen  für  Behörden  war  eben- 
falls weniger  umfangreich  als  früher.  Auch  die  Aufträge  zum 
Bau  von  Fahrzeugen  für  Privatzwecke  sind  gegen  früher  ganz 
erheblich  zurückgegangen,  wohl  hauptsächlich  infolge  der  allge- 
meinen ungünstigen  Wirtschaftslage.  Die  hiesigen  Werften  haben 
sehr  unter  der  auswärtigen  Konkurrenz  zu  leiden,  da  hier  wesent- 
lich höhere  Löhne  gezahlt  werden  als  z.  B.   an  der  Weser  und 


Boots- 

md  Schi£Fbau. 


278 


V.   Metallverarbeitung. 


am  Ehein.  "Wenn  sich  auch  die  hiesige  Arbeit  im  allgemeinein 
eines  guten  Rufes  erfreut  und  daher  besser  bezahlt  wird,  so  isli 
es  doch  in  den  meisten  Fällen  schwierig,  hierdurch  die  große 
Differenz  in  den  Lohnverhältnissen  auszugleichen.  Da  auch  im 
Jahre  1913  der  Sommer  verhältnismäßig  schlecht  war,  so  ist 
eine  Besserung  des  Geschäftes  im  Bau  von  Erwerbsfahrzeugen 
wohl  kaum  zu  erwarten.  Die  Nachfrage  nach  Privatbooten  ist 
hingegen  etwas  lebhafter  geworden.  Ferner  steht  auch  zu  hoffen, 
daß  durch  die  inzwischen  fertiggewordenen  neuen  "Wasserstraßen 
in  kürzerer  Zeit  ein  größerer  Bedarf  an  Dienstfahrzeugen  eintret-en 
wird.  t 


Automobil- 
industrie. 
Allgemeines. 


Amerikanische 
Konkurrenz. 


60.  Automobil-,   Motoren-   und  Fahrradindustrie. 

1.   Automobilindustrie. 

Die  Beschäftigung  der  Automobilindustrie  war  bei  Beginn  des 
Berichtsjahres  noch  gut.  Die  durch  die  Balkanwirren  verursachte 
unsichere  politische  Lage  und  deren  Einfluß  auf  den  Geldmarkt 
machten  sich  jedoch  bald  auch  im  Automobilgeschäft  bemerkbar. 
Der  Absatz  blieb  hinter  der  Produktion  zurück.  Betriebsein- 
schränkungen ließen  sich  nicht  vermeiden.  Das  Bestreben  der 
.Fabriken,  die  angesammelten  Vorräte  an  fertigen  "Wagen  zu  ver- 
ringern, verschärfte  den  Konkurrenzkampf  und  verschlechterte 
die  Preise.  Die  Nachwirkungen  der  Balkankriege  werden  auch 
im  nächsten  Jahre  noch  fühlbar  sein. 

("Von  der  ausländischen  Konkurrenz  bemüht  sich  besonders  die 
amerikanische,  ihre  "Wagen  in  größeren  Mengen  in  Deutschland 
einzuführen.  Durch  geschickt  abgefaßte,  für  das  Laienpublikum 
berechnete  Inserate  und  Broschüren  werden  die  amerikanischen 
"Wagen  zu  Preisen  angeboten,  die  scheinbar  sehr  billig  sind.  In 
bezug  auf  Material  und  Arbeit,  Haltbarkeit  und  dauernde  Preis- 
würdigkeit sind  jedoch  gute  deutsche  Automobilfabrikate  in  der 
Eegel  den  amerikanischen  bedeutend  überlegen.  Daß  der  für 
einen  deutschen  "Wagen  bei  der  Anschaffung  aufgewendete  Mehr- 
betrag gute  Zinsen  trägt,  macht  sich  im  praktischen  iBetriebe 
sehr  bald  bemerkbar.  Wenn  deshalb  die  amerikanische  Kon- 
kurrenz der  deutschen  Automobilindustrie  nicht  gefährlich  werden 
kann,  so  sind  doch  nach  Ansicht  der  inländischen  Fabrikanten  die 
Absatzverhältnisse  in  Deutschland  jetzt  nicht  so  günstig  und 
werden  es  auch  nicht  so  schnell  wieder  werden,  daß  die  ein- 
heimische Automobilindustrie  ruhig  abwarten  könnte,  bis  die 
billigen  amerikanischen  Wagen  durch  ihre  Minderwertigkeit  selbst 
ihren  Verkauf  in  Deutschland  unmöglich  machen.  Die  inlän- 
dischen Fabrikanten  wünschen  daher,  daß  die  deutsche  Automobil- 
industrie in  ihrem  Konlmrrenzkampfe  bald  durch  die  Regierung 
die  Unterstützung  findet,  die  ihr  bisher  gefehlt  hat.  AVährend 
jedes   andere   Land,    das   eine   Automobilindustrie   besitzt,   durch 


60.   Automobil-,  Motoren-  und  Fahrradindustrie. 


r.  279 


hohe  Zölle  die  Einfuhr  ausländischer  Fabrikate  erschwere,  zum! 
Teil  unmöglich  mache,  sei  [der,  ilEinf  uhrzoU,  den  Deutschland  erhebe, 
so  gering,  daß  er  den  Verkaufspreis  nicht  beeinflussen  könne. 

LN"eue  Konstruktionen  kamen  während  des  Berichtsjahres  nicht 
auf  den  Markt. 

Die  Arbeiterverhältnisse  waren  ruhig.  Streiks,  Aussperrun- 
gen oder  Lohnbewegungen  sind  nicht  in  nennenswertem  Umfange 
vorgekommen. 

Fin  zweiter  Bericht  bestätigt  den  ersten  und  betont  ins- 
besondere gleichfalls  die  Gefahr  der  amerikanischen  Konkuri-enz. 


Neue  Kon- 
struktionen. 

Arbeiter- 
verhältnisse. 


2.  Motoren. 

Das  Jahr  1913  brachte  zwar  der  bericlitenden  Firma  erhöhte 
Umsätze  in  Lastwagen  und  Omnibussen,  es  trug  aber,  wie  in 
anderen  Industrien,  besonders  in  der  zweiten  Hälfte  die  Merkr 
male  des  wirtschaftlichen  Rückschlags:  große  Schwierigkeiten 
bei  Abschluß  neuer  Geschäfte,  Neigung  der  Käufer,  selbst  drin- 
genden Bedarf  zurückzustellen,  scharfe  Preiskonkurrenz,  lange 
Zahlungstermine.  Einen  gewissen  Ausgleich  schufen  nur  die 
immer  größer  werdenden  Bedürfnisse  der  Kommunen  für  Feuer- 
wehrzwecke und  der  Stadtverwaltungen  für  die  Einrichtung  von 
Ueberland-Omnibuslinien. 

Der  Export,  der  im  Anfang  dieses  Jahres  durch  die  Anforde-, 
rungen  der  Balkanstaaten  nach  Kriegslastwagen  sehr  begünstigt 
wurde,  hatte  im  Verlauf  unter  der  Nachwirkung  der  unruhigen 
politischen  Zustände  zu  leiden;  besonders  lagen  die  Hauptabsatz- 
gebiete in  Südamerika  danieder.  Wenn  trotzdem  auch  die  Export- 
ziffern eine  Steigerung  aufweisen,  so  ist  diese  nur  dem  Umstand 
zu  verdanken,  daß  der  Ausgestaltung  der  Exportorganisation  die 
größte  Aufmerksamkeit  gewidmet  wurde. 

Den  gedrückten  Verkaufspreisen  standen  nur  wenig  aus- 
gleichende Momente  gegenüber;  eine  minimal  weichende  Tendenz 
in  den  Einkaufspreisen  der  Rohmaterialien,  beinahe  unverändert 
hohe  Arbeitslöhne.  Die  Anfang  des  Jahres  ziemlich  kampflustige 
Stimmung  der  Arbeiterschaft,  die  auch  zu  Teilstreiks  geführt 
hatte,  machte  später  einer  völligen  Ruhe  Platz. 

Die  berichtende  Firma  ist  der  Ansicht,  daß  eine  langsame 
Besserung  der  Absatzverhältnisse  bereits   begonnen  hat. 

3.    Fahrradindustrie. 

Die  Produktion  der  berichtenden  Firma  weist  in  Fahrrädern 
gegenüber  dem  Vorjahr  eine  Steigerung  um  ca.  20  o/o  auf;  es  ist 
dies  ein  Beweis  dafür,  daß  die  Nachfrage  nach  Fahrrädern  wieder 
eine  ansteigende  Kurve  zeigt.  Diese  Erhöhung  des  Umsatzes 
wurde  durch  eine  Herabsetzung  der  Verkaufspreise  sowie  durch 
die  Schaffung  besonders  preiswerter  Spezialmaschinen  erreicht,  bei 


Motoren. 
Allgemeines. 


Export. 


Preise. 


Fahrrad- 
industrie. 


280  V.   Metallverarbeitung. 

deren  Konstruktion  unter  Ausschaltung  aller  auf  den  Luxus  ge- 
richteten Gesichtspunkte  lediglich  den  Bedürfnissen  des  prak- 
tischen Gebrauchs  Rechnung  getragen  wurde.  Die  Verminderung 
der  Preise  x^rringerte  selbstverständlich  auch  den  Gewinn,  der 
durch  die  Fabrikation  erzielt  wurde ;  infolge  des  erhöhten  Absatzes 
ist  der  Gesamtnutzen  jedoch  der  gleiche  geblieben  wie  in  den 
früheren  Jahren,  die  in  bezüg  auf  den  Verdienst  an  dem  einzelnen 
Eade  günstigere  Resultate  aufwiesen.  Die  Befürchtung,  daß  durch 
die  in  großen  Mengen  lauf  den  Markt  geworfenen,  in  der  Qualität 
minderwertigen  Versiandhausräder  diejenigen  Fabriken  eine  Ein- 
buße erleiden  würden,  die  ausschließlich  hochwertige  Markenräder 
fabrizieren,  hat  sich  nicht  bewahrheitet.  Die  schlechten  Erfahrungen, 
die  mit  Fahrrädern  ohne  Ursprungsbezeichnung  gemacht  wurden, 
haben  in  den  Kreisen  der  Abnehmer  schnell  zu  der  Erkenntnis 
geführt,  daß  nur  das  solide  Markenrad  für  den  praktischen  Betrieb 
geeignet  ist.  Hierauf  ist  die  gesteigerte  Nachfrage  nach  guten 
Fahrrädern  zurückzuführen.  Während  das  Fahrrad  in  den  letzten 
Jahren  immer  mehr  als  Beförderungsmittel  für  Gewerbetreibende 
aller  Art  verwendet  und  daher  als  Luxusgegenstand  weniger  b.»- 
gehrt  wurde,  macht  sich  in  letzter  Zeit  wieder  eine  deutliche 
Strömung  bemerkbar,  die  dahin  zielt,  dem  Rade  als  Sport-  und, 
Erholungsmittel  erneute  Geltung  zu  verschaffen.  Die  internatio- 
nale Fachliteratur  berichtet,  daß  das  Fahrrad  in  den  oberen 
Schichten  wieder  in  Mode  kommt.  Die  Erziehung  der  Jugend  zum 
Sport,  auf  die  heute  in  allen  kultivierten  Ländern  in  hohem  Maße 
hingewirkt  wird,  kommt  dem  Fahrrad  ebenfalls  zugute;  es  wird 
nicht  nur  als  eigentliches  Sportmittel  selbst  in  weiterem  Umfange 
verwendet,  sondern  es  ^ient  auch  als  bequemes  Transportmittel 
zum  Erreichen  der  meist  außerhalb  der  Städte  angelegten  Sport- 
plätze. 
Transport-  Wie  bereits  im  Vorjahre  erwähnt,  hat  das  Fahrrad  als  Trans- 

Motorräder, portfahrzeug  für  die  schnelle  Beförderung  leichterer  Waren  eine 
unverkennbar  hohe  Bedeutung  erlangt.  Für  diesen  Zweck  kommt 
fast  ausschließlich  das  Zweirad  in  Frage,  während  das  Gepäck- 
dreirad immer  mehr  ausscheidet.  Es  wird  verdrängt  durch  die 
kleinen  Motorwagen,  deren  Fabrikation  sich  die  einschlägige  In- 
dustrie mit  besonderem  Eifer  und  bestem  Erfolge  w^idmet.  Das 
Vorhandensein  dieser  preiswerten  und  außerordentlich  praktischen 
Fahrzeuge  hat  zur  Folge,  daß  das  Motorzweirad  mit  und  ohne 
Beiwagen,  ebenso  wie  das  Motordreirad,  immer  mehr  an  Bedeu- 
tung verlieren,  so  daß  hier  eher  von  einem  Rückgang  als  von  einer 
Fortentwicklung  des  durch  Motorkraft  angetriebenen  Fahrrades 
gesprochen  werden  kann.  Das  ist  um  öo  eher  begreiflich,  als  die 
letztbenannte  Gattung  von  Motorfahrzeugen  nur  unwesentlich 
billiger  herzustellen  ist  als  die  vorstehend  aufgeführte  Art  der 
kleinen  vierrädrigen  Motorwagen,  die  außerdem  den  Vorteil  der 
größeren  Sicherheit  und  der  allgemeinen  Zweckmäßigkeit  haben. 


G3.     Wagenbau-   und   Hufbeschlagteile. 


281 


61.    'Geldschränke  und  Tresor  anlagen. 

Bas  Jahr  1913  ließ,  besonders  in  seiner  zweiten  Erster  Bericht. 
Hälfte,  hinsichtlich  der  Geschäftstätigkeit  in  der  Geldschrank- 
branche sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Die  Einschränkung  der 
Bautätigkeit  und  die  Zurückhaltung  der  Banken  führten  dazu, 
daß  das  Geschäft  in  Tresoranlagen  stark  abflaute.  Die  deutsche 
Geldschrankindustrie  hatte  sich  in  den  letzten  Jahren  mehr  und 
mehr  auf  den  Export  eingerichtet,  und  dieser  erfuhr  durch  den 
Bialkankrieg  eine  erhebliche  Einschränkung.  Die  schlechte  Ge- 
schäftslage veranlaß te  eine  große  Zahl  von  Fabriken  und  Ge- 
schäften innerhalb  Deutschlands,  ihre  Baupläne  auf  eine  günstigere 
Zeit  zu  verschieben  und  sogar  bereits  beschlossene  Bauten  zurück- 
zustellen. Aus  diesem  Grunde  wurde  die  Zahl  der  Geldschrank- 
arbeiter in  den  Berliner  Geldschrankfabriken  eingeschränkt,  und 
die  Preise,  welche  schon  früher  zu  wünschen  übrig  ließen,  ver- 
schlechterten sich  vieKach  noch  w^eiter. 

Günstiger  über  die  Geschäftslage  äußert  sich  ein  anderer  ZweiterBericht. 
Berichterstatter:  Zu  Beginn  des  Geschäftsjahres  1913  war  der 
Ordereingang  im  allgemeinen  zufriedenstellend.  Besonders  gingen 
nach  Beendigung  des  italienisch-türkischen  Krieges  namhafte  Be- 
stellungen aus  Italien  ein.  Die  auf  dem  Geldmarkt  herrschende 
Knappheit  sowie  die  Folgen  der  politischen  Wirren  auf  dem 
Balkan  sind  erfreulicherweise  ohne  einschneidenden  Ein- 
fluß auf  die  Konjunktur  geblieben.  Wenn  auch  der  Order- 
eing:ang  zeitweise  etwas  stockte,  so  war  er  doch  im  allgemeinen 
befriedigend.  Auch  für  das  kommende  Geschäftsjahr  sind  die 
Aussichten  durchaus  nicht  ungünstig.  Die  Preise  ließen  leider 
nach  wie  vor  zu  wünschen  übrig. 


62.    F  e  i  1  e  n  f  a  b  r  i  k  a  t  i  0  n. 

Das  Geschäft  litt  unter  der  politischen  Lage  durch  die  Balkan- 
kriego  und  den  außerordentlich  schlechten  Geldverhältnissen.  Be- 
sonders vom  Mai  an  ließ  es  erheblich  nach  und  befand  sich  auch 
am  Jahresschlüsse  noch  auf  dem  gleichen  Tiefstand.  Besserung 
ist  vor  Frühjahr  wohl  kaum  zu  erwarten.  Durch  das  geringe 
Geschäft  wurden  natürlich  auch  die  Preise  wesentlich  beeinflußt; 
Aufträge  waren  nur  zu  sehr  gedrückten  Preisen  zu  erhalten. 
Das  Exportgeschäft  litt  unter  den  gleichen  Verhältnissen  und 
der  unsicheren  Lage,  die  der  Krieg  bedingte. 

i  63.  W  a  g  e  n  b  a  u  -  und  H  u  f  b  e  s  c  h  1  a  g  t  e  i  1  e. 
Die  Hoffnung,  die  Ende  des  Jahres  1912  vielfach  herrschte, 
daß  mit  Beendigung  der  politischen  Wirren  wieder  eine  Neu- 
belebung des  Geschäftes  eintreten  würde,  hat  sich  leider  nicht 
erfüllt.  Im  Gegenteil,  nur  mit  Mühe  und  Not  konnten  die  Produ- 
zenten die  Preise  für   Stapel artikel,   wie  Stabeisen,  während  des 


Geschäftsgang. 


282 


V.   Metallverarbeitung. 


Arbeiter- 
Verhältnisse. 


Kredit- 
verhältnisse. 


ersten  Semesters  1913  halten;  von  der  Mitte  des  Jahres  ab  bis 
Oktober  gingen  die  Preise  schrittweise  zurück;  erst  im  November 
konnten  sie  sich  etwas  erholen.  Sogar  in  dem  wichtigen  Artikel 
Tau-Hufeisen  mußte  eine  Preisreduktion  erfolgen ,  obwohl  der 
Bedarf  darin  sehr  bedeutend  geblieben  ist.  Der  Abschlag  hielt 
sich  aber  in  erträglichen  Grenzen,  weil  die  Produzenten  auch  im 
zweiten  Semester  noch  von  den  teueren  Hohstoffen  abzunehmen 
hatten  und  weil  die  Aeu-  gegründete,  außerhalb  des  S3mdikats 
stehende  Fabrik  sich  als  nicht  wettbewerbsfähig  genug  erwies. 
Aehnlich  sah  es  bei  anderen  Artikeln,  Hufnägeln,  Hufeisen  aller 
Art,  aus  Die  größte  Preisreduktion  trat  bei  Mutterschrauben 
ein.  Nur  Achsen  machten  eine  Ausnahme,  weil  die  Fabrikanten 
sich  durch  teuere  Abschlüsse  von  Roheisen,  Kohlen  sowie  durch 
höhere  Löhne  gezwungen  sahen,  sich  zu  einem  Syndikat  zu-, 
sammenzuschließen.  Eine  gleiche  Verbindung  gingen  in  den  letzten 
Tagen  des  Jahres  die  großen  Hufnägel-Fabriken  ein,  und  beide 
Gruppen  konnten  ihre  Erzeugnisse  sehr  erheblich  im  Preise  her- 
aufsetzen. .  In  Hufbeschlag-Artikeln  ist  der  Umsatz  nicht  er- 
heblich zurückgegangen,  dagegen  in  Wagenbauteilen  sehr  be-: 
deutend,  einmal  der  im  allgemeinen  schlechten  Zeit-en  halber, 
dann  noch  mehr  infolge  der  Verteuerung  der  Achsen.  Dement- 
sprechend litt  auch  der  Absatz  in  allen  Zubehörteilen,  wie 
Wagenfedern,  Reifen,  Schrauben  usw.,  namentlich  im  zweiten 
Semester.  In  der  Provinz  konnte  sogar  die  vorzügliche  Ernte, 
entgegen  allen  früheren  Erfahrungen,  den  Umsatz  nicht  bessern. 

An  Arbeitskräften  war  kein  Mangel,  doch  wurden  allgemein 
wegen  der  Verteuerung  der  Lebensmittjel  höhere  Löhne  ge- 
fordert. 

Die  Kreditverhältnisse,  über  die  schon  im  letzten  Jahre 
viel  geklagt  wurde,  haben  sich  nicht  gebessert.  Man  beansprucht 
namentlich  in  der  Provinz  ein  immer  längeres  Ziel. 


64.    Drahtzäune    und    -Geflechte. 

Der  Umsatz  in  Drahtzäunen  und  -Geflechten  hat  im  Berichts- 
jalir  kaum  die  Hälfte  ß.&s  vorjährigen  erreicht.  Seit  Jahren  ist 
kein  derart  schlechtes  Geschäft  zu  verzeichnen  gewesen.  Die 
ungünstigen  Verhältnisse  am  Baumarkt  ließen  keine  Kauflust 
aufkommen.  Die  Preise  waren  ,seit  Anfang  des  Jahres  stark  ge- 
drückt; es  konnten  nicht  immer  die  Selbstkosten  gedeckt  werden. 
Durch  kleinere  Konkurrenz-  und  (auswärtige  Firmen,  welch  letztei-e 
billigere  Arbeitskräfte  zur  Verfügung  haben,  wurden  sehr  niedrige 
Angebote  abgegeben.  Weil  geringe  Nachfrage  herrschte,  war  bei 
den  kleineren  Geschäften  die  Tendenz  vorhanden,  möglichst  zu 
allen  Preisen  Aufträge  hereinzuholen.  Ein  Exportgeschäft  war 
nicht  zu  verzeichnen. 


I 


65.    Fabrikation   von   Blechemballagen. 


283 


65.  Fabrikation  von  Blechemballagen. 

Das  Charakteristikum  des  Jahres  1913  bildet  die  Beunruhi- 
igung,  welche  die  Industrie  der  Blechemballagen  durch  den 
stetigen  Rückgang  der  Weißblechpreise  auf  dem  englischen 
Markte  erfahren  hat.  Legen  wir  die  Standardpreise  für  I  C 
20x14  Siemens-Stahl-Koks-Bleche  zugrunde,  so  wurden  im  Januar 
15/6  d  für  die  Kiste  von  112  Tafeln  fob.  Swansea  gefordert. 
Die  Notierungen  ermäßigten  sich  aber  bis  März  auf  14/ — , 
stiegen  vorübergehend  April/Mai  auf  14/3  und  sanken  im 
Dezember  auf  12/9.  Berechnet  man  die  englischen  Preise  für* 
deutsche  Formate  760x530  mm,  cif  Hamburg  quotiert,  so  be-. 
trjägt  die  Differenz  in  I C  -  Blechen  zwischen  dem  Januarpreis 
mit  34/3  d  und  dem  Dezemberpreis  mit  28/9  d  5  sh  6  d  für  die 
Doppelkiste.  Das  sind  Preisreduktionen,  wie  sie  in  der  Branche 
(innerhalb  solcher  Frist  seit  langen  Jahren  nicht  vor- 
gekommen sind. 

Die  deutschen  Weißblechwerke  mußten  wohl  oder  übel  den 
Vorgängen  auf  dem  englischen  Markte  folgen,  und  wenn  auch 
nicht  in  dem  Umfange,  wie  vorstehend  festgestellt,  so  zeigten 
doch  Abschlüsse  in  deutschen  Weißblechen,  die  für  bewährte 
Marken  in  I  C  im  letzten  Quartale  1913  zu  etwa  37,50  Mk. 
für  die  Doppelkiste  frachtfrei  Bedarfsstelle  getätigt  wurden, 
gegenüber  den  Forderungen  im  Februar  1913  vielfach  Diffe- 
renzen  bis   zu   7   Mk.   für  die  Doppelkiste. 

Erschwerend  für  die  Versorgung  mit  Rohstoffen  war  ferner 
die  Tatsache,  daß  sich  die  Zypenschen  Werke  gegen  alle  Er-i 
Wartung  den  syndizierten  deutschen  Weißblechwerken  an-, 
schlössen,  und  ihre  tatsächlich  hervorragenden  Qualitätsliefe- 
rungen unter  die  Kontrolle  der  Verkaufs-  und  Lieferungsr 
bedingungen  des  Kölner  Syndikates  stellten,  sehr  zuungunsten 
der  deutschen  Verbraucher. 

England  stellte  schließlich,  nach  Absatz  drängend,  manche 
Offerte  unter  die  Verbilligungsklausel,  mit  der  Verpflichtung, 
billiger  als  abgeschlossen  zu  fakturieren,  und  zwar  um  den 
Betrag  niedriger,  um  welchen  der  Standardpreis  für  I  C  zur 
Zeit  des  Verkaufsabschlusses  hinter  dem  Tagespreis  im  Augen- 
blick  der    Lieferung    zurückbleibt. 

Diese  ungesunde  Preispolitik  ermöglichte  andererseits' 
manche  Spekulation  gegenüber  den  Angeboten  derjenigen  eng- 
lischen Werke,  welche  sich  auf  diese  Baisseklausel  nicht  ein^ 
ließen,  beraubte  die  Kalkulationen  der  sicheren  Grundlage  und 
zeitigte  häufig  Forderungen  in  Fertigwaren,  die  den  Absatz 
wenig  nutzbringend  gestalteten.  Die  Blechemballagen-Fabri- 
kation hatte  hiernach  vielfach  mit  recht  gedrückten  Preisen 
zu  rechnen,  und  wenn  behauptet  'wird,  daß  die  Resultate  einzelner 
Fabriken    durch    die    allgemeine    Wirtschaftslage   und   die    Ver- 


Englische 
Weißblech- 
preise. 


Deutscher 

Weißblech- 

markt. 


Weißblech- 
syndikat 


Baisse-Klausel. 


Verkaufspreise. 


284 


V.   Metallverarbeitung. 


Stil,  der 
Dekorationen. 


Export. 


Militärischer 
Bedarf. 


Geschäftsgang. 


hältnisse  im  Weißblechmarkte  im  Absätze  nicht  sonderlich'  be- 
rührt werden,  so  bezieht  sich  das  fast  ausschließlich  auf  Artikel 
minderwertiger  Art,  wie  Dosen  für  Wichse  und  Creme  und 
dergleichen,  oder  die  einfacheren  Herrichtungen  von  Kannen 
und  Kanistern,  für  welche  die  Notierungen  1913  merklich  ab- 
gebröckelt sind. 

Günstiger  für  den  Verkauf  im  Inlande  und  Auslande  lagen 
Idie  Verhältnisse  bei '  den  Fabrikaten,  die  mehr  nach  der  kunst- 
industiiellen  Richtung  gravitieren,  also  bei  Blech  Verpackungen 
für  Kakes,  Biskuits,  Tee,  für  die  chemisch  -  pharmazeutische 
Industrie,  für  Zigaretten,  ferner  Blechplakaten,  und  es  erscheint 
hieibei  charakteristisch,  daß  bei  den  Blechpackungen  Deko- 
rationen   sezessionischen    Geschmackes    bevorzugt   werden. 

Der  Export  nach  den  Balkanländern  erfuhr  1913  natur- 
gemäß  manche  Einschränkung.  Die  Bestellungen  für  England 
verminderten  sich,  diejenigen  für  die  englischen  und  holländischen 
Kolonien,  für  Südamerika  verbesserten  sich,  und  berechtigten 
angesichts  der  amerikanischen  Zollermäßigungen  zu  Hoffnungen 
auf  erhöhten  Absatz  dorthin.  Wenn  die  Zollerleichterungen 
für  die  Einfuhr  in  Frankreich  weitere  Ausdehnung  finden, 
,W erden  die  deutschen  Fabrikanten  auch  wieder  in  den  Stand 
(gesetzt  sein,  ihre  früheren,  zurzeit  eingeschränkten  geschäft- 
lichen Beziehungen  in  vermehrtem  Umfange  wieder  aufnehinen 
zu  können. 

Die  Blech emballagenindustrie  wurde  auch  1913  für  mili- 
tärischen Bedarf  in  Anspruch  genomlnen. 

66.  Haushaltungsgegenstände. 
Trotz  der  allgemein  schlechten  wirtschaftlichen  Lage  hat 
sich  der  Umsatz  in  Haus-  und  Küchengeräten  im  Verhältnis  zum 
Vorjahr  gehoben.  Das  Versandgeschäft  ist  auf  der  gleichen  Stufe 
wie  in  den  Vorjahren,  d.  h.  nicht  zufriedenstellend,  geblieben. 
Der  Grund  hierfür  ist  der,  daß  die  Kundschaft  in  allen  mittel- 
großen Städten  sämtliche  Waren  und  Fabrikate  erstehen  kann, 
die  sie  in  Berlin  findet.  Das  Weihnachtsgeschäft  war,  nament- 
lich was  die  Luxusartikel  Wie  Piatedsachen  und  Kleinmöbel 
betrifft,  bedeutend  besser  als  im  Vorjahr.  Die  Saison-  und 
Inventurausverkäufe  sind  in  Berlin  durch  eine  polizeiliche 
Anordnung  auf  die  Zeit  vom  1.  Jan.  bis  zum  15.  Febr.  und 
vom  15.  Juni  bis  zum  1.  Aug.  beschränkt  worden  und  haben 
dadurch  vollständig  ihren  Wert  verloren.  Anderseits  ist  aber 
auch  zu  konstatieren,  daß  die  RamschVerkäufe  oder  die  wilden 
Ausverkäufe  fast  ganz  aufgehört  haben.  In  Wirtsch'afts- 
einrichtungen  waren  während  des  ganzen  Jahres  gute  Quali- 
täten bevorzugt.  Die  Küchenmöbel  werden  dem  kaufenden  Publi- 
kum meist  imlner  noch  von  den  beratenden  Architekten  mit- 
geliefert, die  sich  ihrerseits  mit  Möbelgeschäften  oder  Tischlereien 


1 


67.    Emaillewaren, 


285 


in  Verbindung  setzen.  Hierdurch  wird  den  Spezialgeschäften 
der  Haushaltungsbranche  großer  Abbruch  getan.  Der  Absatz 
in  Eisschränken  war  befriedigend.  Außerordentlich  entwickelt 
hat  sich  der  Konsum  in  Obsteinkoch-Apparaten,  so  daß  hierin 
über  das  Doppelte  des  vorigen  Jahres  abgesetzt  werden  konnte. 
Was  die  Kochgeschirre  im  allgemeinen  anbetrifft,  so  werden 
fast  nur  noch  ganz  schwere  Qualitäten  verlangt,  dagegen  ist 
die  Nachfrage  nach  Aluminium  im  letzten  Jahre  wieder  stfärker 
hervorgetreten,  während  Nickel-  oder  nickelplattierte  Koch- 
geschirre wegen  des  zu  hohen  Preises  außerordentlich  wenig  ver- 
langt wurden.  Das  Geschäft  in  Waschtischen,  namentlich  solchen 
mit  Marmorplatten  für  Wasseranschluß,  und  in  den  dazu  ge- 
hörigen Artikeln  hat  einen  ganz  außerordentlichen  Aufschwung 
genommen.  Es  wird  hierin  nur  beste  Qualitätsware  verlangt, 
und  es  werden  die  entsprechenden  Preise  dafür  bezahlt.  Selbst- 
verständlich hat  dadurch  der  Absatz  in  Fayence- Waschgeschirren 
entsprechend  nachgelassen,  doch  überwiegt  der  Vorteil,  den  der 
Verkauf  der  ersterwähnten  Waschtische  mit  sich  bringt,  den 
Verlust,  den  der  Nichtkauf  der  Fayence-Waschgeschirre  her- 
vorruft. 

Während  des  letzten  Jahres  sind  von  den  Fabrikanten 
keine  Preiserhöhungen  vorgenommen  worden.  Die  Konventionen 
für  Steingut  und  Porzellan  blieben  unverändert,  dagegen  haben 
seit  dem  1.  Jan.  1914  sämtliche  Glasfabriken  ihre  Preise  um 
10  o/o   erhöht. 

Ein  großer  Schaden  erwächst  der  Branche  dadurch,  daß 
Privatpersonen  unter  Umgehung  des  Zwischenhändlers  von 
Englosgeschäften  und  Fabriken  beziehen.  Es  finden  sich  immer 
wieder  Lieferanten,  die  gegen  eine  Provisionsgebühr  direkt  an 
derartige  Abnehmer  liefern.  Es  haben  sich  infolgedessen  auch 
Ende  des  Jahres  Spezialgeschäfte  und  Warenhäuser  zu  dem 
Schritt  veranlaßt  gesehen,  die  Fabrikanten  auf  diese  Umgehung 
des  Handels  aufmerksam  zu  machen  und  ihnen  die  Entziehung 
der  Kundschaft  anzukündigen. 


Ausschaltung 
des  Handels. 


Kartelle. 


67.   Emaill  e  war  en. 

Dem  Großhandel  brachte  das  Berichtsjahr  einen  nicht  un- 
wesentlichen  Pückgang  des  Umsatzes,  welcher  teilweise  auf  den 
allgemeinen  Geldmangel,  am  hiesigen  Platze  hauptsächlich  auf 
das  daniederliegende  Baugeschäft  und  den  dadurch  hervorgerufenen 
Geldmangel  in  der  arbeitenden  Bevölkerung,  zurückzuführen  war. 
Anfangs  blieben  die  Preise  stabil,  im  Laufe  desi  Jahres  bröckelten 
sie  jedoch  mehr  oder  weniger  ab.  Die  Werke  machten  Pred's- 
kon2essionen,  und  der  Großhandel  versuchte  durch  Preisunter- 
bietungen Aufträge  zu  erhalten.  Der  Detailhandel  spürte  die 
Konkurrenz  sehr  empfindlich.  Die  besseren  Fabrikate  wurden 
stark  zurückgedrängt,  und  das  Publikum  bevorzugte  hauptsächlich' 


Geschäftsgang 


286 


V.   Metallverarbeitung. 


Preise. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


die  billigeren  Erzeugnisse,  die  wiederum  zu  wesentlich  niedrigeren 
Preisen  als  früher  angeboten  wurden.  Obgleich  Deutschland  noch 
immer  die  große  Produktion  in  emaillierten  Blechwaren  besitzt 
und  den  Weltmarkt  beherrscht,  so  macht  sich  doch  die  Konkurrenz 
des  Auslandes  mehr  und  mehr  fühlbar.  In  Ländern,  die  früher 
nur  auf  Deutschland  angewiesen  waren,  werden  Emaillierwerke 
gegründet,  die  allerdings  wegen  der  Eigenart  des  Artikels  Be- 
deutung bis  jetzt  noch  nicht  erlangen  konnten.  Infolge  des  Rück- 
gangs des  Umsatzes  und  des  Rückgangs  der  Verkaufspreise,  auch 
infolge  der  erhöhten  sozialen  Lasten,  war  der  Erfolg  ganz  und 
gar  unbefriedigend.  Dies  gilt  von  der  Kochgeschirr-  und  Schilder- 
branche, wie  auch  von  der  Spezialbranche  für  Lohnemaillierung 
von  Blechteilen  für  die  Beleuchtungsindustrie  (Lampen arm aturen). 
Der  Geschäftsgang  ließ  von  Monat  zu  Monat  immer  Inehr  nach  und 
war  besonders  still  im  Herbst  und  Winter,  so  daß  die  Fabrikanten 
gerade  in  den  sogenannten  Saisonmonaten  die  Arbeitszeit  ver- 
kürzen und  die  Arbeiter  aussetzen  lassen  mußten.  Während  siDnst 
gerade  in  der  Zeit  von  Oktober  bis  AVeihnachten  fieberhaft  ge- 
arbeitet wurde,  war  es  in  diesem  Jahre  ganz  still  und  empfind- 
licher Arbeitsmangel  trat  ein.  Diese  schlechte  Situation  drückte 
natüilich  auf  die  Preise,  und  es  wurden  vielfach  Geschäfte 
ohne  jeden  Nutzen,  ja  mit  Verlust,  abgeschlossen,  um  nur  einiger- 
maßen Absatz  zu  haben  und  die  Fabrikation  im  Gange  zu 
halten. 

Das  Preisverhältnis  zwischen  Rohstoffen  und  Fertig- 
fabrikaten war  nach  wie  vor  ungünstig.  Bleche  sind  ja 
im  Jahre  1913  billiger  geworden,  dagegen  hielten  sich 
andere  wichtige  Rohmaterialien  auf  der  bisherigen  Preishöhe. 
Teilweise  mußte  die  Emailleindustrie  sogar  höhere  Preise  be- 
zahlen. Besonders  schwer  wurde  die  immer  mehr  zunehmende 
•Verteuerung  des  Borax  empfunden,  der  von  Jahr  zu  Jahr  von 
(der  Borax  -  Union  in  die  Höhe  getrieben  wurde.  Dabei  kommt 
eine  derartige  Erhöhung  meist  sehr  plötzlich  von  London,  und 
der  deutsche  Abnehmer  hat,  wenn  er  Borax  haben  will,  ein- 
fach den  erhöhten  Preis  zu  bezahlen,  wenn  nicht  gerade  noch 
Abschlüsse  vorliegen.  Kohlen,  ein  bedeutender  Faktor  für  die 
Emailleindustrie,   waren   unverändert   teuer. 

Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern  und  -nehmern  ver- 
schlechterten sich  weiter.  Der  Metallarbeiter  -Verband,  dem  die 
Berliner  Emaillearbeiter  angeschlossen  sind,  sucht  rücksichtslos 
seine  Wünsche  durchzudrücken.  Trotz  des  schlechten  Geschäfts- 
ganges wurde  seitens  der  Arbeitnehmer  auch  in  diesem  Herbste 
mit  Streik  gedroht,  falls  nicht  Meinungsverschiedenheiten,  die 
sich  bezüglich  der  Auslegung  des  im  Jahre  1912  abgeschlossenen 
Tarif  es  ergeben  hatten,  so  beseitigt  würden,  wie  die  Arbeit- 
Jiehmer  es  verlangten.  Die  Arbeitgeber  haben,  um  Kämpfe 
zu  vermeiden,  auch  diese  Wünsche  der  Arbeiter  wieder  erfüllt. 


69.    Kupfer-  und  Alessingindustrie. 


287 


Doch,    dürfte    für    eine    nicht    allzu    ferne    Zeit    mit    schweren 
Kämpfen  zu  rechnen  sein. 

68.   Eisenmöbelindustrie. 

Der  Bedarf  in  Bettstellen  blieb  im  Berichtsjahre  hinter 
den  Erwartungen  zurück.  Auch  ließen  die  wenigen  Aufträge 
nur  einen  geringen  Nutzen,  da  einige  Fabrikanten  durch 
Unterbietungen  die  Bestellungen  an  sich  zu  reißen  suchten, 
obgleich  bei  der  Herstellung  der  Fertigware  zu  hohen  Preisen 
eingekaufte   Rohmaterialien    Verwendung    fanden. 

Das  Geschäft  in  eisernen  Gartenmöbeln  ließ  sich  sehr  gut 
an,  da  die  verschiedenen  Ausstellungen  im  Reiche  bedeutende 
Umsätze  brachten.  Wenngleich  auch  der  Nutzen  an  diesem 
Artikel  nur  ganz  unbedeutend  ist,  so  brachte  doch  die  Masse 
ein   einigermaßen   befriedigendes  Resultat. 

Um  die  allgemeine  Arbeitslosigkeit  so  viel  als  möglich 
zu  mildern,  entschlossen  sich  die  Behörden,  Notstandsarbeiten 
ausführen  zu  lassen,  wovon  auch  die  Eisenmöbelindustrie  profi- 
tierte. Leider  verfolgen  aber  die  Behörden  nach  wie  vor  das 
Prinzip,  bei  Submissionen  dem  Mindestfordernden  den  Zuschlag 
unbekümmert  darum  zu  erteilen,  ob  er  auch  die  nötigen 
Garantien  für  zweckmäßige  Ausführung  der  ihm  übertragenen 
Arbeiten   bietet. 

Im  allgemeinen  könnte  der  Entwicklung  des  Jahres  1914 
hoffnungsfreudiger  entgegengesehen  werden,  wenn  nicht  erste 
Fabrikanten  noch  im  vierten  Vierteljahr  die  Preise  unbegrün- 
deterweise derart  gedrückt  hätten,  daß  bei  manchen  Artikeln 
fast  gar  kein  Nutzen  mehr  blieb,  bei  anderen  sogar  mit  direktem 
Verlust  verkauft  wurde. 

69.    Kupfer-    und    M  ess  i  ng  i  n  dus  t  r  i  e. 
Erster   Bericht. 

Das  Berichtsjahr  war  für  die  Messingindustrie  wenig 
günstig.  Der  Beschäftigungsgrad  für  reine  Handelsware,  d.  h. 
tPür  Messingbleche,  -Stangen,  -Profile  und  -Drähte,  ließ  sehr 
zu  wünschen  übrig.  Die  verhältnismäßig  wenig  zahlreitihen 
Aufträge  von  größerem  Umfange  wurden  — zum  Teil  in  dem 
"Bestreben,  Beschäftigung  zu  bekommen  —  zu  Preisen  über- 
nommen, die  einen  Verdienst  nicht  zuließen. 

Ueberhaupt  gingen  die  Preise,  die  schon  nach  der  Auf- 
lösung des  Messingverbandes  weichende  Tendenz  gezeigt  hatten, 
mehr  und  mehr  zurück,  so  daß  gegen  Ende  1913  das  Preis- 
niveau für  Messingwaren  überall  unerwünscht  niedrig  war.  Die 
Möglichkeit,  die  Preise  wieder  aufzubessern,  lagen  dagegen  zu 
idieser  Zeit  nach  der  allgemein  verbreiteten  Ansicht  noch'  in 
weiter  Ferne. 


Bettstellen 


Gartenmöbel. 


Lieferungen 
an  j  Behörden. 


Ausblick. 


Erster  Bericht. 
AUgemeüies. 


288 


V.   Metallverarbeitung-. 


Die  Preise  des  Kupfers,  des  wichtigsten  von  der  Messing- 
industrie benötigten  lloliproduktes,  schwankten  im  Berichtsjahre 
derartig,  daß  dadurch  die  ganze  Geschäftsentwicklung  gehemmt 
wuide.  Die  Notierungen,  die  den  Interessenten  von  Amerika, 
von  London  und  n^euerdings  auch  von  der  Berliner  Börse  tag- 
täglich zugehen,  und  die  sonst  Maßstab  und  Basis  für  weitere 
Entschließungen  bildeten,  haben  namentlich  in  den  letzten 
Monaten  des  Berichtsjahres  wiederholt  derartig  überraschende 
Ziffern  gebracht,  daß  Käufer  und  Konsumenten  jedes  Vertrauen 
zur  Marktlage  verloren.  Die  Kupfersituation  wurde  aus- 
gespiochen  unübersichtlich.  Infolgedessen  unterblieben  Ab- 
schlüsse größeren  Umfangs,  und  es  wurde  schließlich  nur  für 
den  unmittelbaren  Bedarf  gekauft. 
Konvention.  Die  auch  im  Berichtsjahre  fortdauernden  Bestrebungen,  die 

Messingwerke  Deutschlands  in  einer  Preiskonvention  zusammen- 
zuschließen, müssen  nach  wie  vor  als  aussichtslos  bezeichnet 
werden.  Es  ist  nur  eine  „Wirtschaftliche  Vereinigung"  zustande 
gekommen,  die  satzungsgemäß  nur  den  Zweck  hat,  die  wirt- 
schaftlichen, sozialpolitischen  und  technischen  Interessen  der 
deutschen  Messingindustrie  wahrzunehmen.  Es  werden  in  der 
Vereinigung  zollpolitische  und  Verkehrsfragen  sowie  Fach- 
angelegenheiten gemeinschaftlich  und  einheitlich  behandelt,  Er- 
fahrungen allgemeiner  Art  ausgetauscht  usw.  Da  die  Tätigkeit 
des  Vereins  sich  nicht  auf  Preisvereinbarungen,  Behandlung 
von  Quotenfragen  u.  a.  erstreckt,  war  es  möglich,  in  ihm 
nahezu  sämtliche   deutschen   Messingwerke   zu   vereinigen. 

ZweiterBericht.  Zweiter   Bericht. 

Allgemeines.  Die    im    Vorjährigen    Bericht    ausgesprochene    Befürchtung, 

daß  eine  Gesundung  des  Absatzes  für  die  Messingfabrikate 
nur  erfolgen  kann,  wenn  die  politischen  und  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  eine  wesentliche  Besserung  erfahren,  hat  sich  im 
Laufe  des  Berichtsjahres  bestiätigt.  Die  europäischen  Verwick- 
lungen haben  selbst  nach  Einstellung  der  offiziellen  Feindselig- 
keiten der  betroffenen  Völker  auf  Handel  und  "Wandel  auf 
Monate  hinaus  noch  lähmend  gewirkt  und  einen  Geldstand 
hervorgerufen,  wie  er  nur  in  den  ernstesten  Zeiten  zu  ver- 
zeichnen war. 

Die  Aufnahmefähigkeit  des  Auslandes  für  Messingfabrikate 
wurde  durch  das  Fehlen  von  Unternehmungslust  und  durch  den 
Mangel  an  den  nötigen  Kapitalien  auf  ein  Minimum  reduziert, 
imd  sehr  viele  Fabriken  unserer  Branche  konnten  die  Pro* 
duktionsziffern  früherer  Jahre  nicht  erreichen.  Hand  in  Hand 
hiermit  ging  das  Abflauen  des  Bedarfs  im  Inlande.  Die  folgen- 
den Tabellen  über  die  Preise  der  Eohmetalle  und  der  Messing- 
fabrikate zeigen  ein  fast  ununterbrochenes  Fallen  der  Kurve 
seit  Januar   1913. 


Kupfer-  und  Messingindustrie. 


289 


Tab.  122. 


Metallpreise  (in  £  für  die  Tonne  von  1016  kg). 


Preisstatistik. 


Januar    . 

Februar 
März  .     . 
April  .     . 
Mai     .     . 
Juni   .     . 
Juli     .     . 
August  . 
September 
Oktober  . 
November 
Dezember 


Best  Selected 
Kupfer 


Standard 
Kupfer 


Zink  Spezial 


82.10 
76.— 
73.10 
76.— 
75.— 
72.10 
70.— 
75.10 
80.10 
79.50 
75.— 
69.10 


77.5 

69.— 

66.10 

68.10 

68.— 

64.10 

63.— 

68.10 

73.50 

73.— 

67.10 

64.10 


27.10 
26.10 
26.— 
26.10 
25.— 
23.10 
22.— 
22.50 
22.50 
21.15 
21.15 
22.10 


Zinn 


227.— 
218.— 
206.— 
225.- 
213.— 
195.— 
183.— 
195.— 
197.— 
189.— 
183.— 
170.— 


Tab.  123.  Preise  der  Messingfabrikate 

(in  Mark  für  100  kg  für  Grundpreisdimensionen)^ 


I   Messing- 
blech 


Messing- 
stangen 


Messing- 
rohr 


Kupfer- 
rohr 


I     Kupfer- 
i     Stangen 


I    Kupfer- 
I       blech 


Januar 

Februar 

März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August  . 

September 

Oktober . 

November 

Dezember 


148,— 
140,— 
137,— 
139,— 
138,— 
138,— 
135,— 
138,— 
140,— 
135,— 
130,— 
126,- 


134,— 
128,— 
125,- 
127,— 
125,— 
125,- 
121,- 
124,— 
126,— 
122,— 
117,- 
I     113,— 


170,— 

212,- 

201,- 

185,- 

166,— 

200,— 

192,- 

174,- 

161,— 

203,— 

192,- 

174,- 

162,— 

208,— 

192,— 

175,- 

160,- 

211,- 

192,— 

179,- 

160,- 

206,- 

185,— 

176.— 

157,- 

198,— 

184,— 

167,— 

159,— 

205,- 

188,- 

172- 

162,— 

214,- 

199,— 

182,- 

158,— 

215,- 

198,— 

188,- 

153,- 

201,- 

189,— 

172,- 

149,— 

198,— 

183,— 

165  — 

Die  für  Kupferrohr,  Kupferblech,  und  Kupferdraht  be- 
stehenden Vereinigungen  haben  auch  im  Berichtsjahre  dafür 
gesorgt,  daß  die  Preise  einen  angemessenen  Nutzen  ließen,  wenn 
auch  sehr  oft  infolge  des  Auf  tauch  ens  neuer  Konkurrenz  erheb- 
liche Konzessionen  gemacht  werden  mußten.  Neue  Syndikate, 
speziell  für  Messingblech,  -Draht  und  -Stangen  sowie  Messing- 
röhren, haben  sich  nicht  gebildet,  und  es  wurden  auch'  bei 
dem  schleppenden  Geschäftsgang  keine  Anstrengungen  gemacht, 
die   deutschen    Werke    zu    einer    Verständigung   zu   veranlassen. 

Von  den  Abnehmern  der  Messingindustrie  waren  die  Schiffs- 
bau betreibenden  Fabriken  sowie  die  Lokomotivfabriken  wohl 
etwas  besser  als  in  den  früheren  Jahren  beschäftigt,  während 
gerade  in  der  Lampenfabrikation  und  auch  in  der  Maschinen- 
branche, die  in  früheren  Jahren  einen  ganz  erheblichen  Bedarf 
hatten,  besonders  durch  den  Ausfall  von  Exportaufträgen  eine 
ganz  wesentliche  Verminderung  des  Verbrauchs  eingetreten  ist. 

Bezüglich  des  Verhältnisses  zwischen  Arbeitgebern  und 
Arbeitern  ist  zu  berichten,  daß  Streiks  und  Lohnbewegungen 
in  großem  Maßstabe  im  Berichtsjahre  nicht  stattgefunden 
haben,  weil  wohl  durch  die  fast  überall  sich  als  notwendig 
ergebende  Verminderung  des  Arbeitspersonals  die  Zurückbleiben - 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u,  Ind.    1913.    II.  19 


Kartelle. 


Abnehmer. 


Arbeiter- 
verhältnisse 


290 


V.   Metallverarbeitung. 


Rückgang 
der  Zinkpreise. 


LageamSchlu(.'i 
des  Jahres. 


Dritter  Bericht. 


Allgemeines. 


den  überzeugt  waren,  daß  irgendwelche  Forderungen  bezüglich 
Lohnerhöhung  beim  augenblicklichen  Geschäftsgang  unbedingt 
abgelehnt   worden   wären. 

Von  den  Rohstoffen  sank  im  Berichtsjahre  besonders  Zink 
sehr  stark  im  Preise,  was  darauf  zurückzuführen  ist,  daß  die 
Zinkkonvention  bei  den  großen  angesammelten  Quantitäten 
nicht  in  der  Lage  war,  zu  den  im  Anfang  des  Jahres  fest- 
sgesetzten hohen  Preisen  sich  Absatz  zu  verschaffen.  Auch 
hieran  ist  zu  erkennen,  daß  der  Bedarf  im  Berichtsjahre  wesent- 
lich geringer  gewesen  ist. 

Eß  besteht  augenblicklich  noch  keine  Aussicht,  daß  der 
gegenwärtige  Zustand  eine  Aenderung  erfährt,  doch  hofft  man 
allgemein,  zurzeit  auf  dem  tiefsten  Punkte  des  Niederganges 
der  Konjunktur  angelangt  zu  sein,  und  erwartet  von  dem 
besseren  Geldstand,  daß  er  eine  Steigerung  der  Unt-ernehmungs- 
lust  sowie  eine  Belebung  der  Geschäfte  mit  sich  bringen  wird. 

Dritter  Bericht. 

Die  Geschäftslage  der  Messing-  und  Kupferindustrie  im  Jahre 
1913  wai'  nicht  erfreulich.  Den  ungünstigsten  Einfluß  übte  der 
sehr  unregelmäßige  Verkehr  des  Rohkupfermarktes  aus.  Da  die 
Fabrikanten  der  Kupfer-  und  Messingbranche,  um  vor  Mangel  an 
Rohstoffen  geschützt  zu  sein,  stets  für  spätere  Sichten  kaufen 
müssen,  war  der  Konjunkturverlust  auf  Rohkupfer  recht  be- 
trächtlich. Auch  im  weitern  Verlauf  des  Jahres  lösten  Hausse 
und  Baisse  auf  dem  Rohkupfermarkt  sich  ab,  so  daß  eine  Stabili- 
tät der  Notierungen  und  damit  Vertrauen  zur  Lage  nicht  auf- 
kommen konnte.  Die  Kundschaft  hielt  deshalb  mit  Abschlüssen 
für  längere  Fristen  zurück  und  beschränkte  sich  im  allgemeinen 
darauf,  den  dringendsten  Bedarf  von  Fall  zu  Fall  zu  decken. 
Trotzdem  waren  die  Betrieb«  bis  Ende  Oktober  in  allen  Abtei- 
lungen befriedigend  beschäftigt.  Dies  ist  zum  Teil  allerdings 
darauf  zurückzuführen,  daß  der  Auftragsbestand,  den  die  Fa- 
briken in  das  Berichtsjahr  übernommen  hatten,  sehr  bedeutend  war. 
Aus  der  Lampen-  und  Schraubenindustrie,  die  neben  der  Elektrizi- 
tätsindustrie als  Hauptabnehmer  von  Messing  in  Betracht 
kommen,  wurde  über  die  Geschäftslage  Klage  geführt,  und  der 
Absiatz  in  Messing  blieb  deshalb  hinter  dem  des  Vorjahres  etwas 
zurück.  Der  Gesamtabsatz  hat  sich  dagegen  etwa  auf  der  vor- 
jährigen Höhe  gehalten,  während  der  Auftragsbestand  gegen  Ende 
1913  erheblich  niedriger  als  zur  gleichen  Zeit  des  Vorjahres  war. 
Die  Preise  in  den  letzten  Monaten  des  Berichtsjahres  mußten  als 
direkt  verlustbringend  bezeichnet  werden.  Die  ungünstigen  Geld- 
marktverhältnisse  zwangen  die  Kundschaft,  das  Zahlungsziel  voll 
auszunutzen.  In  nicht  seltenen  Fällen  mußten  sogar  langjährige 
als  zahlungsfähig  bekannte  Abnehmer  an  die  Erfüllung  ihrer 
Pflichten  erinnert  werden. 


69.   Kupfer-  und  Messingindustrie. 


291 


Die  Beschäftigung  in  Kupferdrähten  war  befriedigend.  Der 
Kupferdrahtverband  konnte  seinen  Absatz  gegenüber  dem  Vor- 
jahre steigern.  Trotz  des  Wettbewerbs  einiger  Außenseiter  waren 
die  Preise  rentabel. 

Die  Beschäitigung  in  Stehbolzenkupfer  war  infolge  größerer 
Lokomotivbestellungen  seitens  der  Staatsbahnen  und  direkter  Be- 
stellungen auf  Kupfer  von  dieser  Seite  zufriedenstellend. 

Der  Geschäftsgang  in  Kupferblechen  war  schleppend.  Der 
Absatz  des  Kupferblech-Syndikates  blieb  nach  der  Uebersicht 
für  Ende  September  hinter  demjenigen  des  Vorjahres  zurück. 
Die   Preise   waren,   der   Geschäftslage   entsprechend,   bescheiden. 

Arbeitskräfte  waren  in  hinreichendem  Maße  vorhajiden.  Na- 
mentlich in  der  zweiteni  H(ä{lf  te  des  Jahres  war  der  Arbeiterandrang 
sehr  reichlich.  Lohnbewegungen  fanden  nicht  statt.  Die  Arbeits- 
löhne sind  nicht  gekürzt  worden,  ebenso  konnten  Verkürzungen 
der  Arbeitszeit  vermieden  werden. 

Im  Exportgeschäft  war  der  Wettbewerb  ganz  besonders 
schaxf.  Das  italienische  Geschäft  fiel  vollständig  au^,  weil  ins- 
besondere französische  Werke  zu  den  weitestgehenden  Konzessio- 
nen bereit  waren.  Aber  auch  in  den  ausländischen  Hauptabsatz- 
gebieten, in  Dänemark,  Norwegen  und  Schweden,  waren  die  Ver- 
hältnisse sehr  unbefriedigend. 

Die  politischen  Verhältnisse  haben  auf  die  Geschäftslage 
insofern  ungünstig  eingewirkt,  als  durch  sie  die  Verhältnisse 
des  Geldmarktes  sehr  verschlechtert  wurden,  worunter  die  Ge- 
samtindustrie Deutschlands  stark  litt.  Wenn  auch  der  Reichs- 
bankdiskont gegen  Ende  des  Berichtsjahres  herabgesetzt  wurde, 
so  hielt  er  sich  doch  immer  noch  auf  einer  Höhe,  die  die  auf  Kredit 
angewiesenen  Unternehmer  davon  abhielt,  sich  mit  fremden  Ka- 
pital  großen   Aufgaben   zuzlu wenden. 

Vierter  Bericht. 

In  der  Kupferschmiederei,  Apparate-  und  Armaturenfabrika- 
tion gestaltete  sich  das  Jahr  1913  infolge  der  politischen  Wirren 
und  der  damit  verbundenen  Zurückhaltung  auf  dem  Geldmarkte 
erheblich  ungünstiger  als  da«  vorhergegangene  Jahr.  Nament- 
lich im  ersten  Halbjahr  machte  sich  ein  wesentlicher  Rückgang 
der  Aufträge  bemerkbar.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  war 
allerdings  der  Beschäftigungsgrad  ein  größerer,  was  aber  an  dem 
wenig  günstigen  Gesamtergebnis  nichts  mehr  ändern  konnte. 
Gegen  Schluß  des  Jahres  erfuhr  das  Geschäft  eine  weitere  Ver- 
schlechterung. Das  Hauptkontingent  der  Abnehmer  der  Fabri- 
kate stellte  wie  in  früheren  Jahren  die  chemische  Industrie. 
Geringer  war  der  Bedarf  in  der  Spiritus-  und  Brauindutrie. 
was  seinen  Grund  wohl  darin  hat,  daß  der  Spiritusverbrauch 
zurückgeht    und    auch    der    Konsum    an    Bier    nicht    in    dem    er- 

19* 


Kupferdrähte. 


Stehbolzen- 
kupfer. 


Kupferblech. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


Export. 


EintluiJ 

der  politischen 

Verhältnisse. 


Vierter  Berifht. 
Geschäftsgang. 


292 


V.   Metallverarbeitung. 


Export. 

Arbeiter- 
verhältnisse. 


Roh- 
materialien. 


Bleirohr. 


Geschäftslage. 


Materialpreise. 


Verkaufspreise. 


Zinnrohr. 


warteten  Maße  steigt  und  die  für  die  Brauindustrie  in  Be- 
tracht  kommenden   Eohmaterialpreise    erheblich    gestiegen   sind. 

Der  Export  hielt  sich  ungefähr  auf  gleicher  Höhe  wie  1912. 

Arbeitskräfte  waren  in  genügendem  Maße  vorhanden,  und 
da^  Verhältnis  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern  war 
befriedigend.  Arbeitseinstellungen  und  Aussperrungen  sind 
nicht  vorgekommen.  Die  Löhne  hielten  sich  auf  derselben  Höhe 
wie  im  vergangenen  Jahre. 

Die  für  die  Industrie  hauptsächlich  in  Betracht  kommenden 
Rohmaterialien  Kupfer,  Zinn,  Blei  und  Zink  erfuhren  erhebliche 
Preisrückgänge.  Der  Grundpreis  für  Kupferbleche  fiel  z.  B, 
von  195  Mk.  auf  161  Mk.  100  kg  und  erholte  sich  erst  gegen 
Ende  Dezember  um  eine  Kleinigkeit. 

70.   Bleirohr-  und  Zinnrohrfabrikation. 

Ende  1912  waj*  ein  erheblicher  ilückgaiig  der  Bautätigkeit 
in  Groß-Berlin  festzustellen;  im  Berichtsjahre  hat  die  Lage 
des  Berliner  Grundstücksmarktes  sich  weiter  ungünstig  gestaltet. 
Das  Baugewerbe  lag  danieder,  der  Wohnhausneubau  stockte 
fast  völlig,  wodurch  der  Bedarf  an  Bleiröhren  zu  Wasser- 
leitungszwecken zurückging.  Die  Ende  Oktober  erfolgte 
Diskontherabsetzung  um  V2  °/o  konnte  im  Berichtsjahr  eine 
Belebung  des  Baugeschäftes  nicht  mehr  herbeiführen.  Eine 
weitere  Besserung  des  Geldmarktes  wird  jedoch  in  erster  Linie 
zur  Wiederbelebung  der  Bautätigkeit  beitragen.  Geforderte  Er- 
leichterungen im  Grundstückshandel  bzw.  Milderung  der  allzu 
stark  gestiegenen  Belaßtimg  des  Grundstücksverkehrs  würden  ein 
weiteres  Föixienmgsmittel  bilden.  Die  AbnaJime  des  Wohnungs- 
ajigebotes,  die  das  Üuhen  der  Wohnungsproduktion  unter  nor- 
malen Verhältnissen  zur  Folge  haben  muß,  wird  letzten  Endes 
für  die  Beleblmg  der  Bautätigkeit  eine  Triebfeder  sein. 

Die  rückläufige  Bewegung  der  Bleipreise  geg^en  Ende  1912 
setzte  sich  fort  bis  in  den  Monat  März  1913  hinein.  Blei  notierte 
in  Loittdon  Anfaag  Januar  1913  ca.  18  £,  weichend  im  Monat  März 
bis  auf  ca.  151/2  £.  Von  Mitte  Mjärz  1913  ab  zogen  die  Blei- 
preise an  und  erreichten  im  Sommer  des  Jahres  den  hohen 
Stand  von  21   £. 

Infolge  der  Gesamtla^  des  Berliner  Bleirohrmarktes,  \er- 
schärft  dUTüh  Sonderumstände  und  den  verminderten  Bedarf,  setzte 
im  Berichtsjahr  unter  den  beteiligten  Firmen  ein  söharfer  Wett- 
bewerb ein.  Die  Preise  für  Bleiröhren  gingen  mehr  und  mehr 
herunter,  so  daß  zeitweise  bei  größeren  Geschäften  kalkulations- 
mäßig  kaum  oder  wenig  mehr  als  die  Selbstkosten  gedeckt 
wurden.  Am  Jahresschluß  bestand  im  weiteren  Berliner  Bezirk 
dieser  Preisdruck  noch  fort. 

Die  Marktlage  für  Zinnrohr  zeigte  im  Berichtsjahr  im  Ver- 
gleich zum  Vorjahr  keine  nennenswerten  Aenderungen. 


71.    Metallschrauben-  und  Mutternfabrikation  usw. 


293 


'71.  Metallschrauben-  und  Mutternfabrikation 
sowie  Fassondreherei. 


Wenn  im  vorjährigen  Bericht  das  Ergebnis  des  Jahres  1912 
als  befriedigend  bezeichnet  werden  konnte,  so  ist  für  das  Jahr 
1913  das  Gegenteil  festzustellen.  In  den  ersten  Monaten  dies 
Berichtsjahres  war  es  möglich,  den  Betrieb  noch  einigermaßen 
im  vollen  Umfange  aufrechtzuerhalten,  weil  noch  aus  dem 
Vorjahre  herrührende  größere  Orders  z'u  erledigen  waren.  Der 
Eingang  an  neuen  Bestellungen  war  jedoch  von  Anfang  an  außer- 
ordentlich gering  und  ließ  seit  Mai  so  erheblich  nach,  daß  seit 
Juli  in  den  meisten  Eabriken  der  Betrieb  eingeschränkt  werden 
mußte.  Aber  nicht  (nur  die  verkürzte  Arbeitszeit  kennzeichnet 
die  ungenügende  Beschäftigung,  sondern  es  stand  zeitweise  auch 
ein  Teil  der  Maschinen  mangels  Arbeit  vollständig  still.  Unter 
solchen  Umständen  war  naturgemäß  das  Verhältnis  zwischen 
Herstellungskosten  und  Verkaufspreisen  außerordentlich  un- 
günstig. Die  erzielten  Preise  gingen  häufig  unter  die  Selbst- 
kosten, ja  es  sind  vielfach  —  insbesondere  bei  größeren  Ob- 
jekten —  kaum  Materialpreise  und  Arbeitslohn  gedeckt  worden. 
Bei  einem  Aufschlag  der  Unkosten  oder  gar  einem  bescheidenen 
Nutzen  fanden  die  Preise  keine  Bewilligtmg,  da  sie  aus  der 
Provinz,  hauptsächlich  Süddeutschland,  unterboten  wurden.  Da- 
bei sind  die  Preise  für  die  Bohmaterialien  keineswegs  billiger 
geworden ;  sowohl  Messing  als  auch  Eisen  und  Stahl  hielten  sich 
im  Durchschnitte  auf  dem  Niveau  des  Vorjahres.  Ferner  haben 
auch  die  hohen  Preise  für  die  Hilfsmaterialien,  wie  Oele,  Benzin, 
Petroleum,  Schwefelsäure,  Kohlen  usw.,  keine  Veränderung  er-. 
fahren.  Somit  konnten  die  Herstellungskosten  also  nicht  ver- 
mindert werden,  ziumal  die  bereits  }w>hen  Gehälter  und  Löhne 
durch  die  Beiträge  z^ur  Privatangestellten- Versicherung  eine 
weitere  Steigerung  erfahren  haben.  Selbst  technische  Neuerungen, 
die  eine  Verminderung  der  Herstellungskosten  herbeiführen 
sollten,  haben  z'u  einem  Erfolge  nach  dieser  Biohtung  nur  in- 
sofern verhelfen,  als  idie  Verbilliguag  den  Konsumenten,  nicht 
aber  den  Fabrikanten  z'uglite  kam. 

Diese  unerfreuliche  Tatsache  wurde  mitbedingt  durch  dad 
Submissionswesen,  das  nach  wie  vor  in  schlimmster  Blüte  steht. 

um  ein  Beispiel  anzuführen  —  etwa  auf: 


Beschnf- 
tigungsgrad. 


Lautet  die  Anfrage 


10  000  Stück  Schrauben  Vie"  X  15  mm 
10  000      „  „  Vi6"X20    „ 

10  000      „  „  V4''X25    „ 

10  000      „  „  74^X30    „ 

so  erhält  nicht  etwa  der  Submittent  den  Auftrag,  der  in  der 
Gesamtsumme  der  billigste  war,  sondern  es  werden  ihm  nur 
diejenigen   Positionen   ztigeteilt,   in   denen    er   der   billigste  war. 


Verhältnis 
zwischen 

Herstellungs- 
kosten 

und  Preisen. 


Submissions- 
wesen. 


294 


V.   Metallverarbeitung. 


Dabei  findet  dann  natürlich  die  Tatsache,  daß  für  die  Preis- 
bildung die  Voraußsetzung  maßgebend  war,  daß  wenig-stens  gleich- 
artige Sorten  ungeteilt  zur  Bestellung  gelangen  müßiten,  keine 
Berüidksicihtigung.  —  Dias  Verhältais  zwiscben  Arbeitgebern  und 
Arbeitern  war  im  Bericbtsjalir  nicht  getrübt.  —  Summariscli 
kann  gesagt  werden,  daß  das  Jahr  1913  das  sehlecbteste  ist^ 
daß  die  BranGhe  seit  langem  zu  verzeichnen  hatte.  Leider  sind 
auch  die  Aussiohten  für  1914,  wenigstens  für  das  erste  Semester,, 
recht  unerfreulich. 


Umsätze 
und  Preise. 


Export. 


Aussichten. 


72.    Kunstindustrie, 

besonders   Bronze-Kunstindustrie. 

Im  Gegensatz  zum  Vorjahre  war  die  Geschäftslage  im 
Jahre  1913  schon  von  Anfang  an  durchweg  ungünstig.  Der  Ab- 
satz in  besseren  Fabrikaten  war  schwer,  da  das  Weihnachts- 
geschäft 1912  im  allgemeinen  wenig  befriedigt  hatte,  und  den 
Detaillisten  ein  ziemlich  großer  Lagerbestand  geblieben  war. 
Infolgedessen  und  im  Zusammenhange  mit  der  herrschenden 
Geldknappheit  waren  viele  Geschäfte  im  Frühjahr  nur  mit 
Valutierung  der  Rechnungsbeträge  oder  Gewährung  ausgedehnter 
Zahlungsfristen  abzuschließen,  die  dann  neben  der  rückläufigen 
Konjunktur  das  Herbstgeschäft  doppelt  ungünstig  beeinflußten. 
Wohl  nie  in  den  letzten  Jahrzehnten  waren  die  Klagen  der 
Detaillisten  m  Deutschland  über  die  Ungunst  der  Verhältnisse 
so  ^roß,  wie  im  Jahre  1913,  in  dem  manche  schwache  Existenz 
zugrunde  ging.  Dabei  waren  die  Preise  für  Metalle  —  Kupfer 
und  Zinn  —  wie  für  alle  Materialien,  besonders  Feuerungs- 
material, ziemlich  hoch,  und  die  Arbeitslöhne  blieben  unver- 
'ändert  auf  der  Höhe,  die  sie  während  der  Hochkonjunktur 
der  Vorjahre  erreicht  hatten.  —  Noch  schlechter  als  in  Deutsch- 
land war  die  Geschäftslage  in  den  Vereinigten  Staaten,  Frank- 
reich und  Oesterreich-Ungarn,  so  daß  viele  Fabrikanten  ihre 
Reisetätigkeit  einschränkten,  weil  sie  zum  Teil  nicht  ihre  Spesen 
verdienen  konnten.  Der  südamerikanische  Markt  litt  unter  den 
Krisen  in  Argentinien  und  Brasilien,  blieb  aber  trotzdem  einiger- 
maßen kaufkräftig,  ebenso  wie  Rußland  und  Italien.  —  Ameri- 
kanische Einkäufer,  die  im  November  in  Deutschland  weilten, 
disponierten  vorsichtig,  .weil  sie  selbst  noch  kein  .abschließendes 
Urteil  darüber  haben,  wie  der  neue  amerikanische  Zolltarif  auf 
das  Geschäftsleben  ihres  Landes  wirken  wird. 

Üeber  die  Aussichten  im  kommenden  Jahre  kann  man 
sieh  vorläufig  noch  kein  klares  Bild  machen.  Es  ist  zu  hoffen, 
daß  die  gegenwärtige  Zurückhaltung  der  Zwischenhändler  eine 
Gesundung  der  Marktlage  herbeiführen  und  neuen  Bedarf 
zeitigen  wird. 


73.    Beleuchtungsiiidustrie  und  Verwandtes. 


295 


73.  Beleuchtungsindustrie  und  Verwandtes, 
a)    Beleuchtungsgegenstände    (Kronen    usw.). 

Das  Gescliäftsjahr  1913  ist,  wie  es  nicht  anders  zu 
erwarten  war,  für  die  I'abrikation  kunstgewerblicher  Be- 
leuchtungsgegenstände nicht  zufriedenstellend  gewesen.  Die 
Order  eingänge  hielten  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  Berichtsn 
Jahres  zwar  noch  auf  ungefähr  gleicher  Höhe  wie  im  Vorjahre, 
•gingen  aber  dann  wesentlich  zurück  und  ließen  erst  im  letzten 
Monat  eine  geringe  Besserung  erkennen.  Für  den  Eingeweihten 
war  der  Konjunkturrückgang  nichts  Ueberraschendes.  Er  hatte 
seinen  Grund  zweifellos  in  den  unsicheren  politischen  Verhält- 
nissen des  Jahres,  welche  ungünstig  auf  den  Geldmarkt  einwirkten 
und  dadurch  die  Bautätigkeit  fast  lahmlegten.  Da  aber  die 
Bronze-  und  Beleuchtungsüidustrie  von  der  Bautätigkeit  völlig 
abhängig  ist,  so  blieb  der  Eückschlag  nicht  aus. 

Bei  allen  zur  Vergebung  gelangenden,  nur  einigermaßen 
belangreichen  Objekten  setzte  ein  äußerst  heftiger  Wettbewerb' 
ein,  der  im  allgemeinen  die  Preise  auf  ein  Niveau  herabdrückte, 
bei  welchem  von  einem  regulären  Verdienst  nicht  mehr  die 
Rede  sein  konnte  und  der  klar  das  Mißverhältnis  zwischen 
Angebot  und  Nachfrage  erkennen  ließ.  Ganz  besonders  kraß 
trat  dieser  ungesunde  Zustand  wieder  bei  Vergebung  von 
Arbeiten  im  Submissionsverfahren  zutage;  es  gehörte  nicht  zu 
den  Seltenheiten,  daß  die  Höchstgebote  um  mehrere  100  o/o  gegen 
die  Mindestgebote  differierten.  Die  außerdem  schon  in  früheren 
Jahren  beobachteten  Mißstände  traten  auch  im  Berichtsjahre 
bei  Vergebung  von  Arbeiten  wieder  in  die  Erscheinung,  insofern, 
als  zum  Beispiel  auch  die  privaten  Auftraggeber  dazu  über- 
gingen, das  bisher  nur  von  Behörden  geübte  Verfahren  der 
Submission,  möglichst  noch  mit  verschärften  Bedingungen  an- 
zuwenden, obgleich  man  sich  darüber  klar  sein  sollte,  daß  bei 
Vergebung  kunstgewerblicher  Arbeiten  nicht  tier  Preis,  sondern 
die  Ausführung   allein   maßgebend  sein   kann. 

An  dem  Umsatz  selbst  war,  entgegen  früheren  Jahren,  nur 
in  geringem  Maße  das  Ausland  beteiligt,  was  darauf  zurück- 
zuführen ist,  daß  viele  Länder,  geschützt  durch  für  sie  günstige 
Zollverträge,  die  Produktion  selbst  aufgenommen  haben,  so  daß 
diese  Absatzgebiete  für  die  deutschen  Produzenten  zum  großen 
Teil   verloren   gegangen   sind. 

Vielfach  besteht  auch  noch  bei  dem  kaufenden  besseren 
Publikum  die  absolut  irrige  Ansicht,  daß  wirklich  hervorragende 
li]rzeugnisse  nur  in  Frankreich  zu  haben  seren,  ohgleich  die 
deutsche  Industrie  schon  seit  vielen  Jahren  auf  einer  Höhe 
angelangt  ist,  welche  französische  Konkurrenz  durchaus  nicht 
mehr   zu  fürchten   braucht. 


Beleuchtungs- 

ü-egenstände. 


Submissionen. 


Export. 


296 


V.   Metallverarbeitung. 


Kredit- 
verhältnisse. 


Preise.  Die   erzielten   Preise   waren   bei   der   enormen   Verschärfung 

der  Konkui-renz  naturgemäß  vielfach,  außerordentlich  gedrückt, 
und  alle  diese  Umstände  trugen  dazu  bei,  den  Grewinn  sehr 
ungünstig  zu  beeinflussen,  um  so  mehr,  als  im  Gegensatz  zu 
dem  geringeren  Umsatz  die  Propagandakosten  infolge  der  er- 
höhten   Akquisitionstätigkeit    gestiegen    sind. 

Die  Kredit-  und  Zahlungsverhältnisse  waren  denkbar  un- 
günstig. Der  vorsichtige  Fabrikant  war  genötigt,  vielfach  die 
Uebernahme  von  Arbeiten  mit  Rücksicht  auf  die  unklaren  Ver- 
hältnisse des  Auftraggebers  oder  die  ungünstigen  Zahlungs- 
ibediugungen  abzulehnen.  Es  gehörte  durchaus  nidht  zu  den 
Seltenheiten,  daß  mehrjährige  Kredite  verlangt  wurden  oder 
daß  für  die  Erteilung  des  Auftrages  die  Uebernahme  von  Aktien 
oder  Anteilscheinen  zur  Bedingung  gemacht  wurde. 

Bedauerlicherweise  muß  konstatiert  werden,  daß  die  Nach- 
frage nach  besserer  Ware,  sogenannter  Qualitätsware,  nicht  zu- 
genommen hat.  Das  kaufende  Publikum  bevorzugte  vielfach 
einfache,  billigere  Ausführungen,  sehr  zum  Schaden  des  Kunst- 
gewerbes, da  bei  Anfertigung  derartiger  Stücke,  welche  gewöhn- 
lich wenig  Ornamentik  aufweisen,  das  Kunsthandwerk  sich 
nicht  in  wünschenswerter  Weise  betätigen  konnte;  mitbestim-i 
mend  war  hierbei  natürlich  auch  die  allgemeine  Geldknappheit, 
welche  dem  Käufer  auch  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  ebenfalls 
Enthaltsamkeit   auferlegte. 

Die  Arbeiterverhältnisse  waren  geregelte  und  ruhige.  Mit 
Rücksicht  auf  den  geringen  Beschäftigungsgrad  genügte  das 
Angebot  von  Arbeitskräften  vollkommen,  auch  war  die  Auf- 
nahme von  Streiks,  die  ja  bekanntlich  nur  in  Zeiten  der  Hoch- 
konjunktur inszeniert  werden,  nicht  zu  beobachten.  Die  Löhne 
hatten  teilweise  eine  steigende  Tendenz,  was  auf  die  teuren 
Lebensmittelpreise  zurückzuführen  war.  Es  macht  sich  auf  dem 
Arbeitsmarkt  leider  ein  Mangel  an  Nachwuchs  bei  gelernten 
Arbeitern   bemerkbar. 

b)  Lampenfabrikation  (insbesondere  für  Gas  und  Elektrizität). 
Der  niedrige  Kursstand  und  die  ungünstige  Lage  des  Bau- 
markts übten  auch  auf  die  Lampenfabrikation  einen  lähmenden 
Einfluß  aus,  besonders  der  einheimische  Absatz  litt  stark  unter 
diesen  Verhältnissen.  Die  Abnehmer  hielten  nicht  nur  mit  ihren 
Einkäufen  zurück,  sondern  nutzten  vielfach  auch  ein  ungewöhnlich 
langes  Ziel  aus,  so  daß  selbst  bei  alten  Verbindungen  oft  ein 
schärferes  Vorgehen  nötig  war. 
Export.  Dazu  kamen  auch  auf  dem  Weltmarkt  die  unsicheren  poli- 

tischen Verhältnisse,  die  vielfach  den  Export  erschwerten  und 
ihn  nach  den  Balkanstaaten  und  nach  Mexiko  geradezu  unmöglich 
machten.  Auffallend  war  dabei  nur  die  Ruhe,  mit  der  von  .Kon- 
stantinopel Aufträge  nicht  nur  in  gewohntem  Umfange  einliefen, 
sondern  auch  mit  erfreulicher  Promptheit  bezahlt  wurden. 


Arbeiter- 
Verhältnisse. 


Lampen- 
fabrikation. 

Absatz. 


73.    Beleuchtungsindustrie  und  Verwandtes. 


297 


Leider  ist  trotz  der  ungimstig^n  Gresamtlage  die  Konkurrenz 
noch  immer  im  'W^acllsen  begriffen.  Der  schwächere  Absatz  hatte 
dadurch  ein  .gesteigertes  Angebot  zur  Folge  und  übte  auf  die 
Preise  einen  ständigen  Druck  aus.  Es  gibt  sogar  eine  Konkurrenz, 
die  sich  mit  einem  Angebot  von  ,,33V3  <^/o  auf  die  Katalogpreise" 
direkt  an  die  Privatkund^chaft  wendet.  Das  Kammergericht  hat 
mit  tJrteil  vom  18.  Jan.  1913  dieses  Verfahren  als  unlauteren 
AVettbewerb  Und  Verstoß  gegen  die  guten  Sitten  gekennzeichnet. 
Gleichwohl  findet  sich  die  nämliche  Anpreisung  auch  neuerdings 
wieder  in  den  Tagesblättern:  sie  spekuliert  auf  die  Gedanken- 
losigkeit der  Käufer,  die  annehmen  sollen,  daß  der  betreffende 
Fabrikant  öder  Händler  aus  Menschenfreundlichkeit  auf  einen 
A  erdienst  ganz  oder  teilweise  verzichtet.  —  Dabei  machte  die 
^''erteuerung  der  Eohmaterialien,  besonders  aber  die  Steigerung 
der  Produktionskosten  durch  die  Einführung  der  Angestellten- 
versicherung auch  in  diesem  Jahre  einen  Preisaufschlag  von  5 
bis  10  o'o  nötig.  Ein  derartiger  Aufschlag  ist  stets  für  beide  iTeile 
unangenehm  und  gibt  zu  vielen  mündlichen  und  schriftlichen 
Auseinandersetzungen  Anlaß ;  doch  ist  diese  Fonn  der  Preisi- 
erhöhung  im  En-gros- Verkehr  übersichtlicher  als  eine  Umkalku- 
lation  der  Preise  und  hat  auch  den  Vorteil,  bei  der  Aufhebung' 
des  Aufschlages  nicht  wieder  einen  jSTeudruck  der  Kataloge  nötig 
zu  machen.  —  Von  bevorzugten  Stilarten  trat  der  glatte  hol- 
ländische Stil  mit  Kerzenbeleuchtung  noch  etwas  weiter  in  den 
A'ordergrund.  Daneben  fanden  aber  auch  die  gewohnten  Stilarten 
willige  Käufer,  ohne  daß  gerade  immer  Stilreinheit  BcKÜngung 
war.  '  Gefälligkeit  der  Form,  gute  Ausführung  und  Preiswürdig- 
keit galten  durchschnittlich  als  Hauptanforderungen  an  die  Be- 
leuchtungskörper, und  das  sind  Wünsche,  die  man  als  wohlberech- 
tigt gelten  lassen  muß. 

Das  Angebot  von  Arbeitskräften  war  groß,  dagegen  machte 
sich  ein  Mangel  an  Lehrlingen  bemerkbar,  der  anscheinend  auf 
die  Unbeliebtheit  einer  vierjährigen  Lehrzeit  zurückzuführen  ist; 
die  Teuerungsverhältnisse  machen  eine  schnellere  Erwerbsreife 
wünschenswert. 


Konkurrenz- 
verhältnisse. 


Preise. 


Stile. 


Arbeiter' 
Verhältnisse. 


c)  Gasglühlichtbrenner. 

Von  der  Geschäftsstille,  welche  in  zahlreichen  Branchen 
während  dieses  ganzen  Jahres  herrschte,  ist  die  Gasbeleuchtungs- 
branche auch  nicht  verschont  geblieben;  hatte  neben  Minder- 
erträgnissen Kapitalverluste  zu  beklagen.  Die  gegen  Ende  des 
vorigen  Jahres  stattgehabte  Beendigung  des  Patentstreites  der 
Mannesmann-Gruppe  bezüglich  Invertlicht  hat  die  daran  geknüpf- 
ten Erwartungen  nur  in  verschwindendem  Maße  erfüllt.  Auch 
Preisherabsetzungen  vermochten  das  Geschäft  nicht  zu  beleben, 
da  die  schlechte  Lage  des  Baumarkts  sowie  die  ungünstigen  Geld- 
verhältnisse     hemmend      wirkte.       Dieser      Mano^el      an      Neu- 


Gasglühlicht- 
brenner. 


Invertlicht. 


Preisherab- 
setzungen. 


298 


V.   Metallverarbeitung:. 


anlagen     verminderte     naturgemäß     den     Bedarf     an     BeleucJi- 
Expoit.  tungsartikeln  resp.  Brennern.    Das  Exportgeschäft  war  ebenfalls 

im  allgemeinen  still.  Die  Beendigung  des  Balkankrieges  hat  die 
Hoffnung  a-iif  Steigerung  der  Ausfuhr  nach  diesen  Ländern  resp. 
Belebung  des  Geschäfts  nach  den  österreichischen  Staaten  nicht 
erfüllt.  —  Ob  die  Herabsetzung  der  Zölle  in  Nordamerika  ein© 
Förderung  des  Exports  für  die  Gasbrennerbranche  —  der  bisher 
kaum  möglich  war  —  bringen  wird/  entzieht  sich  noch  der  Be- 
urteilung. —  Der  Bedarf  an  Gasbrennern  alter  Systeme  vermin- 
derte sich  immer  weiter. 


Gasmesser  und 
Gasapparate. 


Nachfrage. 


Zentrale  für 
Gasverwertung 


Roh- 
materialien. 


Lohn- 
verhältnisse. 


d)  Gasmesser  und  Gasapparate. 

AVenn  im  Jahre  1912  schon  ein  Aufschwung  in  der  Gas- 
industrie nicht  verzeichnet  werden  konnte,  so  ist  für  1913  von 
einem  Rückgang  zu  sprechen.  Der  Hauptgrund  liegt  auch  hier 
wohl  in  der  geringen  Bautätigkeit,  die  in  Berlin  und  Vororten 
herrschte  und  ihre  Ursache  in  dem  teuren  Geldstand  hatte.  Bessere 
Nachfrage  war  nur  in  Gasautomaten,  deren  Einführung  bei  den 
verschiedensten   Gasanstalten   alljährlich   zunimmt. 

Die  für  die  Brancheinteressen  arbeitende  Zentrale  für  Gas- 
verwertung hat  auch  in  diesem  Jahre  diesen  Industriezweig  vor- 
teilhaft unterstützt,  doch  wird  der  Kampf  mit  der  Elektrizität 
immer  schwieriger. 

Die  Bx)hmaterialien,  namentlich  Zinn,  Kupfer  und  Weiß- 
blech, waren  im  Anfang  des  Jahres  etwas  in  die  Höhe  gegangen, 
sind  jedoch  am  Schluß  desselben  bedeutend  billiger  geworden, 
und  zwar  wohl  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil  keine  Nach- 
frage vorhanden  war. 

Da  der  Lebensunterhalt  der  Arbeiter  teurer  geworden  ist, 
wai'  auch  an  eine  Eeduzierung  der  Löhne  nicht  zu  denken,  anderer- 
seits ist  aber  infolge  des  starken  Angebots  an  Arbeitskräften  eine 
Erhöhung  der  Löhne  seitens  der  Arbeiter  in  Berlin  nicht  gefordert 
worden.  Li  Hamburg  haben  die  sämtlichen  Arbeiter,  obwohl 
dort  eine  Tarifvereinigung  bestand,  eines  Mittags  die  Arbeit 
niedergelegt  und  einen  dreizehnwöchigen  Streik  durchgeführt,  der 
aber  ohne  jeden  Erfolg  seitens  der  Arbeitnehmer  wieder  aufgegeben 
wurde.  Der  Berichterstatter  erklärt,  daß  sich  bei  dieser  Gelegen- 
heit der  unzureichende  Schutz  der  Arbeitswilligen  gezeigt  habe, 
indem  Streikposten  durch  rohe  Gewalt  die  Arbeitswilligen  an  der 
Aufnahme  der  Arbeit  verhindert  haben.  Die  Vereinigung  der 
Gasmesserfabrikanten  bezüglich  Gewährung  einer  höchsten  Ga- 
rantie von  fünf  Jahren  habe  weiter  gninstig  gearbeitet.  Ebenso 
habe  der  Gelbe  Verband  infolge  Wachsens  der  Mitgliederzahl 
einen  erfreulichen  Aufschwung  genommen,  so  daß  zu  hoffen  sei. 
daß  hierdurch  die  Streikgefahr  vollständig  beseitigt  werde. 


74.    Heizungs-,  Lüftungs-  usw.  Anlagen. 


299 


e)  Laternen. 

üeber  die  Lage  der  Laternenfabrikation  im  Jahre  1913  ist 
im  allgemeinen  dasselbe  zu  sagen  wie  im  Bericht  für  das  voran- 
gegangene Jahr.  Die  Beschäftigung  für  Behörden  war  im 
großen  und  ganzen  die  gleich©,  doch  ist  auch  heute  noch  über  die 
erzielten  Verkaufspreise  zu  klagen,  die  nicht  in  demselben  Maße 
aufgebessert  werden  konnten,  wie  dies  die  Verhältnisse  notwendig 
gemacht  haben.  Das  Geschäft  in  Handelsartikeln  dagegen, 
namentlich  der  Export,  läßt  noch  immer  zu  wünschen  übrig.  Die 
verwickelten  politischen  Verhältnisse  und  die  erst  kurze  Zeit 
zurückliegenden  erneuten  Unruhen  auf  dem  Balkan  haben  das 
Geschäft  erheblich  erschwert.  Schwierigkeiten  mit  den  Arbeitern 
lagen  in  diesem  Jahr  nicht  vor.  Eine  Besserung  des  G-eschä.fts 
ist  in  diesen  Artikeln  für  die  nächste  Zeit  auch  wohl  kaum  anzu- 
nehmen. Die  Stille  auf  dem  Baumarkt  greift  auch  auf  diesen  Ge- 
schäftszweig über  und  eine  wesentliche  Besserung  ist  leider  auch 
für  das  kommende  Jahr  im  Augenblick  nicht  zu  erhoffen. 


Laternen. 


74.   H  e  i  z  u  n  g  s  - ,   Lüftungs-   usw.   Anlagen. 

Da  der  Baumarkt  im  Jahre  1913  tief  daniederlag,  konnte 
sich  auch  die  Zentralheizungsindustrie  noch  nicjit  heben.  Große 
bekannte  Baufirmen  vermochten  sich  nicht  zu  halten  und  mußten 
teils  Moratorien  nachsuchen,  teils  Konkurs  anmelden.  Das  Wett- 
rennen um  die  sicheren  Anlagen  blieb  bestehen,  und  es  wnirden 
weiter  Rekordpreise  nach  unten  aufgestellt.  Die  Röhren- 
und  Radiatorenpreise  zeigten  kleine  Scliwankungen,  die,  wenn 
sie  nach  oben  gingen,  in  den  Preisen  keine  Wiederspiegelung 
fanden,  aber  gleich  zum  .Ausdruck  kamen,  wenn  Ermäßigungen  ein- 
trat. Der  Tarifvertrag,  welcher  mit  den  Arbeitnehmern  ge- 
schlossen war,  lief  im  April  ab  und  wurde  trotz  der  schlechten 
Lage  der  Branche  mit  erhöhten  Arbeitspreisen  bis  zum  31.  März 
1916  verlängert.  Infolge  des  .Balkankrieges  und  der  dadurch  her- 
vorgerufenen unsicheren  Verhältnisse  war  ^auch  das  Auslands- 
geschäft lange  nicht  so  lebhaft  wie  sonst,  und  auch  dort  wurden 
bei  den  größeren  Objekten  vielfach  nur  wenig  nutzenlassende 
Preise  erzielt. 

In  Wasser-,  Gas-  und  Dampf-Armaturen  war  das  Geschäft 
im  wesentlichsten  durch  die  schlechten  Bau-  und  Hypotheken  Ver- 
hältnisse ungünstig  beeinflußt.  Die  dadurch  hervorgerufene  Min- 
derbeschäftigung der  gesamten  Branche  hatte  auch  in  diesem  Fall 
zur  Polge,  daß  die  Verkaufspreise  über  das  notwendige  Maß  hinaus 
herabgesetzt  wurden,  insbesondere  durch  die  kleinen  Fabrikanten 
und  die   in   der  Provinz   domizilierenden  Firmen. 

Einem  zweiten  Berichte  entnehmen  wir  folgendes:  Das  Ge- 
schäft mit  den  Balkanstaaten  außer  Rumänien  lag  ganz  still,  da 
die  dortio-en  Gelder  zu  Kr ie<r^ -zwecken  benutzt  wurden  und  Zah- 


Zentral- 
heiziuiL'en. 


Wasser-,  Ga&- 
und  Dampf 
Armaturen. 


Bulkan- 

i;eschäft. 


300  V.   Metallverarbeitung. 

lungen  infolge  der  in  den  Balkanläjidem  ausgesprochenen  Mora- 
torien nicht  geleistet  werden  brauchten.  Rumänien  ist  erfreu- 
licherweise durch  diese  Wirren  wenig  oder  gar  nicht  berührt 
worden;  es  haben  sich  dort  die  Geschäfte  fast  in  normaler  Weise 
erledigt. 
^^er^Bau^  Ucbcr  die  Einführung  des  zweiten  Teils  des  Gesetzes  über  die 

Forderungen.  Sicherung  der  Bauforderungen  wird  immer  noch  beraten.  Wenn 
also  auch  hierüber  noch  keine  Entscheidung  herbeigeführt  ist,  so 
kann  doch  erfreulicherweise  ,aus  der  Judikatur  entnommen  werden, 
daß  die  Gerichte  diejenigen  Bauunternehmer,  welche  auf  Kosten 
der  Bauhandwerker  Gebäude  aufführen  wollen,  viel  schärfer  als 
früher  anfassen.  Es  ist  in  dieser  Beziehung  im  Berichtsjahre  eine 
Reihe  von  Verurteilungen  erfolgt,  die  hoffentlich  abschreckend  und 
dadurch  erzieherisch  wirken  werden. 

75.    Bauklempnerei    und    Metallornamenten- 
F,abrikation. 

Im  Berichtsjahre  waren  die  Bauklempnereien  und  Metall- 
ornamentenfabriken  infolge  der  schlechten  Baukon junktur  sehr 
wenig  beschäftigt.  Namentlich  hatten  diejenigen  Betriebe  zu 
leiden,  welche  speziell  für  gewöhnliche  Wohnhausbauten  Arbeiten 
ausführen.  Die  Preise  blieben  daher  auch  weiter  gedrückt,  be- 
sonders bei  öffentlichen  Ausschreibungen,  so  daß  die  Arbeiten 
oft  unter  dem  Selbstkostenpreise  übernommen  wurden,  lediglich, 
um  Beschäftigung  für  den  alten  Arbeiterstamm  zu  haben.  Firmen, 
welche  mit  Staatsbehörden  und  erstklassiger  Privatkundschaft 
arbeiten,  waren  besser  beschäftigt.  Das  Zinkblech  ging  im  Be- 
richtsjahre erheblich  im  Preise  zurück,  um  im  September  eine  kleine 
Aufbesserung  zu  erfahren.  Die  Kupferblechpreise  ermäßigten  sich 
bis  Mitte  des  Jahres  um  ca.  25  Mk.,  stiegen  darauf  wieder  an- 
dauernd bis  Oktober,  um  dann  innerhalb  vier  Wochen  ganz  be- 
deutend zurückzugehen.  Im  Berichtsjabre  wurde  mit  den  Arbeit- 
nehmern ein  neuer,  drei  Jahre  gültiger  Lohntarif  abgeschlossen. 
Die  schlechte  Baukonjunktur  kam  hier  den  Arbeitgebern  zu  Hilfe, 
so  daß  init  Ausnahme  einer  kleinen  Lohnaufbesserung  (2  Pfg. 
auf  drei  Jahre  verteilt)  neue  Forderungen  von  den  Arbeitern 
nicht   gestellt  wurden. 

76.    Stahlfedernfabrikation. 

Der  Geschäftsgang  des  Berichtsjahres  bot  gegenüber  dem 
des  Vorjahres  keine  wesentlichen  Abweichungen.  Die  Umsatz- 
ziffem  konnten  wieder  gesteigert  werden.  Die  Kosten  für  Löhne 
und  Betriebsspesen  sowie  für  Wohl  f ahrtszwecke  bewegten  sich 
in  aufsteigender  Linie.  Die  Mehrauf  weindun  gen  für  Produktion 
und  Vertrieb  ließen  sich  durch  angemoSsene  Verkaufspreise  nicht 
immer  wunschgemäß  zum  Ausgleich  bringen.  Das  Exportgeschäft 
stand    sichtlich    im    Zeichen    abwartender   Reserve.     Eine   durch- 


77.    Gold-  und   Silberwaren,  Juwelen. 


301 


greifende  Belebung  des  G-eschäfts  auf  der  gajizen  Linie  wird  erst 
naßh  Klärung  und  Festigung  der  politischen  Verhältnisse  zu  er- 
warten sein.  Im  Durchschnitt  war  die  Branche  mit  den  Ge- 
schäftsergebnissen   des   Jahres   zufrieden. 

77.    Gold-    und    Silbe rwaren^    Juwelen. 

Erster  Bericht.  Erster  Bericht. 

Mit  Rücksicht  auf  den  wenig  befriedigenden  Verlauf  im  Allgemeines, 
letzten  Viertel  des  Jahres  1912  trat  die  Branche  mit  recht 
schwachen  Hoffnungen  in  das  neue  Geschäftsjahr  ein,  und  der  • 
Verlauf  rechtfertigte  die  Befürchtungen.  Die  anhaltenden  Balkan- 
wirren,  die  politische  Unsicherheit  der  Lage  in  Mexiko  sowie 
der  hohe  Geldstand  konnten  nidit  anders  als  ungünstig  auf  die 
Branche  einwirken.  Auch  die  AVehrsteuer  warf  ihre  Schatten 
voraus.  Viele  waren  bestrebt,  die  dadurch  bevorstehenden  großen 
Ausgaben  durch  Tlnterlassujig  der  Käufe  von  Luxusartikeln  ein- 
zuschränken oder  auszugleichen.  Das  Weihnachtsgeschäft  war 
sehr  verschieden.  Einzelne  Firmen  klagten  über  den  wenig  be- 
friedigenden Geschäftsgang,  andere  waren  sehr  mit  ihm  zufrieden. 

Das  Verhältnis'  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern 
war  gut.  Das  Angebot  von  Arbeitskräften  war  größer,  als  die 
Nachfrage.  Seit  langer  Zeit  trat  der  Fall  ein,  daß  selbst  gute 
Arbeiter  mehr  vorhanden  waren,  als  beschäftigt  werden  konnten. 

Im  Großhandel  mit  Goldwaren  lag  das  Geschäft  recht  schwach ; 
erst  im  Spätherbst  trat  eine  kleine  Besserung  ein,  so  daß  das 
deutsche  Geschäft  den  Umsatz  des  Vorjahres  nicht  erreichte.  Der 
Export  nach  Italien,  Holland  und  Däaemark  hob  sich  etwas,  hin- 
gegen war  der  Absatz  nach  Südamerika  geringer.  Russische 
Käufer  blieben  fast  ganz  aus,  und  auch  nach  Frankreich  war 
der  Absatz  gering,  während  das  Geschäft  mit  England  zu-, 
friedenstellend  war.  Der  Detailhandel  in  Goldwaren  war  infoÜge 
der  oben  erwähnten  Umstände  wenig  befriedigend.  Im  Frem- 
dengeschäft waren  russische  Käufer  die  Hauptfaktoren,  während 
über  den  Mangel  an  kaufkrräftigen  Amerikanern  geklagt  wurde. 
Die  Werkstätten  fxk  Juwelenfassungen  und  feine  Goldarbeit  waren 
schwach  beschäftigt,  erst  Mitte  Oktober  gingen  die  Aufträge 
zahlreicher  ein.  Für  Juwelenfassungen  blieb  Piatina  weiter  fast 
ausschließlich  verwendet.  Der  Breis  stellte  sich  auf  6200  Mk. 
für  das  Kilogramm.  Zeitungsnachrichten  zufolge  sollen  in  West- 
falen Piatinafunde  gemacht  sein.  Die  Bestätigung  bleibt  abzu- 
warten. 

■In  Silberwaren  war  das  Geschäft  erheblich  besser  als  in  den  siiberwareu 
verwandten  Zweigen.  Die  Werkstätten,  welche  schwerere  AVaren 
herstellen  (Hamm  er  arbeit),  waren  im  ganzen  Jahr  genügend  be- 
schäftigt. In  kouranten  Waren  war  der  Absatz  in  der  ersten 
Jahreshälfte  schwächer,  doch  glich  das  zweite  Halbjahr  den  Aus- 
fall  reichlich  aus.     Die  Geschmacksrichtung  ist  noch  immer  die 


Arbeiter- 
verhältnisse 


Golclwaren. 


302 


V.   Metallverarbeitung. 


Export. 


Silberpreiif 


Tab.  124. 


gleiche:  einfache,  ruhige  Muster  werden  bevorzugt;  auch  mit 
Silber  beschlagene  Kristallgegenstände  fandjen  viel  Anklang. 

Die  Erstarkung  der  nationalen  Industrie  in  fast  allen  Läjidern 
erschwert  den  Export  ganz  erheblich.  Es  sind  Bestrebungea  im 
Gange,  die  Zölle  auf  Silberwaren  in  einzelnen  Ländern  zu  er- 
höhen, und  die  Exporteure  wünschen  dringend,  daß  ihnen  bei 
Abschluß  von  neuen  Handelsverträgen  die  bisherigen  Absatz- 
gebiete nicht  durch  Erhöhung  der  Zollsätze  ganz  verschlossen 
werden.  Dies  gilt  besonders  von  Italien;  doch  auch  in  Spanien, 
Belgien,  Skandinavien  und  Rußland  liegen  die  Verhältnisse  ähn- 
lich. Der  Absatz  nach  all  diesen  Läoidem  war  gering.  Nach 
England  und  Frankreich  wurden  nur  einzelne  Berliner  Spe- 
zialitäten ausgeführt.  Auch  mit  Oesterreich-Ungarn  war  das 
Geschäft  sehr  schwach  und  brachte  infolge  vieler  Zahlungsein- 
stellungen Verluste. 

Der  Silberpreis  unterlag  nur  geringen  Schwankungen.  Er 
stellte  sich  folgendermaßen: 

Silberpreis  (in  Mark  pro  kg). 


t 


1.  Jan.  I  1.  Febr.  1.  März    I.April  j  1.  Mai  |  1.  Jiini     1.  Juli     1.  Aug.    1,  Sept.     1  Okt.  !  1.  Nov.     1.  Dez.    31.  Dez 


1910 
1911 
1912 
1913 


71.501  71.— 

74.00  I  72.25 

74.25  79.50 

86.75:  84.50 


69.25 
71.75 
80.25 
81.25 


71.50 
72.00 
78.75 
78.50 


73.75  73.— 

72.75  I  72.75 

84.—  I  83.— 

82.25  81.50 


73.— 

72.00 
83.50 
79.50 


73.— 
71.25 

82.— 
81.- 


72.— 
71.50 
85.50 


73.75  76.50 
72.25  74,50 
87.75  1  86.25 


81.25     84.—  ,  81.75 


75.25 
76.00 

87.— 1) 
80.— 


74.— 
74.25 
85.75 
80.25 


1)  1912:  2.  Dezember. 

für  das  Kilogramm  Feinsilber  an  der  Hamburger  Börse. 


Roh- 
brillanten. 


In  Eohdiamanten  war  das  Geschäft  im  Berichtsjahre  normal 
bei  ziemlich  stabilen  Preisen.  Das  Hauptinteresse  nimmt  momen- 
tan die  Lage  des  deutschen  Diamantenmarktes  in  Anspruch.  Es 
ist  bekannt,  daß  sich  bei  dem  Antwerpener  Konsortium  ganz 
bedeutende  Vorräte  (Zeitungsnachrichten  sprechen  von  600000 
Karat)  angesammelt  haben  und  daß  der  Absatz  sehr  gering  ist. 
Da  die  Produktion  immer  größer  wird,  sind  Bestrebungen  im 
Gange,  diese  einzuschränken  und  das  abzunehmende  Quantum 
zu  kontingentieren.  Bisher  srud  diese  Besitrebungen  an  dem 
Widerstand  der  Förderer  gescheitert.  Neue  Unterhandlungen 
sollen  im  Gange  sein.  Die  erwartete  Kontingentierung  für  süd- 
westafrikanische Diamanten  wurde  seitens  des  Reichskanzlers  am 
13.  Dez.  1913  eingeführt.  Für  jedes  Kalenderjahr  soll  mit 
Rücksicht  auf  die  Marktlage  ein  Höchstmaß  der  zur  Verwertung 
gelangenden  Diamanten  festgesetzt  werden.  Für  das  Jahr  1914 
wurde  dieses  Höchstmaß  auf  1 038  000  Karat  bestimmt.  Die 
Diamantenregie  für  den  Vertrieb  der  deutschen  Diamanten  wurde 
verstaatlicht.  Von  den  im  belgischen  Kongo  neuerdings  gefun- 
denen Diamanten  kam  die  erste  Sendung  von  ca.  10  000  Karat  auf 
den  Markt  und  fand  zu  befriedigenden  Preisen  leicht  Absatz. 


77.    Gold-  und   Silberwaren,  Juwelen. 


303 


Geschliffene  Brillanten  wurden  in  den  ersten  8  iMonaten 
sehr  lebhaft  umgesetzt.  Amerika  trat  stark  als  Käufer  auf,  da 
die  'dort  am  1.  Okt.  eingetretene  Zollerhöhung  von  10  auf 
20  o/o  des  Wertes  Anlaß  ,bot,  vor  dem  1.  Okt.  möglichst  viel  Ware 
zu  beziehen.  iSTaturgemäß  trat  nach  dem  1.  Okt.  eine  kräftige 
Reaktion  ein,  und  das  Brillantgeschäf't  ist  seit  dieser  Zeit  voll- 
kommen still  geworden.  —  Die  Preise  aber  waren  nicht  niedriger 
als  im  Vorjahre,  selbst  kleines  Melee  lag  fest;  größere  Ware 
war  eher  im  Preise  anziehend. 

Die  Nachfrage  in  Schnurperlen  war  geringer  als  im  Vor- 
jalire;  besonders  größere  Kolliers  waren  weniger  gefragt.  Trotz- 
dem waren  die  Preise  nicht  billiger;  besonders  schöne  Quali- 
täten wurden  sogar  höher  bezahlt.  Auch  Boutons  und  PendelDques 
stiegen  bei  ,guter  Nachfrage  etwas  im  Preise. 

Von  Farhsteinen  war  nur  Saphir  gesucht  und  enorm  teuer; 
große  feine  Steine  sind  um  80 — lOOo/o  gestiegen.  Smaragde  und 
Rubine  lagen  istill  bei  unveränderten  Preisen. 

In  Halbedelsteinen  war  das  Geschäft  ziemlich  lebhaft  hei 
leicht  'anziehenden  Preisen.    Aquamarin  wurde  bevorzugt. 


Geschliffene 
Brillanten. 


Perlen. 


Farbsteine. 


Halbedelsteine. 


Zweiter  Bericht. 

Die  Balkan  wirren  wirkten  drückend  auf  das  Geschäft  ein, 
ebenso  die  auffallende  .Geldknappheit,  welche  nahezu  das  ganze 
Jahr  anhielt.  Unter  diesen  Umständen  hatte  das  regelmäßige  Ge- 
schäft schwer  zu  leiden,  und  die  mit  dem  Regierun gs Jubiläum 
und  der  Hundertjahrfeier  in  Verbindung  stehenden  Extraarbeitein 
waren  nicht  imstande,  die  Fehlbeträge  in  den  Umsatzziffern 
auszugleichen.  Denn  auch  im  Auslande,  in  England,  Frankreich, 
Oesterreich  und  Rußland,  lag  das  Geschäft  wenig  günstig,  und 
weniger  zahlreiche  Aufträge  kamen  ein  als  sonst  bei  regulärem 
Geschäftsgange.  Eine  kleine  Entschädigung  wurde  der  Branche 
aus  Südamerika  zuteil,  welches  mit  ziemlich  belangreichen  Ein- 
käufen auftrat.  Auch  nach  Beendigung  des  Balkankrieges  setzte 
die  erhoffte  Besserung  nicht  in  dem  Maße  ein,  wie  allgemein 
erwartet  worden  war.  Immerhin  aber  war  der  Oktober  wenigstens 
etwas  lebhafter.  Die  zum  Regie rungs Jubiläum  angeforderten  Ar- 
beiten brachten  einige  neue  Anregungen  in  das  Geschäft  und 
ermöglichten  es,  den  Betrieb  wenigstens  im  ersten  halben  Jahre 
voll  aufrechtzuerhalten.  Vom  Juli  an  jedoch  mußte  der  Betrieb 
etwas  eingeschränkt  werden. 

In  der  Silberwarenbranche  herrschte  im  allgemeinen  die  Ge- 
schmacksrichtung des  vorigen  Jahres  vor;  die  historischen  Stile 
bleiben  trotz  aller  Verurteilungen  durch  die  Kunstschriftsteller 
am  meisten  gefragt,  dagegen  finden  Erzeugnisse  in  dem  „neuen 
deutschen  Stile"  so  gut  wie  gar  keine  Abnehmer. 


ZweiterBerieht. 
Allgemeines. 


Silberwaren- 
fabrikation. 


304 


V.   Metallverarbeitung. 


juweienhandei.  In  der  Juwelenbraiiclie  sind  trotz  des  schlechten  Geschäfts- 

ganges die  Preise  fast  auf  der  ganzen  Linie  gestiegen.  Die  feinen 
Qualitäten  in  größeren  Brillanten  von  1  Karat  aufwärts  sind 
um  15 — 20  o/o  gegen  das  Vorjahr  hinaiifgegang-en,  wäJirend  größere 
feine  Steine  von  4  Karat  aufwärts  noch  mehr  im  Preise  ange- 
zogen haben  und  dabei  kaum  erhältlich  sind.  Die  Smaragde  und 
Safire  wurden  gleichfalls  höher  bewertet,  während  die  Rubine  ihre 
bisherigen  Preise  behalten  haben.  Am  auffallendsten  ist  die  Preis- 
steigerung wieder  bei  größeren  feinen  Rundperlen  in  die  Er- 
scheinung getreten.  Es  ist  heute  keine  Seltenheit  mehr,  wenn 
für  Perlen  über  4  Grains  das  30-  und  35fache  des  Gewichts  im 
Engros-Handel  gezahlt  wird.  Das  Publikum  will  sich  noch 
immer  nicht  an  diese  von  Jahr  zu  Jahr  steigende  Wertschätzung 
der  Perlen  gewöhnen,  es  zerschlagen  sich  deshalb  recht  häufig 
Geschäfte  in  Perlen,  welche  bei  günstigeren  Preisen  zum  Ab- 
schluß zu  bringen  sein  würden.  Die  schönfarbigen  Fancy- Saphire, 
Turmaline,  Zirkone  usw.  waren  in  feinen  Qualitäten  mehr  beehrt 
und  erzielten  ebenfalls  ganz  gute  Preise.  Die  im  vergangenen 
Jaliro  einsetzende  Mode  einfacher  Formen  der  Schmuck- 
stücke hat  angehalten;  das  Publikum  wendet  sich  immer  mehr 
von  der  Verwendung  vieler  kleiner  Brillanten  ab  und  bevorzugti 
Stücke  mit  einzelnen  größeren  Steinen.  Für  die  Fassungen  der 
Juwelenstücke  kommt  überhaupt  nur  noch  Piatina  zur  Verwen- 
dung, Goldfassungen   sind  nahezu  vollkommen   ausgeschaltet. 


Dritter  Bericht. 


Silberwaren- 
fabrikation. 


Dritter  Bericht. 

Im  Berichtsjahre  war  in  der  Silberwarenfabrikation  die  Be- 
vorzugung irgendeines  Stils  weder  in  Deutschland  noch  in  den 
importierenden  fremden  Ländern  zu  bemerken.  Die  Ursache  lag 
darin,  daß  das  Publikum  eine  große  Kaufunlust  ergriffen  hat, 
die  sich  auch  in  unabsehbarer  Zeit  nicht  legen  wird.  Die  durch 
die  Balkanwirren  erzeugte  Entwertung  aller  AVertpapiere,  Her 
äußerst  hohe  Geldstand  und  damit  verbunden  die  schwierige, 
oft  unmögliche  Beschaffung  zweiter  Hypotheken  haben  es  bewirkt, 
daß  die  Kauflust  sich  in  den  bescheidensten  Grenzen  hielt  und 
nur  das  Allernötigste  zur  Anschaffung  gelangte.  Kursverluste, 
hohe  Provisionen  bei  Erneuerung  der  H^^potheken  bzw.  Be- 
schaffung von  Betriebsmitteln  waren  die  unmittelbaren  Ursachen 
des  schlechten  Geschäftes.  Auch  die  Wehrsteuerabgabe  warf  schon 
ihre  Schatten  voraus.-  Dies  alles  veranlaßte  die  Branche,  den 
Betrieb  auf  das  äußerste  zu  beschränken.  Es  kam  in  den 
]\Ionaten  September,  Oktober  und  November  zu  Arbeiterent- 
lassungen, ein  Fall,  der  bisher  einzig  dasteht.  Das  Weihnachts- 
geschäft war  sehr  bescheiden.  Wie  in  Deutschland,  so  sah  es  auch 
in  den  importierenden  fremden  Ländern  aus.  Die  Arbeiter  der 
verwandten  Berliner  Etuibranche  streikten  um  Lohnzulage  und 
Arbeitszeitverkürzung. 


78.    Anorganische  chemische  Industrie. 


305 


Vierter  Bericht. 

Der  Umsatz  in  versilberten  Tafel-  und  Luxusgeräten  war  im 
Jahre  1913  etwa  um  15  o/o  höher  als  im  Vorjahre.  Die  allgemeine 
ungünstige  Geschäftslage  machte  sich  insofern  fühlbar,  als  eine 
Steigerung  des  Umsatzes  im  Inlandgeschäfte  nicht  zu  erzielen  war. 
Die  Geldknappheit  bedingte,  daß  die  Zahlungen  seitens  der  Kund- 
schaft langsamer  als  bisher  erfolgten.  Der  Export  nach  Oester- 
reich  litt  noch  bedeutend  unter  den  Einwirkungen  der  Balkan- 
wirren;  es  waren  mehrfach  Verluste  aus  diesem  Grunde  zu  ver- 
zeichnen. Rußland  ist  für  versilberte  Geräte  sehr  aufnahmefähig, 
der  Umsatz  bewegte  sich  in  aufsteigender  Linie.  Das  Geschäft 
mit  den  nordischen  Ländern  war  annähernd  das  gleiche,  ausgenom- 
men das  mit  Schweden,  wo  die  einheimische  Industrie  sich  ganz 
bedeutend  entwickelt  hat.  Es  herrscht  dort  das  Bestreben  vor, 
fremde  Waren  nach  Möglichkeit  auszuschalten.  In  den  Verhält- 
nissen zu  den  übrigen  europäischen  Ländern  sind  irgendwelche 
Aenderungen  nicht  eingetreten.  Schwerer  gestaltete  sich  das 
Geschäft  mit  Südamerika.  Die  dortigen  geschäftlichen  Krisen 
üben  anhaltend  ihre  Wirkung  aus.  Nach  den  Vereinigten  Staaten 
von  Amerika  war  das  Geschäft  still;  es  ist  aber  zu  hoffen, 
daß  infolge  des  neuen  Zolltarifes  eine  wesentliche  Besserung  ein- 
tritt. Andauernd  'gut  ist  das  Geschäft  nach  Australien.  —  Der  im 
Jahre  1912  vereinbarte  Preisaufschlag  konnte  auch  während  des 
Berichtsjahres  durchgehalten  werden.  Die  steigenden  Unkosten 
und  hohen  Preise  der  Rohmaterialien  rechtfertigen  denselben. 


Vierter  Bericht. 

Versilberte 

Tafel-  imd 

Luxusgei'äte, 


VI.    Rohstoffe  und  Fabrikate  der  pharmazeutischen,  chemischen 
und    verwandten    Industrien.    Fettwaren,    Oele    und    Farbstoffe. 

Gasfabrikation. 

78.  A  n  o  r  g  a  n  i  s  c  h  e  c  h  e  m  i  s  c  h  e  Industrie. 

Da.^  wirtschaftliche  Ergebnis  des  Jahres  1913  ist  für  die 
chemische  Großindustrie  günstig  und  steht  hinter  dem  des  Vor- 
jahres nicht  zurück.  Die  meisten  Betriebe  konnten  wälirend  der 
Berichtszeit  voll  ausgenutzt  werden,  was  um  so  beachtenswerter 
ist,  als  die  Absatzverhältnisse  infolge  der  zeitweise  recht  un- 
sicheren politischen  Lage  starken  Schwankungen  unterworfen 
waren  und  die  bis  zum  Herbst  hinein  dauernde  allgemeine  Geld- 
teuerung lahmend  lauf  die  kaufmännische  Untemehmungslusit 
wirkte.  Allerdings  waren  die  Verkaufspreise  für  die  Fertigf  abrikats 
nicht  immer  befriedigend  tmd  oft  nicht  in  Einklang  zu  bringen 
mit  den  gesteigerten  Notierungen  für  Hohstoffe  und  Kohlen.  Die 
Tatsache,  daß  die  wirtschaftliche  Konjunktur  ihren  Höhepunkt 
überschritten  hat,  warf  natürlich  auch  auf  die  chemisehe  Groß- 

Berl.  Jahrb.  f.    Handel  u.  Ind.    1913.    II.  20 


Allgemeines. 


306     VI.  Eohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


Ausfuhr. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


industrie  ihre  Sohiatteii,  ^hne  jedoeh  deren  Beschäftigungsgrad 
bis   zum    Schluß  des  Berichtsjahres   wesentlich   zu   beeinflus&en. 

Die  Atisfuhr  nach  den  europäischen  Ländern  sowie  nach  den 
übrigen  Weltteilen  hielt  s^ich  im  Rahmen  des  vor j  ährigen  Absatzes. 
Nadi  Beiendigung  der  Balkankriege  konnten  die  Verladungen 
nach  den  Balkanländem  lund  der  Türkei,  wenn  auch  zunächst 
nur  ia  geriagem  Umfange  und  —  ia  Anbetracht  der  danieder- 
liegenden wirtschaftlichen  Lage  dieser  Länder  —  unter  Beobach- 
tung größter  Vorsicht,  wieder  aufgenom.men  werden.  Der  Ver- 
sand nach  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  geriet  während 
der  Beratungen  [über  den  neuen  iZolltarif  ins'  Stocken.  Es  ist 
jedoch  Aussicht  vorhanden,  daß  nach  der  nunmehr  endgültigen 
Annahme  des  neuen  Tarif  es  die  Beziehungen  nach  diesem  Lande 
wieder   lebhafter   werden.   ' 

Die  Arbeiterverhältnisse  waren  nicht  ungünstig.  Daß  An- 
gebot an  Arbeitskräften  war,  bei  immer  ausreichenden  Meldungen, 
im  Anfange  des  Berichtsjahres  erheblich  schwächer  als  im  Vor- 
jahre, um  dann  bis  ^um  Ende  der  Berichtszeit  dauernd  zuzu- 
nehm»en,  so  daß  das  durchschnittliche  Angebot  dem  des  Vorjahres 
ungefähr  entspraicli.    AVesentliche   Lohnerhöhungen  wurden  nicht 


Einzelne 
Artikel. 


Ueber  die  einzelnen  Artikel  ist  im  besonderen  zu  berichten, 
daß  die  gute  Nachfrage  naöh  .Schwefelsäure  iauch  im  Berichts- 
jahre anhielt.  Die  Preise  fü^r  diesen  Artikel  waren  im  allge- 
meinen unverändert,  jedoch  maöhte  sich  gegen  Ende  des  Jahres, 
angesichts  der  steigenden  .Preise  für  das  Bx)hmaterial,  das  Be- 
istreben geltend,  auch  [die  Niotierungen  für  die  Fertigfabrikate 
entsprechend   heraufzusetzen.  < 

Der  Absatz  in  Salz^ätune  war  stärken  Schwankungen  unter- 
worfen, so  daß  die  überschüssigen  Mengen  zeitweise  zu  erheb- 
lich heruntergesetzten  Preisen  abgestoßen  werden  mußten. 

Die  Verkaufspreise  für  Salpetersäure  standen  in  keinem  Ver- 
hältnis zu  den  iHerstellungSkosten,  die  sich  durch  die  im  ersten 
halben  Jahr  gestiegenen  Notierungen  für  Chile- Salpeter  erhöhten. 

Eür  kalziniertes  Glaubersalz  "wurde  der  inländische  Bedarf 
durdi  die  Stillegung  einer  Eeihe  von  Glashütten,  besonders  im 
Bereich  der  Tafelglas-Lidustrie,  recht  ungünstig  beeinflußt,  so 
daß  nicht  unerhebliche  Mengen  von  diesem  Artikel  zu  weichen- 
den Preisen  im  Auslände  untergebracht  werden  mußten. 

In  flüssig  wasserfreiem  Ammoniak  hielten  sich  Umsatz  Und 
Verkaufspi^ise  im  allgemeinen  auf  der  gleichen  Höhe  wie  im 
Vorjahre. 

Für  kohlensaures  Ammoniak  traten  einige  neue  Fabriken  in 
Wettbewerb  mit  den  bisherigen  Erzeugern  dieses  Artikels.  Daher 
mußte  man  die  Verkaufspreise  herabsetzen,  um  die  hergestellten 
Mengen  unterbringen  zu  können. 


79.    Organische  chemische  Industrie.  307 

Die  Niotieruiig'en  für  Salmiaikgeist,  der  im.  ersten  Halbjahr 
nocli  recht  begehrt  Iwar,  erlitten  im  Spätsommer  einen  starken 
Rückgang.  Der  Grund  hierfür  lag  in  einer  allgemeinen,  in  ihrem 
Umfange  allerdings'  ^ungerechtfertigten  Beunruhigung  des 
Ammoniakmarktes,  die  verursiacht  Vurde  durch  das  Bekannt- 
werden der  Tatsach©,  daß  die  Arbeiten  zur  Horötellung  vion  syn- 
ihetischem   Ammoniat    erfolgreich   idni-tehgeführt   waren. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  zeigten  die  Preise  für  schwefel- 
saures Amtaioniak  in  Deutschland  sowie  in  England  wälirend 
des  ganzen  Sommers  eine  weichende  Hichtung,  um  gegen  Ende 
Xovember  einen  weiteren  starken  Sturz  zu  erfahren.  Wegen 
der  ungekläxten  Da^ge  |des  Marktes  Jiielten  sich  Händler  und 
Verbra^ucher  mit  der  Eindeckung  ihres  Bedarfes  auf  das  äußerste 
zurück.  Infolgedessen  blieben  große  Mengen  dieses  Artikels  am 
Ende  des  Jahres  lunverkauft  und  mußten  gestapelt  werden. 

Gelbes  Blutlaugensalz  war  bis  zum  Herbst  hiaein  weiter 
rege  begehrt,  so  (daß  die  Preiöe  etwas  heraufgesetzt  werden 
konnten,  ohne  jedoch  eiaen  befriedigenden  Nutzen  zu  lassen. 

Für  rotes  Blutlaugensalz  hielten  sich  Umsatz  und  Preise  auf 
ungefähr  der  gleichen  Höhe  wie  im  Vorjiahre. 

Dasselbe  ist  von  [Rhodansalzen  za  sagen,  deren  Verkaufs- 
preise jedoch  immer  noch  nicht  befriedigen  konnten. 

Der  Umsatz  ia  Thoiriumnitrat  erfuhr  gegen  Ende  des  Be- 
richtsjahres eine  geringe  Steigerung,  und  auch  die  Preise  dieses 
Artikels  konnten  Um  ein  weniges  ^heraufgesetzt  werden. 

Im  Handel  mit  Zitronensäure  führte  die  Tatsache,  daß  fast 
die  ganze  Zitronenemte  Nordamerikas  durch  Frost  vernichtet  war, 
zu  einer  ungewöhnlich  starken  Nachfrage  nach  Rohstoff  seitens 
der  Zitronensäurefabriken  Nordamerikas  und  zu  einer  erheb- 
lichen Preissteigerung  für  das  Bjohmaterial,  welches  gegen  Ende 
des  Berichtsjalires  völlig  vergriffen  war.  Die  Preise  des  Fertig- 
i^abrikates  zeigten  eine  entsprechende  Aufwärtsbewegung,  doch 
waren  sie  schließlich  nur  noch  nominell,  da  Umsätze  mangels 
Ware  nicht  mehr  stattfanden. 

79.  Organische  chemische  Industrie. 

Die  in  dem  letzten  Bericht  gemachte  Voraussage  ist  einge-  Giycerin. 

troffen.  Der  von  gewisser  Seite  angekündigte  Preisrückgang  für 
Glyzerin  ist  nicht  eingetreten,  und  viele  Konsumenten  haben  zu 
ihrem  Schaden  erfahren  müssen,  daß  allzu  langes  Warten  manch- 
mal nicht  die  richtige  Taktik  ist.  Es  wurde  zwar  mehrere  Male  von 
dieser  Partei  versucht,  die  Preise  durch  Baissemanöver,  wie  zum 
Beispiel  besonders  billige  Verkäufe,  herunterzudrücken,  jedoch 
stets  mit  negativem  Erfolge.  Für  die  Haffineure  bot  sich  also 
keine  Gelegenheit,  durch  geschicktes  Ausnutzen  von  Preiseehwan^ 
kungen   das   Glyzerindestillationsgeschäft   einigermaßen    rentabel 

20* 


308     VI.  Eohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

zu  gestalten.  Vielmehr  blieben  die  Preise  im  großen  und  ganzen 
vollständig  gleich.  Man  notierte  z.  B.  im  Anfang  des  Be- 
richtsjahres den  Preis  von  155  Fr.  für  100  kg,  abzüglich  3V2  ^/o 
Skonto,  fob  guten  kontinentalen  Hafens,  sonst  Pariser  Bedin- 
gungen. Dieser  Preis  stieg  dajin  ganz  langsam  im  ersten  Viertel- 
jahr biß  auf  160  Fr.  bei  gleichen  Bedingmigen,  um  bis  zur  Jahres- 
mitte wieder  abzubröckeln  bis  herab  zu  142V2  Fr.  Dieses  Sinken 
der  Preise  hatte  kein  besonderes  Baissemanöver  als  Ursache;  son- 
dern nur  die  absolute  Interesselosigkeit  der  Käufer  von  Rohware, 
speziell  der  Amerikaner,  veranlaßte  die  schwächeren  Produzenten 
von  Itohware,  die  aus  Mangel  an  flüssigen  Mitteln  von  Zeit  zu  Zeit 
unbedingt  realisieren  müssen,  ihre  Forderungen  nach  und  nach 
zu  ermäßigen.  Man  kann  wohl  sagen,  daß  unter  Umständen  die 
Preise  noch  weiter  heruntergegangen  wären,  wenn  nicht  in  diesem' 
kritischen  Moment  bei  einigen  Großkonsumenten  Bedarf  an 
Eohware  eingetreten  wäre.  Als  zwei  oder  drei  größere  Käufer 
im  Markt  erschienen,  schnellten  die  Preise  sofort  um  10  Fr. 
herauf,  um  langsam  aber  stetig  bis  auf  167V2  Fr.,  Pariser  Be- 
dingungen, zu  steigen.  Dieser  Preis  konnte  am  Schluß  des  Be- 
richtsjahres als  normal  bezeichnet  werden.  Als  befestigendes 
Moment  trat  wohl  auch  die  Tatsa^jhe  hinzu,  daß  gewisse  größere 
Lieferungsverträge  amerikanischer  Großfirmen  ungefähr  um  die 
Mitte  des  Berichtsjalires  abliefen;  man  nahm  an,  daß  dann  auch 
Amerika  wieder  ein  größeres  Interesse  für  den  europäischen  Markt 
zeigen   würde. 

Das  Fehlen  größerer  Preisschwankungen  zwang  wie  früher 
einmal  wieder  die  finanziell  schwächer  gestellten  Raffineure,  ihr 
Fertigprodukt  zu  äußerst  niedrigen  Preisen  auf  den  Markt  zu 
bringen,  nur  um  überhaupt  realisieren  zu  können  und  um  den 
eingegangenen  Verpflichtungen  zur  Abnahme  von  gekaufter  ExDh- 
ware  korrekt  nachkommen  zu  können.  Diese  niedrigen  Offerten 
der  kleineren  Firmen,  die  bei  Preisschwankungen  Rohware  billig 
hätten  einkaufen  können,  um  das  Fertigprodukt  dann  später  mit 
gutem  Spekulationsnutzen  zu  verkaufen,  machten  es  natürlich 
den  großen  und  finanziell  starken  Raffineuren  gleichfalls  äußerst 
schwer,  ihre  Ware  mit  Nutzen  abzustoßen.  Und  dies  um  so  mehr, 
als  die  deutschen  Raffineure  ja  infolge  der  bekannten  ungünstigen 
Zollverhältnisse  für  den  Absatz  ihres  Fertigprodukts  praktisch 
ausschließlich  auf  den  deutschen  Markt  angewiesen  sind.  Es  trat 
daher  auch  diesmal  wieder  der  ungesunde  Zustand. eia,  daß  nur 
derjenige  überhaupt  einen  Nutzen,  wenn  auch  nur  eiaen  beschei- 
denen, aus  seiner  Fabrikation  ziehen  konnte,  der,  mag  man  es 
nun  weise  Vorsicht  oder  gewagte  Spekulation  nennen,  sein;^ 
Maßnahmen  schon  lange  vorher  getroffen  hatte.  Das  gestattete 
ihm  jetzt,  billiger  zu  verkaufen  als  der,  welcher  seine  Kalkula- 
tionen auf  Basis  der  Tagespreise  für  die  Rohware  machen  mußte. 
Es  ist  bedauerlich,  daß  es  einer  so  wichtigen  Industrie,  wie  der 


80.     Chemisch-pharmazeutische    Präparate    und    Spezialitäten.     309 


Glyzerinindustrie,   nur   so   möglich   ist,   sich  überhaupt  aufrecht 
zu   erhalten. 

Diese  mißlichen  Verhältnisse  haben  es  auch  mit  sich  ge- 
bracht, daß  sich  die  Finanzen  einzelner  Firmen  als  zu  knapp 
ei-wiesen,  um  das  Spiel  durchzuhalten.  Hierbei  muß  man  aller- 
dings berücksichtigen,  daß  das  Glyzeringeschäft  wegen  des  hohen 
Wertes  des  Produkts  recht  erhebliche  finanzielle  Mittel  erfordert. 
Auch  viele  Produzenten  von  Rohware  sind  davon  abgekommen, 
sich  weiter  an  dem  Spiel  zu  beteiligen,  da  die  glyzerinreichen 
Fette  zu  hohen  Preisen  von  der  Nahrungsmittelbranche  auf- 
gekauft werden  und  sie  nur  noch  auf  die  glyzerinarmen  Fette 
angewiesen  sind,  bei  deren  Verwendung  es  sich  sehr  schwer  vor- 
her bestimmen  läßt,  wie  groß  die  Jahresproduktion  sein  wird. 
Und  dies  zu  wissen,  ist  wegen  des  Spekulationsmoments  unum- 
gänglich nötig. 

Um  es  kurz  zusammenzufassen,  kann  man  die  gegenwärtige 
Lage  des  Glyzerinmarktes  wohl  dahin  präzisieren,  daß  nur  der 
Erfolg  haben  kann,  dem  erhebliche  finanzielle  Mittel  und  ein 
gi^oßes  Talent  zum  Spekulieren  zur  Seite  stehen. 

Dsüi  Geschäft  in  Lanolin,  soweit  es  sich  um  die  Qualitäten 
handelt,  welche  zur  Herstellung  von  Salben,  Seifen  usw.  ver^ 
wendet  werden,  bewegte  sich  im  Berichtsjahre  in  durchaus  nor- 
malen Bahnen.  Die  Spezialprodukte,  für  die  das  Lanolin  in 
Frage  kommt,  erfreuen  sich  steigender  Beliebtheit  beim  Publikum, 
hauptsächlich  wegen  der  unvergleichlichen  guten  Wirkung,  die 
das  Lanolin  auf  die  Haut  hat. 

SO.    Chemisch-pharmazeutische   Präparate 

und    Spezialitäten. 

Selten  ist  ein  Jahr  so  ungünstig  verlaufen  wie  das  Jahr 
1913.  Am  Anfang  desselben  standen  wir  noch  unter  dem  Einfluß 
der  kriegerischen  Verwicklungen  auf  dem  Balkan,  als  dessen 
wichtigste  den  Handel  schädigende  Folge  die  außergewöhnliche 
Lage  des  Geldmarktes  angesehen  werden  muß.  Gerade  in  dem. 
Umstand,  daß  diese  Geldknappheit  so  lange  andauerte  —  denn 
der  Herabsetzung  des  Diskonts  gegen  Ende  Oktober  um  V2  ^/o 
konnte  ein  merklicher  Einfluß  nicht  zugeschrieben  werden  — , 
lag  eine  Erschwerung  für  den  Handel,  die,  nach  den  bereits 
festgestellten  ungünstigen  Verhältnissen  im  Jahre  1912,  nicht 
überwunden  werden  konnte.  Infolgedessen  war  auch  nach  Been- 
digung der  Kriegslage  eine  Besserung  in  der  zweiten  Hälfte  des 
verflossenen  Jahres  nicht  zu  verzeichnen.  D^er  Handel  mußte 
einen  schweren  Kampf  führen,  um  sich  in  seiner  Position  zu 
behaupten.  Der  Absatz  der  deutschen  Produktion  erfuhr  zwar 
eine  Steigerung,  diese  konnte  aber  nur  durch  einen  bedeutend 
erhöhten  Arbeitsaufwand  erreicht  werden.    In  erster  Reihe  nötigte 


Lanolin. 


Allgemeines. 


310     VI.  Kohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industiien. 


Einzelne 
Artikel 


die  schwierige  Beschaffung  von  Geldmitteln  zu  wiederholten 
kleineren  Einkäufen,  die  sich  unter  normalen  Verhältnissen  als 
eine  einzige  große  Handlung  mit  bedeutend  verring'^erter  Arbeit 
dargestellt  hätte.  DaJ^  sich  auch  eine  allgemeine  Zurückhaltung 
geltend  machte  und  daß  sich  der  geschäftliche  Verkehr  vielfach 
nur  auf  die  notwendigste  Bedarfsdeckung  beschränkte,  war  eine 
natürliche  Folgeerscheinung.  Der  Arbeitsaufwand  zur  Erzielung 
und  Abwicklung  der  G-eschäfte  stand  somit  nicht  im  richtigen 
Verhältnis  zu  deni  Erfolg  und  zu  dem  erzielten  Grewinn.  Dieser 
wurde  schließlich  noch  durch  eine  das  ganze  Jahr  anhaltende 
rückläufige  Konjunktur  der  Warenwerte  weiter  beeinträchtigt, 
so  daß  eine  große  Anzahl  geschäftlicher  Unternehmungen  kaum 
eine  ausreichende  Deckung  der  erheblich  erhöhten  Unkosten, 
geschweige  denn  einen  Grewinn  erzielt  haben  dürfte. 
Einen  Beweis  für-  den  Handelsrückgang  liefert  auch  die  zu- 
nehmende Häufigkeit  von  Schleuderpreisen,  besonders  haben  sich 
diese  in  den  letzten  Monaten  des  Jalires  bemerkbar  gemacht.  Die 
Ursache  ist  zum  Teil  in  dem  Verkauf  der  Warenvorräte  nur 
mit  minimalem  Aufschlag  oder  ohne  einen  solchen  zur  Beschaffung 
von  Barmitteln  zu  suchen,  vielfach  aber  auch  in  dem  Bestreben, 
einen  dei-  rückläufigen  Konjunktur  unterliegenden  Artikel  sofort 
zu  Geld,  zu  machen,  bevor  eine  weitere  Entwertung  desselben 
eintritt.  Die  Schädigung  ist  dann  gewöhnlich  doppelt,  denn 
nicht  nur*  der  Verkäufer  erleidet  einen  solchen  Verlust,  auch 
der  Käufer  hat  den  vermeintlichen  billigen  Kauf,  wenigstens  für 
einen  Teil  dieser  Ware,  vielfach  später  zu  bereuen. 

Eine  rückläufige  Konjunktur  mußte  bei  einer  großen  An- 
zahl von  Handels-  und  Fabrikationsartikeln  beobachtet  werden. 
Die  Ursachen  für  diese  liegen  zum  Teil  in  den  vorstehend  ge- 
schilderten Verhältnissen,  zum  Teil  in  der  Ueberproduktion. 

Opium  hat  im  Laufe  des  Jahres  einen  Preisrückgang  von 
36  Mk.  auf  23  Mk.  erfahren.  Dieser  Rückgang  des  Rohmaterialien- 
wertes  hatte  einen  prozentual  noch  größeren  der  Alkaloide  zur 
Folge.  Die  wichtigsten  von  ihnen,  nämlich  Morphium  und  Codein, 
haben  folgenden  Wertänderungen  unterlegen  (Preise  in  Mark 
für   1   kg): 


Morphium 

Codein 

30.  Mai       ... 

.      376  M. 

15.  Februar    .     . 

585  M 

17.  Juni     .     .     . 

356   „ 

6.  März     .     .     . 

550    „ 

9.  Juli      .     .     . 

346   „ 

3.  Juni     .     .     . 

535    „ 

1.  September    . 

326   „ 

11.  Juli      .     .     . 

505   „ 

4.  September    . 

321    „ 

19.  Juli      .     .     . 

475   „ 

22.  September   . 

291    „ 

1.  September    . 

455   „ 

9.  Oktober    .     . 

285   „ 

25.  September    .     . 

425    „ 

6.  November    . 

t             1        TT      t         •           •      1 

275    „ 

T.                1         TT      1 

6.  November     .     . 

400   „ 

-trr       i 

Auch  Kokain  ist  durch  Ueberproduktion  stark  im  Werte  ver- 
mindert worden,  nämlich  von  275  Mk.  für  1  kf^  für  das 
handelsübliche  salzsaure  Präparat   auf   185  Mk. 


80.     Chemisch-pharmazeutische    Präparate    und    Spezialitäten.     3 1 1 


Aus  der  Reihe  der  Teerprodukte  ist  die  kristallisiertö  Kar- 
bolsäure als  besonders  entwerteter  Artikel  zu  nennen.  Der  Rücki 
gang  ist  auf  über  20o/o  des  im  Jahre  1912  vorhandenen  Wertes 
zu  bemessen. 

Ein  empfindlicher.  Verlust  für  die  Fabrikanten  ist  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Jahres  1913  durch  den  Rückgang  in  den 
Notierungen  für  Salmiakgeist  eingetreten.  Die  synthetische  Hern 
Stellung  dieses  Artikels  hat  eine  derartige  Entwertung  zur  Folg*© 
gehabt. 

Von  Handelsartikeln  sind  raffinierter  Kampfer  durch  Ueber-^ 
schwemmen  des  deutschen  Marktes  mit  dem  japanischen  Produkt, 
Quecksilber  durch  Ueberproduktion,  Menthol  infolge  einer  vor-, 
züglichen  Ernte  der  Pfefferminzpflanze  in  Japan  und  infolge 
Wegfalles  der  bisherigen  Monopolstellung  des  Artikels  beson- 
ders in  ihren   Werten  herabgesetzt  worden. 

Nur  einen  verhältnismäßig  geringen  Schutz  konnten  die 
kürzere  oder  längere  Zeit  bestehenden  Handelssyndikate  bieten, 
auch  diese  mußten  unter  dem  Drucke  der  allgemeinen  Verhält- 
nisse die  Preise  einiger  xlrtikel  ermäßigen,  wie  z.  B.  diejenigen 
von  Salizylsäure  und  den  damit  zusammenhängenden  Produkten, 
wie  Salol,  Azetylsalizlylsäure,  ferner  Chloroform,  Strychnin. 

Einen  Einfluß  auf  den  geschäftlichen  Verkehr  in  der  Branche 
übte  auch  die  Tatsache  aus,  daß  das  Apothekerwesen  noch  immer 
nicht  geregelt  ist.       j 

Das  Verhältnis  zwischen  Arbeitgeber  und  Arbeiter  kann  im 
großen  ganzen  als  dauernd  gut  bezeichnet  werden;  Lohnbewegun- 
gen oder  Streiks  von  irgendwelcher  Bedeutung  sind  nicht  vor- 
gekommen ;  sicherlich  hat  dazu  das  Bestreben  der  Betriebe,  sieh 
einen  gnten  Stamm  von  ständigen  Arbeitern,  selbst  unter  Ge- 
währung größerer  Geldopfer,  zu  erhalten,  beigetragen. 

Als  Neuerung  in  den  Verkehrsverhältnissen  ist  die  Eröffnung 
des  Berliner  Osthafens  und  des  Großschiffalirtsweges  Berlin- 
Stettin  zu  verzeichnen.  Beide  sind  für  den  Handel  sicherlich  von 
großer  Wichtigkeit,  und  wenn  der  Nutzen  daraus  auch  erst  im 
Laufe  der  Jahre  zur  vollen  Geltung  kommen  kann,  so  dürfte  für 
das  Jahr  1914  schon  eine  Wirkung  insofern  hervortreten,  als 
die  Wasserverkehrslinien  Hamburg-Berlin  sich  ihren  Vorsprung 
mit  allen  Mitteln  zu  sichern  versuchen  werden.  Für  die  Berliner 
A'^erkehrsverhältnisse  ist  die  Linie  Berlin-Hamburg  heute  noch 
die  Hauptader  für  die  Ein-  und  Ausfuhr ;  sollte  diese  eine  Einbuße 
erleiden,  so  könnten  höchstens  die  in  vielen  Punkten  wohl  re-^ 
visionsfähigen    Platzverhältnisse    Hamburgs    die    Schuld    tragen. 

Am  Schlusse  des  Jahre®  1913  sind  wir  sicherlich  auf  einer 
allgemein  niedrigeren  Wertlage  der  Artikel  unserer  Branche  an- 
gelangt, nur  wenige  sind  unverändert  geblieben,  vereinzelte  haben 
eine  höhere  Position  erreicht,  z.  B.  Chinin,  Borax  und  Borsäure, 


Syndikate. 


Apotheker- 

tz. 


Arbeiter- 
verhaltrisse. 


Verkehrs- 
verhältnisse. 


Schluß 
des  Jahres. 


312     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

Jod-Präparate,  Santonin,  Zitronensäure.  Die  Schäden  aber,  die 
das  Jalir  1913  dem  Handel  beigebracht  hat,  werden  noch  lange 
empfunden  und  nicht  sobald  beseitigt  werden  können,  zumal  eine 
Besserung  der  allgemeinen  Verhältnisse  am  Schlüsse  des  Berichts- 
jahres noch  nicht  festgestellt  werden  konnte. 
Einzelne  lieber   einzelne   Artikel    entnehmen   wir   einem   zweiten    Be- 

ZweU^Bericht      i'^chte  noch  folgendes: 

Die  Preisd  für  Salizylsäure  und  Salizylpräparabe  blieben  in 
der  ersten  Hälfte  des  Jahres  unverändert,  wurden  jedoch  im 
Herbst,  den  Preisen  von  Karbolsäure  folgend,  um  etwa  20o/o  er- 
mäßigt. Letzterer  Artikel  verfolgte  eine  weichende  Tendenz  und 
hat  im  Oktober  d.  J.  einen  Preisstand  erreicht,  der  wohl  kaum 
noch   unterschritten  werden   dürfte. 

In  der  Fabrikation  von  Borpräparaten  macht  die  Beschaffung 
genügender  Mengen  Rohmaterials  zur  Deckung  des  stetig  zu- 
nehmenden Weltkonsums  immer  größere  Aufwendungen  für  die 
Erschließung  neuer  Minen  erforderlich,  wodurch  sich  die  Her- 
stellungskosten niöht  unwesentlich  erhöhen.  Dementsprechend  be- 
wegten sich  die  Preise  für  Borax  und  Borsäure  aufwärts.  Im 
Februar  wurden  sie  um  1  Mk.  für  100  kg  erhöht  und  am  1.  Okt. 
erfolgte  eine  weitere  Preiserhöhung  für  Borsä,ure  um  4  Mk.  für 
100    kg. 

Die   Preise   von   Bismut-   und    Brompräparaten   haben  keine 
Aenderung  erfahren.    Der  Absatz  war  befriedigend. 

Der  Absatz  von  Kampfer  war  normal,  okne  daß  jedoch  eine 
Aufbesserung  der  Preise  erfolgen  konnte. 

Der  Absatz  von  Chloralhydrat  bewegte  sich  im  bisherigen 
Umfange.  Die  Preise,  welche  zu  Anfang  des  Jahres  fast  keinen 
Nutzen  mehr  ließen,  haben  in  letzter  Zeit  eine  kleine  Auf- 
besserung erfaJiren. 

Nach  Kokain  herrschte  zu  Anfang  des  Jahres  sehr  starke 
Nachfrage,  so  daß  den  Anforderungen  vielfach  nicht  Genüge  ge- 
leistet werden  konnte.  Dann  trat  aber  ein  starker  Rückschlag 
ein  und  die  Preise  fielen  von  260  IVIk.  für  1  kg  bis  auf  155  Mk. 
für  Hydrochloricum  und  haben  damit  eiaen  Tiefstand  erreicht, 
wie  seit  langen  Jahren  nicht.  Obwohl  diese  Preise  in  keinem 
Verhältnis  zu  dem  für  die  Rohware  stehen,  ist  die  Marktlage 
mangels   Nachfrage   sehr   flau. 

Kollodium  und  SchVefeläther  fanden  befriedigenden  Absatz. 
Die  Preise,  welche  von  den  Spritpreisen  abhängig  sind,  haben 
sich  seit  Anfang  des  Jahres  in  gleicher  Höhe  gehalten.  Der  Preis 
für  Spiritus  war  Mitte  November  62,50  Mk.  für  100  Liter  96er 
Sprit. 

Glyzerin  war  nur  geringen  Schwankungen  unterworfen.  Die 
Preise  bewegten  sidh  zwischen  155  Mk.  und  165  Mk.  für  doppelt 
destillierte  Pharmacopoeware. 


81.    Drogenhandel.  313 

Jod  erfuhr  im  August  eine  beträolitliche  Erhöhung.  Der 
Eohjodpreis  wurde  von  71/2  auf!  9  d  für  1  oz.  engl,  erhöht.  Jod- 
präparate  entsprechend. 

Pyrogallussäure,  Tannia  und  Gallussäure  behaupteten  ihren 
Preisstand  bei  befriedigendem  Absatz.  In  den  Balkaaländern 
allerdings  machte  sich  ein  Stillstand  der  Greschäfte  bemerkbar; 
das  Geschäft  dorthin  kommt  erst  langsam  wieder  in  Fluß.  Die 
Preise  für  das  Rohmaterial,  Gallen,  waren  im  Berichtsjahre  fest,  da 
die  Unruhen  in  China  die  Exporte  beeinflußten.  Im  November 
setzte  eine  Aufwärtsbewegung  ein. 

Die  Vorräte  von  Zitronensäure  wurden  im  Sommer  äußerst 
knapp,  w-as  eine  rapide  Steigerung  der  Preise  verursachte.  Während 
zu  Anfang  des  Jahres  noch  Notierungen  von  3,20  Mk.  vorkamen, 
waren  im  November  selbst  beschränkte  Mengen  zu  4,50  Mk.  kaum 
erhältlich. 

Die  Preise  für  Brechweinsteüi  hatten  lq  der  ersten  Hälfte 
des  Jahres  infolge  größerer  Vorrä,te  etwas  nachgegeben.  Nach- 
dem diese  aber  ia  den  Konsum  übergegangen  sind,  verfolgt  auch 
dieser  Artikel  wieder  eine  steigende  Tendenz. 

Die  Präparate  Medinal,  Arthigon,  Hormonal,  Atophan,  He- 
gonon  haben  sich  bei  den  Aerzten  gut  eingeführt.  Auch  in  photo- 
graphischen   Chemikalien   ist    der    Geschäftsgang   befriedigend. 

81.  Drogenhandel. 

Das  Jahr  1913  bot  für  den  Handel  mit  Drogen  und  Chemi-  Allgemeines 
kalien  ein  wenig  erfreuliches  Bild.  Wenn  auch  die  statistischen 
iZahlen  über  die  Ein-  und  Ausfuhr  von  chemischen  und  pharma- 
zeutischen Erzeugnissen,  Farben  und  Farbwaren  eine  ununter- 
brochene Steigerung  aufweisen  (die  bis  Ende  September  vor- 
liegenden Zahlen  weisen  gegen  das  Vorjahr  für  die  Ausfuhr  em 
Plus  von  über  4  Mill.  Doppelzentner  nach),  so  war  die  allgemeine 
Geschäftslage  doch  derartig,  daß  von  einem  befriedigenden  Er- 
gebnis nicht  gesprochen  werden  kann.  Die  fast  während  des 
ganzen  Zeitabschnittes  andauernden  unsicheren  politischen  Ver- 
hältnisse und  der  teuere  Geldstand,  der  enidlich  Ende  Oktober 
durch  Herabsetzung  des  Eeiöhsbank-Diskonts  von  60/0  auf  öVoO/o 
eine  kleine  Erleichterung  erfuhr,  wirkten  hemmend  auf  die  En1> 
Wicklung  der  Geschäfte  ein.  Die  rückgängige  Konjunktur  hat 
starke  Verluste  auf  vorhandene  Lagerbestände  gebracht  und  den 
Gewinn  beträchtlich  geschmälert.  Die  Umsiätze  im  Handel  mit 
pharmazeutischen  und  teohnischen  Drogen  und  Chemikalien  be- 
wegten sich  ümerhalb  der  Grenzen  des  vorhandenen  Bedarfes; 
für  größere  spekulative  Geschäfte  und  Unternehmungen  fehlte 
der  Boden  infolge  des  schwierigen  Geldmarktes.  Durch  geringe 
Beschäftigung  im  Baugewerbe  und  in  der  Industrie  wurde  der 
Bedarf  erheblich  eingeschränkt.  Erst  mit  Beginn  des  Herbstes 
machte     sich   hierin    eine    kleine    Besserung   bemerkbar. 


314     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


Ausfiihr. 


InlandgeschäfT. 


Soziale  Lasten. 


Zahlungs- 
verhältnisse. 


Die  Ausfuhr  nach  dem  Balkan  stockte  zeitweilig  ganz.  Sie 
nahm  aber  einen  lebhaften  Charakter  an  nach  Beendigung  des 
Krieges,  da  es  galt,  die  erschöpften  Lagerbestände  wieder  zu  er- 
gänzen. Die  Zahlungen  nach  Ablauf  der  Moratorien  gingen  be- 
friedigend ein.  Der  Absatz  nach  Rußland,  Schweden,  Norwegen 
und  Dänemark  war  normal,  die  Ausfuhir  über  See  durch  die  Wirren 
in  China  und  Mexiko,  durch  schwierige  wirtschaftliche  Verhält- 
nisse in  Indien,  Brasilien,  Chile  und  Japan  beschränkt.  Bis  zur 
Fertigstellung  des  neuen  Zolltarifs  der  Vereinigten  Staaten  von 
Amerika  war  auch  dorthin  kein  lebhaftes  Gresdhäft  möglich.  Wenn 
trotzdem  die  Ausfuhrziffern  höher  waren  als  im  Vorjahre,  so 
mag  dies  seinen  Grund  darin  haben,  daß  noch  vielfach  alte  Kauf- 
abschlüsse zur  Erledigung  kamen  und  daß  man  seitens  der  Fabri- 
kanten zu  jedem  Opfer  am  Grewinn  bereit  war,  nur  um  die  Be- 
triebe nicht  einzuschränken  und  um  die  Arbeiter  zu  beschäftigen. 

Im  Inlande  machte  sich  wie  immer  in  derartig  schlechten 
Zeiten  eine  Schleuderei  bemerkbar,  die  auf  den  ganzen  Grescbäfts- 
zweig  sdhiädigend  wirkte.  Die  Bildung  von  Einkaufsgenossen- 
schaften, die  den  freien  Großhandel  zu  umgehen  suchen,  nimmt 
stetig  zu.  Hohe  Flußschiffahrt-  und  See-Frachten  mußten  in 
Kyechnung   gezogen   werden. 

Die  ohnehin  ständig  steigenden  Geschäftsunkosten  erfuhren 
eine  weitere  Erhöhung  durch  die  neue  Reichs versicherungs- Ord- 
nung und  das   Versicherungsgesetz   für  Angestellte. 

Die  Zahlungsverhältnisse  ließen  infolge  des  teueren  Geld- 
standes und  der  allgemeinen  mißlichen  wirtschaftlichen  Lage 
viel  za  wünschen  übrig,  namentlich  waren  häufig  Verluste  bei 
Gesellschaften    mit   beschränkter-  Haftung    zu    verzeichnen. 


Neuordnung 
der  Kranken- 
versicherung. 


82.  A  p  o  t  h  e  k  e  r  g  e  w^  e  r  b  e. 

Die  Signatur  des  Jahres  war  für  die  Apotheker  die  V^or- 
bereitung  der  Einführung  der  neuen  gesetzlichen  Bestimmungen 
über  die  Krankenversicherung.  DurCh  das  Inkrafttreten  des 
zweiten  Buches  der  E/eichsversicherungsordnung  am  1.  Jan.  1914 
wird  für  die  Apotheken  eine  völlig  neue  Lag^e  geschaffen.  Die 
Neuorganisation,  welche  wenige  große  Kassen  an  die  Stelle  zahl- 
reic'her  kleinerer  setzt  —  in  Preußen  wird  die  Zahl  fast  auf 
die  Hälfte  verringert  — ,  schafft  wesentlich  mächtigere  Kontra- 
henten für  die  Apotheker.  Der  Zwangsrabatt,  den  sie  auf  die 
rezeptmäßig  verschriebenen  Arzneien  gewähren  müssen,  ist  von 
den  obersten  Verwaltungsbehörden  sehr  hoch,  auf  lOo/o  and  mehr, 
angesetzt  worden,  und  es  sind  üinen  für  eine  lange  Reihe  von 
sogenannten  Handverkaufsartikeln  besondere,  verhältnismäßig 
niedrige  Preise  vorgeschrieben  worden.  Trotzdem  scheint  sich  die 
Neuregelung  des  Verhältnisses  zwischen  Apotheken  und  Kassen 
im   großen   und   ganzen   glatt   zu   vollziehen,   namentlich   da   die 


82.    Apothekergewerbe.  315 

ersteren,  ihrer  Ankündigung  enteprechend,  niöht  an  einen  Kampf 
denken,  sondern  sich  überall  bereit  zeig-en,  unter  annehmbaren 
Bedingungeii  abzuschließen,  und  die  letzteren  dem  mannigfachen 
Versuche,  Unfrieden  zu  säen,  nicht  stattzugeben  geneigt  sind. 
Freilich  war  am  Jahresende  eigentlich  alles  noch  im  AVerden, 
hiauptßächlich  weil  in  den  meisten  Bezirken  des  Eeiches  die 
amtlidien  Verordnungen  noch  nicht  ergang-en  waren,  die  für  den 
endgültigen  Abschluß  die  Unterlage  bilden  mußten.  Jedoch  war 
zu  hoffen,  daß  die  Ueberleitung  in  die  neuen  Verhältnisse  sich 
ohne   stärkere  Reibungen   abwickeln  werde. 

Es  war  dies  im  wesentlichen  der  Tätigkeit  des  Deutschen 
Apoihleker- Vereins  zuzuschreiben,  der  für  den  Verkehr  mit  den 
Kassen  besondere,  nach  wirtschaftlichen  Grebieten  abgegrenzte 
Organisationen  geschaffen  und  zweckmäßige  Vorschläge  für  die 
Hand^^^kaufslisten  herausgegeben  hat,  beides  Maßnahmen,  welche 
sich  gut  bewähren. 

Wie  die  neuen  gesetzlichen  Bestimmungen  auf  den  Gesdliäfts- 
betrieb  der  Apotheken  wirken  werden,  läßt  sich  noch  nicht  über- 
sehen; man  steht  aber  in  Fachkreisen  dieser  Frage  durchaus  nicht 
optimistisch  gegenüber.  Wenn  vielfach  aus  der  Tatsache,  daß 
etwa  fünf  Millionen  Personen  der  Krankenversicherungspflicht 
neu  unterworfen  werden,  der  Schluß  gezogen  \vird,  daß  damit 
den  Apothekern  ein  bedeutender  Gewinn  zugeführt  werde,  so  ist 
das  in  diesem  Umfange  sicher  eine  irrige  Annahme.  Diese  Per- 
sonen waren  zum  Teil  schon  landesreohtlich  versichert  oder  wurden 
auf  Grund  anderer  gesetzlichen  Verpflichtungen  bereits  von  jeher 
auf  Kosten  der  Arbeitgeber  mit  den  nötigen  Arzneien  versorgt, 
wie  die  Dienstboten,  oder  hatten  sie  aus  eigener  Tasche  bezahlt, 
z.  B.  diejenigen,  welche  2000  bis  2500  Mk.  Gehalt  beziehen,. 
Sollte  aber  tatsächlich  eiae  kleine  Vermehrung  des  Umsatzes  ein- 
treten, so  steht  dem  der  Zwangsrabatt  von  10  o/o  und  der  Ver- 
lust gegenüber,  den  die  Apotheker  durch  die  Pflicht  zur  Ge- 
währung der  niedrigeren  Handverkaufspreise  vielfach,  namentlich 
auf  dem  Lande,  sidher  haben  werden.  Wie  ein  etw^aiger  Kampf 
zwischen  den  Kassen  und  Aerzten,  der  ja  allerdiags,  wie  es  sicfheint. 
Inoch  in  letzter  Stunde  verhindert  werden  wird,  enden  würde, 
liegt  ganz  im  dunkeln. 

Der  Vorentwurf  für  ein  neues  Warenzeichengesetz  wurde  in  warenzeicben- 
Apothiekerkreisen  scharf  kritisiert.  Die  Anwendung  des  Gesetzes 
von  1894  auf  die  Arzneimittel,  namentlich  die  Zulassung  von 
Wortzeichen,  hat  nach  Ansicht  der  Apotheker  so  viele  und  schwere 
Mißstände  gesdhaffen,  daß  Abhilfe  dringend  notwendig  ist.  Trotz 
des  Nachweises  dieser  Uebelstände,  so  wurde  ausgeführt,  habe  das 
Beiöhsamt  in  dem  Vorentwurf e  auch  nicht  den  leisesten  Versuch 
dazu  gemacht,  vielmehr  in  der  Begründung  sich  ausdrücklich 
gegen  jede  Abänderung  erklärt.  Es  gehe  dabei  von  der  ganz 
unriclitigen   Voraussetzung  aus,   daß   die   Arznei   eine    Ware   wit^ 


gesetz. 


316     VI.  Eohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


jede  andere  sei,  und  ziehe  daraus  Schlußfolgerungen,  die  ganz 
unhaltbar  seien.  Es  sei  heut  so  weit  gekommen,  daß  gerade  die 
Fabrikanten  von  Geheim-  und  Schwindelmitteln  sich  mit  Erfolg 
des  gesetzlißhen  Schutzes  bedienen,  der  ihren  Produkten  in  den 
Augen  des  Publikums  einen  gewissen  amtlichen  Nimbus  verleihe 
und  sie  gleidhlzieitig  der  Notwendigkeit  enthebe,  die  Ware  zu 
deklarieren.  Die  ungeheure  Zahl  von  geschützten  Arzneimittel- 
namen, die  jährlich  um  Tausende  vermehrt  werde,  müsse  schließ- 
lich zur  Verwirrung  führen;  es  drohe  hier  eine  Gefahr,  die  an 
amtlicher  Stelle,  wie  es  scheine,  nicht  recht  erkannt  werde.  Um 
dem  Erfinder  und  dem  tüchtigen  Geschäftsmann  den  ihm  ge- 
bührenden Lohn  zu  sichern,  genüge  das  Patentgesetz  und  die 
Beifügung  des  Firmennamens  vollkommen. 
Arzneitaxe.  Im  Übrigen  fordert  das  Apothekergewerbe  unter  Hinweis  auf 

das  AnwaeJisen  der  Steuern,  der  sozialen  Lasten  usw.  eine  Er- 
höhung der  Arzneitaxe.  Sie  wurde  im  Bundesrate  auch  von 
Bayern  beantragt,  scheiterte  aber  an  dem  Widerstände  der  preu- 
ßiscHieni  Regierung.  Die  neue  Taxe  für  1914  bringt  im  ganzen 
Igenommen  eher  eine  Erniedrigung  der  Arzneipreise  als  eine 
Erhöhung. 

83.   Terpentinöl  und  Harze   (Kolophonium). 

Terpentinöl.  Die   Marktlage    für   Terpentinöl    im   Jahre    1913   war   noch 

ruhiger  als  im  Jahre  zuvor.  Preisschwankungen  erheblicherer  Art 
waren  nicht  zu  verzeichnen.  Es  wurde  nur  der  Bedarf  gedeckt; 
spekulative  Käufe  größeren  Umfanges  kamen  nicht  zustande. 
(Zu  Beg'inn  des  Jahres  stellte  sich  der  Preis  für  ameri- 
kanisches Terpentinöl  auf  etwa  64  Mk.  für  100  kg.  Mit  ge- 
ringen Preisveränderungen  erhielt  sich  diese  Notiz  wäkrend  des 
ersten  Quartals.  Im  zweiten  Quartal  fielen  die  Preise  langsam 
bis  auf  etwa  58  Mk.,  um  dann  bis  zum  Jahresschluß  allmählich 
wieder  bis  auf  64  Mk.  anzuziehen.  Die  Preise  für  französische 
lind  griechisches  Terpentinöl  folgten  den  Preisen  für  ameri- 
kanische Oele.  Der  Verbrauch  von  Terpentinöl-Ersatzmitteln 
hielt  sich  'ungefähr  auf  der  gleichen  Höhe  wie  im  Vorjahre.  Die 
Preise  für  die  Ersatzmittel,  welche  zum  größten  Teil  aus  Schwer- 
benzin  bestehen,  verfolgten  weichende  Tendenz.  Die  Markt- 
preise für  russisches  Terpentinöl  (Kienöl)  fielen  von  42  ^Ik. 
zu  Anbeginn  des  Jahres  bis  auf  37  Mk.  gegen  Mitte  des  Jahres, 
um  dann  langsam  aber  stetig  sich  wieder  zu  befestigen.  Im 
November  notierten  die  Preise  44  Mk.  franko  Berlin.  Mehrere 
inländische  Baffinieranstalten  für  russisches  Terpentinöl  haben 
die  Fabrikation  wegen  mangelnder  itentabilität  aufgegeben,  haupt- 
sächlich weil  die  Nachfrage  nach  Kienölraffinaten  infojlge  der 
niedrigeren  Preise  des  amerikanischen  Terpentinöls  und  der  stei- 
genden Verwendung  von  Mineralölen  als  Terpentinölersatz  immer 
mehr  nachließ. 


83a.    Petroleum  und  andere  Mineralöle. 


317 


Die  Preise  für  amerikanisches  Harz  (Kolophonium)  notierten 
zu  Be,ginn  des  Jahres  etwa  26  Mk.  für  100  kg  für  Marke  B/C. 
Sie  stiegen  im  ersten  Quartal  bis  auf  etwa  28  Mk.,  um  dann 
eine  stark  rückläufige  Bewegung  einzuschlagen,  welche  das  ganze 
Jahr  über  andauerte.  In  der  zweiten  Hälfte  des  November  waren 
die  Preise  für  dunkles  Harz  Marke  B/C  auf  etwa  18  Mk.  loko 
Hamburg  gesunken.  Aingesichts  dieser  rückgängigen  Bewegung 
deckte  der  Konsum  nur  den  notwendigsten  Bedarf. 

83a.    Petroleum    und    andere   Mineralöle. 

Die  kräftige  Entwicklung,  welche  das  Geschäft  seit  einigen 
Jahren  nimmt,  hat  sich  in  besonders  starkem  Miaße  fortgesetzt. 
Der  hohe  Preisstand  für  Petroleumpnodukte  regte  die  Unter- 
nehmungslust allenthalben  an  und  führte  so  zu  einer  erhöhten 
Bohrtätigkeit,  die  im  Verein  mit  günstigen  Ergebnissen  neuer 
Gebiete  eine  weitere  Steigerung  der  Welt-Hohöl-Produktion  um 
10 o/o  gegenüber  dem  Vorjahr  zur  Polge  hatte.  Die  Gesamtgewin- 
nung hat  damit  die  Menge  von  50  Mill.  t  überschritten.  Der 
durch  die  vermehrte  Produktion  ermöglichten  größeren  Erzeugung 
von  Petroleum-Produkten  stand  aber  bei  der  Mehrzahl  von  ihnen 
eine  nicht  weniger  bedeutende  Steigerung  der  Nachfrage  gegen- 
über. Insbesondere  war  dies  der  Fall  bei  dem  zum  Betrieb  von 
Explosion^-  und  Wärme-Motoren  gebrauchten  Benzin  und  Treiböl, 
sowie  bei  dem  als  flüssiges  Feuerungsmaterial  verwendeten  Heizöl. 
Im  Verfolg  dieser  Entwicklung  sind  auch  die  Preise  auf  einem 
hohen  Niveau  geblieben.  Das  Leuchtöl;  welches  früher  die  Haupt- 
rolle im  Geschäft  mit  Petroleum^Produkten  spielte,  ist  an  Be- 
deutung zugunsten  der  vorerwähnten  anderen  Eohöl-Derivate  zu- 
rückgetreten, da  sein  Verbrauch  nicht  annähernd  in  gleichem  Maße 
zunimmt.  Da  andererseits  die  größere  Kohölverarbeitung  eine 
höhere  Leuchtöl-Erzeugung  zur  Folge  hat,  waren  zur  Deckung 
des  Bedarfs  mehr  als  reichliche  Mengen  vorhanden.  Im  all- 
gemeinen waren  die  Preise  für  Leuchtöl  trotz  der  geschilderten 
Sachlage  recht  hoch.  In  Deutschland  jedoch  hielt  die  den  Markt 
beherrschende  Tochtergesellschaft  der  Standard  Oil  Company  den 
Leuchtölpreis  aus  besonderen  Bücksichten  weiterhin  auf  dem 
gleichen  niedrigeren  Niveau,  wie  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 
1912.  Die  Frachtraten  für  Tankschiffe  waren  im  Durchäclyiitt 
niedriger  als  im  Vorjahre,  obgleich  gelegentlich  der  Mangel  an 
Transportraum  noch  sehr  erheblich  war  und  in  Ausnahmefällen 
Bekordsätze  gezahlt  wurden.  Nachdem  im  Laufe  der  Berichts'- 
periode  eine  größere  Anzahl  von  neuerbauten  Schiffen  in  Dienst 
gestellt  worden  war,  trat  gegen  Ende  deö  Jahres  auf  dem  Frach- 
tenmarkt eine  erhebliche  Abschwächung  ein,  die  vorbehaltlich 
besonderer  Ereignisse  wohl  als  dauernd  angesehen  werden  kann. 

Die  Bohölgewlonung  der  Welt  belief  sich  im  Berichtsjahre 
insgesamt  auf  50  800  000  t  gegenüber  46  700000  t  in  1912.  Die 
Produktion  der   für   die   Lieferung   des   deutschen    Bedarfs   von 


Petroleum. 


Rohöl- 
gewinnung im 
Ausland. 


318     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

Rohöl-Derivaten  heute  hauptsächlich  in  Fragte  kommenden  Export- 
länder stellte  sich  im  Vergleich  zum  Vorjahre  wie  folgt: 

1912  1913 

t  t 

Vereinigte  Staaten 29  097  000  32  314  000 

Rußland 9  326  000  9  247  000 

Rumänien 1  807  000  1  885  000 

Galizien 1  187  000  1  087  000 

Ueber  die  Produktion  von  Mexiko  sind  genaue  Angaben  noch 
nicht  zu  erhalten.  Schätzungen  veranschlagen  die  Ausbeute  für 
1913  lauf  3  Mül.  t  gegenüber  2,2  Mill.  t  im  Vorjahr.  Die  Roh- 
ölgewinnung  in  Niederländisch-  und  Britisch-Ludieii  hat  sich  un- 
gefähr auf  der  Höhe  des  Vorjahres  bewegt,  und  zwar  die  Mengen 
von  1500000  t  bzw.  1000  000  !t  erreicht.  Die  letztere  Ziffer 
beruht  auf  einer  vorläufigen   Schätzung. 

In  den  Vereinigten  Staaten  entfällt  die  Steigerung  der  Pro- 
duktion insbesondere  'auf  das  Oelgebiet  von  Oklahoma-Kansas  und 
auf  Kalifornien,  und  zwar  haben  beide  in  ungefähr  gleichem  Aus- 
maß, nämlich  mit  je  etwa  IV2  Mill.  t  zu  der  Erhöhung  beige- 
tragen. Rußland  weist  eine  etwas  g^eringere  Produktion  auf, 
weil  der  Grubenbetrieb  in  den  Hauptgebieten  infolge  eines  Ar- 
beiterstreiks im  August  und  September  erheblich  eing'esch rankt 
war.  Rumänien  hat  wiederum  mehr  produziert  als  im  Vorjahr. 
Die  Steigerung  wäre  jedenfalls  noch  beträchtlicher  gewesiem,  wenn 
nicht  die  Mobilisation  mit  ihren  Folgen  störend  eingewirkt  hätte. 
Außerdem  hatte  ein  Grubenbrand,  von  dem  im  Herbst  einige 
besonders  ergiebige  Schächte  betroffen  wurden,  eine  vorübergehende 
Produktionsvermiuderung  zur  Folge.  In  Galizien  ist  der  weitere, 
gegenüber  früher  allerdings  geringfere  Rückgang  von  T'ustanowice 
durch  eine  bessiere  Ergiebigkeit  von  Boryslaw  und  den  anderen 
Feldern  nur  zum  Teil  ausgeglichen  worden,  9o  daß  die  Gesamt- 
produktionsziffer etwas  hinter  derjenigen  von  1912  zurückbleibt. 
Rohölpreise.  Dio  Rohölprcise  bewegten  sich  im  Einklang  mit  den  Forde- 

rungen für  Derivate  auf  einem  ziemlich  hohen  Niveau.  Die  No- 
tierungen ab  Grube  stellten  sich  wie  folgt: 


Fennsylvanisches 

Oklahoma 

Russisches 

Qalizisches 

Rohöl 

Rohöl 

Rohöl 

Rohöl 

$per 

M.  per 

$per 

M.  per 

Kop.  per 

M.per 

Kr.        M.per 

barrel 

t 

barrel 

t 

Pud 

t 

%  kg          t 

Mitte  Januar         2,05 

65,70 

0,83 

26,60 

37  — 

48,80 

8,12       69,— 

„       April            2.50 

80,10 

0,88 

28,20 

40,25 

53,15 

9,72       82,60 

,       Juli               2,50 

80,10 

0,98 

31,20 

41,25 

54,45 

8,35       71,— 

„       Oktober      2,50 

80,10 

1,03 

33,- 

49,50 

55,35 

8,71       74,05 

Dezember  2,50 

80,10 

1,03 

33,— 

40,— 

52,80 

8,10       68,85 

Für  rumänisches  Rohöl,  das,  wie  früher  bemerkt,  nicht 
offiziell  notiert  wird,  wurde  zu  Ende  des  Berichtsjahres  ein  Preis 
von  etwa  80  Fr.  z=^  65  M.  per  Tbnne  genannt. 


83a.    Petroleum  und  andere  Mineralöle. 


319 


Die  auffallende  plötzlliche  Hinaufsetztmg'  der  Notiz  für 
pennsylvanisches'  Eohöl  war  nicht  durch  eine  Aendenmg  der 
Marktverhältnisse  bediug-t;  sie  war  vielmehr  von  dem  die  Notiz 
bestimmenden  Konzern  als  Kampfmittel  zu  dem  Zweck  UQter- 
nomknen,  iden  Preis  für  Rohöl  über  die  Parität  desjeaiig'en  für 
Leuchtöl  zu  briiigen. 

In  Eußland  verursachte  der  oben  erwähnte  Arbeiterstreik 
vorübergehend  eine  sprunghafte  Erhöhung  der  Preise. 

Der  Preis  für  galizisches  Rohöl  stieg  in  den  ersten  Monaten 
des  Berichtsjahres  an,  ging  aber  bis  zum  Ende  desselben  infolge 
der  eingetretenen  Produktionserhöhung  wieder  auf  den  Stand  vom 
Januar  zurück. 

Die  Leuchtöl-Exportp reise  im  Verlan 
zeigen  für  Amerika  und  Rußland,  wo  allein 
existieren,   folgendes   Bild: 


Standard  white*) 

in  bulk  f.o.b.  New  York 

Cents  p.           Mark  per 

gallon                  Tonne 

Mitte  Januar 

4,80               68,30 

r,      April 

4.80               68,30 

.      Juli 

5—               71,20 

Oktober 

5,—               71,20 

„      Dezember 

5,25               74,60 

les    B 

erichts  Jahres 

Leuehtöl- 

zielle 

Notierungen 

Export-Preise. 

Russiscl 

les  Petroleum 

f.o.b.  Batum 

Kop.  p. 

Mark  p. 

Pud 

Tonne 

58,— 

76,50 

63,— 

83,20 

64- 

84,50 

84,— 

110,80 

68,- 

89,70 

*)  Die  Notiz    für  Water  white    war   durchweg   um   1  cent  per  gallon  =  14,20  M.  pro 

Tonne  höher. 


Dier  New  Yorker  Exportpreis  entwickelte  also  eine  langsam 
ansteigende  Tendenz.  Die  oben  geschilderte  Erhöhung  der  Bohöl- 
NoL^erungen  hat  den  Exportpreis  für  Leuchtöl  kaum  beeinflußt, 
was  damit  zu  erklären  ist,  daß  das  pennsty Ivanische  Ttohöl  für 
den  Export  von  Leuchtöl  mehr  und  mehr  an  Bedeutung  verliert, 
Abgeeehfen  von  den  enorm  hohen  Preisen  während  und  unmittel- 
bar nach  dem  Streik  zog  auch  die  Notiz  für  russisches  Petroleum 
ziemlich  gleichmäßig  an.  Dter  Preis  für  rumänisches  Jjeuchtöl 
frei  Bord  Ausfuhrhafen  entsprach  zu  Ende  des  Beridhts'jahres 
ungefähr  der  New  Yorker  Notiz  für  Standard  White.  Oester- 
reichisches  ExportrLeuchtöl  unterlag  infolge  des  Mangels  einer 
generellen  Preisvereinbarung  der  Raffineure  einem  Preisrückgang. 

Dias  Leudhtölgeschäft  in  Deutschland  stand  im  Berichtsjahre 
weiter  unter  dem  Zeichien  der  Verhandlungen  über  ein  Petroleum- 
Monopol.  Die  Deutsch-Amerikanische-PetroleumGesellschaft  hat 
ihr  besonderes  Augenmerk  auf  eine  Verstärkung  ihrer  eigenen 
TranFportmittel  gerichtet;  diese  Tendenz  zeigt  sich  schon  in  der 
Bilanz  des  Unternehinens  für  den  31.  Dezember  1912,  die  gegen- 
über dem  vorhergehenden  Jahre  den  Wert  der  Transportmittel 
mit  mehr  als  dem  doppelten  Betrage,  nämlich  rund  30  gegen- 
Hiber  13  Mill.  Mk.,  aufweist.  Die  Deutsch- Ame rikanisiohe-Pe- 
troleum-Gesell Schaft  und  ihre  Sohwesteruntemehmungen,  sowie  die 


Deutsches 
Leuchtöl- 
Goschäft. 


320     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

mit  d-erselben  verbündeten  Gresellseihaften  Pure  Oil  Co.  und  Olex 
ließen  ilir^  Preise  während  des  ganzen  Jahres  mit  wenigen  Aus- 
nahmen unverändert.  Für  die  Dieutsche  Petroleum- Verkaufs-Ge- 
selisdiaft  war  das  Berichtsjahr  von  besonderer  Bedeutung  wegen 
des  im  Mai  vom  B/eichsgericht  zu  iJiren  Gunsten  gef  älltea  LTrteils, 
wodurch  die  im  Sommer  1912  vorgenommene  Auflösung  ihres 
früheren  Vertragsverhältnisses  zur  Deutsch-Amerikanischen  Pe- 
troleum-Geeellsehaft  anerkannt  wurde.  In  der  zweiten  Hälfte  des 
Berichtsjahres  hat  die  Deutsche  Petroleum- Verkaufs-Gesellschaft 
an  zahlreichen  Plätzen  ihren  Preis  erhöht,  da  die  früher  gegen- 
über amerikanischem  Leuchtöl  eingehaltene  Spanne  nach  der  er- 
heblichiii  Qualitäts- Verbesserung  der  anderen  Leuchtöle  keine 
Berechtigung  mehr  hat.  Wie  verlautet,  hat  die  Deutsche  Pe- 
troleum-Verkaufs-Gesellschaft im  Jahre  1913  größere  Mengen  Pe- 
troleum von  den  bedeutenden  österreichischen  Export-Raffinerien 
bezogen.  Die  in  den  früheren  Berichten  nach  der  amtlichen  Sta- 
tistik angeführten  „Großhandels-Preise  für  Leuchtöl"  haben,  wie 
scho]i  im  Vorjahr  bemerkt,  keinerlei  praktische  Bedeutung  mehr. 
Von  einer  Wiedergabe  derselben  an  dieser  Stelle  wird  daher  a.b- 
gesehen.  Der  von  den  Verkaufs-Gesellsk^haften  durchschnittlich 
geiorderie  Preis  für  Leuchtöl  dürfte  für  das  Berichtsjahr  etwa 
IS^A:  Pf.  pro  Liter  frei  Haus  des  Detaillisten  (gleiöhbedeutend 
mit  ab  Straßentankwagen)  betragen  haben.  In  Berlin,  wo  der 
Preis  wegen  des  großen  Absatzes  stets  unter  dem  Durchschnitt 
ist,  betrug  der  Preis  frei  Haus  des  Detaillisten  im  Berichtsjahr 
17V2  Pf.  pro  Liter. 
Einfuhr  von  Däe  Einfuhr  von  Leuchtöl  bezifferte  sich  1913  insgesamt  auf 

Leuchtöl.  745  500  t  gegen  795  000  t   in   1912,   also  rund  50G00  t  oder  6ob 

weniger,  was  übrigens  nidit  als  auffallend  zu  betrachten  ist, 
da  Schwankungen  in  den  Einfuhrziffem  der  einzelnen  Jahre  in 
diesem  Ausmaß  sich  seit  Jahren  zeigen.  So  betrug  die  Einfuhr 
1909  761000  t,  1910  791000  t,  1911  755  000  t.  Der  Vergleich  der 
Einfuhr  aus  den  einzelnen  Bezugsländern  in  1912  und  1913  ergibt 
folgendes : 

1912  1913 

t  t 

Vereinigte  Staaten  517  138  =  77,6%  574  759  =  77,1  o/o 

Oesterreich-Üngarn  125  967  =  15,8%  119  680  =  16,07o 

Rumänien  22  462=    2,87^  33  336=    4,5  7o 

Rußland  29  257=    3,8%  17  493=    2,4% 

Eine  Steigerung  weist  demnach  nur  B,umänien  auf.  Frei- 
licli  isi.  die  naeh  Deutschland  gelangende  Menge  rumänischen 
LeucÜitöles  im  Verhältnis  zur  Gesamtausfuhr  dieses  Landes  ge- 
ringfügig. Für  die  Folge  wird  mit  einer  Vermehrung  des  Be- 
zugs aus  Eumänien  auch  auf  dem  Donauwege  gerechnet,  worauf 
die  im  Sommer  1913  erfolgte  Gründung  einer  deutschen  Schiff- 
fahrts-Gesellschaft,  des  Bayerischen  Lloyd,  hindeutet.  Dieses 
Unternehmen   hat   vornehmlich    die   Belebung   des   Güterverkehrs 


83a.    Petroleum  und  andere  Mineralöle. 


321 


zwischen  dem  Schwarzen  Meer  und  Regensburg  durch  Förderung 
des  Imports  von  Petroleum-Pix)dukten  und  Bodenerzeugnissen 
aus  Eumänien  und  den  Balkanländem  auf  der  Donau  zum  Zweck. 

Der  Leuchitölverbrauc'h  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung,  be- 
rechnet nadh  den  Ein-  und  Ausfuhrziffem  und  der  inläjidischen 
Erzeugung,  belief  sich  im  Berichtsjahr  auf  etwa  11,8  kg  gegen 
12,5   bzw.   12   kg  in  den  Vorjahren. 

*  Ueber  die  Rohölgew  Innung  in  Deutstchland.  im  Jahre  1913 
liegen  offizielle  Ziffern  nieht  vor.  Die  Gesamtproduktion  wird 
auf  125  bis  130  000  t  veranschlagt  gegenüber  135  000  t  in  1912. 
Die  Verminderung  der  Ausbeute  ist  auf  die  geringere  Ergiebig- 
keit des  Oelgebietes  bei  Wietze  ia  Hannover  zurüekzufüh'ren.. 

Auf  dem  deutschen  Benzinmarkt  haben  die  Preise  die  seit 
[Mitte  1911  herrschende,  stark  steigende  Tendenz  zunächsrt  bei- 
behalien,  und  am  Beginn  des  Frühjahres  ihren  Höchstpunkt  er- 
reich't.  Die  politischen  und  wirtÄchaftlichen  Sorgen,  die  im 
Sommer  und  Herbst  herrschten  und  eine  allgemeine  Einschränkung 
der  Luxus- Ausgaben  verursaeh^ten,  haben  auch  auf  die  bisiher 
stets  wachsende  Nachfrage  nach  Automobilbenzin  hemmend  ge- 
wirkt, Was  einen  gewissen  Rückgang  der  Preise  zur  Folge  hatte. 
Am  Ende  des  Berichtsjahres  waren  die  Preise  für  Benzinprodukte 
ungefähr  auf  das  Niveau  vom  Dezember  1912  zurückgegangen. 
Im  letzten  Vierteljahr  1913  erklärte  die  Asiatic  Petroleum  Com- 
l)any,  die  am  Ende  des  Jahres  ablaufende  Interessengemeinschaft 
mit  den  großen,  deutschen  Raffinerien,  die  seit  etwa  15  Jahren 
unter  dem  Namen  „Vereinigte  Beni:infabriken  G.  m.  b.  H."  be- 
stand, nicht  erneuern  zu  wollen  und  sich  vielmehr  durch  eigene 
Fabriken  und  Anlagen  am  deutsehien  Geschäft  künftig  zu  be- 
teiligen. Die  Steaua  Romana  Aktiengesellsöhaft  für  Petroleum- 
Industrie,  die  bisher  in  Deutschland  mit  der  Asiatic  zusammen 
gearbeitet  hat,  sagte  sich  von  ihr  los  und  hat  mit  den  oben,  er- 
wähinten  deutschen  Fabriken,  welche  das  rumänische  und  indische 
Rohbenzin  der  Steaua  Romana  und  Asiatic  bisher  verarbeitet 
und  vertrieben  hatten,  eine  neue  Gemeinschaft  gegründet,  welche 
unter  Wahrung  der  Selbständigkeit  jeder  Fabrik  eine  größere 
Beteiligung  des  rumänischen  Benzins  am  deutslohen  Markt,  als 
bishier,  ermöglicht. 

Die  Ungewißheit,  in  welcher  die  deutschen  Fabriken  sich 
eine  Zeitlang  wegen  der  künftigen  Sicherung  des  Rohwaren- Be- 
zuges und  der  Gestaltung  des  Benzinmarktes  im  folgenden  Jah're 
befunden  haben,  hatte  natürlich  eine  Zuiückhaltung  in  Ankäufen 
von  Rohbenzin  zur  Folge;  die  am  Ende  1913  in  Deutschland  vor- 
Ihandenen  Benzinvorräte  dürften  daher  hinter  denjenigen  des  Vor- 
jahres weit  zurückliegen.  Hierzu  kommt  noch,  daß  von  mancher 
Seite  ein  Preiskampf  zwischen  den  nunmehr  im  deutschen  Benzin- 
geschaft bestehenden  drei  Gruppen  (deutsch-rumänisiche  Gruppe 
der    Steaua    Romana,    engliscli-holländisehe   Gruppe   der  Asiatic, 

Berl.  Jabrb.  f.   Handel  u.  Ind.    1913.    11.  21 


Leuchtöl- 
verbrauch. 


Rohöl- 

gewinnung'in 
Deutschland. 


Benzin. 
Preise. 


Vorräte. 


322     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien., 

am-erikajiisclie     Gruppe)    .  befürchtet     würde,     welcher     indessen 
ausblieb. 
Einfuhr.  J)ie  Geeamteinfiüir  von  Benzin  in  das  Zollgebiet,  welche  in 

1912  um  ca.  50  000  t  gegenüber  1911  gestiegen  war  (1912  246  500 
Tonnen,  1911  198  200  t),  ist  in  1913  auf  rund  210  000  t  zurück- 
igegangen.  In  den  vorgenannten  Ziffern  sind  nicht  eingeschlossen 
diejenigen  Mengen  künstlichen  Terpentinöles,  welche  seit  einigen 
Jahren  in  den  monatlichen  Ausweisen  des  Statistischen  Amtes  unt^r 
dem  Posten  „Sehwerbenzin,  Putzöl,  Patentterpentinör'  mit  nach- 
gewiesen werden  und  die  schätzungsweise  im  Jahre  1913  zirka 
40  000  t,  im  Jahre  1912  etwa  30000  t  betragen  haben  mögen. 
Im  folg'ienden  sind  die  Ziffern  gegenüber  gestellt,  welche  für  die 
einzelnf^n  Einfuhrländer  in  dem  Jahre  1913  gegenüber  1912  in 
Frage  kommen.  Bei  diesen  Ziffern  sind  die  Mengen  des  Patent- 
terpentinöles mit  eingerechnet  worden. 


Tab.  125.         Benzineinfuhr  nach  Gebieten  absolut  und  prozentuah 


1912 

1913 

1913  gegen- 

f 

% 

t 

% 

über  1912 

Vereinigte  Staaten.     ^. 

78  319 

28,2 

45  206 

18,1 

—  33  113 

Eußland      .     .     *     .     . 

43  926 

15,8 

50  069 

20,1 

+    6  143 

Rumänien 

76  016 

27,4 

69  823 

28 

—    6  193 

Oesterr.-Ungam  .     .     . 

28  972 

10,5 

30  447 

12,2 

-^    1475 

Niederh -Indien    .     .     . 

46  059 

16,6 

47  007 

18,8 

-f      948 

Britisch-Indien    .     .     . 

1 

2,1 

5  356 

— 

+    5  355 

Wie  sich  die   Einfuhr  in  den  verschiedenen  Benzinhandels- 
produkten stellte,  zeigt  folgende  Tabelle: 


Tab.  126.               Benzineinfuhr  nach  Gattungen  i 

Lind  Gebieten. 

Ver.     i    Ruß- 
Staaten  i     land 

Rumä- 
nien 

Oestr.- 
Ung. 

:Ndi.- 

Indien 

Brit.- 
Ind. 

Ins- 
gesamt 

t        \       t" 

t 

t 

t 

t 

t 

Rohbenzin    .     .     .    J^J^ 

1 

73  874 
41816 

42  998 
42  896 

55  246 

50160 

9  524 

7  503 

15109 
16  796 

— 

198145 
159  380 

raff.  Benzin .     .     .    J^J^ 

2173 
1571 

[ 

3  251 
2179 

4  935 
4  196 

— 

— 

11083 
8  361 

Schwerbenz.  Putz- 
öl,Patentterpentin-  1912 
öl     .....     .    1913 

2  272 
1819 

928 
7173 

17  519 
17  484 

14  513 

18  748 

30  950 
30  211 

1 

5356 

68  272 
81366 

Verbrauch 


Miueral- 
schmieröle. 


Dler  Verbrauch  an  Benzin  im  Berliner  Bezirk  dürfte  im  Jahre 
1913  etwa  30  000  t  betragen  haben  und  sich  damit  wieder  in  dem 
gleichen  Verhältnis  zum  Gesamtverbrauch  des  deutschen  Reiches 
gehalten  haben,  wie  in  den  vorhergehenden  drei  Jahren. 

Das  Jahr  1913  war  für  den  deutschen  Mineralölhandel  im 
allgemeinen  nicht  erfreulich.  Vor  allem  hatte  der  Handel  unter 
Preisschleudereien  schwer  zu  leiden.  AVas  zunächst  den  Absatz 
anbelangt,  so  konnte  hierüber  nicht  geklagt  werden,  da  er,  von 


83a.    Petroleum  und  andere  Mineralöle.  323 

^Einzelfällen  abgesehen,  recht  gut  war.  Die  vielfach  unajigenehm 
empfundene  geringere  Beschäftigung  der  Industrie  beeinflußte  den 
Mineralölhandel  nur  wenig;  der  Oelhändler  kontite  daher,  von 
wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  mit  der  Höhe  seines  Absatz^eä 
nicht  unzufrieden  sein.  Der  Verdienst  dagegen  war  recht  schlecht. 
Keben  den  bereits  erwähnten,  in  der  Konkurrenz  begründeten,  Ur- 
sachen ist  hier  auch  namentlich  auf  die  allgemeine  Marktla^ge 
zu  verweisen,  die  dem  Händler  nicht  günstig  war.  Gegen  Endo 
des  Herbstes  1912  hatte  nach  längerer,  teils  rückgängiger,  teils 
ruhender  Konjunktur  eine  lebhafte  Hausse  sämtlicher  Schmieröle 
eingesetzt,  die  ganz  exorbitante  Preisänderungen  zur  Polge  hatte. 
Manche  Oele  stiegen  um  50 ob  und  mehr.  Lediglich  amerikanische 
Oele  erfuhren  einen  Preisrückgang,  der  aber  ziemlich  allgemein 
für  gänzlich  unmotiviert  gehalten  wurde.  Man  suchte  die  Ur- 
sache hierfür  in  Maßnahmen,  die  der  Konzern  der  Standard  Oil 
Companj^  für  angebracht  hielt,  um  ein  Ueberfluten  englischer 
"VYare  nach  Deutschland  zu  verhindern.  Die  Hohölpreise  in  den 
Vereinigten  Staaten  waren  jedenfalls  niemals  höher  als  im  No- 
vember 1913,  so  daß  tatsächlich  eine  innere  Ursache  für  den. 
Preisrückgang  nicht  vorhanden  war.  xluch  die  E-ussen-Konvention 
mußte  infolgedessen  ihre  Preise  umj  1  Rbl.  für  100  kg  herabsetzen, 
obwohl  die  Eohölnotierungen  in  Rußland  beinahe  täglich  stiegen. 

Di-  ganz  unverhältnismäßig  erhöhten  Einkaufspreise  mußte 
der  Händler  natürlich  auch  in  seinem  Verkaufspreis  zum  Aus- 
druck bringen,  jedoch  gelang  dies  nur  zum  Teil.  In  vielen 
Eällen  wurde  Klage  darüber  geführt,  daß  die  nunmehr  erzielten 
Verkaufspreise  nur  auf  wesentlicher  Reduktion  des  an  und  für  sich 
^ar  nicht  reichlich  bemessenen  Gewinns  beruhten.  Die  Konsumen- 
ten, d.  h.  die  Industriellen,  konnten  sich  in  sehr  vielen  Eällen  den 
neuen  Verhältnissen  nicht  anpassen,  was  teilweise  Preisdrückereien 
"von  bislang  nicht  geübter  Schärfe,  teilweise  aber  auch  den  Ueber- 
gang  zu  geringeren  Qualitäten,  die  naturgemäß  auch  einen  ge- 
ringeren  Verdienst  lassen,   zur  Folge   hatte. 

Was  die  einzelnen  Oele  anbelangt,  so  wurde  bereits  erwähnt, 
daß  die  russischen  Oele  noch  im  November  eine  Preissteigerung 
erfuhren ;  das  hauptsächlich  in  Betracht  kommende  russische 
Maschinenöl  I  war  im  November  1913  im  Großhandel  volle 
-8  Mk.  teurer  als  Ende  0.911.  Die  amerikanischen  Oele  gingen,  wie 
gleichfalls  bereits  erwähnt,  um  reichlich  1  Mk.  zurück;  immerhin 
waren  auch  die  besonders  in  Betracht  kommenden  amerikanischen 
Zylinderöle  im  November  1913  noch  6—7  Mk.  teurer  als  Ende 
1911.  Die  deutschen  Oele,  die  für  den  Weltmarkt  von  geringerer 
Bedeutung  sind,  haben  sich  weiter  verteuert.  Die  österreichischen 
Oele  sind  ebenfalls  von  untergeordneter  Bedeutung  für  den  Welt- 
markt. Die  Auffassung  der  Marktläge  bei  den  österreichischen 
Raffinerien  war  außerordentlich  verschieden.  Teilweise  hielt  man 
auf  gute  Preise,  während   an  anderer  Stelle  wieder  in  geraidezu: 

21* 


324     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

uuvernünftiger  "Weise  geschleudert  wurde,  wodurch  hin  und  wieder 
eine  Meine  Beunruhigung  des  Marktes  eintrat,  die  aber  nur  ^^n 
untergeordneter  Bedeutung   war. 

Die  Bemühungen  des  Vereins  Deutscher  Mineralölhändler 
E.  V.,  Hamburg,  Besserungen  auf  den  verschiedenen  in  Betracht 
kommenden  Gebieten  zu  erzielen,  wurden  mit  Eifer  fortgesetzt. 
Schon  der  Vereinsgedanke  an  und  für  sich  hat  dazu  beigetragen,, 
die  Schärfe  des  Ejonkurrenzkampfes  in  manchen  Fällen  zu,  mindern^ 
ebenso  war  es  dem  Verein  auch  möglich,  in  den  einzelnen  Fälleti! 
die  Interessen  der  Mitglieder  Lieferanten  gegenüber  erfolgreich 
wahrzunehmen.  Die  Verwirklichujig  der  Hauptpunkte  des  auf- 
Igestellten  Programms  war  freilich  noch  nicht  möglich,  abge- 
sehen davon,  daß  die  von  vielen  Händlern  Ulid.  auch'  vom  Verein; 
begehrte  Baisseklausel  seitens  der  Raffinerien  wieder  zur  Ein- 
führung gelangte. 

84.    Lack-    und    Firnisfabrikation,    Mineral-    und 
Oelfarben,   Farblacke. 

Absatz.  Der  Absatz  in  Mineral-,  Pigment-  und  Lackfarben  war  gleich 

dem  Jahre  1912  in  den  ersten  drei  Vierteljahren  1913  sowohl  im 
Inland  als  auch  im  Auslande  ziemlich  gleichmäßig,  so  daß  die 
Höhe  des  Umsatzes  annähernd  diejenige  der  gleichen  Zeit  des- 
Jahres 1912  erreichte.  Dieses  Ergebnis  war  um  so  erfreulicher,, 
als  die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  sich  im  Hinblick  auf 
die  bevorstehende  neue  Tarifbill  in  Erteilung  von  Orders  große 
Reserve  latiferlegten.  Die  neue  Bill  gestattet  unserer  Industrie, 
ihre  Waren  zu  einem  erheblich  billigeren  Zollsatz  einzuführen, 
und  daher  ist  von  ihr  eine  starke  Zunahme  des  an  und  für 
sich  bedeutenden  Exportes  nach  den  Vereinigten  Staaten  zu  er- 
warten. Einer  regelmäßigen  Verladung  der  Exportgüter  kam 
auch  der  ziemlich  günstige  Wasserstand  unserer  öffentlichen  Fluß- 
läufe zustatten,  von  welchen  nur  die  Elbe  zeitweise  einen  niedrigen 
Wasserstand  aufwies.  Gleich  dem  Vorjahre  1912  kam  als  un- 
günstiges Moment  das  Daniederliegen  des  gesamten  Baugewerbes- 
in  Betracht,  welches  noch  stärker  als  1912  den  Konsum  der  Maler- 
und Dekorationsfarben  l>eeinträchtigte.  Dagegen  wirkte  auf  das- 
Farbengeschäft  die  Kode,  größeren  Farbenreichtum  zur  Anwen- 
dung zu  bringen,  belebend  ein.  Die  kriegerischen  Wirren  der 
Balkanstaaten  waren  ohne  Einfluß  auf  die  Exportziffem,  !da 
die  Ausfuhr  nach  diesen  Staaten  nur  von  geringer  Bedeutung  ist. 

Preise  Der    hohe    Preisstand   der  Kohmaterialien  erwies   sich    als 

dauernd  und  kam  namentlich  bei  den  Metallen,  wie  Blei,  Zinn, 
Zink  und  Kupfer,  zum  Ausdruck.  Auch  in  einigen  Barytsalzen 
machte  sich  eine  Knappheit  bemerkbar,  so  daß  infolgedessen  die 
Preise  für  die  für  die  Farblackfabrikation  wichtigen  Rohmate-^ 
rialien  wesentlich  anzogen.    N"och  ungünstiger  gestaltete  sich  die 


84.  Lack-  u.  Firnisfabrikat.,  Mineral-  u.  Oelfarben,  Farblackc,     325 


Lage  auf  dem  Farbholzmarkt,  da  Zufuhren  von  manchen  Sorten 
Hölzern  überhaupt  ausblieben,  andere  durch  Knappheit  und  durch 
hohe  Seefrachten  einen  erheblichen  Preis  auf  schlag  erfuhren.  Da 
nun  andererseits  'die  Verkaufspreise  infolge  der  starken  Farben- 
produktion und  der  dadurch  sich  ergebenden  starken  Konkurrenz 
nicht  in  'Einklang  mit  den  Steigerungen  auf  dem  Eohmaterial- 
markt  gebracht  werden  konnten^  so  war  im  allgemeinen  die  Lage 
der  Mineral-  1ind  Lackfarbenfabrikation  nicht  erfreulich. 

Infolge  der  'Geldteuerung  haben  sich  die  Kreditverhältnisse 
in  der  Mineral-  und  Lackfarbenindustrie  bedeutend,  verschlechtert ; 
erhebliche  Zielüberschreitungen  waren  an  der  Tagesordnung,  so 
daß  der  etwa  bleibende  geringe  Profit  durch  die  längere  Ziel- 
gewähning  mehr  als  absorbiert  wurde. 

IVas  nun  die  einzelnen  Verwendungszwecke  anbelangt,  so  war 
das  Geschäft  in  Farben  für  die  Buntpapierfabrikation,  für  Deko- 
rationsmalerei, Blechdruck  usw.,  sowie  in  Künstler-  und  graphi- 
schen Farben  befriedigend.     Letztere  Farben  allerdings  erleiden 
ebenso    wie    die    Farben   für   Tapetenfabrikation  einen    starken 
Abbruch  dadurch,  ^daß   infolge  Vereinfachung  der  Fabrikations- 
weise —  viele  Farbstoffe  werden  beinahe  gebrauchsfertig  von  den 
Anilinfabriken  geliefert  '■ —  die  betreffenden  Pigmentfarben  oder 
Farblacke   von  den  Konsumenten  selbst  dargestellt  werden.    In 
Permanentweiß  (Blanc  fixe)  hielt  sich  der  Umsatz  auf  der  Höhe 
der  drei  ersten  Quartale  des  Jahres  1912,  doch  steht  zu  befürchten, 
daß    das    aus   Witherit   hergestellte    Blano   fixe  einen   größeren 
Abbruch  durch  auf  andere  AVeise  hergestellte  Produkte  erleidet. 
Auf  jeden  Fall  geht  die  Tendenz  auf  Verarbeitung  billigerer  Fa- 
brikate, welche  sich  auch  in  der  Ch'romopapierfabrikation,  Kar- 
tonstreicherei  usw^  eingebürgert  haben,  während  zum  Barytieren 
photographischer  Papiere  immer  größere  Ansprüche  an  das  dazu 
zur  Verwendtmg  gelangende  Blanc  fixe  gestellt  werden  und  daher 
nur  erstklassige  Marken  benutzt  werden.    Der  Pariserblaumarkt 
weist   immer  noch  keine  Besserung   auf,   da  die  Verkaufspreise 
in  keinem  Verhältnis  zu.  den  hohen  Eohmaterialpreisen  stehen. 
Der  Export  zeigte  nach  Belgien,  den  Niederlanden  und  den 
Skandinavischen  Ländern  eine  erhöhte  Ziffer,  nach  den  Vereinigten 
Staaten   von  Amerika  die   gleiche  Zii'fer  wie  in  1912   aus    den 
in    der  Einleitung   angeführten  Gründen;   dasselbe  ist  der  Fall 
nach  Ländern  wie  Spanien,  Oesterreich-Ungam,  Italien,  Portugal, 
England  und  Kolonien,  Schweiz  und  Prankreich.    Der  Export  naöh 
den  ostasiatischen  Ländern  war  infolge  der  andauemden  chinesi-. 
sehen   Wirren  nicht  lebhaft,  und  auch  nach  Rußland  blieb  der 
Export  aus  bekannten  Gründen  nach  wie  vor  gering.  —  Außer- 
ordentlich zu  bedauern  ist  die  Tatsache,  daß  es  nicht  gelungen  ist, 
den  kanadischen  Markt  wieder  für  die  hier  in  Frage  stehenden 
Produkte  zu  gewinnen;  man  kann  dieses  große  Absatzgebiet  als 
für    immer   verloren    ansehen. 


Zahlungs- 
Verhältnisse. 


Verwendungs- 
zwecke. 


Export. 


326     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

Rohstoffe.  Einem  zweiteai  Beridit  jüber  die  Eiohstoffe  der  Lackindustrie 

entnehmen  wir  folgendes: 

Leinöl  ist  im  Berichtsj,aiire  (gegen  1912  erhebliöh  im  Preis& 
gesunken.  Die  Preisie  standen  etwas  über  50  Mk.  und  fielen  im 
Okt. /Nov.  sogar  unter  50  und  bis  auf  47  Mk.,  was  schon  lang& 
nicht  viorgekommien  war. 

Auch  Holzöl  notierte  billiger.  Es  kommt  hierbei  in  Be- 
tracht, daß  bei  billigten  Leinölpreisen  die  Verwendung  von  Holzöl 
etwas  nachläßt,  wieim  lauöh  für  viele  Zwecke  das  Holzöl  wegen 
seiner  besonderen  Eigenschaften  nicht  zu  entbehren  ist. 

Terpentinöl  ist  gleichfalls  billig'er  geworden.  Es  kamen  Preise 
bis  zu  55  Mk.  vor,  imd  man  kann  sagen,  daß  Terpentinöl  im  Durch- 
schnitt etwii  58—60  'Älk.  wertete. 

Auch  Kolophonium  ist  (ganz  gewaltig  im  Preise  gefallen  und 
zwar  um  14—15  iMk.,  so  |daß  sich  das  durohsiclhnittliche  Preis- 
niveau von  32  iMk.  auf  19  Mk.  verschoben  hat.  Allerdings  ist 
dieser  bedeutungsvolle  Preissturz  erst  in  der  .zweiten  Jahres- 
hälfte eiagetreten.  D,a  aber  der  Verbrauch  diesas  xlrtikels  enorm 
ist,  so  fällt  er  für  das  Jahresergebnis  dennoch  erheblich  ins 
Gewicht. 

Die  Kopialpreise  dagegen  sind  gestiegen.  Zwar  hat  die  Ver- 
wendung dieses  Materials  ifür  viele  Zwecke  abgenommen,  naeli-i 
dem  der  Technik  die  Herstellung  vieler  Lacike  aus  Harz,  anstatt 
aus  Kopal,  in  Verbiadung  mit  Holzöl  gelungen  ist,  aber  anderer-, 
seits  sind  Veränderungen  im  Abbau  \d&r  Kopale,  speziell  der 
spritlöslichen,  und  damit  eine  Verringerung  der  naöh  Europa  ver- 
lä'chifften  Miengen  eiagetreten.  Durch  diesen  Ausfall  sind  die 
Prei^  sehr  gestiegen;  Imanche  Sorten  kosten  fast  schon  das 
Doppelte. 

Die  kolossale  Hausse  in  Mineralölen  hat  nachgelassen,  und 
es  waren  brauchbare  Sorten  wieder  für  etwa  15  Mk.  zu  haben. 

Die  Spirituspreise  waren  alles  in  lallem  nicht  ungünstig,, 
verglichen  mit  den  früheren  Jahren.  Der  Ring  behauptet  aber 
seine  Machtstellung  weiter,  jund  es  wird  befürchtet,  daß  er  bei 
ihm  goei^et  soheiuender  Gelegenheit  sicher  wieder  höhere  Preise 
verlangen  wird. 

Sandarac  war  nach  Iwie  vor  recht  teuer.  Eine  Ware,  die  noch 
vor  einigen  Jahren  etwa  120  Mk.  kostete,  notierte  heute  etwa 
170  Mk. 

Schellack  (Stocklack)  imd  idie  .übrigen  Harze,  welche  für 
die  Spirituslackindustrie  von  Bedeutung  sind,  standen  im  all- 
gemeinen günstig  im  Preise  und  ermöglichten  reine  ziemlich 
günstig  Ea-brikation.  ' 

Leinölfirnis  fand  guten  Absatz,  und  da  die  Preise  niedrig- 
wlaren,  so  ließ  Idie  Verwendung  von  .Ersatz firnissen  erheblich 
nach,    besondiers    für   Außenanstridhe. 


85.    Farbhölzer. 


85.   Farbhölzer. 

Das  Jahr  1913  hat  vielfach  Enttäuschtiiig^en  g^ebracht,  was 
wohl  in  erster  Linie  ,auf  jdie  politiisichen  Unruhen  und  die  Grold- 
tetierung  zurückg-eführt  werden  muß.  Auf  Farbhölzer  sind  diese 
^Momente  nicht  g'anz  ohne  Einfluß  i^blieben,  wenn  auch  [über 
den  Marktgang  und  /die  Absatzverhältnis^e  für  diesen  Artikel 
wenigier  zu  klagen  war  als  iiber  Sdhwierigkeiten,  die  l>enötigten! 
Quantitäten  und  Qualitäten  besonders  während  des  ersten  Ilalb- 
jahres  von  den  Produktionsl ändern  nach  Europa  herüberzuziehen. 
Die  hohen  Frachten  isoWohl  für  Segler  als  aiuclh  für  Dampfer 
haben  die  Preise  nach  oben  beeinflußt,  und  erst  im  Hochsommer 
und  Herbst  trat  lein  Hüclksichlag  in  einzelnen  Sorten  bei  reich- 
licherem Angebot  und  konsignationisweisen  Versichiffungen  zutage. 

Die  Beschaffenheit  der  eingeführten  Hölzer  während  deä 
verflossenen  Jahres  war  |gnt,  was  ;den  Verbrauch  von  Farb- 
hölzern   durch   die  [Industrie  jedenfalls  nur   fördern  kann. 

'Mexiko  tind   Honduras  haben  weniger  Blauholz   ausgeführt,  Biauhoiz. 

Haiti-Blauholz  hiat,  wie  sieit  langen  Jahren,  in  erster  Linie  den 
^Xarkt  beherrs'cht.  Gnerade  {bei  den  Vers'ehiffungen  dieser  Insel 
war  die  anzuerkennende,  (gute  Qualität  der  Hölzer  sehr  erfreu- 
lich. Jamaida  lieferte  wohl  ähnlich  wie  in  früheren  Jahren.  Der 
Import  dieser  Hölzer  hat  kaum  eine  nennens'werte  Veränderung 
erfahren,  was  mit  darauf  zurückzuführen  sein  könnte,  daß  auf 
Jamaica  eine  Fortwir tschaft  eingeführt  ist  und  daß  es  nicht 
wie  Haiti  nur  auf  Raubbau  steinen  Export  begründet. 

Die  Ausfuhr  von  mexikanischen  Gelbhölzem  wurde  zum  Teil  Geibhoiz. 

durch  die  Revolution  immöglich  gematlht.  Verträge,  welche  vor 
Jahresfrist  abgeschlossen  wjurdien,  Isind  heutzutage  noch  nicht 
erfüllt,  und  wann  dies  der  [Fall  sein  wird,  läßt  sich  noch  aiibht 
übersehen.  Auch  Venezuela  hat  weniger,  als  sonst  wohl  üblich', 
abgeladen.  Aehnlich  liegt  es  auch  bei  den  zentral-amerikanislchen 
Sorten,  so  daß  lein  nicht  {unwesentliaher  Ausfall  in  den  Zu- 
fuhren nunmehr  sich  ergeben  hat  nnd  die  Preise,  die  vorü,ber- 
gehend  im  Hochsommer  eine  kleine  Absehwächung  für  einzelne 
Sorten  zeigten,  bei  ausgesprochener  Knappheit  in  den  Vorräten 
und  Angeboten  im  Herbste  eine  ;Erhöhung  erfuhren.  Jamaica- 
und  Domingo- Gelbhölzer  wurden  weniger  herangebracht,  lals 
normalerweise  zu  erwarten  igewesen  wäre.  Die  Moderichtung 
bleibt  anscheinend  dem  Konsum  von  Gelbholz  günstig,  und  daher 
wäre  es  erwünscht,  (daß  wieder  (größere  Verschiffungen  in  die 
Wege  geleitet  yürden. 

Soweit  Lima-Rotholz  in  Frage  kam,  erreichte  bei  dem  Mangel  Rotholz, 

an  Abladungen  die  Preisbasis  nicht  die  Höhe,  die  Ende  vorigen 
Jahres  erwartet  wurde.  .Es  miag  -dies  zum  Teil  darauf  zurück- 
zuführen  sein,  daß   Venezuela  mit  seinen   Brasilete-Versichlffun- 


328     VI.  Rohstoffe  u,  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


Sapan-Hölzer. 


giem,  a4ngiesidhts  d'er  billigeren  Preisbasis,  im  Konsum,  sich  mehr 
EiQgaii^  versidhafft  hat. 

I>ie  Preise  für  Sapan-Hölzer  sind  langsani  gestiegen,  da  die 
Produktion,  öpeziell  in  jCeylon,  tmgtemein  eingeschränkt  worden 
ist  tmd  die  Abladiingen  viel  kleiner  blieben  als  den  Liebhabern 
dieses  Holzes  erwünscht  sein  kann.  Die  höheren  Preise  führten 
noch  ni<^ht  zu  einer  Vergrößierung  der  Abladungen.  Das 
kleinere  Amgebot  in  Ceylon-Hölzern  ist  dem  Sapanholz,  welches 
vion  der  Mjalabarküjste  verschifft  zu  werden  pflegt,  günstig  ge- 
wesien,  denn  teilweisie  hat  der  Kjonäum  sich  inzwischen  bea?eits 
an  diese  Eröatzsorte  gewöhnt,  teilweise  ist  er  gezwungen  worden, 
dazu   überzugehen. 


Tab.  127.           Einfuhr  von  Farbhölzern 

in  Hamburg  in  den  Jahren 

1904- 

1913. 

1904 

1905 

1906 

1907 

1908 

1909 

1910     1     1911 

1912 

1913 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

tons 

Blauholz 

Laguna   .     .     . 

5  600 

3  600 

5  460 

5  130 

7  380 

1560 

3  050 

3  130 

2  500 

3  270 

Yucatan  .     .     . 

4  600 

1250 

1800 

950 

1615 

905 

445 

650 

570 

430 

Haiti  usw.  .     . 

2  200 

2  060 

5  100 

4  990 

960 

1  420 

3  200!    1820 

2  450 

3  850 

Jamaika- 

Stammholz  . 

3  900 

1670 

3  500 

4  660 

250 

350 

1  000     1  230 

620 

1500 

do.  Wurzeln    . 

2  450 

1400 

1550 

2  410 

360 

300 

300 

340 

300 

600 

Honduras    .     . 

650 

900 

770 

420 

225 

600 

700 

400 

200 

135 

Santa  Lucia    . 

— 



— 

— 

— 

— 

— 

— 

Cuba  .... 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

19  400 

10  880 

18  180 

18  560 

10  790 

5  635 

8  695 

7  570 

6  840 

9  785 

Gelbholz 

Corinto    .     .     . 

300 

1255 

135 

390 

110 

274 

460 

500 

300 

440 

Savanilla 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Maracaibo   .     . 

150 

155 

270 

1360 

111 

150 

400l       500 

100 

bo 

Tampico      .     . 

675 

350 

1  100 

830 

575 

210 

(.20!       420 

665 

250 

Jamaica  .     .     . 

450 

150 

125 

150 

125 

126 

220!       300 

290 

140 

Diverse   .     .     . 

90 

100 

175 

320 

175 

155 

130        250 

210 

150 

1665 

2  010 

1    1805 

3  050 

1096 

1615 

1  830|    1  970 

1565 

10*5 

Rotholz 

1     1440 

775 

1       921 

1608 

!       875 

i    1415 

900 

1315 

1        680 

830 

Quebrachoholz 

|l21000 

106  000 

1  99  000 

109  000 

89  500 

97  000 

128  600 

155000 

63  900|  109000 

86.   Gerbstoffe  und  Gerbextrakte. 

Allgemeines.  I>as  Ja.hr  1913  ist  gewiß  auch  für  die  Lederindustrie  nicht 

leidh^i  gewesen;  allein  die  Lederfabrikanten  haben  nunmehr  durch- 
zusetzen vermocht,  daß  eine  Steigerung  der  Preise  für  das  fertige 
Fabrikat  nach'  und  nach  eingetreten  ist,  welche  im  ungefähren 
Einklang  mit  der  Wertsteigeru^g  der  Rohliäute  steht  und  ein 
gewinnbringenderes  Arbeiten  der  Fabriken  ermöglichte.  Der 
stärkere  Konsum,  der  sich'  durch  die  kriegerischen  Verhältnisse 
für  Leder  insbesondere  ergab,  ist  nebenher  nicht  ohne  günstigen 
Einfluß  gewesen,  und  die  Rückwirkung  auf  das  Geschäft  in  Gerb- 
stoffen und  Gerbextrakten  ist  natürlich  nicht  ausgeblieben. 


86.   Gerbstoffe  und  Gerbextrakte.  329 

Quebradio-Blockholz    und    argentinischer    Quebrachoholz-Ex-  Art^k^^ 

trakt  haben  Schwankungen  unterlegen,  die  einesteils  durch  die 
Entwicklung  des  Frachtenmarktes,  anderenteils  durch  die  un- 
klaren Absatz  Verhältnisse  in  den  Vereinigten  Staaten  Nord- 
amerik'is  hervorgerufen  wurden.  Zu  der  ermäßigten  Preisbasis, 
die  nunmehr  in  den  beiden  Artikeln  vorliegt,  hat  sich  ein  be- 
langreicheres Geschäft  entwickelt.  Die  Zolh^rhöltnisse  haben 
sicih  nach  Annahme  des  neuen  Zolltarifs  zugunsten  der  Ver- 
wendung fester,  argentinischer  Quebrachoholz-Extrakte  in  den 
Vereinigten  Staaten  Nordamerikas,  dem  größten  Absatzgebiet 
dieser  Eabrikate,  geändert,  und  daraufhin  haben  neuerdings  Ex- 
traktfabriken im  Hinterlande  Argentiniens  den  Besitzer  ge- 
wechselt, sie  sollen  für  den  Export  nach  Nordamerika  in  erster 
Linie  beschäftigt  werden.  Dieser  Umstand  dürfte  die  zeitweilig 
fühlbare  Ueberproduktion  beseitigen  helfen. 

Valonea  hat  infolge  eines  sehr  reichen  Ernteergebnisses, 
speziell  in  Klein-Asien,  im  Sommer  1913  ein  Preisniveau  erreicht, 
wie  es  wohl  kaum  je  so  niedrig  zu  verzeichnen  war.  Eine  leichte 
Neigung  zur  Steigerung  der  Preise  war  gegen  Ende  des  Jahres 
^u  bemerken. 

Die  Ernte  von  Myrabolanen  ist  in  Indien  recht  unbefriedigend 
ausgefallen,  und  daher  war  es  dem  indischen  Trust  leichter  mög- 
lich, seine  Ziele  erfolgreich  zu  verfolgen.  Zu  Ende  des  Jahres 
sind  die  Vorräte  ganz  minimal  geworden,  und  die  Eigner  konnten 
allmählich  höhere  Preise  durchsetzen.  Der  Ausblick  auf  die 
Saison  1914  ist  erfreulicherweise  etwas  günstiger.  Eine  reich- 
lichere und  qualitativ  bessere  Ernte  wird  erw^artet,  und  die 
Indier  haben  diesem  Umstände  bereits  Rechnung  getragen  und 
Konzessionen  lq  den  Preisen  eintreten  lassen,  sb  daß  ein  lebhaftere« 
Geschäft  auf  Abladung  sich  entwickelt  hat. 

Algarobilla  ist  bedauerlicherweise  fast  nur  noch  dem  Namen 
Inach'  bekannt;  größere  Zufuhren  fehlen  schon  seit  Jahren.  In 
Dividivi  war  eine  nicht  unbeträchtliche  Hausse  zu  verzeichnen, 
wie  dies  schon  im  vorigen  Jahre  vorauszusehen  war.  Der  Import 
tvon  t^laletto-Rinde  ist  kleiner  geworden,  da  in  Australien  der 
g-rößte  Teil  der  Produktion  im  Lande  verwendet  wird  und  der 
Ueberschuß  in  den  Händen  eines  Syndikats  in  Europa  verbleibt. 

Mimosa-Rinde  hingegen  hat  schrittweise  an  Bedeutung  so- 
wohl in  der  Erzeugung  drüben,  als  auch  im  Konsum  diesseits 
gewonnen,  Schwankungen  w^are^i  dafür  bei  der  Größe  des  Artikels 
Unvermeidlich,  und  nachdem  ein  ziemlicher  Preisrückgang  sich 
ergeben  hatte,  stellte  sich  heraus,  daß  größerer  Deckungsbedarf 
[vorhanden  war  und  nicht  allein  das  Angebot  willig  Aufnahme 
fand,  sondern  auch  o:eo:en  den  Hochsommer  hin  eine  nicht  un- 
bedeutende  Preissteigerung  durchgesetzt  werden  konnte.  Für  das 
Jlahr  1914  sind  bereits  größere  Kontrakte  auf  Abladung  ge- 
tätigt.   Gegen   Ende   des   Jahres   mehrte   sich  aber   das  Angebot 


330     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien, 

und  eine  Abschwächung  der  Preise   für  die  neue   Saison  begann, 
einzutreten. 

Die  Produktion  von  Maugrove-Rinde  auf  Madagaskar  ist 
sichtbar  sehr  stark  zurückgegangen,  und  allmählich,  besonders 
aber  im  zweiten  Teil  des  Jalires  1913,  trat  eine  erhebliche  Preis- 
steigerung ein. 

Das  Geschäft  in  Blockgambier  und  Würfelgambier  hat  sehr 
enttäuscht  und  eine  fast  ständig  rückläufige  Tendenz  gezeigt. 
Der  Markt  von  Terra-  Catechu  hat  während  des  größten  Teiles  des 
Jahre«  1913  sehr  ruhig  gelegen;  erst  in  den.  letzten  Monaten  trat 
unerwartet  ein  Preisumschlag  ein,  den  die  Indier  bei  kleinerer 
Produktion  unschwer  durchzusetzen  vermochten,  da  Europa,  in- 
folge ruhigen  Geschäftsganges  und  mangelnder  Unternehmungs- 
lust, sich  nur  schwach  versorgt  hatte  und  der  Bedarf  die  Be- 
willigung der  höheren  Forderungen  indischer  Produzenten  not- 
wendig machte. 


i87.    Zelluloid    und    Zelluloidwaren. 

Allgemeines.  Die  allgemeine  Depression  auf  dem  Weltmarkt,   die  kriege- 

rischen Verwicklungen  auf  dem  Balkan  und  die  Knappheit  des 
Geldes  sind  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  Zelluloidbranche  geblieben. 
Die  alljährliche  Stille  in  den  Sommermonaten  setzte  in  diesem 
Jahre  schon  frühzeitig  ein.  Wenn  man  unter  diesen  Umständen 
wenigstens  von  keinem  Rückgang  der,  Branche  zu  sprechen  braucht, 
so  muß  das  schon  als  zufriedenstellend  bezeichnet  werden.  Die 
Eohstoff-Fabriken  waren  im  In-  und  Ausland  wieder  durchgehend 
voll  beschäftigt,  einzelne  besonders  begehrte  Artikel  waren 
wiederum  knapp.  Von  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika 
erwartet  man  wegen  des  günstigeren  Zolltarifes  wieder  Orders, 
welche  im  Jahre  1912  vollständig  ausgeblieben  waren.  Die  neue 
österreichische  Eohstoffabrik  ist  noch  nicht  bemerkbar  auf  den 
Markt  gekommen,  von  Japan  sind  Versuche  gemacht  woraen, 
welche  aber  erfolglos  waren.  Dagegen  ist  in  Frankreich  die 
älteste  Rohstoff abrik  ^auf  dem  Kontinent  nach  dem  Tode  des  Haupt- 
aktionärs auf  Veranlassung  der  Erben  in  Liquidation  getreten 
und  in  einzelnen  Teilen  von  Konkurrenzfabriken  übernommen 
worden,  die  ihre  Betriebe  ausgedehnt  haben.  Eine  Preiserhötiung 
des  Zelluloids,  welche  in  Anbetracht  der  Erhöhung  der  Her- 
stellungskosten Wünschenwert  wäre,  w^ar  bei  der  Uneinigkeit  der 
Eohstoffabriken  nicht  zu  erreichen. 

Ersatzstoff-  Dio    Versuche,    einen    unverbrennbaren    Ersatzstoff    für    das 

Zelluloid  zu  schaffen,  werden  in  allen  Fabriken  fortgesetzt.  Die 
bisherigen  kleinen  Erfolge  bieten  schon  deshalb  keinen  Ersatz, 
weil  diese  neuen  Stoffe  in  der  Verarbeitung  nicht  die  gleichen 
guten  Eigenschaften  des  Zelluloids  besitzen  und  weil  der  Preis 


88.     Seifen-   und  Parfümeriefabrikation. 


331 


so  vielfach  höher  ist,   daß   die  daraus   gefertigten  Artikel  nicht 
mehr  konkurrenzfähig  sind. 

Die  Haarschmuckindustrie  war  zwar,  abgesehen  von  den 
Sommermonaten,  allgemein  gut  beschäftigt,  die  kleinen  Artikel 
aber,  welche  allein  gangbar  sind,  lassen  keinen  genügenden  Nutzen. 
In  Paris  hat  sich  jetzt  ein  Komitee  gebildet,  um  die  Mode  für 
Haarschmuck  im  Interesse  der  großen  Kämme  zu  beeinflussen. 
Ob  sich  auf  diese  Art  ein  Erfolg  erzielen  läßt,  muß  erst  die 
Zukunft  lehren.  —  Schirm-  und  Stockgriffe  aus  Zelluloid  sind 
rege  begehrt  gewesen,  besonders  bessere  Qualitäten,  welche  in 
großen  Massen  hergestellt  werden  konnten,  z.  B.  Imitationen  von 
Hörn,  Schildpatt  und  Elfenbein.  —  Große  Knöpfe  sind  weiter  in 
Mode  geblieben.  Ihre  Fabrikation  ist  verbessert  worden,  indem 
man  jetzt  zu  jedem  Stoff  die  passende  Farbe  durch  ein  Spritzver- 
fahren herstellt,  welches  die  Farbe  auf  transparentes  Zelluloid 
aufträgt.  Den  Knöpfen  sind  dadurch  immer  größere  Absatz- 
gebiete erschlossen  worden.  —  Die  Herstellung  von  Gratulations- 
und Luxuskarten  mußte  leider  noch  mehr  eingeschränkt  werden, 
weil  dieser  Artikel  unter  den  jetzigen  Zollverhältnissen  nicht 
mehr  exportfähig  ist.  —  Viele  andere  Artikel,  welche  teilweise 
ganz,  teilweise  in  Verbindung  mit  Zelluloid  hergestellt  werden, 
chirurgische,  technische  Artikel,  Bijouterien  und  andere  werden 
unter  den  Spezialbranchen  aufgeführt.  —  Xleber  den  Hahmen 
unseres  Bezirkes  hinaus  hat  sich  die  Zelluloidwarenindustrie  in 
Deutschland  auf  der  bisherigen  Höhe  erhalten. 

Der  Verband  der  deutschen  Zelluloid-Industriellen,  welcher 
seinen  Sitz  in  Berlin  hat,  ist  nach  wie  vor  bemüht,  die  Interessen 
der  Branche  w^ahrzunehmen.  Da  die  Mitglieder  sich  aus  den 
verschiedenen  Spezialbranchen  zusammensetzen,  welche  Zelluloid 
herstellen  und  weiter  verarbeiten,  so  liegt  im  Vorstand  jetzt  die 
Absicht  vor,  Faehaus Schüsse  ähnlich  denen  in  den  Handels- 
kammern zu  bilden,  um  jeder  Spezialbranche  Gelegenheit  zu 
geben,  ihre  eigenen  Angelegenheiten  zu  beraten. 


Einzelne 
Verwendungs- 
zwecke. 


Verband 
der  Deutschen 

Celluloid- 
Industriellen. 


88.    Seifen-   und  Parfümeriefabrikation. 
1.    Hausstandseife. 

Die  Absatzverhältnisse  haben  sich  dem  Vorjahre  gegenüber 
kaum  geändert,  dagegen  zeigten  sich  auf  dem  Fettmarkt  sehr 
erhebliche  Unterschiede  von  der  Lage  des  Jahres  1913. 

Palmkernöl,  für  die  Biegelseifen  das  hauptsächlichste  Roh- 
produkt, erfuhr  weitere  Preissteigerungen;  in  1912  war  sein 
höchster  Preis  77,50  Mk. ;  Anfang  1913  notierte  es 
80  Mk.  und  erreichte  dann  nach  verschiedenen  Schwan- 
kungen im  August  den  Höchststand  von  93  Mk. ;  im  Sep- 
tember, Oktober,  November  schwankte  es  zwischen  90 — 92  Mk. 
Der  hohe  Preis  von  Palmkernöl  ist  um  so  empfindlicher  für  die 


Absatz. 


Rohstoffpreise- 


332     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

Seifenfabrikation,  weil  es  keinen  A/iollwertig'en  Ersatsf  dafür  gibt. 
Keines  Palmkernöl,  wie  es  von  den  Oelfabriken  geliefert  wird, 
wurde  von  den  Seifenfabriken  nur  in  verhältnismäßig  geringemi 
Maße  bezogen.  Diese  mußten  sich  hauptsächlich  mit  den  aus 
der  Speisefettfabrikation  abfallenden  Kernölen  und  Kokosölen  be- 
helfen,  welche  allerdings  8—10  Mk.  pro  100  kg  billiger  ver- 
kauft werden,  aber  dem  reinen  Kernöl  gegenüber  auch  wesentn 
liehe  Nachteile  haben.  Diese  Abfallöle  sind  mehr  oder  weniger 
verunreinigt,  dunkler  in  d^er  Farbe  und  enthalten  ca.  50  o/o  freie 
Fettsäuren,  sie  ergeben  daher  eine  geringe  Glyzerinausbeute.. 
All  diese  Nachteile  heben  den  Preisunterschied  zum  größten  Teil 
auf.  Wenn  trotzdem  die  Abfallöle  ihren  verhältnismäßig  hohen 
Preisstand  beibehalten,  so  liegt  das  vielfach  daran,  daß  die  Seifen- 
fabrikanten sie  nicht  durch  chemische  Analyse  auf  ihren  Ver- 
seifungswert  prüfen  lassen.  In  den  großen  Fabriken,  welche 
ihre  eigenen  Laboratorien  haben,  geschieht  dieses  selbstverständ- 
lich, aber  die  kleineren  Fabrikanten  scheuen  vielfach  die  ge- 
ringen Untersuchungskosten  und  verhindern  auf  diese  Weise  eine 
richtige  Bewertung. 

Palmöl  und  Kottonöl  erfuhren  gleichfalls  Preissteigerungen, 
weil  auch  sie  in  der  Speisefettfabrikation  Verwendung  finden. 
Ganz   besonders   ist  das   bei  Kottonöl   der  Fall. 

Die  Preise  für  Talg  hielten  sich  ungefähr  auf  gleicher  Höhe 
wie  im  Vorjahre.  Leinöl  wurde  während  des  ganzen  Jahres  zu 
verhältnismäßig  niedrigen  Preisen  angeboten  und  daher,  wie  in 
den  Jahren  vor  der  großen  Hausse,  wieder  in  bedeutenden  Quan- 
titäten verarbeitet.  Glyzerin  behielt,  abgesehen  von  kleinen 
Schwankungen,  seinen  hohen  Preisstand  bei. 

In  der  nachstehenden  Aufstellung  sind  die  Preise  für  die  wich- 
tigsten Itohmaterialien  der  Seifenfabrikation  angegeben,  ^\de  sie 
sich  Mitte  der  betreffenden  Monate  stellten. 


Tab.  128. 

Preis 

der  Rohs 

toffe  der  1 

3eifenindusi 

trie. 

Palmkern- 

Leinöl 

Lagos- 

Engl. 

Araerik. 

Roh-Glycerin 

öl 

Palmöl 

Seifentalg 

Kottonöl 

280  B 

Januar 

80 

52.50 

63 

67—65 

63 

155 

Februar 

80 

56 

65 

70—67 

63 

157 

März 

80 

55.50 

64 

69-66 

64 

160 

April 

89 

53  50 

62 

70—68 

64 

160 

Mai 

82 

5350 

59 

69—67 

65 

155 

Juni 

83 

49.50 

62 

70—64 

66 

155 

Juli 

90 

52 

66 

72—66 

70 

150 

August 

93 

54 

70 

72—66 

83 

150 

September 

9150 

49 

68  50 

71—68 

80 

160 

Oktober 

90 

49 

67.50 

70-67 

77 

165 

November 

91.50 

48 

66.50 

68—66 

79 

165 

Dezember 

Die  Preise  bedeuten  Mark  für  100  kg  inklusive  Paß,  ;für 
Palmkernöl  und  Leinöl  frei  ab  Harburg,  für  Palmöil,  Talg  fund 
Kottonöl  unverzollt  cif  Hamburg".    Für  Glyzerin  ist  der  Pariser 


88.     Seifen-   und  Parfümeriefabrikation. 


333 


Börsenpreis  in  Franken  angegeben.  Abweichend  von  dem  vor- 
jährigen Bericht  ist  in  der  Aufstellung  der  Preis  für  Bohnenöl 
lund  Erdnußöl  nicht  vermerkt,  da  sie  in  diesem  Jahre  in  der* 
Seifenfabrikation  nur  wenig  verwendet  wurden  wegen  ihres  hohen 
Preises  im   Vergleich  mit   anderen  gleichwertigen   Oelen. 

Im  vorjährigen  Bericht  wurde  die  Hydrierung  der  Pette 
erwähnt.  Dieser  Pabrikationszweig  hat  einen  sehr  bedeutenden 
Umfang  angenomimen.  Die  durch  Hydrierung  gehärteten  Pette 
wurden  viel  in  der  Seifenfabrikation  verarbeitet.  Da  aber  ziem- 
lich hohe  Preise  dafür  verlangt  werden,  so  vermochten  sie  einen 
Einfluß  auf  die  Bewertung  anderer  Pette  nicht  auszuüben. 

Die  Seifenpreise  haben  sich  gegenüber  dem  Vorjahre  nicht 
verändert,  obwohl  bes-onders  bei  Biegelseifen  und  den  Paßseifen, 
zu  welchen  Kottonöl  verwendet  wird,  Preisaufbesserungen  drin- 
gend nötig  gewesen  wären.  Es  wurden  gehandelt:  Oberschal© 
zu  56 — 62  Mk.,  Oranienburger  zu  62 — 58  Mk.,  Transparente  ziu 
58—54  Mk.,  Eschweger  zu  52  Mk.,  Elainseife  zu  32—48  Mk'., 
TerpentrQseife  zu  32—48  Mk.,  grüne  Seife  zu  30—46  IVIk. 

Einem  zweiten  Bericht  entnehmen  wir  folgendes: 

In  der  Berliner  Seifenindustrie  hat  sich  die  Lage  im  Jahre 
1913  nicht  verbessert.  Der  Konsument,  der  unter  der  teuren 
Lebenshaltung  sehr  zn  leiden  hat,  spart  an  allen  Ecken  und 
Enden,  und  nicht  zuletzt  im  Seifenverbrauch.  Die  Absatzmög- 
lichkeiten gestalten  sich  von  Jalir  zu  Jahr  schwieriger  und  die 
Konkurrenz  wird  immer  schärfer.  Das  ganze  Jahr  über  bewegten 
sich  die  Preise  für  die  Eohstoffe  in  einer  ungewöhnlichen  Höhe. 
Diese  hohe  Preisbasis  ist  darauf  zurückzuführen,  daß  fast  alle 
Produkte  in  die  Speisefettindustrie  wandern.  Bei  der  fortschreiten- 
den Entwicklung  werden  fast  alle  Produkte  genußfähig  gemacht, 
also  nicht  nur  Palmkernöl,  Kokosöl,  Kottonöl,  Talg  usw.,  sondern 
neuerdings  auch  Bohnenöl,  Leiaöl,  Palmöl  msw.  Die  Seifen- 
industrie ist  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  auf  Abfallprodukte  ange- 
wiesen. Aber  auch  die  AbfallproduJite  bewegen  sich  nicht  auf 
einer  Preisbasis,  die  mit  den  erzielten  Seifenpreisen  in  Enklang 
zu  bringen  wäre.  Unter  der  Viehknappheit  im  Inland  und  den 
hohen  Zöllen  auf  ausländische  Bx)hwaren  hat  die  Seifenindustrie 
sehr   zu  leiden. 


2.    Toiletteseifen    und   Parfümerien. 

Schon  die  letzten  Monate  des  Jahres  1912  (November,  De- 
zember), welche  für  die  Parfümerie-  und  Toilettesaifenindustrie, 
vor  allem  für  die  erstgenannte,  den  Ausschlag  für  das  gesamte 
Geschäftsjahr  geben  und  das  Thermometer  für  die  kommende  Zeit 
bilden,  hatten  die  "Wahrscheinlichkeit  noch  größer  werden  lassen, 
daß  die  unsicheren  politischen  Verhältnisse  des  Jahres  1912  mit 
den  Polgeerscheinungen,  die  sie  zeitigen  mußten,  an  der  Industrie 
nicht  unbemerkt  vorübergehen  würden. 


Allgemeines. 


334     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


Auslands- 
geschäft. 


Spiritusprei  se . 


Fettwaren- 
preise. 


Die  Befürchtungen,  die  an  den  immerhin  auffälligen  Rück- 
gang des  Geschäfts  in  diesen  beiden  Monaten  gegenüber  der 
gleichen  Zeit  des  Vorjahres  geknüpft  werden  mußten,  haben  sich 
im  vollsten  Maße  erfüllt.  Die  Kauflust,  besonders  für  feinere 
Luxusware,  bei  welcher  sich  erfreulicherweise  in  den  verflossenen 
Jahren  der  Verbrauch  deutscher  Erzeugnisse  gegenüber  auslän- 
dischen Fabrikaten  gehoben  hatte,  ging  beträchtlich  zurück,  aller- 
dings nicht  nur  für  inländische  Erzeugnisse,  sondern  auch  für  aus- 
ländische Fabrikate.  Die  bevorstehende  Wehrsteuer  hat  zweifel- 
los auch  das  ihrige  dazu  beigetragen^  und  so  war  im  allgemeinen 
für  den  Absatz  im  Inlande  in  der  Parfümeriebranche  immerhin  ein 
erheblicher  Rückgang  zu  verzeichnen. 

Auch  im  Auslandsgeschäft,  besonders  nach  denjenigen  Län- 
dern, die  an  den  Verhältnisseoi  auf  dem  Balkan  mehr  oder  weniger 
Interesse  haben,  war  der  Absatz  teilweise  bedeutend  schwächer. 
Ebenso  mag  der  allgemein  teure  Geldstand  das  Seinige  dazu  bei- 
getragen haben,  denn  nicht  nur  in  europäischen  Ländern,  sondern 
auch  in  überseeischen,  besonders  den  südamerikanischen,  die  auch 
auf  den  deutschen  Geldmarkt  stark  angewiesen  sind,  machte  sich 
diese  Kalamität  sehr  fühlbar.  Man  hat  daher  auch  im  Jahre  1913 
mit  unverhältnismäßig  mehr  Zahlungseinstellungen  zu  rechnen 
gehabt.  Häuser,  deren  Buf  in  keiner  Weise  einen  Zusammenbruch 
erwarten  ließ,  sind  mit  Biesensununen  in  Schwierigkeiten  geraten, 
und  es  sind  teilweise  mehrjährige  Moratorien  bewilligt  worden, 
nur  um  einigermaßen  zu  retten,  was  möglich  war. 

Den  Absatzschwierigkeiten  standen  auf  der  anderen  Seite 
keine  Erleichterungen  der  Produktion  gegenüber.  Gerade  für  die 
Spiritus  verarbeitenden  Industrien  hätte  man  im  Jahre  1913 
Spirituspreise  erwarten  müssen,  die  einigermaßen  die  Preisstei- 
gerungen der  vorhergehenden  Jahre  wieder  rückgängig  machten. 
Aber  obwohl  man  die  Kartoffelernte  geradezu  als  eine  Bekordernte 
bezeichnen  mußte,  erfolgten  nur  sehr  geringe  Preisrückgänge,  die 
in  gar  keinem  Einklang  zu  dem  tatsächlichen  Ergebnis  der  Ernte 
standen.       i 

Im  Auslandsgeschäft  besteht  keine  Möglichkeit,  für  diese 
hohen  Produktionskosten  durch  Preiserhöhungen  der  Fertigfabri- 
kate einen  Ausgleich  zu  schaffen,  da  die  französische  und  englisehe 
Industrie  den  Spiritus  u^  33V3  ^/o  billiger  erhält  als  die  deutsche. 
Daher  wurde  von  den  hauptsächlich  an  dem  Export  interessierten 
Fabrikanten  der  deutschen  ParfüWrieindustrie  die  Frage  ernstlich 
in  Erwägung  gezogen,  im  Freihafengebiet  für  den  Export  Fabri- 
kationsstätten zu  errichten,  welche  es  ermöglichen,  durch  Ver- 
arbeitung ausländischen  Sprits  gegen  das  Ausland  konkurrenz- 
fähig zu  bleiben.  Hier  zeigt  sich,  wie  schädlich  die  Politik  der 
Spirituszentrale  für  die  deutsche  Volkswirtschaft  ist. 

Für  die  Seifenfabrikation  waren  die  schwankenden  Preise  der 
Fettwaren,     tierischen     und    pflanzlichen    Fette,    außerordentlich 


88.     Seifen-   und  Parfümeriefabrikation. 


335 


störend.  Den  tierischen  Fetten  ist  zwar  durch  die  weitere  Ver- 
vollkommnung der  gehärteten  Kunstfette,  die  immer  mehr  Eingang 
in  die  Speisefett-Fabrikation  zu  finden  scheinen,  ein  starker 
Gegner  erwachsen,  der  wenigstens  im  letzten  Halbjahr  einiger- 
maßen erträgliche  Preise  für  tierische  Fette  ^'ur  Folge  hatte. 
Bei  den  Pflanzenfetten  dagegen  wie  Kokosöl,  Palmkernöl  usw.  hat 
das  verflossene  Jahr  Preise  gebracht,  wie  sie  bisher  für  unmög- 
lich gehalten  wurden,  so  z.  B.  bezahlte  man  für  Cochin-Kokosöl 
Preise  bis  beinahe  120  Mk.  für  den  Doppelzentner  gegen  den  sonst 
üblichen  Preis  von  85  bis  95  Mk.  Allerdings  besteht  die  Aussicht, 
daß  -aluch  bier  in  einiger  Zeit  sich  ein  Wettbewerb  von  Kunstfetten 
bemerkbar  machen  w^ird. 

Der  Markt  der  ätherischen  Oele,  die  für  die  Parfümsrie- 
industrie auch  von  wesentlicher  Bedeutung  sind,  liegt  ebenso  un- 
günstig. Es  scheint  jedoch,  daß  z.  B.  bei  den  Messineser  Essenzen 
das  Syndikat  allmählich  zu  der  Erkenntnis  kommt,  daß  durch 
derartig  hohe  Forderungen,  wie  sie  im  verflossenen  Jahre 
gestellt  wurden,  der  Verarbeiter  zu  Kunstprodukten  zu  greifen 
direkt  gezwungen  wird.  Für  Zitronenöl,  das  früher  mit  9,  10  und 
12  Mk.  gehandelt  wTirde,  w^urden  Preise  bis  zu  40  und  50  Mk. 
verlangt.  Bergamottöl,  das  früher  einen  Einstandspreis  von  18 
bis  20  Mk.  aufwies,  erzielte  Preise  bis  zu  55  Mk.  Die  Folge 
davon  ist,  daß  die  Fabrikanten  berate  mehr  oder  weniger,  wo  es 
irgendwie  möglich  war,  künstliche  Oele  in  Verwendung  genommen 
haben,  die  eine  einigermaßen  sichere  Kalkulationsbasis  bieten  und 
die  naturgemäß  von  nun  an  aus  der  Fabrikation  nicht  mehr  aus- 
scheiden w^erden. 

Die  Bosenölerzeugung  hat  ebenfalls  unter  den  Folgen  des 
türkischen  Krieges  stark  gelitten,  da  Bulgarien  das  Hauptpro- 
duktionsland  darstellt,  und  die  Preise  erreichten  eine  Höhe,  die 
auch  erheblich  über  das  übliche  Maß  hinausging. 

Zusammenfassend  ist  folgendes  zu  sagen:  Der  Absatz  im 
Inlande  wie  im  Auslande  litt  unter  den  unsicheren  politischen  Ver- 
hältnissen und  der  Geldteuerung.  Eine  Ausdehnung  des  Geschäfts 
war  infolgedessen  nicht  möglich,  der  Fabrikant  mußte  sich  aber 
Zurückhaltung  auferlegen;  es  war  daher  allenthalben  ein  starker 
Rückgang,  mit  Ausnahme  des  fernen  Ostens,  der  von  diesen  Ver- 
hältnissen nicht  getroffen  wnirde,  zu  verzeichnen.  Die  Produk- 
tionsbeding'ungen  waren  dieselben  w^ie  in  den  vorhergehenden 
Jahren.  Die  Preise  für  Rohprodukte  waren  außerordentlich 
schwankend  und  boten  in  keiner  Hinsicht  eine  sichere  Grundlage 
für  zuverlässige  Kalkulationen.  Besonders  für  die  Spiritus  ver- 
arbeitende Industrie  hat  sich  die  Gesetzgebung  des  Jahres  1909  als 
ein  Krebsschaden  erwiesen.  Die  am  Export  hauptbeteiligten 
Firmen  wurden  Vor  die  Alternative  gestellt,  entweder  im  Aus- 
lande die  Fabrikation  aufzunehmen,  oder  auf  die  errungenen 
Erfolge  zu  A^erzichten. 


Preise  der  äthe- 
rischen Oele. 


Rosenölproduk- 
tion. 


Zusammen- 
fassung. 


336     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

89.  Kohlensäurefabrikation. 

Die  Witterung  wälirend  des  Sommers  1913  war  ebenso  un- 
günstig wie  die  des  Jahres  1912.  Infolge  der  wachsenden  Beliebt- 
heit der  kohlensäurehaltigen  Getränke  und  der  Verwendung 
flüssiger  Kohlensäure  zu  technischen  Zwecken  ist  der  Absatz 
der  berichtenden  Firma  dennoch  um  ca.  31/2!  ^/o  gestiegen.  Der 
Konkurrenzkampf  mit  den  west-deutschen  Kohlensäure  werken  hat 
aufgehört,  und  das  Geschäft  war  daher  ruliig.  Im  Preise  sind 
wesentliche  Veränderungen  nicht  vorgekommen.  Die  schleehtefri 
allgemeinen  Verhältnisse  machten  sich  auch  bei  der  berichtenden 
Firma  durch  langsamer  eingehende  Zahlungen  und  Ausfälle  be- 
merkbar. Ein  Export  ist  von  Berlin  aus  u^nmöglich,  da  die  Fa- 
briken der  anderen  Orte  günstiger  gelegen  sind. 


Natürliches 
Mineralwasser. 


90.  Mineralwasser  und  andere  alkoholfreie 
G  e  t  r  ,ä  n  k  e. 
a)  Natürliches  Mineralwasser. 
Die  natürlichen  Kurbrunnen  hatten,  trotz  des  überaus 
ungünstigen  Wetters  im  Frühjahr  und  Sommer,  im  all- 
gemeinen den  gleichen  Absatz  wie  im  Vorjahre,  mehr 
fach  sogar  einen  höheren.  Besonders  nach  Wildunger,  Neuen- 
ahrer,  Salzschlirfer,  auch  Homburger  Brunnen  bestand  teil- 
weise erheblich  gesteigerte  Nachfrage.  Sehr  ungünstig  wurden 
die  Absatzverhältnisse  der  Tafelwasser  durch  das'  kühle, 
regnerische  Wetter  im  Spätfrühjahr  und  Herbst  beeinflußt.  Mit 
sehr  wenig  Ausnahmen  gingen  die  Umsatzziffem  sehr  scharf 
gegen  die  des  Vorjahres  zurück,  das  schon  gegen  1911  großen 
Minderbedarf  zeigte.  Gleichmäßig  wurden  davon  sowohl  die 
Naturquellen  wie  die  Kunst erzeugnisse  betroffen.  Der  allgemeine 
Wettbewerb  verschlechterte  die  Preisverhältnisse  vielfach  nicht 
unerheblich  und  steigerte  die  Ansprüche  der  Wirtschaften  und 
Hotels  an  Zubußen  für  Inserate  in  Hotelführern,  Programmen, 
die  Inanspruchnahme  sehr  langer  &edite  usw.  ins  Ungemessene. 
Größere  Verluste  brachten  der  Zusammenbruch  größerer  Hotel- 
unternehmungen und  vieler  kleinen  Cafes,  Sommerwirtschaften! 
usw.  Da  auch  das  Apotheker-  und  Drogistengewerbe  unter  der 
Ungunst  der  Zeiten  zu  leiden  hat,  wird  Kreditgewährung  auch 
von  diesen   Seiten  in  schwer  drückender  AVeise  beansprucht. 


Künstliche 
Mineralwasser. 
Geschäftsgang. 


b)  Künstliche  Mineralwasser. 
iMußte  schon  das  Jahr  1912  für  die  Mineralwasserindustrie 
als  schlecht  bezeichnet  werden,  so  trifft  dieses  Prädikat  in  noch 
[viel  stärkerem  Grade  auf  das  Berichtsjahr  zu.  Von  einigen 
kleinen  Anläufen  zu  flotterem  Geschäfte  abgesehen,  herrschte 
während  des  ganzen  Sommers  Stille.  Die  Ursache  dafür  war  in 
der    Hauptsache    zweifellos     in    der    ungünstigen   Witterung    zu 


90.    Mineralwasser  und  andere   alkoholfreie  Getränke. 


337 


su<ihen,  doch  trugen  die  allgemein  schlechten  wirtschaftlichen 
Verhältnisse,  unter  denen  weite  Kreise  der  Bevölkerung  zu  leiden 
haben,   auch  ihr<  Teil  dazu  bei. 

Die  am  1.  Mai  d.  J.  in  Kraft  gesetzte  neue  Polizeiverordnung 
betreffend  die  Herstellung  kohlensaurer  Gnetränke  ist  bisher 
weniger  lästig  geworden,  als  befürchtet  wurde.  Ungenügend  g'e- 
klärt  ist  noch  die  Frage,  wer  die  Kosten  für  die  polizeüidhe 
Prüfung  der  Mischapparate  zu  tragen  hat. 

Zu  den  mancherlei  Uebelständen,  unter  denen  die  Industrie 
zu  leiden  hat,  gehört  auch  der  Handel  mit  gebrauchten  Flaschen. 
Diese  werden,  ganz  gleich,  ob  sie  geschützt  sind  oder  nicht,  in 
großen  Mengen  von  Althändlem  aufgekauft  und  in  die  Provinz! 
bzw.  ins  Ausland  verschickt.  Den  Mineralwasserfabrikanten  er- 
wächst hieraus  großer  Schaden,  der  selbst  durch  etwa  erhobenes 
Flaschenpfand  nicht  entfernt  ausgeglichen  wird.  Bedenkt  man, 
daß  neue  Flaschen  von  Vs  Liter  Inlialt  mit  Patentverschluß 
etwa  17  Pfg.  das  Stück  kosten,  daß  dagegen  das  Pfand  nur 
10  Pfg.  beträgt,  so  kann  man  leicht  ermessen,  wie  groß  die  Ver- 
luste durch  nicht  zurückgelieferte  Flaschen  sind.  Diesen  Aus- 
fall etwa  durch  Erhöhung  des  Pfandes  aus  der  Welt  zu  schaffen, 
ist  völlig  ausgeschlossen,  denn  eine  solche  Maßregel  würde  beim 
konsumierenden  Publikum,  das  schon  an  dem  Pfandsatze  von 
10  Pfg.  vielfach  Anstoß  nimmt,  auf  größten  Widerstand  stoßen.' 
Den  Flaschenhändlern  muß  eben  der  Weiterverkauf  wenigstens 
der  geschützten  Flaschen  unmöglich  gemacht  werden.  Dieses  Ziel 
zu  erreichen,  gibt  vielleicht  ein  zurzeit  schwebender  Prozeß  die 
gewünschte  Handhabe. 

Das  Füllen  fremder  Flaschen  ist  zwar  noch  nicht  beseitigt, 
doch  haben  die  dahingehenden  Bemühungen  rühriger  Fabrikanten- 
vereine schon  manche  Besserung  gebracht. 

Die  Klagen  über  das  eigentümliche  Geschäftsgebahren  von 
Fabrikanten  sogenannter  halbnatürlicher  W,ässer  nehmen  kein 
Ende,  und  es  wird  immer  wieder  Einspruch  dagegen  erhoben, 
daß  es  derartigen  Produkten,  die  infolge  ihrer  Bereitung  keiner^ 
lei  Anspruch  auf  die  Bezeichnung  „natürliches  Mineralwasser" 
haben,  möglich  gemacht  wird,  unter  dieser  falschen  Bezeichnung 
im  Handel  zu  erscheinen.  Leider  wird  für  solche  Erzeugnisse 
von  dem  Kaiserlichen  Patentamte  in  Unkenntnis  der  Verhältnisse 
oft  genug  einem  Antrage  auf  Eintragung  eines  Warenzeichens  ent- 
sprochen. 

Größere  Mineralwasserfabriken,  welche  mit  Destillations- 
einrichtungen versehen  sind  und  destilliertes  Wasser  in  Ballons 
verkaufen,  haben  sich  im  Sommer  dieses  Jahres  zusammen- 
geschlossen, um  einlieitliche,  den  heutigen  Verhältnissen  ent- 
sprechende  Preise   für   diesen   Artikel   festzulegen. 

Die  Arbeitslöhne  haben  sich  im  Berichtsjahre  nicht  geändert; 
auch  die  Verkaufspreise  sind  unverändert  geblieben.    Die  Preise 


Polizei- 
verordnung. 


Handel  mit 

gebrauchten 

Flaschen. 


Halbnatürlicbe 
Mineralwässer. 


Verbau  ds- 
bcjtrebungen. 


Preise. 


Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


22 


338     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  ust\'.  Industrien. 

von  Kohlen  hielten  sich  auf  derselben  hohen  Stufe  wie  im  Vor- 
jahre. Nur  T'ourage  und  Zucker  sind  zurückgegangen.  Unver- 
ändert blieben  die  Preise  für  Kohlensäure  und  Flaschen. 

91.   Eisha;ndel',   .Kunöteisfabrikation   und   Kühl- 
hausgeschäft. 

Natureis.  Das  gesamte  Geschäft  in  Natureis  lenkt  in  wenig  erfreuliche 

iBahnen  ein.  Auch  die  verflossene  Saison  brachte  infolge  des  zu- 
meist kühlen  und  regnerischen  Wetters  nicht  den  erhofften  Auf- 
schwung, Die  Konsumenten  konnten  ihren  Bedarf  laufend  zu 
niedrigen  Preisen  decken.  Die  Konkurrenz,  die  durch  die  Ver- 
mehrung und  Vergrößerung  der  Kunsteisfabriken  immer  stärker 
wird,  tat  dazu  ein  übriges,  so  daß  auf  keiner  Seite  ein  wesentlicher 
Nutzen  am  Eishandel  verblieben  sein  dürfte.  AVie  groß  die  Not 
ist,  die  Ausgaben  mit  den  Einnahmen  heute  einigermaßen  ;in 
Einklang  zu  bringen,  wird  durch  die  Bilanzen  der  Gesellschaften 
der  Branche  am  besten  dargelegt. 

Die  Vorräte  in  Natureis  haben  vollauf  gereicht,  und  es  ist 
sogar  noch  Eis  in  größeren  Quanten  ia  den  Eislagern  verblieben. 
Auch  der  Brand  des  Eisschuppens  in  Plötzensee  hat  keinen  Einfluß 
darauf  gehabt.  Da  die  Kunsteisfabriken  mit  ihrer  Ueber- 
produktion  jetzt  schon  einen  großen  Teil  des  Bedarfs  an  Eis 
decken,  so  dürfte  auch  für  das  nächste  Jahr  noch  kein  Mangel 
eintreten  und  der  Bezug  norwegischen  Eises,  welches  im  Jahre 
1913  gar  nicht  auf  den  Markt  gekommen  ist,  in  Zukunft  dauernd 
außer  Frage  bleiben. 

Die  Arbeiterverhältnisse  haben  in  der  letzten  Zeit  nicht  zu 
Bemerkungen  Anlaß  gegeben.  Das  Angebot  ist  dauernd  reichlich, 
so  daß  Lohnerhöhungen  wohl  nirgends  erfolgt  sein  dürften. 

Kunsteis.  Die  Verhältnisse  im  Kunsteisgeschäft  waren  im  Berichtsjahre 

noch  ungünstiger  als  im;  Jahr  vorher.  Es  waren  noch  große 
Vorräte  von  Natureis  vorhanden,  die  zu  sehr  billigen  Preisen 
angeboten  wurden.  Die  Sommermonate  waren  überwiegend  kühl, 
was  natürlich  den  Eisverbrauch  wesentlich  verminderte.  Ebenso 
nachteilig  wirkte  die  von  einigen  Fabriken  ausgeübte  Preis- 
schleuderei; diese  boten  das  Eis,  um  nur  einen  Teil  ihrer  Pro- 
duktion absetzen  zu  können,  zu  so  niedrigen  Preis-en  an,  daß  ;ein 
Nutzen  nicht  mehr  verblieb.  Der  Verbrauch  von  Natureis  geht 
immer  mehr  zurück.  Das  Kühlhausgeschäft  war  normal.  Die 
Einlagerungen  waren  etwas  umfangreicher  als  im  Vorjahre. 


92.  Knochen 


Knoche^fabrikate  und  Düngemittel 
aller  Art. 


Knochen.  Dic  Preise  für  Knochen  blieben  bis  Mitte  des  Jahres  1913 

hoch  und  gingen  dann  eine  Kleinigkeit  herunter.     Die  Fabriken, 
sowohl  die  im  Konzern  vereinigten    wie  die  sogenannten,  freien, 


92.    Knochen,   Knochenfabrikate   und  Düngemittel   aller   Art.     339 


fanden  nicht  ihre  Rechnimg,  und  die  notwendige  Folge  id^'^'^^^ 
war  eine  Herabsetzung  der  Preise.  Xoch  immer  ist  das  Material 
knapp,  was  leider  einer  durchgreifenden  Herabsetzung  der  Preise 
hinderlich  ist.  Auch  das  Ausland,  dem  Ware  entzogen  worden  ist, 
sieht  sich  veranlaßt,  Gegenmaßregeln  hiergegen  zu  ergreifen. 
Die  Folge  der  ungesunden  Preistreibereien  zeigt  sich  auch  in  den 
Bilanzen  der  Fabriken. 

Leim  zeigte  ohne  wesentliche  Aenderimgen  zu  gleichmäßigen 
Preisen  regen  Absatz  sowohl  im  Inland  wie  im  Ausiland. 
Die  wesentliche  Zollermäßigung  der  Vereinigten  Staaten  dürfte 
eine  Steigerung  der  Ausfuhr  dahin  und  eine  Preiserhöhung  wohl 
herbeiführen. 

Der  Bedarf  an  Fett  steigt  von  Jahr  zu  Jahr,  da  die  Ver- 
wendungsmöglichkeiten immer  w^eiter  ausgedehnt  werden ;  infolge- 
dessen war  auch  für  Knochenfett  das  ganze  Jahr  über  lebhafte 
Nachfrage.  Die  Preise  haben  sich  ungefähr  auf  der  Höhe  des 
vorigen  Berichtsjahres  gehalten. 

Nachdem  schon  zu  Ende  des  Jahres  1912  infolge  der  ;un- 
günstigen  Witterungsverhältnisse  und  des  hohen  Geldstandes  das 
Geschäft  in  Amerika,  welches  früher  stets  große  Quantitäten 
Knochenmehl  aller  Art  aufgenommen  hatte,  begonnen  hatte  zu 
stocken,  setzte  sich  diese  Stockung  im  laufenden  Jahr  fort,  und  erst 
gegen  Ende  des  Jahres  schien  sich  eine  Besserung  anzubahnen, 
da  wieder  zahlreichere  Anfragen  von  Amerika  einliefen.  Infolge 
der  ungünstigen  Exportverhältnisse  w^ar  der  inländische  Markt 
durch  verhältnismäßig  große  Vorräte  stark  belastet,  w^as  einen 
nicht  unbedeutenden  Nachlaß  im  Preise  für  alle  Arten  Knochen- 
mehl zui^  Folge  hatte.  Der  Tiefstand  scheint  indessen  seit  einigen 
Monaten  überwunden  zu  sein!,  so  daß  wohl  in  kürzester  Zeit 
wieder  mit  einer  Belebung  des  Knochenmehlgeschäftes  gerechnet 
werden  kann. 

Nach  der  großen  Preissteigerung  von  Chilesalpeter  im  Fe- 
bruar 1913  war  ein  starker  Preisfall  zu  bemerken,  der  sich  nach 
einem  kurzen  Aufschwünge  fortsetzte.  Der  Absatz  war  gering. 
'  Die  Konkurrenz  der  aus  der  Luft  erzeugten  Stickstoffe  mit 
^dem  aus  den  Bückständen  der  Gasfabrikation  erzeugten  schwefel- 
sauren Ammoniak  ließ  auch  diesen  Artikel  im  Preise  herabgehen. 
Jetzt  ist  eine  Verständigung  der  Fabrikanten  beider  Fabrikations- 
arten erzielt  worden,  durch  welche  eine  Ueberproduktion  ver- 
hindert werden  soll. 

Das  Geschäft  in  Phosphaten  liegt,  obwohl  die  Preise  in 
Bohmaterialien  sehr  niedrig  sind  und  die  Mineure  knappen  Nutzen 
haben,  sehr  danieder. 

Auch  die  Preise  für  Blutmehl,  Ledermehl  und  Hornmehl 
folgten  der  Herabsetzung  des  Stickstoffes  und  der  anderen  stick- 
stoffhaltigen Düngemittel. 

22* 


Leim. 


Knochenfett. 


Knochenmehr. 


Chile-Salpeter. 


Schwefelsaures 
Ammoniak. 


Phosphate. 


Blutmehl, 
Ledermehl, 
Hornmehl. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


340     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

'  Die  rückgängige  Konjunktur,  namentlich  infolge  des  Still- 
liegeUvS  der  Bautätigkeit,  ließ  reickliclies  Arbeitermatsrial  frei 
werden,  so  daß  die  Löhne  teilweise  eine  Ermäßigung  erfuhren, 
sowie  eine  Kürzung  der  Arbeitszeit  eintrat.  Die  sozialen  Lasten 
und  die  politischen  Verhältnisse  verminderten  im  allgemeinen  den 
Nutzen. 

93.  Zaindholzf  abrikation. 
Die  Zündholzindustrie  hat  nach  wie  vor  mit  schweren  Sorgen 
zu  kämpfen.  Die  vom  Staat  festgesetzte  Quote  von  45  o/o  ist  im 
Jahre  1913  nicht  nur  nicht  erreicht  worden,  sondern  die  Pro- 
duktion ist  noch  gegen  das  Vorjahr  wesentlich  zurückgegangen, 
es  sind  6000  Kisten  weniger  abgesetzt  worden.  Die  Preise,  die 
im  letzten  Jahre  etwas  erhöht  werden  konnten,  sind  infolge  An- 
sammlung von  Lagern  bei  einzelnen  Fabriken  wieder  zurück- 
gegangen, woran  nur  das  Ueberhandnehmen  der  Ersatzmittel 
Schuld  ist.  Außerdem  sind  die  Rohmaterialien  bedeutend  im 
Preise  gestiegen,  insbesondere  Espenholz,  daß  um  30  o/o  teurer 
geworden  ist.  Der  Preis  der  Espen  dürfte  eine  weitere  Steigerung 
erfahren,  da  die  Bestände  in  den  Grenzbezirken  Rußlands  bereits 
zu  Ende  gehen  und  das  Holz  aus  dem  Innern  herangeschafft 
werden  muß,  wodurch  sich  die  Bahnfracht  wesentlich  höher  stellt. 
Aus  allen  diesen  Gründen  wird  von  den  Zündholzfabrikanten  die 
Besteuerung  der  Ersatzmittel  gewünscht;  diese  soll  die  Zündholz- 
industrie vor  vollem  Ruin  bewahren. 


Tab.  129. 

ATißenhandel 

iD  Zündhölzern  und  Zündstäbehen  aus  Pappe. 

1910 

Einfuhr: 
1911     '     1912     I     1913 

1910 

Au  s  f  u  h  r : 

1911     ;     1912         1913 

in  dz 

inlOOOM. 

679 
34 

649 
32 

1011    1    889 
51         47 

in  dz 
inlOOOM. 

23  026 
1     1151 

8  050      4618     5  248 
544       362        407 

94.    Stearinkerzen  ;und   Zeresin. 

Stearinkerzen.  Bei   dem   Rückgang   des   Kerzenkonsums    infolge   der   stetig 

wachsenden  Verbreitung  des  elektrischen  Lichtes  scheint  der 
Fabrikation  von  Stearinkerzen  das  Todesurteil  gesprochen  zu 
sein.  Dazu  kommt,  daß  sich  in  Deutschland  erheblich  mehr 
Maschinen  befinden,  als  dem  geringen  Konsum  entsprechen.  Die 
Preise  sind  infolge  des  Konkurrenzkampfes  sehr  gedrückt. 

Das  Geschäft  in  Zeresin  leidet  unter  einer  außerordentlichen 
Knappheit  der  Rohmaterialien.  Die  Preise  für  diesen  Artikel 
sind  daher  in  dauerndem  Steigen  begriffen,  der  Absatz  bewegte 
sich  bisher  in  normalen  Grenzen,  der  Schwerpunkt  dieses  Industrie- 
zweiges liegt  im  Exportgeschäft. 

95.  Dachpappenindustrie. 

AUgemeines.  Die  Gcschäftslag'e  im  Jahre  1913  war  wenig  befriedigend. 

Die  politische  Lage  bewirkte,  daß  namentlich  die  Industrie  mit 


Ceresin'und 

andere 
Wachsarten 


95.    Dachpappenindustrie. 


341 


den  Aufträgen  zurückhielt,  und   auch,  die  private  Bautätig'ljieit 
stockte  des  ungünstigen  Greldmarktes  wegen. 

Die  Höhe  der  deutschen  Produktion  kann  man  an  Hand 
der  Eisenbahn-Güt'erstatistik  auf  jährlich  etwa  300  000  t  =  etwa 
130  Mill.  qm  Dachpappe  schätzen.  Da  es  von  großer  AYichtigkeit 
ist,  hei  der  Erneuerung  der  künftigen  Handelsverträge  über  die 
Produktions-  und  Absatzverhältnisse  innerhalb  der  Dachpappen- 
industrie nicht  bloß  auf  Schätzungen  angewiesen  zu  sein,  hat 
der  Verband  Deutscher  Dachpappenfabrikanten  beim  Eeichsamt 
des  Innern  die  Veranstaltung  einer  Produktions  Statistik  angeregt, 
die  demnächst  nach  vorheriger  mündlicher  Besprechung  mit  dem 
Verband  durchgeführt  werden  soll. 

Ueber  die  Preisbewegung  des  Fertigfabrikates  ist  wenig  Er- 
freuliches zu  berichten.  Die  geringe  Erhöhung,  die  hier  und  da 
durchzudrücken  möglich  war,  bot  in  keiner  Hinsicht  Ersatz  für 
die  gestiegenen  Eohmaterialpreise.  Die  Rohpap'pe,  der  G-rund- 
stoff  der  Dachpappe,  hat  eine  Preiserhöhung  erfahren.  Nicht 
anders  steht  es  Init  dem  Teer,  der  zu  Zeiten  nahezu  tunerschwinglich 
teuer  war.  Infolge  der  Uneinigkeit  der  Verbraucherkreise,  die 
sich  namentlich  der  Zwischenhandel  zunutze  machte,  sind  die 
Teerpreise  auf  eine  unnatürliche  Höhe  gestiegen.  Ang:stkäufe 
wurden  getätigt,  und  in  ihrer  Besorgnis  um  die  Eindeckung  des 
vollen  Teerbedarfs  haben  die  Verbirauoher  zu  große  Abschlüssle 
gemacht,  Zwangsverkäufe  gekaufter,  aber  nicht  abgenommener 
Teermengen  waren  die  Folge. 

Genau  so  ungünstig  stellten  sich  auch  die  Kreditverhältnisse 
innerhalb  der  Dachpappenindustrie.  Die  Zahlungen,  die  an  sich 
schon  nicht  als  besonders  günstig  zu  betrachten  waren,  gestalteten 
sich  im  Jahre  1913  außerordentlich  sehleppend,  was  mit  auf 
die  das  Verkehrsleben  belastenden  politischen  Unruhen  zurück- 
zuführen ist.  Es  mußten  Ziele  gewährt  werden,  wie  sie  innerhalb 
der  Branche  bis  dahin  nicht  üblich  waren,  und  doeh  wurden  sie 
vielfach  noch  riberschritten,  ohne  daß  es  möglich  gewesen  wäre, 
die  Ueberschreitung  der  eingeräumten  Fristen  zu  verhindern,  weil 
eben  in  schlechten  Zeiten  nichts  übrig  bleibt,  als  der  Kundschaft 
soweit  wie  möglich  entgegenzukommen. 

Das  Angebot  von  Arbeitskräften  war  innerhalb  der  Dach- 
pappenindustrie normal.  Durchweg  hat  eine  Erhöhung  der  Löhne 
stattgefunden.  ,  Auch  zu  Streiks  ist  es  in  einigen  Betrieben  des 
Beiches  gekommen.  Größere  Arbeiterbewegungen  waren  indes 
nicht  zu  verzeichnen.  In  einigen  Betrieben  hat  man  aber  eine 
Einschränkung  der  Arbeitszeit  vorgenommen,  um  im  Winter  den 
alten  Arbeiterstamm'  beschäftigen   zu  können. 

Die  Zollverhältnisse  in  der  Dachpappenindustrie  sind  un- 
günstig. Die  an  Deutschland  grenzenden  Länder,  die  für  den 
Export  ,von  Dachpappe  in  Frage  kommen,  haben  weit  höhere 
Zollsätze  für  Dachpappe  aufzuweisen  als  Deutschland.    Der  Ver- 


Höhe der 
Produktion. 


Preise. 


Kredit- 
verhältnisse. 


Arbeits- 
verhältnisse. 


ZoU- 
verhätnisse. 


342     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

band  deutscher  Dachpappenfabrikanten  ist  deslialb  seit  langem 
bemüht,  jiiber  die  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  auf  dem 
Gebiet  ",des  Zollwesens  Material  zu  sammeün,  um  es  bei  der  künf- 
tigen ^Erneuerung  der  Handelsverträge  verwerten  zu  können. 
Einfuhr.  Hierbei  hat  sich  insbesondere  die  bedrohliche  Tatsache  heraus- 

gestellt, daß  die  Einfuhr  von  Dachpappe  nach  Deutschland  von 
Jahr  zu  Jahr  ganz  erheblich  steigt.  Hauptsächlich  treten  die 
Vereinigten  Staaten  von  Amerika  seit  etwa  drei  Jahren  in  immer 
stärkerem  Maße  als  Dachpappenlieferanten  auf.  Es  sind  das  die 
sogenannten  teerfreien  Spezialdachpappen,  die  aber  in  Deutsch- 
land in  ebensoguter  Beschaffenheit  hergestellt  werden.  Ein 
Zwangsmittel  bildet  die  dauernde  Preissteigerung  des  Tberes,  denn 
der  Uebergang  zur  Fabrikation  teerfreier  Dachpappensorten  wird 
sich,  um  so  rascher  vollziehen  müssen,  je  dauernder  und  intensiver 
die  seit  mehreren  Jahren  anhaltende  Preissteig'erung  für  Teer 
in  Erscheinung  tritt.  Die  Preissteigerung  für  Teer  illustriert 
folgende  Tabelle: 

Durchschnittspreise  für  Steinkohlengasteer  (^lark  für  100  kg) : 


1910 
2,45 


1911 

2,66 


1912 
3.51 


1913 
4,20  M. 


Die  Einfuhrzahlen  für  Dachpappe  stellen  sich  wde  folgt  (in 
Doppelzentnern):  ', 


1911 

1912 

1913 

Insgesamt    .     .     . 
Großbritannien    . 
Yer.  St.  V.  Amerka 

12  682 
9  023 
1855 

17  376 

8  811 
5  833 

19  602 

10  049 

6  947 

Eisenbahn- 
frachten. 


Ausfuhi 


Ein  Haupthindernis  für  den  stärkeren  Export  von  Dach- 
pappen bieten  die  Frachtverhältnisse  in  der  Dachpappenindustrie. 
Dachpappe  ward  nach  Spezialtarif  II  verfrachtet.  Die  Dach- 
pappenindustrie hat  daher  mit  einem  beschränkten  Aktionsradius 
zu  rechnen,  weil  der  verhältnismäßig  l3il'lige  Artikel!  bedeutende 
Frachten  nicht  verträgt.  Für  den  Export  kommen  demnach  nur 
diejenigen  "Fabriken  in  Frage,  die  in  den  Grenzprovinzen  und  ajn 
der  Wasserkante  liegen.  Zur  Beseitigung  dieses  Zustandes  hat 
der  Verband  Deutscher  Dachpappenfabrikanten  bereits  auf  seiner 
Generalversammlung  vom  Jahre  1911  beschlossen,  bei  der  stän- 
digen Tarifkommission  der  deutschen  Eisenbahnen  zu  beantragen, 
daß  für  den  Versand  von  Dachpappe  zu  Exfportz wecken  der  Spezial- 
tarif III  eingeräumt  werde.  Die  ständige  Tarifkommission  hat 
indessen  diesen  Antrag  mit  dem  Hinweis  abgelehnt,  daß  trotz 
der  schlechten  Frachtverhältnisse  in  den  letzten  Jahren  eine  Er- 
höhung des  Exports  stattgefunden  habe. 

Die  Ausfuhr  an  Dachpappe  aus  Deutschland  betrug  (in  dz) : 


1911 
108  361 


1912 

108  637 


1913 
104  521 


96.   Gasfabrikation. 


343 


Gegenüber  'dem  Jahre  1910  weist  also  das  Jahr  1912  eine  Steige- 
rung von  2312  dz  =  2,2  %  auf.  Daß  sich  hiermit  die  Ablehnung 
eines  Antrages  kaum  be^ründ-en  läßt,  bedarf  wohl  keiner  weiteren 
Betonung,  ganz  abgesehen  davon,  daß  keineswegs  feststeht,  lob 
diese  Steigerung  sich  ausschließlich  auf  Dachpappe  bezieht.  Der 
Artikel  Dachpappe  Ijildet  nämlich  im  statistischen  Warenver-, 
zeichnis  für  das  Deutsche  Reich  keine  besondere  Position.  Die 
Position  '651  d  lautet  wie  folgt:  Dachpappe,  Eöhren  aus  Dach- 
pappe ;  Steinipappe ;  Schiffsfilz.  Der  Artikel  Schiffsfilz  aber  ge- 
winnt von  Jahr  zu  Jahr  mehr  und  mehr  an  Bedeutung,  so  da,ß 
unseres  Erachtens  ein  großer  Teil  der  in  dieser  Rubrik  geführten 
Ausfuhrmengen  dem  Artikel  Schiffsfilz  zuzurechnen  ist.  Um 
eine  Trennung  dieser  Position  durchzuführen,  hat  auch  hier  der 
Verband  Deutscher  Dachpappenfabrikanten  beim  Reichsamt  des 
Innern  den  Antrag  gestellt,  für  den  Artikel  Dachpappe  auf  Grund 
des  statistischen  Warenverzeichnisses  für  das  Deutsche  Reich  eine 
besondere  Ausschreibung  anzuordnen. 

Bestrebungen,  die  sich  auf  eine  besondere  Gestaltung  der 
Preise  für  das  Fertigmaterial  erstreckten,  haben  sich  oft  geltend 
gemacht,  es  ist  aber  nicht  gelungen,  zu  einem  Resultat  zu  kommen. 
Einzelne  Verbände,  die  hier  und  da  provinzweise  noch  als  Ueber- 
rest  des  vor  Jahren  zusammengebrochenen  großen  Dachpappen- 
kai'tells  bestanden  haben,  siad  in  diesem  Jahre  endgültig  ver- 
schwunden. Ob  und  wann  es  möglich  sein  wird,  innerhalb  der 
Dachpappenindustrie  zu  Preisvereinbarungen  zu  kommen,  ist  noch 
nicht  abzusehen. 


KarteUe. 


96.  Gas  f  abrik  a  tion. 

Wie  aus  den  Berichten  der  verschiedenen  Gaswerke  hervor- 
geht, hat  die  Gasabgabe  eine  recht  beträchtliche  Zunahme  er- 
fahren, welche  zeigt,  daß  die  Verwendung  des  Gases  sich  einer 
steigenden  Beliebtheit  bei  der  Bevölkerung  erfreut.  So  hatten 
die  Berliner  städtischen  Gaswerke  mit  einer  Abgabe  von 
320470  000  cbm  eine  Zunahme  von  20  807  200  cbm  oder  6,9  o/o, 
die  Charlottenburger  mit  59  957  997  cbm  eine  soldhe  von  2  218  909 
oder  3,84  ^/o  za  verzeichnen.  In  Neukölln  ist  in  der  Gasabgabe 
ein  Mehr  von  3081780  cbm  zu  verzeichnen,  gleich  13,58  o/o.  Die 
Gasabgabe  stieg  pro  Kopf  der  Bevölkerung  von  85,81  cbm  im 
Vorjahre  auf  98  cbm.  In  Lichtenberg  betrug  die  Zunahme  der 
Gaserzeugung  15,7  o/o  Es  wurden  nidht  nur  neue  Konsumenten 
hinzugewonnen  (21  o/o  mehr),  sondern  es  wurde  auch  die  Gas- 
abgabe pro  Kopf  der  Bevölkerung  erhöht.  ,  (81  cbm  pro  Kopf  der 
Bevölkerung  gegen  71  im  Vorjahre).  Nicht  so  günstig  scheint 
die  Entwicklung  in  Tegel  zu  sein,  obgleich  auch  hier  die  Zahl 
der   Gasmesser  sich    vermehrt  hat. 

Für  die  Zunahme  des  Gasverbrauches  liegen  zwei  Gründe 
vor.    Es  ist  einmal  die  Steigerung  des  Gaskonsumä  in  den  Haus- 


AU  gemeines. 


344     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


1.  Berlin. 

Rechnungsjahr 

1912. 


h'altung^viu  durch  weitere  Erschließ  img  des  Gases  für  Koch-  und 
Heizzwecke,  sodaim  die  Gewinnung  neuer  Konsumentenkreise. 
Daß  trotz  der  elektrischen  Beleuchtung  die  Gasbeleuchtung  nicht 
zurückgeht,  dafür  liegen  eine  ganze  Reihe  von  Anzeichen  vor. 
Gas  Und  Elektrizität  haben  ihre  eigentümlichen  Vorzüge, 
die  sich  gegenseitig  ergänzen.  Die  Entwicklung  läßt  sich 
allgemein  dahin  skizzieren,  daß  die  Gasbeleuchtung  einen 
Teil  der  besser  situierten  Privat-KonsumeJiten  an  die  Elektrizität 
abgibt,  dafür  aber  wiederum  neue  Konsumenten  in  den  minder- 
bemittelten Kreisen  gewinnt.  Es  scheint  jedoch,  als  ob  die  neue 
Gasinnenfernzündung  und  der  Gassteckkontakt,  welche  beide  dem 
Gase  annähernd  die  gleiche  Bequemlichkeit  wie  die  des  elek- 
trischen Lichtes  verleihen,  berufen  siud,  dem  Gase  auch  in  Luxus- 
wohnungen  eine  bleibende   Stätte  zu  verschaffen. 

In  der  Gewinnung  neuer  Konsumenten  erweisen  sich  als  vor- 
züglich© Propagandamittel  die  Münzgasmesser;  sie  tragen  den 
Konsum  in  die  Kreise,  die,  wenn  sie  selbst  die  Kosten  für  In- 
stallation und  Lampen  zu  tragen  hätten,  der  Gasverwendung 
fernbleiben  würden.  Als  Laden-  und  Bureaubeleuchtung  erfreut 
sich  die  Gasbeleuchtung  nach  wie   vor  großer  Beliebtheit. 

Der  Steuerausweis  für  das  vergangene  Fiskaljahr  ergibt,  daß 
3  Mill.  mehr  Glühkörper  zur  Versteuerung  gelangt  sind,  daß 
also  der  Umfang  der  Gasglühlichtbeleudhtung  sich  um  7  bis  71/2 o/o 
vergrößert  hat. 

1.  Berlin. 

Aus  dem  Bericht  der  Deputation  der  städtischen  Gaswerke 
über  das  Etatsjahr  1912,  das  vom  1.  April  1912  h'is  zum  31.  März 
1913    reich't,    entnehmen   w^ir   folgende   statistische   Uebersichten : 


Tab.  130 

Gasabgabe  im  Berliner  Weichbilde  und  an  die  Vororte.     Das 

Be- 
triebs- 
jahr 

Einwohner- 
zahl in 
Berlin  Ende 
Dezember 

GasprodL 
;      der  städtisch 

1      im  ganzen 
i 

cbra 

ktion 

en  Werke 

auf  einen 
Emwohner 

cbm 

Städtisches 

und 

englisches 

Gas  pro 

Einwohner 

cbm 

Gas  nach   Gasn 
Tarif  und  z 
ex  kl.  der  AI 

im  ganzen 
cbm 

lesser,  :N 
um  Selb 
gäbe  für 

Zu- 
nahme 

V.  H. 

lüuzgasmesser, 
stverbrauch 
die  Vororte 
auf  I  qm  des 
Berlin.  Beleuch- 
tungsgebiets 
(6349,47   ha) 
cbm 

Gas 

1         im 
1     ganzen 

cbm 

zur  ö 
s  Be 

v.H 
Gas 
abj 

1910 
1911 
1912 

2  071  334 
2  084  045 
2  095  030 

295  238  000 
299  774  100 
320  539  000 

143 
144 
153 

168 

168 

1       177 

242  896  913 

243  734  272 

257  329  255 

1 

4,3 

0,3 
5,6 

3.83 
3,84 
4,05 

21  141217 

22  710  798 
24  652  973 

7 
7 

7 

Tab.  131.      Verbrauchtes  Vergasungsmaterial  und  Grasproduktion  der  Berliner  städtischen  Gasw 


triebs- 
jahr 


Deutsche 
Kohlen 

% 


Englische 
Kohlen 

% 


Summe 


Koks 
für  die 
Wassergas 
Gene- 
ratoren 
t 


Karburier- 

öl 


Stein- 
kohlengas- 
produktion 

cbm 


Wassergas- 
produktion 
cbra 


Gas- 
produktion 
überhaupt 

cbm 


aus  1  t 

für  1 

Kohlen 

Wass 

ge- 

verbr 

wonnen 

Koks 

cbm 

kg 

325,1 

0,681 

326,1 

0,674 

323.5 

0,714 

1910 
1911 
1912 


40 

24,8 

21,4 


60 

75,2 

78,6 


800  937 
760173 
854  301 


23  727,3 
34  963,1 
31  515,7 


7  558,200 
17  071,900 
10  093,1 


260  400  200  34  837  800 
247  890  400!  51  883  700 
276  412  700  44  126  300 


295  238  000 
299  774  100 
320  539  000 


96.   Gasfabiikation. 


345 


Tab.  132.     Gasabgabe  der  Berliner  städtischen  Gaswerke  nach  den  Arten  des  Verbrauchs. 


1910 
cbm 


1911 
cbm 


1912 
cbm 


V.  H.  der  Gesam  Laberabe 
1910   I     1911     I    1912 


1.  Privatgas  durch  Gasmesser     . 

2.  Privatgas  durch  Münzgasmesser 

3.  Gas  nach  Tarif  einschl.  Straßen- 
beleuchtung der  Vororte     .     . 


233  886  952 
22  302  294 

1  839  546 


zusammen  bezahltes  Gas 

4.  Gas  Z.Verbrauch  i.  d.  Anstalten 

5.  Gas  zur  Straßenbeleuchtung   . 


258  028  792 

3  288  381 

21  141  217 


230  383  751  J235  988 
28  059  623  '  39  530 


445 
352 


79,2 
7.6 


260  878  295  277  526 
3  337  186  I  3  511 


397 

705 

22  719  79811  24  652  973 


zusammen  Abgabe 
6.  Nicht  z.  Berechnung  gekommen 


282  458  390  :286  935  279  il305  691  075 
12  793  610  :  12  727  521  li  14  778  925 


87,4 

1,1 

7,2 


95,7 
4,3 


76,9  1    73,6 
9,4:    12,4 


2  434  921-     2  007  600!      0.6  i       0,8        0.6 


87,1 

M| 

7,6' 


4.2 


86,6 
1.1 

7,7 


95,8.    95,4 
4.6 


zusammen 


295  252  000  299  662  800  !:320  470  00011 100,0     100.0    100,0 


Tab.  133.         Ausbeute  der  Berliner  Gaswerke  an  Nebenprodukten. 


Produktion  von 


Koksmasse 

(Koks,  Breeze, 

Koksasche) 

einschl.UeberLaaß  | 

t I 


Verkauf  von 


Steinkohlen- 
teer einschl. 
Uebermaß 


Am- 
moniak- 
wasser 


Graphit 


Aus- 
geb  rauchte 
Reinigungs- 


Schlacken 


Fuhren 


1909 
1910 
1911 
1912 


535  110 
568  954 
546  056 
607  099 


35  786,555 
37  565,000 
34  987,242 
39  436,557 


94  047!  661,683 

101  966  i  451,470 

102  623  !  623,670 

103  619  1  846,620 


5  379,690 
7  669,313 

6  787.130 
6  804,068 


10  385 
7  032 

10  100 
7  773 


Auch  m  der  Zeit  von  April  bis  Dezember  1913  hat  sich  das 
Gasgescliiäft  in  normaler  Weise  entwickelt.  Der  Gaskonsum  ist 
von  223  872  500  cbm  in  den  neun  Monaten  des  Vorjahres  auf 
234  544000  cbm,  also  um  10  671500  cbm,  d.  h.  um  4,8  v.  H.,  ge- 
stiegen.    Der   Zugang    an   neuen   Gasabneh'mem,   nach   der   Zabl 


Gasabgal 


Ltnis  der  Gasprodaktion  bzw.  Gasab 

?abe   zur 

Einwohnerzahl. 

len  Beleuchtung 

Vorortkonsum 

Gesamtabgabe 

Gas- 

Mittlere 

Gas- 

■ichbildes 

Berlm  und  Vororte 

abgabe 

Länge  des 

abgäbe 

,f  den 

auf  1  qmdes 

Privatkonsum 

Straßen- 

an den 

Straßen- 

auf 1  n 

of  der 

BerüaerBe- 

nach 

beleuch- 

bezahltes 
Gas 

Zu- 

zusammen 

Zu- 

Maximal- 

rohr- 

Stra- 

;evöl- 

leucütangs- 

Gasmesser  und 

tung  geg. 

nahme 

inkl.  Verlust 

nahme 

tagen 

netzes 

ßenrohi 

ärung 

gebiets 

Münzgasraesser 

Entgelt 

3bm 

cbm 

cbm 

cbm 

cbm 

V.    H. 

cbm 

V.  H. 

cbm 

m 

cbm 

0,2 

0,333 

17  224  935 

1195  325  18  420  260     15,2 

295  252  000  i    6,6 

1  327  50d  1  653  456 

173 

0,9 

0,358 

19  193  514 

1 287  695 

20  481209     11,2  li  299  662  800  i    1,5 

1  357  500  1  789  874 

167 

1.8 

0,388 

22  303  519 

1405328 

23  708  847 

15.8 

320  470  000 

6,9 

1  453  400| 

1  894  681 

169 

der  neu  angeschlossenen  Gasmesser  gerechnet,  hat  zwar  nicht  die 
außergewöhnliche  Höhe  wie  im  Vorjahre  erreidht,  wo  ein  Zu- 
wachs von  51 899  Abnehmern  zu  verzeichnen  war,  immerhin  ist 
die  Zahl  der  im.  Betriebe  befindlichen  Gasmesser  von  438  943 
Stück  am  1.  April  1913  auf  463  201  Stück  oder  um  24  258  Stück, 
d.  li.  um  5.5  v.  H.,  gestiegen. 

Zur  Deckung  des  Gasbedarfs  wurden  208  997  700  (in  der  entr 
spredienden   Zeit  des   Vorjahres  191811800)   obm  Steinkohlengas 


Gasprodukt 
und 
Vergasung 
material 


346     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


und  25  352  300  (31784  600)  cbm  Wassero^as  herg^estellt,  welches 
erstorem  beigemischt  wurde.  Das  abgegebene  ^lischgas  enthielt 
im  Durclisclinitt  10,8  (14,2)  v.  H.  Wassergas'.  Zur  Herstellung 
des  Kohlengases  waren  643  078  (591  445)  t  Kohlen,  für  das  Wasser- 
gas 18  777  (23023)  t  Koks  und  4148  (7  991)  t  Gasöl  erforderlich'. 
Das  Mischgas  besaß  bei  0«  C  und  760  mm  Barometerstand  einen 
oberen  Heizwert  von  niöht  weniger  als  5300  Kalorien  im  Mittel. 
Von  den  vergasten  Kohlen  waren  25  (25,9)  v.  H.  deutschen  und 
75  (74,1)  v.  H.  englischen  Ursprungs.  Das  Gasöl  kam  aus'  Galizien. 
Pur  die  Gaskohlen  mußten  ca.  4  Mk.  mehr  pro  Tonne  bezahlt 
werden  als  für  die  im  Sommer  1911  für  1912  gekauften  Kohlen. 
Die  Anlieferung  von  Kohlen  und  Gasöl  vollzog  sich  im  allge- 
meinen glatt  nach  Erfordern,  dagegen  blieb  die  Zufuhr  deutscher 
Kohlen  auf  dem  Wasserwege  infolge  Streiks  der  Bootsleute  auf 
der  Oder  erheblich  zurück. 

Die  Produktion^  an  Stückenkoks  betrug  415  077  (379  194)  t.  Zu- 
züglidh  des  Bestandes  am  31.  März  1913  von  15  853  t,  welcher 
als  die  erforderliche  Reserve  für  den  eigenen  Betrieb  anzusehe,n 
ist,  waren  430  930  t  Koks  disponibel,  wovon  rund  200  000  t  für 
den  eigenen  Betrieb  verbraucht  wurden.  Etwa  230  000  (240  000)  t 
gelangten  zu  guten  Preisen  zum  Verkauf,  63  700  (6  254)  t  ver- 
blieben am  31.  Dez.  im  Bestände.  An  Steinkohlenteer  wurden 
27  718  (27  470)  t,  an  Wassergasteer  905  (1  827)  t  gewonnen,  welche 
schlanken  Absatz  fanden.  Die  Verarbeitung  des  gewonnenen 
Ammoniakwassers  zu  6010  t  Sulfat  und  495  t  konzentriertem 
Ammoniakwassers  fand  in  eigener  Fabrikanlage  statt.  Der  Ver- 
kauf erfolgte  zu  günstigen  Preisen. 

Die  Löhne  erfuhren  am  1.  April  19.13  eine  Aufbesserung.  So 
betragen  unter  anderem  jetzt  die  Stundenlohinsätze  für  ungelernte, 
sogenannte  Hofarbeiter  48  bis  52  Pf.,  für  Handwerker  56  bis  70 
Pfennig  bei  neunstündiger  Arbeitszeit,  der  Schichtlohn  für  Be- 
triebsarbeiter 5,70  Mk.  für  eine  achtstündige  Schicht,  desgleichen 
für  Maschinisten  I.  Klasse  4,80  bis  6  Mk.,  für  Maschinisten 
II.  Klasse  4,50  bis  5,50  Mk.,  wozu  noch  Zuschläge  für  Sonntags- 
und Ueberstundenarbeit  treten.  Für  die  in  die  AVoche  fallenden 
Feiertage  wird  seit  April  1913  sämtlichen  Arbeitern  ein  voller 
Arbeitstag  nach'  der  Lohntabelle  bzw.  Skala  bezahlt.  Denjenige.a 
Arbeitern,  welche  an  einem  solchen  Feiertag  Arbeit  leisten,  wird 
daneben  die  geleistete  Arbeit  vergütet  und  zwar  ebenfalls  nach' 
der  Lohntabelle  bzw.  Skala  ohne  Aufschlag.  Durch  Gemeinde- 
beschluß vom  30.  Okt.  1913  sind  die  Beschlüsse  vom  16.  Jan,  und 
13.  März  1908  über  die  Gewährung  von  Ruhegeld  dahin  erweitert 
worden,  daß  das  Huhegeld  nach  zehnjähriger,  ununterbrodhener 
IDauer  des  Arbeitsverhiältnisses  ^^Jgq  desi  Arbeitsverdienstes  be- 
trägt und  daß  mit  jedem  weiter  zurückgelegten  Dienstjahre  bis 
zum  vollendeten  30.   Dienstjahre  das  Ruhegeld  um  Vgo  nnd  von 


96.   Gasfabrikation. 


347 


zum   Höchstbetrage 


von   ^Veo    des    A^rbeits- 


da    ab    um    ^/iso    bis 
Verdienstes  steigt. 

Zur  Fortführung  bzw.  Ausführung  der  erforderlichen  Er- 
weiterungs-  und  Erneuerungsbauten  auf  den  Ansta^lten  und  am 
Röhrensystem  waren  rund  2  Mill.  Mk.  bereitgestellt.  Von  fertig- 
gestellten Bauten  ist  besonders  erwähnenswert  die  Kammerofen- 
anlage in  Anstalt  IV,  Danziger  Straße,  mit  horizontalen  Kammern 
für  eine  tägliche  Leistung  von  140000  cbm  Gas,  welche  durch 
eine   Zentralgeneratorenanlage  betrieben   wird. 

2.  Charlottenburg. 

Dem  Bericht  über  den  Betrieb  der  städtischen  Gasanstalten 
in  Charlottenburg  im  Rechnungsjahre  1912  (1.  April  1912  bis 
31.    März   1913)   entnehmen   wir   folgendes : 

Das  wirtschaftliche  Ergebnis  hat  sich  im  Rechnungsjahre  um 
18  625,01  Mk.  günstiger  gestaltet,  als  wie  im  Voranschlage  an- 
angenommen worden  war.  Dies  ist  um  so  erfreuliöhier,  als  im  Laufe 
des  Jahres  verschiedene  Anzeichen  ■ —  geringere  Gas-  und  Koks- 
ausbeuie,  höhere  Kohlenpreise  u.  a.  m.  —  dafür  sprachen,  daß 
der  Reingewinn  bedeutend  hinter  dem  veranschlagten  zurück- 
bleiben würde. 

Den  wesentlichsten  Anteil  an  dem  Gewinnüberschuß  hatten 
der  Privatgasverbrauch,  die  Mieten  für  Gasmesser  und  Gaskoch- 
apparate, die  Verkaufserlöse  für  Koks,  Teer  und  der  Ertrag  der 
Ammoniakfabrik.  Bei  10000  dbm  Gas  wurde  ein  Mehrgewinn  voa 
20,88  Mk.  erzielt.  Aehnliche  günstige  Verhältnisse  kommen  auch 
bei  den  Einnahmen  für  Koks,  Teer  usw.  in  Frage. 

Bei  den  Ausgaben  sind  gegenüber  dem  Voranschlag-e  bedeu- 
tende Verscliiebungen  bei  den  Unterhaltungskosten,  den  Kosten 
für  Gaskohlen  und  für  Betriebsarbeiterlöhne  eingetreten.  Für 
die  Unterhaltung  der  Maschinen  und  Apparate  mußten  gegen 
49  0Ö0  Mk.  mehr  verausgabt  werden,  als  veranschlagt  worden 
waren.  Für  die  Straßenrohrunterhaltung  sind  etwa  16  000 
Mark  mehr  verausgabt  worden,  als  wie  im  Etat  vorge- 
sehen waren.  Allerdings  stehen  diesen  Ausgaben  rund 
10000  Mk.  Einnahmen  gegenüber.  Weitere  Ueberschreitung-en 
kommen  noch  bei  Unterhaltung  der  Hof-  und  Lagerflächen,  Be- 
schaffung von  Mobilien  usw.  in  Frage.  Zur  Herstellung  von 
10000  cbm  Gas  wurden  für  37,88  Mk.  mehr  Gaskohlen  ver- 
braucht, w^as  darauf  zurückzuführen  ist,  daß  für  1  t  Gaskohlen 
durchschnittlich  16,19  Mk.  zu  zahlen  waren  gegenüber  dem  im 
Voranschläge  angenommenen  Preise  von  15,20  Mk.  pro  t.  Be- 
deutend gestiegen  sind  die  Betriebsarbeiterlöhne  und  zw^ar  um 
rund  14,46  Mk.  für  10  000  cbm  Gas.  Es  haben  sich  demzufolge 
sowohl  die  Fabrikbetriebsarbeiterlöhne  als  auch  die  sonstigen 
Arbeitslöhne,  die  dem  Voranschlage  nadh  dem  Durchschnitt  der 
letzten  Jahre  zugrunde  gelegt  worden  waren,  als  zu  niedrig  be- 


Bauten. 


348     VI.  Eohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

messen  ermesen.  Wesentlich:  hinter  dem  Voransdhlage  zurück- 
geblieben sind  die  Ausgaben  für  die  Wassergasanlage,  was'  sicli 
durcii  die  Einschränkung  der  Wassergaserzeugung  zugunsten  der 
Steinkohlengaserzeugung  erklärt. 


Tab.  134. 

Gasverbrauch  in  Charlottenburg. 

Gasverbrauch 
im  ganzen 

Privat- 

Gas- 

verbrauch 

cbm 

Bevöl- 
kerungs- 
zahl 

Gasverbrauch 

auf  den  Kopf       ^^^^ 

iii 

cbm 

aj  S  d 

CS 

Von  dem  Gesamlgasverbra 
entfielen  in  Prozenten  au 

Rech- 

cbm 

Bevölkerung 

der 

Pri- 
vate 

11 

11 

11 

c2" 

ii 

> 

nungs- 
jähr 

a) 

im 

ganzen 

cbm 

b) 

Privat- 

Gasver- 

brauch 

cbm 

Gas- 
ab- 
nehmer 

1910 
1911 
1912 

55  232  170 

57  739  088 
59  957  997 

9,00| 
4,54 
3,84. 

+7  657  941 
+9  793  056 
52  148  245 

293  400 
312  200 
321  500 

188,25 
184,94 
186,49 

162,43  61  773 
159,49  67  255 
162,20  72  133 

771,50 
740,36 
722,95 

4,75 
4,64 
4,46 

86,29 
86,24 
86,97 

7,59 
6,97 
7,41 

1,17 
1,18 
1,17 

0,04 
0,03 
0,03 

1.03 
1,18 
1,00 

Tab.  135.     Gewinnung  von  Nebenprodukten  bei  den  Charlottenburger 

Gaswerken. 


Koks 
hl 


hl 


Koksasche 
hl 


Teer 
kg 


Ammoniakwasser     Graphit 


1910 

1911 
1912 


2  256  902,5 
2  302  421,5 
2  532  299 


31311,5 
43  861 
63  411 


220  470,5  6  985  948 
241  039,5  7  425  565 
218  116,5!    8  510  888 


21  135  210 
21019  010 
23  604  320 


38  440 
35  725 
45  125 


Tab.  136.      Durchschnittlicher  Verkaufserlös  der  Charlottenburger 
Gaswerke  für  Nebenprodukte. 


Durchschnittlicher  Verkaufserlös  für 


1910 
M.  I      Pf. 


19U 
M.  I      Pf. 


1912 
M.  I      Pf. 


Koks 

a)  im  Tagesverkauf  je  hl 

b)  an  städtische  Einrichtungen  je  hl 

c)  an  Großabnehmer  je  hl 

d)  auf  Grund  sonstiger  Abschlüsse  je  hl  . 

Durchschnittssumme  für  Koks 

Breeze  je  hl 

Koksasche  je  hl 

Steinkohlenteer  je  100  kg 

Wassergasteer  je  100  kg 

Am^moniakwasser  je  100  kg      ..... 

Graphit  je  100  kg 

SchwefelsauresAmmoniak  je  1  kgnettoWare 

Konzentriertes  Ammoniakwasser   je  1  kg 

netto  Ware 


30,29 

90,72 
03,06  l! 


01.92  I     1 

86,08   |\_ 
86,94  |{j 


1    02,21 


89,12  II 


19,52 
85,00 

94,22 


94,76 


60,00 
20,75 
33,69 

92,00 
31,49 
97,98 


-    77.51 


60,00 
20,00 
59,96 

96,00 
66,24 
04,17 

80.67 


60,00 
20,97 
11,02 
10,46 
08,00 
21,08 
08,44 

92,51 


Tab.  137.     Ausbeute  aus  100  kg  vergaster  Kohlen  bei  den  Charlotten- 
burger Steinkohlengasanlagen. 


100  kg  vergaster  Kohlen  ergaben 

1910 

1911 

1912 

Gas 

.    cbm 
.      hl 
.     kg 
.     kg 
kg 

30,221 

1.527 

70,242 

4,251 

1    12,862 

29,078 
1,537 

72,180 
4,414 

12,494 

30,134 
1,523 

71,247 
4,607 

12,777 

Koks,  einschließlich  Kleinkoks  .    . 

^ "                 "                       n          •    • 
Teer 

Ammoniakwasser 

96.   Gasfabrikation. 


349 


Tab.  138.     Von  den  Charlottenburger  Gaswerken  verkaufte  Koks- 

mengen  in  hl: 


Rechnungsjahr 


i    Im  Tags- 
I      verkauf 


An  die 
Stadt 


Auf  Grund  be- 
sond.  Vertrags- 
abschlüsse 
verkaufte  Mengen 


Nach 
auswärts 


Summe 


1909 

1910 

1911 

84  053,5 
64  168,5 
82  795.5 

124  799,0 

190  284 
213  070 
223  947 

223  183 

233  660 
205  977 
497  449 

842  671 

1  224  747 

914  798 

1  350  668,5 
1  707  962.5 
1718  989,5 

1912 

1517  996,0 

1  875  978.0 

Tab.  189. 


Ertrag  der  Charlottenburger  Gasanstalten. 


Rech- 
nungs- 
jahr 


Anlagekapital 
einschl.  Erneue- 
rungsfonds am 

Jahresanfang 

Mk. 


Es  sind  verausgabt: 


Zinsen 


Mk. 


Abschrei- 
bungen 


Mk. 


Reingewinn 


Mk. 


Betrag 


Mk. 


Summe 

Roh- 
gewinn 

o/o  vom 

angelegten 

Kapital 


Rein- 
gewinn 

o/o  vom 

angelegten 

Kapital 


1910 
1911 
1912 


18  219  691,15 

18  650  400,- 

19  152  091,56 


700  606,16  764  276,76 
679  433,—  736  949,25 
695  347,57    1074  781.65 


2  584  816,74 
2  585  602,01 
2  758  025,01 


4  049  699,66  22,23 
4  001984,—  21,46" 
4  528  154,23       23,64 


14,19 
13,86 
14,40 


Ueber  das  Kalenderjahr  1913  wird  uns  von  der  Direktion 
der  Gaswerke  der  Stadt  Charlottenburg  folgendes  berichtet: 

Der  Gasabsatz  im  Kalenderjahr  1913  betrug  59  767  000  cbm, 
er  weist  gegen  da^  Vorjahr  einen  kleinen  Rückgang  auf.  Dieser 
Rückgang  setzte  aber  erst  seit  August  ein,  so  daß  er  ^wahrscheinlich 
mit  der  allgemein  beobachteten  rückläufigen  Konjunktur  in  Zu- 
sammenhang steht  uad  nur  vorübergehend  sein  wird.  Wenn  auch 
die  großen  Fortschritte  in  der  elektrischen  Beleuchtung  und  die 
geschickte  Propaganda  der  Elektriker  der  Benutzung  des'  Gases 
für  Beleuchtungszwecke  unzweifelhaft  Abbruch  tun,  so  hat  das 
Gas  doch  für  Beleuchtungszwecke  durch  seine  Billigkeit,  gleich- 
zeitige Wärmeabgabe  und  erhöhte  Ventilationswirkung  große  Vor- 
züge, die  vielfach  erst  gewürdigt  werden,  wenn  das  Beleuch- 
tungsgas abgeschafft  ist.  Die  Bemühungen  der  Elektriker  für  die 
elektrische  Küche  dürften  wohl  an  dem  gesunden  Sinn  des  mit 
dem  Gelde  rechnenden  Publikums  scheitern.  Dagegen  wird  grade 
in  der  Küche  zweifellos  die  Benutzung  von  Gas  bei  den  neuer- 
dings weit  vorgeschrittenen,  wirklich  rationellen  und  sparsamen 
Gaskocheinrichtungen,  ebenso  wie  auch  auf  andern  Wärmegebieten 
ständig  steigen.  Dadurch  werden  aber  nicht  nur  die  etwaigen 
Ausfälle,  die  im  Beleuchtungsgasverbrauch  eintreten,  gedeckt,  son- 
dern wahrscheialich  noch  Zunahmen  im  Verbrauch  auf  den  Kopf 
der    Bevölkerung  erzielt  werden. 

Was  die  Nebenprodukte  des  Gaswerks  anlangt,  so  war  die 
Situation  auch  im  Jahre  1913  als  günstig  zu  bezeichnen.  Beim 
Koks  machten  sich  allerdings  in  analoger  Weise  wie  beim  Gase 
im  Herbst  1913  die  Ansätze  zu  einem  Rückgang  im  Verbrauch 
bemerkbar,   so  daß,  während  im  ganzen  Sommer  Lagerbestände 


Gas  und 

Elektrizität 


Neben- 
produkte. 
Koks. 


350     VI.  Rohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 

nicht  vorhanden  waren,  sich  gegen  Ende  des  Jahres  große  iBe- 
stände  anhäuften.  Die  ganze  Produktion  ist  aber  zu  gut-en  Preisen 
restlos  untergebracht,  und  die  Abnahmestockung  ist  in  der  Haupt- 
sache auf  die  milde  Witterung  zurückzuführen.  Es  ist  kein 
Zweifel,  daß  bei  nur  gelinder  Kälte  die  A^orräte  rasch  'geraumjt 
sein  werden.  Auch  für  die  Zukunft  ist  die  Lage  des  Gaskoks- 
marktes  als  günstig  zu  betrachten.  Der  Gaskoks  ist,  wie  lang- 
jährige Erfahrungen  gezeigt  haben,  das  geeignetste  und  billigste 
Brennmaterial  für  Zentralheizungen.  Braunkohlenbriketts  und 
Steinkohlenbriketts  sind  wegen  Geruchsn  und  Staubbelästigungen 
keine  ernsthaften  Konkurrenten,  und  Schmelzkoks  und  sonstiger 
harter  Koks,  der  sieines  Aussehens  wegen  vielfach  für  beson- 
ders 'gut  angesehen  wird,  brennt  schwer  und  erfordert  hohen 
Zug,  der  namentlich  in  der  Üebergangszeit  zur  eigentlichen  Heiz- 
periode nicht  immer  vorhanden  ist.  Der  gewöhnliche,  leicht  bren- 
nende poröse  Gaskoks  erfordert  nur  mäßigen  Zug  und  ist  daher 
bei  richtiger  Einstellung  des  Schomsteinzuges,  wie  das  von  ob- 
jektiven Beobachtern  auch  ohne  weiteres  anerkannt  wird,  das 
sparsamste  und  rationellste  Brennmaterial  für  Zentralheizungen. 
Es  ist  daher  auch  unzweifelhaft,  daß  der  Absatz  von  Koksi  zu 
guten  Preisen  auch  in  Zukunft  keine  Schwierigkeiten  machen 
wird,  zumal  da  bei  außergewöhnlich  milden  AVintem  die  Gas- 
werke in  der  Lage  sind,  durch  starke  Heranziehung  der  Wasser- 
gasanlagen die  Produktion  von  Gaskoks  erheblich  einzuschränken. 

Teer.  Der   Tccrmarkt   war   dauernd   günstig,    die  erzielten   Preise 

waren  gut  und  blieben  es  auch  für  die  nächstjährigen  Abschlüsse. 
Insbesondere  bildet  der  aus  Horizontalretorten  und  Schrägretiorten 
gewonnene  'Teer,  wie  wir  ihn  zurzeit  fast  ausschließlich  j)rodu- 
zieren,    eine  gesuchte  Ware. 

Der  i^mmoniakabsatz  •  ging  im  allgemeinen  glatt  vonstatten, 
und  die  erzielten  Preise  waren  befriedigend,  jedoch  trat  im  Som- 
mer eine  große  Unsicherheit  der  Verhältnisse  durch  die  Nach- 
richten über  die  synthetische  Gewinnung  des  Ammoniaks  in  den 
Anlagen  der  Badischen  Anilia-  und  Sodafabrik  ein.  Der  Absatz 
von  konzentriertem  Ammoniakwasser  kam  dadurch  allmählich 
vollständig  zum  Stillstand,  und  die  hierin  getätigten  Abschlüsse 
mußten  durch  Ersatzlieferung  von  schwefelsaurem  Ammoniak  er- 
füllt werden.  Ob  sich  die  Herstellung  des  synthetischen  Am- 
moniaks nach  dem  Haberschen  Verfahren  auf  die  Dauer  als  loh- 
nend erweist,  muß  abgewartet  werden.  Jedenfalls  unterliegt  (es 
keinem  Zweifel,  daß  der  Markt  vor  Ueberproduktion  in  Ammoniak 
und  'damit  vor  nennenswerten  Erschütterungen  bewahrt  werden 
wird;  in  einem  ruinösen  Konkurrenzkampf  würde  sich  das  Irünst- 
liche  Produkt  dem  bisherigen  als  Nebenprodukt  gewonnenen  Am- 
moniak 'gegenüber  nicht  halten  können,  da  für  letzteres  unter 
allen  Umständen  Absatz   geschaffen  werden  muß. 


96.   Gasfabrikation. 


351 


Für  weitere  Nebenprodukte  des  Gaswerks  —  wie  Grafit, 
ausgebrauchte  Oasreinigxuigsmasse  —  wurden  auch  in  diesem 
Jahre  'gute  Preise  erzielt.  Dagegen  fand  sich  für  Schlacke  kein 
genügender  'Absatz   infols^e   der  daniederliegenden   Bautätigkeit. 

Die  Anlieferung  von  Gaskohlen  verlief  glatt  und  ohne  Unter- 
brechung. Die  Preise  standen  im  allgemeinen  hoch,  doch  gab 
die  'Qualität  der  Lieferungen  namentlich  englischer  Kohlen 
häufig  zu  Klagen  Anlaß. 

Auf  dem  Hauptwerk  der  Gasanstalten  wurde  die  elektrische 
Kraftzentrale  bedeutend  vergrößert,  ebenso  die  Dampfkesselan,- 
lage,  ferner  wurde  ein  neues  Eeinigergebäude  errichtet  und  die 
Kokstransportanlagen  auf  bohe  Leistungsfähigkeit  gebracht,  so 
daß  bei  Lagervorräten  jetzt  jedem  plötzlichen  ^  Ansturm  der 
Koksabnehmer  genügt  werden  kaim. 

In  den  Arbeiterverhältnissen  traten  Aenderungen  nicht  ein. 

3.   Neukölln. 

Dem  Berichte  des  städtischen  Gaswerkes  Neukölln  für  die 
Zeitfvom  1.  April  1912  bis  31  .Märzi  1913  entnehmen  wir  folgendes: 
;  Die  Gesamtgaserzeugung  betrug  im  Eechnungsjahr  1912 
25  780  650  cbm.  Zur  Steinkohlengaserzeugung  wurden  verbraucht 
84  942  t,  davon  oberschlesische  Gaskohlen  32  176  t,  englische  Gas- 
kiohlen  50  817^.  Die  Ausbeute  aus  100  kg  Kohlen  betrug 
30,21  cbm  Gas. 

Die  Gesamtgasabgabe  betrug  25  775  450  cbm,  was  gegen  das 
Vorjahr  mit  22  693  670  cbm  ein  Mehr  von  3  081  780  cbm  =  13,58  «/o 
ausmacht.    Sie  verteilt  sich  wie  folgt: 


1911 


1912 


1913 


cbm 


cbm 


cbm 


Straßenbeleuchtung 

inkl.  Zündflammen          932  380 

4.56 

995  723 

4.39 

1  148  553 

4.45 

Städtische  Gebäude          146  834 

0.72 

176  853 

0.78 

200  653 

0.78 

Abgabe  an  Private, 

und  zwar  für 

Leuchtg-as    .     .     .] 

Heizofas    .     .     .     .[  18  326  879 

89.58 

21  037  193 

92.70 

23  763  396 

92.20 

Kraftgas  .     .     .     .J 

Selbstverbrauch  .     .            98  935 

0.48 

117  851 

0.52 

133  512 

0  52 

Verlust 952  502 

4.66 

366  050 

1.61 

529  336 

2.05 

Gesamtabgabe     20  457  530 

100.— 

22  693  670 

100.— 

25  775  450 

100.— 

Auf   den   Kopf   der    Bevölkerung   betru 

g   die 

Gasabgab 

e   im 

Rechnungsjahre  1911  85,81  cbm,  in  1912  98  cbm.  Angeschlossen 
waren  in  1912  45  882  (i.  V.  45  937)  gewöhnliche  Gasmesser  und 
16  857  (i.  V.  9543)  Automaten.  Der  durchschnittliche  Jahres- 
verbrauch eines  gewöhnlichen  Gasmessers  betrug  1912  417  cbm 
(i.  V.  405  cbm),  eines  Automaten  274  cbm  (i.  V.  266  cbm). 

Die  N^ebenprodukte  haben  in  den  letzten  drei  Jahren  durch; 
schnittlich    zu   folgenden   Preisen   Absatz   gefunden: 


3   Neukölln. 


352     VI.  Kohstoffe  u.  Fabrikate  d.  pharm.,  ehem.  usw.  Industrien. 


1910 
Mk. 

1911 

Mk 

1912 
Mk. 

Koks 

Teer 

Ammoniak  .... 

1  hl 
100  kg 

1        n 

1.05 
216 
0.80 

0.95 
2.35 
0.85 

1.05 
2.91 
0.84 

4.   Lichtenberg. 

Dem  Verwaltungsbericht  der  Gas-,  "Wasser-  und  Elektrizitäts- 
werke Lichtenberg  entnehmen  wir  über  die  Entwickelung  des 
dortigen  städtischen  Gaswerkes  im  Rechntingsjahr  1912/13 
(1.  April  1912  bis  31.  März  1913)  folgendes: 

Die  Gaserzeugung  betrug  9  607  340  cbm,  die  Abgabe  für  1912 
9  610  470  cbm  gegen  8  299  480  cbm  in  1911,  hatte  also  eine  Zu- 
nahme von  1  310  990  cbm  oder  15,7  o/o  aufzuweisen.  Im  einzelnen 
verteilt  sich  der  Gasverbrauch  wie  foloi;: 


1911 

1.  Gasverbrauch  der  Privatkonsumenten : 

a)  an  Leuchtgas .     3  370130  cbm 

b)  an  Heiz-,  Koch-  und  Kraftgas     .     .     2  905  256      „ 

c)  an  Automatengas 358  034     „ 

2.  Abgabe  für  Straßenbeleuchtung 

3.  Abgabe  für  öffentliche  Gebäude 

4.  Selbstverbrauch 

5.  Verluste 

8  295  410  cbm 


1912 

3  794  083  cbm 

2  888117    „ 
1  302  514     „ 


• 

6  633  420  cbm 

.       708 194     „ 

157  290     „ 

41 638     „ 

754  868     „ 

7  984  714  cbm 

761516     „ 

175  502    „ 

63  018     „ 

625  720     ., 

9  610  470  cbm 


Die  Einwohnerzahl  des  gesamten  Beleuchtungsgebietes  betrug 
am  1.  April  1913  110  888,  dies  entspricht  einer  Abgabe  von  81  cbm 
auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  (gegen  71  cbm  i.  V.). 

Zur  Gaserzeugung  wurden  27  196  388  kg  Gaskbhle  verwendet, 
und  zwar  17  293 122  kg  englische  (63,58  o/o  des  Gasverbrauchs), 
8  613  266  kg  schlesische  (31,67  o/o),  1290  000  kg  westfälische 
(4,75  o/o).  Es  ergaben  100  kg  Kohlen  eine  Gasausbeute  yon 
35,32  cbm.  Die  verwendeten  Gaskohlen  kosteten  frei  Lager  im 
Durchschnitt  für  100  kg  im  Jahre  1912  18,52'  Mk.  (19,52  Mk.  i.  iV.). 

Die  Anzahl  der  aufgestellten  gewöhnlichen  Gasmesser  be- 
trug am  Schluß  des  Berichtsjahres  1911  17  800,  die  der  auf- 
gestellten Gasautomaten  4057,  der  Zugang  im  Berichtsjahre  1912 
an  gewöhnlichen  Gasmessern  2469,  an  Automatenmessem  4977, 
so  daß  am  Schluß  des  Berichtsjahres  1912  29  303  Gasmesser  auf- 
gestellt waren.  An  Privatkonsumenten  waren  vorhanden  am 
Schluß  des  Berichtsjahres  17  995  gegen  14  930  i.  V.,  also  3065 
oder  21  o/o   mehr. 

Der  Koksverkauf  ergab  durchschnittlich'  auf  1000  kg  21,54 
Mark  gegen  19,57  Mk.  in  1911. 

An  Teer  wurden  1 508  913  kg  gleich  5,54  o/o  vom  Gewicht 
der  vergasten  Kohle  gewonnen.  Der  Verkauf  ergab  im  Durch- 
schnitt 26,76  Mk.  lür  1000  kg  gegen  25,46  Mk.  im  Jahre  1911. 


97.   Wollhandel.  353 

Aus  dem  ^gewonnenen  Ammoniakwasser  wurden  87  471,62  kg 
Amtooniak  erzeugt.  Der  Gewinn  auf  1000  kg  vergaster  Kohle 
betrug  daher  3,21  kg  gegen  3,15  k'g  im  Jahre  1911.  Der  Ammoniak- 
verkauf  ergab  für  100  kg  87,07  Mk. 

5.   Tegel. 

Das  Gaswerk  Tegel  berichtet  über  die  Zeit  vom  1.  April  1912 
bis  31.  Mai  1913: 

Die  entgaste  Kohlenmenge  betrug  10  018  t  gegenüber  8332  t 
1.  V.,  das  zur  Verfügung  stehende  Gas  2  848  700  cbm  (2  726  400 
cbm),  der  erzeugte  Koks  6712  t  (5582  t),  der  erzeugte  Teer 
450  t  (346  t),  die  Gasabgabe  an  die  Verbraucher  2  475  000  cbm 
(2  313  000  cbm),  der  Gasverbrauch  für  die  Straßenbeleuchtung 
229  600  cbm  (215  350  cbm),  die  Zahl  der  Gasabnehmer  am 
1.  April  1913  3410  (3240),  die  Zahl  der  Gasmesser  5950  (5680), 
der  gesamte  Koksverkauf  5090  t  (4300  t),  der  Teerverkauf 
433  t  (365  t),  der  Einkaufspreis  für  Kohle  22,52  Mk.  für 
die  Tonne  (17—19,10  Mk.),  der  Verkaufspreis  für  Koks  19  bis 
22,50  :Mk.  (17—19,10  Mk.),  für  Teer  22,50  Mk.  für  die  Tonne 
(22,50   Mk.),   für  NH3   1  Mk.   für  1  kg  (0,78   Mk.). 

Das  Betriebsjahr  1912/13  zeigte  eine  Zunahme  der  Gas- 
abnehmer und  des  Gasverbrauchs.  Die  größte  Tagesabgabe  ist 
gestiegen,  die  entsprechende  Monatsabgabe  geringer  geworden. 
Die  Einkaufspreise  für  Gaskohlen  waren  durchweg  höher  als  im 
Vorjahre,  dementsprechend  konnten  auch  die  Verkaufspreise  für 
Koks  etwas  höher  gehalten  werden.  Den  inzwischen  gestiegenen 
Kohlenpreisen  steht  eine  entsprechende  Steigerung  der  Koks- 
preise gegenüber. 


Yll.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

97.    Wollhandel. 

Das  Jahr  1913  setzte  mit  günstigen  Konjunkturaussichten  DeutscheWoUe, 
für  die  Produzenten  und  Händler  von  deutschen  Wollen  ein. 
iBestände  an  vorjährigen  Wollen  existierten  nicht  mehr,  und 
der  Ausfall  der  neuen  Schur  wurde  im  allgemeinen  günstiger 
beurteilt.  So  war  von  Anfang  des  Jahres  an  für  das  deutsche 
Produkt  seitens  der  Händler  und  Konsumenten  lebhaftes  Inter- 
esse vorhanden.  Die  ersten  zwei  Monate  des  Jahres  blieben 
trotzdem  für  den  Handel  ruhig,  da  in  dieser  Zeit  Verhältnis^ 
mäßig  wenig  Wollen  geschoren  werden.  Was  an  den  Markt 
kam,  wurde  jedoch  ziemlich  schlank  weiter  verkauft.  Sehr  bald 
zeigte  es  sich  auch,  daß  die  Erwartungen,  welche  man  auf  den 
Ausfall  der  Wollen  gesetzt  hatte,  durch  die  im  allgemeinen 
sehr   gute   Kondition   derselben   noch    übertroffen   wurden.    Auf 

ßerl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913     II.  23 


354  Vn.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

Grund  dieser  günstigen  Umstände  wurden  in  dem  seit  Beginn 
des  Jahres  einsetzenden  Kontrakt-Einkaufsgeschäft  von  den  Woll- 
produzenten erheblich  höhere  Preise  als  im  Vorjahre  gefordert 
und  im  allgemeinen  auch  vom  Handel  bewilligt.  Im  März  fand 
die  erste  diesjährige  Wollversteigerung  des  Vereins  der  Merino - 
Wollzüchter  in  Berlin  statt.  Sie  stand  bereits,  wie  auch  alle 
späteren  Versteigerungen  des  Jahres,  unter  der  Einwirkung  des 
ibesonders  guten  Aussehens  der  diesjährigen  Schur,  sowie  der 
inzwischen  eingetroffenen  ersten  Nachrichten  von  recht  guten 
Waschergebnissen.  Waren  im  Jahre  1912  die  Wollen  im  all- 
gemeinen staubig,  erdig  und  mager  ausgefallen,  so  repräsentierte 
sich  das  1913er  Produkt  fast  ausnahmslos  als  ansehnlich,  kräftig 
gewachsen  und  staubfrei.  Die  Schweißwollpreise  stellten  sich 
durchschnittlich  5  bis  15  Mk.  pro  Zentner,  teilweise  sogar  bis 
•20  Mk.  pro  Zentner  höher  als  im  Vorjahre.  Dieser  Aufschlag 
im  nominellen  Preise  ging  jedoch  nicht  ganz  in  die  Taschen 
Her  Produzenten,  weil  infolge  der  leichteren  Beschaffenheit  der 
Wollen  das  Schurgewicht  im  allgemeinen  erheblich  geringer 
war  als  gewöhnlich.  Trotzdem  konnten  die  Produzenten  mit 
den  erzielten  Preisen  durchaus  zufrieden  sein,  und  ebenso 
die  Käufer  mit  den  Waschrendements.  Die  Preise  für  das 
peingewaschene  Produkt,  die  ursj)rünglich  auf  zirka  15  o/o 
höher  als  im  vergangenen  Jahre  geschätzt  worden  waren,  konnten 
daher  bald  herabgesetzt  werden.  Der  günstige  Ausfall  des 
deutschen  Produktes  stand  in  einem  sehr  erfreulichen  Gegensatz 
!zu  demjenigen  der  Uebersee wollen,  die  bei  nominell  hohem  Preis- 
stand zum  großen  Teil  unerfreuliche  Rendements  gebracht 
hatten.  Unter  diesen  für  das  deutsche  Material  so  günstigen 
Auspicien  entwickelte  sich  das  weitere  Geschäft  darin  besonders 
lebhaft,  und  auch  diejenigen  Konsumenten,  die  sich  im  Einkauf 
zurückgehalten  hatten,  oder  die  dem  deutschen  Produkt  über- 
haupt zugunsten  des  überseeischen  im  allgemeinen  weniger  Inter- 
esse entgegenbrachten,  gaben  schließlich  ihre  Reserve  auf.  Von 
April  bis  Juni  fand  dementsprechend  ein  lebhaftes  Geschäft 
bei  sehr  festen  Preisen  statt.  Die  inzwischen  herangekommenen 
iWollen  fielen,  wie  dies  gewöhnlich  der  Fall  ist,  besser  aus  als 
die  früher  geschorenen,  und  wenn  sich  auch  die  nominellen 
iSch weißpreise  zum  Teil  noch  höher  stellten  als  im  März,  so  war 
<der  Ausgleich  durch  die  noch  besseren  Rendements  gegeben. 
Im  ganzen  konnte  man  somit  den  Aufschlag  auf  den 
(Einstandspreis  gegen  das  Vorjahr  mit  durchschnittlich  5  bis 
10  o/o  normieren.  Nachdem  im  Juni  die  Schafschur  in  Nordn 
deutschland  beendet  war  und  die  regelmäßigen  Zufuhren  in 
Schweißwollen  wie  alljährlich  aufgehört  hatten,  lichteten  sich 
bei  allmählich  ruhiger  werdendem  Geschäftsgange,  aber  be- 
Ihaupteten  Preisen,  die  Vorräte  ziemlich  schnell.  Im  Herbst  war 
fast    das    gesamte    verfügbare    Quantum    vom    Konsum    (Fabri- 


97.   Wollhandel. 


355 


kauten  und  Kammgarnspinnern)  aufgenommen,  so  daß  am 
Schlüsse  auch  dieses  Berichtsjahres  keine  nennenswerten  alten 
Vorräte  mehr   vorhanden  waren. 

In  ßückenwäsehen  verminderte  sich  das  Angebot  gegen  das 
.Vorjahr  wieder  ganz  erheblich,  so  daß  die  Zeit  abzusehen  ist, 
in  der  dieses  Material  vom  Berliner  Markt  fast  ganz  ver- 
schwunden sein  wird.  Schon  heute  sind  norddeutsche  Eücken- 
wäschen  infolge  ihrer  geringen  verfügbaren  Menge  eine 
Spezialität  geworden.  Der  weitaus  größte  Teil  der  Wollver- 
bi  auch  er  hat  sich  von  diesem  Material  bereits  abgewandt.  Die 
wenigen  Fabrikanten,  die  sich  noch  dafür  interessieren,  müssen 
—  solange  es  Kückenwäschen  überhaupt  noch  gibt  —  den  Er- 
werb der  Wollen  häufig  zu  Preisen  unter  sich  ausmachen,  die 
unabhängig  von  denjenigen  sind,  welche  zu  gleicher  Zeit  für 
das  entsprechende  Schweißwollmaterial  bezahlt  werden.  Die 
im  Juni  in  Berlin  veranstaltete  Versteigerung  von  norddeutschen 
Rückenwäschen  brachte  einen  Preisaufschlag  von  zirka  20  bis 
^5  Mk.  gegen  das  Vorjahr.  Zur  richtigen  Beurteilung  des 
Preisverhältnisses  gegenüber  Schweißwollen  ist  hierbei  zu  be- 
rücksichtigen, daß  im  Jahre  1912  Schweißwolle  einen  nominellen 
Abschlag  von  zirka  8  Mk.  pro  Zentner,  Rückenwäsche  dagegen 
auch  damals  schon  einen  Aufschlag  von  5 — 8  Mk.  gebracht 
hatte.  Daß  sich  die  Gutsbesitzer  von  der  Rückenwäsche  ab- 
wenden, ist  zu  verstehen  und  zu  billigen.  Denn  diese  Art  der 
Herrichtung  der  Wolle  paßt  nun  einmal  nicht  mehr  in  einen 
modernen  Wirtschaftsbetrieb  hinein.  Dagegen  würde  jeder  ein- 
sichtige Interessent  es  mit  Freude  begrüßen,  wenn  unsere  nord- 
deutschen Besitzer  sich  allmählich  wieder  in  immer  steigendem 
Maße  der  Schafzucht  zuwenden  wollten.  Jedes  derartige  Be- 
streben verdient  nach  Kräften  unterstützt  zu  werden. 

Obwohl  im  Berichtsjahre  auf,  bedeutenden  Gebieten  des  am 
Orientgeschäft  stark  beteiligten  Wollengewerbes  der  Geschäfts- 
gang infolge  des  Balkankrieges  und  der  daraus  resultierenden 
politischen  Spannung  zwischen  den  Großmächten  schlecht  war, 
herrschte  am  Kolonialwollemarkte  eine  vorwiegend  steigende 
Festigkeit  der  Preise.  Diese  Erscheinung  "hatte  ihre  Ursache  in 
der  statistischen  Lage  des  Artikels.  Eine  Minderschur  von 
300000  Ballen  in  Australien  galt  frühzeitig  als  verbürgt,  und 
ebenso  sicher  war  eine  in  den  Schätzungen  allerdings  schwan-i 
kende  Minderschur  am  La  Plata.  Trotz  des  unter  das  Normale 
iherabgedrückten  Weltverbrauchs  an  Wolle  behielt  daher  die 
sdion  vor  Jahresfrist  geäußerte  Ansicht  Recht,  daß  der  zu 
erwartende  Ausfall  in  der  Wollerzeugung  eine  Art  Wollnot 
^zur  Folge  haben  würde.  In  der  Tat  genügte  die  in  den  engsten 
Grenzen  des  überblickbaren  Bedarfes  gehaltene  Nachfrage,  die 
Preise  für  Wolle  und  Zug  zu  treiben  und  dauernd  auf  einer 
Höhe  zu  halten,  die  dem  Wollhandel  einen  schönen  Konjunktur- 

23* 


Rückeu- 
wäsclieu. 


Kolonialwolle. 


356  Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

gewinn  verhieß.  Doch  Tendierten  nicht  nur  Kapwollen,  sondern 
auch  Austral  -und  La-PlatawoUen  beispiellos  schlecht,  so  daß. 
der  Vorteil   auf  selten  des  überseeischen  Farmers  war. 

Im  einzelnen  verlief  das'  Jaht  1913  recht  gleich- 
förmig. Im  Dezember  1912  war  in  Uebersee  eine  kleine 
Preisabschwächung  eingetreten.  Als  aber  nach  kurzer 
Weihnachtspause  die  Versteigerungen  wieder  aufgenommen 
wurden,  war  jene  Flauheit  bereits  verflogen.  In 
Australien  waren  unter  dem  vorwiegenden  Einflüsse 
der  Nachfrage  Yorkshires  sehr  bald  die  geringen  Schur- 
reste zu  steigenden  Preisen  verkauft,  und  auch  der  lebhafte  Ver- 
lauf tmd  feste  Schluß  der  Londoner  Januar-Auktionen  bezeugte 
die  statistische  Stärke  aller  Wollsorten.  Mitte  Februar  war 
nicht  nur  m  Australien,  sondern  —  eine  seltene  Erscheinung  — 
auch  schon  am  La  Plata  das  Angebot  ziemlich  erschöpft,  während 
am  Kap  infolge  dier  gar  z^  sehr  voraneilenden  Forderungen  der 
Eigner  und  wegen  der  inzwischen  bekannt  gewordenen  schlechten 
Rendements  der  Verkauf  etwas  ins  Stocken  gekommen  war. 
Merinos  und  Kreuzzuöhten  waren  so  seit  Dezember  in  schneller 
Folge  um  weitere  5  o/o  gestiegen,  und  auf  dieser  Höhe  hielten  sich 
die  ersteren,  abgesehen  von  geringen  Schwankungen,  bis  in  dea 
Herbst  hineiu.  Kreuzzuchten  waren  weniger  stetig,  erlitten  so- 
gar im  März  vorübergehend  einen  recht  merkbaren  Abschlag,, 
weil  Amerik-^  gegen  Gewohnheit  und  wider  Er^varten  von  der 
Londoner  März-Auktion  weggeblieben  war.  Ueberhaupt  hat  die 
Aufhebimg  des  Wollzolles  die  auf  den  ersten  Blick  überraschende 
Wirkung  gehabt,  daß  Amerika  in  Australien  und  iu  London 
aus  der  Schur  1912/13  bedeutend  weniger  aufgenommen  hat  als 
sonst  üblich  (61  900  Ballen  gegen  109  250  aus  der  Schur  1911/12). 
Doch  diese  Zurückhaltung  wird  verständlich,  wenn  mau  bedenkt, 
daß  die  durch,  den  neuen  Tarif  verursachte  Umgestaltung  der 
vielen  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  damals  noch  gar  nicht 
in  üiren  weitreichenden  Folgen  zu  überblicken  war.  Auch  Kamm- 
zug fand  laufend  Absatz  zu  allmählich  steigenden  Preisen,  ob- 
wohl schon  früh  im  Jahre  aus  Spinnerkreisen  Klagen  über  eine 
abflauende  Beschäftigung  laut  wurden.  Die  sich  folgenden,  immer 
lausgedehnteren  Betriebseinschränkungen  bezeugten  den  ganzen 
Ernst  der  Klagen.  Dennoch  fehlte  es  nicht  an  Bereitwilligkeit 
bei  den  Spinnern,  Merimo-Kammzüge  auch  auf  monateweite  Lie- 
ferung zu  den  höchsten  Tagespreisen  zu  kaufen  —  ein  Vorgehen, 
djSS  angesichts  djer  rückgängigen  Beschäftigung  und  keineswegs 
freundlichen  Aussichten  recht  beredt  verkündete,  wie  lebendig 
die  Sorge  war,  daß  durch  die  drohende  Wollknappheit  später  eine 
Teuerung  entstünde.  Während  die  Klagen  der  'Spinner,  auch' 
in  Frankreich,  über  schlechten  Geschäftsgang  sich  mehrten  und 
der  Zugverkauf  —  bei  leichthin  schwankenden  Preisen  für  Merinos, 
bei  stärker  weichenden   Preisen  für   Kreuzzuchten   —  zeitweilig 


98.    Wollgarne,   Wollfärberei   und  Konditionierwesen. 


357 


recht  schlieppeiLd  wUrdö,  iscteumpften  doch  die  Zugbestände  in 
den  deutschen  und  frajizösißdhen  Kämmereien  zusehends  ein  und 
sanken  im  Herbste  lauf  einen  Stand  wie  seit  Jahren  nicht.  Infolge- 
des&en  überwog  trotz  des  verminderten  Bedarfs  die  dringend© 
Nachfrage  das  Angebot  in  greifbaren  ^erinozügen  derart,  daü 
wahre  E/ekordpreise  erzielt  werden  konnten.  Ebenso  wurden  auf  den 
im  September-Oktober  Übersee  einsetzenden  Versteigerungen  der 
ungeduldig  erwarteten  neuen  Wollen  von  den  Käufern  Preise  meist 
über  Parität  europäischer  Werte  bewilligt.  Besonders  die  Preise 
der  von  den  Militärtuch-Fabrikanten  bevorzugten  halblangen  Kapn 
wollen  wurden  sehr  bald  auf  leine  lange  nicht  bemerkte  Höhe 
getrieben.  Man  bezahlte  lam  Kap  für  die  E/ohwolle  fast  ebensoviel 
wie  an  den  europäischen  Plätzen  für  das  gewaschene  Produkt, 
obwohl  gerade  halblange  gewaschene  Wollen  im  Laufe  des  Jahree 
stärker  gestiegen  waren  lals  alle  (anderen  Sorten.  Erst  als  der 
^dringendste  Maschinenbedarf  gedeckt  war,  begannen  die  Preise 
allmählich  z'u  sinken.  Obgleich  idie  Klagen  der  Spinner  über 
jschleohten  Greschäftsgan^  nicht  verstummen  wollten,  wurde  doch 
auf  einer  nuj  wenig  schwankenden  Basis  weiter  gekauft,  wobei 
allerdings  England  in  auffallender  Weise  zurückstand.  Als  die 
Versteigerungen  in  Australien  eine  Woche  vor  Weüinachten  ab- 
brachen, war  die  Schur  zu  zwei  Dritteln  bereits  verkauft.  Nicht 
so  am  La  Plata,  wo  zur  gleichen  Zeit  noch  beträchtliche  Bestände 
verfügbar  waren.  Verglichen  mit  dem  jVorjahre  stellten  sich 
Ende  Dezember  Merinos  bis  5  <yo  höher,  Kreuzzuchten  dagegen 
b  bis  10  o/ö  niedriger. 


Vergleichende  Uebersicht  der  Preise 

Tab.  140.                                       (In  Pf.  pro  kg  am 

für  Kapwollen  am 

Jahresschluß.) 

hiesigen  Platze. 

1908 

1909 

1910 

1911 

1912 

1913 

Kap  extra  super  snowwhites    .     .     . 
„  400/Qige  Durchsch.-Grrease,  Waschw. 

Kammw. 
Fabrikgew.  Kap,  Durchsch.  -  Qualität . 

390 
135 

160 
350 

425 
155 

185 
400 

420 
150 
180 
390 

400 
140 
170 
370 

430 
150 
190 
400 

470 
165 
190 
440 

S8.    Wollgarne,    Wollfärberei    und    Konditionier- 

w  e  s  e  n. 
a)  Zephirgarne. 

Das  Jahr  1913  verlief  für  die  Zephirbranche  wenig  befrie- 
-digend.  Die  Beunruhigung,  die  der  Balkankrieg  hervorrief,  xmd 
die  stete  Besorgnis,  daß  die  Verhältnisse  zu  einem  europäischen 
Kriege  führen  könnten,  ließen  keine  UnternehmuQgslust  auf- 
kommen. Das  Geschäft  schleppte  sich  während  des  ganzen  Jahres 
hin,  und  es  war  andauernd  schwierig,  auch  nur  den  Betrieb 
einigermaßen  aufrecht  zu  erhalten.  Der  Wettbewerb  war  daher 
.außerordentlich  groß  und  die  Verkaufspreise  waren  ungewöhnlich 


358 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


schlecht,  zumal  die  Itohmaterialkosten,  ungeachtet  der  teuern 
Geldsätze  und  der  politischen  Befürchtungen  dauernd  hoch  stan- 
den, ja  in  den  letzten  Monaten  noch  eine  steigende  Tendenz  zeigten. 
Absolut  betrachtet,  verringerte  sich  freilich  der  schon  seit  einigen 
Jahren  anhaltende  hohe  Preisstand  des  Fertigfabrikats  nicht. 
Im  Jahr  1908  wurde  für  die  gleiche  Sorte  Zephirgarne  4,80  Mk. 
pro  kg  bezahlt,  die  jetzt  6  Mk.  pro  kg  kostet.  Offenbar  ist  eben 
der  Weltkonsum  dauernd  größer  als  die  Weltproduktion,  so  daß- 
demgegenüber  die  wechselnden  Verhältnisse  zwischen  Angebot 
und  Nachfrage  in  den  einzelnen  Ländern  und  Jahren  keinen 
Einfluß  auf  die  Preisgestaltung  haben. 

Der  Absatz  erstreckte  sich  auf  fast  alle  europäischen  und 
außereuropäischen  Staaten  und  Länder.  Allerdings  erfuhr  er 
dui'ch  die  politische  Spannung  manche  empfindliche  Einschränkung. 
Namentlich  ging  auch  der  Verbrauch  in  Großbritannien,  das  bis- 
her als  Ausfuhrgebiet  für  deutsche  Zephirgarne  an  erster  Stelle- 
stand, erheblich  zurück.  Die  Bestellungen  der  südamerika- 
nischen Abnehmer  liefen  zwar  regelmäßig  ein,  doch  mußten  die 
Lieferungen  an  sie  auf  ungünstige  Nachrichten  von  den  dortigen 
Märkten  teilweise  hinausgeschoben  werden.  Ob  der  neue  Zoll- 
tarif der  Vereinigten  Staaten  die  nordamerikanischen  Absatz- 
bedingungen in  einem  der  Branche  günstigen  Sinne  beeinflussen 
wird,  steht  noch  dahin.  Wahrscheinlich  ist  es  jedoch  nicht,  da  die 
Zephirgarnindustrie  der  Union  unter  dem  bisherigen  hohen  Zoll- 
schutze  sehr  erstarkt  ist. 

Die  Preise  für  rohe  Zephirwolle  Nr.  40/4  aa.  stellten  sich  im 
Berichtsjahre  pro  Kilogramm  auf: 

Januar  Februar/März  April  Mai 'August  September  Oktober  Nov./Dez.. 
M.  5.70  5  75  5.80  5.7h  5.65  5.80  5.80 


Gefärbte 
Strickwolle. 


b)    Gefärbte  Strickwollen. 

Die  hohen  Preise  der  ExDhwollen  waren  dem  schlanken  Absatz 
gefärbter  Strickwollen  sehr  hinderlich  und  Begehr  und  Umsatz 
hielten  sich  in  wesentlich  engeren  Grenzen  als  in  früheren  Jahren. 
Die  Preise  für  die  Fabrikate  waren  infolgedessen  denen  der  Roh- 
materialien nur  schwer  anzupassen.  Zur  Erklärung  des  ungün- 
stigen Geschäftsgangs  ist  u.  a.  auch  auf  das  ungewöhnlich  gelinde 
Herbstwetter  hinzuweisen,  infolgedessen  sich  das  Geschäft  auch 
in   den   eigentlichen    Bedarfsmonaten   nur   schleppend   gestaltete- 


Kammgarn.  <i)  Kammgarn. 

Seit  Ende  1912  stiegen  die  Rohwollpreise  beständig.  Erst  in 
den  letzten  Monaten  des  Berichtsjahres  zeigte  sich  ein  kleiner 
Rückgang.  Die  Beschäftigung  in  der  Strickgarnfabrikation  war 
sehr  stark,  während  alle  Webgarnspinnereien  nur  wenig  zu  tun 


98.    Wollgarne,   WoUfäiberei   und  Konditionierwesen.  359 

hatten.    Infolge  der  hohen  Preise  für  das  Rohmaterial  war  jedoch 
der  Nutzen  am  Fertigfabrikat  nur  gering. 

Noch  ungünstiger  als  im  Jahre  1912  gestaltete  sich 
das  Geschäft  in  Kammgarnen  im  letztvergangenen  Jahre. 
Infolge  der  andauernden  politischen  Beunruhigungen  ging 
der  Export  nach  allen  in  Betracht  kommenden  Ländern 
bedeuiiend  zurück.  Selbst  England,  auf  das  als  Absatz- 
gebiet mit  Sicherheit  gerechnet  worden  war,  verminderte  seinen 
Bedarf  an  fast  allen  Artikeln.  Trotz  alledem  blieben  die  Gam^ 
preise  während  des  ganzen  Jahres  andauernd  fest.  Bei  Merino- 
garnen z.  B.  betrugen  die  Preisbesserungen  von  Januar  bis  Ok- 
tober kaum  2  o/o.  Wenn  kleine  Preiskonzessionen  hie  und  da  gewährt 
wurden,  so  waren  sie  nicht  in  dem  billigeren  Rohmaterial  be- 
gründet, sondern  aus  dem  Bestreben  zu  erklären,  Lieferungsaufträge 
zu  erhalten.  Auch  Croßbred-Garne  blieben  fest,  weil  daraus  her- 
gestellte Stoffe  von  der  Sportmode  bevorzugt  wurden.  Bei  solcher 
Geschäftslage  herrschte  andauernde  Zurückhaltung  für  größere 
Unternehmungen  vor.  Größere  Abschlüsse  wurden  fast  gar  nicht 
gemacht,  vielmehr  wurde  größtenteils  nur  für  den  nächsten  Tages- 
bedarf gekauft.  Das  geschah  namentlich,  weil  allgemein  er- 
wartet wurde,  daß  bei  der  anhaltend  geringen  Nachfrage  die 
Garnpreise  weichen  müßten.  Diese  Zurückhaltung  gaben  die 
Abnehmer  auch  nicht  auf,  als  von  den  Auktionen  in  Antwerpen 
und  London,  namentlich  aber  von  den  überseeischen  Produktions- 
stätten fortgesetzt  feste  und  sfteigende  Preise  gemeldet  wurden, 
zu  denen  die  Rohwollen  schlank  weggingen,  weü  in  keinem  Fa- 
brikationslande irgendwelche  größeren  Vorräte  vorhanden  waren. 
Besonders  ungünstig  lag  während  des  ganzen  Jahres  die  Phan- 
tasiebranche, namentlich  für  Merinogame,  deren  Absatz  auch  noch 
durch  die  dem  Artikel  ungünstige  Mode  erschwert  wurde.  Stark 
schädigend  wirkte  auch  das  warme  Wetter  im  September  und 
Oktober. 

d)  AVoUfärberei. 

Die  Wollfärberei  hat  wieder  Grund  zu  lebhaften  Klagen.  Die 
Aufträge  ließen  vom  Frühjahr  ab  so  bedeutend  nach,  daß  die 
Arbeitszeit  erheblich  verkürzt,  ja  in  einigen  Färbereien  von  sechs 
auf  fünf  Werktage  eingeschränkt  werden  mußte.  Von  allgemeiner 
Bedeutung  ist  hierfür,  daß  die  Spinnerei  stetig  durch  Färberea 
im  eigenen  Hause  die  Lohnfärberei  zurückdrängt.  Von  lokaler 
Wichtigkeit  ist,  daß  durch  den  allmählichen  Fortzug  der  Fa- 
brikation aus  der  Hauptstadt  nach  der  Provinz,  der  als  Folge 
sozialer  und  wirtschaftlicher  Verhältnisse  anzusehen  ist,  auch 
nach  und  nach  die  Färbereien  am  hiesigen  Platze  hin- 
siclitlich  der  Aufträge  wie  der  Farblöhne  sehr  ungünstig 
beeinflußt  werden.  Im  besonderen  mögen  vielleicht  deshalb  die 
Aufträge  so  spärlich  eingegangen  sein,  weil  man  allgemein  einen 
Rückgang   der  ungewöhnlich  hohen  Rohproduktpreise  erwartete. 


360 


Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


^Weiter  wirkte  die  Mode  hemmeiid,  die  in  der  Stmmpffabrikatioii 
durchbrochene  und  seidene  Dessins  bevorzugte.  Dagegen  war  das 
Geschäft  in  echten  Farben  für  die  Militäreffektenfabrikation 
befriedigend.  Auch  die  Färberei  weißer  Sportartikel  machte 
Fortschritte. 

In  der  Stückfärberei  wurden  wollene  und  baumwollene  Stoffe 
mehr  als  gemischte  halbwollene  Ware  gefärbt  und  appretiert. 
Die  bunten  Farben  standen  zwar  wieder  im  Vordergrund,  doch 
wurde  die  Einzelfarbe  durch  zu  kleine  Partien  in  der  Herstellung 
sehr  verteuert.  Denn  die  Kundschaft  kauft  die  Besätze  fertig) 
und  läßt  nur  den  nötigen  Bedarf  an  Stoff  hinzufärben,  so  daß 
das  Lager  für  den  Handel  ausgeschaltet  ist.  Halbwollene  Trikots 
gingen  auch  im  vergangenen  Jahre  im  Konsum  zurück,  schwarze 
Plüsche  mit  eingepreßten  Clustern  dagegen  um  so  flotter,  da 
der  gegenwärtige  Geschmack  solche  Stoffe  zu  Mänteln  und 
Kleidern  bevorzugt.  Auch  Schuhstreifen,  gefärbt  un.d  gespitzt, 
hielten  sich..  Decken  sind  jedoch  nur  in  geringerer  Menge  ange- 
fertigt worden.  In  der  Kleiderfärberei  fehlte  es  ebenfalls  an 
Aufträgen,  da  die  gegenwärtig  sehr  beliebten  billigen  Stoffe 
die  Kosten  des  Umfärbens  uaid  Aufarbeitens  nur  schwer  lohnen. 
Die  chemische  Eeinigung  wurde  für  wollene  Sachen  und  für 
Herrengarderobe  nur  wehig  verlangt.  Dasselbe  ist  von  Glace- 
handschulien  zu  sagen,  während  Möbelstoffe  und  Gardinen  sich 
behaupteten,  lieber  Arbeitermangel  war  im  allgemeinen  nicht 
zu  klagen.  Doch  wechselte  das  Personal  häufig,  was  im  Inter- 
esse der  Stetigkeit  und  Güte  der  Arbeit  unerwünscht  ist. 


Konditionier- 


e)  Konditionierwesen. 

lieber  die  "Wirksamkeit  des  öffentlichen  Warenprüfungs- 
amtes für  Wolle,  Baum.wolle,  Seide  usw.  und  deren  Game  und 
Gewebe  in  der  Zeit  vom  1.  Jan.  1913  bis  31.  Dez.  1913 
gibt  nachstehende  Aufstellung  Auskunft. 


Tab.  141.   Tätigkeit  des  Oeffentlichen  Waren -Prüf  ungsamtes  zu  Berlin. 

1.  Konditionierungen. 


Menge  der 

Zahl 

der          ! 

Zahl  der  Fälle 

konditionierten  Waren 

von 

k? 

Konditionierungen , 

Untergewicht 

1912                1913 

1912 

1913 

1912      1       1913 

WoUe 

303  789     232  937.0 

254 

186 

165 

140 

Kämmlinge  . 

,      10  319       97  282,6 

144 

18 

59 

6 

Kaschmirwolle 

,        1839  !      6  374,9 

6 

4 

4 

1 

Kunstwolle  . 

1        4  161   j    24  868,9 

3 

19 

3 

7 

Ramiegarn    . 

5  341   i         227,5 

364 

3 

343 

2 

Baumwollgarn 

39  716  !    26  933,9 

426 

273 

398 

252 

Seide    .     .     . 

9   j    30  877,4 

5 

318     ! 

5 

297 

Kunstseide    . 

1   1             0,3 

1 

2 

1 

2 

Wilde  Seide 

—       !      1  039,2 

— 

9 

— 

9 

Wollgarn  .     . 

—       1    10  283,8 

— 

138 

66 

99.   Handel  mit  Baumwollgarnen.  361 

1912  1913 

2.  Garnausmessungen 438  491 

3.  Festigkeitsprüfungen  von  Garnen  und  Geweben   .  72  143 

4.  Auszählungen  von  Kette  und  Schuß  in  Geweben  198  208 

5.  Nummerbestimmung  von  BaumwoUketten      ...  167  116 

6.  Längenmessungen  von  Garnen 59  1235 

7.  Seidentitrierungen 348  372 

Von  dem  mit  dem  Amt  verbundenen  Laboratorium  wurden  aus- 
geführt : 

1912  1913 

Untersuchungen  auf  Fasergehalt 56  110 

„     Fettgehalt     .     .     .     .     ,  14  26 

„                  „     Säuregehalt 1  9 

„                  „     Beschwerung    ....  26  47 

„    Appretur 38  128 

„                  „     Farbechtheit     ....  8  11 
„               von  Bekleidungsgegenständen 

auf  Fehler      ....  8  10 

Seidenabkochungen 163  137 

Außerdem  wurde  eine  Reihe  einzelner  Untersuchungen  ausge- 
führt, wie  Prüfungen  von  Oel,  Seife,  Schuhkreme,  Essigsäure, 
Exjßhaare  auf  Beimengungen,  fertige  Stoffe  auf  Nadelfertigkeit, 
Straußenfedern  auf  Unterschiede,  Pflanzenfasern  und  Teppiche 
auf  Beschädigung  durch  Seewasser  und  anderes  mehr. 

99.    Handel   mit  Baumwollgarnen. 

Die  gute  Beschäftigung  der  Baumwollspinnereien,  die  im 
zweiten  Halbjahr  112  angehalten  hatte,  fand  ihre  Fortsetzung 
bei  Beginn  des  Jahres  1913.  Späterhin  veranlaßten  die  Jioben 
Gampreise  und  der  durch  die  unsicheren  politischen  Verhältnisse 
hervorgerufene  Mangel  an  Unternehmungslust  die  Konsumenten, 
äußerst  vorsichtig  Ln  ihren  Käufen  zu  sein,  so  daß  das  Geschäft 
sich  sehr  schleppend  gestaltete.  Auch  wollte  man  den  neuen 
amerikanischen  Zolltarif  abwarten.  Die  Folge  war,  daß  die  Preise 
für  rohe  Baumwolle  und  Game,  von  geringen  Schwankungen  ab- 
gesehen, allmählich  sanken.  In  den  Monaten  Juli  bis  August, 
erreichte  die  Bremer  Notierung  ihren  niedrigsten  Stand  mit  6O3/4. 
Ende  August  zogen  die  Preise  wieder  leicht  an,  um  am  4.  Sept, 
sprunghaft  —  um  3  Pfg.  innerhalb  zwei  Tagen  —  in  die  Höhe 
zu  gehen  und  Ende  September  mit  74  Pfg.  ihren  höchsten  Stand 
zu  erreichen.  Diese  Bewegung,  die  den  Konsumenten  völlig  über- 
raschend kam,  hatte  ihre  Ursache  in  der  amerikanischen  Baum- 
wollernte, die  infolge  anhaltender  Dürre  sehr  unbefriedigend  aus- 
fiel. Auch  Ende  Oktober  eintreffende  Nachrichten  über  Frost- 
schäden verursachten  ein  weiteres  Steigen  des  Bx)hmaterials  im 
Preise.  Dementsprechend  wurde  die  amerikanische  Ernte  auf 
13,5—15  Mill.  Ballen  geschätzt,  während  man  vorher  mit  15 
bis  16  Mill.  Ballen  gereehnet  hatte.  Obwohl  die  Beschäftigung 
der  Spinner  zum  Teil  sehr  zu  wünschen  übrig  ließ,  konnten  sich 
die    Preise    für    Baumwollgarn    denen    für    rohe   Baumwolle    an- 


362 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Preise. 


passen.  Man  glaubte  nämlich  vielfach  mit  einer  Mißernte  und 
demzufolge  mit  einer  weiteren  Steigerung  des  Rohmaterials 
rechnen  zu  müssen.  Auch  erwartete  man  von  dem  inzwischeu 
Gesetz  gewordenen  amerikanischen  Zolltarif  eine  Belebung  des 
Exports  nach  den  Vereinigten  Staaten.  Im  Laufe  des  Oktobei- 
schwächten  sich  dann  die  Preise  wieder  ab.  Doch  war  diese 
Bewegung  nicht  einheitlich.  Je  nachdem  die  Ernteschätzungen 
der  amerikanischen  Hausse-  oder  Baissepartei  günstig  lauteten^ 
wurden  die  Notierungen  herauf-  oder  herabgesetzt.  Die  Emte- 
schätzungen  selbst  schwankten  zwischen  13,5 — 16  Mill.  Ballen. 
Die  Preise  für  20  "Water  I  waren: 


Januar 84  Pf.  per  Pfund  engl. 

Februar 88  „                   „ 

März/Mai 86/84  „ 

Juni/Juli     .....  82/80  „ 

August 78  „ 

vSeptember/Oktober     .  90/91  „ 

November/Dezember  .  88/85  „                  „ 


Ostindische 
Baumwolle. 


Macogarn. 


Die  Nachfrage  nach  Garnen  aus  ostindischer  Baumwolle  war 
wie  im  Jvioraufgegangenen  Jahre  aiur  unbedeutjend,  da  amerikanische 
Baumwolle,  die  sich  nicht  teurer  stellte,  im  allgemeinen  bevor- 
zugt wurde. 

Der  Bedarf  an  Maco-Garnen  war  dagegen  das  ganze  Jahr 
hindurch  lebhaft,  weil  besonders  die  Strumpf-,  Handschuh-  und 
Trikotagenbranche  als  Käufer  auftraten.  Der  Ertrag  der  ägyp- 
tischen Ernte  wurde  auf  7,6  Mill.  Cantar  geschätzt.  Das  a,n  den 
Markt  kommende   Material    fand   schlank   Aufnahme. 


Seide»handel. 

Ernten 

und  Preise. 


100.  Handel  mit  roher  und  gefärbter  Seide,  Seiden- 
färberei, 
a)  Handel   mit  roher  und  gefäj-bter   Seide. 

Obwohl  der  Balkankrieg  lähmend  auf  das  Geschäft  einwirkte^ 
zogen  die  Seidenpreise  zu  Anfang  des  Berichtsjahres,  wenn  auch 
mit  kleinen  Schwankungen,  um  fast  10  o/o  an.  Die  Ursache  war 
die  verhältnismäßig  kleine  Ernte  des  Jahres  1912.  Die  steigende 
Tendenz  setzte  sich  bis  in  die  Sommermonate  des  Jahres  1915 
fort,  so  daß  einzelne  von  der  Mode  begünstigte  Sorten  Preüs- 
er höhungen  bis  zu  25  ^/o  erfuhren.  Als  dann  die  ersten  Nach- 
richten von  sehr  befriedigenden  Ergebnissen  der  neuen  Ernte 
eintrafen,  wurden  allgemein  Preismckgänge  erwartet.  In  der 
Tat  war  die  Seidenerzeugung  im  Berichtsjahre  größer  als  je 
zuvor.  Die  Zunahme  gegen  1912  betrug  ca.  9  o/o.  Sie  war  nicht 
ausschließlich  aus  einer  Vergi'ößerung  des  ostasiatischen  Exports 
zu  erklären,  sondern  rührte  zum  Teil  aus  den  günstigaren  Er- 
trägnissen der  europäischen  Seidenernte  her.  Infolgedesseen  gingen 
im  Herbst  die  Preise  um  etwa  10  o/o  zurück. 


101.    Fabrikat,    von   woU.    u.   halbwoll.   Plüschen    u. 


Entsprechiend  den  Rohseidenpreisen  hätten  audh  die  Preise 
für  fertige  Seidenzwirne  im  Berichtsjahre  eine  .Erhöhung  er- 
fahren müssen.  Das  ist  jedoch  nicht  geschehen,  weil  mit  den 
realen  Seiden  die  Knnstseidenfäden  sehr  erfolgreich  konkurrierten. 
Diese  werden  nunmehr  in  derartig  vorzüglichen  Qualitäten  herge- 
stellt, daß  sie,  die  teils  auch  durch  die  Mode  begünstigt  wurden, 
im  Veibrauch  vorherrschend  geworden  sind.  Besonders  in  der  Ta- 
pisserieseiden- und  in  der  Posamentenfabrikation  wurden  sie  auch 
im  Berichtsjahre  stark  bevorzugt.  Die  Preisnotierungen  iur  Kunst- 
seide änderten  sich  gegen  das  Vorjahr  nicht. 

Die  Schappeseiden  hielten  sich  ebenfalls  im  1.  Semester  des 
Berichtsjahres  auf  gleicher  Höhe  wie  in  1912,  erfuhren  aber 
später  eine  Aufwärtsbewegung,  die  bis  zum  Schluß  des  Jahres 
20  o/o  betrug.  Die  Plüschfabrikation  war  dem  Artikel  günstig, 
während  er  auf  dem  Tapisserieseidenmarkt  immer  mehr  in  den 
Hintergrund  getreten  ist. 


Kunstseide. 


Schappeseiden 


b)  Seidenfärberei. 

Die  Seidenfärberei  hatte  im  Berichtsjahre  einen  kleinen  Auf- 
schwung zu  verzeichnen,  was  in  der  Hauptsache  auf  einen 
größeren  Verbrauch  von  Seiden  für  Tucheffekte  zurückzuführen 
ist.  Auch  in  Fabrikationsseiden,  Stickseiden,  Nähseiden,  Seiden 
für  Zwecke  der  Elektrizitätsindustrie  u.  a.  war  das  Geschäft 
ein  wenig  lebhafter.  In  Schwarz  für  den  Spezialartikel  Hutplüsch 
befriedigte  der  Umsatz. 

Die  Kunstseidenfärberei  war  auch  in  1913  in  aufsteigender 
Bewegung.  Der  für  den  modernen  Luxus  so  dankbare  Artikel  sucht 
sich  immer  neue  Anwendungsgebiete  zu  erschließen,  was  natur- 
gemäß auf  Kosten  der  echten  Seide  und  der  merzerisierten  Baum- 
wolle geschieht. 


Seidenfärberei 
Allgemeines. 


Kunstseiden^ 


101.    Fabrikation  von  wollenen    und    halbwollenen 
Stoffen  und  Plüschen. 

Erster  Bericht. 

Für  die  Fabrikation  von  Krimmer,  Persianeruniitationen  und 
audh]  von  Stoffen  wurden  große  Quantitäten  der  langstapeligen 
Garne  gebraucht,  die  speziell  aus  Wollen  englischer  Herkunft 
gesponnen  werden.  Die  Preise  stiegen  infolgedessen  schon  mit 
Beginn  des  Berichtsjahres  um  etwa  10 — 15 o/o.  Gegen  Schluß  des 
Jahres  schwächte  sich  das  Geschäft  infolge  des  eintretendem 
warmen  Wetters  ab  und  es  trat  ein  Preisrückgang  Von  ca.  5 
bis   6  0/0    ein. 

Aus  Mohairs  und  Ex)vings  werden  die  Game  gesponnen,  die 
speziell  für  die  Fabrikation  !von  Pelzimitation  Verwendung 
finden.  Zu  den  hochfeinen  Qualitäten  werden  Game  von  zweifach 
32er    bis    zweifach    60er    verwendet,    für   die   Persianerimitation 


Erster  Berichl 

Roh- 
materialien. 
Lustre 
Weftgarne  un( 
Crossbreds. 


Mohairs 
und  Rovings. 


364 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Shoddy-Garne 


Baumwolle. 


Jute-Garne. 


Fertige  Ware. 

Konfektion  s- 

Stoffe. 


dagegen  die  einfach  gesponnenen  G-ame  unter  der  Bezeichnung 
Single-Ex)ving.  Die  großen  Aufträge,  die  in  all  diesen  Artikeln 
von  Anfang  des  Jahres  an  den  'Fabrikanten  zur  Verfügung  standen, 
steigerten  den  Bedarf  in  den  genannten  Garnen  außerordentlich, 
und  der  Preisaufschlag,  der  sich  in  dem  letzten  Monate  des 
Jahres  1912  bemerkbar  machte,  erfuhr  1913  eine  weitere  Er- 
höhung -von  ca.  20  o/o.  Doch  trat  auch  im  Preise  dieser  Game  in 
den  letzten  drei  Monaten  des  Berichtsjahres  ein  kleiner  B,ückgang 
ein,  der  darin  zum  Ausdruck  kam,  daß  man  bei  prompten  Dis- 
positionen wieder  etwas   billiger  kaufen  konnte. 

Die  B/ohmaterialien  für  Shoddy-G-ame  waren  wahrend  des 
ganzen  Jahres  knapp,  und  die  Preise  stiegen  daher  um  etwa 
5 — 10  o/o.  Trotz  des  schwäx^heren  Geschäftsganges  für  fertige 
Ware  ermäßigten  jedoch  die  Shoddy- Spinner  die  Preise  nicht. 

Am  Markte  für  die  bauwollenen  Garne,  die  für  die  Berliner 
Fabrikation  Verwendung  finden,  zeigten  sich  nur  unbedeutende 
Preisschwan ktmgen.  Die  Spinnereien  waren  zum  Teil  Jiicht  stark 
beschäftigt,  so  daß  die  Aufträge  prompt  ausgeführt  wurden. 

Während  des  ganzen  Jahres  war  der  Markt  für  rohe  Jute  in 
Indien  sehr  fest.  Die  Gamp reise,  die  schon  im  Vorjahre  einen 
hohen  Stand  erreicht  hatten,  zogen  1913  noch  weiter  an,  so  daß 
im  November  die  höchsten  Preise  notiert  wurden,  die  je  für  Ge- 
spinste aus  Jutefaser  bezahlt  worden  sind.  Die  Konsumenten 
gingen  daher  nur  zögernd  daran,  Einkäufe  zu  macheu,  die  über 
den  nötigsten  Bedarf  hinausgingen,  weil  die  A^asicht  allgemeiu 
verbreitet  war,  daß  diese  hohen  Preise  sich  nidht  lange  würden, 
halten  können.  Doch  befand  sich  die  schon  seit  Jahren  in 
einer  Konvention  geeinigte  Fabrikation  am  Jahresschlüsse  in 
sehr  günstiger  Lage.  Einzelne  Firmen  konnten  hohe  Dividenden 
zur  Verteilung  bringen. 

Im  Jahre  1913  wurden  von  der  Berliner  Stoff -Fabrikation 
Artikel  gebracht,  die  sich  eng  an  die  Mode  des  vorhergehenden 
Jahres  anschlössen.  Die  Beschäftigung  darin  hielt  bis  in  die 
letzten  Monate  des  vergangenen  Jahres  hinein  stark  an,  und 
die  Musterungen  für  Kinder-  und  Damenmäntelstoffe  waren 
in  demselben  Geschmack  gehalten.  Es  wurden  große  Ausmuste- 
.rungen  in  schmalen  Streifen,  kleinen  Karos  und  speziell  in 
Diagonalbindungen  gebracht,  und  zwar  in  grünlichen,  bräun- 
lichen und  Sportfarben,  die  schon  seit  längerer  Zeit  für  Ulster- 
und  Paletotzwecke  gern  verarbeitet  werden.  Als  Hauptmaterial 
für  diese  Artikel  fanden  die  bekannten  englischen  Lustrewollen 
Verwendung.  Neben  diesen  stark  bevorzugten  Melangetönen 
Iwurden  von  der  Konfektion  auch  gleiche  einfarbige  Qualitäten 
aufgenommen.  Diese  Genres  haben  schon  vor  etwa  10  bis 
15  Jahren  in  Berlin  jahrelang  eine  ganz  hervorragende  Rolle 
.unter  den  Namen  Crewel,  Boucle  und  Trikotstoffe  gespielt,  und 
sich  durch  Solidität  und  Haltbarkeit  ausgezeichnet.    Bemerkens- 


101.    Fabrikat,   von   woll.    u.   halbwoll.   Plüschen    u.    Stoffen.     365 

wert  ist,  daß  diese  Artikel,  die  früher  nur  in  niedrigen  Preis- 
lagen hergestellt  wurden,  im  Berichtsjahre  speziell  in  teureren 
»Qualitäten  gebracht  wurden  und  infolgedessen  auch  für  die 
bessere  Konfektion  Verwendung  fanden.  Neben  den  grellen 
Tönen,  welche  die  Mode  begünstigte,  wurden  die  soliden  Farben, 
schwarz,  braun,  marineblau  und  grün,  in  erster  Reihe  gekauft. 
Das  rege  Interesse,  das  man  diesen  Stoffen  entgegenbrachte, 
veranlaßte  die  Kundschaft,  so  zeitig  wie  nie  zuvor  große  Ab- 
schlüsse zu  tätigen,  und  die  Fabrikanten  in  der  Provinz,  die 
mit  ihren  bisher  fabrizierten  Artikeln  ungenügend  beschäftigt 
waren,  auch  die  Fabrikation  dieser  Genres  aufzunehmen.  Wie 
im  Jahre  1912  herrschte  auch  im  vergangenen  Jahre  in  einzelnen 
Artikeln  eine  außergewöhnliche  Knappheit,  die  sich  erst  im 
Monat  September  abschwächte.  Fast  die  gleichen  Genres  in  der 
Breite  von  140  Zentimeter  wurden  von  der  Herren-  und  Knaben- 
konfektion für  Ulster  und  Knabenpaletots  aufgenommen  und 
fanden  auch  in  der  Mützenbranche  für  Sportmützen  vielfach 
Verwendung. 

Die  großen  Hoffnungen,   mit  denen  man  in  der  Krimmer-  Pirsche 

IT  1  .  iTi         -fi-w-ir»'  11  ^^^  Krimmer. 

und  Plüschbranche  m  das  Jahr  1913  eingetreten  war,  haben 
sich  vollkommen  erfüllt.  Schon  in  den  Monaten  Januar/Februar 
»wurden  die  Fabrikanten  dieser  Artikel  mit  Aufträgen  so  über- 
häuft, daß  selbst  die  leistungsfähigsten  unter  ihnen  nicht  an- 
nähernd in  der  Lage  waren,  alle  Orders  zu  übernehmen.  Die 
Nachfrage  nach  diesen  Artikeln  war  eben  überall,  besonders 
aber  in  den  Vereinigten  Staaten,  sehr  rege.  Die  schon  seit 
längerer  Zeit  vorhandenen  schönen  Imitationen  in  Persianer, 
Breitschwanz,  Astrachan,  Skunks,  Hermelin,  Chinchilla,  Maul- 
i^urf  und  fast  allen  anderen  Pelzarten  wurden  durch  neue 
technische  Verbesserungen  noch  erheblich  vervollkommnet.  Die 
Fortschritte  auf  diesem  Gebiete  sind  so  bedeutend,  daß  es  kaum 
noch  möglich  ist,  die  Imitationen  in  feinen  Qualitäten  vom 
Natur  feil  zu  unterscheiden.  Infolgedessen  räumten  selbst  die- 
jenigen Pelzfabrikanten,  die  sich  bisher  gegen  alle  Imitationen 
ablehnend  verhalten  hatten,  diesen  wohlgelungenen  Artikeln  den 
ihnen  gebührenden  Rang  ein.  Haupt absatzgebiet  waren  die 
^Städte  Berlin,  Paris,  Wien,  London,  New  York  und  andere 
bekannte  Fabrikationszentren,  in  denen  die  Engroskonfektion 
ihren  Sitz  hat.  Auch  die  seht  hohen  Zölle  in  einigen  Ländern 
konnten  nicht  verhindern,  daß  große  Quantitäten  Pelzimitationen 
dorthin  exportiert  wurden,  wodurch  wohl  am  besten  ihre  großen 
Vorzüge,  ihr  wertvolles  Aussehen  und  ihre  Dauerhaftigkeit, 
bezeugt  werden.  Bei  der  vielseitigen  Verwendung  dieser  Artikel 
in  ider  Konfektion  für  Mäntel,  Kostüme,  Röcke,  sowie  in  der 
iFabrikation  für  Mützen,  Muffen,  Stolas,  Echarpes  und  in  der 
Besatzbranche,  blieb  ihr  Absatz  trotz  der  allgemein  ungünstigen 
Geschäftslage    befriedigend.      Auch    von    der    Kinderkonfektion 


366 


Vn.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Arbeiter- 
verhältnisse. 


Absatz- 
verhflltnisse. 


weiden  sie  wieder  stark  verarbeitet.  Es  haben  sich  gewisse 
Stapelaitikel  herausgebildet,  die  alljährlich  in  der  Kollektion 
erscheiner.  und  gern  gekauft  werden.  Das  konsumierende  Publi- 
kum bevorzugt  gerade  für  Kinderartikel  diese  Genres  sehr, 
da  sie  sich  trotz  ihrer  Billigkeit  im  Tragen  vorzüglich  be- 
währen. Ebenso  wurden  sie  wieder  vielfach  von  der  Spiel- 
war er  fabrj.kation  aufgenommen,  da  die  daraus  hergestellten  Tiere 
die  besten  Nachbildungen  ergeben.  Das  Geschäft  in  billigen 
Ätapelartikeln  wurde  dagegen  durch  die  neue  amerikanische 
Zollreform  insofern  ungünstig  beeinflußt,  als  der  neue  nord- 
amerikanische Zolltarif  erst  am  1.  Jan.  1914  in  Kraft  trat. 
Auch  dei  Absatz  von  unter  Verwendung  von  Jutefaser  her- 
gestelltem Krimmer  war  sehr  unzureichend.  Die  Aufträge  in 
Jutekrimmer  sind  besonders  von  Amerika  zum  großen  Teil 
nicht   abgenommen   oder    annulliert  worden. 

Der  Hauptsitz  der  Krimmer-  und  Plüschfabrikation  ist 
Katscher  (Ob. -Schi.).  Es  sind  dort  noch  immer  eine  große  Anzahl 
iHandstühle  vorhanden,  die  im  Jahre  1913  zu  regulären  Löhnen 
vollauf  beschäftigt  waren.  Ein  Teil  der  Stühle  arbeitete  auch 
Teppiche,  welche  aus  Jute  und  Baumwolle  hergestellt  werden. 
Die  große  Nachfrage  nach  Krimmer  zu  Anfang  des  Jahres 
veranlaßte  verschiedene  Fabrikanten  in  Katscher  und  Berlin, 
auch  mechanische  Webstühle  aufzustellen.  Diese  Stühle  haben 
sich  gut  bewährt,  und  es  hat  sich  herausgestellt,  daß  der 
mechanische  Betrieb  im  Vergleich  zu  der  Handweberei  erheb- 
liche Vorteile  bietet. 

Der  Konsum  Deutschlands  war  im  Vergleich  zum  vorigen 
Jahre  in  den  besprochenen  Artikeln  sehr  viel  größer.  Das 
gleiche  gilt  von  dem  Export  nach  England,  Belgien,  Holland, 
Skandinavien,  Italien  und  Spanien.  Dagegen  hörte  der  Export 
nach  den  Balkanländern  während  des  Kriegsjahres  vollständig 
auf.  Bis  um  die  Mitte  des  Jahres  liefen  zwar  die  Aufträge 
aus  den  Vereinigten  Staaten  sehr  lebhaft  ein,  aber  seit  dem 
September  schwächte  sich  auch  das  nordamerikanische  Geschäft 
sehr  ab.  In  dem  Absatz  nach  Kanada  hat  sich  nichts  geändert. 
Der  Vorzugszoll,  welchen  englische  "Waren  genießen,  machte 
auch  im  Berichtsjahre  den  Export  nach  diesem  Lande  fast  un- 
möglich. 


ZweiterBericht. 


Plüsch- 

und  Krimmer« 

fabrikation. 


Zweiter  Bericht. 

Wit*  im  Jahne  1912  war  auch  während  des  Jahres  1913 
Mode  und  Konjunktur  der  Fabrikation  wollener  Plüsche,  Krimmer 
und  Astrachans  günstig.  Fabrikate,  die  dem  echten  Fell  in  Pelz 
und  Persianer  locke  ähnelten,  wurden  allseits  begehrt.    Da  schon 


101.    Fabrikat,    von   woU.    u.   halbwoll.   Plüschen    u.    Stoffen.      367 

früh  die  Vereinigten  Staaten  als  jKäufer  auftraten  und  große 
{Mengen  von  Krimmer  und  Astrachans  in  Deutschland  bestellt 
wurden,  war  es  lange  Zeit  nicht  möglich,  die  Nachfrage  voll- 
ständig zu  decken.  Die  Folge  war,  daBi  eine  große  Anzahl  von 
Fabrikanten  dazu  schritt,  die  Fabrikation  auf  mechanischen 
Stühlen  mehr  als  früher  zu  betreiben,  um  größere  Mengen  Ware 
zu  schaffen.  Es  wurden  alle  mechanischen  Webstühle,  die  über- 
haupt nur  erhältlich  waren,  aufgestellt,  um  der  Massenanfrage, 
die  plötzlich  in  ungeahnter  Stärke  einsetzte,  auch  nur  halbwegs 
zu  genügen.  Leider  hielt  das  Jahr  aber  nicht  all  das,  was  es  im 
Anfang  versprach;  es  traten  Hemmungen  ein,  die  nicht  voraus- 
zusehen waren  und  die  den  Absatz  in  dem  Gebiete  der  Ver- 
(einigten  Staaten  außerordentlich  erschwerten.  In  erster  !Linie 
ist  hier  auf  die  Aenderung  der  amerikanischen  Zollpolitik  hin- 
zuweisen. Die  Reduktion  der  Zölle,  die  schon  zum  Hochsommer, 
spätestens  zum  Herbst  erwartet  wurde,  ließ  auf  sich  warten 
und  trat  erst  zum  Schluß  des  Jahres  in  Kraft.  Die  Folge  war, 
daß  Bestellungen,  die  schon  früh  auf  große  Quantitäten  gemacht 
worden  waren,  unter  allerlei  Vorwänden  nicht  abgenommen  wur- 
den. Es  stellte  sich  dann  heraus,  daß  die  Mode  speziell  in 
Ameriki  die  zuerst  aufgenommenen  Persianer-  und  iKrimmer- 
Artikel  aufgab  und  sich  den  Plüschen  und  Breitschwanzquali- 
täten zuwendete.  Die  sämtlichen  Dispositionen,  die  vorher  ge- 
troffen waren,  erwiesen  jsich  dadurch  ,als  falsch,  und  es  war 
ein  Glück,  daß  wenigstens  in  Europa  ein  Teil  der  von  Amerika 
rofüsierten  Fabrikate  abgesetzt  werden  konnte.  Auch  in  Deutsch- 
land und  den  übrigen  Ländern  des  europäischen  Kontinents  hat 
sich  dann  die  Mode  für  Plüsch-  und  breitschwanz artige  Fabrikate 
klar  und  scharf  (ausgesprochen,  und  les  stellte  sich  daher  auch 
hier  ein  Bedarf  an  diesen  Artikeln  ein,  der  nur  zum  Teil  gedeckt 
werden  konnte.  Infolgedessen  vermehrte  sich  die  Zahl  der  Woll- 
plüschfabrikanten sehr  bald.  Die  Rohware  wurde  schließlich  in 
großen  Massen  hergestellt  und  zur  Ausrüstung  an  alle  irgend- 
welches Interesse  dafür  zeigenden  Käufer,  an  Fabrikanten, 
Zwischenhändler  und  sogar  an  Konsumenten  abgegeben.  Wenn 
auch  zu  erwarten  ist,  daß  die  Nachfrage  nach  Wollplüschen 
noch  einige  Zeit  anhalten  wird,  so  muß  diese  Ueberproduktion 
doch  als  sehr  bedenklich  bezeichnet  werden.  Denn  in  dem  Augen- 
blicke, wo  der  Artikel  aufhört,  die  große  Mode  zu  sein,  wird 
er  vom  Zwischenhandel  fallen  gelassen  werden.  Die  Fabrikanten 
aber,  die  in  Erwartung,  ständige  Abnehmer  dafür  zu  finden, 
entsprechende  Einrichtungen  zu  seiner  Herstellung  getroffen 
haben,  werden  plötzlich  lohne  Abnehmer  sein  und  notgedrungen 
den  Markt  mit  Ware  überschWemmen.  —  Entsprechend  der  Nach- 
frage trat  eine  Steigerung  der  Hohmaterialienpreise  ein,  die  erst 
im  Spätherbst  ein  Ende  fand.  Die  Preise  sind  seitdem  ungefähr 
stabil  geblieben. 


368  Vn.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

102.    Fabrikation  von  baumwollenen  Velvets. 

Die  Hoffnimgien,  die  man  in  den  am  Velvetgeschäft  inter- 
essierten Kreisen  auf  das  Berichtsjahr  gesetzt  hatte,  haben  sich 
nur  zum  gerin^ren  Teil  erfüllt.  Allgemein  hatte  man  damit 
gerechnet,  daß  die  Ignoße  Sanunetmode  von  1912  sich  auf  daß 
Jahr  1913  übertragen  würde,  allein  schon  in  den  Schlußmonaten 
des  Vorjahres  zeigten  sich  die  ersten  Merkmale  eines  Abflauens 
der  Mode.  Die  Konfektion  hatte  bei  ihren  Musterungen  für  1913 
andere  Artikel  begünstigt,  tmd  es  zeigte  sich  sehr  bald,  daß  das 
Int-eresse  am  Velvetartikel  für  Kleider  lind  Mäntel  mehr  und 
mehr  im  Schwinden  war,  ein  umstand,  für  den  die  später  auf- 
tauchende Mtode  in  Sammethüten  nur  eine  geringe  Entsdiädigung 
zu  bieten  vermochte.  Gleichwohl  waren  die  Fabriken  bis  in  den 
Oktober  hinein  voll  beschäftigt,  ja  für  einen  großen  Teil  des 
Jahres  vermochten  sie  den  gesteigerten  Betrieb  des  vorhergehen- 
den Jahres  aufrecht  zu  halten.  Erst  in  den  letzten  beiden  Monaten 
machte  sich  ein  Mangel  an  Aufträgen  fühlbar,  der  die  Fabrikanten 
zu  einer  Einschränkung  ihrer  Betriebe  nötigte.  Alles  in  allem 
darf  das  Jahr  1913  als  für  die  Fabrikanten  nicht  ungünstig  be- 
zeichnet werden.  Es  ging,  was  Verkaufspreise  und  ümsatz- 
ziffem  anbelangt,  über  das  Mittelmaß  eines  DurChtechnittsijahres 
hinaus. 

Weniger  güjQstig  lagen  die  Verhältnisse  für  die  Zwischen- 
händler, bei  welchen  sich  schon  frühzeitig  eine  Stockung  des  Ver- 
kaufs bemerkbar  machte.  Neben  dem  Rückgang  der  Mode  waren 
es  die  ungesunden  wirtschaftlichen  Verhältnisse  im  allgemeinen, 
die  eine  lebhaftere  Entwicklung  des  Gnes'chäftes  nicht  aufkommen 
ließen.  So  erklärt  es  sich,  daß  die  Grrossisten,  die  sich  in  (der 
Hoffnung  auf  einen  Fortbestand  der  Mode  für  das  Jahr  1913 
überreichlich  mit  Ware  versehen  hatten,  am  Schluß  der  Saison 
fast  ohne  Atisnahme  mit  großen  Lagerbeständen  festsaßen.  In 
der  Ueberfüllung  der  Läger  la^g  für  das  Velvetgeschäft  am  Ende 
des  Berichtsjahres  das  (Hauptübel,  das  jede  Unternehmungslust 
paralysierte.  Sobald  die  »allenthalben  vorhandenen  großen  Bestände 
sich  einigermaßen  reduziert  haben  werden,  darf  auch  wieder  eine 
Gesundung  des  Greschäfts  erwartet  werden. 

103.    Fabrikation  von  Schals  und  Tüchern. 

In  den  ersten  Monaten  des  Geschäftsjahres  1913  war  die 
Berliner  Tücher fabrikation  ziemlich  unbeeinflußt  von  den  politi- 
schen Verhältnissen.  Der  Absatz  hielt  sich  in  dem  Rahmen  der 
früheren  Jahre,  doch  war  es  schwer,  die  höheren  Preise  zu  er- 
zielen, die  durch  die  Steigerung  des  Materials  bedingt  wurden. 
Das  Frühjahr  verlief  sehr  still  und  die  Umsätze  gingen  namhaft 
zurück,  da  In-  und  Ausland,  soweit  es  als  Absatzgebiet  in  Frage 
kam,  sich  sehr  reserviert  verhielt.     Erst  im  Laufe  des  Monats 


104.    Fabrikation  von  Phantasie -Wirkwaren  und  Strickwaren.     369 

Juli  begann  das  Geschäft  lebhafter  zu  werden,  doch  blieben  Preise 
und  Umsätze  gegen  früher  zurück.  Diese  Lage  hielt  bis  zum 
Jahresschluß  an.    Die  Kundschaft  kaufte  nur  das  Kotigste. 

Das  Exportgeschäft  war  im  ersten  Halbjahr  zufriedenstellend, 
während  die  letzten  Monate  um  so  mehr  zu  wünschen  übrig  ließen. 
Es  liiommen  hierfür  vornehmlich  die  Länder  des  westlichen  Süd- 
amerika in  Betracht,  wie  Columbien,  Ecuador,  Peru,  Bolivien  und 
Chile.  Dagegen  wurden  Berliner  Tücher  nach  Brasilien  nicht  mehr 
verkauft.  Argentinien,  machte  nur  sehr  geringe  Bestellungen. 
Das  Inland  kaufte  in  der  Hauptsache  billige  Qualitäten.  Tücher, 
namentlich  Velourtücher  und  bessere,  wurden  wenig  verlangt,  wie 
denn  überhaupt  die  Xachfrage  danach,  ausgenommen  in  den  öst- 
lichen Provinzen  Preußens,  stä.ndig  abnimmt.  Dagegen  fanden 
sogenannte  India-Tücher  in  klein  wie  groß  gegen  früher  erhöhten 
rmsatz.  Eür  Berlin  bleibt  nach  w4e  vor  Hauptartikel  die  Fabri- 
kation von  Velour  Echarpes  in  billigen  wie  in  den  besten  Quali- 
täten. Die  Preise  sind  auch  im  Berichtsjahr  sehr  gedrückt  ge- 
blieben, obwohl  die  Gaxnpreise,  Löhne  und  Appreturkosten  eine 
Steigerung  erfahren  haben.  Die  stark  verminderte  Absatzmöglich- 
keit des  Artikels  machte  aber  alle  Bestrebungen  zunichte,  höhere 
Preise  zu  erreichen.  Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern 
und  Arbeitnehmern  waren  zufriedenstellend.  Die  schlechte  Ge- 
schäftslage gab  zu  weiteren  Lohnerhöhungen  keine  Gelegenheit. 
Die  Garnpreise  für  Streich-  und  Kammgamwaren  begannen  im 
letzten  VierteljaJir  1912  anzuzieh.en  und  setzten  diese  Bewegung, 
wenn  auch  nur  langsam,  bis  zum  September  fort.  Alsdann  zeigte 
sich  eine  gewisse  Stabilität. 

104.   Fabrikation  von   Phantasie -Wirkwaren 
und    Strickwaren. 

Erster    Bericht.  Erster  Bericht. 

Das  abgelaufene  Jahr  hat,  wie  fast  allen  anderen  Industrien,  Allgemeines, 
auch  der  Strumpf-  und  Phantasiewaren-Branche  große  Enttäu- 
schungen gebracht.  Erst  1913  machten  sich  die  Nachwirkungen 
der  in  das  politische  und  wirtschaftliche  Leben  so  tief  einschnei- 
denden EreigTiisse  fühlbar,  deren  Schauplatz  die  Welt  während  der 
beiden  Vorjahre  war.  Wenn  es  zunächst  den  Anschein  hatte,  als 
könnten  die  Wirren  auf  dem  Balkan  die  Geschäftswelt  nicht  be- 
sonders stark  beeinträchtigen,  so  zeigte  der  weitere  Verlauf  des 
Geschäftsjahres  ein  ganz  anderes  Bild,  das  allerdings  nicht  aus- 
schließlich aus  den  osteuropäischen  Vorgängen  erklä,rt  werden 
konnte.  Für  (die  Phantasiei  und  Strickwaren-Industrie  lag  während 
der  ersten  Monate  kein  Grund  zur  Unzufriedenheit  vor,  das  Gre- 
schäft  zeigte  normale  Entwicklung,  die  ersten  Reisen  brachten  die 
üblichen  Resultate,  In-  und  Ausland  schienen  gut  disponiert  zu 
sein  und  wenigstens  den  gewohnten  Bedarf  zu  haben.    Daher  setzte 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  24 


370  VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

nach  der  kurzen  AVinterpause  bald  reger  Betrieb  ein,  der  alle 
Arbeitskräfte  voll  in  Anspruch  nahm.  Im  Einklang  damit  befand 
sich  der  Rohmaterialienmarkt,  der  zwar  zunächst  nur  geringe 
Schwankungen  der  "WoU-  und  Baumwollpreise  zeigte,  dessen  an- 
ziehende Tendenz  aber  unverkennbar  war.  Das  ließ  sich  besonders 
aus  dem  Verlauf  der  ersten  Londoner  Auktionen  ersehen,  deren 
starke  Zufuhren  zu  festen  und  zum  Teil  sogar  steigenden  Preisen 
fast  völlig  vom  Verbrauch  aufgenommen  wurden.  Diese  Festig- 
keit, die  die  Marktlage  fast  während  des  ganzen  Jahres  charakteri- 
sierte, behauptete  sich  späterhin  namentlich  deswegen,  weil  infolge 
der  im  Berichtsjahre  weniger  ergiebigen  Wollproduktion  Argen- 
tiniens die  Zufuhren  geringer  wurden.  Alles  schien  zusammenzu- 
treffen, um  dem  Jahre  1913  einen  normalen  Verlauf  zu  sichern, 
als  sich  im  Laufe  des  Sommers  die  ersten  Anzeichen  einer  Ge- 
schäftsstockung bemerkbar  machten,  die  sich  mehr  und  mehr  ver- 
stärkten und  allmählich  zu  einer  Situation  führten,  die  einem 
völligen  Stillstande  nicht  sehr  unähnlich  war.  Der  mittelbare 
Einfluß  der  Balkankrisis  kam  nun  doch  in  Deutschland  wie  in 
allen  anderen  europäischen  und  außereuropäischen  Staaten  mit  un- 
erwünschter Schärfe  zur  'Geltung.  In  der  Phantasie-  und  Strick- 
warenbranche machte  sich  infolgedessen  viel  frühzeitiger  als  sonst 
im  Jahre  Mangel  an  Beschäftigung  fühlbar,  so  daß  vielfach  Ar- 
beiterentlassungen vorgenommen  oder  bessere  Arbeitskräfte,  um 
sie  nicht  für  immer  zu  verlieren,  auf  Kosten  der  Betriebe  gehalten 
werden  mußten.  Unter  diesen  Umständen  machte  es  keine  Schwie- 
rigkeiten, die  euigegangenen  Lieferungsverpflichtungen  zu  er- 
füllen. Die  abgeschlossenen  Geschäfte  konnten  glatt  und  ohne  Ver- 
spätungen abgew^ickelt  werden,  und  die  sonst  in  den  Sommer-  und 
Herbstmonaten  so  häufigen  Ueberschreitungen  der  Liefertermine 
kamen  fast  gar  nicht  vor.  An  Vielseitigkeit  der  Gestaltung  und 
der  Material  Verwertung  war  das  von  der  Branche  Gebotene  auf  der 
Höhe  der  Vorjahre.  Die  Ergiebigkeit  der  verschiedenen  zur  Ver- 
fügung stehenden  Maschinengattungen  blieb  weiter  im  Wachstum. 
Ganz  besonders  führte  die  Vielseitigkeit  der  Strickmaschine  den 
Kollektionen  reichliche  Sortimente  hübscher  Neuheiten  zu,  die  sich 
im  allgemeinen  auf  die  verschiedensten  Gebrauchsgegenstände 
verteilten,  besonders  aber  der  ohnehin  reichen  Auswahl  der  Sport- 
artikel zugute  kamen. 
Absatz  in  Für  dicsc,  wie  für  die  Erzeugnisse  der  Branche  überhaupt, 

kam  in  erster  Linie  Deutschland  als  Absatzgebiet  in  Betracht, 
dessen  Kauflust  allerdings  auch  nicht  ganz  auf  der  Höhe  der  Vor- 
jahre stand.  Das  Geschäft  nahm  anfangs  einen  leidlich  flotten 
Verlauf,  brachte  es  jedoch  nicht  zu  der  sonst  beobachteten  Lebhaf- 
tigkeit und  Beständigkeit,  und  die  zur  Verfügung  der  Kundschaft 
auf  Lager  gehaltenen  Vorräte  fanden  nur  teilweise  Verwendung. 
Die  Ursachen  für  diese  Zurückhaltung  der  Käufer  waren,  dieselben 
wie  im  Jahre  vorher.    Die  Geldknappheit  hatte  noch  zugenommen. 


104.    Fabrikation  von  Phantasie-Wirkwaren  und  Strickwaren.     3/1 

und  beeinträchtigte  besonders  stark  den  Verbrauch,  der  unteren  Be^ 
^ölkerungsklassen,  deren  Angehörige  die  Hauptabnehmer  für  die 
billigeren  Artikel  sind.  Wegen  des  vielfach  milden  AYetters  war 
auch  der  Absatz.' in  Rodel-  und  anderen  Eissportbekleidungsartikeln 
sehr  gering.  Dagegen  nahm  der  Verbrauch  gestickter  und  ge- 
wirkter AVollsachen  zu  Zwecken  der  Knaben-  und  Mädchenbeklei- 
dung für  Straße,  Haus  und  Schule  zu  und  auch  die  kleidsamen 
Blusen,  Jacken  und  Mäntel,  die  bei  der  noch  immer  herrschenden 
Moderichtung  in  den  lebhaftesten  Farbenkombinationen  und  den 
verschiedensten  Materialien  in  überreicher  Fülle  der  Sortimente 
auf  den  Markt  gebracht  wurden,  waren  weiter  bei  der  Frauen- 
und  Mädchenwelt  sehr  b-eliebt.  Das  Gesamtresultat  blieb  aber  un- 
befriedigend. Die  meisten  Fabrikanten  sahen  sich  am  Jahres- 
schluß unerwünscht  großen  Lagerbeständen  gegenüber,  die  bei 
normalen  Wirtschafts-  und  Witterungsverhälinissen  zum  größten 
Teile  hätten  verkauft  werden  können. 

Bei  einem  U eberblick  über  das  Auslandgeschäft  gewinnt 
man  ebenfalls  nur  wenig  erfreuliche  Eindrücke.  Das  stets  sehr 
aufnahmefähige  und  kaufkräftige  Belgien  wird  durch  das  Ueber-  uropa. 

maß  des  Angebots  nicht  nur  von  Seiten  der  deutschen,  sondern 
auch  der  ausländischen  Konkurrenz  immer  anspruchsvoller  und 
daher  schwerer  zugänglich,  und  wer  dort  nennenswerte  Umsätze 
erzielen  will,  muß  sich  mit  sehr  kleinem  Xutzen  begnügen. 
Holland  kommt  als  größerer  Konsument  nicht  mehr  in  Frage. 
Es  kaufte  auch  1913  nur  noch  einige  Modeartikel  und  rechtfertigt 
jedenfalls  größere  Aufwendungen  für  Bemusterungen  und  Pron 
paganda  nicht  mehr.  Frankreich  versorgt  sich  im  wesentlichen 
selbst,  da  seine  Fabrikation,  die  durch  hohe  Schutzzölle  gesichert 
wird,  eine  hohe  Leistungsfähigkeit  erreicht  hat.  In  einzelnen 
Erzeugnissen  besserer  Art,  deren  Herstellung  den  französischen 
Fabrikanten  nicht  lohnend  erscheint,  oder  in  denen  sich  die  dorti- 
gen Händler  von  der  Produktion  ihrer  Landsleute  unabhängig 
machen  möchten,  kommen  wohl  noch  einzelne  Geschäfte  zustande, 
doch  ist  das  Geschäft  mit  diesem  Lande,  im  ganzen  genommen, 
nur  ein  Schatten  dessen,  was  es  früher  war.  Die  dortige  Textil-i 
Industrie  beschränkt  sich  sogar  nicht  mehr  auf  die  Landesgrenzen, 
sondern  sucht  und  findet  besonders  in  der  Schweiz  ein  aufnahme- 
fähiges Absatzgebiet,  so  daß  auch  dieses  Land,  zumal  es  ebenfalls 
über  eine  ansehnliche  eigene  Fabrikation  verfügt,  für  die  deutsche 
Phantasiewarenfabrikation  keine  hervorragende  Bedeutung  mehr 
besitzt.  Das  Gleiche  gilt  von  Portugal,  Spanien  und  Italien.  Die 
letzten  beiden  Territorien  sind  freilich  schon  längst  keine  Ab-. 
nehmer  deutscher  Strickwaren  mehr,  sondern  konkurrieren  sogar 
mit  ihren  billigen  Erzeugnissen  in  manchem  bisher  unbestrittenen 
deutschen  Absatzgebiete  über  See.  Aehnlicher  Art  sind  die  Be- 
ziehungen der  deutschen  Textilindustrie  zu  Oesterreich-Ungam. 
Auch  dort  ist  kein  nennenswerter  Absatz  mehr  möglich,  weil  im 


372  VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

eigenen  Lande  fabriziert  wird,  was  der  große  Konsum  brauchte 
und  nur  w^enig  bessere  Sachen  vom  Auslande  bezogen  werden.  Und 
aucli  Oesterreich.  trat  außerkalb  seines  Staatsgebiets  als  Kon- 
kurrent Deutschlands  auf,  als  der  Verkelir  mit  seinen  bisherigen. 
Hauptabsatzländern,  den  Balkan  reichen,  gestört  war.  Bessere 
Geschäftsbedingungen  bot  Rußland,  dessen  Bedarf  auch  im  Be- 
richtsjahre stetig  zunahm,  weil  einmal  die  allgemeine  Lebens- 
haltung der  westlichen  Provinzen  sich  allmählich  verbessert,  an- 
dererseits die  entlegenen  östlichen  Gebiete  mit  der  Zeit  dem  Ver- 
kehr erschlossen  werden.  Wenn  auch  die  Entwicklung  der  russi- 
schen Industrie  nicht  unterschätzt  werden  darf,  so  bleibt  doch 
für  das  Ausland  noch  em  sehr  ergiebiges  Feld,  dessen  Bearbeitung 
freilich  nur  dem  die  Mühe  lohnen  wird,  der  mit  höchster,  durch 
die  fragwürdigen  Kreditverhältnisse  gebotenen  Vorsicht,  zuver- 
lä-ssige  Informationen  und  hinreichende  Sachkenntnisse  verbindet.. 
Nur  der  Vollständigkeit  wegen  sei  in  der  Heihe  der  Absatzgebiete 
auch  die  skandinavische  Halbinsel  genannt.  Denn  wenn  Schweden- 
Norwegen  wie  jübrigens  auch  Dänemark  gern  einzelne  Produkte  der 
deutschen  Textilindustrie  aufnehmen,  so  bleibt  ihr  doch  der  größte 
Anteil  an  der  Deckung  des  dortigen  Massenkonsums  vorenthalten,, 
weil  unübersteigliche  Zollschranken  der  fremden  Ware  den  Zugang 
in  gi^ößerem  Umfange  unmöglich  machen.  Großbritannien  konnte 
den  deutschen  Fabrikanten  im  Berichtsjahre  keine  besonderen 
Enttäuschungen  mehr  bereiten.  Von  nennenswerter  Erleichterung- 
der  leider  noch  immer  bestehenden  Spannungen  war  nichts  zu 
verspüren.  Den  Hauptbedarf  deckte  nach  wie  vor  die  englische 
Industrie  selbst,  und  waSj  dann  noch  bei  der  durch  die  unaufhör- 
lichen Streiks  stark  geschwächten  Kaufkraft  übrig  blieb,  fiel 
dei'  großen  deutschen  Konkurrenz  zu  und  zersplitterte  sich  in  nicht- 
allzu  betj-ächtliche  Bruchteile  einer  ehemals  imponierenden  Um- 
satzziffer. Die  Türkei  und  die  Balkanstaaten  suchten  nach  end- 
lich eingetretener  Ruhe  zwar  wieder  Fühlung  mit  ihren  deutschen 
Lieferanten,  doch  konnten  größere  Geschäfte  nur  ganz  vereinzelt 
zustande  gebracht  werden. 

Afrika,  Das  afrikanische  Geschäft  war  wie  seit  Jahren  belanglos. 

Us^ienf"'  Unsere  Kolonien  traten  als  Käufer  nicht  sehr  hervor,  und  was 
die  Negerstaaten,  das  Kapland  und  die  sonstigen  britischen  Be- 
sitzungen brauchten,  kam  der  Branche  nur  insoweit  zugute,  als  es 
von  England  nicht  beschafft  w^erden  konnte.  Von  einer  gewissen, 
wenn  auch  nicht  allzu  fühlbaren  Belebung  des  Geschäftes  kann 
hinsichtlich  Australiens  berichtet  werden.  Das  Festland  selbst 
wird  zwar  scharf  von  England  kontrolliert  und  muß  dort  alles 
kaufen,  was  irgend  möglich  ist,  doch  bewiesen  wenigstens  Neu- 
seeland, die  Fidji-  und  die  übrigen  Südsee-Inseln  einiges  Interesse 
für  deutsche  Wollwaren,  wobei  allerdings  nur  billigste  Quali- 
täten in  nicht  sehr  großen  Posten  in  Frage  kamen.  Zentral-  und 
Ostasien  spielen  in  der  Umsatzstatistik  der  Branche  schon  seit» 


Amerika. 


104.    Fabrikation  von  Phantasie-Wirkwaren  und   Strickwaren.     373 

langem  eine  untergeordnete  Eolle.  Japan  ist  und  bleibt  ihr 
infolge  der  besonders  von  deutschen  Fachmännern  unterstützten 
Entwicklung  der  eignen  Industrie  ganz  verloren.  China  kaufte 
wie  früher  in  Rußland  oder  England,  und  Indien  kann  allenfalls 
in  größeren  Zeitin terwallen  einen  bemerkenswerten  Konsum  enlr 
falten,  betreibt  dabei  aber  die  Preisdrückerei  mit  so  raffinierter 
orientalischer  Zähigkeit,  daß  Geschäfte  auf  Basis  normaler 
Kalkulationen  dabei  kaum  jemals  verzeichnet  werden  können. 
Die  an  das  Geschäft  mit  den  Vereinigten  Staaten  geknüpften 
Hoffnungen  konnten  sich  im  Berichtsjahre  no^h  nicht  erfüllen. 
Wenn  die  lange  umstrittene  Tarifreform  auch  verschiedene  ZoU- 
-erleichterungen  gebracht  hat,  so  wdrd  doch  geraume  Zeit  vergehen, 
bevor  ihre  Wirkung  in  der  Praxis  zum  Ausdruck  kommt.  Canada 
blieb  mit  seinem  Verbrauch  deutscher  Erzeugnisse  in  den  gewohn- 
ten, engen  Grenzen,  weil  es  dem  fremden  Lieferanten  nur  das 
zuwendet,  was  ihm  England  nicht  bringen  kann.  Erhebliche  Ein- 
bußen erlitt  das  sonst  so  rege  Exportgeschäft  nach  Mexiko,  da  die 
seit  dem  Präsidentenwechsel  ausgebrochenen  Unruhen,  trotz  vieler 
■Opfer  an  Besitz  und  Menschenleben,  nicht  unterdrückt  werden 
konnten.  Zentral-Amerika  mit  seinem  Tropenklima  und  besonders 
Westindien  einschließlich  Kubas  hatten  für  Wollwaren  nicht 
viel  Verwendung.  Auf  dem  letztgenannten  Markte  machte  sich 
zudem  die  spanische  Konkurrenz  mit  ihren  billigen  Preisen  sehr 
unangenehm  bemerkbar.  Anch  Südamerika  spielt  in  der  Textil- 
exportstatistik  des  vergangenen  Jahres  keine  besonders  glänzende 
Rolle.  Venezuela  machte  nur  mäßige  Bestellungen  in  Artikeln, 
die  früher  in  großem  Maßstabe  dorthin  verkauft  wurden.  Bo- 
livien trat  etwas  häufiger  als  sonst  als  Käufer  auf,  und  auch 
•Columbien  hatte  gegen  früher  vermehrten  Bedarf  an  feineren 
Genres.  Chile  schränkte  seinen  Bedarf  gegen  das  Vorjahr  dagegen 
ein,  während  Peru  aufnahmefähiger  als  seit  langer  Zeit  war. 
Ecuador  konnte  politischer  Unruhen  wegen  nur  das  Allernot- 
-wendigste  einführen.  Das  Gleiche  gilt  von  Brasilien,  dessen 
nun  schon  seit  zwei  Jahren  anhaltende  anormale  Witterungsver- 
hältnisso  direkt,  und  mit  ihrem  nachteiligen  Einfluß  auf  die 
Ernte  indirekt,  das  Wiederaufleben  des  Geschäftes  verhinderten. 
Argentinien  war  in  seinen  Neubestellungen  etwas  zurückhaltender, 
kaufte  zwar  immerhin  recht  bedeutend,  doch  war  die  Rücksicht 
auf  die  drüben  unverkauft  gebliebenen  nicht  imerheblichen  Lager- 
bestände in  den  Einkaufsdispositionen  unverkennbar.  Paraguay 
wurde  fast  gar  nicht  in  der  Reihe  der  Abnehmer  bemerkt  und 
iiuch  Uruguay  blieb  mit  seinem  Verbrauch  hinter  den  Zahlen  der 
früheren  Jahre  zurück. 

Zweiter   Bericht.  ZweiterBerichl 

Infolge  des  Balkankrieges,  der  Wirren  in  Mexiko,  der  allge- 
mein   schlechten    wirtschaftlichen     Las^e     und     der    ungünstigen 


374  Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

^^itterung  war  da«  Geschäft  im  Berichts  jähre  sehr  unbefriedigend. 
Im  einzelnen  verlief  es  unregelmäßig.  Dank  geringer  Lager- 
bestände wurden  zu  Anfang  des  Jahres  zwar  größere  Aufträge, 
namentlich  in  Sportartikeln,  erteilt,  doch  flauten  die  Verkauf© 
von  Mai  bis  September  erheblich  ab  und  beschränkten  sich  auf 
die  von  der  Mode  besonders  begünstigten  Fabrikate  aus  Seide ^ 
Kunstseide  und  mercerisierter  Baumwolle.  In  letzteren  Artikeln 
wurden  außergewöhnlich  große  Umsätze  erzielt,  die  zum  Teil 
die  Ausfälle  in  Stapel artikeln  deckten.  Die  Preise  für  bessere 
Kammgarne,  die  wie  bisher  das  Hauptmaterial  für  die  Fabri- 
kation bildeten,  versteiften  sich  im  Frühjahr  infolge  der  Knapp- 
heit an  !Merino- Wollen.  Eine  nennenswerte  Erhöhung  der  Gam- 
preise  hat  jedoch  nicht  stattgefunden,  da  die  Spinner  ungenügend 
beschäftigt  und  daher  zu  Preis-Konzessionen  bereit  waren.  Das 
Gesamtergebnis  des  Jahres  1913  ist  als  wenig  befriedigend  zu  be- 
'zeichnen.  Infolge  der  wachsenden  Konkurrenz,  speziell  aus  Süd- 
deutschland und  Sachsen,  waren  die  Preise  für  die  Fertigware  nur 
mäßig.  Die  Produktion  war  erheblich  größer  als  im  Vorjahr,  ohne 
daß  jedoch  von  einer  Ueberproduktion  zu  reden  war.  Das  überaus 
ungünstige  Wetter  war  die  Hauptursache,  daß  gegen  Ende  des 
Jahres  außergewöhnlich  große  Lagerbestände  in  sonst  sehr  ku- 
ranten  Artikeln  vorhanden  waren.  Der  Verkehr  mit  dem  Aus- 
lande hielt  sich  ungefähr  auf  dem  gleichen  Niveau  wie  1912. 
Arbeitskräfte  waren  meistens  in  genügender  Anzahl  vorhanden 
und  die  Löhne  waren  weder  höher  noch  niedriger  als  in  den 
Vorjahren.  Die  Kreditverhältnisse  waren  im  allgemeinen  nicht 
sehr  befriedigend.  Die  Konkurse  haben  gegen  1912  erheblich 
zugenommen. 

105.  Handel  mit  Konfektionsstoffen   und  Tuchen. 
Erster  Bericht.  Erster   Bericht.  , 

Äügenieines.  Das  Jahi'  1913  muß  für  den  Handel  mit  Konfektionsstoffea 

als  recht  ungünstig  bezeioknet  werden.  Es  brachte  einen  voll- 
kommenen Umschwung  in  der  Mode,  die  sich  von  den  bunt  ge- 
musterten Artikeln  gänzlich'  lossagte  und  ihr  Interesse  sowohl 
für  die  Sommer-  wie  auch'  für  die  Wintersaison  einfarbigen 
Genres  zuwandte.  Daher  erwiesen  sich  die  Vorbereitungen  der 
Stoffgroßhändler,  in  deren  Kreisen  man  fast  ohne  Ausnahme  eine 
derartige  Wendung  nicht  erwartet  hatte,  als  gänzlich  falsch,  und 
wohl  nur  wenige  Häuser,  die  rechtzeitig  ihre  Dispositionen  ge- 
troffen resp.  geändert  hatten,  konnten  aus  der  Nachfrage  nach 
Uni-Stoffen  wirklichen  Nutzen  ziehen.  Im  Monat  Januar  war 
bereits  zu  erkennen,  daß  der  Paletot  aus  Ph'antasiestoff  für  das 
Frühjahr  keine  Eolle  spielen  würde;  aber  auch  für  Kostüme  kon- 
zentrierte sidh'  der  Bedarf  auf  einfarbige  Qualitäten  in  cheviot- 
artigen Materialien.   Allenfalls  wurden  auch  noch  glatte,  dezente 


105.    Handel  mit  Konfektioiisstoffen   und  Tuchen.  375 

Melangen  verlangt.  Dagegen  spielten  blaue  Kammgarnstoffe  eine 
größere  Eolle.  Deren  Verkauf  bietet  freilich  dem'  Grossisten 
nicht  viel,  da  der  Bedarf  darin  meist  direkt  beim  Pabrikanten  ge- 
deckt wird.  Von.  unheilvollem  Einfluß  auf  die  Frühjahrssaisou 
war  der  Balkankrieg  und  die  allgemeine  politische  Lage.  Dazu 
kam,  daß  auch  im  Berichtsjahre  wollene  Gewebe  für  Frühlings- 
und Sommerbedarf  hinter  den  von  der  Mode  bevorzugten  Seijden- 
und  Baumwollartikeln  zurücktraten,  an  deren  Absatz  der  Händler 
in  Konfekticnsstoffen  fast  gar  keinen  oder  nur  sehr  bescheidenen 
Anteil  hat.  Im  weiteren  Verlauf  des  März  kam  dann  noch  eine 
Nachfrage  nach  kleinkarierten,  schwarzweißen  Kammgarnquali- 
täten. Auch  Covercoats  für  herrenartig  aufgemachte  Paletots 
fanden  für  gewisse  Exportgebiete  eine  größere  Verwendung. 
In  der  Wintersaison,  in  der  maa  die  im  Sominer  erlittene  Schlappe 
gutzumachen  dachte,  hatte  es  zunächst  den  Anschein,  als  sollten 
Ulsterstoffe,  der  bei  weitem  beste  Artikel  des  Grossisten,  sich 
wieder  allgemeirier  BeKebthbit  und  eiaes  großen  Verbrauches  er- 
freuen. Doppelseitige  Ware  war  in  größtem  Umfange  in  allen 
Preislagen  gemustert  worden,  und  so  reichhaltige  Kollektionen 
davon  wie  1913  hatte  der  Stoffhandel  schon  seit  vielen  Jahren 
nicht  vorzuzeigen.  In  allen  Fabrikations-Distrikten  herrschte  in 
den  Monaten  Februar  bis  April  angeregte  Tätigkeit,  und  der  Be- 
stand dieser  Beschäftigung  schien  auf  geraume  Zeit  hinaus  ge- 
sichert. Aber  schon  die  ersten  Iteiseversuche  der  Konfektions- 
branche, die  wegen  der  frühen  Lage  des  Pfingstfestes  sehr  zeitig 
gemadit  wurden,  hatten  nicht  das  gewünschte  Resultat.  Mäntel 
in  bunten,  gemusterten  Artikeln,  Noppenstoffen  usw.  wurden  von 
der  Kundschaft  mit  geringen  Ausnahmen  abgelehnt,  und  fast 
lediglich  stückfarbige  Genres  aufgenommen.  Uni-Flausche  sowie 
crewelartige  Qualitäten  in  den  verschiedensten  Geweben  und  in 
eiaer  kaum  dagewesenen  Buntheit  der  Farben  kamen  für  Mäntel 
zur  Anwendung.  Für  Kostüme  waren  ähnliche,  auch  immer  nur 
stück  farbige  Genres,  freilich  in  ruhigerer  Farbgebung,  sehr 
beliebt,  deren  Verbrauch  sich  im  Gegensatz  zu  früheren  Jahren 
bis  spät  ia  den  Herbst  hinein  erstreckte.  Außerdem  waren  für 
bessere  Mäntel  und  Kostüme  velourartige  Stoffe,  die  mit  den 
verschiedensten  Namen,  wie  „Affenhaut"  usw.  belegt  wurden', 
stark  begehrt.  So  verlief  das  Geschäft  einigermaßen  normal  bis 
gegen  Ende  August.  Die  Umsätze  waren  annehmbar,  wenn  auöh 
in  dem  gemusterten  Ulsterartikel  sich'  Vorräte  ansammelten.  Diese 
hoffte  man  jedoch  bei  eintretendem  Herbstbedarf  leidht  und  vor< 
teilhaft  abzustoßen,  wie  denn  überhaupt  auf  eine  große  Nach- 
frage nach  solchen  Genres  gerechnet  wurde.  Solche  Hoffnungen 
aber  vernichtete  das  im  September  einsetzende,  mit  geringen 
Unterbrechungen  bis  zum  November  anhaltende  warme  Wetter 
vollständig.  Durch  diese  Ungunst  der  Witterung  wurde  der  Hanidel 
mit  Konfektionsstoffen  weit  mehr  als  durch  den  allgemeinen  Kon- 


376  VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

junliturrückgang  gesöliädigt.  Die  vorangeganeiie  Ueberpro- 
duktdon  in  Ulster sto ff en  hatte  derartige  Mengen  dieser  AVare  an- 
gehäuft, daß  schließlich  ein  Verkauf  nur  noch  zu  denkbar  schlech- 
testen Preisen  möglich  war.  Diese  ungesunde  Marktlage  hielt  die 
ganze  Wintersaison  hindurch  an.  Nadh  ihrem  Ausgang  war  man 
fast  nur  mit  dem  Verschleudern  der  angesammelten  Läger  be- 
schäftigt, und  es  dürfte  geraume  Zeit  vergehen,  ehe  das  Jahr 
1913  verschmerzt  sein  wird,  so  groß  waren  die  Verluste,  die  dem 
Handel  aus  der  Ueberfüllung  der  Läger  entstanden.  Unter  diesen 
ungünstigen  Verhältnissen  hatten  naturgemäß  auch  die  Vorbe- 
reitungen für  das  Sommergeschäft  zu  leiden.  Der  Großhandel 
ging  nur  mit  geringem  Vertrauen  daran,  die  Früh  Jahrskollektion 
für  1914  zusammenzustellen. 
Export-  Das   Exportgeschäft   litt   stark   unter    der   Ungunst   der    aiJ- 

gemeinen  politischen  und  wirtschaftlichen  Lage,  und  wurde  auch 
im  Berichtsjahre  wieder  durch  die  Zollpolitik  einzelner  Staaten! 
stark  in  seiner  Ausdehnung  beeinträchtigt.  Besonders  die  eng- 
lisehfen "  Kolonien  machen  dem  Mutterlande  vielfältige  Einfuhr- 
konzessionen, gegen  die  Deutschlands  Handel  und  Industrie  trotz 
annähernd  gleicher  Leistungsfähigkeit  nicht  aufkommen  kann.  Die 
gleiche  Wirkung  haben  die  technisch  schwer  oder  sogar  uner- 
füllbaren Bestimmungen,  die  die  Zollgesetzgebung  mancher  Länder 
kennt.  Dieser  Art  ist  z.  B.  die  neue  belgische  Zollvorschrift, 
nach  der  für  die  Deklaration  eines  Stüokes  Textilware  die  Eaden- 
zahl  pro  Quadratzentimeter  angegeben  werden  muß.  Da  uäm- 
lioh  der  Walkprozeß  nicht  auf  alle  Teile  des  Fabrikats  in  der 
gleichen  Weise  wirkt,  so  ist  eine  wirklich  korrekte  Angabe  voll- 
kommen: unmöglich.  Der  Deklarant  setzt  sich  daher  lediglich 
Beanstandungen  aus,  so  daß  mancher  lieber  auf  das  Geschäft 
verzichtet.  Von  der  Zollherabsetzung  der  Vereinigten  Staaten 
auf  Wollstoffe  kann  man  sieh  leider  nicht  allzuviel  ver- 
sprechen, da  ja  durch  den  neuen  Tarif  das  Rohprodukt  von  allen 
Einfuhrzöllen  befreit  wird  und  so  der  eüiheimischen  Lidustrie 
die  Mittel  in  die  Hand  gegeben  werden,  sich  einer  gesteigerten 
Einfuhr  vorteilhaft  gegenüberzustellen. 
Roh-  Der  Markt  der  Eohmaterialien  verkehrte  zu  Beginn  des  Be- 

ma  eiia  len.  ridhtsjahres  in  steigender  Tendenz,  und  auöh  späterhin  wurde  er 
von  der  allgemeinen  Depression  kaum  beeinflußt.  Wolle  wurde  ja 
in  allen  Staaten  Europas  durch  die  großen  Kriegsvorbereitungen 
für  Uniform-  und  Deckenfabrikation  in  großen  Mengen  ver- 
braucht, und  die  Zufuhren  aus  den  großen  Produktionsgebieten 
!wie  Australien  und  Südamerika  wurden  eher  schwächer  und 
fin  Qualität  geringer.  Zu  Ende  des  Berichtsjahres  war  auch 
kaum  mit  eLrier  wesentlichen  Aenderung  dieses  Status  in  der 
nächsten  Zukunft  zu  rechnen,  da  der  Verbrauch  von  Wolle  und 
ähnlichen  Rohstoffen  zu  Militärzwecken  infolge  der  Rüstungen 
innerhalb   der   nächsten    Jahre   sehr   groß   sein   wird.    Auch'  die 


105.    Handel  mit  Konfektionsstoffen   und  Tuchen. 


377 


Tatsache,  daß  das  große  chinesische  Reich  sich  mit  fort- 
schieitender  Europäisierung  von  der  alleinigen  Verwendung 
baumwollener  oder  seidener  Gewebe  abwendet,  ist  bei  der  um 
(geheuren  Bevölkerungsziffer  dieser  Gebiete  nicht  außer  acht 
zu   lassen. 

Sollte  es  wohl  möglich  sein,  aus  dem  Jahre  1913  wenigstens 
Mr  einige  Zeit  die  Lehre  zu  entnehmen,  daß  der  Engroshandel 
bei  übermäßigen  Dispositionen  fast  gar  keine  Existenzmöglich- 
keit mehr  hat?  Selten  ist  es  so  deutlich  zutage  getreten,  daß 
mit  der  UeberfüUung  der  Läger  die  Entwertung  der  Ware 
Hand  in  Hand  geht,  wie  gerade  im  Herbst/Winter  1913.  Der 
Detailhandel  hat  den  Nutzen  aus  der  Situation  gezogen,  indem 
er  sich  mit  sehr  billigen  Mänteln  leicht  versorgen  konnte,  und 
selbst  bei  dem  großen  Aufräumen  zum  Schlüsse  des  Jahres  sind 
noch  nicht  alle  Läger  ganz  leer  geworden,  obwohl  viel  Ware 
dem  Verbrauch  zugeführt  wurde.  Auch  für  1914  dürfte  größte 
Vorsicht  am  Platze  sein,  denn  die  Moden  werden  immer  un- 
'beständiger,  und  bei  dem  sprunghaften  Wechsel  wird  mehr 
riskiert,   als   verdient  werden   kann. 


Ausblick 


( 


Zweiter  Bericht. 

Dias  Berichtsjahr  hat  Idem  Großhandel  in  D'amenkonfektions- 
stoffen  manche  Enttäuschung  gebracht.  Wenn  auch  die  Mode- 
richtung  und  die  unvorteilhafte  W^itterung  zum  Teil  die  Schuld 
trugen,  so  ist  doch  als  (Haupturssüdhe  fü^r  einen  teil  weisen  Miß- 
erfolg die  allgemeine  ungünstige  Wirtschaftslage  sowie  die  da- 
durch bedingte  verminderte  Kaufkraft  des  großen  Publikums  an- 
zusehen. 

Diese  Umstände  traten  bereits  in  der  Frühjahrssaison  in  Er- 
scheinung. Die  Mode  wendete  sich  von  den  Frühjahrspaletots  ab. 
Der  Eückgang  dieses  Genres  hat  den  Umsatz  des  Händlers  sehr 
geschmälert,  was  besonders  zum  Schluß  der  Saison  fühlbar  war. 
Bis  die  Situation  sich  klärte,  wurden  von  selten  der  Konfektion 
Paletotstoffe  gekauft  und  verarbeitet.  Da  sich  das  Publikum 
aber  ablehnend  verhielt,  blieben  bei  der  Konfektion  große  Läger 
iin  Paletots  übrig,  die  regulär  nicht  zu  verkaufen  waren  und  nur 
mit  großem  Verlust  placiert  wurden.  Nich't  besser  erging  es  den 
Grossisten  mit  den  Stoffen;  auch  hiervon  blieben  große  Bestände, 
meist  Lausitzer  und  Neumünster  Fabrikate,  zurück,  soweit  solche 
nicht  unter  Preis  verschleudert  wurden.  Der  Konsum  Wandte 
sich  hatiptsächlich  den  Kammgarnstoffen  für  Kostüme  zu. 
Speziell  wurden  blaue  Coatings  und  Cheviots  verarbeitet,  femer 
auch  melierte  Kammgarne  in  Diagonal  und  Cord-Bindungen. 
Schwarz  Corkscrew  nehmen  von  Jahr  zu  Jahr  an  Bedeutung  ab, 
wahrend  schwarze  Tuche  mehr  gefragt  waren.  Der  Bedarf  an 
kouleurten  Tuchen  ist  auch  im:  Berichtsjahre  noch  weiter  zurück- 
gegangen,  Kammgarnstoffe  haben  isie  zum    Teil   verdrängt.    Im 


Frühjahr- 
Saison. 


378 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Hochsommer  nahmen  Popelines  die  führende  Stellung  wieder  ein 
und  wlirden  in  großen  Quantitäten  ^gekauft.  Femer  ist  ein  im=- 
pjrägnierter  unifarbiger  iCoatingstoff,  Gummitin  genannt,  zu  er- 
wähnen, dicr  sehr  ibeliebt  war,  endlich  Baumwoll-Frotte  2ni  liöoken 
sowie  Leinen  und  iShantung  in  weißen  und  hellmode  Farben. 
Für  Staubmäntel  behaupteten  sich  auch  1913  halbseidene  Gloria- 
stoffe. 
Wintersaison.  In    Erinne(rung    an  idie   \^or jährige    Wintersaison,    die    sehr 

günstig  geendet  hatte,  'gingen  die  Grossisten  mit  Unternehmungs- 
lust und  großem  Vertrauen  in  die  neue  Saison  hinein.  Große 
Sortiments  Ealetotstoffe  wurden  bestellt  und  anfänglich  auch 
verkauft.  Dann  aber  fielen  die  Reiseorders  bei  der  Konfektion 
sehr  unbefriedigend  aus  lund  es  trat  eine  lange  Pause  ein.  In 
dieser  Zwischenzeit  ließ  die  Mode  die  gemusterten  Stoffe  ganz 
fallen  und  wandte  sich  den  stüökf arbigen  Velours  und  Flauschen 
zu.  Die  seit  Jahren  in  Vergessenheit  geratenen  Triöot-Curls  in 
Mühair  und  Weft  traten  wieder  in  Erscheinung,  ferner  gepreßte 
Mohair-Plüsche.  Hingegen  waren  gToße  Artikel  früherer  Jahre, 
wie  Presidens,  melierte  Flausche,  ganz  von  der  Bildfläche  ver- 
schwunden, während  in  feidhwarzen  Eskimos  der  %onsum  sich 
verringerte. 
Roh-  Trotz    des    verminderten   Bedarfs    an    deutschen    Fabrikaten 

waren  die  Preise  für  Rohmaterialien  während  des'  ganzen  Jahres 
fest,  Banmwolle  wurde  sogar  etwas  höher  notiert.  Auch  die  Stoff- 
preise Nvaren  daher  höher  als  im  Vorjahre,  soweit  sie  niöht  durch  die 
Ueberproduktion,  die  sich  namentlich  am  Schluß  der  Saison  sehr 
fühlbar  machte,  gedrüokt  wurden. 
Konkurse.  D:a^   Ergebnis'   des   Jahreei   w^urde   iauoh    durch    verschiedene 

Zahlungseinstellungen  in  Berlin  wie  auch  im  Auslande,  nament- 
lich in  Rumänien,  stark  in  ungünstigem  Sinne  beeinflußt.  Auch 
unter  den  Stoff-Grossisten  «waren  einige  kleinere  'Firmen  ge- 
zwungen, sich  an  ihre  Gläubiger  zu  wenden.  Verursadht  wurden 
die  Zahlungseinstellungen  zumeist  durch  die  Entwertung  der 
Lager,  die  der  plötzliche  Modeweehsel  hervorrief. 
Konventionen.  Der  Zusammenschluß  der  ganzen  Branche  hat  auch  im  ab- 

gelaufenen Jahre  günstig  auf  die  Zahlungsweise  der  Abnehmer 
gewirkt.    Auch    die   'Fabrikanten,    die   sich    ebenfalls    in    einem 
Verbände  igeeinigt  haben,  beanspruchten  sehr  prompte  Regulierung 
ihrer  Forderungen. 
Esport.  Der  Export  nach   den  Balkanländern   litt   durch   den  Krieg 

außerordentlich  und  hörte  schließlich  fast  ganz  auf.  Dies  wurde 
um  sö  unangenehmer  empfunden,  als  er  sich  im  Vorjahre  niolit 
unwesentlich  vermehrt  hatte.  Die  Herabsetzung  des  '^amerika- 
nischen Zolles  hat  bis  zum  Ende  des  Berichtsjahres  noch  keinen 
Einfluß  auf  den  Export  gehabt,  doch'  erwartet  man  davon  zu- 
versichtlich eine  Belebung  der  Ausfuhr  nach  diesem  Lande.  Im 
übrigen  hielt  sich  der  Export  auch  in  1913  in  engen  Grenzen. 


106.    Posamentierwareu   und  Leonisclie  Industrie. 


379 


Zu  nennen  sind:  Skandinavien,  Dänemark,  Holland,  Belgien  und 
Frankreich,  wiäihreind  alle  [übrigen  Länder  als  Käufer  kaum  in 
Betra-cht  kamen. 


106.   Posamentierwaren   und  Leonische   Industrie. 

a)   Posamentierwaren. 

Erster   Bericht. 

Während  das  Jahr  1912  befriedigende  Eesultate  zeitigte, 
setzte  das  Jahr  1913  mit  recht  schlechten  Aussichten  ein  und 
ist  recht  ungünstig  für  die  Branche  verlaufen.  Die  AVirren 
auf  dem  Balkan  und  in  anderen  Exportländern,  die  Krisen  in 
0 esterreich  und  anderswo  brachten  große  Verlust«.  Fallisse- 
ments selbst  großer  Firmen  im  Auslande  blieben  nicht  aus. 
Die  Erwartungen,  daß  der  neue  amerikanische  Zolltarif  der 
Branche  Erleichterungen  bringen  würde,  wurden  auch'  enttäuscht. 
Nur  eine  kleine  Zollherabsetzung  für  verschiedene  Arten  von 
Knöpfen  ti^at  ein.  Der  ganz  ungerechtfertigte  Gewichtszoll  auf 
kunstseidene  Posamenten,  der  außer  dem  Hochschutzzoll  von 
60  o/ö  erhoben  wird,  fiel  fort.  Am  schärfsten  wurde  aber  die 
Posamentierwarenfabrikation  durch  den  jähen  UmschWung  der 
Mode  betroffen,  die  die  Posamentengarnierung  in  der  Kostüm- 
und  Mäntelkonfektion  nicht  zuließ.  Es  ist  auch  keine  Aussicht 
auf  Besserung  vorhanden,  solange  die  jetzige  allgemeine  Mode 
tien  engen  Eock  und  die  luftige  Korsage  verlangt.  Die  Jacket- 
fassons  für  Trotteurkostüme  nähern  sich  immer  mehr  den  Herren- 
röcken und  verwenden  daher  keinen  Besatz. 

Den  stärksten  Rückschlag  erfuhren  Stickereien  in  Seide  wie 
in  Baumwolle.  Ermutigt  durch  einen  großen  Bedarf  in  den  letzten 
Jahren  sind  nicht  allein  viele  neue  Stickereifabriken  entstanden, 
sondern  es  hat  auch  eine  [ansehnliche  Vermehrung  von  Stick- 
maschinen  der  in  großem  Maße  bereits  vorhandenen  Anlagen  statt- 
gefimden.  Infolgedessen  war  die  Lage  zu  Ende  des  Berichts- 
jahres gerade  in  diesem  Industriezweige  sehr  schwierig. 

Die  Anfang  des  Jahres  auftretende  Mode  für  Oalons  und 
Kragen  in  den  bulgarischen  Farben  ^ing,  wie  man  im  vcwraus 
annehmen  konnte,  bald  vorü,ber  und  konnte  keine  Entschädigung 
für  die  übrigen  Verluste  bieten.  Besser  hielten  sich  die  schmalen 
Straße  tmd  Wachsperlengal'ons,  in  denen  aber  nur  sie  allein  füi- 
feinere  Artikel  verwendbar  sind,  deren  Bedarf  nur  beschränkt  war. 

Dasselbe  gilt  von  Perlen-Tunics  auf  Tüll  und  Mousseline  im 
cut  away  Scnitt,  die  häufig  mit  schmalem  Pelzbesatz  m  guten 
Qualitäten  mit  Federn  und  Schwan  besetzt  wurden. 

Dagegen  war  der  Bedarf  an  J^nöpfen  sehr  lebhaft  und  ent- 
schädigte für  die  Gesohäftsstille  auf  den  anderen  Gnebieten  der 
Fabrikation.  Es  gibt  kaum  ein  Knopfmaterial,  das  nicht  in 
großem.  Umfange  zur  Anwendung  kam.  Wir  nennen  Knöpfe  aus 


Galons. 


Knöpfe. 


380 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Schnallen. 


Export. 


Zweiter 
Bericht. 

Allgemeines. 


Tressen  usw. 


Glas,  Galalith,  Zelluloid,  Hörn,  Perlmutter,  Straß,  Schildpatt, 
Tressen,  Ooixionet  ,atis  Seide  und  ;ineroerisiertem  Baumwollfaden. 

In  den  letzten  Monaten  des  Berichtsjahres  fanden  aucli 
Sohnallen  aus  all  diesem  Material  in  kleinem  Umfange  Aufnahme. 

Das  Exportgeschäft  ging  auch  1913  zurück.  Besonders  ab- 
genommen hat  die  Ausfuhr  nach  dem  früher  so  bedeutenden 
Absatzgebiete    von    Großbritannien. 

Zweiter  Bericht. 

Für  die  gesamte  Besatz-  und  Spitzenbranche  ist  auch  in 
diesem  Geschäftsjahre  mit  Bedauern  zu  konstatieren,  daß  die 
Mode  der  glatten,  fast  ungamierten  Kleider  eine  Hebung  des 
Umsatzes  in  den  Hauptartikeln  nicht  gebracht  hat.  Da  die  un- 
sicheren politischen  Verhältnisse,  deren  Nachwehen  noch  lange 
nicht  verschmerzt  sind,  das  Geschäft  noch  außerdem  auf  das 
ungünstigste  beeinflußt  haben,  war  auch  die  starke  Nachfrage 
nach  einigen  wenigen  Artikeln  nicht  in  der  Lage,  den  Umsatz 
auf  der  Höhe  zu  halten.  Es  unterliegt  auch  keinem  Zweifel, 
daß  die  Steuergesetzgebung  wesentlich  mit  dazu  beigetragen  hat, 
auf  den  Verbrauch  von  Luxusartikeln  hemmend  zu  wirken, 
Weite  und  selbst  besser  gestellte  Kreise  der  Bevölkerung  waren 
gezwungen,  mit  Rücksicht  auf  die  erhöhten  Forderungen  des 
Staates  mit  der  Deckung  des  weniger  notwendigen  Bedarfs 
zurückzuhalten.  Ein  Geschäftszweig  wie  der  unserige,  der  damit 
rechnen  muß,  daß  seinem  Publikum  genügend  Mittel  übrig- 
bleiben, um  für  ihn  als  Konsument  in  Betracht  zu  kommen, 
bedarf  vor  allem  ruhiger  konsolidierter  Verhältnisse,  damit  er 
sich  günstig  weiter  entwickeln  kann.  Ständig  steigende  Lasten 
des  erwerbenden  Standes  müssen  seine  Ausbreitungsmöglichkeit 
lähmen,  und  da  eine  große  Anzahl  von  Melischen  von  diesen 
vielen  verschiedenen  Industrien  lebt,  ist  ein  Stillstand  wie  in 
diesem  Jahre  sehr  bedauerlich.  Für  die  deutsche  Industrie  kam 
noch  als  erschwerendes  Moment  hinzu,  daß  die  nun  eirimal 
herrschende  Pariser  Mode  fast  nur  solche  Gamierungsartikel  be- 
günstigt hatte,  die  Frankreich,  wenn  auch  nicht  allein,  so  doch 
am   vollkommensten    herstellt. 

Dif;  "Wuppertaler  Besatzindustrie  liegt  noch  außerordentlich 
danieder  und  war  kaum  in  der  Lage,  bei  uns  Absatz  zu  finden. 
Die  Versuche,  die  Anfang  des  Jahres  mit  sogenannten  bunten 
bulgarischen  Galons  gemacht  wurden,  waren  vergeblich,  und  das 
wenige,  was  darin  durch  die  Hände  der  Grossisten  gegangen  ist, 
fand  letzten  Endes  nicht  den  Beifall  des  konsumierenden 
Publikums.  Im  letzten  Teil  des  Jahres  haben  einige  Produzenten 
in  Anlehnung  an  die  große  Phantasie-Bandmode  einige  hübsche 
]\luster  in  schottischen  Effekten  herausgebracht  und  auch  ver- 
kauft, ,0b  der  vorläufige  Erfolg  nachhaltig  sein  wird,  kann 
erst  das   Frühjahr  lehren. 


106.    Posamentierwareii   und  Lfconische   Industrie. 


381 


Sehr  stark  gefragt  und  verarbeitet  wurden  für  alle  Arten 
Kleider  auch  besonders  breite  Seidenbänder  in  bunten  Farben- 
stellungen, ein  Artikel,  der  von  den  Spezialbandhäusern  ge- 
tbracht  und  geführt  wird.  Diese  Genres  waren  auch  haupt-, 
sächlich    französischen    Ursprungs. 

Gehänge  sind  im  Berichtsjahre  hauptsächlich  verwendet 
worden.  Es  handelte  sich  jedoch  meistens  nur  um  Phantasie- 
formen, in  denen  eine  große  Auswahl  in  fortwährend  den  Mode- 
farben angepaßten  Farbenstellungen  hervorgebracht  wurde,  um 
hierdurch  die  Konsumenten  zum  Kaufen  zu  bewegen.  Es  ist 
zweifelhaft,  ob  die  großen  Musterungskosten  sich  auch  wirklich 
gelohnt  haben.  Stapelgenres  gingen  darin  so  gut  wie  gar  nicht, 
es  sei  denn,  daß  man  Wachsperlgrelots  und  schmale  Fransen 
derselben  Art  hierzu  rechnet,  die  für  die  Ballsaison  wie  in  jedem 
Jahre,  so  auch  in  diesem,  eine  Eolle  spielten.  Seidene,  sogenannte 
matte    Fransen    und    Grelots    wurden    dagegen    kaum    verlangt. 

Perlbesätze  haben  trotz  der  mannigfachen  Anstrengungen, 
die  zu  ihrer  Wiederbelebung  gemacht  wurden,  fast  ganz  ver- 
sagt. Das  einzige  Genre,  das  in  Perlarbeit  sich  einigen  Inter- 
esses erfreuen  konnte,  waren  breite  Volants,  aber  da  hierin 
wohlfeilere  Artikel  kaum  zu  fabrizieren  sind,  weil  es  sich  um 
reine  Handarbeit  handelt,  blieb  der  Konsum  nur  auf  jene  Kreise 
beschränkt,  die  für  ihre  Toiletten  Geld  ausgeben.  Dem  größeren 
Kreis  der  Käufer  war  die  Verwendung  aus  pekuniären  Gründen 
kaum  möglich.  Auch  Perlüberwürfe  und  abgepaßte  Kleider, 
die  wieder  für  die  Gesellschaftssaison  in  vielerlei  Ausführungen 
auf  dem  Markte  waren,  haben  nur  in  ganz  bestimmten  Dessins,, 
die  sich  streng  an  die  entsprechenden,  tonangebenden  Modelle 
anlehnen    mußten,    Anwendung    gefunden. 

Die  Mode  in  französischen  und  englischen  Spitzen  hat  sich 
in  diesem  Jahre  fortgesetzt  —  es  gingen  besonders  größere, 
volantartige  Breiten.  Da  sich  jedoch  diese  dünne  gewebte  Spitze 
nicht  für  die  Garnierung  von  Straßen-  und  Tageskleidern  eignet, 
■=0  blieb  ihr  Gebrauch  zumeist  auf  Abendtoiletten  beschränkt, 
deren  Herstellung  und  Gebrauch  naturgemäß  in  einer  viel 
kleineren  Anzahl  stattfindet    als  die  tägliche  Bekleidung. 

Inländische  Stickereien  und  Spitzen  aller  Art,  S^ide  oder 
Baumwolle,  bunt  oder  schWarz,  ganz  gleich  in  welchem  Material 
imd  welcher  Farbe,  haben  ein  recht  unbefriedigendes  Jahr  hinter 
sich.  Die  erhoffte  Erhöhung  des  Konsums,  die  durch'  die 
amerikanischen  neuen  Zollgesetze  bedingt  sein  sollte,  ist  nicht 
eingetreten.  —  Die  Mode  war  auch  hier  stärker  als  alle  poli- 
tischen  Verhältnisse  oder  Umwälzungen. 

Der  einzige  Besatzartikel  (außer  Knöpfen),  von  dem  man 
wirklich  sagen  kann,  daß  er  die  Mode  des  Jahres  durchweg 
beherrscht  hat,  waren  Rüschen,  die  in  jeder  Qualität  und  Art 
hergestellt  und  vom  Publikum  gekauft  wurden.    Das  Material 


Bänder. 


Frausen 
iinil  Gehängre. 


Perlbesätze- 


Ausländische. 
Spitzen. 


Deutsche 
Spitzen  und 
Stickereien 


Rüschen. 


382 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Gürtel. 


Knöpfe. 


ZU  diesen  Artikeln  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  ausländischer 
Herkunft;  diese  Mode  hat  mit  dazu  beigetragen,  den  Konsum 
in  den  schmäleren  Sorten  eigens  für  den  Zweck  erzeugter  fran- 
zösischer und  englischer  Spitzen  ganz  bedeutend  zu  erhöhen. 
Es  macht  den  Eindruck,  als  wenn  die  Rüschenmode  sich  auch 
im  neuen  Jahre  vorerst  behaupten  und  dazu  beitragen  wird, 
die  Garnierung  anderer  Besatzartikel,  die  einträglicher  sind, 
hintanzuhalten. 

Gürtel  haben  auch  in  diesem  Jahre  für  die  moderne  Be- 
kleidung  eine  äußerst   geringe  Rolle   gespielt. 

Knöpfe  aller  Art  haben  sich  während  des  ganzen  Jahres 
gut  gehalten,  mit  dem  Absatz  darin  konnte  man  zufrieden  sein. 
Der  Konsum  in  Konfektionsknöpfen  ließ  allerdings  recht  zu 
»wünschen  übl-ig,  weil  die  Mäntelbranche  im  zweiten  Teil  des 
Jahres  infolge  der  warmen  Temperatur  bis  in  die  letzten  Tage 
Ides  Dezember  und  des  infolge  dieses,  recht  schlechten  deutschen 
Geschäfts,  unter  großem  Mangel  an  JN^achorders  zu  leiden  hatte. 


b)  Leonische 
Industrie. 

Erster  Bericht. 
Allsremeines. 


Sächsische 

Erz^ebirgs- 

Hausindustrie. 


Export. 
Europa. 


b)   Leonische  Industrie. 
Erster  Bericht. 

Wie  fast  alle  übrigen  Industriezweige  hatte  auch  die 
leonische  Industrie  im  Berichtsjahre  über  starken  Rückgang  des 
Bedarfs  im  allgemeinen  zu  klagen,  pie  größere  Nachfrage  des 
In-  und  Auslandes  —  und  von  letzterem  namentlich  der  Balkan- 
staaten —  nach  goldenen  und  silbernen  militärischen  Booten  und 
Effekten  konnte  nicht  den  großen  Ausfall  decken,  den  das  voll- 
ständige Abebben  der  Goldmode  der  leonischen  Industrie  brachte. 
Der  mäßige  Bedarf  der  Bosamenten-  sowie  der  elektrischen  In- 
dustrie konnten  die  Spinnereien  auch  nur  zum  Teil  beschäftigen. 
Mit  dem  starken  Angebot  unbeschäftigter  Maschinen  war  natur- 
igemäß  ein  erheblicher  Preisrückgang  für  Gespinste  verbunden, 
die  von  kleineren  Betrieben,  um  vorhandene  Arbeitskräfte  not- 
dürftig zu  beschäftigen,  (oft  genug  ^um  .Selbstkostenpreise  an- 
geboten wurden. 

Für  die  sächsische  Erzgebirgsindustrie  (Spitzenklöppelei) 
konnte  wahrend  des  ganzen  Jahres  jgenügende  Beschäftigung  ge- 
funden werden.  Der  Ausfall  im'  OBedarf  an  ModesJ)itzen  wurde 
durch  größere  Nachfrage  f^r  den  Export  zum  guten  Teil  aus- 
geglichen. Gegen  Ende  des  Jahres  lagen  gute  Aufträge  auf  hand- 
geklöppelte Spitzen  vor,  jdie  duröh  die  Spitzenmaschine  glück- 
licherweise nicht  im  befürchteten  Maße  verdrängt  werden  können. 

Infolge  der  neuen  IHeeresvermfehrung  war  bereits  im  Be- 
riohtsjalü:^  ein  erhöhter  Bedarf  an  militärischen  Borten  und 
Effekten  zli  beobachten.  Die  beiden  Balkankriege  birachten  zeit- 
weise ebenfalls  starke  Nachfrage  nach  diesen  Artikeln,  deren 
Preise  und  Qualitäten  trotzdem  stark  gedrückt  wtaren.    Dagegen 


107.    Damen-  und  Kinderkonfektion. 


383 


war  das  Greschäft  in  handg^eklöppelten  'und  Älasdiinenbesätzen 
nach  den  Balkanländem  und  der  Türkei  infolge  der  kriegerischen 
AVirren  fast  vioUständig  lahnigelegt.  Verkäufe  waren  'nur  zu 
ßehr  gedrückten  Preisen  imöglidh.  Lebhaftere  JSTachfrage  ^nach 
leonisehen  Erzeugnissen  zeigte  nach  Beilegung  des  türkisch-i 
italienischen  Konflikts  Italien  tmd  Spanien.  Das  gewaltige 
russische  xlbsatzgebiet  blieb  da^gegen  der  leonisohen  Jndus'trie 
auch  im  Berichtsjahre  idurch  die  hohen  Zollschranken  gänzlich 
gesperrt.  Auf  eine  Ermäßigung  der  russischen  Zölle  dürfte  auch 
mit  Erneuerung  der  iHandelsverträge  nicht  zu  rechnen  sein.  Jeden- 
falls sind  innerhalb  der  beteiligten  Industriekreise  keinerlei  An- 
zeichen für  eine  zielbewußte  Arbeit  zur  Beseitigung  dieser  den 
Export  nach  Eußland  einschränkenden  Zollmaßnahmen  bemerk- 
bar  geworden. 

Auch  nach  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  ging 
im  letzten  Jahre  das  Geschäft  in  leonisohen  Besätzen  infolge 
der  hohen  Zollsätze  Weiter  zurück.  Eine  kleine  Belebung  des 
Exports  dürfte  nach  Inkrafttreten  der  neuen  Tarifbill  zu  erwarten 
sein.  —  Südamerika  zeigte  eine  zufriedenstellende  Nachfrage,  ins- 
besondere konnten  gute  Aufträge  in  ider  Militäreffektenbranch'e 
placiert  werden.  Gegen  Ende  des  Jahres  wirkten  die  Unruhen 
in  Mexiko  recht  störend  auf  diesen  Zweig  der  leonischen  In- 
dlistrie  ein. 

Der  asiatische  ^larkt  bot  für  Halbfabrikate  wie  auch  für 
[Besätze,  insbesondere  handgeklöppelte  Spitzen,  gute  Absatz"- 
möglichkeiten.  Die  wirtschaftspolitischen  Verhältnisse  Japans 
zeigten  für  die  deutsche  Industrie  erfreuliche  Ansätze  zur 
Besserung.  Nach  Klärung  der  Verhältnisse  im  Innern  Chinas 
dürfte  auch  dort  mit  einer  Besserung  der  Absatzmöglichkeiten 
zu  rechnen  sein. 

Infolge  der  Balkankriege  war  der  europäische  Geldmarkt 
besonders  stark  in  Anspruch  genommen.  Die  Kreditlage  muß 
allgemein    als   eine   schlechte    bezeichnet   werden. 

Die  allgemeine  wirtschaftliche  Krise  hat  die  Kaufkraft  großer 
Bevölkerungskreise  außerordentlich  geschwächt.  Die  Industrien 
machten  daher  große  Anstrengningen,  Aufträge  selbst  zu  stark 
reduzierten  (Preisen  iherein  zu  bekomnien,  um  den  alten  Stamin  ihrer 
Arbeitskräfte  zu  beschäftigen.  Eine  ungesunde  Preispolitik  w^ar 
die  natürliche  Folge,  die  erst  mit  dem  Ueberwinden  der  welt- 
wirtschaftlichen Krise  und  damit  verbundener  besserer  und  regel- 
mäßigerer Beschäftigung  der   Betriebe  verschwinden   dürfte. 


Amerika. 


Asien. 


Preise. 


107.  Damen-  und  Kinder konfektion. 

Erster  Bericht  (Damenkonfektion). 

Das  Jahr  1913  verlief  für  die  Damen-Konfektionsbranche  sehr 
nngünstig.     Von   den    mannigfachen   Ursachen   dieser   unbefriedi- 


584 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Roh- 
materialien. 


Arbeiter. 


E.xport. 


genden  Entwicklung  sind  an  erster  Stelle  zu  nennen  die  allge- 
meLn,e  wirtscliaftliclie  Depression,  infolge  dei^n  sich  die  Kauf- 
kraft des  Publikums  stark  verminderte,  und  die  vielfach,  un- 
günstige Witterung.  Audi  der  Wechsel  der  Mode  beeinträchtigte 
das  Geschäft.  So  mußten  im  Frühjahr  große  Quantitäten  eng- 
lischer Paletots  ä  tout  prix  verkauft  werden,  weil  dieser  sonst 
so  beliebte  Artikel  nicht  mehr  verlangt  wurde.  Nach  Popeline 
herrschte  zwar  rege  Nachfrage,  aber  die  Preise  waren  sehr  ge- 
drückt, so  daß  auch  an  diesem  Genre  wenig  Nutzen  zu  erzielen 
war.  Dagegen  war  der  Umsatz  in  Kostümen  normal  und  lohnend. 
Die  Sommersaison  mit  ihrem  fast  ununterbrochen  regnerischen 
AVetter  enttäuschte  viele  Hoffnungen.  Hochsommerartikel  Avaren 
fast  gar  nicht  gefragt  und  mußten  in  großen  Beständen  billigst 
abgestoßen  werden.  Wenn  nun  auch  die  Heise- Orders  zur  Winter- 
saison in  der  gewohiiten  Größe  einging'en,  so  war  andererseits 
der  Lagerbesuch'  nicht  so  groß  wie  sonst,  und  vor  allem  bewegten 
sich!  die  Umsätze  in  viel  geringerem  Umfange,  da  die  Kundschaft 
außerordentlich'  vorsichtig  und  zurückhaltend  war.  Wäre  aber, 
wde  im  Jahre  1912,  der  Oktober  sehr  kalt  geworden,  so  hätte 
das  für  viele  Einbuße  entschädigen  können.  Das  Gegenteil  trat 
aber  ein.  Die  fast  sommerliche  Wärme  im  genannten  Monat  be- 
wirkte, daß  die  Detailleure  noch  nicht  einmal  ihre  Bestände 
räumen,   geschweige  denn   Nachbestellungen  machen  konnten. 

Der  Ende  1912  ausgebrochene  Färberstreik  in  Greiz-Gera 
konnte  glücklicherweise  sehr  bald  beigelegt  werden,  so  «laß  keine 
liennenswerten  Verzögerungen  in  der  Lieferung  von  EohWare  ein- 
traten. Auch'  in  den  übrigen  Artikeln  nahm  alles  seinen  normalen 
Verlauf.  Was  den  Bezug  von  Rohware  resp.  Stoffen  zur  Winter 
Saison  betrifft,  so  befürchteten  sowohl  die  Konfektionäre  als  auch 
die  Grossisten  eine  Haussie  in  diesen  Artikeln,  wie  sie  1912  einge- 
treten war,  und  gaben  daher  Orders  darauf  in  sehr  großem  Um- 
fang. Die  erwartete  Hausse  trat  jedoch  nicht  ein,  im  Gegenteil, 
aus  der  Hausse  wurde  eine  Baisse.  Infolgedessen  sind  dem  Ver- 
nehmen nach  sehr  bedeutende  Stoff  läger  übrig  geblieben.  Dies 
alles  maliiite  den  Konfektionär  zur  Vorsicht,  so  daß  Frühjahrs- 
und  Sommerorders  in  Stoffen  für  1914  bis  Ende  des  Berichtsjahres 
nur  in  geringem  Maße  vorlagen. 

Von  Arbeitermangel  konnte  1913  wegen  des  schlechten  Ge- 
schäftsganges keine  Bede  sein.  Es  ist  viel  mehr  zu  befürchten, 
daß  sich  viele  Arbeitskräfte  anderen  Branchen  zuwenden  und  so 
für  spätere  Zeiten  Mangel  eintreten  kann.  Der  für  1912  ge- 
fürchtete Streik  ist  auch  im  Berichtsjahre  nicht  ausgebrochen, 
die  Leute  waren  vielmehr  froh,  wenn  sie  zu  alten  Preisen  genügend 
Beschäftigung  hatten. 

Die  Hoffnung  durch  Hebung  des  Exportes  die  schlechten  Re- 
sultate auf  den  anderen  Geschäftsgebieten  zu  verbessern,  wurde 
ebenfalls  tenttäuscht.    Die  auswärtigen  Umslätze  sind  nicht  größer, 


107.    Damen-  und  Kinderkonfektion. 


385 


sondern  kleiner  geworden.  In  Südamerika,  das  in  den  letzten! 
Jahren  ein  gutes  Absatzgebiet  für  Damen-Konfektion  gewesen 
war,  verschlechterten  sich  1913  die  Geldverhältnisse  derart,  daß 
die  Aufträge  bedeut-end  kleiner  ausfielen  als  lq  den  VorjahMi. 
Schweden  hat  so  hohe  Zollsätze,  daß  die  einheimischen  Fabriken 
mindestens  so  preiswert  liefern  könnein  wie  die  deutschen.  Die 
Einfuhr  nach  England  ist  noch  mehr  5:urückgegangen.  Wie  es 
heißt,  tragen  sich  große  Firmen  bereits  mit  dem  Gedanken,  das 
Land  überhaupt  nicht  mehr-  besuchen  zu  lassen,  zumal,  da  Eng- 
land uns  schon  in  maachen  Artikeln  bedeutende  Konkurrenz 
macht.  Ob  sich  zu  den  neuen  ermäßigten  Zollslätzen  ein  nennens- 
werter Umsatz  nach  den  Vereinigten  Staaten  wird  erzielen  lassen 
können,  ist  sehr  fraglich.  Die  Farbikation  in  Mänteln  und  Ko- 
stümen ist  im  Lande  selbst  sehr  weit  vorgesichritten  und  sehr 
preiswert. 

Daß  sich  in.  einer  Saison,  die  an  und  für  sich  sehr  schwer 
ist,  das  Schmuh-Unw^esen  doppelt  fühlbar  madht,  ist  leicht  er- 
klärlich. Leider  ist  es  trotz  vieler  Bemühungen  auch  im  Be- 
richtsjahre nicht  gelungen,  dieses  häßliche  Unwesen  auszurotten, 
das  nicht  nur  der  Branche  einen  ziemlich  bedeutenden  Umsatz 
entzieht,  sondern  auch  auf  die  Preise  drückt.  Es  soll  hier  kurz 
nochmals  das  Wesen  dieses  Uebels  dargelegt  werden.  Wie  allge- 
mein wohl  bekannt  sein  dürfte,  überwiegt  fast  in  der  gesamten 
Damenmäntelbranche  die  sogenannte  Heimarbeit.  Doch  wird  nicht 
direkt  mit  den  Arbeitern  selbst,  sondern  mit  sogenannten  Zwisehen- 
meistern  abgeschlossen,  die  zur  Anfertigung  der  Mäntel  und 
Kostüme  eiu  bestimmtes  Stoffmaß  erhalten.  Es  kommt  nun  vor, 
daß  von  den  gelieferten  Stoffen  B;este  erübrigt  werden,  tmd  da- 
durch entsteht  die  sogenannte  Schmuh-Konfektion.  Obgleich  auf 
den  Arbeitszetteln  ausdrücklich  vermerkt  ist,  daß  Stoffe  und  Zu- 
^taten  stets  Eigentum  der  auftraggebenden  Firma  bleiben,  war  es 
doch  niemals  möglich,  auf  gesetzlichem  Wege  diesen  bedenklichen 
Uebelstand  abzuschaffen,  ujid  auch  die  Selbsthilfe,  die  die  Leitung 
des  Verbandes  ins  Werk  setzte,  indem  sie  die  Abnehmer  derartiger 
Schmuhware  boykottieren  wollte,  ist  bis  jetzt  gesetzliöh  nicht 
Janerkannt  worden.  Am  Ende  des  Berichtsjahres  schwebte  ein 
Prozeß  in  dieser  Angelegenheit.  Sollte  ier  zugunsten  des  Ver- 
bandes entschieden  werden,  so  wird  man  wenigstens  auf  in- 
direktem Wege  diese  Schädigung  der  Branche  beseitigen  können. 

Bei  dieser  Ungünstigen  Lage  der  Branche  im  Berichtsjahre 
ist  es  begreiflich,  daß  von  allen  Seiten  der  seit  ungefähr  sechs 
Jahren  bestehenden  Konvention  Vorschläge  gemacht  wurden,  wie 
den  unbefriedigenden  Verhältnissen  abgeholfen  werden  könne. 
Als  ein  Universalheilmittel  wurde  z.  B.  die  Abschaffung  des 
Lagergeschäftes  empfohlen  Und  somit  die  Rüekkehr  zu  dem  alten 
System  des  Bestellungsgeschäftes  befürwortet.  Daß  dieser  Weg 
nicht  gangbar  ist,  wurde  sehon  in  früheren  Berichten  eingehend 


Schmuh- 
unwesen. 


Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II. 


25 


386 


vir.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


dargielegt.  Auch  an  dieser  Stelle  soll  ncxihmals  darauf  hingewiesan 
werden,  daß  dieser  Vorschlag*,  dessen  Annahme  übrigens  auch 
sehr  unwahrscheinlich  ist,  der  Branche  iaußerordentlich  schaden 
würde.  Ein  weiterer  Vorschlag  ging  dahin,  vor  einem  bestimmter 
Termin  keine  Ware  'unter  Preis  zu  verkaufen.  Auch  dieses  Mittel 
ist  sehr  schwer  lan wendbar,  da  in.  der  Konfektion  die  KalkulatioD 
nicht  einheitlich  und  also  der  Begriff  ,, unter  Preis"  sehr  dehnbar 
ist.  Schließlich  wurde  empfohlen,  die  .Umsätze  der  einzelnen 
Firmen  zu  bestimmen  resp.  festzusetzen,  .wodurch  der  Ueber- 
produktion  vorgebeugt  werden  soll,  oder  aber  den  einzelnen  Firmen 
vorzuschreiben,  wieviel  sie  von  ihrem  Umsatz  unter  Preis  ver- 
kaufen dürfen.  Alle  diese  Maßregeln  sind  jedoch  .abzulehnen.  Es 
ist  auch  zo  hoffen,  daß  sie  von  ihren  Anhängern  wieder  fallen- 
gelassen werden,  wenn  mit  der  Besserung  der  allgemeinen  Ge- 
schäftslage und  der  Witterung  auch  die  Damenmäntelbranche 
wieder  eine  befriedigende  Saison  bekommen  wird,  die  sich  eben 
auch   durch    die   vorgeschlagenen    Mittel   nicht   erzwingen   läßt. 


ZweiterBericht.  Zweiter  Bericht. 

Zweiter  Bericht  (Kleider-  und  Blusenbranche). 

Geschäftsgang.  Das    Gre^schäft    Lti    der   Kleider-    ,Und    Blusenbranche    bot   zu 

Beginn  des  Berichtsjahres  günstige  Aus,sichten,  da  FrühjaJirs- 
aufträge  auf  der  B-eise  zunächst  in  gewohntem  Umfange  erteilt 
wurden.  Leider  hielt  es  in  seinem  weiteren  Verlauf  nicht,  was 
der  Anfang  versprochen  hatte.  Die  wirtschaftliche  Lage  ver- 
anlaßto  die  Kundschaft  zur  vorsichtigsten  Zurückhaltung,  vor 
allem  aber  wirkte  die  nasse,  kühle  Witterung  des  Sommers 
hemmend  auf  den  Verkauf,  so  daß  vielfach  über  verminderte 
Umsätze  geklagt  wurde.  Dieser  imbefriedigende  Verlauf  des 
Sommergeschäftes  verringerte  natürlich  auch  die  Kauflust  zuni 
Herbst  und  Winter  und  die  Folge  waren  auch  hier  für  viele  Betriebe 
kleinere  Umsätze  im  Beisegeschäft  wie  (auch  beim  Verkauf  am 
Lager.  Die  Kunden  klagten  fortgesetzt  über  schwierigen  Absatz, 
weil  das  Publikum  seinen  Bedarf  lauf  das  nötigste  beschränkte^ 
Auch  hierbei  spielte  natürlich  die  »ungewöhnlich  warme  Herbst- 
witterung, die  sich  bis  weit  tin  den  Oktober  hinein  erstreckte, 
ihre  Bolle,  wenngleich  die.  Kleider-  lund  Blu&enbranche  davon 
nicht  so  berührt  wurde  wie  landere  Zweige  der  Bekleidungs- 
industrie. Im  übrigen  bewahrten  sich  die  Artikel  garnierte  Kleider 
und  Blusen  ihre  Beliebtheit.  Zum  Sommer  wurden  wieder  weiße 
Lingeriesachen  stark  bevorzugt,  wie  überhaupt  leichte  Stoff- 
arten, selbst  für  die  Herbst-  und  Winterware,  hauptsächlich  zur 
Verarbeitung  kamem  Ball-  und  Gesellschaftskleider  fanden  auch 
1913  verhältnismäßig  gute  Aufnahme. 
Export.  Di^   Umsätze   im   Exportgeschäft  haben  ebenso  wie  die  am 

heimischen   Markte    gelitten,    weil   in   (den   Ländern,    die   für   die 


108.     Herreiikoiifektioii. 


387 


Branche  in  Fragte  kommen,  die  ,Selbstfabrikation  weitere  Fort- 
schritte macht.    Besonders  gilt  dies  von  England. 

Die  Verhältnisse  ia.uf  dem'  Arbeitsmarkt  erfuhren  keine 
wesentliche  Aenderung.  Geeignete  Kräfte  für  Stapelware  warei) 
leicht  zu  haben,  während  gesc'hulte  Arbeiterinnen  für  bessere 
und  kompliziertere  Konfektion  nach  wie  vor  knapp  blieben. 

Die  Betriebsspesen  behielten  ihre  steigende  Tendenz  bei,  ohne 
daß  es  gelang,  dies  in  den  Verkaufspreisen  der  AVare  zum  Aus- 
druck zu  bringen. 

Im  ganzen  genommen,  muß  der  Verlauf  des  G-eschäftsjahres 
1913    als   wenig    befriedigend   bezeichnet   werden. 

108.   Herrenkonfektion. 

Das  Jahr  1913  brachte  der  Herrenkonfektionsbranche  viele 
Enttäuschungen  und  schloß  in  jeder  Beziehung  unbefriedigend 
ab.  Der  Balkankrieg  sowie  der  aus  ihm  resultierende  allgemeine 
Konjunkturrückgang  wirkten  deprimierend  auf  die  Kauflust  des 
Publikums  ein,  und  die  von  der  Volksvertretung  angenommene 
Wchrsteuei^orlage  trug  auch  nicht  zur  Milderung  der  kritischen 
Situation  bei,  die  durch  einen  bedenklichen  Stillstand  des  Unter- 
nehmungsgeistes charakterisiert  wurde.  So  drohte  ;auch  das  Ge- 
schäft in  der  Herrenbekleidungsindustrie,  das  schon  am  Anfang 
des  Berichtsjahres  recht  matt  und  lustlos  eingesetzt  hatte,  in 
seinem  weiteren  Verlauf  mehr  und  mehr  ganz  stillzustehen.  Hatte 
sich  in  den  Vorjahren  das  Geschäft  in  aufsteigender  Linie  be- 
wegt, und  hatte  sich  besonders  im  Laufe  der  Wintersaison  etae 
geradezu  stürmische  Nachfrage  nach  Ulstern,  dem  Schlager  des 
Tages,  bemerkbar  gemacht,  so  zeigte  sich  im  vergangenen  Jahre 
eine  bedenkliche  Kaufunlust,  die  durch  die  immer  schlechter 
werdende  Wirtschaftslage  und  die  immer  jstärker  anschwellende 
Arbeitslosigkeit  bedingt  Und  durch  das  anhaltend  milde  Wetter 
in   den    Hauptmonaten   der   AYintersaison   noch   verstärkt  wurde. 

Zu  alledem  kamen  Schwierigkeiten  innerer  Art.  Sie  wurden 
einmal  durch  die  Konventionen  verursacht,  die  Ende  1912  für 
fast  alle  von  der  Konfektion  benötigten  Bohstoffe  abgeschlossen 
worden  sind.  Die  scharf  stipulierten  Zahlungs-  und  Lieferungs- 
bedingungen der  deutschen  Tuchkonvention,  die  den  besonderen 
Verhältnissen  der  Herrenbekleidungs-Industrie  nicht  genügend 
Bechiiung  tragen,  und  die  deshalb  auch  von  dir  nur  mit  größtem 
Widerstreben  angenommen  wurden,  erwiesen  sich  als  unhaltbar. 
Am  Ende  des  Berichtsjahres  schlössen  sich  daher  die  verschie- 
denen Interessengruppen  der  Tuch-Großabnehmer  zusammen,  um 
eine  Aenderung  und  Milderung  der  ursprünglichen  Beschlüsse 
hierbeizuführen,  die. im.  wesentlichen  auf  eine  Klärung  der  Va- 
lutenfrage hinauslaufen  sollte.  Deren  Bewilligung  stefUte  näm- 
lich bis  dahin  keine  Verpflichtung  der  Fabrikanten  dar,  sondern 
ein  Entgegenkommen  von  ihrer  Seite,  für  das  eine  ausdrückliche 

25- 


388  VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

Vereinbarung  nötig  war,  wollten  die  Abnehiner  nicht  des  An- 
rechtes darauf  verlustig  gehen.  Mitte  Dezember  fand  dann  eiue 
Versammlung  statt,  im  Verlaufe  deren  zwisdhien  den  Delegierten 
der  deutschen  Tuchkonvention  und  denen  der  Großabnehmer  über 
die  Aenderungen  der  bisherigen  (Valuta-  und  Muster-)  Bedingungen 
und  des  zu  schließenden  Kartellvertrages  zwischen  Fabrikanten 
und  Großabnehmern  zum  gegenseitigen  Schutz  vor  Außenseitern 
volle  Einmütigkeit  erzielt  wurde.  Doch  fanden  diese  Verein- 
barungen nicht  die  Zustimmung  des  Vorstandes  der  deutschen 
Tudhkonvention,  der  sich  gegen  den  Abschluß  von  Kartellver- 
trägen mit  den  Abnehmern  aussprach.  Infolge  dieses  rigorosen 
VorgeJiens  sah  sich  der  Arbeitgeberverband,  der  Herren-  un4 
Knabenkleider-Fabrikanten  gezwungen,  zu  dem  bereits  im  Vorjahre 
ergriffenen  Zwangsmittel  der  Sperre  seine  Zuflucht  zu  nehmen, 
wonach'  vor  Beilegung  der  Differenzen  keine  Coupons  und  Stücke 
ifür  die  Wintersaison  1914  bestellt  werden  durften.  —  Am  Ende 
des  Berichtsjahres  war  zwar  noch  keine  Einigung  erzielt  worden, 
es  konnte  aber  zu  dieser  Zeit  mit  Sicherheit  angenommen  werden, 
daß  eine  solche  nicht  mehr  lange  auf  sich  warten  lassen  werde. 
JDaß  der  Konventionsgedanke  festen  Fuß  gefaßt  hat,  läßt  sich 
nicht  gut  bestreiten,  und  bei  Vermeidung  unnötiger  Schärfen 
dürflen  auch'  alle  Teile  in  seiner  Verwirklidhung  Nutzen  finden. 
In  letzter  Zeit  ist  die  Konventionsfrage  öfters  in  der  Presse  er- 
örtert, und  fast  immer  bejahend  beantwortet  worden.  Es  scheint, 
als  ob  auch  die  Herrenbekleidungsindustrie  für  eine  von  ihr  ins 
Ijeben  zu  rufende  Konvention  reif  sei,  die  zweifellos  dazu  bei- 
tragen würde,  manche  ungerechtfertigten  Forderungen  der  Ab- 
nehmer, namentlich  in  bezug  auf  Zielausdehnung,  auszumerzen, 
die  der  einzelne  Verkäufer  bisher  wohl  oder  übel  hat  gewähren 
müssen. 
Lohn.  "Weitere     Schwierigkeiten     innerer     Natur     erwuchsen     der 

veJhäUnls^i*^  Herrenkonfektionsbranchc  aus  den  Lohn-  und  Arbeiterverhält- 
nissen.  Im  letzten  Jahresberichte  war  der  Hoffnung  Ausdruck 
gegeben  worden,  daß  es  den  Bemühungen  des  Arbeitgeber- 
verbandes der  Herren-  und  Knabenkleider-Fabrikanten  Deutsch- 
lands gelingen  würde,  die  im  ersten  Vierteljahir  des  Berichts- 
jahres zu  Ende  gegangenen  Tarifverträge  ohne  Kampf  zu  ver- 
längern. Leider  erwies  sich  diese  Annahme  als  trügerisöh,  die 
Arbeiterschaft  bestand  auf  Durchführung  des  Streiks,  trotzdem 
die  größten  Anstrengungen  seitens  der  Arbeitgeber  gemaöht  wur- 
den, den  wirtschaftlichen  Kampf  zu  vermeiden,  und  trotzdem  ein 
großer  ^  Teil  der  Arbeitnehiner  nur  widerwillig  der  Streik- 
parole folgte,  da  auf  friedlichem  Wege  annehmbare  Konzessionea 
angeboten  wurden,  die  durch  den  Ausgang  der  Bewegung  nicht 
wesentlich'  verbessert  wurden.  Durch  den  nach  Beendigung  des 
Streiks  für  mehrere  Jahre  am  1.  Juli  festgelegten  Tarif  wurde 
wieder  für  längere  Dauer  eine  gewisse  Stetigkeit  geschaffen  und 


109.   Veredelung-  von  baumwollenen  Geweben. 


389 


der  Konfektion  die  Möglichkeit  ruhigen  Arbeitens  gegebe q.  Da 
sich'  aber  die  bereits  betonte  rückgängige  Konjunktur  stark  be- 
merkbar machte,  so  konnte  nur  ein  kleiner  Teil  der  disponiblen 
Arbeitskräfte  Beschäftigung  in  besohriänktem  Maße  finden.  Aus 
der  Sozialpolitik  ist  der  Herrenbekleidungsindustrie  für  das 
kommende  Jahr  insofern  eine  weitere  Belastung  entstanden,  als 
die  bisher  durch  Ortsstatut  festgelegte  Versicherung  der  Heim- 
arbeiter und  Zwischenmeister  zu  einem  Teil  der  Reichsversiche- 
rungsordnung geworden  ist.  Das  bedeutet  gegen  den  früheren 
Zustand  eine  wesentlichie  Erhöhung  der  Beiträge.  Besonders  er- 
wähnt sei  die  Bestimmung,  daß  der  Arbeitgeber  2  o/o  des  an  den 
ZyischenmeLsters  gezahlten  Lohnes  an  die  Krankenkasse  abzu- 
führen hat.  Diese  Vorschrift  bedeutet  für  die  größeren  Betriebe 
eine   Mehrausgabe   von   Tausenden   von   Mark. 

Auf  dem  Rohstoff  markt  machten  sich  besonders  ins  Gewicht 
fallende  'Bewegungen  nicht  bemerkbar.  Nur  die  Preise  für 
Baumwolle  nahmen  von  August  bis  Anfang  November  eine  stark 
aufsteigende  Richtung,  doch  hielt  man  sich  von  größeren  Ein- 
käufen  in   der   Erwartung   von   Preisrückgängen   zurück. 

109.   Veredelung  von  baumwollenen  Geweben. 
Erster   Bericht. 
Wie   das  ganze   Textilgewerbe,   so   litt  auch   das   Baumwoll- 
waren-Ausrüstungsgeschäft im  Jahre  1913  unter  der  wirtsdhaft- 
lichen  und  politischen   Depression. 

Die  Preise  für  rohe  Baumwolle  bewegten  sich  bis  August  ohne 
erhebliche  Schwankungen;  es  wurden  notiert  in  Bremen 


Rohston'nKU-kt. 


Elster   Bericht. 


pro  Pfund  Midd. 

Upl.  im  Durchschnitt 

Januar     . 

.     .     64,6   Pf. 

Juli       .     .     .     . 

62 

Februar  . 

.     .     63,8     , 

August     .     .     . 

62,1 

März    .     . 

.     .     63,4     „ 

September   .     . 

69.6 

April   .     . 

.     .     63  35  „ 

Oktober  .     .     . 

— 

Mai      .     . 

.     .     61  34  „ 

November   .     . 

— 

Juni 

.62 

Dezember    .     . 

— 

Pf. 


Niedrigster  Kurs  60,75  Pf.,   höchster  Kurs  74  Pf., 
Gesamtdurchschnitt  63,58  Pf. 

Auch  rohe  Gewebe  wurden  deshalb  bis  zum  dritten  Quartal 
zu   ziemlich   gleichmäßigen    Preisen   verkauft. 
Es   wurden  gezahlt: 


pro  Mtr.  34 ' 

19/18  Kattun 

Januar .     . 

.     ca.  23  Pf. 

Juli    .     .     . 

ca.  24  Pf. 

Februar 

.      „    23    „ 

August  .     . 

.    24    „ 

März .     .     . 

.      .    23    „ 

September 

n        24       „ 

April      .     . 

.       .    24    » 

Oktober     . 

— 

Mai    .     .     . 

.        n     24     „ 

November . 

»                    n 

Juni  .     .     . 

•      „     24    „ 

Dezember 

Der  Absatz  war  sehr  schwer,  und  nur  mit  großen  Anstren- 
gungen sind  die  Umsätze  des  Vorjahres  in  einigen  Monaten  des 


390  VII.    TextiUndustrie  und  Verwandtes. 

Jahres  1913  erreicht  worden.  Im  Durchschnitt  blieb  der  Gesamt- 
umsatz gegen  1912  erheblich  zurück.  Trotzdem  wären  die  Ge- 
winnchancen nicht  schlecht  gewesen,  da  fast  bis  zum  Beginn  des 
dritten  Quartals  zu  normalen  Preisen  verkauft  werden  konnte. 
Anfang  August  jedoch'  wurden  diese  Gewinnchancen  durch  die 
Maßnahmen  einer  ersten  Berliner  Firma  in  das  Gegenteil  ver- 
wandelt. Diese  Firma  ermäßigte  mit  der  Begründung,  daß  sie 
von  einer  Konkurrenzfirma  unterboten  worden  wäre,  die  Ver- 
kaufspreise derart,  daß  der  Verkauf  sich'  von  da  ab  für  <lie  ganze 
Branchr-:  sehr  verlustbringend  gestaltete.  Die  erw^ähnte  Firma, 
verkaufte  auf  Grund  eines  RohWarenpreises,  der  nicht  existierte, 
ohne  einen  Gewinnauf  schlag,  und  machte  diese  Preise  nicht  nur 
für  zukünftige  Geschäfte,  sondern  ermäßigte  auch  die  laufenden 
altea  Abschlüsse  in  gleicher  Weise.  Sie  erreichte  dadurch,  daß 
die  gesamte  Branche  die  relativ  billigen  Offerten  der  Weber 
als  zu  teuer  zumckwies,  denn  man  sagte  sich  bei  der  Kalkulation 
daß  die  Forderungen  der  Weber  noch!  ermäßigt  werden  müßten, 
um  einige  Gewinnchancen  beim  Verkaufe  zu  ermöglichen.  Diese 
Ermäßigungen  traten  jedochi  nicht  ein.  Im  Gegenteil  <^.rhöhten 
die  Weber  ihre  Preise,  da  die  Rohbaumwolle  in  Amerika  infolge 
der  erwarteten  schlechten  Ernte  rapide  im  Preise  stieg.  —  Nur  ein 
fester  Zusammenschluß  der  Branche  könnte  die  Schw^ierigkeiten 
beseitigen,  die  durch  derartige  unkaufmännisdhe  Maßnahmen  ge- 
schaffen wurden.  Da  jedoch  die  genannte  erste  Firma  ihre 
Interessen  am  besten  dadurch  zu  wahren  glaubt,  daß  sie  in  der 
,. splendid  isolation"  bleibt,  so  ist  zu  befürchten,  daß  eine  Gre- 
sundung  der  Zustände  noch  recht  lange  auf  sich  warten  lassen 
wird.  Jedenfalls  gebührt  dieser  Firma  das  zweifelhafte  Verdienst, 
die  frühere  Bedeutung  des  Platzes  Berlin- in  unserer  Branche  herab- 
gemindert zu  haben.  Dazu  kommt  noch,  daß  die  Lieferanten- 
kategorien, die  Webervereinigimg*  und  der  Veredlungsverband,  in 
fast  lückenloser  Geschlossenheit  der  Branche  gegenübersitehen. 
Daher  ist  es  heute  keiner  Firma,  wenn  sie  aueh  noch  so  groß 
ist,  mehr  möglich,  Sondervorteile  zu  erreichen  und  also  zu  er- 
warten, daß  der  überragenden  Führung  der  erwähnten  Firma 
in  der  Branche  ein  Ziel  gesetzt  wird.  Aus  den  an.ge führten 
iGründen  war  das  Ergebnis  des  Jahres  1913  für  die  Berliner 
Baumwollwaren-Ausrüstungsbranche  nicht  besonders  günstig. 

Zweiter  Bericht. 

ZweiterBericht.  Der  Absatz  in  fertiger  Veredlungsware  war  im  Jahre  1913 

sehr  schwer,  so  daß  der  Gesamtumsatz  gegen  das  Vorjahr  ganz 
erheblich  zurückgeblieben  ist.  Die  Gewinnchancen  wären  trotz- 
dem für  1913  ziemlich  gut  gewesen,  wenn  nicht  schon  im  Monat 
Mai  und  dann  im  August  und  Dezember  die  Preise  in  fertiger 
Waro  ermäßigt  worden  wären.  Es  wurde  auf  Grund  von  Eoh- 
warenofferten  zu  Preisen  verkauft,  die  keinerlei  Gewinnaufschlag 


109.    Veredelung-  von  baumwollenen  Geweben.  391 

enthielten.  Auch  die  laufenden  Kontrakte  wurden  ebenfalls  auf 
diese  verlustbringenden  Preise  ermäßigt,  obwohl  auch  die  Aus- 
rüstungsanstalten die  Veredlungspreise  am  1.  Juli  1913  erhöht 
hatten.  AVürde  die  Baumwollwarenbranche  einen  festen  Zusam- 
menschluß aller  Firmen  ohne  Ausnahme,  haben,  so  könnten  der- 
artig schädigende  Maßnahmen  nicht  vorkommen.  Der  nord- 
deutsche Landesverband  der  Berliner  Ausrüster,  zu  dem  die  größte 
Firma  der  Branche  sowie  einige  andere  nicht  gehören,  beschloß 
am  1.  Dezember  des  Berichtsjahres,  den  Artikel  „Rame"  bei  Ver- 
meidung hoher  Strafen  nicht  mehr  mit  Baisseklausel  zu  verkaufen. 
In  Anbetracht  der  Tatsache,  daß  die  Lieferanten,  also  die  ßoh- 
weber  und  der  Veredlungsverband,  in  voller  Einigkeit  der  Branche 
gegenüberstehen,  wäre  es  dringend  zu  wünschen,  daß  wenigstens 
dieses  Verbot  von  allen  Brancheangehörigen  befolgt  würde,  weil 
ohne   das  eine   Gesundung  des   Geschäfts  unmöglich  ist. 

Bis  in  den  Juli  hinein  lauteten  die  Ernteberichte  günstig. 
Plötzlich  änderte  sich  aber  die  Situation.  Die  Gerüchte  von  einer 
großen  Ernte  bestätigten  sich  nicht,  und  die  Baumwolle  ging 
sprungweise  in  die  Höhe.  Von  diesem  Umschwünge  wurde  die 
ganze  Baumwollindustrie  ziemlich  stark  überrascht.  Niemand 
hatte  sich  mit  billiger  Baumwolle  versorgt,  und  es  war  daher 
auch  kaum  Deckung  für  die  laufenden  Kontrakte  vorhanden. 
Diese  waren  allerdings  im  Vergleich  zu  früheren  Jahren  nur  in 
sehr  geringem  Umfange  Vorhanden.  Der  durch  die  wirtschaftliche 
Depression  bedingte  hohe  Geldstand  sowie  die  einem  größeren 
Stoffverbrauch  noch  immer  ungünstige  Mode  waren  die  Ursachen. 
Garne  konnten  dagegen  mit  größerem  Nutzen  verkauft  werden, 
während  die  Gewebepreise  infolge  des  schlechten  Geschäftsganges 
hinter  den  Herstellungskosten  zurückblieben. 

In  dieser  Zwangslage  vereinigten  sich  im  Dezember  deiS  Be- 
richtsjahres die  süddeutschen  und  elsässer  Baumwoll Webereien 
mit  gegen  85  000  Webstühlen  zu  einer  Stillegung  dieser  Stuhlzahl 
wäJirend  eines  vollen  Arbeitstages  in  der  Woche  für  das  ganze 
1.  Quartal  1914,  um  auf  diese  Weise  wenigstens  einigermaßen 
einen  Ausgleich  zwischen  Produktion  und  Konsum  zli  söhaffen. 
Späterhin  erwogen  dann  auch  die  deutschen  Baumwollspinner 
Arbeitseinschränkungen. 

Der  Ackerbaubericht  vom  12.  Dezember  1913  bezifferte  die 
voraussichtliche  Ernte  auf  13  677  000  Ballen  ohne  Linters,  gegen 
13  820  000  Ballen  ohne  Linters  im  Vorjahre.  Dabei  ist  jedoch  zu 
berücksichtigen,  daß  das  geringere  Ballengewicht  und  das  ganz 
wesentliche  Qualitätsdefizit  das  Ergebnis  der  Ernte  sehr  un- 
günstig beeinflussen  könnte. 

Der  Kurs  für  rohe  Baumwolle  in  Bremen  schwankte  pro 
Pfund  von  66  bis  64  bis  61 1/2  bis  721/2  tmd  von  74  bis  66V2,  am 
Schlüsse  des  Jahres  wurde  er  mit  65  Pf.  notiert. 


392  VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

Die  Preise  für  rohe  Gewebe  schwankten  je  nach  Qualität 
Basis  34"  19/18  fädiger  Kattun  la.  aus  36/42 er  Garn:  25  bis  24i/2 
bis  22  bis  21  Pf.  pro  Meter. 

Cretonne  Basis  88  cm  aus  20/20  Prima,  pur  Amerikanisch 
schwankte  zwischen  28  bis  29  bis  27  bis  '30  bis  27V2  Pf. 

Der  Bankdiskont  für  das  ganze  Jahr  1913  war  infolge  des 
langen  Balkankrieges  so  enorm  hoch,  daß  zeitweise  der  Umsatz 
total  stockte.  Die  Folgen  waren,  wie  bereits  erwähnt,  ganz 
bedeutende  Minusnmsätze,  während  die  Unkosten  durch  erhöhte 
Steuern  usw.  erheblich  wuchsen.  Dazu  kamen  die  unsicheren 
politischen  Verhältnisse,  die  hohen  Rohstoff  preise  und  schließ- 
lich das  ungünstige  Wetter,  in  der  Sommer-  wie  in  der  Winter- 
saison, worunter  auch  die  Buntwebereien  stark  zu  leiden  hatten. 
Erst  Anfang  September,  als  die  Aussicht  auf  eine  große  Baum- 
wollernte geschwunden  war,  trat  die  Kundschaft  aus  ihrer  Re- 
sei've  heraus.  Als  aber  die  Bnntweber  im  Monat  November  Auf- 
schläge forderten,  die  dem  gestiegenen  Material  bescheidene 
Rechnung  trugen,  blieben  die  Abnehmer  aus  dem  Markte,  so  daß  zu 
erwarten  war,  daß  auch  in  den  Betrieben  der  Buntwebereien  sehr 
einschneidende  Betriebseinschränkungen  stattfinden  würden.  Bis 
zum  Schluß  des  Jahres  blieben  Herbstaufträge  für  das  nächste 
Jahr,  die  sonst  stets  im  November  erteilt  werden,  fast  aus.  Denn 
bei  dem  milden  Herbstwetter  war  der  Absatz  unbefriedigend 
und  die  mißlichen  wirtschaftlichen  Verhältnisse  legten  den  Ab- 
nehmern beim  Einkauf  von  Banhwaren  die  größte  Zurück- 
haltung auf.  —  Das  Exportgeschäft  nach  der  Türkei  belebte  sich 
nach  dem  Friedensschluß  etwas,  und  auch  nach  den  anderen  Län- 
dern war  es  bis  zum  Jahresschluß  in  ziemlicher  Entwicklung  be- 
griffen. . 

110.    Handel   mit   Baumwollbuntwaren. 

Die  hohen  Baumwollpreise,  die  sich  auf  dem  Niveau  des  Vor- 
jahres erhielten,  erschwerten  im  Verein  mit  dem  Rückgang  des 
Industriebedarfs  den  Grossisten  den  Absatz  im  ersten  Halbjahr 
1913  sehr  und  regten  zu  neuen  Unternehmungen  nicht  an.  Als  im 
Juni  amerikanische  Baumwolle  auf  Nachrichten  von  einer  neuen 
großen  Ernte  Basis:  Middling  Upland  auf  ca.  60  Pf.  zurückging, 
versuchten  die  Grossisten,  durch  l^illige  Verkäufe  die  Läger  zu 
reduzieren,  um  bei  einem  weiteren  Rückgang  der  Baumwolle 
sich  billiger  eindecken  zu  können.  Dies  mißlang  jedoch.  Die 
Baumwolle  stieg  infolge  schlechterer  Ernteberichte  bis  auf  über 
70  Pf.,  und  infolgedessen  wurden  von  den  Grossisten,  soweit  gün- 
stige Offerten  vorlagen,  neue  Abschlüsse  nur  in  bescheidenem 
Maße  gemacht.  Die  Preise  für  ostindische  Baumwolle,  die  für 
Rauhware  besonders  in  Betracht  kommt,  waren  bis  zum  November 
des  Berichtsjahres  noch  sehr  hoch  und  dürften  sich  erst  bei  Sicht 
der   neuen   Ernte    regulieren,    die   später   wie   die   amerikanische 


111.    Leiiieiiliandel.  393 

eingebracht  wird.  Im  allgenieineii  war  der  Absatz  in  bunten 
baumwollenen  Waren  nicht  gut.  Die  Aufträge  auf  Hemdflanelle 
und  Bettzeuge  fielen  sehr  gering  aus.  Ferner  waren  die  Preise  für 
Schürzenstoffe,  Zephirs  und  für  baumwollene  Kleiderstoffe  sehr 
gedrückt.  Eauhartikel,  wie  Fancys,  Molton,  Unterrockstoffe, 
Decken  und  Deckenstoffe,  konnten  auch  der  Steigerung  der  Baum- 
wollpreise schwer  folgen.  Der  Absatz  nach  den  Balkanländern, 
der  nach  Abschluß  des  Friedens  erwartet  wurde,  blieb  bis  zum  vor- 
letzten Monat  des  Berichtsjahres  aus,  und  so  können  Grossisten 
wie  Fabrikanten  von  einem  allgemein  guten  Greschäft  in  bunten 
Baumwollwaren  nicht  berichten. 

111.  Leinenhandel. 

Das  Jahr  1913  war  für  den  Leinenhandel  nicht  günstijg. 
Die  allgemeine  geschäftliche  Depression,  die  durch  den  langen 
Balkankrieg  hervorgerufen  wurde,  das  teuere  Geld  und  die  großen 
Verluste,  die  das  Publikum  durch  die  großen  Kursrückgänge 
der  Effekten  und  anderer  Papiere  erlitt,  schädigten  auch  das 
Leinengeschäft  in  hohem  Grade.  Dazu  kam  die  starke  Kurs- 
steigerung der  leinenen  AYerggame,  die  teils  auf  die  unzulängh 
liche  russische  Flachsernte  des  Jalires  1912  zurückging,  teils 
ihre  Ursache  in  den  großen  Militärlieferungen  hatte,  die  in 
Deutschland  und  Oesterreieh  für  1913  und  1914  auf  A-rtikel  aus 
Werggarn  erteilt  worden  sind.  Werggame  stieg'en  seit  Anfangt 
des  Berichtsjahres  um  ca.  10  %.  Flachsgarne  blieben  dagegen 
zunächst  ziemlich  stabil,  da  der  nordamerikanische  Bedarf  in 
leinenen  Artikeln,  wozu  hauptsächlich  diese  letzte  Sorte  g'ebraucht 
wird,  infolge  der  unsicheren  ZoUverhältnisse  sehr  nachgelassen 
hat.  Mit  der  zehnprozentigen  Herabsetziung  der  Einganigszölle 
auf  leinene  Waren  in  den  Vereinig'ten  Staaten  im  Oktober  des 
"Berichtsjahres  begann  aber  auch  die  letztere  Garnsorte  zu  steigen, 
lUm  so  mehr,  als  auch?,  die  russische  Flachsernte  1913  nicihtj 
g'ut  war. 

Die  Steigerung  der  baumwollenen  Garne  im  Laufe  dieses 
Jahres  um  ca.  10  «/o  hat  die  halbleinenen  Fabrikate  im  Verein 
mit  der  Hausse  in  Werggarn  über  Gebühr  verteuert.  Die  Preise 
der  Fertigfabrikate  konnten  aber  infolge  der  allgemeinen  De- 
pression der  Steigerung  der  Garne  durchaus  nicht  folgen,  so 
daß  der  Gewinn  sowohl  der  Fabrikanten  als  auch  des  Zwischen- 
handels kaum  nennenswert  war.  Die  Offerten  der  Fabrikanten 
waren  infolge  des  verminderten  Absatzes  sehr  dringend  und  die 
Läger  des  Zwischenhandels  groß,  so  daß  beider  Nutzen  sehr 
beschränkt  war. 

Im  einzelnen  ist  folgendes  mitzuteilen:  Die  hiesige  Beklei- 
dungsindustrie, die  leinene  und  halbleinene  Futterzeug©  in  großer 
Menge  brauchte,  litt  unter  der  Ungunst  der  Verhältnisse  besonders. 
Hierzu    kam    noch    die    warme    Witterung   im    Herbst,    infolge- 


394 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


deren  den  Kleiderfabrikanten  ^roße  Mengen  Winterwaren  am 
Lager  blieben.  Die  großen  Warenhäuser  und  Spezialgeschäfte, 
die  bedeutende  Abnehmer  für  sämtliche  Haushaltungsartikel  der 
Leinenindustrie  sind,  hatten  ebenfalls  unter  Absatzmangel  in 
diesen  Artikeln  zu  leiden.  Die  hiesigen  Tapissi&eriefabriken,  die 
bedeutende  Quantitäten  halbleinefne  und  leinene  Artikel  ver- 
arbeiten, hatten,  da  sie  viel  exportieren,  weniger  unter  der  all- 
gemeinen Depression  zu  leiden;  ihr  Bedarf  war  aber  auch  ge- 
ringer als  1912.  Das  Exportgeschäft  in  leinenen  uiid  halbleinenen 
Artikeln  nach  den  Vereinigten  Staaten  war  infolge  der  unsicheren 
Zollverhältnisse  erheblich  schlechter  als  im  Jahre  1912.  Die 
südamerikanischen  Eepubliken,  Australien  und  die  skandinavischen 
Länder  kauften  normal,   aber  auch  weniger  als   1912. 


Erster  Bericht. 


Allgemeines. 


Export. 


112.   AVäsche-Fabrikation,   -Konfektion   und 
-Handel. 

Erster    Bericht.    (Herrei).wäsche.) 

Die  Ungunst  der  Verhältnisse,  die  sich  im  Jahre  1913  dem 
ganzen  Wirtschaftsleben  mitteilte,  hat  auch  einen  so  allgemeinen 
Bedarfsartikel,  "wie  es  die  Herrenwäsche  ist,  nicht  versk^hont. 
Der  Konsum  hatte  einen  Kückgang  zu  verzeichnen,  wie  er  lange 
nicht  dagewesen  ist.  Das  erste  Quartal  brachte  noch  zufrieden- 
stellende Aufträge,  aber  mit  dem  Osterfeste  trat  eine  Greschäfts- 
stillo  'ein,  Hie  durch  den  geringen  Verka,uf  der  Detaillisten  her- 
vorgerufen  \vurde. 

Die  politischen  tJnruhen  und  daä  damit  verbundene  Sinken 
der  wirtschaftlichen  "Werte  schreckte  das  Publikum  ab,  die  sonst 
üblichen  Ergänzungen  des  Wäschevorrats  vorzunehinen.  Die 
Folge  war  ein  Eestliegen  der  reichlich  sortierten  Läger  der  De- 
taillisten. Hand  in  Hand  mit  dem  Ausbleiben  der  Aufträge  ging 
naturgemäß  das  Hinausschieben  der  Zahlungsfristen,  denn  die 
Abnehmer  konnten  Hie  nötigen  Mittel  infolge  des  daniederliegenden 
Verkaufs  nicht  flüssig  machen.  Die  Hoffnung  auf  den  Sommer, 
dessen  Temperatur  häufigen  Wäschewechsel  und  demgemäß  ge- 
steigerten Konsum  mit  sich  zu  bringen  pflegt,  wurde  durch  kalte 
und  regnerische  Witterung  völlig  zu  nichte. 

Das  Auslandsgeschält  ^bewegte  sich,  soweit  der  Kontinent 
in  Betracht  kommt,  in  etwas  erweiterten  Grenzen,  konnte  aber 
die  Stille  Hes  Inlandgeschäftes  nicht  wett  machen.  Noch  nie 
ist  aber  der  Mangel  eines  hinreichend  g*roßen  überseeischen  Ex- 
portes in  der  Herrenwäschebranche  so  schwer  empfunden  worden, 
wie  in  diesem  Jahre  wirtschaftlichen  Niedergangs.  Die  einst  in 
hoher  Blüte  stehende  Ausfuhr  deutscher  Herrenwäsche  wird  durch 
die  deutsche  Zollpolitik  bis  auf  vereinzelte  Ausnahmen  sehr  stark 
beeinträchtigt.  Diese  Politik  hat  eö  zuwege  gebracht,  daß  ent- 
weder die  überseeischen  Länder  selbst  eine  Industrie  begründet 


112.    Wä?che -Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel. 


395 


haben  oder  ihren  Bedarf  aus  Ländern  mit  billigeren  Arbeitslöhnen 
beziehen.  Weiter  wird  die  deutsche  Herrenwäsche-Industrie  in 
ihrer  Entwicklung  "gehemmt  durch  den  Zoll  auf  englisches  Leinen, 
der  England  oder  anderen  Ländern  mit  Restitutionsver fahren 
einen  A'orsprung  uns  gegenüber  gewährt,  und  den  die  Reichs- 
regierung  nicht  abschafft,  trotzdem  si^e  weiß,  daß  die  deutsche 
Herrenwäschefabrikation  das  inländische  Leinen  nicht  verwen- 
den kann. 

Das  Ausbleiben  der  Aufträge  zwang  die  deutschen  Herren- 
wäschefabrikanten Lagervorräte  zu  arbeiten,  um  sich  die  lange 
Jahre  zu  ihrer  Ausbildung  brauchende  Arbeiterschaf t  zu  erhalten. 
Bis  zum  Anfang  des  So^mmers  häuften  sich  dies-e  Vorräte  derart 
an,  daß  sie  eine  Gefahr  für  das  Preisniveau  wie  auch  für  die 
Kapitalskraft  zu  werden  drohten.  Es  blieb  daher  nichts  anderes 
übrig,  als  zu  einer  Verkürzung  der  Arbeitstzeit  zu  schreiten,  die 
bis  in  den  Spätherbst  hinein  aufrecht  erhalten  wurde.  Vom  Ok- 
tober ab  belebte  sich  das  Inlands geschäft  ein  wenig,  erreichte 
aber  nicht  im  lentfern testen  die  Höho  der  Vorjahre. 

Die  Verkaufspreise  waren  i — ■  der  Unlust  des  Käufers  tmd 
der  Beschäftigungsnot  des  Verkäufers  entsprechend  —  gedrückt 
zu  nennen,  trotzdem  die  Rohbtoffe  im  Preise  nicht  wichen, 
leinene  Gewebe  vielmehr  -einen  außerordentlich  hohen  Stand  auf- 
wiesen. '  ) 

Die  Löhne  der  Arbeiter  blieben  unverändert,  da  sie  durch 
Tarifvertrag  festgelegt  sind.  Dementsprechend  waren  auch  Ar- 
beitsniederlegungen oder  ernstliche  Streitigkeiten  nicht  zu  ver- 
zeichnen. I 

Die  Mode  brachte  im  Berichtsjahr  in  Kragen  den  Stehumleg- 
kragen mit  der  langen  Spitze,  der  leise  an  den  „Liegkrajgen" 
aus  Großvaters  Zeit  erinnert.  —  In  Hemden  hat  sich  eine  Ge- 
schmacksänderung insofern  vollzogen,  als  das  farbige  Hemd  eine 
Einbuße  gegenüber  dem  weißen  erlitten  hat.  Ob  der  Kückgang 
in  den  Aufträgen  auf  farbige  Hemdein  auf  die  lUebersättigujig' 
des  Geschmacks  oder  auf  den  allgemein  schlechten  Absatz  in 
Wäsche  zurückzuführen  ist,  das  wird  die  Zukunft  zu  erweisen 
haben. 


Betriebsein- 
schränkungen. 


Preise. 


Löhne. 


Mode. 


Zweiter  Bericht. 

Der  Umsatz  in  D'amenwäsche  war  .auch  im  Berichtsjahre 
nicht  völlig  zufriedenstellend  und  hielt  sich  kaum  auf  der  Höhe 
des  Vorjahres.  Bedingt  wurde  diese  ungünstige  Lage  teils  durch 
die  Witterung,  teils  durch  die  Folgen  des'  politiscb  so  unruhigen 
Jahres  1912.  In  den  Bestellungen  machte  sich  gToße  Zurück- 
haltung geltend,  da  offenbar  die  Detailkundschaft  wenig  Geld 
aufbringen  konnte.  Aus  diesem  Grunde  war  die  Zahlungsweise 
vielfach  noch  schleppender  als  früher  'und  ließ  recht  viel  zu 
wünschen    übrig.      Der     UeberSeeexport    gestaltete     sich     immer 


Zweit  erBericht. 
Damenwäsche. 


396  VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

schwieriger.  Namentlich  in  'den  bessiei^en  Artikeln  der  Branche 
war  der  UmsatÄ  durchaus  unbefriedigend,  weil  die  hohen  Zölle 
die  Preisbildung  immer  ungünstiger  beeinflußten  und  weil  die 
Waren  schon  vielfach  in  den  Ländern  selbst  hergestellt  werden, 
die  bisher  dafür  ein  recht  gutes  Absatzgebiet  bildeten.  Das  gilt 
namentlich  von  Nordamerika.  Die  englisdhen  Kolonien  wieder 
werden  durch  England  mit  so  billigen  AVaren  versorgt,  daß  eine 
ausländische  Konkurrenz  nicht  aufkommen  kann.  Und  Nord^ 
amerika  kann  nur  hand^enäJite  Sachen  gebrauchen,  die  sich  in 
Deutschland  bekanntlich  nicht  -herstellen  lassen.  Der  Einkauf 
von  Stickereien  war  etwas  vorteilhafter  als  im  Jahre  1912,  da 
besonders  die  Schweizer  Fabrikanten  infolge  Nachlaseens  ihrer 
amerikanischen  Greschäite  gezwungen  waren,  mit  den  Preisen 
herunterzugehen,  um  ihre  Stühle  besetzen  zu  können.  Die  Preise 
der  Rohstoffe  zeigten  izuerst  fallende,  |gegen  Ende  des  Jahres 
aber  steigende,  feste  Tendenz. 

Ueber  die  einzelnen  Zweige  der  Damen\väschefabrikation 
ist  folgendes  zu  bemerken.  Bei  den  Damentaghemden  änderten 
sich  Formen,  Garnierungen  und  Stoffe  im  allgemeinen  nicht. 
Der  spitze  Ausschnitt  kam  infolge  der  Kleidermode  wieder 
etwas  mehr  in  Aufnahme,  viereckige  und  runde  Ausschnitte 
Waren  jedoch  weiter  recht  beliebt.  Die  Garnier  ungen  be- 
standen hauptsächlich  aus  Batist,  Nansoc  und  Mullstickereien 
und  waren  zum  Teil  mit  Valencienne-  und  Torchonspitze 
inkrustiert.  Die  letzteren  Genres  waren  schließlich  etwas 
weniger  beliebt  als  früher.  Handgestickte  Hemden  wurden  sehr 
begehrt.  Auch  wurden  größere  Kollektionen  in  imitierten  Hand- 
stickereien gebracht.  Das  Madeiragenre  wird  dageg'cn  von  der 
Kundschaft  fast  gar  nicht  mehr  verlangt.  Nachthemden  wurden 
wie  im  Vorjahre  mit  viereckigem  und  rundem  Ausschnitt,  halben 
tind  dreiviertel  AermeLn  gebracht.  Hochgeschlossene  Nachthemden 
wurden  meist  nur  in  billigeren  Preislagen  verlangt.  Sehr  beliebt 
waren  dtinnfädige  Stoffe.  Besonders  trat  dies  bei  dreiteiligen  Gar- 
nituren, bestehend  aus  Taghemd,  Nachthemd  und  Beinkleid,  her- 
vor. Aber  auch  zweiteilige  Garnituren,  aus  Taghemd  und  Bein- 
kleid bestehend,  erfreuten  sioh  großer  Beliebtheit  bei  der  Kund- 
schaft tmd  wurden  bis  in  die  höchsten  Preislagen  hinaufgekauft, 
In  Beinkleiderfassons  trat  kaum  eine  Aenderung  ein.  Hauptsäch- 
lich wurden  Kniebeinkleider  verlangt  in  runder,  gerader  Jind  eckiger 
Form,  die  in  den  höheren  Preislagen  zum  Teil  im  Rumpf  reich 
garniert  waren.  Die  Mode  der  engen  Kleiderröcke  hat  natür- 
lich auf  sie  eingewirkt,  und  man  ist  bestrebt  gewesen,  Bein-, 
kleider  zu  beschaffen,  die  möglichst  wenig  auftragen.  Trotzdem 
wurden  auch  kurze,  weite  Beinkleider  noch  gern  gekauft.  Be- 
liebt waren  geschlitzte,  zu  den  Kleidern  gleicher  Mode  passende 
Röcke.  An  Stelle  des  Anstandsrockes  ist  vielfach  das  Directoire- 
Beinkleid    in    Aufnahme    gekommen,    das    von    vielen    Kunden 


112.    Wäsche -Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel. 


397 


bevorzugt  wird.  Besonderen  Anklang  fanden  die  Beinkleider 
aua  Seidenmilanese.  Viel  verlangt  wurden  nach  wie  vor  Hemd- 
h'osen  und  Prinzeßröcke.  Besonders  in  |der  mittleren  Preislage 
wurden  gute  Erfolge  erzielt.  Der  Umsatz  von  Unter taillen  war  zu- 
friedenstellend, deren  Eassons  verschieden  waren,  von  denen  jedoch 
die  sogenannte  amerikani&öhe  Fasson  bevorzugt  wurde.  Neglige- 
jacken wurden  nur  iq  niedrigen  Preislagen  begehrt,  doch  war  das 
Greschäft  darin  von  keiaer  großen  Bedeutung.  Matines  und  Fri- 
siermäntel wurden  gut  verkauft.  Eine  abwechslungsreiche,  der 
Mode  angepaßte  Kollektion  in  diesen  Artikeln  erwies  sich  als 
recht  vorteilhaft.  Besonders  beliebt  war  die  Verarbeitung  von 
Punktmull  zu  diesen  Gregenständen.  Kinderwäsche  wurde  gut 
verkauft.  Auch  hieria  wurden  ganze  Garnituren  zusammengestellt 
und  fanden  üiren  Absatz.  Auch  im  abgelaufenen  Jahre  machte 
sich  ein  fühlbarer  Mangel  an  Directricen  für  die  Wäschebranche 
bemerkbar,  trotzdem  hohe  Gehälter  für  diese  Posten  ausgesetzt 
sind. 

Dritter   Bericht. 

Das  Jahr  1913  hat  leider  gar  nicht  den  Erwartungen  ent- 
sprochen, die  man  namentlich  in  Hinsicht  auf  das  noch  ziemlich 
günstige  Weihnachtsgeschäft  des  Vorjahres  für  seinen  Verlauf 
gehegt  hatte.  Der  Krieg  auf  dem  Balkan,  die  infolgedessen  oft 
sehr  nahe  Möglichkeit  eines  Weltkrieges,  die  allgemein  vorhandene 
Ueberproduktion  und  die  dadarch  teilweise  hervorgerufene  große 
Arbeitslosigkeit  haben  auch  den  Verkauf  von  Damenwäsche  sehr 
ungünstig  beeinflußt.  Trotz  der  größten  Anstrengungen  war  es 
nicht  möglich,  den  Umsatz  des  Vorjahres  zu  erreichen,  zumal  eng 
anliegende  Trikotagen  als  Unterwäsche  immer  mehr  bevorzugt 
wurden  und  so  der  Diamenwäschc  fühlbare  Konkurrenz  machten. 

In  den  Fas&ons  hat  sich  im  Berichtsjahre  nicht  Wesentliches 
verändert.  In 'einfacheren  Taghemden  wurden  nur  noch  die  glatten 
Rümpfe  verlangt,  die  meistens  mit  viereckigem  Ausschnitt  ge- 
arbeitet wurden.  Als  Garnier ung  wurden  vielfach  Stickereien 
in  Verbindung  mit  Maschinen -Hohlsäumen  verwendet.  In  ele- 
ganteren Hemden  wurde  die  Empire-Form  bevorzugt,  die  zu  be- 
sonders reichen  Garnierungen  auch  in  effektvollen  '^lull-  und. 
Gambric- Stickereien  Gelegenheit  bietet.  Als  möglicher  Ersatz  für 
das  rumpfgestickte  Taghemd  in  Handarbeit  wurden  maschüien- 
gestickte  Muster  in  sehr  reicher,  geschmackvoller  Ausführung 
auf  den  Markt  gebracht.  Diese  Maschinenarbeiten  haben  auch 
große  Aussichten,  weil  mit  ihnen  die  Abhängigkeit  von  den  Haad- 
stickerinnen  aufhören  würde,  die  nur  im  Winter  größere  Quanti- 
täten arbeiten  können,  während  sie  im  Sommer  fast  ausnahmslos 
auf  dem  Felde  arbeiten.  In  Nachthemden  ist  der  Bedarf  weiter 
gestiegen.  Auch  hier  wurde  sehr  viel  der  viereckige  i^usschnitt 
verlangt.     Sehr  beliebt  waren  Hemden  mit  halblangem,  weitem 


Dritter  Bericht. 
Allgemeines. 


Damenwäsche- 


398 


VII.    TextiÜiidustiie  und  Verwandtes. 


Kinderwäsche. 


Bettwäsche. 


Ausgerüstete 

Baumwoll- 

wai'en. 


Aermel,  der  teils  mit  giatter,  teils  mit  krausar  Stickerei  besetzt 
und  auch  häufig  ganz  durchgarniert  wird.  In  eleganten  Formen 
war  audi  bei  den  Nachthemden  die  Empire-Form  sehr  beliebt. 
In  Beinkleidern  wurde  nur  die  kurze,  weite  Knieform  mit  breiten, 
glatt  oder  kraus  angesetzten  Stickereien  verlangt.  Die  Bein- 
kleider wurden  weiter,  der  M'ode  entsprechend,  ohne  Gurt  mit  Ab- 
näher gearbeitet.  Viel  Nachfrage  gab  es  auch  nach  der  kurzen, 
geraden  (Culotte-)  Form,  die  mit  reichen  Stickereien  und  auch 
in  Verbindung  von  Stickerei  und  Klöppelarbeit  viel  angefertigt 
wurde.  Jacken  siad  nur  wenig-  und  auch  hauptsächlich  mit  vier- 
eekigem  Ausschnitt  verlangt  worden.  In  wenigen,  elegant  ge- 
arbeiteten Fasisons  dienten  dieselben  schon  Frisierzwecken.  Herz- 
förmig ausgeschnittene  Frisier  Jacken  und  -mäntel  im  Empire- 
geschmack wurden,  mit  reichen  MuUgarnierungen  versehen,  gern 
.gekauft.  Auch  mit  breitem  Umlegekragen  statt  dex  früheren 
Stehkragen  werden  dieselben  vielfach  gearbeitet.  Prinzeßröcke 
wurden  in  sehr  reicher  Auswahl  von  den  einfachsten  bis  zu  den 
(elegantesten  Ausführungen  der  Kleiderm'ode  entsprechend  sehr 
viel  angefertigt.  Weiße  Unterröcke  haben  dagegen  nur  sehr  ge- 
ringen Absatz  gefunden.  Sie  waren  ebenfalls  der  Mode  ent- 
sprechend eng  gehalten  und  wurden  nur  noch  mit  angesetztem 
iVolant  gearbeitet,   teils  vorn,   teils  an  der  Seite  geschlitzt. 

In  Taghemden  wurden  nur  noch  glatte  Fassons  in  dünnen 
Stoffeai  verlangt.  Kinder-Naehthemden  wurden  auch  gern,  wie 
die  Damen-Nachthemden,  viereckig  ausgeschnitten  gekauft.  Auch 
bei  den  Beinkleidern  wurde  überwiegend  die  weite  Knieform  in 
geschlossener  Ausführung  gewünscht. 

Durch  die  im  vergangenen  Jahre  von  neuem  eingetretene 
Preiserhöhung  der  Leinenqualitäten  hat  die  Verarbeitung  von 
Baumwolle  sich  noch  mehr  gesteigert.  Leinen  wurde  nur  noch 
zu  Laken,  Ueberlaken  und  Kopfkissen  für  bessere  Ausstattungen 
verlangt.  Die  Garnierungen  bildeten  für  einfache  Preislagen 
Maschinenhohlsäume  in  Verbindung  mit  Maschinenstickerei,  Platt- 
stich und  Madeira-Imitation,  sowie  Stickereien.  Für  teurere  Preis- 
lagen waren  Handhohlsäume,  Handstickereien  und  gute  Stickerei- 
Ein-  und  -Ansätze  beliebt.  In  Plumeauxbezügen  'machte  sich 
ein  größerer  Verbrauch  bemerkbar. 

Im  ersten  Quartal  des  Berichtsjahres  war  das  Geschäft  in 
ausgerüsteten  Baumwollwaren  recht  zufriedenstellend.  In  Ka- 
liko tqualitäten,  die  nach  wie  vor  bevorzugt  wurden,  war  AVare 
knapp.  Denn  die  Webereien  waren  zu  guten  Preisen  reichlich 
beschäftigt  und  blieben  mit  Lieferungen  im  Rückstand.  Um 
größere  Aufträge,  die  von  der  Wäschekonfektion  gegeben  worden 
waren,  einigermaßen  pünktlich  zu  erledigen,  wurden  Angebote  öster- 
reichischer Webereien  gern  aufgienommen.  Diese  letzteren  ent- 
schlossen sich  nämlich,  wegen  der  ihr  reguläres  Geschäft  lähnieii- 
den  Balkanwirren  Hohware  selbst  zu  verlustbringenden  Preisen 


112,    Wäsche-Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel. 


399 


nach  Deutschland  zu  verkaufen,  so  daß  diese  trotz  des  Zolles 
mit  deutschem  Fabrikat  konkurrieren  konnte.  Im  zweiten  Quar- 
tal veränderte  sich  die  Situation  vollständig.  Während  die 
AVäschekonfektion  bisher  um  Ware  verlegen  gewesen  war  und 
auf  Lieferung  gedrängt  hatte,  machte  sich  jetzt  ein  ste,tes  Ab- 
flauen des  Bedarfs  bemerkbar,  so  daß  die  Läger  in  gebleichter 
Stückware  mehr  und  mehr  anwuchsen.  Neue  namhafte  Geschäfte 
konnten  'zxmäehst  [nicht  abgeschlossen  werden,  und  erst  als  führende 
Firmen  —  und  zwar  unberechtigter  Weise  —  mit  den  Preise/n 
heruntergingen,  konnten  größere  Abschlüsse  erzwungen  werden. 
Auch  zu  Anfang  des  dritten  Quartals  ließ  das  Geschäft  noch 
viel  zu  wünschen  übrig.  Erst  als  die  Hohweber  durch  mangelnde 
Beschäftigung  gezwungen  waren,  ihrerseits  zu  verlustbringenden 
Preisen  die  Ware  per  viertes  Quartal  anzubieten,  setzte  der 
Verkauf  auf  Grund  dieser  Einkaufspreise  lebhaft  ein  imd  wurden 
größere  Abschlüsse  gemacht.  Mit  Anfang  des  vierten  Quartals 
schwand  die  Hoffnung  auf  Räumung  der  Läger  sehr  bald.  Die 
Käufer  hielten  mit  Abforderungen  in  Ware  sehr  zurück,  so  daß 
man  weiter  mit  großen  Lagern  für  Ende  des  Jahres  rechnen 
mußte.  Charakteristisch  für  die  Situation  im  Handel  mit  Aus- 
rüstungswaren war,  daß  man  Mitte  November  noch  nicht  geneigt 
war,  den  Bedarf  für  das  erste  Quartal  1914  zu  decken,  wa^ 
seit  vielen   Jahren  nicht   vorgekommen   ist. 

In  den  Qualitäten  hat  sich  im  Berichts]" alire  nichts  ver- 
ändert. Die  Ansprüche  an  die  Musterauswahl  sind  dagegen  wo- 
möglich noch  gestiegen.  Das  Kaufpublikum  verlangte  in  jeder 
Preislage,  auch  in  billigerer,  die  elegantesten  Zeichnun^gen. 
Neuerdings  wurden  vereinzelt  Figuren  und  heraldische  Muster 
verlangt.  Bundes  Tischzeug  hat  etwas  nachgelassen,  die  Kund- 
schaft war  teilweise  der  Ansicht,  daß  sich  rundes  Tischzeug  in 
der  Wäsche  nicht  so  gut  bewähre  wie  eckiges.  Als  Ersatz  in 
besseren  Qualitäten  wurden  [viereckige  Tischtücher  in  runden 
Mustern  gekauft.  Dagegen  wurden  runde,  buntgewebte  und  be- 
druckte Kaffeedecken  noch  stärker  gefragt.  Soweit  nicht  weiße 
Kaffeezeuge  mit  Durchbrüchen  bevorzugt  wurden,  wurden  für 
diesen  Zweck  höchstens  feinfarbig©,  merzerisierte  Kafföegedecke 
verlangt.  Iii  Luxus-Tischwäsche  war  neben  Filet,  Wickel  a  jour 
und   Klöppelspitzen   neuerdings   wieder   Madeira   beliebt. 

Kräuselstoff-Handtücher  und  -Laken  wurden  immer  noch  in 
weiß  bei  weitem  bavorzugt.  Der  Artikel  führte  sich  auch  1913 
immer  mehr  ein.  Doch  war  der  Umsatz  in  mittleren  und  besseren 
Qualitäten    am   größten. 

Stubenhandtücher  Avurden  in  gediegenen  Qualitäten  bevor- 
zugt. Auch  Gerstenkorn-Handtücher  aller  Preislagen  wurden 
viel,  hauptsächlich  auch  für  Küchenzwecke,  gekauft.  Der  Ver- 
brauch darin  wuchs  stetig  und  wurde  durch  die  unsachgemäße 
Behandlung  im  Gebrauch  und  in  der  Wäsche  besonders  gesteigert. 


400 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Bettstoffe 


Taschentücher. 


Trikotagen 
und  Strümpfe. 


Die  Preise  für  Leinen^ewebe  zogen  im  zweiten  Halbjahr  1913 
bedeutend  an.  Ganz  besonders  stiegeoi  die  Preise  für  starke 
Gewebe. 

Während  auf  anderen  Gebieten  die  Qualität!  häufig  ständig 
verringert  wurde,  weil  die  KonJilirrenz  stets  danach  trachtet, 
billige  Sorten  in  den  Verkauf  zu  bringen,  zeigte  sich'  bei  Inlett- 
stoffen das  gerade  Gegenteil.  Es  wurden  selbst  von  einfacher 
Kundschaft  nur  mittlere  und  beste  Qualitäten  gekauft.  Am 
beliebtesten  waren  nach  wie  vor  die  Qualitäten  in  glattrot. 
Daneben  wurden  feine  Farben,  passend  zu  den  Farben  der  Schlaf- 
zimmereinrichtung, gekauft. 

Die  zu  Anfang  des  Jahres  einsetzende  Baisse  für  Baumwoll- 
gewebe  hatte  zur  Folge,  daß  man  sich  in  allen  Arten  baum- 
wollener Taschentücher  vorteilhafter  decken  konnte  als  im  ver- 
gangenen Jahre.  Dagegten  hielt  die  Steigerung  der  Leiuenpreise 
an,  so  daß  man  genötigt  war,  für  einen  großen;  Teil  des  Bedartfs 
höhere  Preise  anzulegen.  Wie  in  vielen  anderen  Artikeln  kam 
auch  in  Taschentüchern  der  Phantasiegeschmack  mehr  zur  Geltung. 
Abgesehen  von  den  glattleinenen  Tüchern  für  Herren,  ist  der 
Bedarf  in  glattleiricnen  Damentüchem  erheblich  zurückgegangen. 
Letztere  wurden  immer  mjehr  durch  Ziertücher  verdrängt,  be- 
sonders durch  solche  aus  Batistgeweben  mit  Hohlsaum,  die  auch 
bei  Herren  schon  recht  großen  Anklang  finden.  Ein  bedeutender 
B/ückgang  war  auch  in  diesem  Jahre  in  besseren,  farbigen  Tüchern 
festzustellen,  dafür  wurden  in  Phantasietüchem  mit  Hand-  und 
Maschinenstickereien  größere  Kollektionen  gemacht.  Plauen,  das 
hierin  weitere  Fortschritte  zeigte,  lieferte  den  größten  Teil  der 
handgestickten  Muster.  Aufträge  in  Maschinenstickereien  gingen 
dagegen  wiederum  vorwiegend  nach  der  Schweiz.  Die  s.chlechte 
Einfuhr  in  Madeiratüchem  hielt  auch  im  abgelaufenen  Ge- 
schäftsjahre an.  Trotz  der  hierfür  bewilligten  höheren  Preise 
blieb  ein  großer  Teil  der  erteilten  Aufträge  unausgeführt.  Ganz 
bedeutend  stieg  der  Konsum  in  den  verschiedenen  Arten  von  Buch- 
stabentüchern, auch  hierin  wurden  neue,  geschmackvolle  ^Muster 
gefragt. 

Im  Jahre  '1913  ,k!onnte  die  Trikotagenbranche  nicht  so 
günstig  arbeiten  wie  im  Vorjahre.  Zwar  drückte  die  allgemeine 
wirtschaftliche  Lage  nur  teilweise  auf  den  Verbrauch  besserer 
Luxusartikel,  dafür  beeinträchtigte  aber  die  durchweg  ungünstige 
AVitterung  des  Jahres  den  Umsatz  vieler  Artikel  um  so  mehr. 
Wurden  doch  z.  B.  in  porösen  Trikotagen  und  Trikotbadeanzügen, 
die  sonst  in  der  heißen  Jahretszeit  viel  gekauft  wurden,  fast 
gar  kein  Umsatz  erzielt.  Wenn  trotzdem  noch  befriedigende 
Resultate  zu  verzeichnen  waren,  so  war  die®  bei  Herren- 
Trikotagen  dem  guten  Verkauf  der  glatten  Makoqualitäten,  dem 
verkäuflichsten     Trikotgewebe    für     jede     Jahreszeit    und    jede 


112.   Wäsche-Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel.  401 

iWitterung,  zu  danken.  Ebenso  wurden  Trikotoberhemden  mit 
aufgesetzten  Einsätzen  viel  verkauft.  Neu  waren  kurze  Knie- 
beinkleider für  Herren,  die  guten  Anklang  fanden,  und  elastisch 
feingewirkte  Herren-Hemdhosen,  beides  Artikiel,  die  nach  ameri- 
kanischer Art   in   Deutschland   hergestellt   werden. 

In  Damen-Trikotagen  war  das  Direktoirebeinkleid  "noch  von 
größerer  Bedeutung  als  im  Vorjahre,  um  so  mehr,  als  auch! 
das  Ausland  diesen  Artikel  in  allen  Qualitäten,  auch  in  feiner 
Seide,  viel  bezieht.  Als  neu  seien  noch  genannt  das  Direktoire- 
beinkleid  und  die  Damen-Hemdhose  mit  Reformklappe,  ersteres 
als  Ersatz  für  d^s  ßeformbeinkieid.  Sehr  begünstigt  von  der 
Mode  war  das  gestickte  Sp'ort Jackett  in  Wolle,  Seide»  und  nament- 
lich in  Kunstseide,  in  mehrfarbigen  und  einfarbigen  Clustern. 
Als  aparte  Neuheit  führte  sich  das  Golf  Jackett  mit  Kimonoärmeln 
und  herumgehendem  Gürtel  gut  ein.  Bei  diesen  sowohl  als  auch 
bei  Sportjacketts  fanden  die  neuen  tang-o  und  zerise  Farben- 
töne viel  Anklang.  Kindersweater  (auch  mit  passenden  Höschen 
für  Knaben)  führten  sich  immer  mehr  ein,  da  dieser  Artikel',, 
in  Qualität  verbessert,  infolge  seiner  Solidität  und  Preiswürdigkeit 
für  Schule  und  Haus  sich  als  außerordentlich  praktisch  erwiesen 
hat.  Auch  Matix)sensweater  für  Mädchen  mit  passendem  Trikotr 
röckchen  fanden  ebenso  Zuspruch  wie  Trikotkittelanzüge.  Der 
immer  mehr  betriebene  Sport  hatte  auch  einen  steigenden  Bedarf 
in  Sporttrikotagen  zur  Eolge.  Damenstrümpfe  hatten  größten 
Umsatz ;  auch  hier  war  die  Mode  außerordentlich  günstig.  Neben 
dem  Hauptverbrauch  in  schwarz  wurden,  zu  den  Schuhen  passende, 
braune,  graue  und  Champagne  Farbentöne  sowie  weiße  viel  ge- 
kauft. Musselin  sowie  Seidenflor  waren  in  glattem  Gewebe  und 
mit  Durchbruch-Zwickel  sehr  modern.  Als  sehr  verkäuflich  be- 
währte sich  der  seidene  Strumpf  mit  Flor-Oberteil,  und  -Sohle, 
der  dem  ganzseidenen  Strumpf  bedeutenden  Abbruch  machte.  Als 
neuer  Artikel  sei  noch  der  nach  amerikanischer  Art  in  Deutsch-, 
land  hergestellte,  seidene  Damenstrumpf  mit  Florrand  und  Flor- 
sohle ohne  Naht  genannt,  wie  denn  überhaupt  immer  feinere 
Strumpfmarken  mit  Füßen  ohne  Naht  fabriziert  und  verkauft 
werden.  In  dieser  Ausführung  fand  auch  der  Hauptabsatz  in 
Herrensocken  statt.  Auch  diese  wurden  feinmaschig  und  ohne 
Naht  bevorzugt.  Kinderstrümpfe  und  -Söckchen,  letztere  haupt- 
sächlich mit  wollenen  Rändern,  die  das  Eutschen  verhindern 
sollten,  waren  beachtenswerte  Artikel.  Der  Einkauf  hatte  infolge 
der  Steigerung  sämtlicher  Rohmaterialien  wiederum  mit  höheren 
Preisen  zu  rechnen,  so  daß  Preiserhöhungen,  hauptsächlich  bei 
wollenen  Qualitäten,  bis  10  o/o  nicht  selten  waren.  Um  nicht  die 
sich  stetig  steigernden  Erhöhungen  bezahlen  zu  müssen,  war  man 
genötigt,  sich  reichlich  einzudecken,  woraus  wohl  auch  der  hohe 
Beschäftigungsgrad  in  der  Trikotagen-  und  Strumpfbranche  zu 
erklären  ist. 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  26 


402 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Oberhemden. 


Pyjaaias  und 
Sporthemden 


Kragen  und 
Manschetten. 


Der  bunte  Oberhemdenartikel  hat  auch  im  Berichtsjahre  seine 
enorme  Zugkraft  bewahrt.  Hierzu  trugen  die  großartigen  Aus- 
musterungen in  Druck-  und  Webwaren  bei.  Die  Dessins  bewegten 
sich  fast  ausschließlich  in  einfachen,  zarten,  dezent  gehaltenen 
Streifen  in  allen  möglichen  Variationen.  Der  Grundstoff  zeigte 
nicht  nur  glatte,  sondern  auch  Jacquard-  und  Ripseffekte.  Der 
größte  Teil  war  wieder  hellgrundig,  die  Hauptfarben  waren  blau, 
schwarz,  lila,  grün  und  gold.  In  weißen  Oberhemden  wurden 
das  Pique-  und  Satingenre  am  meisten  begehrt.  Der  halbweiche 
und  steife  Einsatz  aus  Pique  mit  kleinen,  eiage webten  Figuren, 
Satinstreifen  oder  Kordeln  herrschte  neben  der  schmalen,  feinen 
Eippe  in  der  vielseitigsten  Ausgestaltung.  In  Nachthemden 
kamen  einige  Neuheiten  der  Formen  und  Garnierungen  heraus, 
deren  Charakter  der  verschiedenartige  Kragen  mit  dem  offenen 
Ausschnitt  war. 

Die  Macharten  bewegten  sich  im  bisherigen  bewährten  Genre, 
das  der  Bequemlichkeit,  Kleidsamkeit  und  Gesundheitszuträg-. 
lichkeit  dient  und  sich  auf  Reisen,  Touren,  bei  Sport  und  Spiel 
als  praktisch  bewährt  hat.  Besonders  zu  erwähnen  ist  die  neue 
Robespierre-Form,  die  fortgesetzt  neue  Anhänger  gewann.  Ox- 
fords, Flanelle,  Waschseide  und  Bengalines,  Popeline,  Frottes 
und  Krepp  waren  die  begehrtesten  Stoffarten.  Hierbei  sei  auch 
der  weiche  Panama-Sportkragen  in  seinen  neuen  Formen  erwähnt, 
in  dem  ein  außergewöhnlicher  Absatz  erzielt  wurde. 

In  Herrenkragen  ist  im  Berichtsjahre  der  neuartige  Steh- 
umlegekragen mit  spitzen  Ecken,  die  vorn  nahe  zusammengehen 
und  nur  eiaen  kleinen  Zwischenraum  lassen,  speziell  zum  Cut-away 
in  Aufnahme  gekommen.  Aber  auch  eckige  Kläppchenkragen, 
sowie  die  runden  amerikanischen  Fassons,  ferner  gerade  Steh- 
kragen (rund  und  eckig),  erzielten  großen  Absatz.  In  Serviteurs 
wurden  bunte  Garnituren,  femer  glatte,  leinene,  weiche  Pique-, 
BattLst-  und  Satingenres  abgesetzt.  Besonders  Frackserviteurs  in 
Macharten  wie  die  Öberhemdeinsätze  hatten  große  Nachfrage. 
In  Manschetten  blieb  es  bei  der  bisherigen  runden  und  eökigen, 
ein-  und  Izweiknöpfigen  und  Kettenform.  Es  machte  sich  bei  diesem 
Artikel  sehr  fühlbar,  daß  der  allergrößte  Teil  der  bunten  und 
weißen  Oberhemden  nunmehr  mit  festen  Manschetten  getragen 
wird.  Die  Mode  in  Kinderkragen,  Hemden  und  Serviteurs  richtete 
sich  wiederum  nach  der  Herrenmode. 


Vierter  Bericht  Vierter  Bericht. 

Allgemeines.  Die  allgemeüi  ungünstige  wirtsdhaftliche  Lage  ist  auch  auf 

die  gesamte  Wäschebranche  nicht  ohne  Einfluß  geblieben.  Trotz- 
dem kann  aber  wohl  behauptet  werden,  daß  bei  der  augenblick- 
lichen wirtschaftlichen  Depression  die  WäÄchebranche  von  allen 
Mauufakturwarenzweigen  am  glimpflichsten  davon  gekommen  ist. 


112.   Wäsche -Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel.  403 

Wäsche  ist,  eben  abgesehen  von  einigen  Luxusgenres,  ein  zu  not- 
wendiger Konsumartikel,  als  daß  sich  Einschränkungen  bei 
schlechten  Zeiten  besonders  empfindlich  geltend  machen  können. 
So  sind  denn  Umsatzrückgänge  in  erster  Linie  in  teuren  und 
teuersten  Preislagen  zu  verzeichnen  gewesen,  während  Mittel- 
g*enres  und  Stapelartikel  ihren  Konsum  größtenteils  halten  konnten. 
Es  sei  noch  erwähnt,  daß  infolge  der  weiteren  Steigung  der  E/oh- 
materialien,  besonders  Leinengarne,  Preiserhlöhungen  nioiht  zli  ver-' 
meiden  waren. 

Der  Umsatz  in  fertiger  Damenwäsche  hielt  sich  ungefähr  Damenwäsche 
auf  der  Höhe  des  Vorjahres.  In  einfachen  Genres  haben  dieselben 
Eormen  und  Stoffe  wie  1912  Verwendung  gefunden.  Taghemden 
in  einfacher  Priesenform  oder  Achselschluß  mit  Trimming  bzw. 
Handlanguetten  wurden  nur  noch  vereinzelt  gekauft.  Die  Haapt- 
form  repräsentierte  das  glatt  taillierte  Hemd  mit  Hohlsäumen 
oder  auch  Maschinenstickereien  in  reizenden  Dessinö  garniert. 
INachthemden  wurden  aus  leichten  Stoffen,  halsfrei  und  mit 
Kimonoschnitt  bevorzugt.  Hübsche  Stickereien,  Klöppel-Imita- 
tions-  und  auch  farbige  Besätze  dienten  zur  Garnierung.  Knie- 
beinkleider wurden  gleichfalls  meist  aus  leichten  Stoffen  gewünscht 
und  nur  das  noch  wenig  gekaufte  Passenbeinkleid  fertigte  man 
aus  kräftigem  Stoff  mit  soliden  Stickereiein-  und  -ausätzen.  Die 
Oamierung  bestand  meist  aus  breiten  Stickereien  mit  Stidkerei- 
banddurch Zügen  oder  Einsätz'cn  aus  Klöppelstickereien  mit  breitem 
Saumabschluß.  Das  geschlossene  Beinkleid  hat  wieder  an  Beliebt- 
heit gewonnen,  auch  wurden  nicht  nur  einfache  Genres,  sondern 
die  elegantesten  Ausführungen  verlangt.  Für  die  elegante  Wäsche 
bevorzugte  man  die  zwei-  und  dreiteiligen  Garnituren.  Man  ver- 
arbeitete zu  ihnen  in  erster  Linie  feine  meroerisierte  Stoffe  und 
fertigte  die  Beinkleider  und  Taghemden  nach  Möglichkeit  noch 
enger  und  kürzer  als  bisher.  Die  Nachthemden  erhielten  meist 
tiefsn  Ausschnitt  und  ganze  kurze  Aermel.  Für  die  eleganteren 
Oenres  fanden  Garnierungen  aus  feinen  Spitzen,  Mullstickereien 
verscÜiiedenster  Motive  mit  reichen  Bandausschmückungen  Ver- 
wendung, während  gegen  Ende  -des  Jahres  das  Neueste  und  Schickste 
Garnituren  aus  Tüll  mit  feinen  Valenciennespitzen  und  Seidenband- 
durch'zügen  und  -schleifen  waren.  Der  Anstandsrock  verschwindet 
immer  mehr,  an  seiner  Stelle  ist  das  Direktoirebeinkleid  ein  Mode- 
artikel geworden,  in  einfacher  Ausführung  aus  Baumwolle,  Woll- 
trikot in  den  verschiedensten  Farben,  in  eleganter  Verarbeitung 
aus  Seidentrikot  mit  plissiertem  Volant  oder  Spitzengarnierung 
gefertigt.  Die  Ansprüche  an  die  Untertaillen  sind  durch  die  an- 
haltende Blusenmode  noch  gesteigert  worden.  Da  Blusen  meist 
aus  dünnen  leichten  Stoffen  getragen  wurden,  ist  eine  garnierte 
Untertaille  erforderlich  geworden  und  so  der  Luxus  für  diesen 
Artikel  zur  Entfaltung  gekommen.  Hübsehe  Handstickereien, 
unterbrochen  mit  Valenciennespitzen,  daneben  Spachtel-,   Spitzen- 

26* 


404  VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

und  KlöppeleiRsätze  wurden  viel  verarbeitet.  Als  modernste  Aus- 
sdhmüdkung  brachte  man  Tüll  mit  hübschen  Verzierung-en.  In 
den  billigen  Genres  wurde  die  amerikanisdhie  Form  gern  gekauft. 
Auch.'  hier  gab  es  gesohmack volle  Garnierungen,  z.  B.  kleine 
Stickereien  mit  Banddurdh'zügen  und  Klöppelimitationen.  In 
Matiaes  und  Frisiermänteln  waren  keine  besionderen  Neuerungen 
vorzumerken.  Sehr  hübsch  und  graziös  war  die  Empireform  aus 
feinem  Stickereistoff  mit  Taillenabsdhluß  und  breitem  Banddurch- 
zug. Kurze  zierliche  Formen  und  reiche  Gamierungen  aus  Valen- 
ciennespitzen,  Spachtelmotiven,  auch  Mullhandstickereien  wurden 
bevorzugt.  Für  den  billigen  Genre  wurden  in  diesem  Jahr  sehr 
viel  Kragen  ia  einem  schönen  Farbensortiment  in  den  Handel 
gebracht.  Die  Formen  für  Promenadenröcke  sind  ungefähr  die 
gleichen  geblieben,  d.  h.  die  Röcke  sind  immer  noch  so  eng,, 
dabei  duftig  und  reich  garniert,  meistenteils  mit  Valenciennespitzeni^ 
und  Mullstickereien,  auch  Handstickereien  mit  Klöppelzwischen- 
sätzen. Flache,  anschmiegende  Garnierung  war  Hauptbedingung. 
In  ähnlicher  Ausführung  wurden  die  Prinzeßröcke  gefertigt,  ein. 
Artikel,  der  sich'  sehr  verbreitet  hat,  da  er  unter  jedes  leichte,, 
elegante  Kleid  gehört.. 

Kiaderwäsche.  In,'    Baby-   uud    Kinderwäschc    blieben    die   Umsätze    im    Be- 

richtsjahre auf  der  Höhe  des  Jahres  1912.  Hinsichtlich  des  Ma- 
terials und  der  Garnierungen  waren  wesentlichie  Veränderungen 
nicht  zu  verzeichnen.  Für  Babywäsche  wurden  feine,  weiche  und 
poröse  Baumwollstoffe  bevorzugt.  So  hat  speziell  das  weiche 
Stoff  Jäckchen  das  gewirkte  bzw.  mit  der  Maschine  gestricJite 
Jäckchen,  das  früher  viel  gekauft  wurde,  ziemlich  verdrängt. 
'Von  Windeln  und  Einlagen  waren  die  aus  porösen  Stoffen,  die 
sich'  gut  waschen  lassen  und  leicht  trocknen,  am  begehrtest v^^n. 
An  Stelle  des  Wickeltudhes  war  der  Wickelrock,  der  dem  Kinde 
ohne  Wickelband  vollständigen  Halt  gibt,  stark  gefragt.  Für 
Küiderhemden  und  -Beinkleider  wurden  hauptsächlich  gute,  halt- 
bare Stoffe  gewählt,  doch  kamen  auch  feinere  Qualitäten  zur 
Verwendung.  Das  glatte  oder  sogenannte  ßeformhemd  war  sehr 
beliebt  und  wurde  viel  gekauft.  Beinkleider  wurden  meist  ge- 
schlossen getragen.  Das  Kjiiebeinkleid  war  am  begehrtesten,  da, 
es  weiter  und  daher  bequemer  im  Tragen  ist  als  das  Passen bein- 
kleid.  Die  Naehtjacke  ist  durch  das  Nachthemd  stark  in  deu 
Hintergrund  gedrängt.  Worden.  Von  letzteren  wurden  solche  mit 
viereckigem  Ausschnitt  am  stärksten  verlangt.  Für  lileinere 
Kinder  im  Alter  bis  zu  vier  Jakren  wurde  gern  der  Nachtrock 
gewählt  und  daneben  der  Bettsack,  der  unten  geschlossen  ist  und 
so  das  Bloßliegen  der  Kinder  verhütet.  Viel  gekauft  wurden 
auch'  Warmhüllen  zum  Schutz  gegen  Kälte  für  Kinder  im  Sport- 
wagen. Dieselben  sind  aus  farbiger  oder  weißer  Wolle  gestrickt,, 
an  der  Seite  zum  Knöpfen  eingerichtet  und  unten  geschlossen  als. 
Sack  mit  und  ohne  Lehne  gearbeitet. 


112.   Wäsche -Fabrikation,  -Konfektion  und  -Handel.  405 

Die  Umsätze  in  bunten  Oberliemden  waren  wieder  recht  be- 
tieutende.  Dieser  Artikel  der  Branchie  hatte  auch  im  Jahre  1913 
den  Vorzug,  daß  sein  Verkauf  iu  jeder  Beziehung  gut  war.  Die 
Formt  n  blieben  unverändert  und  auch!  die  Muster  waren  wenig 
abweichend  von  den  vorjährigen.  Kleine,  abgesetzte  Musterchen 
auf  weißem  Grunde  und  klassische  Streifen  blieben  bevorzugt, 
dunkeigrundige  Sadhen  wurden  wenig  gefragt.  Mehr  in  Auf- 
nahme kamen  sogenannte  Druök-Zephyre,  die  iu  billigeren  Preis- 
lagen sehr  schön  herausgebracht,  gern  gekauft  wurden  und  so 
den  farbig  gestreiften,  durchgewebten  Zephyren  starke  Kon- 
kurrenz machten.  In  weißen  Oberhemden  behaupteten  sicih  die 
mit  weichen  Pique-  und  Leinen-Längsfalten,  während  der  große 
Konsum- Artikel  früherer  Jahre,  das  steife  Oberhemd,  mehr  und 
mehr  ins  Hintertreffen  gerät.  Nur  für  den  Frack  blieb  der  steife 
Einsatz  noch  begehrt  und  mit  Recht;  denn  die  großen  Westen- 
ausschnitte  verlangen  solchen  kategorisch.  Das  in  Amerika  so 
sehr  beliebte  Eock-Oberhemd  kann  hier  nicht  so  recht  in  Aufnahme 
kommen,  die  Kundschaft  kehrte  zum  Teil  wieder  zur  alten  Form 
zurück.  Hing-egen  ist  der  Konsum  in  Hemden  mit  halben  Aermx^dn 
für  abknöpfbare  Aermelmanschetten  mit  Rücksicht  auf  die  großen 
Vorzüge  dieses  Systems  ein  steigender,  da  auf  die  feste  Man- 
schette größerer  Wert  gelegt  wird.  Weiße  Herrentaghemden  mit 
und  ohne  Brustfalten  haben  in  ihren  Umsätzen  etwas  nachge- 
lassen, während  Nachthemden  mit  bunten  Besätzen  in  befriedi- 
genden Mengen  verkauft  wurden,  namentlich'  kommen  die  hals- 
freien mehr  und  mehr  in  Aufnahme.  Zufriedenstellend  war  auch 
der  Verkauf  in  weißen  und  ecrufarbigen  Sporthemden.  Baum- 
woU-Panamas,  Etamines  und  poröse  Stoffe  standen  im  Vorder- 
grand, während  diejenigen  Materialien,  die  früher  für  den  Sport 
hauptsächlich  maßgebend  waren,  wie  Flanell  in  Wolle  und  Baum- 
wolle, Seide  usw.  nur  noch  wenig  Abnahme  fanden.  Sdhlaf- 
Anzüge,  die  erst  in  den  letzten  Jahren  mehr  Beachtung  fanden, 
haben  sich  durch  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Ausführungen  gut 
eingebürg">ert  und  erzielten  bereits  nennenswerte  Umsät,ze.  Das 
Geschäft  in  Knabenhemden  ist  mäßig  zu  nennen.  Besonders  reger 
Nachfrage  erfreuten  sich  noch  die  Hemdchen  mit  Kieler -Aus- 
schnitt, d.  h.  Hemden  für  die  sogenannten  Kieler  Anzüge.  Auch 
Nachthemden  mit  bunten  Börtchen  wurden  gut  umgesetzt.  Auch 
Kragen,  Manschetten  und  Serviteurs  hatten  unter  der  allgemeinen 
ungünstigen  Lage  wenig  zu  leiden,  es  wurden  die  Umsätze  des 
vergangenen  Jahres  ungefähr  erreicht.  Mit  Ausnahme  des  Cuta- 
Avay-Kragens,  der  sehr  hübsche  Umsätze  erzielte,  hatten  die 
meisten  Neuheiten,  ihrer  Phantasie-Formen  wegen,  die  fast  bis 
an  die  Grenze  des  Bizarren  gingen,  wenig  Glück  und  erfuhren  bei 
der  Solidität  des  großen  Publikums  zum  größten  Teil  eine  Ab- 
lehnung. Dagegen  hielten  sich  sämtliche  Formen,  die  bisher  die 
Herrschaft   ausübten.    Manschetten   sind  heute  ein  Artikel  ohne 


406 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


große  Sonderbedeutung.    In   Chemisettes  bzw.   Serviteurs  wurden 
weniger  günstigte  Resultate  erzielt,  allein  die  bunten  Garnituren 
erfreuten  sidh'  reger   Nachfrage. 
Tisoiiwäsche.  Der  Umsatz  in  Tischzeug'3n  im  Berichtsjahr  litt  unter  der 

weiteren  Leinengarn- Verteuerung,  die  (Cin  Anziehen  der  Preise 
auch  für  die  fertige  Ware  bedingte  und  dem  .großen  Publikum 
bessere  Qualitäten  immermehr  als  Luxusartikel  erscheinen  läßt. 
So  trat  dann  nur  in  billigen  Genres  und  Mittelqualitäten  gute 
Nachfrage  in  Erscheinung.  -Hervorgehoben  zu  werden  verdient, 
daß  Brokat-Dama-st  bevorzugt  wurde,  der  infolge  seiner  relief- 
artigen Ausrüstung  und  sehr  eleganter,  schöner  Muster  besonders 
lockte.  Für  Ausstattungen  wurde  gern  ein  Dessin  durchgehend 
in  allen  Größen  gewählt,  um  durch  Aneinanderdecken  für  jede 
Personenzahl  eingerichtet  zu  sein.  Was  die  Geschmacksrichtung 
betrifft,  so  wurden  die  stilisierten  Muster  vollständig  von  natür- 
lichen, gefälligen  Blumen-,  Ranken-,  Kleeblatt-  usw.  Zeichnungen 
verdrängt.  Da  runde  Tische  zurzeit  sehr  beliebt  sind,  kamen  viele 
runde  resp.  quadratische  Tischzeuge  mit  rundem  Muster  auf  dem 
Markt,  welche  bis  zu  350  cm  Durchmesser  fabriziert  wui^den. 
Als  'Kaffee-  oder  Teegedecke  wurden  ganz  weiße  mit  Hohlsaum 
oder  solche  mit  farbiger  kochechter  Spritzmalerei  besionders  viel 
gekauft.  Für  Speisezimmer  wurden  runde  oder  eckige  Kochel- 
leinendecken  mit  vollständig  bedecktem  Fond  gern  verwendet. 
Hauptsächlich  waren  es  Muster  in  französischem  Geschinack,  oder 
solche  nach  alten  Gobelins,  die  in  schönen,  ineinandergreifenden 
Farben,  jedem  Wohnungsstil  angepaßt,  in  den  Handel  gebracht 
wurden.  '  Als  Tafelzierwäsche  waren  eckige,  runde  und  ovale 
Decken  und  Läufer  in  ganz  weiß  mit  weißer  Garnstickerei,  Filet- 
feldern, Spitzen  usw.  beliebt.  Schließlich  wurde  als  Neuheit  ein 
preiswerter  Tafelschmuck  in  weiß,  mit  Einsatz  und  Spitzen  in 
allen  Größen,  für  Tische,  Büfetts,  Anrichten,  Tabletts,  Teller, 
durchgehend  das  gleiche  Dessin,  sogenannte  deutsche  Handarbeit 
in  Madeirastickereiausführung  angeboten.  Dieser  Artikel  fand 
bei  der  Kundschaft  wij.lige  Aufnahme,  da  er  billig  ist  und  viel 
hermacht. 
Handtücher,  Der   Konsum   in  Handtüchern   ist,   wie   schon   im   Vorjahre, 

in  den  mittleren  und  billigeren  Qualitäten  gestiegen,  während 
er  in  den  besseren  und  feineren  Geweben  zu  wünschen  übrig 
ließ.  Kräftige  Hausmacher-  sowie  Gerstenkorntücher  wurden  am 
meisten  verlangt.  Bemerkenswert  erscheint,  daß  die  Qualitäten, 
welche  eine  weiche  Ausrüstung  hatten,  vorgezogen  wurden.  Er- 
freulich ist,  daß  trotz  der  erhöhten  Preise  Küchenwäsche  auch 
in  teureren  Qualitäten  ihren  Umsatz  halten  konnte,  was  wohl 
auf  die  guten  Erfahrungen  der  Hausfrauen  mit  der  Haltbarkeit 
der  besseren  Ware  im  Küchenbetriebe  zurückzuführen  ist. 
Badewäsche.    .  Der  Artikel  Badewäsche  hatte  im  Berichtsjahre  einen  weiteren 

Aufschwung  zu  verzeichnen.   An  der  Spitze  standen  Bademäntel, 


113.     Wäscherei. 


407 


die  in  entzückenden  Formen  und  Farben  gebracht  wurden.  Be- 
sonders beliebt  waren  dunkle  einfarbige,  auch  vornehme  Streifen- 
muster, die  von  Damen  wie  Herren  vorgezogen  wurden,  da  sie 
sich  im  Hausgebrauch  auch  als  Schlafrock  resp.  Morgenkleid 
verwenden  lassen.  Auch  Badeanzüge  und  Badehauben  in  reizen- 
den Xeuheiten  wurden  viel  verkaui't.  Für  iLnzüge  wurde  immer 
mehr  Trikotsto'ff  verlangt  und  sehr  hübsche  Formen  und  Farben 
auf  den  Markt  gebracht.  Badehauben  zeichneten  sich  durch  ihre 
Auswahl  aus.  Dieselben  waren  oft^  was  Form  und  Farben- 
zusammenstellungen betrifft,  kaum  von  einem  Hut  zu  unter- 
scheiden, doch  wurden  auch  solche  Formen  trotz  ihrer  hohejn 
Preise  vom  Damenpublikum  ^gern  erstanden. 

Der  Verkauf  von  Bettwäsche  war  im  Berichtsjahre  zufrieden- 
stellend. Für  Bettbezüge  wurden  hauptsächlich  gemusterte  und 
glatte  Baumwollstoffe  gekauft,  daneben  auch  Leinen.  Bevorzugt 
wurde  der  Verschluß  mit  doppelten  Knopflöchern,  da  er  be- 
deutend praktischer  ist  als  der  mit  Knopf  und  Loch.  Bettlaken 
wurden  in  Baumwolle,  Halbleinen  und  vor  allem  in  Keinleinen 
umgesetzt.  Für  elegante  Ausstattungen  wurden  hauptsächlich 
Ueberlaken  und  Kissenbezüge  aus  Bielefelder  Leinen  mit  Hand- 
stickerei und  echten  Klöppelspitzen  verarbeitet.  Für  einfachere 
Ausstattungen  wurden  Ueberlaken  und  Kissenbezüge  aus  Baum- 
wollstoff bevorzugt.  Und  zwar  wurde  meistens  verwendet:  IVäsche- 
tucli  mit  Maschinen-Hohlsaum  und  Lochstickereien,  oder  Barmer 
Spitzen,  die  an  Aussehen  und  Haltbarkeit  der  echten  Klöppel- 
spitze nahestehen  und  dabei  wesentlich  preisXverter  sind.  Plumeau- 
bezüge  wurden  wie  bisher  immer  noch  gern  aus  gemustertem 
Mull  oder  Batist  mit  Volant  gekauft. 

Während  die  Wäschefabrikation  im  ersten  Halbjahr  noch 
leidlich  beschäftigt  War,  machte  sich  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Jahres  leider  ein  merkliches  Abflauen  des  Geschäftsganges  be- 
merkbar. Die  Detaillisten,  die  am  Anfang  des  Jahres  noch  recht 
befriedigende  Orders  erteilt  hatten,  hielten,  wohl  mit  Rücksicht 
auf  die  allgemeine  wirtschaftliche  Depression,  auffallend  mit 
Aufträgen  zurück.  'So  waren  im  Laufe  von  1913  viele  Fabriken 
gezwungen,  ihren  Betrieb  einzuschränken.  Zahlreiche  Arbeite- 
rinnen, und  zwar  speziell  Heimarbeiterinnen,  wurden  dadurch 
in  die  Notlage  versetzt,  ihren  Verdienst  auf  anderen  Gebieten 
zu  suchen.  Wie  die  Lohnverhältnisse  sich  für  1914  gestalten 
werden,  läßt  sich  zwar  noch  nicht  bestimmt  voraussagen,  doch' 
scheinen  die  Aussichten  kaum  günstiger  wie  im  Berichtsjahre. 
Eine  bedauerliche  Folge  solcher  Arbeitsstockungen  ist  für  die 
Wäscheindustrie  dabei  stets  die,  daß  der  Branche  viele  tüchtige 
Kräfte  dauernd   verloren   gehen. 

113.  Wläscherei. 
Im  abgelaufenen  Jahre  wurde  allgemein  über  schlechten  Ge- 
schäftsgang   geklagt.     Es  ist  weder  eine  Besserung    der    Preise 


408  Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 

noch  auch  eine  Steig>eriing'  des  Vmsntzes  eingetreten,  obwohl 
auch  das  Vorjahr  sehr  unbefriedigend  verlaufen  war.  Die  ein- 
zelnen Posten  der  zur  E>einigung  eingelieferten  Wä^ehe  sind 
kleiner  geworden,  da  die  Hausfrauen  infolge  der  allgemeinen  De- 
pression am  Wäscheverbrauch  so  viel  wie  möglich  sparen,  und 
manches  im  Hause  reinigen  lassen,  das'  sie  früher  der  gewerb- 
lichen ^Waschanstalt  übergaben.  Die  erzielten  Preise  waren  nach 
^^ie  vor  sehr  gedrückt,  und  es  besteht  trotz  aller  Bemühungen 
um  Zusammenschluß  der  beteiligten  Kreise  keine  Hoffnung,  in 
absehbarer  Zeit,  eine  angemessene  und  einheitliche  Erhöhung  der 
Preise  durchzuführen.  Auch  eine  Verringeriing'  der  Unkosten 
war  nicht  zu  erreichen,  da  alle  "Waschmaterialien  ihre  bisherigen 
Preise  behaupteten.  Die  Seife  wurde  sogar  infolge  des  jährlich 
steigenden  Bedarfs  der  Kunstbutierfabriken  an  guten  Pflanzen- 
fetten aller  Art  teurer.  Der  Arbeitsmarkt  zeigte  ein  größeres  An- 
gebot an  Arbeitsuchenden  als  an  offenen  Stellen.  Die  vorhandenen 
Vakanzen  konnten  daher  durchweg  prompt  und  mit  ausgewählten 
Leuten  besetzt  werden.  Die  Löhne  blieben  fast  unverändert^ 
die  gesetzlichen  Abgaben  aber  stiegen  erheblich. 

Die  ganze  Lage  des  Gewerbe«  leidet  in  der  Hauptsache  an 
drei  ungünstigen  Paktoren.  Erstejis  ist  das  Betriebskapital  der 
einzelnen  Unternehmer  ungenügend,  weswegen  die  Zinsen  für 
Geldgeber  unverhältnismäßig  hoöh  sind.  Zweitens  übersteigen 
die  Neugründungen  den  tatsächlichen  Bedarf  bei  weitem,  woraus 
eine  ungesunde  Verteilung  des  Gesamtumsatzes  auf  zu  viele  Einzel- 
Unternehmer  resultiert.  Drittens  läßt  die  Preisberechnung  in 
den  allermeisten  Pällen  keinen  ausreichenden  Nutzen  und  daraus 
leitet  sich  als  Folgeerscheinung  eine  unlautere  Reklame  der  ver- 
schiedensten Art  zur  Erreichung  eines,  größeren  Umsatzes  her. 
Solange  diese  Uebelstände  nicht  erfolgreich  bekämpft  werden 
können,  ist  keine  Herabminderung  der  Konkurse,  keine  Gesundung 
des  Gewerbes  zu  erhoffen. 

114.    Konfektion    von    Schürzen,    Jupons,    Blusen 
und  Kinderk leidern. 
Erster  Bericht.  Erster   Bericht. 

Blusen.  Das  Jahr  1913  zeigt  eine  ähnliche  Entwicklung  des  Geschäfts- 

ganges in  der  Blusenbranche  wie  das  Vorjahr.  Durch  besonders 
geschmackvolle  Ausmusterungen  gab  der  günstige  Verkauf  auf 
der  Reise  zu  großen  Erwartungen  Anlaß,  die  sich  leider  wegen 
der  anhaltend  schlechten  Witterung  des  letzten  Sommers  und 
Ider  dauernd  unsicheren  politischen  Lage  nicht  im  geringsten 
erfüllt  haben.  Wenn  auch  die  Bluse,  speziell  in  Voile  und 
Lingeriearten,  sich  besonderer  Beliebtheit  erfreute,  und  diese 
Mode  eine  ständige  größere  Verbreitung  fand,  kann  das 
Ergebnis  des  Berichtsjahres  für  die  Fabrikanten  keineswegs  als 


114.  Konfekt,  v.  Schürzen,  Jupons,  Blusen  u.  Kinderkleidern.     409 


günstig  bezeichnet  werden.  Um  den  Anforderungen  und  der 
Nachirage  nach  diesem  Artikel  bei  einigermaßen  günstiger 
Witterung  gerecht  werden  zu  können,  waren  die  Fabrikanten 
gezwungen,  große  Läger  zu  unterhalten,  die  durch  den  überaus 
schlechten  Sommer  in  diesem  Jahre  fast  vollkommen  fest  lagen. 
Der  Absatz  des  bereits  im  Vorjahre  viel  begehrten  Grennes  Seiden- 
blusen hat  sich  weiter  wesentlich  gehoben,  auch  war  die  Nach- 
frage nach  Tullblusen  rege.  Die  Bluse  hat  im  allgemeinen  den 
Charakter  als  Hemdbluse  last  vollkommen  verloren,  die  straffen, 
festanliegenden  Formen  sind  den  losen  gewichen.  Zur  Verar- 
beitung gelangten  meist  dünne  volle-  und  besonders  crepeartige 
Gewebe,  sowohl  in  BaumHvolle  als  auch  in  Seide.  Das  Export- 
geschäft bewegte  sich  in  gewohnten  Bahnen. 

Der  weiße  Jupon  ist,  wie  in  dem  letzten  Bericht  bereits  an- 
gedeutet wurde,  'durch  die  enge  Mode,  welche  auch  in  diesem 
Jahre  herrschte,  von  den  Kombinationen  (Untertaillenröcke)  weiter 
verdrängt  worden,  doch  konnte  der  Absatz  durch  sohicke  Neuheiten, 
besonders  die  jgeschlitzten  Eöcke,  belebt  werden.  Die  Unter- 
taillenröcke haben  sich  eines  w^esentlich  höheren  Umsatzes  er- 
freut, die  Kollektionen  waren  entsprechend  der  Bedeutung  des! 
Artikels  sehr  reichhaltig;  gute  Stickereien  und  Klöppeleien  mit 
Valenciennespitzen  und  Handstickereien  verarbeitet,  waren  sehr 
beliebt. 

Zweiter  Bericht. 

Das  Jahr  1913  war  für  die  Schürzen-  und  Juponkonfektion 
im  großen  und  ganzen  unbefriedigend.  —  Der  Absatz  war  im 
Frühjahr  gut  zu  nennen,  der  schlechte  Sommer  wirkte  dagegen 
auf  das  Detailgeschäft  lähmend.  Die  Kundschaft  war  deshalb 
nicht  geneigt,  für  den  Herbst  größere  Aufträge  zu  erteilen. 
Aus  diesem  Grunde  sind  die  Umsätze  im  Herbst  zurückgegangen. 
Auch  die  erzielten  Preise  befriedigten  nicht.  Die  Fabrikation 
von  Schürzen  hat  sich  in  den  letzten  Jahren  in  allen  Gegenden 
des  Deutschen  Reiches  ausgebreitet.  Die  Konkurrenz  ist  stetig 
im  Wachsen  begriffen.  Niedrige  Löhne  in  Ost-  und  Westpreußen, 
in  Sachsen  und  im  Harz  ermöglichen  der  Fabrikation  dieser 
Gegenden  eine  scharfe  Konkurrenz  auf  dem  Berliner  Markte, 
und  drücken  im  Stapelgenre  die  Preise  bis  zu  einem  Tiefpunkt, 
der  kaum  noch  einen  Nutzen  laut.  Dazu  kommt  die  lebhafte 
■Nachfrage  der  Detaillisten  nach  billiger  Ware.  Die  „95-Pf'g.- 
Tage",  „weißen  Wochen"  und  die  „Sonder-Angebote",  die  die 
Detailgeschäfte  im  ausgedehnten  Maße  veranstalten,  werden  zum 
•großen  Teil  durch  das  Angebot  von  Schürzen  bestritten.  Große 
Massen  von  Waren  werden  so  mit  geringem  Nutzen  auf  den 
Markt  geworfen.  Der  Konsum  von  Schürzen  in  besseren  Preis- 
lagen isi  im  Berichtsjahre  ebenfalls  zurückgegangen,  und  auch 
das   Preisniveau  hat   sich   gesenkt. 


Jupons. 


ZweiterBericht. 


Allsemeines. 


Schürzen. 


410  VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

Jupons  Der  Artikel  Jupons  wurde  von  der  Mode  wenig  begünstigt. 

Die  enge  Kleidermode  verlangt  keine  oder  nur  einen  ganz  dünnen 
Jupon.  Jupons  aus  seidenen,  wollenen  und  auch  baumwollenen 
Trikots  standen  im  Vordergrunde  des  Interesses.  Jupons  aus 
Lustro,  halbwollenen  und  reinwollenen  Stoffen  waren  dagegen 
stark  vernachlässigt. 
Export.  Das  Exportgeschäft  war  zu  Anfang  des  Jahres  recht  leb- 

haft, ließ  dagegen  im  Herbst  und  zu  Ende  des  Berichtsjahres 
sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Der  Verkehr  mit  den  europäischen 
Liändern  gestaltete  sich  immer  schwieriger.  Der  neue  Handels- 
vertrag mit  Schweden  hat  der  Branche  den  schWedischen  Markt 
nahezu  gesperrt.  Nur  wenige  bessere  Artikel  finden  noch  ihren 
Weg  nach  Schweden,  da  Stapelartikel  unter  dem  Schutze  der 
hohen  Zölle  in  Schweden  selbst  fabriziert  werden.  Aehnlich 
steht  es  mit  der  Schweiz  und  mit  Holland.  Die  Unruhen  auf 
dem  Balkan  machten  sich  auch  im  Geschäftsgang  der  Schürzen- 
und  Juponkonfektion  sehr  störend  bemerkbar.  Die  ausstehenden 
".Gelder  gingen  nur  zum  Teil  ein,  und  der  Absatz  nach  den  be- 
teiligten Ländern  geriet,  solange  der  Krieg  dauerte,  vollständig 
ins  Stocken.  Auch  zu  Ende  des  Berichtsjahres  waren  für  den 
Absatz  noch  keine  normalen  Verhältnisse  in  den  Balkanstaaten 
eingetreten.  Es  dürfte  noch  eine  geraume  Zeit  dauern,  bis  dieser 
Markt  wieder  für  die  Branche  in  Frage  kommt. 
Arbeiter.  /  Die     Beziehungen     zwischen     Fabrikanten     und    Arbeitern 

"waren  normal.  Bis  in  die  Monate  Mai,  Juli  des  Berichtsjahres 
hinein  war  volle  Beschäftigung  vorhanden,  seit  dieser  Zeit  flaute 
sie  jedoch  ab,  und  ein  starkes  Angebot  von  Arbeitskräften 
machte  sich  bemerkbar. 

115.    Krawattenindustrie. 

Das  Jahr  des  wirtschaftlichen  Niederganges  1913  ist  natur- 
gemäß auch  an  der  Krawattenbranche  nicht  spurlos  vorüber- 
gegangen. Um  nicht  allzusehr  hinter  den  i Vorjahren  zurück- 
zubleiben, wurde  der  Umsatz  fast  lallenthalben  auf  Kosten  des 
ohnehiii  schon  geringen  Gewinns,  ja  teilweise  unter  Preisgabe 
desselben,  forciert.  Bei  so  ungünstiger  Geschäftslage  wurde  die 
tiiangelndo  Geschlossenheit  der  Branche,  infolgederen  man  der 
Willkür  der  Abnehmer  in  bezug  auf  Preise  und  Zahlungsweise 
machtlos  gegenüberstand,  doppelt  schmerzlich  fühlbar.  Nament- 
lich gaben  auch  im  Berichtsjahre  wieder  die  bei  den  Detailleuren 
so  beliebten  Sonder-  un'd  Saisonausverkäufe  häufige  Gelegenheit 
zu  effektiv  verlustbringenden  Preisofferten  der  Abnehmer  aji 
die  Fabrikanten.  Unter  dem  Druck  dieser  Verhältnisse  gaben 
auch  diejenigen  Kreise  der  Branche,  die  bisher  einem  Zusammen- 
schluß ablehnend  gegenüber  gestanden  hatten,  ihren  Widerstand 
auf,  und  es  wurde  ein  Verband  gegründet,  dem  über  SO^^/o   aller 


117.    Handel  und  Industrie  in   Seidenstoffen.  411 

Krawattenfabrikanten  Deutschlands  angehören,  und  der  trotz 
starker  innerer  Kämpfe  fest  entschlossen  ist,  so  bald  wie  möglich 
geordnete  Zustände  zu  schaffen,  um  der  Branche  einen  aJi- 
gemessenen  Verdienst  zu.  sichern.  Da  sich  infolge  der  geschil- 
derten Mißstände  die  Kreditverhältnisse  in  der  Krawatten- 
industrie wesentlich  verschlechtert  haben,  wodurch  wiederum  die 
Interessen  der  Stofflieferanten  berührt  wurden,  so  kam  ein  Kartall 
mit  den  letzteren  zustande,  das  beiden  Teilen  dienen  soll. 

Die  Mode  begünstigte  auch  im  Berichtsjahre  die  Binder- 
formen, die  etwas  schmäler  als  früher  getragen  wurden,  und 
die  die  konfektionierten  Artikel  fast  verdrängt  haben.  Auch 
dies  schlug  der  Branche  zum  Nachteil  aus,  weil  gerade  jene 
Formen  einer  leichten  Kontrolle  von  selten  der  Kundschaft  unter-, 
worfen  sind. 

Die  Arbeitsverhältnisse  waren  nach  wie  vor  günstig.  Bis 
zum  Schluß  des  Berichtsjahres  fanden  rührige  und  geschickt© 
Krawattenarbeiter  lohnenden   Verdienst. 

116.  Roßhaar-Spinnerei. 
In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1913  war  die  Beschäftigung 
in  der  Roßhaar- Spinnerei  noch  ziemlich  flott.  Die  Aufträge 
gingen  reichlich  ein,  und  es  gelang  auch,  die  Preise  weiter,  .wenn 
auch  nicht  in  dem  Maße  aufzubessern,  daß  dadurch'  der  Teuerung 
der  bessern  Rohmaterialien  hinreichend  Rechnung  getragen  wurde, 
die  einen  nie  gekannten  Stand  erreichten.  Seit  dem  Juni  flaute 
die  Beschäftigung  ab,  was  auf  das  Darniederliegen  der  Möbel- 
einrichtungsbranche zurückzuführen  war.  Fast  alle  Hotelneun 
bauten  in  Norddeutschland,  die  früher  durch  Berliner  Firmen 
ausgeführt  wurden,  gingen  in  den  letzten  Jahren  nach  Süddeutsch- 
land. Berlin  hat  dadurch  seine  früher  führende  Stellung  auf 
diesem  Grebiete  eingebüßt.  Auch  bei  dem  anderen  Teil  der  Kund- 
schaft, dem  Automobil-  und  Karosseriebau,  machte  sich  am  Ende 
des  Berichtsjahres  Mangel  an  Arbeit  bemerkbar,  und  infolgedessen 
ging  auch  hier  der  Konsum  in  Roßhaaren  zurück.  Die  Export- 
verhältnisfeie  waren  dagegen  —  Frankreich  ausgenommen  —  etwas 
günstiger.  In  diesem  Lande  wirkten  anscheinend  politische  Ver- 
stimmungen in  erheblichem  Maße  der  deutschen  Einfuhr  entgegen. 
Das  Verhältnis  zur  Arbeiterschaft  gab  zu  Klagen  keinen  Anlaß. 

117.    Handel    und   Industrie   in    Seidenstoffen. 

Erster  Bericht.  Erster  Bericht. 

Dias  Greschäft  des  Jahres  1913  war  infolge  der  füx  die  Seiden-  Allgemeines. 
Warenbranche  günstigen  Mode  recht  flott,  wurde  jedoch  durch  die 
Unbefriedigende  finanzielle  und  politische  Lage  ungünstig  beein- 
flußt. Die  Preise  der  Rohstoffe  zogen  an,  während  die  Preise  für 
Fertigware  nur  langsam  folgten.  Produktion  und  Umsatz  nahmen 
gegen  das  Vorjahr  zu,  was  in  erster  Linie  der  den  Seidenstoffen 


412 


Vn.    Textilindufetrie  und  Verwandtes. 


Export. 


Import. 


Arbeits- 
verhältnisse. 


Geldteuerung 


Verschiedenes. 


günstigen  Mode  zuzuschreiben  ist,  die  andererseits  einem  noch 
größeren  Aufschwung  des  Geschäfts  insofern  entgegenwirkte,  als 
sie  nach  wie  vor  den  engen  nur  geringe  Maße  erfordernden  Schnitt 
bevorzugte.  Weil  die  Mode  fast  ausschließlich  breite  Stoffe  ver- 
langte, fand  sogar  eine  Ueberproduktion  statt,  da  die  Fabrikanten 
Lufolgedessen  ihre  schmalen  Stühle  umänderten  und  so  annähernd 
das  doppelte  Quantum  erzielt  wurde.  Nach  besseren  Qualitäten 
machto  sich  eine  erhebliche  Nachfragte  bemerkbar,  während  Mittel- 
qualitäten schwach  lagen.  Dagegen  \vurden  ganz  billige  Quali- 
täten unter  scharfer  Konkurrenz  sehr  viel  auf  den  Markt  gebracht. 

Der  Export  nahm  infolge  der  mißlichen  Verhältnisse  auf  den 
meisten  Absatzgebieten  wesentlich  ab.  Eine  Ausnahme  bildete 
England,  das  mehr  als  im  Vorjalire  kaufte.  Von  besonderen 
Hindernissen  auf  dem  Gebiete  der  Zollpolitik  ist  nicht  zu  berichten. 
Wie  sich  die  Ausfuhr  in  Seidenwaren  naöh  den  Vereinigten  Staaten 
gestalten  wird,  wird  von  der  Handhabung  der  neuen  Tarif- 
bestimmungen in  Nord-Amerika  abhängen.  Bisher  stand  es  den 
dortigen  Zollbeamten  frei,  nach  Gutdünken  die  Verzollung  nach 
"^^-ertzoll  oder  Gewichtszoll  vorzunehmen. 

Die  Einfuhr  ausländischer  Fabrikate  nach  Deutschland  wird 
recht  erschwert  durch  die  unklare  Fassung  der  Vorschrift  des 
ideutschen  Zolltarifs,  betreffend  die  Einfuhr  von  undichten  Ge- 
weben. Die  einführenden  Firmen  sind  danach  der  subjektiven 
Bewertung  der  unter  diese  Rubrik  fallenden  Gewebe  von  seiteai 
der  Zollbeamten  unterworfen.  Eine  Revision  des  Wortlautes 
dieser  Vorschrift  ist  im  Interesse  des  Handels;  unbedingt  er- 
forderlich. 

Der  Arbeitsmarkt  war  in  der  Branche  im  allgemeinen  ruhig. 
Das  Angebot  von  Arbeitskräften  genügte.  In  der  Webeindustrie 
haben  Streiks  und  Aussperrungen  infolge  der  allgemeinen  wirt- 
schaftlichen Lage  nicht  stattgefunden.  Allerdings  hatten  die 
Färbereien  unter  einem  monatelangen  Streik  zu  leiden,  dessen 
schädliche  Wirkung  auf  die  Samt-  und  Seidenwarenbranche  nicht 
ausblieb.  Weiter  ist  zu  bemerken,  daß  Tarifverträge  auch  für  die 
Seidenbranche  angestrebt  iwurden,  zü  Ende  der  Berichtsjahre  jedoch 
keine  Aussicht  auf  Verwirklichung  hatten.  Lohnerhöhungen  fan- 
den teilweise  statt. 

Die  Geldteuerung  machte  sich  auch  in  der  Samt-  und 
Seidenwarenbranche  unangenehm  bemerkbar.  Jeder  Konsument 
schränlfte  seine  Einkäufe  nach  Möglichkeit  ein. 

Die  Kreditverhältnisse  wurden  durch  die  allgemeine  finan- 
zielle Lage  ungünstig  beeinflußt.  Auch  die  bevorstehende  Wehr- 
steuer warf  gegen  Ende  des  Berichtsjahres  bereits  ihre  Schatten 
voraus.  Das  Streben  nach  Kartellen  und  Syndikaten  ging  weiter. 
Die  regnerische  Witterung  des  Sommers  beeinflußte  die  sonst 
infolge  der  Mode  befriedigende  Lage  der  Branche  in  ungünstigem 


117.    Handel  und  Industrie  in   Seidenstoffen. 


413 


Sinne.  Die  Umsätze  ging-en  in  diesen'  Monaten  namentlich  auch 
in  der  mit  der  Branche  im  Zusammenhang  stehenden  fertigen 
Konfektion  sehr  zurück.  Auch  das  frühe  Osterfest  hat  wiederum 
sehr  großen  Schaden  gebracht,  so  daß  eine  endliche  Festlegung 
dieses  Festes  im  Interesse  des  Saisongeschäfte^  dringend 
erwünscht  ist. 


Kurventafel  1.     Preisschwankungen  in  Seidenzwirnen. 


1912 

in  den  ei 

nzelnen  Monaten,  in  Mark  fü 

r  1  kg. 

1913 

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Jan.  Fbr.  März  Apr.  Mai  Juni  Juli  Aug.  aept.  Okt.  Nov.  Dez.  Jan.  Fbr.  März  Apr.  Mai  Juni  Juli  Aug.  bept.  Okt.  Nov.  Dez. 

Mailänder  Organsin. 


Zweiter  Bericht. 

Die  im  vorjährigen  Bericht  ausgesprochenen  Befürchtungen^ 
daß  der  bereits  Ende  1912  fühlbare  Niedergang  der  Hochkon- 
junktur bei  weiterem  Andauern  der  politischen  Wirren  zu  einer 
wirtschaftlichen  Depression  führen  könnte)  erfüllten  sich  für 
die  deutsche  Textilindustrie  und  deren  Abnehmerkreise,  soweit 
es  sich  nicht  um  einige  von  der  Mode  begünstigte  Artikel  handelte, 
bereits  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  in  vollstem  Maße.  Dies 
gilt  im  besonderen  von  der  Seidenstoff-  und  Seidenplüschweberei. 
Unter  der  verminderten  Kaufkraft,  den  hohen  Lebensmittelpreisen 
und  dem  teuren  Geldstand  litt  bereits  die  Sommersaison  sehr  stark, 
während  das  noch  viel  wichtigere  Wintergeschäft  zudem  durch 
einen  außergewöhnlich  milden  Herbst  vollständig  verdorben 
wurde.  Rückgang  der  Umsätze,  Produktionseinschränkungen  und 
Lohnausfälle  warfen  gegen  Ende  1913  bereits  ihre  Schatten  auf 
die  Konsumkraft  des  kommenden  Jahres  voraus,  und  die  neuen,  von 
den  Erwerbsständen  in  solchen  Zeitläuften  doppelt  schwer  zu 
tragenden  Lasten  werden  des  weiteren  zur  Beschleunigung  des 
wirtschaftlichen  Niederganges  beitragen. 


ZAveiterBerichl 


Allgemeine.s- 


414 


Vn.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Kurventafel  2.    Preisschwankungen  in  Baumwolle 

in  den  einzelnen  Monaten,  in  Dollar  für  100  kg. 


31 


30 


29 


26 


25 


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Jan.    Febr.  März   April    Mai     Juni     Juli     Aug.  Sept.   Okt.    Nov.      Dez. 
1912  1913 


117.    Handel  und  Industrie  in  Seidenstoffen.  415 

Die  Lage  des  Fabrikanten  war  am  Jahresschluß  weiter  er- 
schwert durch  die  außerordentliche  Höhe  der  Materialpreise, 
speziell  für  Seide  und  Baumwolle,  die  sich  im  GTegensatz  zu  der 
allgemeinen  wirtschaftlichen  Lage  aus  deren  statistischen  Po- 
sition ergab. 

Farbenfreudige   Couleuren,    in   glatt   und   gemustert   —   zu-  Einzelne 

meist  stückgefärbt  — ,  erfreuten  sich  besonderer  Gunst.     Hinter  ^^  ^** 

ihnen  ti^at  schwarze,  stranggefärbte  Ware  erheblich  zurück.  Für 
Mäntel,  besonders  aber  für  Kostümzwecke  mußten  die  Gewebe 
weich,  schmiegsam  und  chiffonartig  sein.  Diese  Geschmacks- 
richtung, die  sich  auch  auf  Pohlgewebe  übertragen  hat,  dürfte 
die  kommende  Saison  noch  in  erhöhtem  Maße  beherrschen.  Fell- 
imitationen in  bis  dahin  nicht  gekannter  Vollendung  in  schwarz 
und  maulwurffarben  waren  an  Stelle  der  in  den  letzten  Saisons 
dominierenden  Velours  du  Nord  der  Hauptsaisonartikel  der 
Damenmäntelkonfektion.  Da  jedoch  infolge  des  besonders  flauen 
Geschäftsgangs  am  Ende  des  Berichtsjahres  bedeutende  Mengen 
dieses  Artikels  am  Markte  waren,  so  dürften  seine  Chancen  1914 
ebenso  ungünstig  werden,  ,wie  die  von  Velours  aus  dem  gleichen 
Grunde  im  Jahre  1913  waren,  zumal  es  sich  dabei  um  einen  durch- 
aus den  Stempel  des  vergangenen  Jahres  tragenden  Artikel  handelt. 
In  gemusterten  Kleiderstoffen  .wurden  hübsche  durch  kunstseidene 
Schußeffekte  wirkungsvolle  Neuheiten  herausgebracht.  In  Möbel- 
stoffen war  das  Geschäft  infolge  neuer  Musterungen  in  niedrigen 
und  mittleren  Preislagen  belebt.  Schwarze,  halbseidene  strang- 
gefärbte Gewebe  waren  vernachlässigt.  Für  Damen-  und  Abend- 
mäntelzwecke waren  der  Musterung  für  Sommer  1914  entsprechend 
umfangreiche  und  kostspielige  Kollektionen  in  Jaquardgeweben  in 
möglichst  weich  fallender  Ware  in  Arbeit.  Schwarzen  und  far- 
bigen Krepongeweben  schenkte  man  ebenfalls  wieder  Beachtung. 

Schappe  stand  gegen  Ende  des  Jahres  10 — 15  o/o,  reale  Seide  Preise, 

im  Durchschnitt  20  o/o  und  Baumwolle  15  o/o  unter  der  niedrigsten 
Jahresnotierung.  Der  hohe  Preisstand  der  Schappe  war  in  der 
Knappheit  der  Strusen,  der  Seide  in  dem  Mindererträgnis  der  euro- 
päischen Ernten,  sowie  in  der  starken  Nachfrage  Amerikas  nach 
China-  und  Japangespinsten  begründet.  Für  Baumwolle  dürfte 
erst  nach  Feststellung  des  definitiven  Ernteergebnisses  eine 
einigermaßen  zuverlässige  Preisbasis  geschaffen  sein. 

Gegen  Ende  des  Berichtsjahres  wurde  der  Ertrag  der  ägypti- 
schen Ernte  auf  ca.  1%  Mill.  Kantar  ttnd  der  der  amerikanischen 
Ernte  auf  13 — 14V2  Mill.  Ballen  geschätzt.  Baumwolle  middl. 
Amerik.  kostete  am  2.  Januar  1913  66  Pf.  per  engl.  Pfd.  looo 
Bremen  und  fiel  am  6.  August  auf  den  niedrigsten  Stand  von 
603/4  Pf.  Ende  September  erreichte  sie  mit  74  Pf.  den  höchsten 
Stand,  von  dem  sie  bis  Mitte  November  wieder  bis  auf  69  Pf. 
herunterging.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  die  Standardmarke  für 
Chappe  200/2  fach  Lot  200  mit  27  Fr.  per  Kilo  notiert,  womit 


416  VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

sie  nur  noch  'uml  2  Fr.  hinter  ihrem  jemals  eingenommenen  höchsten 
Stande  zurückblieb.  Canton  Organsin  40/44  notierte  im  April 
d.  J.  46,50  Mk.;  Mail.  Organsin  20/22  erste  Marken  Mitte 
November  52,50  Mk.  Cref eider  Condition;  Mail.  Grenadine  20/21 
zur  gleichen  Zeit  54,—  Mk.  per  Kilo. 
Export.  Ueber  das  Exportgeschäft  ist  wenig  erfretiliehes  zu  berichten. 

Speziell  die  Seidenindustrie  ist  imi  :all gemeinen  duröh  die  hohen 
Zölle  auf  Seidenwaren  und  die  in.  den  in  Betracht  kommenden 
Ländern  meist  hoch  entwickelte  Eigenindustrie  in  erster  Linie 
auf  den  Inlandmarkt  angewiesen,  auf  dem  die  scharfe  Konkurrenz 
in  schlechten  Zeiten  um  so  unliebsamer  empfunden  wird.  Nach 
England  ging  die  Ausfuhr  deutscher  Seidenwaren  weiter  zurück. 
iDer  englische  Handel  ist  zurzeit  der  bedeutendste  Abnehmer 
der  Lyoner  und  Züricher  Seidenfabrikation.  (Der  Export  nach 
Kanada  hat  sich  bisher  nicht  der  Entwicklung  dieses  aufstreben- 
den Landes  entsprechend  gehoben.  Die  Zollermäßigungen,  diei 
der  neue  amerikanische  Tarif  den  Erzeugnissen  der  Branche  ge- 
bracht hat,  sind  nur  unwesentlich.  Seidene  Plüsche  sind  sogar 
um  5  o/o  im  Zolle  erhöht  worden.  Ob  nidht  andererseits  die  Ab- 
schätzung der  Ware  ligoroser  gehandhabt  werden  wird,  muß 
die  Praxisji  ergeben.  In  keinem  Fall  steht  zli  erwarten,  daß  deut- 
sche Seidenwebereien  durch  die  amerikanische  Zollreform  einen 
irgend  nenneswerten  Impuls  erhalten  und  nunmehr  mit  den 
amerikanischen  in  erfolgreichen  A\"ettbewerb  treten  könnten.  So- 
mit ist  die  deutsche  Seidenindustrie  trotz  ihrer  hohen  technischen 
Entwicklung  in  erster  Linie  auf  den  eigenen  Markt  angewiesen. 

Dritter  Bericht.  Dritter  Bericht. 

Bandartikel.  Dia  die  Modc   Bandartikel   außerordentlich    begünstigte,   ge- 

staltete sich  das  Geschäftsjahr  1913  für  den  Handel  mit  Seiden- 
band und  PutÄstoffen  günstiger  als  man  erwartet  hatte.  Zu 
Beginn  der  Prühjahrssaison  kamen  gestreifte  sowie  auf  Kette 
bedruckte  Bänder  (Chines),  die  lange  Zeit  die  Läger  beschwert 
hatten,  in  Mode  und  konnten  zu  den  besten  Preisen  abgesetzt 
werden.  Die  Fabriken  wurden  mit  Aufträgen  überschüttet.  Dem- 
entsprechend hatte  es  der  Fabrikantenring  leicht,  die  Preise 
für  Modebänder  um  40  o/o  zu  steigern.  Im  Mai  aber  brach 
em  Färber-  und  Druckerstreik  aus,  der  fast  zwei  Monate 
dauerte  und  die  deutsche  und  die  schweizerische  Bandindustrie 
schwer  schädigte.  Die  Versuche  der  Fabrikanten,  die  Seide  in 
Italien  und  in  Frankreich  färben  zu  lassen,  schlugen  fehl,  weil 
die  dortigen  Färbereien  die  Erschwerung  für  Seidenband  nicht 
herausbrachten.  Es  ist  hierdurch  viel  Material  verdorben  worden. 
Glücklicherweise  konnten  die  Fabriken  in.  St.  Etienne  den  not- 
wendigen Ersatz  in  gemusterten  und  Chinebändern  liefern.  Dank 
der  ausgezeichneten  Hilfsindustrie  in  Frankreich  hatte  sich  der 
dortige  Markt  schnell  genug  auf  die  große  Nachfrage  einrichten 


118.    Großhandel  mit  Maiiufakturwareii. 


417 


können,  doch  bleibt  es  bedauerlich,  daß  diese  sehr  großeoa  Posten 
der  deutschen  Pabrikatiooi  verloren  gingen.  Stapelbänder,  d.  h. 
glatte  Taffetbänder  in  allen  Breiten,  die  für«  viele  Branchen  ver- 
wendet werden,  kann  die  französische  Fabrikation  jedoch  nicht 
gleichwertig  her^^orbringen.  In  diesen  Artikeln  herrschte  großer 
Mangel,  der  auch  zu  Ende  des  Jahres  noch  nicht  ganz  über- 
wunden war.  Infolgedessen  zogen  die  Preise  aa;  doch  w^oUte 
siöh  die  Kundschaft  nur  schwer  an  die  Steigerung  gewöhnen, 
die  dabei  nicht  einmal  der  Preisaufbesiserung  entsprach,  die  der 
Zwischenhandel  der  Fabrik  gewähren  mußte,  auch  waren  die 
Preise  nicht  übertrieben  hoch.  Bis  Anfang  1914  hatten  sie  den 
Stand  von  1907  noch  nicht  erreicht.  In  den  letzten  Jahren  ist 
eben  der  Bandartikel  sehr  entwertet  worden.  Die  für  den  Herbst 
befürchtete  Uebersättigling  des  YerbraUichs  traf  glücklicherweise 
nicht  ein.  Man  hatte  an  ©in  sidhnelles  Ende  der  Mode  geglaubt, 
weil  sie  bis  in  die  juntersten  Stände  gegangen  war.  Aber  für 
den  Herbst  Und  auöh  für  die  Ballaaision  setzte  der  Bandkonsum 
verstärkt  ein.  [Die  Phantasie  schweizerischer  und  französischer 
Dtesfeinateure  brachte  wahre  Kunstwerke  von  Chines  in  Taffet-, 
Satin-  und  Sammetgeweben  hervor.  In  früheren  Jahren  war 
es  wbhl  eine  Seltenheit,  im  pDietailhandel  für  ein  Meter  Band 
6  Mk.  zu  erzielen,  was  in  der  zweiten  Hälfte  des  Berichtsjahres 
der  Durchschnittspreis  für  dieses  Genre  Kleiderbänder  war.  Gute, 
reiche  Chines  brachten  12  Mk.  bis  20  Mk.  für  das  Meter.  Die 
Herbstmode  für  Hüte  bradhte  keine  Verwendung  von  Band,  der 
Sammethut  konnte  noch  immer  kein  Band  gebrauchen.  D'afür 
entschä;digte  der  große  Bedarf  in  Sammeten  und  auch  in  Peluchen. 
Die  letzteren  kamen  namentlich  im  Oktober  auf.  Daß  so  die 
gix)ßen  Sammetläger  der  Fabriken  und  des  Zwischenhandels  ganz 
geräumt  werden  konnten,  ist  als  großer  ^^orteil  anzusprechen. 
Putzstoffe  waren  im  Berichtsjahre  gänzlich  aus  dem  Verbrauch 
verschwunden. 


118.  Großhandel  mit  M  a  n  u  f  a  k  t  u  r  w  a  r  e  n. 
Erster  Bericht. 
Die  Sdiwierigkeiten,  mit  denen  das  Engrosgescshäft  in 
Kleiderstoffen  im  Jahre  1912  zu  kä,mpfen  hatte,  machten  sich 
auch]  im  Berichtsjahre  gelt-end  und  verschärften  sich  wohl  noch 
zeitweise.  Die  durch  die  politische  Lage  verursachte  Beunruhi- 
gung veranlaßte  viele  Abnehiaer,  ihre  Bestellungen  auf  das  aller- 
notwendigste  einzuschränken.  Auch  durch  die  in  vielen  Kreisen 
herrschende  Besorgnis,  daß  die  steuerpolitis^ohen  Maßregeln  hem- 
mend auf  den  Konsum  einwirken  würden,  wurde  das  Geschäft 
Wesen tlidli  erschwert.  Als  belebendes  Moment  ist  einzig  und  allein 
die  Mode  für  Phantasiestoffe  und  ihr  häufiger  Wechsel  anzusehen, 
der  wiederholt  Neuanschaffungen  für  die  Detailleure  notwendig 
machte.    Anderseits  aber  litten  Fabrikanten  und  Grossisten,  die 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  27 


Erster  Bericht. 

Damen- 
kleiderstofFe. 


418 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


sich  hauptsächlich  mit  der  Herstellung  und  dem  Vertrieb  von 
glatter  Ware  beschäftigen,  andauernd  unter  der  erwähnten 
■Mode.  Im  Gera-Greizer  Fabrikdistrikt  standen  zeitweise  die 
Hälfte  der  dort  befindlichen  Stühle  still.  Zu  Anfang  des  vierten 
Quartals  begann  das  Geschäft  sich  zu  beleben  und  eine  laichte 
Besserung  zu  zeigen.  Der  so  lange  zurückgehaltene  Konsum 
machte  sich  geltend,  und  die  Belebung  hätte  weitere  Fortschritte 
gemacht,  wenn  die  außergewöhnlich  warme  Witterung  des 
Herbstes  ihr  nicht  hindernd  im  Wege  gestanden  hätte. 
Export.  Der     Balkankrieg    machte    die    Ausfuhr   nach    den    Balkan- 

ländern unmöglich.  In  Oesterreich  lagen  die  Verhältnisse  infolge 
der  drohenden  Kriegsgefahr  und  den  audauemden  Rüstungen  sehr 
sohlecht.  Das  Geschäft  nach  den  übrigen  Ländern  hielt  sich  in 
den  allenthalben  durch  hohe  Schutzzölle  gesteckten  engen  Gren- 
zen. Von  dem  neuen  Zolltarif  der  Vereinigten.  Staaten  mit  seinen 
für  Textilwaren  erheblich  herabgesetzten  Zollsätzen  verspricht 
man  sich  günstiges.  Wenn  das  Engrosigeschäft  auch  nicJit  direkt 
an  der  Ausfuhr  nach  der  Union  beteiligt  ist,  der  betreffende  Ex- 
port vielmehr  fast  ausschließlich  in  den  Händen  der  Fabrikanten 
liegt,  so  würde  doch  durch  größere  Aufträge  aus  den  Vereinigten 
Staaten  an  die  Fabrikanten  der  heimische  Markt  von  dem  Druck 
des  Ueberangebotes  wenigstens  teilweise  befreit  werden,  woraus 
das   Engrosgeschäft  indirekt   Vorteile   ziehen   könnte. 

Zweiteriiericht.  Zweiter  Bericht. 

Engroshandei.  Die    Gesdiäftslage   im   Engroshandel    für   Kleiderstoffe   war 

während  des  Berichtsjahres  im  Vergleich  zu  dem  Vorjahre,  so- 
weit der  deutsche  Markt  in  Frage  kommt,  nicht  wesentlich  ver- 
ändert. Das  Nachlassen  des  Massenkonsums  in  Stapelqualitäten, 
das  schon  im  Jahre  1912  in  Erscheinung  getreten  w^ar,  imd  die 
lebhaftere  Nachfrage  nach  Phantasiegeweben  aller  Art  gaben  dem 
Geschäftsjahr  1913  die  Signatur.  Der  Ausfall,  weldher  infolge 
des  Minderverbrauclis  von  Stapelqualitäten  zu  verzeichnen  war, 
wurde  zum  großen  Teile  durch  den  Mehrverbrauch  in  Phantasie- 
artikeln ausgeglichen,  so  daß  die  Umsätze  ziemlich  auf  der  Höhe 
des  Vorjahres  blieben. 
MateriaUen.  Die  Preise  der  Materialien  waren  zum  größten  Teil  stabil, 

zeigten  jedoch  im  einzelnen,  in  den  letzten  Monaten  des  Berichts- 
jahres, eine  anziehende  Tendenz.  Das  gilt  namentlich  v^on  Seide 
und  Kunstseide.  Durch  den  größeren  Verbrauch  in  Phantasie- 
stoffen haben  sich  die  Preislagen  teilweise  aufgebessert.  Die 
Mode  bevorzugte  im  Berichtsjahre  für  Kleiderstoffe  Jacquard- 
gewebe in  Wolle,  wie  in  Halbseide  und  Seide.  Daher  wurde  die 
Nachfrage  nach  diesen  Mustern  so  stark,  daß  sie  kaum  befriedigt 
werden  konnte.  Ebenso  wurden  neuerdings  crepeartige  Gewebe 
bevorzugt,  die  eine  dominierende  Rolle  zu  spielen  begannen.  Der 
Umstand,   daß    zur    Herstellung    nur    Wechbelstühle    verwendet 


119.  Export  von  Manufaktunvaren  nach  überseeisch.  Ländern.     419 


werden  können,  beeinträchtigte  die  Massenproduktion  dieses  Ar- 
tikels sehr,  so  daß  dem  vorhandenen  großen  Bedarf  nicht  an- 
inähernd  Genüge  getan  werden  konnte.  Auch  die  Frühjahrs- 
kampagne  1914,  soweit  sie  gegen  Schluß  des  Berichtsjahres  be- 
reits begonnen  hatte,  stand  aussehließlieh  unter  dem  Zeichen 
dieser  Gewebe,  die  als  Krepeline  und  Krepons,  wie  auch  in  so- 
genannten Baumrindeneffekten  viel  gemustert  wurden.  Eine  voll- 
ständige Umwälzung  in  der  Geschmacksrichtung  war  hinsichtlich 
der  Farben  zu  verzeiciinen.  Die  Mode  bevorzugte  in  der  Haupt- 
sache ganz  neue,  krasse  Farben  töne,  ohne  auf  die  klassischen  Far- 
ben, die  früher  den  Konsum  hauptsächlidh  beherrschten,  noch  viel 
Rücksicht  zu  nehmen.  Die  Kleiderstoff-Grossisten  mußten  auch 
der  immer  größeren  Nachfrage  nach  Baumwollgeweben  Rechnung- 
trägen,  die  für  Kostüme,  wie  für  Gesellsehaftskleider  sehr  in 
Aufnahme  kamen.  Die  maßgebenden  Häuser  richteten  daher 
für  Nouveautes  in  baumwollenen  Stoffen  besondere  Abteilun- 
gen ein. 

Das    Exportgeschäft    hatte    seit    Beginn    der    Balkanwirren  Export 

namentlich  insofern  nicht  unerheblich  gelitten,  als  die  Aus- 
fuhren nach  den  am  Kriege  beteiligten  Staaten  aufgehört  haben. 
Erfreulicherweise  waren  jedoch  zu  Ende  des  Berichtsjahres 
bereits  Anzeichen  für  ein  Zurücklenken  des  Geschäfts  in  seine 
früheren  Bahnen  vorhanden.  Auch  der  Export  nach  anderen, 
für  die  Kleiderstoffbranche  in  Frage  kommenden  Ländern  hat 
ijieh  im  Berichtsjahre  schwieriger  gestaltet.  Diese  Verringerung 
des  ausländischen  Bedarfs  ist  wohl  auch  nicht  als  vorübergehend 
anzusehen,  sondern  dürfte  ihre  Ursache  darin  haben,  daß  die 
hetreffenden  Länder  sich  durch  Errichtung  eigener  Fabrik- 
etablissements  immer  mehr  von  dem  Auslande  unabhängig 
machen.  Die  Erleichterungen,  die  der  neue  Zolltarif  der  Ver- 
einigten Staaten  dem  Export  von  Kleiderstoffen  nach  Amerika 
-gebracht  hat,  dürften  weniger  den  Grossisten  als  den  Fabrik 
kanten  dieser  Branche  zugute  kommen.  Die  letzteren  werden 
zum  Teil  die  Beziehungen  wieder  herstellen  können,  die  sie 
vor  Inkrafttreten  des  letzten  Zolltarifs  zu  den  Abnehmern  in 
Amerika    unterhalten   hatten. 

I 
119.    Export   von   Manufakturwaren   nach   über- 
seeischen   Ländern. 

Auch  in  Argentinien  machte  sich  im  Berichtsjahre  die  all-  Argentinien 
gemeine  Geldknappheit,  und  zwar  um  so  empfindlicher,  bemerk- 
bar, als  die  rasche  wirtschaftliche  Entwicklung  dieses  Landes 
in  den  letzten  Jahren  zu  einem  übermäßigen  Steigen  aller 
Werte  geführt  hatte.  Als  nun  die  Banken  der  Kreditgewährung 
und  Diskontierung  engere  Grenzen  zogen,  gestalteten  sich  die 
Verhältnisse  auch  für  das  Geschäft  in  Manufakturwaren  insofern 

27* 


420 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


sehr  schwierig,  als  si<?h  in  den  Händen  der  Abnehmer  größere 
liagerbestände  angehäuft  hatten,  und  anderseits  die  direkten 
Importationen  in  dem  früheren  Maße  noch  andauerten.  Die 
Folge  war,  daß  für  die  neu  importierten  Waren  durchweg  nur 
wenig  befriedigende  Preise  zu  erzielen  waren,  und  daß  zahl- 
reiche Ealliments  auch  von  Firmen  eintraten,  denen  bisher  mit 
Hecht  bedeutende  Kredite  eingeräumt  worden  waren.  Die- 
schwierigen  Verhältnisse  dauerten  gegen  Ende  des  Berichts- 
jahres an  und  wurden  durch  die  Zurückhaltung  der  Banken 
sogar  noch  vergrößert.  Es  muß  damit  gerechnet  werden,  daß 
noch  geraume  Zeit  vergeht,  bis  sich'  das  Geschäft  in  Manufaktur- 
waren in  Argentinien  \vieder  günstiger  gestaltet. 

Uruguay.  Auch     in    Uruguay    waren     die    Absatzverhältnisse     wenig 

günstig.  Dieses  Land  litt  im  Berichtsjahre  imter  den  Folgen 
der  wiederholten  Revolutionen,  und  da  noch  immer  keine  voll- 
ständige politische  Beruhigung  eingetreten  ist,  so  wurden 
namentlich  im  Innern  des  Landes  die  Einkäufe  auf  das  Not- 
wendigste beschränkt.  Infolgedessen  ließ  der  Absatz  von  Manu- 
fakturwaren viel  zu  wünschen  übrig.  Eine  w^esentliche  Besserung- 
ist auch  dort  in  nächster  Zeit  kaum  zu  erwarten,  da  die  Vieh- 
zucht, auf  die  dieses  Land  ganz  besonders  angewiesen  ist,  durch- 
ungünstige Witterungsverhältnisse  sehr  nachteilig  beeinflußt 
worden  ist. 

Paraguay.  In   Paraguay   sind  die   inneren   politischen   Verhältnisse   in. 

letzter  Zeit  zwar  etwas  zur  Ruhe  gekommen,  jedoch  leidet 
dieses  Land  noch  imlner  sehr  unter  den  Folgen  der  fortwährenden. 
Beunruhigungen  der  letzten  Jahre  und  der  dadurdi'  veranlaßten 
überaus  ungünstigen  finanziellen  Verhältnisse.  "Wenn  sich  auch 
der  Absatz  von  Manufakturwaren  in  letzter  Zeit  gehoben  hat, 
so  kann  sich  doch  ein  regelmäßiges  Geschäft  dorthin  imter 
den  dauernd  schwankenden  Verhältnissen  noch  immer  nicht  ent- 
wickeln. 

Chile  In    Chile    war    der    Markt    für    Manufakturwaren    im    Be- 

richtsjahre sehr  stark  überfüllt,  während  die  Kaufkraft  des 
Landes  durch  den  imlner  weiter  weichenden  Kurs  sehr  beein- 
trächtigt wurde.  Auch  in  diesem  Lande  war  eine  Reihe  von 
Zahlungseinstellungen  in  der  Kundschaft  die  Folge  davon,  daß 
die  Abnehmer  zu  große  Lagerbestände  hatten,  die  sich'  unter 
den  schwierigen  Verhältnissen  nur  schWer  realisieren  ließen, 
Iwlährend  andererseits  auch  die  dortigen  Banken  die  frühere 
liberale  Kreditgewährung  wesentlich  einschränkten.  Die  Ge- 
treideernte im  Süden  Chiles  war  zwar  durchaus  befriedigend 
und  infolgedessen  auch  das  Geschäft  in  diesem  Teile  des  Landes: 
ein  besseres  als  in  den  nördlichen  Provinzen,  doch  wird  es- 
immerhin  noch  längere  Zeit  in  Anspruch'  nehknen,  bis  iin  all- 
gemeinen  in   Chile  wieder  günstige   Verhältnisse  eintreten. 


120.    Juteindustrie. 


421 


In  Peru  war  das  Geschäft  in  Manufakturwaren,  trotz  zeit- 
weiliger politischer  Beunruhigungen,  im  allgemeinen  zwar  ziem- 
lich normal,  doch  litten  auch'  die  Märkte  dieses  Landes  unter 
zu  starken  neuen  Zufuhren. 

In  Bolivien  war  der  Absatz  in  Manufakturwaren  im  all- 
gemeinen befriedigend,  wog'egen  in  diesem  Lande  die  Eintreibung 
■der  Außenstände  sich  besonders  schwierig  gestaltete,  und  auch 
die  finanziellen  Verhältnisse  zur  größten  Vorsicht  mahnten. 
Der  im  Juli  des  vergangenen  Jahres  ins  Amt  eingetretene  neue 
Präsident  widmet  den  finanziellen  Fragen  seine  besondere  Auf- 
merksamkeit und  hat  bereits  eine  Reihe  von  MaßnahWn,  die 
zur  Besserung  derselben  dienen  sollen,  in  Vorschlag  gebracht. 
Jedoch  ist  es  immerhin  zweifelhaft,  ob  oder  in  welchem  Um- 
fange diese   zur  Durchführung  gebracht  werden. 

In  Australien  und  Neuseeland  war,  da  diese  Länder  eine 
günstige  Ernte  an  den  Markt  bringen  konnten,  das  Geschäft 
in  Manufakturwaren  im  allgemeinen  befriedigend.  Zeitweise 
*\\^urde  es  jedoch  durch  verschiedene  größere  Streiks,  sowie  in 
letzter  Zeit  durch  eine  Pockenepidemie  erschWert,  die  eine 
größere  Ausdehnung  gewann  und  in  einzelnen  Städten  das  Ge- 
schäft   sehr   behinderte. 


Peru. 


Bolirien. 


Australien  und 
Neuseeland. 


120.   Juteindustrie. 

Die  Nachfrage  nach  Jutefabrikaten  war  wie  1912  auch  im 
ersten  Halbjahr  1913  sehr  lebhaft.  Der  Bedarf  des  Weltmarktes 
konnte  aber  insofern  bequem  befriedigt  werden,  als  die  Jute^ 
Industrie  in  Indien  durch  sehr  reichliche  VergrößerutigeJi  ihrer 
Betriebe  den  Ausfall  der  Produktion  kompensierte,  der  durch 
das  Verbot  der  Nachtarbeit  verursacht  worden  war.  Man  glaubte 
allgemein,  daß  die  sehr  grofien  internationalen  Ernten  der  Jute- 
Industrie  weiter  großen  Bedarf  zuführen  würden,  doch  wurden 
diese  Erwartungen  nicht  ganz  erfüllt.  lufolge  der  außerordent- 
lich hohen  Fabrikatpreise,  die  durch  Hohj utepreise  in  bisher 
nicht  beobachteter  Höhe  bedingt  waren,  schränkte  sich  der  Bedarf 
außerordentlich  ein,  und  der  Handel  in  gebrauchten  Säcken  kam 
zu  hoher  Blüte.  Anstatt  des  erwarteten  flotten  Herbstgeschäfts 
trat  eine  Verflauung  ein,  die  die  deutsche  Juteindustrie  zu  einer 
zehnprozentigen  Produktionseinschränkung  zwang.  Selbst  unter 
diesen  ^Verhältnissen  w^ar  die  Beschäftigung  in  den  letzten  Mo- 
naten des  Berichtsjahres  recht  mangelhaft.  Eohjute  wurde  im 
ersten  Vierteljahr  bis  auf  29  £  getrieben.  Nachdem  aber  von 
^Mißernten  in  Rohjute  infolge  ungünstiger  Witterungsverhält- 
nisse berichtet  worden  w^ar,  schnellten  die  Preise  noch  weiter 
in  die  Höhe,  und  je  melir  sich  die  Verbraucher  von  Monat  zu 
^lonat  mit  der  Tatsache  einer  quantitativ  und  qualitaitiv  ge- 
ringen Ernte  abfanden,  desto  mehr  sti:g:n  natürlich  die  Preise. 
So   kam   es,    daß   die   Notierungen   schließlieh    auf  nahezu   36    £ 


422 


Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Inlnndische 
Teppiche. 

Erster  Bericht. 
Geschäftslage. 


Rohstoffe. 


Preise. 


Grossisten. 


Arbeiter. 

Beschäf- 
tigungsgrad. 


Geschmacks- 
richtung. 


Aussichten. 


lauteten,  und  wenn  auch  die  Preise  gelegentlich  wieder  etwa^ 
a;bbröGkelten,  so  versteiften  sie  sicii  doch  bei  der  geringsten 
Nachfrage  immer  wieder.  Streiks  sind  im  Jahre  1913  in  kaum 
nennenswertem  Umfange  vorgekommen,  Tarifverträge  wurden 
nicht  abgeschlossen.  Schließlich  sei  wieder  auf  den  außerordent- 
lich störenden  Wagenmangel  hingewiesen. 

121.    Teppiche,    Linoleum,    AVachstuche. 
a)    Inländische  Teppiche. 

Erster  Bericht. 

Im  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  schlechten  Geschäfts- 
lage des  Berichtsjahres  gingen  die  Umsätze  wohl  überall  gegen 
das  Vorjahr  zurück. 

Die  Eohstoffe  erhöhten  weiter  ihre  Preislage  und  erreichten 
z.  B.  bei  J|ute  eine  Höhe,  die  für  die  Fabrikanten  fast  kritisch 
zu  nennen  war  und  einzelne  Geschäftszweige  beinahe  lahmlegte. 
Bei  der  Drucklegung  des  Berichtes  dauern  diese  Zustände  noch 
unverändert  an  und  lassen  tfür  die  nächste  Zeit  kaum  eine 
Besserung  erhoffen. 

Infolgedessen  standen  die  Verkaufspreise  trotz  der  teilweise 
durchgesetzten  Steigerung  in  einem  argen  ^lißverhältnis  zu  den 
Herstellungskosten. 

Unter  denselben  ungesunden  Verhältnissen,  die  durch  die  ge- 
ringere Nachfrage  noch  verschärft  wui^den,  hatten  auch  die 
Grossisten  zu  leiden.  Die  Folge  war  der  Zusammenbruch  mehrerer 
nicht  genügend   fundierter   Firmen. 

Der  Friede  zwischen  Arbeitgebern  und  -Nehmern  wurde  nicht 
gestört,  doch  mußte  teilweise  izu  Betriebseinschränkungen  ge- 
schritten werden,  da  es  angesichts  der  sinkenden  Konjunktui; 
nicht  im  Interesse  der  Fabrikanten  lag,  bei  den  teuren  Roh- 
stoffpreisen große  Läger  anzuhäufen. 

Die  früher  vorherrschenden  kleingemusterten  Ton-in-Ton- 
Dessins  wurden  klaum  noch  verlangt,  dagegen  hat  sich  aus  der 
schon  einige  Zeit  beliebten  Verdure-Richtung  eine  neue,  recht 
hübsche  Stilart  entwickelt,  die  hauptsächlich  ^ledaillonmuster 
mit  fein  abgetönten  Blumen  bringt. 

Daneben  wurden  weiter  persische  ^Motive  verlanget.  Diese 
Nachfrage  wurde  durch  die  aucb  im  Berichtsjahre  anhaltende 
Ueberschwemmung  des  Marktes  mit  orientalischen  Teppichen  her- 
vorgerufen. Daß  letztere  hinsichtlich  Solidität  durchaus  nicht 
immer  den  Erwartungen  des  Publikums  entsprechen,  ist  genügend 
bekannt,  muß  aber  immer  wieder  betont  werden. 

Die  Aussichten  für  das  neue  Geschäftsjahr  sind  nicht  gut. 
Die  Folgen  der  oben  geschilderten  ungünstigen  Umstände  dürften 
erst  im  kommenden  Jahre  voll  zum  Ausdruck  gelangen.  Ob  sich 
die  im  vorjährigen  Bericht  ausgedrückte  Hoffnung  auf  Belebung 


121.    Teppiche,   Linoleum,   Wachstuche. 


des  Geschäfts  nach  den  Wn^einigten  Staaten  unter  dem  ermäßigten 
Wilson  -  Tarif  erfüllen  wird,  bleibt  der  Zukunft  überlassen. 
Teilweise  wird  befürchtet,  daß  die  Einfuhr  nicht  ohne  Zoll- 
schwierigkeiten vor  sich  gehen  wird.  Die  Fassung  der  einzelnen 
Tarifpositionen  gestattet  nicht,  derartige  Bedenken  ohne  weiteres 
von  der  Hand  zu  weisen. 

Zweiter  Bericht. 

Vom  Januar  bis  März  1913  ging  das  Geschäft  gut,  alsdann 
verschlechterte  es  sich  ganz  bedeutend,  wofür  wohl  in  erster 
Linie  der  Krieg  auf  dem  Balkan  die  Ursache  war.  Ob  sich  infolge 
der  neuen  amerikanischen  Zoilverhältnisse  das  Exportgeschäft 
nach  den  Vereinigten  Staaten  lebhafter  gestalten  wird,  bleibt  ab- 
zuwarten. Die  Teppichfabriken  mußten  im  Berichtsjahre  ihre 
Arbeitszeit  teilweise  verkürzen  und  auch  Arbeiterentlassungen 
vornehmen. 

Dritter  Bericht. 

Das  Ergebnis  des  Geschäfts  in  Teppichen  im  Jahre  1913  kann 
nicht  als  zufriedenstellend  bezeichnet  werden.  Der  Absatz  vollzog 
sich  nur  unter  Schwierigkeiten  und  büßte  an  Ausdehnung  gegen 
idas  Vorjahr  ein.  Billige  Axminster-Qualitäten  sind  auch  in  1913 
weiter  vernachlässigt  worden.  Bevorzugt  wurden  Kettendruck- 
( Velours-)  Teppiche,  die  auch  in  niedrigeren  als  den  bisher  ge- 
brachten Preislagen  in  Konsumgrößen  neu  auf  dem  Markt  er- 
schienen. In  besseren  Qualitäten  gingen  sowohl  die  altbewährten 
Kettendruck-Teppiche,  welche  hervorragend  schön  ausgemustert 
wurden,  wie  auch  Axminster-Fabrikate.  Bei  letzteren  ist  sogar 
gerade  die  Nachfrage  für  feinere  Qualitäten  gestiegen.  Mehrere 
Fabriken  brachten  Tournay-Teppiche  in  besonders  populären  Preis- 
lagen heraus,  die  sich  anscheinend  sehr  gut  einführen  werden. 
Bezüglich  der  Musterung  ist  zu  bemerken,  daß  neben  den  immer 
gern  gekauften  und  von  der  Mode  unabhängigen  Persermustern 
Teppiche  im  Verdüre-Geschmack  viel  gebracht  wurden.  Auch 
blumige  Muster,  wie  sie  vor  vielen  Jahren  gekauft  wurden, 
wurden  jetzt  wieder  in  vorzüglicher  Ausmusterung  gebracht. 
Kleine  Stilmuster  sind  dagegen  fast  gänzlich  vom  Markte  ver- 
schwunden. 

Die  zur  Verarbeitung  kommenden  Rohstoffe,  besonders 
Jute,  Shoddy  und  für  Teppichfabrikate  geeignete  Wollen, 
haben  außerordentliche  Preissteigerungen  durchgemaeht,  denen 
die  Preise  der  Fertigfabrikate  nicht  folgen  konnten.  Obgleich 
alle  Arten  von  Teppichen  im  Berichtsjahre  wiederholt  Preis- 
erhöhungen erfahren  haben,  sind  dieselben  doch  noch  völlig  un- 
zulänglich im  Verhältnis  zu  den  Mehraufwendungen,  die  für 
Rohmaterialien  gemacht  werden  mußten. 

Die  schwierigen  Verhältnisse  auf  dem  Geld-  und  Effekten- 
markte haben  auch  auf  den  Handel  mit  Teppichen  einen  sichtlich 


ZweiterBericht. 


Dritter  Bericht. 
Allgemein. 


Rohstoffe. 


Kredit-  und 

(Jeld- 
verhältnisse. 


424 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Aussichten 


ungünstigen  Einfluß  ausgeübt,  weil  die  Konsumenten  in  schwie- 
rigen Zeiten  von  der  Anschaifung  eines  Teppichs  besonders  leicht 
Abstand  zu  nehmen  geneigt  sind.  Die  Geldknappheit  machte  sich 
auch  in  der  Teppichbranche  durch  Inanspruchnahme  ungewöhn- 
lich  langer   Ziele  störend  bemerkbar. 

Die  Aussichten  für  die  Teppichbranche  sind  zunächst  noch 
keine  günstigen,  denn  die  Eohstoffe  stehen  fortgesetzt  hoch,  und 
unter  dem  Einflüsse  des  demnächst  fällig  werdenden  Wehrst-euer- 
beitrages  wird  sich  wohl  auch  in  1914  mancher  Konsument  den 
Luxus  des  Ankaufs  eines  neuen  Teppichs  noch  versagen  müssen. 


Orient- 
Teppiche. 

Allgemein. 


Preise. 


Kredit. 


Ausblick. 


b)    Orient-Teppiche. 

Das  Geschäft  in  Orient-Teppichen  hat  sich  im  Vergleiche  zum 
Jahre  1912  wesentlich  verschlechtert.  Seit  der  Börsenkrisis,  die 
im  Oktober  1912  ihren  Anfang  nahm,  ist  eine  erhebliche  Ver- 
minderung des  Bedarfes  an  Orient-Teppichen  bemerkbar  geworden, 
die  im  ganzen  Berichtsjahre  anhielt.  Auch  bestsituierte  Firmen 
beschränkten  ihre  Einkäufe  auf  das  Notwendigste,  während  ein 
großer  Teil  der  Kundschaft  von  Käufen  für  feste  Rechnung 
völlig  absah  und  sich  des  nur  scheinbar  günstigen,  aber  dringenden 
Angebotes  von  Kommissionswaren  bediente.  Der  Absatz  orienta- 
lischer Teppiche  von  Deutschland  nach  dem  Auslande  hat  sich 
im  Jahre  1913  etwas  gehoben.  Die  Zahl  der  xlusländer,  welche 
zum  Bezüge  von  Orient-Teppichen  nach  Deutschland  kommen, 
wächst  von  Jahr  zu  Jahr,  Weil  die  Kunden  hier  vor'züglich  sortierte 
Läger,  besonders  auch  in  besseren  Qualitäten,  finden.  Die  Pro- 
duktions- und  Einkaufsmöglichkeiten  haben  sich  trotz  der  poli- 
tischen Unruhen  auf  dem  Balkan  im  Berichtsjahre  nicht  be- 
merkenswert verändert,  ebenso  haben  die  Banken  im  Orient  die 
Bevorschussung  von  Verschiff  ungen  nach' Konstantinopel  im  alten 
Umfange  wieder  aufgenommen. 

Die  Preise  sind  im  allgemeinen  stetig  geblieben,  nur  Avar  eine 
weitere  Erhöhung  laller  kaukasischen  Provenienzen  zu  verzeich- 
nen. Antike  und  außergewöhnlich  feine  Waren  waren  nach  wie 
vor  knapp  und  wurden  fast  über  den  Wert  bezahlt. 

Die  Kreditverhältnisse  waren  im  Berichtsjahre  recht  uner- 
freulich. Die  Mehrzahl  der  Kunden  verlangte  außergewöhnlich 
lange  Zahlungsfristen  und  hielt  auch  diese  oft  nicht  ein.  Auch 
ist  wiederum  eine  größere  Anzahl  von  Zahlungseinstellungen  zu 
verzeichnen  gewesen. 

Eine  Belebung  des  Geschäfts  in  Orient-Teppichen  darf  erst 
nach  völliger  Klärung  des  politischen  Horizonts  und  nach  sta- 
biler Ermäßigung  des  Reichs bank-Diskonts  erwartet  werden.  Es 
wäre  ferner  dringend  w^ünschenswert,  daß  Vereinbarungen 
zwischen  den  maßgebenden  Importfirmen  getroffen  würden  zur 
Abstellung   der   durch  Konsignationslager   und  übermäßig  lange 


121.    Teppiche,   Linoleum,    Wachstuciie. 


425 


Zahlungsziele    in    die   Erscheinung    getretenen   von    der    Branche 
selbst  verschuldeten  schweren  Uebelstände. 


c)   Linoleum. 
Erster  Bericht. 

Der  Handel  mit  Linoleum  hatte  im  Jahre  1913  unter  dem 
Einfluß  der  geringeren  Bautätigkeit  stark  zu  leiden.  Außer- 
dem konnte  man  an  das  Geschäft  mit  Bauunternehmern  wegen 
der  schwierigen  Geldverhältnisse  und  der  zweifelhaften  Bonität 
nur  mit  großer  Vorsicht  herangehen,  so  daß  der  Gesamtkonsum 
in  den  sogenannten  Bauqualitäten  erheblich  kleiner  blieb  als  im 
Vorjahre. 

Die  Konvention  des  Verbandes  der  deutschen  Linoleum- 
fabriken hat  in  1913  unverändert  fortbestanden  iind  sich  von 
den  Abmachungen  früherer  Jahre  nur  dadurch  unterschieden, 
daß  die  sieben  deutschen  Fabriken  ihre  Produktion  kontingentiert 
hatten.  Zwei  der  in  Frage  kommenden  Werke  waren  mit  ihrem 
Absatz  mehr  als  die  übrigen  fünf  Fabriken  zurückgeblieben, 
so  daß  letztere  sich  gezwungen  sahen,  ihre  Lieferungen  in  den 
Monaten  November  und  Dezember  auf  das  äußerste  einzu- 
schränken, um  nicht  zu  hohe  Kontingentstrafen  an  die  beiden 
notleidenden  Fabriken  zahlen  zu  müssen.  Auch  hierdurch  wurde 
das  Geschäft  in  den  letzten  Monaten,  allerdings  künstlich,  ge- 
hemmt. Nach  monatelangen  Verhandlungen  über  eine  Verlänge- 
rung der  Linoleumkonvention  für  das  Jahr  1914  sind  kurz  vor 
Jahresschluß  neue  Verträge  zwischen  den  im  Verbände  der  deut- 
schen Linoleumfabriken  vereinigten  sieben  Fabriken  geschlossen 
worden.  Es  ist  erfreulich,  daß  nach  den  schlechten  Erfahrung^en 
mit  der  Kontingentierung  während  des  Jahres  1913  diesem 
Hemmnis  gesunder  Entwicklung  für  1914  beseitigt  wurde. 
Aber  eine  der  sieben  Fabriken,  welche  bereits  im  Oktober 
ihren  Austritt  aus  dem  Verbände  per  Ende  1913  erklärt  hatte, 
hat  die  Zeit  bis  zum .  Abschluß  neuer  Verträge,  denen  auch 
sie  schließlich  beigetreten  ist,  dazu  benutzt,  um  konventions- 
widrige Verkäufe  zur  Lieferung  in  ;1914  zu  tätigen.  Die  mangelnde 
[Beliebtheit  gerade  des  in  Frage  stehenden  Fabrikates  dürfte  aber 
verhindern,  daß  hieraus  merklicher  Schaden  für  1914  entsteht. 
[Das  Bestreben  der  an  dem  Verlegegeschäft  in  Linoleum  be- 
teiligten Händlerschaft,  sich  auch  ihrerseits  zusammenzuschließen, 
hat  im  Berichtsjalire  weitere  Fortschritte  gemacht.  Es  haben 
sich  18  viher  das  ganze  Eeich  verteilte  Lokalvereine  in  den 
Hauptstädten  gebildet  zu  dem  Zwecke,  die  Verkaufspreise  der 
für  das  Baugeschäft  benötigten  Qualitäten  einheitlich  zu  ordnen. 
Diesen  Lokalvereinen  ist  der  Schutz  der  Fabriken  zugesprochen 
worden,  so  daß  eine  erfolgreiche  Sperre  derjenigen  Objekte  ver- 
fügt werden  kann,  bei  welchen  Unterbietungen  der  allerseits  ge- 
schützten  Preise   von   Außenseitern   vorkommen.    Dieses   Svstem 


Erster  Bericht 


Allgemeines. 


Konventions- 
verhältnisse. 


426 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes 


hat  sich  bewährt.  Es  kann  nur  als  billig  betrachtet  werden, 
daß  sich  nicht  nur  die  Fabriken  einen  auskömmlichen  Nutzen 
für  ihre  Fabrikate  sichern,  sondern  auch  ihren  Abnehmern  den- 
jenigen Schutz  gewähren,  welcher  zur  Erreichung  angemessener 
Preise  beim  Verkauf  an  die  Konsumenten  erforderlich  ist. 
Leinöl.  Von   den   zur  Herstellung  von    Linoleum   benötigten   haupt- 

sächlichsten Kohstoffen  ist  Leinöl,  das  im  Jahre  1912  eine 
früher  nie  geahnte  Höhe  erreicht  hatte,  wieder  auf  einen 
niedrigeren,  w^enn  auch  noch  nicht  normalen  Stand,  zurück- 
gegangen. Dagegen  wurde  Jute  so  teuer,  daß  die  Ersparnis  am 
Preise  des  Leinöls  von  den  Mehraufwendungen  an  Jute,  besonders 
bei  den  billigeren  Qualitäten,  gänzlich  aufgezehrt  wurde. 
Preise.  Die    Verkaufspreise    der    Fertig-Fabrikat^    sind    im    ganzen 

Jahre    1913    luiverändert   geblieben. 
Export.  Das  Geschäft  mit  dem  Auslande  dürfte  durch  die  Ermäßigung 

des  amerikanischen  Zolltarifes  für  gute  Qualitäten  Aussieht  auf 
weitere  Ausdehnung  bieten. 
Aussichten.  Die   Aussichten    für    das    Linoleumgeschäft   in    1914   dürfen 

als  günstig  bezeichnet  werden,  denn  die  Läger  der  Händlerschaft 
sind  klein,  und  man  darf  wohl  außerdem  noch  mit  einer  naeli 
und  nach  einsetzenden  Belebung  der  Bautätigkeit  rechnen.  Die 
Preiserhöhung,  welche  für  billige  Qualitäten  für  1911  beschlossen 
wurde,  wird   einer  normalen  Entwicklimo*  nicht  hinderlich  sein. 


Wachstuch 
und  Ledertuch. 

Allgemeines. 


Rohstotte. 


Ledertuche. 


d)    Wachstuch   und   Ledertuch. 

Das  Geschäft  in  AVachstuch.  vollzog  sich  im  Jahre  1913 
in  durchaus  normalen  Bahnen.  Der  Absatz  Jiat  unter  der  all- 
gemeinen Ungunst  der  Zeitverhältnisse  nicht  gelitten  und  blieb 
hinter   den    Vorjahren    nicht    zurück. 

Von  den  zur  Verarbeitung  gelangenden  Rohstoffen  zeigten 
baumwollene  Gewebe  eine  leichte  Tendenz  nach  oben.  Schwan- 
kungen auf  dem  Baumw^ollmarkte  machen  sich  erfahrungsgemäß 
bei  den  für  die  AVachstuchfabrikation  erforderlichen  Gew^eben 
weniger  scharf  bemerkbar,  weil  nur  wenige  AVebereien  auf  der- 
artige Spezialqualitäten  eingerichtet  sind.  Dagegen  ist  Leinöl 
nach  den  Rekordpreisen  des  Jahres  1912  wieder  auf  einen  an- 
gemesseneren, wenn  auch  noch  immer  über  dem  Durchschnitt 
früherer  Jahre  liegenden  Preis  zurückgegangen.  Erhebliehe 
Mehraufwendungen  mußten  aber  für  fast  alle  zur  Fabrikation 
erforderlichen  Chemikalien  sowie  für  Löhne  gemacht  werden.  Die 
Ersparnis  am  Leinölpreise  war  aber  immerhin  so  groß,  daß  die 
Fabriken  zu  Preiserhöhungen  in  1913  nicht  zu  schreiten  brauöhten. 
In  den  Musterungen  wurden  kleine  klare  Dessins  bevorzugt. 

Das  Geschäft  in  Ledertuchen  hatte  im  Jahre  1913  einen 
hesonders  großen  Umfang  angenommen,  weil  für  einige  Spezial- 
artikel,  wie  billige  Damengürtel  sowie  sogenannte  Südwesterhiue, 


122.    Handel  mit  Gardinen,   Spitzen  und   Stickereien. 


427 


ganz  bedeutende  Quant itä,ten  von  Leder tuchen  in  eigens  hierfür 
geschaffenen  Qualitäten  konsumiert  wurden. 

Der  Bedarf  an  sogenanntem  Kunstleder  hat  in  guten,  von 
der  Automobil-  und  Karosserie-Branche  benötigten  Qualitäten  an 
Umfang  zugenommen.  Bevorzugt  wurden  amerikanische  Fabri- 
kate, welche  sich  nunmehr  jahrelang  auf  das  beste  bewährt  haben. 

Der  Verkauf  von  Wachstuchen  und  Ledertuchen  nach  dem 
Auslande  ist  unverändert  klein  geblieben,  weil  nach  den  reziproken 
Abmachungen  mit  der  englischen  Konkurrenz  ein  erfolgreicher 
Kampf  gegen  dieselbe   nicht  unternommen  werden  kann. 

Es  sind  im  Jahre  1913  Versuche  zur  Bildung-  eines  deutschen 
Kartells  unternommen  worden.  Die  AVachstuehbranche  eignet 
sich  aber  wegen  der  Verschiedenheit  der  in  Frage  kommenden 
Fabrikate  weder  für  allgemeine  Preisvereinbarungen  noch  zur 
Kartellbildung.  Es  ist  daher  dringend  zu  wünschen,  daß  der- 
artigen Versuchen  geschäftsmäßiger  Kartell bildner  in  Zukunft 
gar  nicht  erst  Gehör  geschenkt  werde. 

122.  Handel  mit  Gardinen,  Spitzen  und  Stickereien. 

a)    Gardinen. 

Das  Berichtsjahr  brachte  unter  der  i]inwirkung  der  Mode 
eine  ganz  veränderte  Tendenz  für  die  einzelnen  Artikel.  Während 
man  in  den  Vorjahren  für  billige  Gardinen  als  Stapelware,  Stück- 
ware forcierte,  ging  man  1913  infolge  der  Moderichtung  und 
Nachfrage  dazu  über,  auch  in  billigeren  Qualitäten  moderne  Deko- 
rationen zu  schaffen.  Die  sogenannte  „Künstlergardine",  be- 
stehend aus  2  Langschals  und  1  Querbehang,  erlangte  insofern 
eine  gute  Nachfrage,  als  sie  durch  die  glatt  herabfallenden  Schals 
und  dem  Querbehang  eine  vornehme  Dekoration  bildet,  einen 
guten  Lichteinfall  in  die  Zimmer  gestattet  und  die  Beschaffung- 
dunkler  Uebergardinen  (Portieren)  erübrigt.  In  der  Herstellungs- 
weisc  unterscheidet  man:  1.  gewebte  englische  Tüll-Künstler- 
gardinen, 2.  konfektionierte  Spannstoff-  (Allover-)  Künstlergar- 
dinen,   3.    Erbstüll-Künstlergardinen. 

Nr.  1  und  2  brachte  man  in  den  Preislagen  von  ca.  3,50  Mk. 
per  Fenster  an  bis  zu  25  Mk.  per  Fenster,  teilweise  in  Spann- 
stoffond,  teilweise  mit  einseitigen  Bordüren,  die  den  Charakter 
einer  echten  ßpitzengardine  hatten.  Auch  bunte  Effekte  und 
Einsätze  waren  mehrfach  vertreten.  Speziell  Genre  2  ermöglichte 
es  jedem  Geschmack,  durch  die  Konfektion  gerecht  zu  werden, 
wozu  geeignete  Spannstoffe,  Klöppel-  und  Spitzeneinsätze  sowie 
Spitzen  in  reicher  Zahl  zur  Verfügung  standen.  Der  Umsatz  war 
bei  günstigen  Preisen  gut  und  bildete  den  Ausgleich  g-egen  die 
sonst  gangbaren  abgepaßten  (2  Schal-)  Gardinen  und  Stores, 
welche  beiden  Artikel  für  engl.  Tüll  fast  festgelegt  worden 
sind,  und  deren  Preise  infolgedessen  auch  zurückgingen.  Der  Um- 
satz in  Stückware  ist  durch  die  Künstergardine  ebenfalls  beein- 


Export. 


Kartell. 


428 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Etamiiie. 


trächtigt  worden.  Die  guten  Qualitäten  hatten  nicht  die  frühere 
Nachfrage,  es  gingen  daher  vorwiegend  die  Preislagen  bis  zu 
80  Pf.  i^ro  Meter,  und  zwar  vorwiegend  in  geschmackvollen  kleinen 
Spannstoffmustern  mit  geschmackvoller  Bordüre.  Wenngleich  in 
diesem  Stapelgenre  Stückware  ein  guter  Umsatz  erzielt  wurde, 
so  blieb  doch  einesteils  infolge  der  Beliebtheit  der  modernen 
Künstlergardinen,  andererseits  wegen  der  ungünstigen  wirt- 
schaftlichen Verhältnisse  der  Umsatz  gegen  das  Vorjahr  zurück, 
so  daß  Stückware  im  Ueberfluß  vorhanden  war.  Deshalb 
wurde  von  dem  Verband  der  Webereien  englischer  Tüll- 
gardJneu  eine  vorübergehende  Produktionseinschränkung  be- 
schlossen. Für  Stückware  kamen  noch  Spannstoffe  viel  in  Frage, 
und  zwar  130  bis  150  cm  breit  zur  Herstellung  von  Künstlergar- 
dinen, zum  Bespannen  von  Fenstern  und  sonstigen  Dekoratio- 
nen. Auch  Künstlergardinen-Stückware  mit  einseitiger  Bordüre 
wurde  später  in  verschiedenen  Preislagen  neu  gemustert  und  gut 
verkauft,  da  diese  für  jede  Fensterhöhe  und  in  der  benötigten 
Länge  geschnitten  werden  und  durch  die  einseitige  Bordüre  als 
Lambrequin  angewandt  werden  können. 

Lambrequins,  Scheibengardinen  (abgepaßt  und  Stückware), 
ferner  Deckchenartikel  hatten  die  bisherige  Bedeutung.  Auch 
Cöper-Kouleaux  und  Vorhänge  sind  im  gleichen  Quantum  wie  in 
den  Vorjahren  gekauft  worden.  Nennenswerte  Aenderungen  hin- 
sichtlich Musterung  kamen  nicht  vor.  Bettdecken  für  ein  und  zwei 
Betten  in  englischem  Tüll  und  in  Spannstoff  konfektioniert, 
sowie  Erbstüllbanddecken  gewannen  mehr  an  Bedeutung.  Da- 
gegen verringerte  sich  die  Nachfrage  nach  Bettwanddekorationen 
in  den  gleichen  Herstellungsarten,  da  diese  Dekorationen  mehr 
durch    dunkle   Dekorationsstoffe   hergestellt   wurden. 

Madras-Künstlergardinen  (Etamine  mit  buntfarbigen  Effek- 
ten) bildeten  auch  im  Berichtsjahr  einen  g'^ern  gekauften  Artikel 
für  Herrenzimmergardinen.  Bevorzugt  wurden  vorwiegend  gute 
Mittelpreislagen  von  6  bis  15  Mk.  per  Fenster.  Zum  Schluß  des 
Berichtsjahres  neigte  die  Musterung  in  diesem  xA.rtikel  zu  dunklem 
Fond  mit  farbigen  Effekten,  was  sehr  verkäuflich  erscheint. 

Für  gestickte  G-ardinen  und  Stores  ist  zuvörderst  auch  die 
Künstlergardine  zu  erwähnen,  speziell  im  Crochetgenre,  die  in 
höheren  Preislagen  gut  wirkte.  Stores  dagegen  gingen  haupt- 
sächlich in  Etamine-Tüll  mit  Klöppeleinsätzen  und  Handarbeits- 
effekten in  den  Längen  2,75  m  als  Halbstore.  Die  Umsätze  hielten 
sich  wegen  der  Konkurrenz  der  erwähnten  Künstlergardinen  in 
engem  Rahmen.  Daher  sahen  sich  auch  die  sächsischen  Fabri- 
kanten dieses  Artikels  veranlaßt,  die  Fabrikation  der  konfektio- 
nierten Spannstoff-Künstlergardinen  aufzunehmen.  Die  gang- 
barste Farbe  für  abgepaßte  Gardinen,  Stores  und  Künstlergardi- 
nen war   ivoire,    für   Stückware   weiß,   creme,   ecrue.     Unter   Bs- 


122.    Handel  mit  Gardinen,   Spitzen  und   Stickereien.  429 

rücksichtigung  sämtlicher  Zweige  des  Geschäfts  ist  sein  Ertrag 
als  mittelgut  zu  bezeichnen,  zumal  z,u  beachten  ist,  daß  die  Mode- 
richtung außerordentliche  Aufmerksamkeit  erforderte. 

b)    Stickerei. 

Das  vergangene  Jahr  war  dem  Handel  mit  Stickereien  nicht 
günstig,  insofern  wiederum  die  Preise  viel  zu  wünschen  übrig 
ließen.  Die  scharfe  Konkurrenz,  die  sich  gerade  in  dieser  Branche 
geltend  macht,  wird  besonders  dadurch  hervorgerufen,  daß  in 
der  Schweiz  die  früheren  großen  Exportaufträge  ausblieben.  Die 
übergroße  Zahl  der  dort  stehenden  Stickmaschinen  hatte  eine  ver- 
hältnismäßig zu  geringe  Beschäftigung  und  mußte  sich  neue  Ab- 
satzgebiete schaffen.  Leider  ist  der  deutsche  Markt  durch  diese 
Schweizer  Fabrikate  noch  wesentlich  mehr  überschwemmt  worden 
als  as  bisher  der  Fall  war.  Große  Quantitäten  regulärer  Ware 
wurden  als  Partie  angeboten  und  zu  außergewöhnlich  billigen 
Preisen  verkauft.  Auch  durch  die  automatischen  Stickmaschinen 
wurden  die  Preise  gedrückt.  Allerdings  ermöglichen  diese  Ma- 
schinen eine  ganz  besonders  gute  Ausführung  der  Ware,  stellen  sie 
aber  in  derartig  großen  Quantitäten  her,  daß  der  Konsum  sie  kaum 
aufzunehmen  vermag.  Handmaschinen  wäre  verlor  im  Laufe  des 
Jahres  weiter  an  Umsatz,  und  zwar  deswegen,  weil  die  Schiffchen- 
ware auf  der  eben  erwähnten  Automatenmaschine  fast  der  Hand- 
ware gleichwertig  herzustellen  ist  und  im  Preise  günstiger  aus- 
fällt. Die  Handmaschinenausführung  kommt  hauptsächlich  nur 
noch  für  Madapolam-  und  Mullstickereien  in  Frage  und  wird 
für  bessere  Preislagen  bevorzugt.  Da  diese  aber  für  die  Stapel- 
konfektion nicht  mitsprechen,  bewegte  sich  der  Umsatz  für  diese 
Ausführung  in  mäßigen  Grenzen.  Um  so  mehr  w^urde  die  Schiff - 
chenware  bevorzugt.  Doch  hatte,  wie  schon  erwähnt,  die  deutsche 
Industrie  nicht  den  großen  Anteil  daran,  den  sie  eigentlich  hätte 
haben  müssen.  Für  die  deutsche  Fabrikation  kamen  hauptsächlich 
nur  billige  Qualitäten- Schiff  chenware  in  Frage,  die  für  die 
Schürzenkonfektion  in  großem  Maße  gekauft  werden.  Dagegen 
wurde  für  die  Wäsche-  und  Blusenkonfektion  den  Schweizer 
Fabrikaten  der  Vorzug  gegeben.  Diese  übertreffen  nämlich  hin- 
sichtlich Musterung  und  Ausführung  die  deutschen  und  sind 
außerdem  wohlfeiler  als  diese.  Letzteres  namentlich  ist  ausschlag- 
gebend für  die  Bevorzugung  der  Schweizer  Wai-e.  Der  Haupt- 
konsum in  Stickereien  bewegte  sich  in  den  Breiten  von  ca.  3  bis 
20  cm.  Etwas  günstiger  war  das  Geschäft  in  Stickerei-Roben- 
volants sowie  Stickereistoffen.  In  diesen  Mustern  war  die  Be- 
schäftigung der  deutschen  Industrie  verhältnismäßig  gut,  und 
auch  die  dafür  erzielten  Preise  entschädigten  etwas  für  den 
Mangel  an  Aufträgen  in  den  eben  erwähnten  Artikeln. 
Madapolamlanguetten  behielten  die  bisherige  Bedeutung  und  hatten 


430 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


nach  wie  vor  eine  scharfe  Konkurrenz  in  den  Barmer  Artikeln. 
Im  allgemeinen  wäre  es  nur  wünschenswert,  wenn  für  Stickerei- 
artikel mit  Ablauf  der  Handelsverträge  eine  Einschränkung  des 
Veredlungsverkehrs  resp.  eine  Erhöhung  der  Einfuhrzölle  ein- 
treten würde,  damit  die  Branche  wieder  einmal  in  g-ünstigere 
Zeiten  blicken  kann. 

123.    Zeltefabrikation. 

AUgemeiues.  Infolgc  dcs   Balkankriegcs  waren  zu  Anfang   dieses  Jahres 

die  Absatzmöglichkeiten  günstig,  soweit  sich  nicht  die  österreichi- 
sche Konkurrenz  fühlbar  machte.  Sämtliche  am  Krieg  beteiligten 
Länder  bildeten  gute  Absatzgebiete,  dagegen  litt  das'  Allgemein- 
geschäft sehr  stark  unter  den  kriegerischen  Verwicklungen. 
Nach  Beendigung  des  Krieges  der  Verbündeten  gegen  Bulgarien 
trat  eine  sehr  starke  Verflauung  auch  der  Nachfrage  vom  Balkan 
her  ein.  Wenn  auch  durch  die  Heeresvermehrung  der  Beschäfti- 
gungsgrad wesentlich  erhöht  worden  ist,  so  kann  diese  Zunahme 
der  Aufträge  doch  lediglich,  als  vorübergehend  betrachtet  wer- 
den. Seit  Mitte  des  Berichtsjahres  ging  der  Export  auch  in  der 
Zeltbranche  bedeutend  zurück,  was  sich  außer  aus  der  Beendigung 
des  Balkankrieges  auch  aus  der  kritischen  Lage  erklärt,  in  der 
sich  im  Berichtsjahre  die  Länder  befanden,  die  hauptsächlich 
auf  Kautschukexport  angewiesen  sind. 
Preise.  Die  Einkaufs  Verhältnisse  waren  im  Berichtsjahre  für  Roh- 

material genau  so  ungünstig  wie  in  1912.  Flachs  war  fast  nicht 
vorhanden.  Infolgedessen  mußten  sehr  hohe  Preise  bezahlt  werden. 
Die  Baumwollernte  war  niöht  schlechter  wie  im  Vorjahre,  trotz- 
dem werden  die  Preise  noch  höher  getrieben.  Das  gleiche  läßt 
sich  für  Jute  sagen.  Infolgedessen  konnten  die  Fertigfabrikate 
nur  mit  ganz  gering'^m  Nutzen  abgesetzt  werden. 
Technik.  Besondere   Fortschritte    auf   technischem   Gebiete   sind  nicht 

Löhne.  ZU    Verzeichnen.    Die    Lohn  Verhältnisse    sind    durch    Vertrag    bis 

zum  nächsten  Jahre  geregelt  worden. 

Dias   G-esamtresultat   des  Oeschäfts Jahres   1913   war   für   die 
Zeltbranche  nicht  günstig. 


124.    G  ü  r  t  e  1  f  a  b  r  i  k  a  t  i  0  n. 

Die  Geschäftslage  in  der  Gürtelfabrikation  war  auch  im 
Jahre  1913  sehr  ungünstig  und  wird  andauern,  solange  nicäit 
ein  Umschwtmg  in  der  Kleidermode  eintritt.  Der  Markt  beschränkte 
sich  nur  auf  schmale  Ledergürtel  in  niedrigen  und  mittleren  Preis- 
lagen. Wie  gewöhnlich,  wurde  gegen  Endes  des  Jahres  das  Ge- 
schäft durch  Sammetgummigürtel  etwas  belebt,  ßher  auch  in 
diesem  Artikel  bestand  nur  Nachfrage  nach  schmalen  Breiten 
und  billiger  Ware. 


125.    Korsett-Industrie    nud    -Handel.  431 

125.   Korsett-Industrie   und   -Handel. 
Erster  Bericiit. 

Im  Berichtsjahre  sind  die  Verhältnisse  in  der  Korsett- 
fabrikation  und  im  Korsietthandel  noch  Schwieriger  geworden. 
Uebera.ll  krankte  das  Geschäft  daran,  daß  die  Rohware  teurer 
als  bisher  war,  das  fertige  Produkt  aber  zu  billigen  Preisen  ab- 
gegeben  w)erden  mußt-e. 

Die  Fabrikanten  der  billigen  Ware  waren  am  schlechtesten 
daran,  ihr  Nutzen  war  auf  ein  Minimum  beschränkt.  Besonders 
durch  da^  Unterbieten  der  Warenhäuser  unter  sich  werden  dort 
Korsetts  vielfach  zum  Einkaufspreis  und  oft  noch  billiger  ver- 
kauft, lißi  das  Publikum  heranzuziehen.  Für  Extratage  werden 
Igroße  Posten  Korsietts  angefertigt,  die  der  Fabrikant  zumeist 
mit  unwesentlichem  Nutzen  liefern  muß,  um  sich  den  Kunden 
zu  erhalten.  Dieser  tmgesunde  Zug,  der  weder  den  Fabrikanten 
noch  den  Warenhäusern  Nutzen  bringt,  geht  leider  durch  alle 
Branchen.  D'en  größten  Schaden  hiervon  hat  das  reelle  Spezial- 
geschäft. Abgesehen  davon,  daß  dasselbe,  selbst  wenn  es  ganz 
billige  Korsetts  führt,  diese  in  besserer  Ans-stattung  halten  muß, 
und  schon  dadurch  höhere  Fabrikationsspesen  hat,  kann  es  un- 
möglich seine  Waren  verschleudern.  Es  muß  auch  auf  die  billigen 
Preislagen  seinen  reellen  Nutzen  aufschlagen,  da  es  den  an  einem 
Artikel  verloren  gegangenen  Gewinn  ja  nicht  wie  das  Warenhaus 
durch  den  Verkauf  anderer  wieder  einholen  kann.  Wenn  nun 
auch  das  Spezialgeschäft  im  allgemeinen  bessere  Korsetts  ver- 
kauft, so  kann  doch  auch  hierbei  immer  nur  mit  einem  verhältnis- 
mäßig bescheidenen  Nutzen  gerechnet  werden. 

Die   Spesen  waren   im  Vergleich  'zu  den  Umsätzen  zumeist  Mode. 

viel  zu  groß.  Zahlungsstockungen  in  der  Korsettbranche  nahmen 
daher  erschreckend  zu.  In  früheren  Berichten  wurde  schon 
auf  die  leichtfertige  Kreditgewährung  in  der  Korsettbranche 
hingewiesen.  Damen,  die  die  Absicht  aussprechen,  sich  in 
der  Korsettbranche  zu  etablieren,  werden,  selbst  wenn  sie 
keine  Mittel  haben,  um  die  Ladeneinrichtung  und  die 
erste  Ladenmiete  zu  bezahlen,  mit  Waren  geradezu  beworfen. 
Einige  Fabrikanten  richten  Detailgeschäfte  in  Form  von  Gesell- 
schaften mit  beschränkter  Haftimg  ein.  *Die  Leiterinnen  erhalten 
für  ihre  kleinen  Einlagen  Anteile.  Haben  die  Geschäfte  mit  Ver- 
lust gearbeitet,  so  verlieren  die  (D'amen  in  den  meisten  Fällen 
üire  Einlage.  Die  kapitalkräftigen  Filialbesitzer  haben  ihren 
Wiikimgskreis  immer  mehr  ausgebreitet.  Filialen  werden  heute 
auch  in  den  kleinsten  Städten  von  ihnen  eingerichtet.  In  den 
Filialen  finden  tüchtige  Verkäuferinnen  als  Leiterinnen  ein 
immerhin   gutes  Auskommen.   • 

Die  Mode  hat  sich  im  Berichtsjahre  gar  nicht  geändert.  Zwar 
machte  ein  Pariser  Haus  den   Versuch,  eine  neue  Form  heraus- 


432 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Export. 


Beschäf- 
tigungsgrad. 


ZweiterBericht. 


zubringen,  die  dem  Unterkörper  etwa-s  freiei*en  Spielraum  läßt, 
doch  fand  es  damit  beim  Publikum  nur  wenig  Anklang.  Nach  wie 
vor  trägt  man  lange  Korsetts,  und  selbst  in  billigen  Genres  müssen 
lange  Dessins  gebracht  \v^erden.  Dagegen  machte  sich  in  der  Aus- 
fülirung  im  abgelaufenen  'Jahre  eine  wesentlidhe  Aenderung  be- 
merkbar. Es  gingen  fast  nur  noch  glatte  Stoffe,  wie  Da-ell,  Satin 
und  Batist.  Nur  vereinzelt  wurden  Jacquardstoffe  verarbeitet. 
Ganz  besonders  bevorzugt  war  die  weiße  Farbe.  Als  Einlage 
verwendete  man  selbst  für  mittlere  und  bessere  Genre«  rostfreie 
Stahleinlage.  Dier  Konsum  in  Hörn  und  echt  Fischbein  ist  erheb- 
lich zurückgegangen.  Für  billigere  Genres  findet  nach  wie  vor 
einfache  Stahleinlage  Verwendung.  An  Garnierungen  werden  von 
JaJir  zu  Jahr  größere  Ansprüche  gestellt.  Man  verwendete  viel- 
fach deutsche,  für  bessere  Genres  'aber  größtenteils  englische 
und  französische  Spitzen.  In  den  früheren  Jahren  waren  Strumpf- 
halter ein  guter  Nebenartikel  für  Fabrikanten  sowohl  wie  für 
IDetailleure.  Jetzt  muß  fast  jedes  Korsett  mit  Strumpfhaltern 
hergestellt   werden. 

Der  Export,  hielt  sich  auf  gleicher  Höhe  wie  im  Vorjahre, 
Neue  Absätzgebiete  sind  inidht  hinzugekommen,  und  die  alten 
sind  wegen  der  hohen  Zollschranken  nicht  zu  erw^eitem. 

Im  großen  und  ganzen  waren  die  Fabrikanten  bis  zum  August 
vollauf  beschäftigt.  iDie  Umsätze  waren  sogar  zumeist  größer 
infolge  der  höheren  Preise,  die  für  die  langen  Korsetts  angelegt 
werden  mußten.  Von  da  an  maehte  sich  jedoch  die  allgemein  un- 
günstige Geschäftsla.ge  auch  in  der  Korsettbranche  sowohl  bei 
den  Fabrikanten  wie  im  Dtetailverkehr  bemerkbar.  Andererseits 
erhielten  die  Fabrikanten  s<^hon  zu  Ende  des  Jahres  für  die 
Früh  Jahrssaison  gTößere  Aufträge,  da  die  Abnehmer  wissen,  daß 
bei  der  heutigen  langen  Korsettmode  eine  längere  Lieferfrist  not- 


wendig ist. 


Zweiter    Bericht. 


Zwar  setzte  der  Geschäftsgang  zu  Anfang  des  Berichtßijahres- 
sehr  lebhaft  ein,  aber  schon  im  Frühjahr  verminderten  sich  die 
Bestellungen.  Im  zweiten  Halbjahr  war  die  Situation  der  Branche 
geradezu  krisenhaft  schlecht.  Namentlich  die  Zahlungsweise  war 
im  Zusammenhang  mit  dem  allgemein  stillen  Gang  der  Berliner 
Detailgeschäfts  im  vergangenen  Jahre  ungewöhnlich  schleppend,, 
so  daß  die  in  der  Korsettbranche  gewohnten  üblen  Kredit-  und 
Zahlungsverhältnisse  sich  ;noch  verschlechterten.  Die  1913  ge- 
machten Anstrengungen,  eine  neue  Mode  hinsichtlich  der  Form 
zu  lancieren,  hat  keinen  Erfolg,  es  sei  denn,  die  Wiederverkäufer 
unruhig  zu  machen,  so  daß  sie  mit  Käufen  in  alten  .und  neuen 
Dessins  zurückhielten.  Das  Publikum  war  auch  nicht  kauflustig, 
was  sich  wohl  zum  nicht  geringen  Teil  aus  der  Verteuerung^ 
der   Lebenshaltung,    Erhöhung   der   Steuern,    den   schlechten    Er-^ 


126.    Sdhiiln-Fabrikation  mid  -Handel.  433 

werbsbedingiuigen  usw.  erklärt.  Das  Ergiebnis  des  abgelaufenen 
Jahres  \var  infolgedessen  für  Fabrikanten,  Grossisten  und  Do 
tailleure  'gleich,  [ungünstig. 

126.    Schirm-Fabrikation  und  -Handel. 

Die   Fabrikation   von  Sonnenschirmen   ging   im   Jahre   1913  fciSrme 

noch  weiter  zurück.  Die  Stoffabrikanten  sind  zum  Teil  von  der 
Ausmusterung  ,ihrer  Kollektionen  abgekommen,  weil  ihre  Fa- 
brikate keinen  Absatz  fanden.  Die  wenigen  Fabrikanten,  die 
dennoch  Kollektionen  brachten,  taten  es  in  dejr  Erwartung,  da^ 
der  Sonnenschiirm  doch  wieder  einmal  von  der  Miode  begünstigt 
werden  könnte  und,  um  in  ständiger  Fühlung  mit  den  Abnehmem 
zu  bleiben.  Von  irgendwelchem  Nutzen  kann  hierbei  keine  'Rede 
sein,  im  Gegenteil  dürften  sie  Mühe  haben,  die  Musters^eseü^ 
herauszuschlagen.  Infolgedessen  und  auch  wegen  der  Mißerfolge 
ihrer  eigenen  Kollektionen  sind  auch  'die  Schirmfabrikanten  zum 
großen  Teil  davon  abgekommen,  Neuheiten  zu  bringen.  Sie  würden 
es  aber  sofort  tun,  wenn  irgendwelche  Aussichten  für  eine  Wieder- 
belebung des  Sonnenschirmartiküls  vorhanden  wären.  Die  großen 
Waren-  und  Kaufhäuser  müßten  in  Gemeinschaft  mit  den 
größeren  Spezialgeschäften  der  Branche  zu  'Beginn  einer  jeden 
Saison  eine  Spezialausstellung  von  Sonnenschirmen  in  die  Wege 
leiten,  um  sie  auf  solche  Weise  wieder  kauffähig  zii  machen. 
Wenn  durch  eiQ  Zusammenarbeiten  der  'Fabrikanten  und  Ab- 
nehmer, die  ihrerseits  in  ständiger  Fühlung  mit  der  Mode  und  dem 
kaufenden  Publikum  sind,  den  ersteren  Anregungen  gegeben  werden 
würden,  dürften  sie  solühen  gern  zum  Nutzen  der  ganzen  Branche 
nachkommen.  Daß  dies  nicht  ohne  Opfer  von  bteiden  interessierten 
Seiten  geschehen  kann,  ist  wohl  'selbstverständlich.  Derartige 
Spezialausstellungen  würden  aber,  wenn  sie  einige  Jahre  mit 
Ausdauer  betrieben  würden,  ohne  Zweifel  einen  Erfolg  zeitigen. 
Die  elegante  DamJe  wird  im  Tragen  eines  ihre  Toilette  vervoll- 
ständigenden eleganten  Sonnenschirmes  mit  gutem  Beispiel  vor- 
angehen, und  das  übrige  Publikum  wird  früher  oder  später  folgen. 
Durch  die  Wiederaufnahme  des  Sonnenschirmes  würde  der  Schirm- 
fabrikation eine  zweite  Saison  erstehen,  und  damit  wäre  für  di«. 
Arbeitskräfte  das  ganze  Jahr  hindurch  Beschäftigung  gegeben. 
Daß  dies  heute  nicht  der  Fall  ist,  daraus  erklärt  sich  im  wesent- 
lichen die  ungünstige  Lage  der  ganzen  Schirmbranche.  Denn  in- 
folgedessen entsteht  einerseits  die  Abwanderung  von  Arbeitsi- 
krälten,  und  müssen  andererseits  in  der  ruhigen  Zeit  Verkäufe 
in  Eegenschirmen  getätigt  werden,  die  den  Selbstkosten  nicht 
entsprechen. 

Auch  das  E-egenschirmgeschäft  hat  im  Jahre  1913  viel  zu      Regenschiimo. 
wünschen   übrig   gelassen.    Die  ersten    Monate   waren   anhaltend 
trocken,  und  wenn  der  Juli   in  einzelnen  Gegenden,  namentlich 
in  Süddeutschland,   eine  Eyegenperiode  gezeitigt  hat,  so  ist  dem 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  28 


434 


Vn.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


ein  überaus  trockener  Herbst  gefolgt,  der  Minderumsätze  gebracht 
hat.  Der  Bedarf  hat  sich,  "wie  im  Vorjahre,  wiederum  auf  Mittel- 
qualitäten zusammengedrängt,  ein  Beweis  für  'die  geringe  Kauf- 
kraft des  Publikums.  Die  allgemeine  schlechte  Greschäftslage 
macht  sich  in  der  Schirmbranche  in  erster  E-eihe  bemerkbar,  wird 
doch  der  Regenschirm  ohnehin  häufig  als  ein  notwendiges  Uebel 
betrachtet. 
Export.  iDoch     besteht     diese     Auffassxing     zu     Unrecht,     da     der 

elegante  B/egenschirm  ein  Bestandteil  einer  vollendeten  Toilette 
ist.  Er  wird  heute,  namentlich  von  ersten  Firmen  Deutsch- 
lands in  einer  Vollkommenheit  hergestellt,  die  ihm  einen  Weltruf 
geschaffen  hat.  Man  sieht  in  Paris,  London,  New  York  und  an- 
deren Verkehrszentren  deutsche  Schirme,  deren  Ursprung  den 
wenigsten  Käufern  bekannt  ist.  Erst  nach  und  nach  finden  sich 
überseeische  Käufer,  die  bisher  im  eigenen  Lande  oder  im  Aus- 
lande ihren  Bedarf  gedeckt  haben,  in  Deutschland  ein,  und  sehen 
hier  mit  'Erstaunen,  daß  Deutschland  für  die  Mode  und  für  die 
Ausführung  tonangebend  geworden  ist.  "Wenn  'auch  vorerst  die 
Aufträge  noeh  nicht  übermäßig  groß  sind,  so  ist  doch  anzimehmen, 
daß  der  Export  sich  bedeutend  heben  wird.  Der  Export  von 
Stapelware  hat  «sich  nicht  in  der  erhofften  Weise  gestaltet,  da 
hohe  Frachten  'und  Zölle  die  Wettbewerbsfähigkeit  des  deutschen 
Fabrikats  stark  'beeinträchtigten,  obwohl  es  'au  Qualität  das  aus- 
ländische weit  übertrifft. 

Arbeitslöhne.  Die  Arbeitslöhne  dürften  keine  Veränderung  erfahren  haben. 

Sie  sind  -durch  die  Ungunst  der  Sonnenschirmmode  quantitativ 
kleiner  geworden,  w^eil  für  konfektionierte  Sonnenschirme  Wenig 
Arbeitskräfte  vorhanden  Hvaren  und  diese  wegen  Mangel  an  Be- 
schäftigung sich  'anderen   Branchen  zugewandt  haben. 

Das  Geschäft  'in  farbigen  Eegenschirmen  ging  weiter  2rurück. 
Es  wurden  «nur  noch  einfarbige  Stoffe  gekauft  und  allenfalls 
noch  besondere  Neuheiten,  die  durch  die  Eigenart  der  Fabrikation 
teuer  werden  und  dem  großen  Publikum  fast  unerschwinglich 
sind.  Der  ^Umsatz  in  mittleren  und  billigen  Preislagen  verminderte 
sich  andauernd.  Dafür  wurden  ghwarze  Regenschirme  mit  feinen 
Stöcken  bevorzugt.  \ 

stücke.  Infolgedessen  wuchs  tach  w^ie  vor  das  Bedürfnis  nach  Neu- 

heiten in  »Stöcken,  und  die  Stockfabrikauten,  namentlich  diejenigen, 
die  besseres  'Fabrikat  herstellen,  waren  überaus'  stark  beschäftigt. 
Bei  der  ^Schwierigkeit  der  BeschaffuQg  geeigneten  Bohmaterials 
in  den  gangbaren  Stärken,  bei  der  Eigenart  der  Behandlung,  der 
verschiedenen  Hölzer,  Wd  bei  der  Vielseitigkeit  des  zu  verwen- 
denden Materials,  als :  Hörn,  Elfenbein,  Silber,  Grolddouble,  Schild- 
patt, Bakelite,  Oalalith  und  Zelluloid  beanspruchen  die  Fabri- 
kanten eine  •mehrmonatliche  Lieferzeit,  die  die  kollektionsgemäße 
Ausführung  von  'Schirm auftragen  außerordentlich  erschwert. 


Farbige 
Regenschirme. 


127.    Fabrikation   und  Handel   mit    Seilerwaren. 


435 


In  schwarzen  Eegenschirmstof fen  wurden  nach,  wie  vor  dünn- 
rollende, leichte  ^Qualitäten  bevorzugt,  die  naturgemäß  nicht  die 
Dichtheit  besitzen  Vie  starke,  undurchsichtige  Stoffe. 

Die  Vereinigung  <der  Schirmstoffabrikanten  beschloß  gegen 
Ende  des  Jahres  eine  Preiskonvention,  deren  Entwicklung  sich 
gegen  Sdhluß  des  Berichtsjahres  noch  nicht  übersehen  ließ.  Das 
h'atte  zur  Folge,  daß  auch  die  deutschen  Schirm-Großfabrikanten 
eine  Konvention  vereinbarten,  der  über  90 o/o  aller  in  Frage  kom- 
menden   Firmen   sich    angeschlossen   haben. 

Die  Schirmposamentenbranche  war  weiter  bestrebt,  der  Mode 
Eechnung  zuHragen  und  sich  den  Wünsch en  der  Schirmfabrikanten 
anzupassen. 

127.  Fabrikation  und  Handel  mit  Seiler  waren. 
Erster  Bericht. 

Das  Geschäft  und  die  Fabrikation  in  Seilerwaren  war  im 
Jahre  1913  trotz  reger  Nachfrage  für  den  Fabrikanten  wie  für 
den  Händler  wenig  befriedigend,  da  die  Verkaufspreise  infolge 
der  ständig  gestiegenen  Rohstoffpreise  und  Unkosten  wenig 
Nutzen  ließen. 

Der  von  den  Hanfspinnereien  und  Bindfadenfabriken  ge- 
schlossene Trust  wurde  im  Berichtsjahre  durch  Beitritt  der  noch 
außenstehenden  Spinnereien  und  Bindfadenfabriken  befestigt. 
Infolge  strenger  Durchführung  der  aufgestellten  ßedinlgungen 
und  Verbesserungen  der  Wiederverkaufsskalen  beganjien  die  an- 
günstigen Verhältnisse  im  Bindfadenhandel  sich  zu  bessern  Die 
aufgestellten  Verkaufsskalen  bringen  jedoch'  nur  den  größeren 
Grossisteai  annehmbaren  Verdienst,  während  die  kleineren  Händler 
nicht  den  erhofften  Nutzen  daraus  ziehen.  Bei  dauerndem,  festen 
Zusamn-enhalten  der  Spinnereien  und  Bindfadenfabriken  hofft 
man  jedoch,  die  noch  bestehenden  Mängel  zu  beseitigen,  so  daß 
für  den  im  Berichtsjahre  mit  geringem  Nutzen  arbeitenden  Bind- 
fadenhaLdel   wieder  bessere   Zeiten  zu  erwarten   sind. 

Das  Geschäft  in  Hanfseilen  war,  trotzdem  1913  ziemlicher 
Bedarf  vorlag,  ebenfalls  nicht  gut.  Dter  durch  ihre  Knappheit 
bedingten  Steigerung  der  Roh'materialien  im  Preise  und  infolge- 
dessen auch  der  Fabiikate  konnten  die  Verkaufspreise  nur  lang- 
sam folgen.  Im  Berichtsjahre  kamen  Seile  aus  Hänfen,  die  in 
unseren  Kolonien  wachsen,  sehr  in  Aufnahme  und  wnrden  teil- 
weise sogar  von  Behörden  verlangt  und  vorgeschrieben.  Schlechte 
Ueberseeische  und  Kolonialhänfe  wurden  zum  Nachteil  der  guten 
Qualitäten  viel  auf  den  Markt  gebracht  und  auch  gemischt  ver- 
arbeitet. 

Durch  den  vor  Jahren  geschehenen  Zusammenschluß  der  Jute- 
spinne r  und  -Weber  konnten  die  Preise  in  der  Garn-Fabrikation 
geregelt  werden,  so  daß  für  den  Fabrikanten  ein  Nutzen  blieb, 
trotzdem    die    Nohmaterialien    im    Berichtsjahre    andauernd    im 

28* 


Stoffe. 


Konvention. 


Posamenten 


Erster  Bericht 
Allgemeines. 


Bindfaden 


Hanfseile 


Gurte. 


436 


Vn.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Preise  gestiegen  waren.  Der  Handel  gestaltete  sicih  durcii  die 
dauernde  Preissteigerung  sdhmeriger,  durcli  die  Preisfestlegung 
konnte  aber  größtenteils  den  Sdhleuderem  das  Handwerk  gelegt 
werden,  so  daß  stets  mit,  wenn  auch'  kleinem,  Nutzen  gearbeitet 
wurde. 

Drahtseiif.  Der  Bedarf  in  Drahtseilen  in  allen  Stärken  für  alle  Zwecke 

war  audh.1  im  verflossenen  Jahre  gut.  Dodh  giagen  die  Preise  trotz 
[größerer  Herstellungskosten  ständig  zurück,  so  daß  bei  diesem 
Artikel  für  den  Fabrikanten  nur  wenig  Nutzen  blieb,  xln  dem 
Preisrückgang  waren  namentlidh'  die  vor  Jahren  vorgenommenen 
Betriebsvergrößerungen  sdhuld,  die  der  Vergjriößerung  des  Ab- 
satzes doch'  wohl  vorausgeeilt  waren.  Infolgedesl&en  kamen  manctbe 
Preisunterbietungen,  namentlich  von  selten  auswärtiger  Firmen^ 
vor.  • 

Arbeiter.  Das  Verhältnis  zwischen  Arbeitgebern  und  -nehmem  war  auok 

im  Bericiits jähre  einigermaßen  zufi-iedenstellend.  Die  Arbeit- 
Inelimer  verstanden  es,  trotz  der  teilweise  sichlecihten  Beschäfti- 
gung bedeutende  Lohnerhöhungen  auf  gütlidhem  Wege  zu  er- 
reicihen. 


ZweiterBericht.  Zwcltcr    Bericht. 

Im  Berichtsjahre  festigte  sich  der  1912  gegründete  Ver- 
band der  Hanfspinnereien  und  Bindfadenfabrikanten  Deutsch- 
lands mehr  und  mehr,  und  ließ  bei  gänzlichem  Mangel  aller 
Außenseiter  die  Abnehmer  seine  Macht  fühlen.  Er  begnügte 
sich  nicht  damit,  den  Revers  von  1912  bestehen  zu  lassen^ 
sondern  erweiterte  ihn  dahin,  daß  dem  Grossisten  kein  Liefe- 
irungsanspruch  an  die  Fabriken  zustehen  solle,  während  die 
letzteren  niemals  für  Nichtlieferungen  haftbar  gemacht  werden 
können.  In  einer  weiteren  Bestimmung  des  Reverses  behielt 
sich  der  Verband  vor,  ihn  abzuändern,  wenn  es  ihm  nötig 
erscheine.  Diesen  Revers  mußten  die  Händler  durch  ihre  Unter- 
schrift gutheißen,  wollten  sie  sich  nicht  dem  Boykott  durch 
(den  Verband  aussetzen.  Der  Verband  schrieb  auch  im  Berichts- 
jahre sein  CD  Abnehmern  Verkaufspreise  vor,  deren  Nicht- 
beachtung er  mit  dem  Verlust  des  Rabattbruchteils  bedrohte, 
den  die  Revershändler  bei  den  Fabriken  bis  zum  Jahresschlüsse 
stehen  zu  lassen  verpflichtet  sind.  Auch  des  ganzen  Revers- 
bonus sollten  diejenigen  verlustig  gehen,  die  die  Verbandsver^ 
kaufspreise  nicht  innehalten  würden.  Schließlich  behielt  sich 
«der  Verband  noch  das  Recht  vor,  in  diesem  Falle  allen  Fabriken, 
trotz  abgeschlossener  Lieferungsaufträge,  die  Weiterlieferungen 
zu  verbieten.  Die  Verkaufspreise  des  Verbandes  waren  jedoch 
(Für  den  Kleinhandel  viel  zu  hoch  bemessen,  und  so  sollten 
einem  der  ersten  Grossisten  zirka  11 000  Mk.  vom  Verbände 
einbehalten  werden,  weil  ihm  angeblich  Unterverkäufe  zu  einem 
Differenzpreise  von  60  bis  70  Mk.  nachgewiesen  worden  waren. 


128.    Fabrikation  von  Netzen.  437 

per    Prozeß    in    dieser    Angelegenheit    schwebte    noch  zu   Ende 
des  Berichtsjahres. 

Wenn  demnach  auch  gegen  die  Leitung  des  Verbandes 
mancherlei  einzuwenden  ist,  so  muß  doch  zugegeben  werden, 
daß  sein  Bestehen  auch  dem  Handel  Vorteile  gebracht  hat. 
Im  Berichtsjahre  konnten  immerhin  bessere  Preise  als  je  vorher 
-erzielt  werden.  Die  Steigerung  betrug  15  Pfg.  für  das  Kilo, 
und  ist,  wie  nochmals  betont  sei,  nicht  als  Polge  der  Erhöhung 
der  Eohstoffkosten,  sondern  des  Zusammenschlusses  der  Fabriken 
zu  bezeichnen.  Man  rechnete  daher  auch  am  Ende  des  Berichts- 
jahres für  die  nächsten  Monate  mit  einer  weiteren  Preissteigerung 
um  10  o/o. 

128.    Fabrikation   von    Netzen. 

Die  Schwankungen  in  der  Prosperität  wurden  verursacht  Prosperität, 
durch  die  Witterung,  durch  das  geringe  Auftreten  oder  gänz- 
liche Ausbleiben  der  Sprotten  und  Heringe  in  manchen  Bezirken 
^der  Ostsee,  der  Anchovis  in  Holland  und  der  Brislinge  in 
Norwegen.  Der  Heringsfang  in  der  Ostsee  war  im  Frühjahr 
besonders  schlecht,  der  der  Flundern  dagegen  gut.  In  Spanien 
und  Portugal  blieb  der  Fang  von  Sardinen  hinter  dem  Durch- 
schnitt zurück.  Die  Prosperität  wurde  weiter  beeinträchtigt 
durch  Gesetze  in  den  verschiedenen  Ländern,  welche  die  Schon- 
zeit auf  gewisse  Fische  länger  wie  gewöhnlich  ausdehnen,  oder 
den  Fang  verbieten,  oder  auch  plötzlich  Aenderungen  in  den 
bisher  gebräuchlichen  Maschenweiten  vorschreiben,  und  endlich 
durch  Kriegsunruhen  auf  dem  Balkan  und  in  der  Türkei,  und 
die  damit  zusammenhängenden  Kriegsbefürchtungen  in  Süd- 
rußland. Die  Eisfischerei  am  Beginn  des  Jahres  konnte,  mit 
Ausnahme  von  Ost-  und  Westpreußen,  gar  nicht  oder  nur  ganz 
kurze  Zeit  ausgeübt  werden.  Der  Bedarf  an  Netzen  resjp.  an 
dem  nötigen  Ersatzmaterial  fiel  somit  aus.  Die  in  dem  heißen 
Jahre  1911  ausgetrockneten  kleineren  Fischwasser  waren  wegen 
iMangel  an  Wasser  und  Fischen  nicht  mehr  zu  befischen.  Die 
^Fischereierträgnisse  in  den  Binnenmeeren  des  südlichen  Ruß- 
lands, welches  unser  Hauptabsatzgebiet  darstellt,  waren  nicht 
so  gut  wie  in  früheren  Jahren.  Der  Krieg  der  Balkanstaaten 
igegen  die  Türkei  ließ  die  Geschäfte  nach  diesen  Ländern  voll- 
ständig stocken.  Aufträge  gingen  im  Verlauf  des  ganzen  Jahres 
1913  ausreichend  ein,  doch'  machte  sich'  immer  mehr  und  mehr 
der  Mangel  an  Arbeiterinnen  bemerkbar,  so  daß  die  Leistungs- 
fähigkeit in  der  Fabrikation  nicht  mehr  zunahin,  sondern  trotz 
Neuanschaffung    einiger    Maschinen   zurückging. 

Die  ausländischen  Netzfabriken  machen  sich'  von  Jahr  zu 
Jahr  mehr  die  Zollverhältnisse  in  Deutschland  zunutze,  indem 
sie  durch  systematische  Bearbeitung  des  Marktes  und  Preis- 
unterbietungen   die    bereits    spärlichen    Aufträge    aus    Deutsch'- 


438 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Baumwoll- 
preise. 


Absatzgebiete. 


Zoll- 
verhältnisse. 


Export. 


land  an  sich  reißen.  Das  Jahr  1913  ist  infolgedessen  als  nur 
•genügend  zu  bezeichnen.  Ursachen  dafür  sind  außer  den  bereits, 
ei'wähnten  Gründen  beschränkte  Aufnahlnefäihigkeit  des  in-  und 
ausländischen  Marktes  und  Erstarken  der  ausländischen  Konn 
kurrenz,  große  Netzlager  bei  den  Händlern  und  wenig  Nachfrage 
bei  den  Fischern  selbst. 

Die  Preise  für  Baumwolle  wurden  in  Amerika  wieder  durch 
alle  möglichen  Mittel  in  die  Höhe  getrieben.  Gleichzeitig 
stiegen  auch  die  Preise  für  ägyptische  Baumwollfabcikata. 
Die  Preise  für  russisches  und  italienisches  Hanfnetzgarn  wurden 
durch  die  Preisvereinigung  der  Hanfgarnspinner  mehrfach  im 
Preise  erhöht.  Die  Verkaufspreise  des  Fertigfabrikates  konnten 
diesen  Preissteigerungen  leider  nicht  folgen. 

Außer  dem  Inland  kamen  als  Absatzgebiete,  wie  in  früheren 
Jahren,  ganz  Europa,  das  asiatische  Rußland,  die  Türkei,. 
Aegypten,  die  Nord-  und  Westküste  von  Afrika,  die  Vereinigten 
Staaten  und  Südamerika  in  Betracht.  Doch  ging  der  Absatz 
stark  zurück. 

Die  russischen  Zollverhältnisse  sind  nach  w^ie  vor  sehr  un- 
sicher. Die  Zollbeamten  nehmen  oft  die  Verzollung  von  .Fisch- 
netzen ganz  willkürlich  vor,  so  daß  dieser  Artikel  vielfach  einem 
höheren  Zollsatz  unterliegt,  als  im  Tarif  für  ihn  vorgesehen  ist. 

Dier  Export  nach  Rußland,  dem  Hauptabsatzgebiete  für 
deutsche  Netze,  droht  durch  die  schwebende  Erhöh  ung^ 
des  vertraglich  nicht  festgelegten  Zollsatzes  für  Fisch- 
jnetze  gänzlich  unterbunden  zu  werden.  Statt  eines  Zolles 
von  1,05  Rubel  wird  ein  soldhbr  von  12  Rubel  pro 
Pud  von  russischer  interessierter  Seite  beantragt,  und  wohl 
sicher  auch  eingeführt  werden,  was  aber  im  Interesse  der 
deutschen  Netzindustrie  unter  allen  Umständen  verhindert 
werden  sollte.  Die  Möglichkeit  dazu  bietet  sich  vielleicht  bei 
den  Verhandlungen  über  den  Abschluß  eines  neuen  Handels- 
'vertrages  mit  Rußland.  Es  wäre  angebracht,  den  Artikel  Fisch- 
netze mit  in  den  Vertrag  zum  bisherigen  Zollsatze  von  1,05 
Rubel  pro  Pud  aufzunehmen,  um'  der  deutschen  Netzindustrie 
idieses  Absatzgebiet  noch  so  lange  wie  möglieh  zu  sichern. 
Auch  ist  die  russische  Netzindustrie  heute  bei  weitem  noch' 
picht  in  der  Lage,  den  Bedarf  im  eigenen  Lande  einigermaßen 
zu  decken.  Durch  Schutzzölle  haben  bereits  Scht^reden,  Frank- 
reich', Norwegen,  Dänemark,  Oesterreich-Ungarn,  die  Schweiz,. 
Italien,  Spanien  und  Portugal  den  Export  nach  diesen  Län- 
dt^rn  fast  unmöglich  gemacht.  Nur  Deutschland  macht  hin- 
sichtlich des  Schutzzolles  eine  Ausnahme.  Der  Ein- 
fuhrzoll für  Netze  aus  dem  Auslande  nach  Deutschland 
beträgt  3  Mk.  per  100  kg,  dagegen  der  für  Baumw^ollgarn,  aus 
Idem  die  Netze  erst  hier  im  Deutschland  hergestellt  werden^ 
40  |Mk.  per  100  kg,  was  geradezu  eine  Begünstigung    der    aus- 


129.    BaumwollabfäUe. 


439 


ländischen  Konkurrenz  zu  nennen  ist.  Denn  dadurch  wird  diese 
jederzeit  in  den  Stand  gesetzt,  die  deutscäien  Netzfabriken  im 
ei;getQen  Lande  ganz  erheblich  in  den  Preisen  zu  unterbieten.  Das 
MißA^erhältnis  wird  um  so  drückender  empfunden,  als  seit 
der  neuen  Keichsgewerbe-Ordnung,  die  wiederum  eine  Verkürzung 
der  Arbeitszeit  für  weibliche  Arbeiter  vorschrieb,  die  gesamte 
Produktion  um  den  zehnten  Teil  verringert  wurde.  Die  unvern 
meidliche  Folge  der  gekürzten  Arbeitszeit  war  eine  Lohn^ 
erhöhung,  dazu  kamen  noch  die  Schutzzölle  des  Auslandes,  die 
Zollverhältnisse  im  Inland,  sowie  die  erhöhten  Steuern,  so  dajä 
die  Konkurrenzfähigkeit  der  deutschen  Netzindustrie  auf  dem 
AVeltmarkte  von  Jahr  zu  Jahr  geringer  wird. 

Es  mangelt  fortgesetzt  an  weiblichen  Arbeitskräften,  so 
daß  es  im  Berichtsjahre  sogar  sichon  schwer  war^  eine  genügende 
Anzahl  von  Arbeiterinnen  zu  bekommen.  Die  Löhne  sind  durch- 
weg  gestiegen. 

Die  Wünsche  der  Industrie  gehen  auf  Abänderung  des  be- 
stehenden Einfuhrzolles  nach  Deutschland  auf  Netze  aus  Baum- 
Wollgarn,  der  auf  die  gleiche  Höhe  wie  der  des  Baumwolli 
garnes  selbst  gebracht  werden  soll.  Ferner  auf  Abschaffung 
der  Geldunterstützung,  die  den  großen  Heringsfischerei-Geselli 
Schäften  an  der  Nordsee  vom  Staate  jährlich  bewilligt  wird. 
Die  Gesellschaften  decken  ihren  gesamten  Bedarf  an  Herings- 
netzen aus  Baumwollgarn  ausschließlich  im  Auslande,  und  lassen 
die  einheimische  Netzindustrie  dabei  unberüdksichtigt.  Allen  Ein- 
jgaben  von  seiten  der  deutschen  Netzfabrikanten  ist  es  bisher 
hicht  gelungen,  bei  den  Behörden  zu  veranlassen,  eine  Weiter- 
gewährung der  staatlichen  Unterstützung  an  die  Heringsfisteiherei- 
Ges ellschaften  von  der  Begebung  von  Aufträgen  an  die  deut- 
schien Netzfabriken  abhängig  zu  machen.  Eine  Eingabe  der 
Interessenten  wegen  Entsendung  eines  Mitgliedes  in  den  wirt^ 
schaftlichen  Ausschuß  für  Zoll-  und  Handelspolitik,  um  die 
Interessen  der  deutschen  Netzfabriken  wahrnehmen  zu  können, 
wurde   abschlägig  beschieden. 


Aussichten. 


129.  Baumwollabfälle. 
Schon  der  Bericht  des  Vorjahres  hatte  nicht  viel  Günstiges 
(über  den  Gang  des  Geschäftes  in  Baumwollabfällen  verzeichnen 
können.  Im  Jahre  1912  waren  es  besonders  die  Schwierigkeiten 
beim  Einkauf  von  Bauinwollabfällen  gewesen,  die  einem  be- 
friedigenden Ergebnis  hindernd  im  Weg  gestanden  hatten.  Die 
Rohprodukte  hatten  dauernde  Preissteigerungen  erfahren,  und 
infolgedessen  war  in  fast  allen  Spinnereibetrieben  mit  einer 
sparsamen  Sorgfalt  gearbeitet  worden,  die  nur  wenige  Abfälle 
übrig  ließ.  Andererseits  war  der  Absatz  in  billigeren  Baum-) 
woU waren  im  Vorjahre  nicht  sehr  befriedigend  gewesen,  so 
daß  um  die  Wende  1912/13  in  den  verschiedensten  Lagerräumen 


440  VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 

große,  für  lange  Zeit  reichende  Best,ände  in  diesen  Waren  auf- 
gestapelt waren. 

Wir  haben  diese  ungünstigen  Verhältnisse  des  Vorjahres 
kurz  rekapituliert,  um  die  sehr  wenig  befriedigende  Lage,  in 
jdie  die  Baumwollabfallbranche  im  Laufe  des  Berichtsjahres  ge- 
riet-, besser  verstehen  zu  können.  Denn  natürlich  machten  siöh 
hier  die  allgemein  ungünstigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
von  1913  noch  empfindlicher  bemerkbar,  als  auf  anderen  Ge- 
bieten des  Geschäftslebens,  in  denen  man  das  Vorjahr  mit  zu- 
friedenstellenden Resultaten  beschlossen  hatte.  Infolge  der 
Balkanwirren  reduzierte  sich  der  Absatz  an  Baumwollwaren 
jiach  den  beteiligten  Ländern,  die  sonst  fast  ausschließlich  diese 
Fabrikate  konsumieren,  wohl  auf  fünf  Sechstel  seines  früheren 
Umfangs.  Dazu  schwankten  die  Baumwollpreise  während  des 
ganzen  Berichtsjahres  so  stark,  daß  man  zumeist  von  größeren 
Geschäftsabschlüssen  absah'  und  sich  nur  imit  dem  nächbten  Tages- 
bedarf versorgte.  In  gleichem  Sinne  wirkte  schließlich  die  all- 
gemeine Geldknappheit.  Es  kam  dahin,  daß  die  Fabriken  für 
Baumwollwaren  das  erforderliche  Rohmaterial  nur  bezogen,  um 
das  Einrosten  der  Maschinen  zu  verhindern,  und  trotzdem  hatten 
sich  gegen  Ende  des  Berichtsjahres  enorme  Lager  an  BaumWoll- 
waren  angehäuft.  Infolgedessen  haben  1913  wohl  nur  wenige 
Fabriken  mit  befriedigenden  Gewinnen  gearbeitet.  Bei  dieser 
Lage  der  Fabrikation  konnte  naturgemäß  auch  der  Handel  mit 
ihren  Abfällen  keine  zufriedenstellenden  Resultate  haben. 

130.    Filzfabrikation. 

sohienfliz.  L^ie   Sohlenfilz Industrie  stand  im  Verlaufe  des  Jahres  1913 

unter  dem  Zeichen  des  Versuches  eines  Zusam'mensohlusisesi,  Die 
Verhandlungen  setzten  bereits  im  Februar  des  Jahres  ein,  ohne 
jedoch  in  der  ersten  Zeit  z1i  neniuelns werten  Erfolgen  zu  führen. 
Mißliche  Erfahrungen  aus  früherer  Zeit  traten  den  allseitig 
gehegten  Wünschen  eines  Zusammenschlusses  hindernd  in  den 
Weg.  Von  größter  Bedeutung  wurde  es,  daß  gegen  den  Herbst 
des  Jahres  eine  noch'  nie  dagewesene  Steigerung  des  Roh- 
materials (der  Tierhaare)  von  Amerika  ausgehend  eintrat,  die 
damit  motiviert  wurde,  daß  der  erhöhte  Konsum  besonders  auch  in 
der  Sealskinfabrikation  'die  Steigerung  der  Preise  rechtfertigte. 
IDiesem  Druck  von  Amerika  aus  folgte  auch  der  deutsche  Haar- 
markt, so  daß  auch  hier  Steigerungen  des  Rohmaterials  ,vofn 
30,  40,  ja  sogar  50o/o  ziu  verzeichnen  waren.  Damit  kamen  die 
ins  Stocken  geratenen  Verhandlungen  wieder  voll  in  Fluß,  und 
führten  schließlich  dazu,  daß  sich  die  Sohlenfilzindustrie  zu 
einer  fest  organisierten  Preiskoi^vention  zusammenschloß.  Wäh- 
rend in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  über  den  schlechten  Stand 
der  Preise  außerordentlich  Klage  geführt  wurde,  konnte  bereits 
kurz  nach  'Zustandekommen  der  Konvention  über  eine  Besserung 


131.  Hutfabrikation. 


441 


berichtet  werden.  lYeim  diese  nicht  in  vollem  Maße  bereits 
in  dem  letzten  Viertel  des  Jahres  zur  Geltung'  kam,  so  lag 
dies  einerseits  daran,  daß  das  Eintreten  des  Winters  zu  lange 
auf  sich  warten  ließ,  andererseits  hatte  die  vom  Verbände  auf 
Orund  der  Steigerung  der  Eohmaterialien  durchgeführte  Steige- 
rung der  Verkaufspreise  für  Sohlenfilzie  b&wirkt,  daß  die  Kund- 
schaft ihre  Abschlüsse  bis  zu  dem  zulässigen  Höchstquantmn 
ausnutzte,  ein  Umstand,  der  in  früheren  Jahren  nicht  zu  beob- 
achten war.  Nichtsdestoweniger  darf  gesagt  werden,  daß  durch 
den  Zusammenschluß  bereits  »ein©  wesientliche  Gresundung  der 
Branche  herbeigeführt  wurde,  und  daß  man  im  besonderen  durch 
den,  wenn  auch  spät  einsetzenden  scharfen  "Winter  für  das 
kommende  Geschäftsjahr  mit  im  allgemeinen  günstigen  Kesul ta- 
ten rechnen  darf. 

131.    Hu  tf  ab  rijiati'on. 
Erster  Bericht. 

In  den  Fabriken  waren  Ausstände  nicht  zu  verzeichnen. 
Außer  ganz  kleinen  Preiserhöhungen  für  einzelne  Fabrikätions- 
zweige  haben  die  Arbeiter  in  gewohnter  ruhiger  Arbeit  die  Fa- 
brikation gestützt.  Die  Preise  für  Rohware  waren  gegen  alles 
Erwarten  sehr  fest,  besonders  für  Wolle,  während  Hasenhaare 
durch  den  enormen  Verbrauch,  den  die  Mode  in  Velourhüten  mit 
sich  brachte,  eine  Steigerung  von  weit  über  100  o/o  erfuhren. 
Auch  Bänder,  Leder  und  Futterseiden  sind  im  Preise  bedeutend 
in  die  Höhe  gegangen,  so  daß  der  Fabrikant  selbst  bei  seinen 
kleinen  Aufschlägen  eher  weniger  als  mehr  gegen  das  Vorjahr 
verdiente.  Man  war  jedoch  während  der  FrlLh'jahrssaison  hin- 
reichend mit  Orders  versehen,  besonders  in  weichen  Modehüten 
(langhaarigen),  und  konnte  im  großen  und  ganzen  mit  dem  GR-e- 
sultat  des  ersten  Halbjahres  sehr  zufrieden  sein.  Im  zweiten  Halb- 
jahre ging  das  Geschäft  in  gesteiften  Hüten  zurück  und  flaute 
gegen  Ende  'des  Jahres  so  bedeutend  ab,  daß  viele  Arbeiter 
wegen  des  Tehlens  der  Orders  entlassen  werden  mußten.  D|urch 
die  wirtschaftliche  Depression  wurde  auch  die  Zahlungsweise  der 
En^gros-Kundschaft  schleppender  und  die  Fabrikanten  mußten 
sehr  viel  an  Zinsen  usw.  verlieren. 

Das  En^grosgeschäft  folgte  natürlicherweise  dem  Gange  der 
Fabrikation.  Die  Orders,  die  die  Grossisten  zum  Frühjahr  auf- 
nahmen, waren  recht  ausgiebig,  auch  die  zum  Herbst  geg'ebenen 
Aufträge  waren  ganz  genügend,  aber  durch  dön  überraschendeli 
Wechsel  in  der  Mode,  der  den  Velourhutartikel,  also  den  aus 
feinem  Hasenhaar  angefertigten  teuren  Hut,  von  70 — 150  Mk. 
pro  Dutzend  zur  Aufnahme  brachte,  wurde  das  Geschäft  im 
Laufe  der  Herbstsaison  stiller.  Es  wurde  in  der  Hauptslache  nur 
dieser  eine  Artikel  in  großem  Maßstabe  nachbestellt.  Er  wurde 
dadurch  sehr  knapp  und  es  konnte  nicht  alles  geliefert  werden, 
was  bestellt  wurde.    Wenn  auch  die  Umsätze  bei  den  Grossisten 


Erster  Bericht 
Fabrikation 


Das  Engros- 
geschäft. 


442 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Das  Detail- 
geschäft. 


ZweiterBericht. 


Herrenhüte. 


Farben 
und  Formen. 


in  der  Summe  nicht  gelitten  haben,  so  war  doch  der  Verdienst 
bedeutend  kleiner,  so  daß  das  Jahr  1913  zu  den  schwächeren 
Jahren  der  Branche  gehört.  Die  Depression  in  den  wirtschaft- 
lichen Verhältnissen  kam  auch  in  der  sehr  langsamen  Zahlungs- 
weise der  Detaillisten  stark  zum  Ausdruck;  auch  hier  verloren 
die  Grossisten  viel  Zinsen.  Auch  der  gesteifte  Hut,  der  im 
Herbst  durchschnittlich  stärker  gekauft  wird,  wurde  durch  das 
Velourhutgeschäft  stark  gedrückt,  fa^t  alle  Grossisten  behielten 
Läger  in  diesem  Artikel  zurück,  die, erst  in  nächster  Frühjahrs- 
saison  abgesetzt  werden  können. 

Das  Detailgeschäft  hat  in  gleicher  "Weise  durch  die  über- 
raschende Mode  gelitten.  Während  das  Frühjahrsgeschäft  noch 
ziemlich  normal  war,  wurde  das  Herbstgeschäft  durch  die  große 
Depression  in  den  wirtschaftliclien  Verhälttiissen,  zum  Teil  durch 
die  allgemeine  Nachfrage  nach  dem  Velourhut,  für  den  merk- 
würdigerweise trotz  der  außerordentlich  schlechten  Zeit  sehr  hohe 
Preise  in  den  Detailgeschäften  angelegt  wurden,  sehr  ungünstig 
beeinflußt,  weil  die  großen  Läger  in  gesteiften  Hüten  sowie  in 
langhaarigen  Phantasiesachen  nicht  genügend  geräumt  wurden. 
Die  schwächer  situierten  Detaillisten  konnten  deshalb  ihre  Ver- 
pflichtungen nur  sehr  langsam  erfüllen,  ihre  Wechsel  mußten 
häufig  prolongiert  werden  und  die  Aussichten  für  die  Früli- 
jahrssaison    1914    sind    infolgedessen   recht  ungünstig. 

Zweiter  Bericht. 

Die  bereits  im  vorigen  Berichte  erwähnte  Mode  in  weichen 
Herrenhüten  hat  nicht  nur  angehalten,  sondern  sidh  in  bedeutend 
verstärktem  Maßstabe  weiter  fortgesetzt.  Der  weiche  Herren- 
hut dominierte  in  allen  Variationen,  sowohl  im  Frühjahrs-  als 
auch  im  Herbst-  und  Wintergeschäft.  Hauptsächlich  wurden  auf- 
gerauhte Qualitäten  gekauft  und  auch  in  diesem  Jahre  waren  be- 
sonders die  Woll-Velour-Hüte,  täuschend  ähnliche  Imitationea  voji 
Haar- Velours,  ein  sehr  begehrter  Artikel.  Auch  Melangen,  meistens 
in  aufgerauhter  Ware,  wurden  sehr  stark  bevorzugt,  während  die 
Umsätze  in  sogenannter  glatter,  weiclier  Ware  sich  in  minimalen 
Grenzen   bewegten. 

Während  in  früheren  Jähren  in  bezug  auf  Farben,  einige 
JSTuanoen  immer  besonders  begehrt  wurden,  zeigte  das  Farben- 
spiel im  Beiichts jähre  eine  außerordentlich  vielseitige  Gestaltung, 
es  wurden!  sowohl  ganz  dunkle  als  auch  ganz  helle  Töne  viel 
umgesetzt.  Gegen  Schluß  des  Berichtsjahres!  dominierte  dunkel- 
grün, dunkelblau  und  schwarz.  Ebenso  reichhaltig  wie  die  x4lus- 
wahl  in  Farben,  machte  sich  auch  eine  Vielseitigkeit  in  den  For- 
men bemerkbar.  Die  verwegendsten  sowie  die  solidesten  Formen 
fanden  guten  Absatz,  man  brachte  dieselben  vorherrschend  im 
Einschlag- Genre.  Gegen  Ende  des  Berichtsjahre^  kamen  die  so- 
genannten Bolero-  und  Schlauchformen  auf,  es  ist  allerdings  frag- 
lieh,  ob  besonders  die  letztere  Art  von  langer  Dauer    sein  wird. 


131.   Hutfabrikation. 


443 


Für  die  steifen  Hüte  kam  aussiohließliöh  die  schwarze  Farbe  in 
Frage,  audh'  bezüglich  der  Formen  war  ein  wesentlicher  Mode- 
wedhsel  nicht  zu  vierzeichnen.  Der  breitrandige  steife  Hut  hat 
sich  auch  in  diesem  Jahre  gehalten,  die  versehiedentlichen  Ver- 
suche mit  kleineren,  gebogenen  Eändem  haben  ihm  keinen  Abbruch 
getan.  Der  Gesamtumsatz  in  steifer  Ware  hat  jedoch  durch  die 
andauernde  Mode  in  weichen  Hüten  eine  ziemliche  Einbuße  er- 
litten. Sowohl  in  steifen  als  auch  in  weichen  Hüten  hat  die  Nach- 
frage nach  besseren  Qualitäten  weiter  angehalten,  die  billige  Ware 
wird  immer  weniger  gekauft  und  kommt  fast  nur  noch  für  den 
Export  in  Frage. 

Die  Preisie  der  Rohmaterialien,  wie  Wolle,  Seide,  Bänderj, 
Hutleder,  Schellack  usw.,  waren  sehr  fest,  es  machten  sich  durch- 
weg sehr  wesentliche  Preisteteigerungen  geltend.  Wenn  auch  die 
Preise  für  den  fertigen  Hut  in  verschiedenen  Artikeln  erhöht 
werden  konnten,  so  waren  sie  trotzdem  nicht  mit  den  sehr  starken 
Erhöhungen  der  Rohmaterialienpreise  in  Einklang  zu  bringen. 

Das  Exportgeschäft  befindet  sich  in  steigender  Tendenz  und 
dürfte  besonders  durch  den  neuen  Zolltarif  in  Amerika  eine 
weitere  nennenswerte  Belebung  erfahren. 

Im  Verhältnis  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern 
hat  sich  nichts  geändert,  es  kaim  nach  wie  vor  als  gut  bezeichnet 
werden. 

In  dem  Artikel  Seidenhüte  war  zu  Beginn  des  Herbstgeschäfts 
nach  langer  Zeit  eine  etwas  regere  Nachfrage,  insbesondere  in 
besseren  Qualitäten.  Die  Preise  für  Ilohmaterialien  begannen 
wieder  etwas  anzuziehen. 

Dritter  Bericht, 
b)  Damenhüte  im  besondem. 
Der  Damen- Wollfilz-Hut  brachte  im  Berichtsjahre  sehr  un- 
angenehme Ueberraschungen.  Während  er  zu  Anfang  der  Saison  als 
die  große  Mode  bezeichnet  wurde,  hat  er  in  ihrem  weiteren  Laufe 
diese  Erwartungen  nicht  nur  nicht  erfüllt,  sondern  überhaupt 
vollständig  versagt.  Die  launische  Damenhutmode  bevorzugte 
auf  der  ganzen  Linie  Sammet,  und  der  Wollartikel  wurde  voll- 
ständig außer  acht  gelassen.  Trotzdem  in  bezug  auf  Qualität 
ganz  hervorragende  Leistungen  zu  verzeichnen  waren,  kamen  sie 
nicht  zur  Geltung  und  mußten  der  Sammetmode  unweigerlich  Platz 
machen.  Der  im  vorigen  Jahre  so  begehrte  weiche  Hut  (Gamin) 
fand  gar  keinen  Absatz,  und  die  darin  sowie  in  anderen  Formeoi 
vorhandenen  Läger  wurden,  nur  um  zu  räumen,  schließlich  zu 
direkten  Spottpreisen  verschleudert.  Dagegen  wurde  der  Plumeau-, 
oder  Velbelhut  gut  gekauft  und  war  der  einzige  Artikel,  welcher 
der  Sammetmode  wenigstens  einigermaßen  Stand  hielt.  Während 
zu  Anfang  der  Saison  alle  möglichen  Farbentöne,  besonders  helle 
Nuancen,  gefragt  waren,  dominierte  wiederum  zu  Ende  der  Saison 
fast    ausschließlich   die   schwarze   Farbe.     Bezüglich    der   Preise 


Preise. 


Export. 


444 


VII.   Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Vierter  Bericht. 


Damenhüte 
aus  Stroh. 


der  Rohmaterialieii  sowie  der  Arbeitsverhältnisse  und  Export 
gilt  das  Gleiche  wie  für  Herrenhüte.  Im  allgemeinen  kann  das 
Berichtsjahr  nicht  als  güstig  bezeichnet  werden.  Die  Schuld 
daran  trägt  der  rasche  Modewechsel,  die  ungünstigen  Witte- 
rungsverhältnisse und  die  allgemeinen  schlechten  Zeiten. 

Vierter  Bericht. 
(Damenhüte  aus  Stroh  und  Filz.) 
Mit  dem  Beginn  des  Berichtsjahres  trat  die  Mode  in  kleineren 
und  kleinsten  Hüten  ihren  Siegeszug  an,  um  sich  bis  zum  Beginn 
des  entscheidenden  Faktors  —  des  Detailgeschäftes  —  völlig 
durchzusetzen.  Die  allgemeine  Voraussage,  die  kleinere  und 
kleinste  Moderichtung  käme  nur  für  den  Uebergang  in  Betracht 
und  als  Hochsommerhüte  seien  wieder  größere  Formen  zu  er- 
warten, hat  sich  nicht  erfüllt.  Die  Silhouette  der  Frau  wirkte  auf 
den  Beschauer  durch  diesen  Umschwung  wesentlich  anders,  aber 
keineswegs  unschöner,  so  daß  die  kühn  geschwungenen  rahmen- 
den Linien  der  großrandigen  Mode  rasch  vergessen  waren.  Für  die 
Geflechtshändler  sind  durch  diesen  Umstand  die  Umsätze  stark 
herabgemindert  worden,  da  der  Materialverbrauch  wesentlich  ge- 
ringer wurde.  Die  Formen  resp.  Fassons  tauchten  in  zahlreichen 
Variationen  auf,  wovon  sich  Rembrandt,  flache  Glocken,  Boleros, 
linksseitig  höher  und  gradrandige  Arten  in  schärfster  Konkur- 
renz gegenüber  standen.  Als  Material  hat  wiederum  das  japa- 
nische Tagal  für  gute  Mittelware  seine  Zugkraft  behalten,  obwohl 
seine  Qualität  gegen  das  Vorjahr  an  Güte  verloren  hatte.  Das 
Angebot  war  darin  so  außergewöhnlich  groß,  daß  die  Preise  für 
Rohware  im  Laufe  der  Saison  stark  abbröckelten.  Die  Beliebt- 
heit dieses  Artikels  liegt  in  der  Eigenschaft  des  Grundmaterials: 
„Manillahanf",  alle  Farben  gut  und  rein  wiederzugeben.  Für 
feinste  Mode-Qualität  galt  Italienische  Thalm  Pedalzacke,  unter 
dem  Sammelnamen  „englisches  Geflecht"  bekannt,  sie  war  be- 
sonders in  feineren  Nummern  —  3V2  bis  41/2  mm  —  stark  gefragt. 
Die  Preise  dieses  Artikels  in  den  angegebenen  Stärken  bei  einer 
Maßlänge  von  44  m,  sind  fast  unerschwinglich  geworden  und 
erreichten  die  exorbitante  Höhe  von  4,75  Fr.  pro  Stück.  "Wenn 
man  berücksichtigt,  daß  zur  Herstellung  eines  Hutes  2V2  bis  SVo 
Stück  Geflecht  notwendig  sind,  so  wird  sein  hoher  Preis  im 
Engrosverkehr,  zwischen  16  bis  22  Mk.  schwankend,  keine  Ver- 
wunderung erregen.  Als  Ersatz  für  7halm  Pedalzacke  wurde  für 
mäßigere  Preislagen :  5  halm  Pedal,  7  halm  Venetianische  Zacke, 
7halm  Punta  und  chinesisches  Laichow  Mottled  verarbeitet.  Für 
belgisches  Liseret  war  zeitweilig  reges  Interesse  vorhanden, 
konnte  sich  aber  nicht  über  die  Vorsaison  hinaus  auf  nennenswerte 
Umsätze  erheben.  In  den  billigen  und  billigsten  Preislagen  haben 
Barmer  Litzen  in  sehr  hübschen  Ausführungen,  tagal-  und  punta- 
artig  geflochten,  für  die  Hutfabrikation  eine  beachtenswerte  Eolle 


131.   Hutfabrikation.  445 

gespielt  und  dienten  dem  Massenkonsum  als  Hauptartikel.  Italie- 
nischer 3  halm  HoLzbast  und  die  bessere  elegantere  Marke  7  halm 
Bast,  ehemalige  Favoriten  der  Sommermoden  1908  bis  1911,  sind 
infolge  der  Verbilligung  des  japanischen  Tagais  völlig  vom  Markt 
verdrängt  worden;  ebenso  sind  die  aus  Schilf basthalmen  gefloch- 
tenen exotischen  Stumpen,  die  sich  1911/1912  großer  Beliebtheit 
erfreuten,  und  besonders  für  einfache  Trotteurhüte  verarbeitet 
wurden,  von  der  Ungunst  der  Mode  fast  ausgeschaltet.  Hinsicht- 
lich der  Farben  brachte  die  Vorsaison  viel  lebhafte  Tönungen,  es 
waren:  ceriserot,  kupfer,  bischofslila,  drei  bis  vier  schöne  stark 
differierende  Schattierungen  in  gold,  fasan,  braun,  marine  und 
taupe  sehr  bevorzugt.  Der  Hauptbedarf  hat  sich  jedoch  auf 
schwarz  konzentriert  und  hielt  an  bis  zum  Saisonschluß,  der 
leider  überraschend  früh  eintrat  und  dann  nur  noch  minimale 
Umsätze  in  reinweiß  und  creme  brachte. 

Mit  dem   Wort  „Filz"   im   engeren   Sinne  hat  die  laufende  ^^'^•- 

Saison  wenig  oder  gar  keinen  Zusammenhang,  da  das  allein 
herrschende  Material  der  Herbstmode  —  der  überaus  kleidsame 
und  schmeichelnde  Sammet  —  jeden  anderen  Stoff  abfallen  ließ. 
Vom  Standpunkt  der  hochentwickelten  Wollfilzhut-Fabrikation, 
für  deren  Zwecke  diesmal  ein  dem  teuren  Haar-Velour  ähnliches 
Material:  Velourette,  Velourisse,  auch  Woll- Velour  genannt,  von 
den  Stumpenfabrikanten  herausgebracht  wurde,  ist  dies  außer- 
ordentlich zu  bedauern.  Die  hauptsäclilichsten  Verkäufe  in  diesen 
Artikeln  bewegten  sich  in  minimalen  Grenzen  und  sind  gänzlich 
ohne  Nachbestellungen  geblieben,  ein  Zeichen  des  mangelnden 
Interesses  der  Konsumenten.  Velourhüte  brachten  noch  mittel- 
mäßige Umsätze,  doch  war  das  Angebot  größer  als  die  Nachfrage. 
In  Woll-Plumeshüten  sind  frühzeitig  umfangreiche  Dispositionen 
getätigt  worden,  ohne  indes  die  dominierende  Stellung  des  Sammet- 
hutes  zu  erschüttern.  Erwähnenswert  ist  die  Tatsache,  daß  der 
hypermoderne  Sammethut  bei  weitem  nicht  in  dem  Umfange  wie 
früher  in  der  Großfabrikation  geklebt  hergestellt  worden  ist, 
sondern  von  den  Detaillisten  in  den  eigenen  Ateliers  handgear- 
beitet wurde.  Nur  die  nackten  Hutfassons  in  Linon  (ein  Gewebe 
aus  appretierter  Baumwolle),  Sparterie  und  Sparterie-Imitation 
als  Untermaterial  zum  Drapieren  der  Sammete  brachten  große 
quantitative  Umsätze,  aber  bei  der  Billigkeit  des  Materials  keinen 
solchen  Gewinn,  um  den  Ausfall  in  der  Filzhutfabrikation  einiger- 
ma,ßen  auszugleichen. 

Im  großen  und  ganzen  ist  für  die  Hutfabrikation  die  Herbst- 
saison 1913  die  denkbar  ungünstigste  seit  langen  Jahren  gewesen, 
nicht  nur  allein  durch  die  Richtung  der  Mode,  sondern  auch  durch 
die  allgemeine  wirtschaftliche  Lage,  besonders  die  letztere  kam 
in  der  allseitig  verminderten  Kaufkraft  zum  Ausdruck.  Das 
Verhältnis  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeitnehmern  war  im 
Berichtsjahre  gut  und  gab  zu  keinerlei  Differenzen  Anlaß. 


446 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Erster  Bericht. 

Künstliche 
Blumen. 

Allgemeines. 


132.    Künstliche  Blumen  und  Federn. 

Erster    Bericht.  i 

Das  Berichtsjahr  brachte  in  seinem  Vorlaufe  der  Blumen- 
industrie eine  Eeihe  schwerer  Enttäuschungen.  Schon  im 
Januar  wurden  die  an  eine  günstig^e  Mode  geknüpften  Hoff- 
nungen sehr  herabgestimmt,  als  zu  den  Frühjahrsausstellungen 
ausschließlich  kleine  Modellhüte  herausgebracht  wurden.  Soweit 
(deren  Garnitur  nicht  aus  Strauß-,  Reiher-  und  Paradiesfedern^ 
die  reichlich  verwendet  waren,  bestand,  sah  man  viel  kleine 
Blumen  in  gemischten  bunten,  sogenannten  ,,bulgare" -Tönen; 
dieses  Genre  wurde  auch  sehr  stark  gekauft,  sowohl  in  kleinen 
runden  Touffes,  wie  auch  zu  schmalen  Ranken  gebunden.  Wenn 
hierin  aber  mit  der  sächsischen  Konkurrenz,  die  diese  Artikel 
naturgemäß  viel  billiger  liefern  konnte,  zu  rechnen  war,  so 
konnte  von  einem  wirklich  lohnenden  Geschäfte  nicht  die  Rede 
sein.  Hin  und  wieder  wurden  auch  größere  Blumen  ,in  eleganter 
Bindart  verwendet.  Immerhin  war  die  Berliner  Blumenfabri- 
kation bis  Ende  Februar  voll  beschäftigt.  Aber  schon  Anfang 
März  trat  eine  Pause  ein;  die  andauernd  schlechte  Witterung, 
die  frühen  Feiertage,  die  um  diese  Zeit  drückende  politische 
Lage  und  die  noch  völlig  ungeklärte  Mode  verhinderten  eine 
gesunde  Entwicklung  des  Geschäftes.  Es  schien,  als  sollte  Ende 
März  den  Blumen  neue  Chancen  gegeben  werden;  zur  zweiten 
„hellen"  Modellhutausstellung  wurden  mit  größeren  Blumen 
reich  garnierte  Hüte  gezeigt,  die  Nachfrage  belebte  sich,  und 
es  schien,  als  wolle  die  Haute  Saison  für  das  früher  Versäumte 
reich  entschädigen.  Diese  günstige  Stimmung  hielt  aber  nur 
verhältnismäßig  kurze  Zeit  an,  und  .der  kleine,  zum  Teil  fast 
ungainierte,  in  der  Mehrheit  aber  mit  den  schon  vorerwähnten 
Federnarten  besteckte  Hut  behielt  die  Oberherrschaft  und 
drängte  die  Verwendung  von  Blumenschmuck  vollständig  in 
den  Hintergrund,  so  daß  das  Sommergeschäft  früher  als  sonst 
sein  Ende  fand.  Als  Blumen  zur  Sommersaison  so  ungünstig 
labschnitten,  war  natürlich  seitens  der  Grossisten  auch  wenig 
Lust  vorhanden,  in  ihre  Winterkollektionen  Blumen  auf- 
zunehmen,  es  vollzog  sich  dies  in  der  Tat  nur  im  bescheidensten 
Maße.  Es  konnte  daher  nicht  überraschen,  daß  die  hierauf 
erfolgten  Nachbestellungen  recht  geringfügig  ausfielen.  Bei  den 
Herbstausstellungen  war  den  Blumen  eine  sehr  untergeordnete 
Rolle  zugeteilt,  hin  und  wieder  erschienen  ein  paar  Sammet- 
schmetterlinge,  die  auch  eine  Zeitlang  gerne  gekauft  wurden,  ver- 
einzelt auch  kleine  Sammetrosen,  Georginen,  Pensees  usw.,  dann 
kamen  Pelzrosen,  hauptsächlich  in  schwarz,  [mit  farbigem  Sammet 
^verarbeitet,  in  Aufnahme,  die  sich  bis  zum  Schlüsse  der  Saison 
hielten.  Im  Laufe  des  September  nahm  unsere  Industrie  einen 
neuen  Aufschwung,   indem  die  Konfektion  zur  Ausschmückung 


132.   Künstliche  Blumen  und  Federn. 


447 


eleganter  Kleider  Ansteckblumen  aufnahm.  Hauptsächlich 
wurden  große  elegante  Sammetrosen  in  offener  Ausarbeitung, 
dann  auch  Sammetkamelien,  große  Georginen,  Dahlien  und  sonst 
geeignete  Phantasieblumen  gekauft,  auch  kleine,  für  Straßen- 
kostüme geeignete  Buketts.  Es  entwickelte  sich  in  diesen  Genres 
bis  gegen  Ende  Oktober  ein  reges  Geschäft,  das  vermutlich' 
bei  Eintritt  der  eigentlichen  Ballsaison  neu  aufleben  dürfte. 
Diese  neuartige  Verwendung  der  ,, künstlichen  Blume",  die  all- 
gemein Anklang  findet,  und  diesem  Artikel  wieder  die  Sym- 
pathie des  großen  Publikums  zurückerobert,  läßt  die  Hoffnung 
erwecken,  daß  die  Mode  sich  dieses  vernachlässigten  Stiefkindes 
für  die  Folge  wieder  mehr  annehmen  werde.  Tatsächlich  tauchten 
zum  Schlüsse  der  Herbstsaison  wieder  mehr  Hüte  mit  geschmack- 
voller Blumengarnierung  auf,  so  daß  in  die  recht  einseitige  und 
eintönige  schwarze  Mode  der  letzten  Zeit  wieder  mehr  Farbe 
und  Leben  getragen  wurde.  Die  Mißstimmung,  welche  durch 
die  andauernd  schlechte  Geschäftslage  in  der  ganzen  Putz-  und 
Modebranche  hervorgerufen  wurde,  fand  auch  in  der  verminder- 
ten und  erschwerten  Aufnahme  neuer  Frühjahrskollektionen 
ihren  Ausdruck.  Man  verspricht  sich'  für  die  erste  Eeisezeit 
kein  besonders  lohnendes  Geschäft  in  Blumen,  glaubt  jedoch 
allgemein,  daß  sich  in  der  Mode  in  allernächster  Zeit  ein  Um- 
schwung vorbereitet,  in  dem  die  kleinen  Hüte  mit  ihrer  fast 
primitiven  Garnitur  verschwinden,  und  an  deren  Stelle  größere, 
vorzugsweise  mit  Blumen  garnierte  Hüte  treten  werden.  Vor 
Anfang-  des  Jahres  1914  dürfte  sich  aber  diese  Besserung  nicht 
vollziehen. 

Das  Exportgeschäft  gestaltete  sich  in  äiinlicher  Weise  wie 
im  Inlande.  Durchschnittlich  wesentlich  geringere  Umsätze,  ver- 
minderte Nachfrage,  wenig  Kauflust,  dabei  wurden  nur  ganz 
billige  Sorten,  besonders  in  seidenen  Stielrosen,  die  zu  unglaub- 
lich niedrigen  Preisen  an  den  Markt  geworfen  wurden,  bevorn 
izugt.  Die  Berichte  aus  allen  für  die  Branche  in  Betradht 
kommenden  Absatzgebieten  aus  England  und  Nordamerika  trugen 
das  gleiche  Gepräge,  überall  dieselben  Klagen  über  ungünstig'e 
^Mode  und  schlechte  Zeiten,  —  Bis  gegen  Ende  des  Berichts[jahres 
verhielten  sich  die  ausländischen  Einkäufer  in  der  Aufnahme 
neuer   Sommer artikel   sehr  zurückhaltend. 

Infolge  der  während  der  ganzen  Berichtsperiode  statt- 
igehabten  schwachen  Besöhäftigung  waren  die  meisten  Fabri- 
kanten gezwungen,  einen  größeren  Teil  ihres  Arbeitspersonals 
zu  entlassen,  um  so  mehr,  da  in  diesem  Jahre  keine  Sommer- 
dispositionen erteilt  wurden.  Naturgemäß  sind  diese  aus- 
geschiedenen Arbeitskräfte,  die  in  andere  Branchen  übertraten, 
für  unsere  Industrie  dauernd  verloren,  ein  Umstand,  der  sich 
bei  einem  erneuten  Aufschwung  empfindlich  bemerkbar  machen 
würde.    Recht    störend   wirkte   die   Einführuno:   der   Pflichtfort- 


Export. 


448 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


Konvention. 


Preise. 


KiSnstliche 
Blätter. 


ZweiterBericht 

S  traiißfedern. 
Allgemeines. 


bildungsschule  für  jugendliche  Arbeiterinnen,  doch'  ist  anzu- 
nehmen, daß  inzwischen  eingeleitete  Verhandlungen  die  größten 
Mißstände   beseitigen   werden. 

Der  „Verband  der  Blumen-  und  Blätterfabrikanten*'  hat 
sich  im  ersten  Jahre  seines  Bestehens,  trotz  einzelner  Miß- 
helligkeiten und  Anfeindungen,  im  großen  und  ganzen  bewährt. 
Auch  von  seinem  Wirken  erhofft  man  eine  weitere  Gesundung 
unserer  Industrie. 

Die  Preise  der  hauptsächlich  in  Betracht  kominenden  Roh- 
waren, besonders  Seide,  Velvets  und  Seidensammete,  zogen  fort- 
während an.  Besonders  in  der  zweiten  Jahreshälfte  traten  nennens- 
werte Erhöhungen  ein,  denen  ansöheinend  noch  weitere  Auf- 
schläge folgen  dürften,  ein  Umstand,  der  für  die  Blumenfabri- 
kation in  dieser  kritischen  Zeit  nur  neue  Erschwerung  bringt, 
da  die  Preislage  für  das  fertige  Fabrikat  andauernd  gedrückt 
bleibt.  Auch  für  Baumwollstoffe  (lawns)  wurden,  veranlaßt 
durch  Schwierigkeiten  auf  dem  englischen  Arbeitsmarkt,  Er- 
höhungen in  Aussicht  gestellt.  Dieser  Artikel  war  jedoch  bis- 
her von  der  Mode  sehr  vernachlässigt,  weshalb  selbst  bei 
billigeren  Angeboten  die  sonst  üblichen  größeren  Abschlußkäufe 
vollständig   ausfielen. 

Künstliche  Blätter  blieben  während  des  ganzen  Jahres  stark 
vernachlässigt.  Sie  wurden  nur,  in  der  Hauptsache  ganz  billige 
Porten,   zu  Bindereizwecken  gekauft. 

Zweiter  Bericht. 

Das  Jahr  1913  brachte  für  Straußfedern  eine  Fortsetzung 
der  günstigen  Konjunktur.  Der  im  Frühjahr  eingetretene  völlige 
Umschwung  der  Mode  von  großen  auf  kleine  Hutformen  hat 
^ie  Vorliebe  für  Straußfedern  nicht  beeinträchtigt,  nur  ließ 
der  Konsum  von  langen  Federn  sehr  nach  und  wendete  sich 
passenden  Garnituren  mittlerer  Größe  zu.  Unsere  Erwartung, 
»daß  der  Artikel  Straußplatten  eine  große  Zukunft  haben  wird, 
erfüllte  sich  im  laufenden  Jahre,  und  es  wurden  in 
diesem  Genre  bedeutende  Umsätze  erzielt.  Pleureusen  haben 
jede  Bedeutung  verloren  und  es  werden  darin  nur  noch  kleine 
(Mengen   geringer   Qualität   fabriziert. 

Die  Klagen  über  das  überstürzte  Bestreben,  täglich  Neu- 
heiten zu  bringen,  müssen  wiederholt  werden,  es  wird  darin 
eine  ernste  Gefahr  für  das  gute  Eeussieren  der  beteiligten 
Kreise  erblickt.  Es  wäre  auch  sehr  wünschenswert,  die  Modell- 
hutausstellungen, welche  immer  früher  begonnen  wurden,  er- 
heblich später  anzusetzen.  Der  Versuch'  ist  durch  die  Konvention 
der  Grossistenfirmen  gemacht,  und  zwar  für  den  15.  Febr.  und 
15.  Aug.,  doch  wäre  es  zur  Ausnützung  der  Vorverkäufe,  die 
für  eine  gute  Lieferung  seitens  der  Fabrikanten  nötig  sind, 
wünschenswert,    noch    spätere   Termine   dafür    zu   wählen.     Die 


132.    Künstliche  Blumen  und  Federn. 


449 


früheren   Jahre   zeigen,   daß   das   gut   möglich   ist,   es   kann   nur 
'zur    Gesundung    des    Detailhandels    beitragen. 

Der  mangelnde  Konsum  langer  Federn  brachte  für  dieses 
Material  starke  Preisabschwächungen,  die  von  Auktion  zu 
Auktion  mehr  zum  Ausdruck  kamen.  Dagegen  waren  billige 
Sorten,  Spadonas,  Drabs,  Cosen,  welche  für  Gestecke  geeignet 
sind,  im  ganzen  Jahr  teuer  und  haben  sehr  hohe  Preise  erreicht. 
Auf  den  fünf  ersten  Londoner  Auktionen  kamen  in  23  427 
Kisten  590  300  Pfund  Gewicht  zum  Angebot,  wofür  1  556  000  £ 
erzielt  wurden.  Für  die  Dezember-Auktion,  die  sechste  und 
letzte  des  Jahres,  sind  nur  zirka  4000  Kisten  gedruckt,  doch 
schätzen  wir  das  durch  die  Eigner  zurückgehaltene  Quantum 
auf  zirka  1000  Kisten,  wodurch  größere  Preisabschwächungen 
vermieden  werden  sollen.  Diese  Politik  hat  sich  während  der 
beiden  letzten  Jahre  bewährt,  und  wenn  durch  die  allgemeine 
ungünstige  Geschäftslage  der  Konsum  von  Straußfedern  nicht 
in  größerem  Maße  beeinträchtigt  wird,  so  dürfte  die  Stützung 
des   Marktes   auch   an   diesem  Jahresschluß   richtig  sein. 

Trotz  aller  Vogelschutzbestrebungen  ist  die  Vorliebe  der 
Damen  für  Reiher  und  Paradies  nicht  beeinträchtigt  worden, 
und  es  konnten  sich  die  enorm  hohen  Preise  auf  gleicher  Höhe 
erhalten.  Ein  sehr  wichtiges  Ereignis  für  diesen  Artikel  ist 
aber  das  am  1.  Okt.  1913  in  Kraift  getretene  Einfuhrverbot 
in  New  York,  wodurch  das  von  Amerika  sonst  konsumierte 
Quantum  dem  europäischen  Markte  verbleibt.  Bisher  sind  die 
Importeure  bemüht,  die  Preise  nicht  sinken  zu  lassen,  doch 
glauben  wir,  daß  der  amerikanische  Ausfall  geeignet  ist,  ein 
anderes  Niveau  herbeizuführen. 


Rohware. 


Dritter  Bericht. 

Der  Umsatz  im  Jahre  1913  hat  sich  ungef  älir  auf  dem  gleichen 
Niveau  wie  im  Vorjahr  gehalten.  Trotz  der  bis  weit  in  die  Hälfte 
des  zweiten  Semesters  andauernden  Balkanwirren  und  der  Stagna- 
tion im  deutschen  Geschäft  entwickelte  sich  die  Sommersaison 
dank  der  eifrigen  Tätigkeit  der  Fabrikanten  im  Exportgeschäft 
in  ziemlich  gutem  Umfange.  —  Die  Wintersaison  dagegen  setzte 
angesichts  der  Unsicherheit  der  politischen  Situation  überall  ziem- 
lich spät  ein  und  erreichte  diesmal  —  Ende  Oktober  —  schon  ein 
frühes  Ende.  Die  Mode  der  großen  Hüte  war  stark  rückgängig 
geworden,  die  der  kleinen  und  mittleren  Formen  nahm  ihren 
Platz  ein,  und  mit  ihnen  die  Garnierung  mit  hochwertigen  Heiher- 
und  Paradiesgestecken.  Diese  nahm  noch  weiter  Dimensionen  an^ 
wie  sie  bisher  für  unmöglich  gehalten  waren,  und  die  intensiv 
gesteigerte  Nachfrage  beeinflußte  die  Preise  der  Rohmaterialien 
weiter  stark,  bis  im  Herbst  diese  Bewegung  einen  scharfen  Stoß 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  29 


450 


VII.    Textilindustrie  und  Verwandtes. 


straußfedern. 


Allgemeine 
Lage. 


erlitt  durch  die  MaßnaJimen  des  Parlaments  der  Vereinigten 
Staaten,  die  den  Import  dieser  hochwertigen  Materialien  verboten. 
—  Neben  diesen  echten  G-amierungen  wurden  gut  gelungene 
Imitationen  von  Reiher-  und  Paradiesgenres  oder  minderwertige 
Reiherartikel  vielfach  gekauft,  im  übrigen  aber,  namentlich  seit 
dem  Sommer,  alle  möglichen  und  unmöglichen  bizarren  Formen, 
die,  ausgehend  von  einem  palmenartigen  Effekt,  durch  Bauchun- 
gen und  ähnliche  Konturenveränderungen  die  Mannigfaltigkeit 
von  Formen  hervorbrachten,  die  als  Neuheiten  zur  Aufrecht- 
erhaltung des  Geschäftsganges  laufend  erforderlich  war.  —  Ein 
recht  lebhaftes  Geschäft  spielte  sich  in  dem  namentlich  aus  Gänse- 
federn hergestellten  Bandeauflügel-Genre  ab,  allerdings  fast  aus- 
schließlich im  englischen  Markte.  Allmählich,  nachdem  immer 
mehr  Fabrikanten  dieses  Genre  aufgenommen  hatten  und  das 
Angebot  sich  sehr  verstärkt  hatte,  wichen  erst  die  Fabrikatp reise, 
dann  ging  auch  die  Qualität  zurück,  bis  endlich  zu  dem  diesmal 
schon  besonders  zeitigen  Schluß  der  Saison  —  Ende  Oktober  — 
ein  Unterbieten,  nur  um  Aufträge  zu  haben,  eintrat,  das  die 
Preise  auf  ein  verdienstloses  Niveau  herunterdrückte. 

Der  starke  Rückgang  des  Absatzes  im  Pleureusengesdhäft 
setzte  sich  schnell  fort,  so  daß  man  zeitweise  ein  Aufhören  dieser 
Fabrikation  befürchtete.  Ein  Aufflackern  des  Bedarfs  in  einigen 
Exportländern  hat  im  großen  und  ganzen  an  dieser  Situation 
auch  noch  nichts  geändert,  dagegen  sprang  die  Nachfrage  nach 
Strauß-Phantasien,  die  namentlich  aus  billigeren  Rohfedern  her- 
gestellt waren,  so  plötzlich  und  so  allseitig  auf,  daß  eine,  wenn 
auch  nur  kurze  Zeit  lang  bestehende  Nachfrage  gute  Arbeits- 
gelegenheit bot.  Die  Formen  dieser  Strauß-Phantasien  waren 
homogen  den  oben  erwähnten  Palmen-  und  ähnlichen  Phantasie- 
G  eures.  —  Ein  Absatz  nach  den  Vereinigten  Staaten  war  indes 
nach  wie  vor  ausgeschlossen,  da  die  dortige  Industrie  durch  den 
Eingangszoll  von  60  °/o  vor  jeder  Konkurrenz  geschützt  ist.  —  Die 
Preise  des  Rohmaterials  für  die  Straußphantasie-Genres,  die  all- 
seitig gefragt  waren,  wurden  dauernd  von  Auktion  zu  Auktion 
getrieben,  bis  auch  hier  die  Oktober-Auktion,  dem  Schluß  der 
Saison  entsprechend,  zum  größten  Teil  einen  Rückschritt  in  den 
stark  gestiegenen  Preisen  zeitigte.  —  Die  Preise  der  Rohware  für 
die  vernachlässigten  guten  Genres  waren,  entsprechend  dem  zu- 
rückgegangenen Bedarf  in  diesem  Artikel,  dauernd  niedrig. 

Ein  Ereignis  von  größter  Tragweite  für  die  Branche,  dessen 
Folgen  aber  noch  gar  nicht  übersehen  werden  können,  war  das 
in  der  Parlaments-Session  der  Vereinigten  Staaten  gelegentlich 
der  Unterwood  Tarif-Reform-Bill  beschlossene  Verbot  der  Ein- 
fiihr  von  Federn  von  Wildgeflügel  und  von  Fabirikaten 
daraus,  einschließlich  der  oben  besprochenen  Reiher-  und 
Paradies-Vogelfedern.  Während  die  Kampagne  der  amerika- 
nischen Vogelschutzbestrebungen  nach'  außen  hin  eigentlich  nur 


132.   Künstliche  Blumen  und  Federn.  451 

diesen  letzteren  galt,  hat  es  die  geradezu  wüste  Agitation  drüben 
zustande  gebracht,  daß  mit  den  Reiher-  und  Paradiesvögeln  ganz 
generell  alle  wilden  Vogelmaterialien,  sei  es  roh  oder  fabriziert, 
außer  für  wissenschaftlich©  und  erzieherische  Zwecke,  von  dem 
Gebiet  der  Vereinigten  Staaten  ausgeschlossen  sind.  Es  ist  dies  ein 
geradezu  unbegreifliches  Vorgehen,  denn  das  einfachste  Argument 
der  AVeit,  daß  das  Gefieder  derjenigen  Vögel,  die  ihres  Fleisches 
wegen  geschossen  werden,  erlaubt  'sei,  ist  glatt  unbeachtet  gelassen, 
und  es  ist  einfach  alles,  was  wildes  Geflügel  heißt,  auf  den  Index 
gesetzt  worden.  Berauscht  von  den  Erfolgen  in  ihrem  eigenen 
Lande  versuchen  diese  Vogelschutzfanatiker  ihre  Agitation  in 
England  und  anderen  Staaten  fortzusetzen.  Ihr  muß  in  schärfster 
Weise  entgegengearbeitet  werden,  falls  nicht  die  enormste  Schä- 
digung, wenn  nicht  Vernichtung  der  Industrie  eintreten  soll.  — 
In  dankenswerter  Weise  haben  sich  die  Aeltesten  der  Kaufmann- 
schaft und  die  Berliner  Handelskammer  durch  das  Auswärtige 
Amt,  in  Parität  mit  den  Schritten  der  französischen  Regierung, 
bemüht,  die  Industrie  vor  dem  schweren  Schlag  zu  bewahren, 
der  üir  zugefügt  ist.  So  bedauerlich  es  ist,  daß  diese  Bemühungen 
vor  dem  blinden  Fanatismus  der  Amerikaner  die  Segel  streichen 
mußten,  so  absolut  erforderlich  wird  es  sein,  weitere  die  Branche 
bedrohenden  Maßnahmen  hia  tan  zuhalten,  und  unsere  Behörden 
w^erden  den  Dank  der  Industrie  in  reichem  Maße  erringen, 
wenn  sie  im  geschilderten  Sinne  die  Bestrebungen  der  iFabri- 
kanten  nach  Aufrechterhaltung  ilirer  Fabriken  unterstützen 
werden.  Noch  mehr  zu  beklagen  als  das  Gesetz  selbst  ist  die 
geradezu  sinnlose  Ausführung  durch  die  Zollorgane,  die  sich 
nachgerade  zu  einer  Kalamität  auszuwachsen  droht.  —  Abge- 
sehen von  den  Zollchikanen,  die  das  weibliche  Passagierpublikum 
unter  der  rücksichtslosen  Handhabung  der  Zollbehörden  zu  er- 
dulden hat,  die  den  die  Dampfer  verlassenden  Damen  einfach  die 
Federgarnierungen  von  den  Hüten  schneiden,  abgesehen  von  dem 
lächerlichen  Widerspruch,  daß  die  Zollbehörden  verlangen,  daß 
zum  Beispiel  bei  eingeführtem  Eßgeflügel  (englischen  und  böh- 
mischen Fasanen,  irischen  Grouse)  die  Federn  im  Einfuhrhafen 
gerupft  werden  müssen,  ehe  sie  dem  Fleischmarkt  zum  Verkauf 
zur  Verfügung  gestellt  werden,  wird  der  größte  Schaden  dadurch 
verursacht,  daß  die  Zollbeamten,  sei  es  infolge  mangelhafter 
Sachkenntnis,  sei  es  infolge  ungenügender  Information  seitens 
des  Treasury  Departements,  heute  das  verbieten,  was  gestern 
erlaubt  war,  und  morgen  das  erlauben,  was  heute  verboten  war. 
Hier  müßte  die  Beeinflussung  durch  unsere  Auslandsvertretungen 
in  erster  Linie  einsetzen.  Es  gilt,  dem  Handel  —  auch  im  Interesse 
der  amerikanischen  Firmen  selbst  —  wieder  den  gesimden  Boden 
zu  geben,  der  heute  nicht  mehr  vorhanden  ist.  Niemand  weiß, 
woran  er  ist,  niemand  kann  disponieren,  niemand  auch  nur  einiger- 
maßen Geschäfte  abschließen,  bei  denen  er  nicht  befürchten  muß, 

29* 


452  Vn.    TextilindusMe  und  Verwandtes. 

daß  sie  allein  durch  die  Zollbehandlung  zu  großen  Verlusten 
führen.  —  Der  Eohhändler,  der  Fabrikant,  der  Abnehmer  leiden 
gleichmäßig  darunter,  und  es  droht  ein  Zustand  auszubrechen^ 
welcher  einen  blühenden  Industriezweig  Deutschlands,  der  Zehn- 
tausenden von  Arbeiterinnen  jahrein  jahraus  lohnende  Beschäfti- 
gung zu  geben  pflegt,  der  Vernichtung  überliefert.  Im  Verein 
mit  den  führenden,  von  gleichen  Gefahren  bedrohten  französischen 
Industriellen  der  Branche  war  es  dank  den  Bemühungen  unseres 
Auswärtigen  Amtes  durchgesetzt  worden,  daß  die  Bestrebungen 
der  Amerikaner  auf  ein  vernünftiges  Maß  zurückgeführt  wurden. 
Unerklärlicherweise  ist  es  irgendwelchen  Kniffen  amerikanischer 
Politiker  gelungen,  dieses  Resultat  über  den  Haufen  zu  werfen, 
und  das  unsinnige  Verbot  durchzusetzen.  —  Während  zunächst 
die  Erleichterung  beschlossen  w^ar,  daß  das  Gefieder  (und  die 
Fabrikate  daraus)  solcher  Vögel,  die  eßbar  oder  schädlich  sind., 
für  die  Einfuhr  erlaubt  sein  sollten,  ist  der  Beschluß  selbst  dahin 
gefaßt  worden,  daß  das  Gefieder  aller  wälden  Vögel  und  der 
Fabrikate  daraus  verboten  sei. 

Nach  der  Auslegung  soll  zum  Beisjjiel  der  Strauß  als  ein  in 
Farmen  gezogener  Vogel  zugelassen  w^erden.  Dementsprechend 
sind  nach  den  dokumentarisch  nachzuweisenden  Beschlüssen  de& 
Treasury  Department  die  Federn  des  Rhea  (südamerikanischer 
Strauß,  Nandu  —  französisch  Vautour  —  englisch  Vulture)  am 
21.  Okt.  offiziell  zugelassen,  am  26,  Nov.  wieder  verboten  und  am 
16.  Dez.  wieder  zugelassen  worden.  In  diesem  Falle  hatten  die 
Zollorgane  sich  also  überzeugen  können,  daß  ihre  Maßnahmen 
verkehrt  waren.  Der  gleiche  Fall  liegt  zum  Beispiel  bei  dem 
für  die  Fabrikation  außerordentlich  wichtigen  Gefieder  der  Fa- 
sanen vor.  Fasanen  sind  ein  sehr  beliebtes  Nahrung-smittel,  wer- 
den in  großem  Umfange  in  Farmen  gehalten,  und  es  kann  gar 
keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  die  Tiere  nicht  ihrer  Federn,, 
sondern  ihres  Fleisches  wegen  getötet  werden.  Erlaubt  waren  sie 
laut  Kabel  vom  28.  Okt.,  verboten  laut  Kabel  vom  2Q.  Nov., 
erlaubt  wieder  am  18.  Jan.  1914.  Ob  die  Bestrebungen,  dieses, 
weitgehende  Verbot  wieder  aufzuheben,  von  Erfolg  sind,  kann  im 
Moment  noch  nicht  gesagt  werden.  Im  ganzen  sind  die  Aus- 
führungen des  Gesetzes  noch  schlimmer  als  das  Gesetz  selbst,  tmd 
die  Industrie  wird  unbedingt  nicht  wieder  gut  zu  machenden 
Schädigungen,  die  bei  milderer  Handhabung  sehr  wohl  ver- 
mieden werden  können,  ausgesetzt  sein.  Hier  gilt  es,  eine  be- 
drohte Branche  durch  kräftige  Unterstützung  zu  halten,  und  es 
ist  aufs  dringendste  zu  wünschen,  daß  der  Hilferuf,  den  sie  erhebt, 
nicht  ungehört  verhallt. 

Federijoas  Fcdcrboas    Und    Federbesätze    hatten    auch    im    Jahre    191^ 

wenig  Chancen,  sondern  nur  ein  gequältes  Geschäft  zu  ver- 
zeichnen 


134.    Papierhandel.  453 

133.  L  u  m,  p  e  n  h  a  n  cl  e  1. 
Das  Geschäft  in  leinenen  und  baumwollenen  Lumpen  für 
idie  Papier  und  Kunstwollfabrikation  nahm  bis  auf  einzelne 
kleine  Unterbrechungen  fortdauernd  einen  günstigen  Verlauf; 
die  Preise  hielten  sich  auf  vorjähriger  Höhe  oder  gingen  für 
einzelne  Sorten  noch  mehr  in  die  Höhe.  Gegen  Ende  des  Jahres 
stellte  sich  eine  große  Knappheit  in  unsortierter  AVare  ein,  so 
daß  einzelne  Sortierer  ihre  Arbeiter  nicht  beschäftigen  konnten. 
Eine  Ausnahme  macht  lediglich  der  Artikel  ,, neuweiße  und 
neubunte  Abschnitte",  welcher  in  Anlehnung  an  die  Preis- 
bewegung der  rohen  Baumwolle  im  Laufe  des  vergangenen 
Oahres  im  Bedarf  und  in  den  Preisen  zurückging.  Das  Geschäft 
in  wollenen  Lumpen  für  die  Kunstwollfabrikation  war  im  all- 
gemeinen befriedigend;  der  Export  nach  Amerika  hat  jedoch 
trotz  Aufhebung  des  Zolles  auf  diesen  Artikel  bis  jetzt  nicht 
den    erwarteten   Aufschwung  genommen. 


VIII.  Papierindustrie  und  Buchgewerbe. 

134.    Papierhandel. 

Die  Papierindustrie  ist  in  diesem  Jahre  in  einer  sehr  ungünsti-  •  Allgemeinem, 
gen  Lage  gewesen.  Schwierigkeiten  der  verschiedensten  Art  ließan 
durch  die  UngTinst  der  Wettbewerbsverhältnisse  ein  lohnendes 
Geschäft  nicht  zu.  Die  Preise  fast  aller  Papiersorten  zeigen  einen 
Tiefstand,  der  selbst  bei  reichlicher  Beschäftigung  keinen  aus- 
reichenden Gewinn  abwirft.  In  erster  Linie  leidet  die  Papier- 
industrie unter  einer  Uebererzeugung;  während  das  Bestreben, 
die  Gestehungskosten  herabzudrücken,  zur  Massenherstellung 
drängt,  bleiben  die  Verkaufspreise  auf  einem  nur  verlustbringen- 
den Stand.  Dabei  ist  die  Steigerung  der  Herstellungskosten  um  so 
unangenehmer  fühlbar.  Die  allg'^emeinen  Aufwendungen  verur- 
sachen höhere  Ausgaben,  vor  ,allen  Dingen  wird  die  Papierher- 
stellung durch  die  zunehmenden  Schwierigkeiten  der  Eohstoff- 
beschaffung  immer  mehr  verteuert.  Die  heimatlichen  Holzvorräte 
decken  schon  lange  nicht  mehr  den  Bedarf,  das  ausländische  zur 
Papier  Verarbeitung  geeignete  Holz  steigt  unausgesetzt  im  Preise. 
Der  Wettbewerb  in  Rußland  wird  ständig  heftiger,  da  die  reich- 
lichen Vorräte  in  den  nahgelegenen  Wäldern  allmählich  abgeholzt 
sind  und  das  Material  meist  mit  hohen  Kosten  aus  dem  Innern  des 
Landes  herbeigeschafft  werden  muß.  Zellulose  ist  dadurch  teurer 
geworden,  nur  Strohstoff  allein  ist  infolge  der  günstigen  Ernte 
billiger.  Dagegen  ist  die  Preiserhöhung  von  Lumpen  weiter  \or- 
gesch ritten.    Kohlen  bleiben  auf  ihrem  hohen  Preise  stehen. 

Die  Preise  für  Schreib-  und  Druckpapiere  wurden  durch  die        schreib-  und 
Uebererzeugung  gedrückt.    Der  Versuch  einer  Preiskonvention  be-      DruckpapTe^re. 


454 


VIII.     Paj)ierindustrie    und    Buchgewerbe. 


Satinierte  uiul 

maschineu- 
glatte  holzhalt. 
Druckpapiere. 

Zeitungspapier. 


Allgemeines. 


Tisch-,  Tanz- 
etc.  Karten. 


schränkte  sich  nur  auf  bessere  Normalpapiere,  die  infolge  der 
Lumpenteuerung  bedeutend  im  Preise  gestiegen  sind.  Alle  anderen 
Sorten  leiden  unter  dem  Preisdruck. 

Die  Preise  für  satinierte  und  maschinehglatte  holzhaltige 
Druckpapiere  sind  trotz  der  hohen  Holzstoffpreise  im  Preise 
gewichen. 

Der  Bedarf  an  Zeitungspapier  ist  in  diesem  Jahre  infolge  des 
unbefriedigenden  Gesohäftsganges  der  Buchdruckereien  ständig  zu- 
rückgegangen. Die  Massenreklame  fehlte,  und  somit  ist  der  Bei- 
lagenbedarf der  Zeitungen  gleichfalls  kleiner  geworden.  Die 
Unterbringung  der  freibleibenden  Mengen  war  sehr  schwierig, 
so  daß  eine  Einschränkung  der  Fabrikation  stattgefunden  hat. 
Erzeugt  wurden  im  ganzen  im  Jahre  1912  (letzte  Statistik) 
3  731  338  dz,  davon  wurden  im  Inland  abgesetzt  3  378  984  dz  und 
im  Auslande  352  354  dz.  Eine  Erhöhung  der  Preise  ist  trotz  der 
hohen  Materialkosten  aussichtslos. 

135.   Luxuspapierfabrikation. 

Für  die  Papierausstattimg  (Herstellung  von  einfachen,  feinen 
und  feinsten  Schachteln,  mit  Briefbogen  und  Brief  decken  in  ein- 
facher oder  künstlerisch  verzierter  Art)  ist  Bei*lin  der  Hauptplatz. 
Das  Jahr  1913  war,  im  allgemeinen  betrachtet,  gut.  Die  Kohstoff^ 
preise  haben  sich  nur  in  Einzelteilen  verändert.  Kohlen 
sind  teurer  geworden.  Von  einer  Preisverteuerung  des  Roh- 
papieres  ist  zwar  viel  geredet  worden,  sie  hat  sich  aber  in  keiner 
Form,  bemerkbar  gemacht.  Pappen  waren  im  ganzen  etwas  billiger 
als  im  Vorjahre.  Die  Verkaufspreise  lassen,  namentlich  in  den 
billigeren  Waren,  noch  immer  sehr  zu  wünschen  übrig.  Bei  der 
süddeutschen  und  namentlich  auch  österreichischen  Konkurrenz  ist 
eine  Gnesundung  der  unteren  Preislagen  nicht  zu  erwarten.  Im 
großen  ganzen  hat  dagegen  die  Steigerung  der  Vorliebe  des  Publi- 
kums für  bessere  Waren  angehalten.  Der  Umsatz  hat  sich  gegen  das 
Vorjalir  etwas  erhöht.  Der  Absatz  nach  dem  Auslande  ist  der 
gleiche  geblieben.  Er  hat  sich  nach  einigen  Ländern,  namentlich 
nach  Südamerika,  gehoben,  während  das  Geschäft  nadh  Mexiko,  der 
Unruhen  wegen,  völlig  aufgehört  hat.  Auf  dem  Arbeitsmarkt  sind 
irgendwelche  bemerkenswerte  Ereignisse  nicht  eingetreten.  In- 
folge des  Wehrbeitraigtes  wurde  eine  Zurückhaltung  der 
Käufer  um  Weihnachten  beobachtet,  es  wird  wohl  mit  einem  flauen 
Frühjahrsgeschäft  zu  rechnen  sein. 

Im  einzelnen  hat  der  Verlauf  des  Geschäftes  in  Tisch-, 
Tanz-,  Glückwunsch-,  Post-|,  Reklamekarten,  Luxuskalenderv 
Notizblocks  usw.  naturgemäß  unter  den  Balkanwirren  und  dem 
anhaltenden  teuren  Geldstande,  der  wiederum  eine  Schwächung^ 
der  Kaufkraft  im  Gefolge  hatte,  ziemlich  erheblich  gelitten, 
und  das  um  so  mehr,  als  diese  Erzeugnisse  besseren  Genres 
gewissermaßen    zu    den    Luxusartikeln     gehören,    in    denen     in 


136.    Fabrikation  von   Briefumschlägen.  455 

solchen  Zeitläuften  der  Konsument  sich  bei  seinen  Einkäufen 
zuerst  einschränkt.  Es  ist  zu  hoffen,  daß  mit  dem  Eintritt 
ruhigerer  Zeiten  und  besserer  Verhältnisse  sich  auch  die  Fabri- 
Ikation  und  der  Vertrieb  in  diesen  Artikeln  heben  werden,  denn 
sie  haben  sich  auf  dem  Markte  eingebürgert,  und  besonderßl 
Menüs  fehlen  an  keiner  Festtafel,  wie  auch  Reklamesachen 
in  allen  möglichen  Ausführungen  immer  mehr  gebraucht  werden ; 
nur  wird  in  besseren  Zeiten  und  bei  leichterem  Greldstande 
mehr  auf  elegante  Fabrikate  als  auf  den  Preis  gesehen. 
Die  Zahlungen  im  In-  und  Auslande  gingen  bei  der  überall 
erschwerten  Geld-  und  Kreditbeschaffung  schlechter  als  sonst 
ein,  und  die  Zahl  der  Konkurse  und  unbezahlt  zurück- 
gekommenen Tratten  war  zweifellos  erheblich  größer  als  sonst. 
Die  übrigen  Klagen  über  die  fortwährende  Steigerung  der  dem 
Arbeitgeber  auferlegten  Lasten  und  allgemeinen  Geschäftsspesen 
verstummen  nicht,  es  wird  dadurch  der  verbleibende  Nutzen, 
der  meistens  in  einem  Mißverhältnis  zum  Umsatz  steht,  selbst- 
verständlich  immer  geringer. 

136.    Fabrikation    von    Briefumschlägen. 

Die  Berliner  Briefumschlagfabriken  waren,  wie  dies  leider 
auch  im  großen  und  ganzen  in  Deutschland  überhaupt  der  Fall 
war,  im  Berichtsjahre  weniger  gut  beschäftigt  als  im  Vorjahre. 
Die  Umsätze  sind  von  Monat  zu  Monat  zurückgegangen,  ©ine  Er- 
scheinung, die  in  ähnlicher  Weise  kaum  je  zu  konstatieren  war. 
Der  laufende  Kontorbedarf  ist  zurückgegangen.  Während  aber 
früher,  wenn  dies  der  Fall  war,  ein  Ausgleich  dadurch  gegeben 
war,  daß  der  Bedarf  für  Reklamezwecke  sich  hob,  ist  dies  im 
Berichtsjahre  bedauerlicherweise  nicht  eingetreten,  offenbar  des- 
halb, weil  im  Hinblick  auf  die  ziemlich  unklare  Gestaltung  der 
nächsten  Zukunft  diejenigen  Branchen,  die  in  weniger  günstigen 
Zeiten  ihre  Reklame  auszudehnen  pflegten,  dieses  Mal  in  dieser 
Beziehung  sehr  zurückhaltend  gewesen  sind.  Die  allgemeinen  Un- 
kosten haben  sich  wiederum  erhöht,  was  wegen  des  nicht  aus^ 
reichenden  Umsatzes  natürlich  besonders  schwer  ins  Gewicht  fällt. 
Auch  ist  eine  weitere  Verteuerung  der  Fabrikation  insbesondere 
deswegen  eingetreten,  weil  nicht  mehr  in  den  früher  üblich  gewese- 
nen größeren  Quantitäten,  sondern  öfter  in  kleineren  Quanti- 
täten gekauft  wird,  was  natürlich  die  Fabrikation  selbst  recht 
ungünstig  beeinflußt.  Die  Preise  der  Rohmaterialien  sind  im 
allgemeinen  auf  der  vorjährigen  Höhe  geblieben.  —  Das  Export- 
geschäft leidet  nach  wie  vor  unter  den  vielfach  überaus  un- 
günstigen zollpolitischen  Verhältnissen.  Die  im  Auslande  in 
den  letzten  Jahren  mehrfach  errichteten  Briefumsichlagfabriktein 
schränken  auch  den  Exportabsatz  immer  mehr  ein.  Die  Konn 
vention  bestand  im  Berichtsjahre  unter  den  gleichen  Verhältnissien 


456  VIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 

wie  vorher  fort;  einige  neue  außenstehende  Fabriken  sind 
leider  trotz  der  Ungunst  der  Konjunktur  für  die  Brielumschlag- 
fabiikation  entstanden.  Die  Beziehungen  zwischen  Arbeitgebern 
und  Arbeitnehmern  waren  normal.  Die  Kreditverhältnisse  sind 
auch  nicht  mehr  ganz  so  zufriedenstellend,  wie  es  seit  Jahren  der 
Fall  war.  Es  wird  teilweise  ziemlich  schleppend  gezahlt;  doch 
sind  größere  Verluste  nur  selten  vorgekommen.  Die  Aussichten 
für  die  nächste  Zukunft  werden  etwas  günstiger  beurteilt;  ein 
allmähliches  Ansteigen  des  Umsatzes  zeigte  sich  schon  in  aller- 
letzter Zeit  wieder. 

137.    Packpapierhandel,   Tütenfabrikation   und 

-Handel. 

Das  Jahr  1913  war  für  den  Handel  in  Packpapieren,  für 
'die  Fabrikation  uiid  den  Handpi  von  Tüten  nicht  günstig. 
Auch  diese  Artikel  haben  ganz  wesentlich  unter  den  politischen 
und  Geldverhältnissen  gelitten.  Dazu  kommt,  daß  auch  die 
Witterungsverhältnisse  recht  ungünstig  waren;  der  zum  Teil 
verregnete  ,  Sommer,  das  verhältnismäßig  warme  Wetter  des 
Herbstes  haben  indirekt  aiuf  die  Geschäftslage  der  in  Frage 
kommenden  Artikel  einen  schlechten  Einfluß  gehabt.  Immerhin 
entwickelte  sich  in  Pack-  und  Tütenpapieren  noch  ein  leidliches 
Geschäft  zu  auskömmlichen  Preisen.  Besonders  Zellulosepapiere 
waren  gefragt,  ebenso  fettdichte  Pergamynpapiere,  für  welche 
Preiserhöhungen  durchgesetzt  werden  konnten.  Braunholz- 
papiere haben  nur  einen  kleinen  Absatzkreis,  ebenso  Goudronne 
und  ähnliche  starke  Packpapiere,  die  mehr  und  mehr  aus  der 
Mode  kommen. 

138.    Kartonfabrikation. 

Die  Kartonfabriken  haben  im  Berichtsjahre  nicht  die  er- 
hoffte Besserung  ihrer  Branche  gefunden,  vielmehr  hat  sich 
durcli  die  allgemeine  ungünstige  Konjunktur  das  Geschäft  er- 
heblich verschlechtert.  In  vielen  Betrieben  wurde  in  den 
Sommermonaten  mit  bedeutend  reduzierten  Arbeitszeiten  ge- 
arbeitet. Auch  das  Herbstgeschäft  hat  nicht  den  wünschens- 
werten Aufschwung  gebracht.  Die  Preise  der  Rohmaterialien 
hielten  sich   auf  ungefähr  der  gleichen   Höhe  wie  im  Vorjahre., 

139.   Buchdruckerei. 

Allgemeinem  Der   Seit   Beginn   des   Berichtsjahres   einsetzende   allgemeine 

Konjunkturumschwung  und  -Rückgang  hat  seinen  Einfluß  auch 
auf  das  Buchdruckgewerbe  ausgeübt.  Die  in  den  meisten 
Druckereien  Groß-Berlins  noch  im  Winter  vorhandene  gute 
Beschäftigung  ging  bereits  im  Laufe  des  Frühjahrs  ziem- 
lich zurück,  um  im  Sommer  einer  ziemlichen  Stille  Platz 
zu     machen.      Die    Erholung    ließ     auch    im    Herbst    viel    zu 


139.   Buchdruckerei. 


457 


wüDsc'hen  übrig.  Ein  Charakteristikum  des  ungenügenden  Ge- 
schäftsganges war  die  besonders  große  Zahl  von  Arbeitslosen, 
die  sich  teilweise  auf  7,4  o/o  der  beschäftigten  Gehilfen  l)elief . 
Der  schlechte  Geschäftsgang  ist  jedoch  nicht  ausschließ- 
lich auf  den  Konjunkturrückgang  zurückzuführen,  es  waren 
hierbei  auch  noch  andere  Momente  im  Spiel,  insbesondere  die 
Abwanderung  vieler  Aufträge  an  die  Provinzdruckereien,  die 
durch  ihre  hiesigen  Filialbureaus  den  Kundenkreis  Groß-Berlins 
bearbeiten  und  deren  Konkurrenz  sich  in  Berlin  in  erhöhtem 
'Maße  bemerkbar  macht.  Ferner  ist  nach  wie  vor  eine  bedauer- 
liche Verständnislosigkeit  gegenüber  der  Marktlage  durch  un- 
genügend finanzierte  und  teilweise  unfachmännisch  organisierte 
Gründung  neuer  Betriebe  zu  konstatieren.  Derartige  Druckereien 
können  sich  nur  durch  allzu  große  Konzessionen  seitens  ihrer 
Lieferanten  eine  längere  Zeit  über  Wasser  halten,  die  scliäd- 
lichen  Folgen  solcher  Verhältnisse  hat  jedoch  die  Gesamtheit 
des  Gewerbes  zu  tragen;  durch  ungenügende  Kenntnis  der  kauf- 
männischen und  technischen  Voraussetzungen  werden  vielfach 
Aufträge  zu  Preisen  erworben,  die  nicht  als  handelsüblich  an- 
gesehen werden  können,  aber  die  Auftraggeber  beunruhigen 
und  zu  solchen  Folgen  führen.  Der  Mißstand,  daß  die  Auf- 
traggeber auch  bei  geringen  Druckarbeiten  eine  ganze  Reihe 
von  Druckereien  zur  Preisabgabe  auffordern,  um  einen  Drucker 
gegen  den  andern  auszuspielen  und  womöglich  auch  das  geringste 
Gebot  noch  zu  drücken,  hat  sich  leider  ebenfalls  nicht  ge^ 
ändert.  Es  ist  auch  den  eifrigen  Bemühungen  des  Vereinsi 
Berliner  Buchdruckereibesitzer  nicht  gelungen,  derartige  Schädi- 
gungen  dem   Gewerbe   ganz   fernzuhalten. 

Eine  Aufbesserung  der  Preise  für  Drucksachen  war  trotz 
ides  bestehenden  Preistarifs  nur  selten  zu  beobachten.  Doch 
ist  anzunehmen,  daß  durch  die  Tätigkeit  der  versdhiedenen 
Institutionen  der  Tarifgemeinschaft  sowie  durch  die  tatkräftige 
Mithilfe  der  Buchdruckereibesitzer  die  Preisschleudereien  etwas 
eingedämmt  werden  und  so  nach  und  nach  eine  Aufbesserung 
der    Drucksachenpreise    eintreten    wird. 

Durch  die  zu  Beginn  des  Berichtsjahres  ins  Leben  gei 
tretene  Angestellten  Versicherung  sieht  sich  das  Druckgewerbe, 
das  die  Folgen  der  Erhöhung  der  Tariflöhne  noch  immer  nicht 
^anz  verwunden  hat,  vor  neue  soziale  Lasten  gestellt,  die  den 
mittleren  und  größeren  Betrieben  ziemlich  empfindlich  werden. 

AViederholt  wurde  auch  über  die  dem  privaten  Druck- 
gewerbe seitens  der  Reichsdruckerei  zugefügte  Konkurrenz  ge- 
klagt. Wenn  die  für  die  Vergrößerung  der  Reichsdruckerei 
in  dem  neuen  Etat  angeforderten  3  Mill.  Mk.  vom  Reichstag 
bewilligt  werden  sollten,  so  würde  sich  für  die  Zukunft  noch 
eine   wesentlich    tiefgreifendere    Schädigung   der   Privatindustrie 


Besondei'e 
Gründe  des 
schlechten  Ge- 
schäftsganges. 


Preise. 


Soziale  Lasten 


Konkurrenz 
der  Reichs- 
druckerei. 


458 


YIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 


Technische 
Erfindungen. 


.Maschinen- 
Kupferdruck. 


ergeben,  die  an  sich  unter  den  gestiegenen  Löhnen,  Mat^rial- 
kosten.  sozialen  Lasten  und  anderen  Geschäftsunkosten  schwer 
leidet.  Diese  Entwicklung  gibt  zu  schweren  Befürchtungen  für 
die  Zukunft  Anlaß. 

Ob  die  neuerdings  viel  besprochene  Schnellsetzmaschine  den 
auf  sie  gesetzten  Hoffnungen  entsprechen  wird,  kann  einst- 
weilen bezweifelt  werden.  Sie  besteht  im  wesentlichen  aus  der 
Tastatur  einer  Schreibmaschine  und  einer  Linotype-Setzmaschine 
in  Verbindung  mit  einer  Gießmaschine,  die  von  einem  durch 
den  Taster  nach  Art  der  Monotype  hergestellten  Lochstreifen 
arbeitet.  Die  Stundenleistung  dieser  kombinierten  Gieß  -  Setz- 
maschine soll  bis  zu  16  000  Buchstaben  betragen.  Wenn  man 
bedenkt,  daß  die  besten  Zeilengießmaschinen  bisher  etwa  6000 
Buchstaben  stündlich  lieferten,  so  würde  die  maschinelle  Satz- 
herstellung durch  die  Einführung  der  neuen  Schnellsetzmaschine 
eine  ungeahnte  Entwicklung  erfahren  können,  falls  nicht,  wie 
bis  jetzt,  in  der  Praxis  sich  mannigfache  Schwierigkeiten  für 
die  Ausnützung  ergeben  würden.  Außerdem  verdient  auch  die 
Verwendung  des  Tiefdrucks  für  die  Zeitungs-  und  Zeitschriften- 
ausstattung  erwähnt  zu  werden.  Wenn  auch  diese  Neuerung 
noch  verhältnismäßig  jung  ist,  so  beweisen  die  Beilagen 
mehrerer  Berliner  Tageszeitungen,  die  bereits  in  E;Otationstief- 
druck  hergestellt  werden  und  init  ihren  zahlreichen  Illustrationen 
eine  großartige  Wirkung  erzielen,  daß  wir  auch  hierbei  mit 
einer  Umwälzung  zu  rechnen  haben.  Auch'  das  Offsetverfahren 
macht  in  neuerer  Zeit  in  erhöhtem  Maße  von  sich  reden,  doch' 
sind  die  Versuche  zur  technischen  Verbesserung  und  Ausnutzung 
hier  noch  weniger  vorgeschritten  als  beim  Tiefdruck,  so  daß 
sich   ein   abschließendes  Urteil  noch  nicht  gewinnen  läßt. 

Ueber  das  Tiefdruckverfahiren  bringen  wir  nach  einem 
andere:!  Bericht  noch  folgende  ergänzende  Ausführungen: 
Das  Maschiiien-Kupferdruck-(Tiefdruck-)Verfahren  hat  in 
dem  vergangenen  Jahre  eine  überraschende  Entwicklung  ge- 
nommen, nachdem  einige  namhafte  Firmen  die  Fabrikation 
von  brauchbaren  Flach-  und  Eotationspressen  aufnahmen.  Man 
unterscheidet  hierbei  die  großen  Rotationsmaschinen  für  Zeitungs- 
druck von  den  kleinen  Pressen,  auf  denen  ebenfalls  vom  Zylinder 
oder  aber  von  Kupferplatten  gedruckt  wird.  Die  großen  Zeitungs- 
Rotationsmaschinen  erreichen  im  Vergleich  zu  den  kleineren 
Pressen  eine  außergewöhhlich  hohe  Tourenzahl,  so  daß  letztere 
mit  Erfolg  nur  bei  kleineren  Auflagen  in  der  Konkurrenz  be- 
stehen können.  Druckereien,  welche  diese  großen,  93hr  kost- 
spieligen Maschinen  nicht  anschaffen  konnten,  hatten  daher  einen 
schweren  Stand,  um  so  mehr,  als  die  Absatzgebiete  erst  erschlossen 
werden  mußten  und  zum  Teil  die  Erfahrungen  fehlten,  ohne  die 
eine    ordentliche    Preisberechnung    bei   dem    komplizierten    Ver- 


141.    BucWiaiidel.  459 

falireii  kaum  möglich  ist.  Wir  glauben  daher,  daß  die  Erwar- 
tungen derjenigen  Druckereien,  die  lediglich^  mit  kleiaenen  Pressen 
arbeiten,  nicht  in  Erfüllung  gegangen  sind,  was  auch  in  den 
weichenden  Preisen  zum  Ausdruck  kam.  Die  Anfang  des  Jahres 
eingeleiteten  Bemühungen  einer  Anzahl  namhafter  Firmen,  eine 
Preiskonvention  zu  schließen,  sind  gescheitert,  da  bei  dem  star- 
ken Abgang  der  Maschinen  fortwährend  neue  Faktoren  in  die 
Erscheinung  traten  und  einig"e  größere  süddeutsche  Firmen  den 
Beitritt  zu  einer  Konvention  von  dem  Zusammenschluß  der  Mehr- 
zahl der  den  Tiefdruck  ausübenden  Firmen  abhängig  machten. 
Die  Verhältnisse  sind  daher  zurzeit  nicht  als  günstig  zu  be- 
zeichnen, um  so  mehr,  als  durch  den  sich  in  gleicher  Eich tung  ent- 
wicke]n.den  Offsetdruck  ein  ähnliches  Verfahren  auf  dem  Plan 
erscheint,  dessen  Leistungsfähigkeit  speziell  auf  dem  Gebiet  des 
farbigen   Druckes    die   besten   Aussichten   zuläßt. 

Die  Preisverhältnisse  der  Erohstoffe  sind  eher  günstiger  als 
schlechter  geworden,  doch  kann  von  einem  Einfluß  dieser  Vor- 
teile auf  die  Kentabilität  im  Hinblick  auf  die  in  der  Brandho 
eingerissene  Sohleuderei  keine  Rede  sein.  Die  Lohn  Verhältnisse 
sind  gleichfalls  ungünstig,  da  ein  Mangel  an  ausgebildeten 
Druckern   und   Aetzem   herrscht. 

140.    Geschäftsbücherfabrikation. 

Die  Nachfrage  nach  Stapelware  ließ  infolge  der  billigeren 
auswärtigen  Fabrikation  mehr  und  mehr  nach.  Auch  die  Preise 
gingen  teilweise  zurück,  hervorgerufen  durch  die  vielen  Um- 
fragen. Lose  Blätterbücher  führten  sich  weiter  ein,  und  der 
Verkauf  darin  war  gut.  Im  Papier-Detailhandel  ist  der  Absatz 
ungefähr  der  gleiche  geblieben,  da  Schul-  und  Schreibmaterialien 
in   derselben    Weise   gebraucht   werden. 

141.    Buchhandel. 

Im  Verlagsbuchhandel  ist  die  Geschäftslage  mit  Ausnahme  XlxSBi 

von  einigen  Firmen  die  gleiche  geblieben.  Der  Kampf  der  größeren 
Verlagsfirmen  um  die  erfolgreichen  Autoren  steigert  naturgemäß 
die  Honoraransprüche  der  letzteren,  die  an  sich  schon  eine  be- 
trädhtlidhe,  oft  direkt  ungesunde  Höhe  erreicht  haben.  Diese 
Honorare  und  die  hohen  Druckkosten  (viele  Berliner  Verleger 
lassen  in  der  Provinz  drucken,  um  wenigstens  die  hohen  Lokal- 
zuschläge der  hiesigen  Druckereien  zu  ersparen),  zwingen  die 
Veiieger,  größere  Auflagen,  auch  von  wissenschaftlichen  Wer- 
ken, herzustellen.  Da  das  Risiko  dadurch  größer  wird,  hat  eine 
große  Anzahl  von  Verlagsfirmen  zur  Unterstützung  der  Tätig- 
keit des  Sortiments-Buchhandels  versucht,  durch  eine  ausgedehnte 
Propaganda  in  Zeitsdliriften,  und  namentlidh  in  der  Tagespresse, 
das  Publikum  für  ihre  Verlagswerke  zu  interessieren.  Ob  diese 
Absidht  ihr  Ziel  erreicht  hat,  bleibt  zweifelhaft.    Die  Nachfrage 


460  VIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 

ist  wenigstens  bei  vielen  der  angezeigten  Bücher  sehr  g-ering  ge- 
blieben, jedenfalls  aber  zeigt  es  sich,  daß  diese  Reklame  W3gen 
ihrer  Kostspieligkeit,  die  sich  mit  der  Eigenart  des  Buch  Ver- 
triebes nicht  verträgt,  auf  die  Dauer  nicht  das  richtige  Mittel 
sein  kann,  mit.  dem  der  Verleger  den  Absatz  seiner  Publikationen 
gewinnbringend  heben  kann.  Den  besten  Erfolg  hatte  wie  früher 
aucli  im  vergangenen  Jahre  diejenigen  Verlagsfirmen,  die  deo 
Sortiments- Buchhandlungen  mit  annehmbaren  Lieferungsbedin- 
gungen entgegengekommen  sind.  Diese  Greschäftspraxis  und  das 
Bestreben,  die  außerordentlich  große  Bücherproduktion,  die 
leider  auch  im  Jahre  1913  eine  Höhe  erreichte,  die  in  keinem  Ver- 
hältnis zur  Absatzmöglichkeit  steht,  etwas  einzudämmen,  werden 
allein  imstande  sein,  die  oft  schwierige  Lage  des  Verlagsbucih- 
handels  zu  bessern.  Eine  ganze  Reihe  von  Verlegern,  darunter 
allerdings  nur  wenige  große  Berliner  Firmen,  ist  schon  bei  der 
Auswalil  ihrer  neuen  Publikationen  vorsichtiger  geworden.  Leider 
besteht  wenig  Hoffnung,  daß  dieses  Beispiel  Nachahmung  in 
größerem  Umfange  findet, 
^^handei*^  Der  Absatz  im  Sortiments-Buchhandel  war,  wenn  auch  nicht 

gut,  so  doch  wenigstens  gleichmäßig.  Gegen  das  Vorjahr,  wo* 
infolge  der  unsicheren  politischen  Lage  lang  anhaltende  Stockun- 
gen eintraten,  ist  die  Geschäftslage  jedenfalls  besser  gewesen. 
Las  AVeümachtsgeschäft  war  bei  den  meisten  Pirmen  befriedigend, 
doch  war  zu  konstatieren,  daß  der  Absatz  von  größeren,  teueren 
Werken  zurückgegangen  ist.  Wenn  auch'  die  Absatzmöglich- 
keiten, vor  allem  von  wissenschaftlichen  AVerken,  besonders  nach 
dem  Auslande  weiter  steigen  (im  Verkehr  mit  den  Vereinigten 
Staaten  ist  der  drohende  Einfuhrzoll,  durch  dessen  Annahme  sich 
die  gesetzgebenden  Körperschaften  der  Vereinigten  Staaten 
in  einen  merkwürdigen  Gegensatz  zur'  freien  Wissenschaft  ge- 
bracht hätten,  glücklicherweise  vermieden  worden),  so  bürdet  doch 
die  Ueberproduktion  des  Verlagsgeschäftes  dem  Sortimenter  große 
Lasten  auf.  Die  Transport-  und  Kommissionärspesien  für  die  zahl- 
reichen Neuigkeiten  werden  immer  größer,  während  die  ,Vbsatz- 
möglichkeil  nicht  im  gleichen  Umfange  steigen  kann.  Das 
größer  werdende  Lager  erfordert  größere  Geschäftsräume  und  da- 
mit erhöhte  Ausgaben  für  Miete  usw.  Außerdem  steigen  fort- 
während die  Ansprüche  der  Gehilfen,  die  auch  bestrebt  sind, 
ihren  Anteil  an  den  Beiträgen  für  die  Reichs  Versicherung  auf 
diesem  Wege  auf  die  A  rbeitgeber  abzuwälzen.  Hinzu  kommt  ferner 
die  oft  ungenügende  Rabattierung  der  Verleger,  so  daß  dem  Sor- 
timenter trotz  des  oft  großen  Umsatzes  nur  ein  bescheidene^ 
Nutzen  verbleibt.  —  Das  Kreditunwesen,  das  wohl  das  größte 
und  bedenklichste  Uebel  des  Sortiments-Buchhandels  darstellt,  be- 
steht in  einem  Umfang,  der  in  anderen  Brauchen  unbekannt  ist. 
Um  endlich  diesem  Mißstand  zu  begegnen,  ist  dank  der  In- 
itiative einiger  führender  Berliner  Sortiments-Buchhandlungen  im 


142.    Tapetenfabrikation. 


461 


Herbst  1913  eine  „Internationale  buchhändlerisclie  Schutz  Vereini- 
gung gegen  Kreditmißbrauch"  ins  Leben  gerufen  worden.  Die  zahl- 
reichen Beitrittserklärungen  von  in-  und  ausländischen  Pirmen 
lassen  die  Notwendigkeit  einer  solchen  Vereinigung  am  besten  er- 
kennen. Durch  festes  Zusammenhalten  aller  Beteiligten  wird  sich 
der  Sortiments-Buchhandel  mit  Hilfe  der  „Vereinigung"  allmäh- 
lich von  dem  Kreditmißbrauch  befreien  können.  —  Zugleich 
fängt  eine  andere  Frage  an,  sich  zu  klären,  nämlich  das  Ver-i 
hältnis  des  Gesamtbuchhandels  zum  Warenhaus,  das  dem  „Börsen- 
verein der  Deutschen  BuchliäJidler"  und  den  anderen  beteiligten 
Vereinen  anfangs  manche  Schwierigkeiten  bereitet  hat.  Das  Publi- 
kum beginnt  einzusehen,  daß  die  Buch-Abteilungen  der  Waren- 
häuser, nachdem  die  Verlagsfirmen,  die  früher  E/emittenden- 
exemplai-e  in  großen  Mengen  an  die  Warenhäuser  abstießen,  jetzt 
in  ihrem  eigensten  Interesse  von  dieser  auf  die  Dauer  nur  schaden- 
brijigenden  Geschäftspraxis  absehen,  nichts  Vorteilhaftes  bieten 
können.  Da  das  sogenannte  moderne  Antiquariat,  der  „Eamsch", 
von  den  meisten  Gebildeten  und  jedem  Bücherfreunde  von  vorn- 
herein abgelehnt  wird,  und  die  neuesten  belletristischen  Erschai- 
nung-en  (ganz  abgesehen  von  der  wissenschaftlichen  Literatur) 
in  den  Sortiments-Buchhandlungen  in  reicherer  Auswahl  vorgelegt 
und  in  Rulie  geprüft  werden  können,  wendet  sich  das  literariscli 
interessierte  Publikum  wieder  dem  Sortiment  zu,  da  dessen  Ein- 
richtungen ihm  eine  individuelle  Erfüllung  der  Wünsche  gewähr- 
leisten —  eine  berechtigte  Forderung  des  Bücherkäufers,  die  der 
Betrieb  des  AVarenhauses  nicht  erfüllen  kann.  —  Ein  stetes 
Zusammenarbeiten  des  Sortimenter-Vereins  und  des  Verleger-Ver^ 
eins  wird  hoffentlich  diese  Bewegung  zum  Vorteil  des  Sortiments 
und   damit  des  gesamten    Buchhandels   zu   fördern  wissen. 

Der  Umsatz  im  Antiquariats-Buchhandel  war  auch  im  letzten 
Jahre  befriedigend.  Wenn  auch  die  scharfe  Konkurrenz  ver- 
schiedener Berliner  wissenschaftlicher  Spezial-Antiquariate  zu 
Preisermäßigungen  bei  einer  Reihe  von  größeren  AVerken  geführt 
hat,  so  ist  doch  der  Absatz  nicht  nur  in  Berlin,  sondern  auch  inner- 
halb Deutschlands,  vor  allem  aber  nach  dem  Auslande,  zufrieden- 
stellend gewesen.  —  Erfreulicherweise  w^ächst  auch  die  Zahl  der 
Bibliophilen  imd  Sammler  immer  weiter,  so  daß  auch  die  Buch- 
handlungen mit  bibliophilem  Antiquariat  einen  guten  Umsatz 
erzielt  haben. 

142.    Tapetenfabrikation. 

Erster  Bericht. 

Die  Aussichten  für  das  Jahr  1913  wurden  schon  im  vor- 
jährigen Berichte  ungünstig  beurteilt,  und  diese  Voraussage  ist 
leider  vollständig  eingetroffen.  Die  Verhältnisse  haben  sich  weiter 
verschlechtert,  wie  dies  durch  den  Konkurs  der  Tapetenfabrik 
Großhelm   &  Co.,   der  mitten   in  der  Reisesaison  erfolgt  ist,   be- 


462 


VIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 


Geschäfts- 
ersebnisse. 


stätigt  wird.  Ob  die  Fabrik  weiter  arbeitet,  ist  zweifelhaft. 
Ebenso  grell  werden  die  Verhältnisse  durch  die  Aufhebung  des 
Konktu'ses  der  Lüneburger  Tapetenfabrik  Friedrich  Enckhausen 
beleuchtet.  Dieser  Konkurs  ist  beendet,  und  die  Gläubiger  haben 
8 o/o  erhalten;  diese  ganz  geringe  Quote  ist  sogar  nicht  einmal 
bar  ausgezahlt  worden,  sondern  wird  noch  in  drei  Quoten,  die 
sich  über  zwei  Jahre  verteilen,  ausgezahlt.  Der  Hauptgläubiger 
hat  seine  Zustimmung  zu  dieser  geringen  Quote  geben  müssen. 
Dabei  betrugen  die  Passiven  weit  über  eine  Million.  Die  Fabrik 
arbeitet  jetzt  weiter. 

Die  Bilanz  der  Anhalter  Tapetenfabrik  Ernst  Schütz 
Aktien-C  es'ells€haf t  ergibt,  daß  die  im  vorigen  Jahre  durch  die 
Sanierung  erhaltenen'  109  600  Mk.  vollständig  verschwunden  sind 
und  eine  weitere  Unterbilanz  von  95  583  Mk.  entstanden  ist.  Diese 
Fabrik  hat  also  im  Jahre  1910/11  einen  Verlust  von  57  251  Mk., 
im  Jahre  1911/12  einen  Verlust  von  44  999  Mk.,  im  Jahre  1912/13 
einen  Verlust  von  95  583  Mk.,  und  den  Ertrag  der  Sanierung  von 
109  600  Mk.  gehabt  und  wird  trotzdem  ebenso  weiter  geführt 
wie  die  obengenannten  beiden  anderen  Firmen. 

Die  Zahlungsverhältnisse  der  Kundschaft  haben  sich  weiter 
verschlechtert;  die  Anzahl  der  Konkurse  bei  den  Händlern  weist 
eine  Steigerung  gegen  voriges  Jahr  auf. 

Die  Saisonreise  des  Jahres  1913  war  allgemein  unbefriedigend, 
und  damit  sind  die  Aussichten  für  das  Jahr  1914  sehr 
trübe.  Papierfabrikanten,  die  speziell  mit  den  Tapetenfabriken  ar- 
beiten, sowie  alle  diejenigen  Betriebe,  die  mit  der  Tapetenfabri- 
kation verknüpft  sind,  Idagen  außerordentlich,  und  es  scheint, 
als  ob  eine  größere  Anzahl  von  Tapetenfabrikanten  endlich  be- 
ginnen würde,  den  Verhältnissen  E/echnung  zu  tragen.  Auch 
g'iewinnt  es  den  Ansdhein,  als  ob  die  Musterkollektionen 
eingeschränkt  werden  sollen,  was  sich  darin  zeigt,  daß  gegen 
Ende  des  Jahres,  wo  die  Walzenstecherei  am  meisten  beschäftigt 
ist,  eine  Anzahl  Gehilfen  arbeitslos  ist.  Es  ist  dies  ein  V^or- 
kommnis,    das   seit    vLelen    Jahren    nicht   zu   verzeichnen    war. 

Die  Spaltung  der  Tapetenhändler,  deren  einer  Teil  zu  dem 
Fabrikantenverbande  hält,  hat  weitere  Fortschritte  gemacht. 
Durch  zahlreiche  Bezirksversammlungen  des  Vorstandes  des  Fa- 
brikantenverbandes ist  eine  derartige  Verhetzung  der  Händler 
eingetreten,  daß  man  heute  zwei  ganz  fverschiedene  Parteien 
unterscheidet:  diejenigen,  die  zum  Verband  halten,  und  diejenigen, 
die  mit  den  freien  Fabrikanten  gehen.  Diese  Spaltung  hat  aber 
nichts  genutzt;  denn  auch  die  organisierten  Fabrikanten,  ebenso 
wie  die  Händler,  sind  wenig  beschäftigt.  Obwohl  man  annehmen 
müßte,  daß  es  gar  nicht  schlechter  werden  kann,  ist  mit  ziem- 
licher Sicherheit  für  das  nächste  Jahr  eine  weitere  Verschlechte- 
rung vorauszusagen. 


143.    Schriftgießerei   und  Messinglinienfabrikation. 


463 


Zweiter  Bericht. 

Das  Verhältnis  zwischen  den  Tapetenfabriken,  die  sich   vor  Einkauf, 

mehreren  Jahren  zu  einem  Kartell  zusammengeschlossen  hatten, 
und  den  freien  Fabriken  war  nach  wie  vor  sehr  o'esnannt.  Es 
sind  zu  Anfang  des  Jahres  Versuche  unternommen  worden,  die 
außenstehenden  Fabriken  zu  bewegen,  dem  Kartell  beizutreten, 
■doch  ist  dies  wiederum  mißlungen.  Die  Gegensätze  zwischen 
diesen  beiden  Fabrikantengruppen  sind  immer  noch  zu  groß,  so 
daß  es  wohl  auch  in  Zukunft  kaum  möglidh  sein  dürfte,  eine 
Einigung  zu  finden.  Die  Annäherung  wird  auch  niöht  unwesent- 
lich dadurch  erschwert,  daß  infolge  des  wirtschaftlichen  Nieder- 
ganges der  Tapetenindustrie  im  ganzen  Reiche,  jede  Fabrik 
schon  allein  einen  ziemlichen  Kampf  zu  bestehen  hat.  Einige  nicht 
besonders  stark  fundierte  Werke  haben  die  bestehenden  schwie- 
rigen Verhältnisse  nicht  überwinden  können  und  waren  genötigt, 
Konkurs  anzumelden.  Die  Aussichten  für  die  Zukunft  versprechen 
leider  sehr  wenig  Besserung  für  die  Fabriken  und  es  ist  daher 
nicht  ausgeschlossen,  daß  vielleicht  noch  einige  Werke  zu  gleichen 
Schritten   gezwung'en  werden. 

Im  sogenannten  Ladengeschäft  haben  sich  die  Verhältnisse  verkauf, 

g'egen  das  Vorjahr  kaum  verändert..  Es  kann  in  dieser  Beziehung 
von  einem  Rückgange  nicht  gesprochen  werden;  die  ümsatz- 
ziffern  bewegten  sich  auf  gleicher  Höhe  wie  im  Vorjahre.  Die 
ringfreien  Fabriken  haben  auch  im  letzten  Jahre  die  aller- 
Jgrößten  Anstrengungen  gemacht  und  sind  heute  in  den  Stand 
gesetzt,  auch  bessere  Tapetengeschäfte  fast  vollständig  mit  guten, 
verkaafsfähigen  und  den  heutigen  Anforderungen  entsprechen- 
den "Waren  zu  versehen. 


143.   Schriftgießerei  und  M  essin  glinien- 

fabrikation. 

Der  Geschäitsgang  hatte  im  Berichtsjahre  unter  den  Balkan- 
"wirren  und  der  dadurch  geschaffenen  Unsicherheit  der  allge- 
meinen politischen  La,ge  sehr  zu  leiden.  Auch  nach  dem  im 
zweiten  Halbjahre  erfolgten  Friedensschlüsse  trat  der  erhoffte 
Aufschwung  nicht  ein.  Die  durch  die  fortwährenden  politischen 
Verwicklimgen  erzeugte  Beunruhigung  und  die  damit  in  Ver- 
bindung stehenden  neuen  großen  Steuergesetze  führten  eine  wei- 
tere Verstimmung  und  Abschwäx?hung  der  Kauflust  herbei.  Der 
Export  nach  dem  Balkan  ruhte  in  den  drei  ersten  Quartalen  voll- 
ständig. Auch  nach  dem  übrigen  Auslande  war  das  Geschäft 
nicht  so  lebhaft  wie  in  den  Vorjahren.  Die  in  der  Regel  im 
Herbst  jedes  Jahres  wiederkehrende  Belebung  des  Inlandgeschäftes 
hielt  sich  gegenüber  den  Vorjahren  nur  in  bescheidenen  G-renzen. 
Der  Eingang  der  Rimessen  war  teilweise  recht  schleppend,  und 
;anch  die  üeherseekundschaft  nahm  ungewöhnlich  lange  Ziele  in 


Allaremeines. 


464 


VIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 


Anspruch.     Aus  den  Balkanländern  ging  infolge  der  ^loratorien 
überhaupt  kein  Geld  ein;   aber  auch  in  Oesterreich-Ungarn  und 
Rumänien  mußte  der  Kundschaft  gegenüber  große  Nachsicht  ge- 
übt werden. 
Preise.  In  der  Preisgestaltung  trat  keine  Aenderung  ein.   Die  Fabri- 

kationskosten haben  sich,  bedingt  durch  die  anhaltende  Hausse 
der  Eohmaterialien,  auf  der  gleichen  beträchtlichen  Höhe  er- 
halten ,  nur  bezüglich  Zinn  und  Antimon  konnte  eine  Eück- 
bildung  zu  normalen  Preisten  beobachtet  werden,  indem  diese 
Metalle  ungefähr  wieder  auf  den  Kursstand  des  Vorjahres  zurück- 
gingen. 

Metallpreise  pro  t  in  ^' 

1.  Jan.  1912  1.  Okt.  1912  1.  Jan.  1913  1.  Okt.  1913 

Kupfer    ....       63/51/  -  78/17/6  77/  -  /  -  74/  -  /  - 

Blei 15/10/-  2(3/15'-  17/17/6  19/2/6 

Zinn 201/-/-  227  10/-  228/15/-  186/15/- 

Antimon      .     .     .       27/10/-  33/-/-  38/-/-  28/10/- 


Soziale 
Verhältnisse. 


Export. 


An  dem  VerhäJtnis  zwischen  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer 
wurde  im  Berichtsjahre  infolge  der  noch  laufenden  Tarifverträge 
nichts  geändert.  Der  im  Gewerbe  bestehende  Verein  Deutscher 
Schriftgießereien  hat  seinerseits  lq  vorteilhafter  Weise  dazu  bei- 
getragen, die  Interessen  des  Gewerbes  zu  wahren. 

Nach  einem  anderen  Bericht  über  Schriftgießerei  haben  sich 
die  Verhältnisse  im  Berichtsjahre  gegenüber  dem  schon  nicht  be- 
sonders günstigen  Vorjahre  noch  wesentlich  verschlechtert. 

Die  ungünstigen  politischen  Verhältnisse  haben  überall 
hemmend  auf  das  Geschäft  gewirkt  und  die  Kundschaft  veran- 
laßt, mit  ihren  Einkäufen  so  viel  wie  möglich  zurückzuhalten^ 
so  daß  größere  Geschäfte  überhaupt  nur  durch  Gewährung  aller- 
äußerster Preise  und  Bedingungen  erzielt  werden  konnten.  Die 
mehrfach  verlängerten  Moratorien  Serbiens,  Bulgariens  usw. 
haben  aSTeulieferungen  nach  diesen  Gegenden  gänzlich  unterbunden. 
Hierzu  kommt  noch  die  ruhige  Sommerperiode,  die  sich  als  solche 
immer  mehr  ausprägt  und  die  sich  in  diesem  Jahre  durch  üire 
lange  Ausdehnung  ganz  besonders  fühlbar  machte.  Infolgedessen 
mußte  die  Produktion  nach  und  nach  eingeschränkt  werden,  wo- 
durch ein  großer  Teil  der  Arbeiterschaft  nicht  mehr  voll  beschäf- 
tigt werden  konnte.  Trotz  des  erheblichen  Sinkens  der  Umsatz- 
ziffer haben  sich  die  Generalunkosten  erhöht,  so  daß  sich  das 
Verhältnis  dieser  Ziffern  zueinander  ungünstiger  gestaltet  hat. 
Durch  die  günstigeren  Einkaufsmöglichkeiten  konnten  die  Ge- 
stehungskosten der  Pabrikate  sich  etwas  billiger  gestalten  und 
zum  größten  Teil  den  Verdienst  etwas  erhöhen. 

Der  Verkehr  mit  dem  europäischen  Ausland  war  im  all- 
gemeinen sehr  gering.  Wenn  auch  Holland,  die  Schweiz  und  Bel- 
gien als  Käufer  auftraten  und  sich  besonders  auch  Dänemark 
und  Skandinavien  als  größere  Abnehmer  bemerkbar  machten,  so 


144.  Steindruckgewerbe.  465 

hatte  das  Geschäft  nach  Italien  bereits  unter  den  politischen 
Verhältnissen  zu  leiden  und  kam  nicht  liber  die  Grenze  des  Vor- 
jahres hinaus.  (Erst  gegen  Jahresschluß  hob  sich!  das  iGeschäit 
wieder.  Der  Verkehr  mit  den,  Balkanstaaten  war  vollständig  lahm- 
gelegt; auch  OesterreichiUngarn  war  infolge  der  allgemeinen  Ge- 
schäftsstille und  Geldknappheit  nicht  kauflustig,  so  daß  sich  der 
Absatz  dahin  sehr  verringert  hat.  Rußland  ist,  wie  schon  früher 
erwähnt,  des  hohen  Zolles  wegen  fast  ganz  unserer  Branche  ver- 
sdhlossen.  Auch  auf  das  Geschäft  nach  Uebersee,  wofür  für 
unsere  Branche  hauptsächlich  Mexiko,  Zentral-Amerika  und  die 
südamerikanischen  Staaten  in  Präge  kommen,  machte  sich 
die  allgemeine  wirtschaftliche  Depression  bemerkbar.  Das  Ge- 
schäft in  Mexiko  lag  infolge  der  inneren  Unruhen  voHständig 
danieder,  aber  auch  die  iSTachfrage  in  Süd-  und  Zentral-Amerika 
hat  die  des  vorigen  Jahres  nicht  erreicht,  und  nur  bei  unlohnenden 
Preisen    konnten   Geschäfte    abgeschlossen    werden. 

Die  Zahlweise  der  Kundschaft  litt  allgemein  unter  den  un- 
günstigen Geldverhältnissen  und  hat  sich  wesentlich  verschlech- 
tert. Trotz  aller  Bemühungen  wird  wohl  mehr  oder  weniger  mit 
großen   Ausfällen   gerechnet  werden   müssen. 

144.    Steindruckgewerbe. 

Gegenüber  1912  hat  sich  die  Lage  des  chromolithographischen 
Gewerbes  nicht  wesentlich  geändert.  Schon  im  vorjährigen  Bericht 
ist  betont  worden,  daß  w^eite  Absatzgebiete  durch  die  zollpolitischen 
Maßnahmen  des  Auslandes  verloren  gegangen  sind,  und  daß  es 
nicht  möglich  war,  in  nennens'wertem  Umfange  neue  Absatzgebiete 
zu  erobern.  Die  Betriebe  des  Gewerbes,  die  infolge  dieser  zoll- 
politischen Maßnalunen  gezwungen  waren,  sich  auf  den  inlän- 
dischen Markt  zu  werfen,  mußten  dieses  Bestreben  im  Berichts- 
jahre noch  intensiver  verfolgen,  um  eine  einigermaßen  geregelte 
Beschäftigung  des  Betriebes  zu  erreichen.  Auf  dem  Inlandsmarkt 
war  eine  Steigerung  des  Verbrauches  in  Plakaten  und  Beklame- 
artikeln  zu  verzeichnen.  Die  meisten  Pirmen,  welche  diese  Artikel 
fabrizieren,  betonen  jedoch,  daß  die  erzielten  Preise  nicht  als  gut 
oder  auch  nur  als  zufriedenstellend  zu  bezeichnen  sind.  Das 
Reklaanebedürfnis  der  Industrie  hat  zweifellos  nicht  nachgelassen, 
es  sei  nur  erinnert  an  den  Artikel  Reklamemarken,  der  wohl  ge- 
eignet gewesen  wäre,  die  Branche  wieder  etwas  zu  beleben;  leider 
waren  aber  die  erzielten  Preise  infolge  der  heftigen  Konkurrenz 
auf  diesem  Gebiete  nicht  zufriedenstellend.  Von  erheblichem  Ein- 
fluß war  auch  in  dem  vergangenen  Jahr  wiederum  die  Konkurrenz 
des  Dreifarbendrucks  und  die  photomechanisöhen  Verfahren,  durch 
die  der  chromolithographischen  Branche  wiederum  ein  wesent- 
licher Teil  ihres  Tätigkeitsgebietes  entzogen  wurde.  Schon  in  dem 
Bericht  über  das  Vorjahr  war  betont  worden,  daß  ein  Teil  der 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  30 


466 


VIII.     Papierindustrie    und    Buchgewerbe. 


Export. 


Bedarf. 


Beschäfti- 
gungsgrafL 


Gratulationskarten,  besonders  der  englischen  Christmaskarten, 
ferner  religiöse  Texte,  Bibelsprüche  usw.  nunmehr  auch  in  Licht- 
druck hergestellt  werden,  zum  Teil  auch  in  Monogrammprägung 
und  Spritztechnik.  Bei  den  Verlagsar tikeln  war  besonders  bei  dem 
Inlandskonsum  der  Chnomiopiostkarten  ein  B/ückgang  zu  merken; 
das  gleiche   gilt  von  Kalenderriickwänden  und  Verlagsplakaten. 

Die  Ansprüche  der  Abnehmer  an  die  Qualität  der  Ware  werden 
immer  höher,  ohne  daß  die  erzielten  Preise  hiermit  gleichen  Schritt 
hielten.  Da^  Bestreben  der  Abnehmer,  nur  Neuheiten  zu  kaufen, 
war  "wieder  intensiv  bemerkbar.  Die  Fabrikanten  suchten  diesem 
Bedürfnis  dadurch  Bechnung  zu  tragen,  daß  große  kostspielige 
Kollektionen  geschaffen  wurden,  die  meist  derart  schnell  nachein- 
ander herausgebracht  werden  müssen,  daß  die  Aufwendungen  für 
die  lalten  Kollektionen  sich  nur  schwer  verzinsen.  Die  Lager- 
best-ände  vermehrten  sich  natürlich  und  konnten  nur  dadurch  ver- 
ringert werden,  daß  am  Schluß  der  Saison  wohl  oder  übel  zu  jedem 
Preis  verkauft  werden  mußte.  Auch  im  vergangenen  Jahre  hielt 
die  Steigerung  der  Löhne  und  der  Preise  für  Bohmaterialien  an. 

Der  Export  nach  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika 
hat  sich  gegenüber  dem  Vorjahre  nicht  geliJohen,  die  Nachwirkungen 
der  Präsidentenwahl  und  der  damit  verbundene  Umschwung  im 
wirtschaftlichen  Leben  hielten  noch  immer  an.  Ob  die  teilweisen 
Zollermäßigungen  resp.  die  durch  die  neue  Zollpolitik  geschaffenen 
Erleichterimgen  wirklich  zu  idem  erhofften  Ergebnis  in  Gestalt 
eines  vermehrten  Exportes  führen  werden,  kann  heute  noch  nicht 
übersehen  werden,  da  man  erst  abwarten  muß,  wie  die  Neuregelung 
der  amerikanischen  Zollpolitik  in  der  Praxis  durchgeführt  wird. 
Die  deutschen  Fabrikanten  stehen  auf  Grund  der  bisherigen  Er- 
fahrungen der  Neuregelung  der  Zollpolitik  recht  skeptisch  gegen- 
über.  —  Der  Absatz  nach  den  Balkanländem  war  auch  im  ver- 
gangenen Jahre  infolge  der  Nachwirkungen  des  Balkankrieges, 
wenn  auch  nicht  vollständig  unterbunden,  so  doch  außerordentlich 
gering  und  schwierig.  Eine  kleine  Besserung  ist  allerdings  zu 
verspüren  gewesen,  ebenso  in  dem  Absatz  nach  Oesterreich- 
Ungarn. 

Der  Bedarf  an  merkantilen  Drucksachen  hat  sich  im  Laufe  des 
Berichtsjahres  gegenüber  dem  Vorjahre  etwas  vermehrt,  allein 
der  bereits  im  vorjahrigen  Bericht  konstatierte  ganz  außerordent- 
liche Bückgang  der  Preise  und  der  damit  verbundene  empfindliche 
Bückgang  des  Nutzens  machte  sich  auch  im  Jahre  1913  bemerkbar, 
zumal  die  an  die  Aufstellung  von  Zinkrotationsmaschinen  sowie 
Gummidruck-  (Offset-)  Pressen  geknüpften  Hoffnungen  sich  nicht 
in  dem  erwarteten  Maße  erfüllt  haben. 

Im  allgemeinen  war  die  Beschäftigung  im  Jahre  1913  besser 
als  im  Jahre  1912.  In  dem  Verhältnis  zwischen  Arbeitgebern  und 
Arbeitnehmern   herrschte,    abgesehen   von   einigen  kleinen   Diffe- 


145.     Rohe    Häute    und    Felle.  467 

renzen,  ßuhe,  und  es  steht  zu  hoffen,  daß  die  Arbeiterorgani- 
sationen in  Zukunft  mehr  Verständnis  für  die  Lage  des  Ge- 
•vverbes  haben  "werden,  als  dies  bisher  der  Fall  gewesen  ist. 


IX.   Rohstoffe  und  Fabrikate  der  Lederindustrie. 

145.   Rohe  Häute   und   Felle.i) 

Während  im  letzten  Jahresbericht  von  einem  eioigermaßen  Aiigemeitie 
befriedigenden  Resultate  berichtet  werden  konnte,  muß  der  Be-  ibersicht. 
rieht  pro  1913  mit  der  Tatsache  beginnen,  daß  sich  die  Hoff- 
nungen, mit  welchen  das  Berichtsjahr  beschritten  wurde,  mit 
wenigen  Ausnahmen  nicht  erfüllt  haben,  denn  nur  der  Handel 
mit  einzelnen  Artikeln,  war  gewinnbringend,  und  häufig  ging  der 
an  diesen  erzielte  Nutzen  durch'  Verluste  an  anderen  Artikeln 
wieder  verloren.  Industrie  und  Handel  litten  wältrenid  des  ganzen 
Jahres  unter  teuren  Geldverhältnisaen,  denn  ein  Bankdiskont  von 
6  o/o,  welcher  erst  am  27.  Okt.  um  1/2  %  zurückgesetzt  wurde, 
hindert  die  Bewegungsfreiheit  und  mahnt  jeden  soliden  Kauf- 
mann zur  Vorsicüit.  Die  Balkan\\drren,  w^elche  erst  im  Spätherbst 
ihren  Abschluß  fanden,  hemmten  den  Export  fertiger  Leder  nach 
dem  Orient  und  erschwerten  auch  den  ImJ)ort  roher  Felle  aus 
der  Türkei  und  den  übrigen  Balkanst^aten.  In  den  Vereinigten 
Staaten  ,  von  Amerika  stagnierte  das  Gesiöhäft  zeitweise  voll- 
ständig, da  einerseits  die  Lederfabrikation  daselbst  nicht  günstig 
lag,  indem  die  Fabrikanten  ihre  im  Vorjahre  zu  hohen  Preisen 
eingekauften  Rohfelle  häufig  nur  mit  Verlust  verkaufen  konnten, 
und  andererseits  die  Ungewißheit  über  das  Resultat  der  projek- 
tierten Zollherabsetzangen  wie  ein  Damoklesschwert  über  den 
Köpfen  der  amerikanischen  Fabrikanten  schwebte.  Nachdem  im 
Spätsommer  die  Zollfreiheit  für  ausländisiches  Schuhleder  und 
Schuhzeug  und  Zollherabsetzungen  für  Glaceleder  und  Hand- 
schuhe bekannt  geworden  waren,  und  sich  das'  Geschäft  in  den 
Vereinigten  Staaten  wieder  zu  beleben  begann,  beeinflußten  "wieder 
die  mexikanisch'en  Wirren  mit  ihren  Befürchtungen  vor  kriege- 
rischen Verwicklungen  den  Herbstexport  nach  Amerika  un- 
günstig. Die  zollfreie  Einfuhr  von  Oberleder  aus  Europa  nach 
Amerika  dürfte  aucli  in  Zukunft  nicht  ohne  Nachwirkung  bleiben, 
denn  da  die  amerikanischen  Fabrikanten  künftig  mit  der  euro- 
päischen Konkurrenz  beim  Verkauf  ihrer  Fabrikate  werden  rech- 
nen müssen,  liegt  die  Befürchtung  nahe,  daß  der  Export  ix)her 


1)  Die  Berichte  Nr.  145—147  und  149—154  sind  A^on  der  Sach- 
verständigenkommission der  Lederinteressenten  von  Berlin  geliefert.  Die 
allgemeine  Ueb ersieht  in  dem  Bericht  Nr.  142  entstammt  dem  „Jahres- 
berichte über  den  Handel  mit  rohen  Häuten  und  Fellen  in  Berlin  pro 
1912  von  Herrmann  Schle.singer  &  Co." 

30* 


468     IX.    Eohstoffc   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie  u.  Pelzwerk. 

Felle  aus  Europa  nach  den   Vereinigten  Staaten  darunter  leiden 
könnte. 

Der  deutschen  Schuhfabrikation  war  es  unmöglich,  trotz 
gesteigerter  Rohpreise  und  trotz  höherer  Löhne  und  sbnstiger 
Lasten  für  soziale  Fürsorge  ihre  Preise  für  Stiefel  und  Schuhe 
in  genügender  AYeise  in  die  Höhe  zu  setzen,  da  infolge  häufiger 
'Zahlungseinstellungen  viel  billiges  Material  an  den  Markt  kam. 
Auch  hatte  sie  unter  der  Ungunst  der  milden  Witterung  im  Herbst 
zu  leiden,  so  daß  sich  große  Bestände  anhäuften.  Diese  wareu 
einem  flotten  Einkauf  von  Leder  seitens  der  Schuhfabrikanten 
im  Wege,  worunter  natürlich'  auch  wieder  der  Fellhandel  zu  leiden 
hatte,  indem  die  Leder fabrikanten  nur  den  notwendigsten  Be- 
darf deckten.  Nachdem  der  Schuhfabrikation  durch  den  neuen, 
Zolltarif  die  zollfreie  Einfuhr  ihrer  Fabrikate  nach  Ameirika 
ermöglichst  ist,  wird  die  Zukunft  lehren  müssen,  ob  es  gelingeu 
wird,  deutschem  Schuhzeug  in  Ameiika  einen  Markt  zu  gewinaen ; 
viel  wird  davon  abhängen,  ob  man  es  dem  amerikanischen  Ge- 
scÜimacke  und  der  Dauerhaftigkeit  des  dortigen  Mateiialä  wird 
anpassen  können.  Von  dem  allgemeinen  Rückgang  der  wirtschaft- 
lichen Konjunktur  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  wurde  auch 
die  Lederindustrie  ungünstig  beeinflußt,  und  esl  ist  daher  nicht 
zu  verwundern,  daß  die  Preise  der  meisten  Rohartikel  im  Spät- 
herbst eine  zum  Teil  erhebliche  Absdhwächung  erfuhren.  Am 
g-ünstigsten  lag  während  des  größten  Teiles  des  Jahres  der  für 
den  hiesigen  Platz  wichtigste  Artikel:  „Gesalzene  Rindhäute", 
der  sich'  regster  Nachfrage  erfreute,  und  dessen  Preise  eine  Höhe 
erreichten,  welche  selbst  die  ältesten  Mitglieder  der  Branche  nie- 
mals zuvor  erlebt  haben.  Der  einheimische  Militärbedarf  und' 
die  Rüstungen  in  Oesterreich  und  den  Balkanstaaten  absorbi'drten 
ungeheure  Mengen  roher  Häute,  und  da  die  Schlaöhtungen  im 
In-  und  Auslande,  namentlich  in  den  überseeischen  Ländern,  kleiner 
waren  als  in  den  Vorjahren,  konnte  häufig  trotz  Heranziehung 
ausländischien  Materials  nicht  rechtzeitig  dem  Bedarfe  genügt 
werden,  so  daß  die  vorerwähinte  Preishöhe  die  Folge  eüies!  ge- 
sunden Bedarfs  Avar.  Erst  im  Oktober,  als  der  ^lilitärbedajrf 
nachzulassen  begann,  zeigten  die  Preise  auf  den  Auktionen  einen 
Rückgang,  welcher  bis  zum  Jahresschlüsse  immer  weitere  Dimen- 
sionen annahm,  doch  waren  die  Preise  einzelner  Sorten  trotz- 
dem noch  etwas  höher  als  am  Jahresheginn.  Eine  größere  Preis- 
steigerung erfuhren  im  Spätsommer  auch  Roßhäute,  aber  nur 
prima  große,  schwere  Häute,  welche  lebhafter  Nachfrage  be- 
gegneten, da  der  aus  ihnen  hergestellte  Artikel:  ,,Roßchevreaux" 
für  den  Export  sehr  beliebt  war,  doch  ging  der  erzielte  Preisauf- 
schlag in  den  letzten  Monaten  des  Jahres',  als  der  Bedarf  nach- 
gelassen hatte,  zum.  großen  Teile  wieder , verloren.  Die  geschilder- 
ten Verhältnisse  brachten  es  mit  sich,  daß  von  einem  flotteji  Ge- 
schäftsgang  für  den   Handel   während   des  ganzen   Jahres   nicht 


145.     Eohe    Häute    und    Felle.  469 

di€  Eedo  sein,  konnte,  da  die  Fabrikanten  im  In-  und  Auslandti 
bei  den  hohen  Preisen  fast  aller  Häute-  und  Fellsbrten  meist  nur 
den  notwendigsten  Bedarf  zu  decken  bemüht  blieben,  ohne  sich, 
wie  in  früheren  Jahren,  größere  Vorräte  für  künftig-en  Bedarf  zu 
sichern.  Es  wurde  auch  mit  dem  bescheidensten  Nutzen  ge- 
handelt, denn  der  Handel  war  nicht  geneigt,  angesichts  deö  hohen 
Preisniveaus  und  deö  teuren  Geldstandes  größere  Lager  zu  halte ti, 
um  damit  auf  noch  höhere  Preise  zu  spekulieren.  Die  Signatur 
des  Berichtsjahres'  läßt  sich  denn  auch  mit  den  wenigen  Worten 
bezeichnen :  „Kleinere  Umsätze  bei  reduziertem  Nutzen.''  Die 
früheren.  Klagen  über  ein  Mißverhältnis  zwischen  den  Preisen  der 
rohen  Ware  und  der  Fertigfabrikate  verstummten  auch  in  diesem 
Jahre  nicht,  denn  wenn  esi  auch  der  Fabrikation  gelang,  ihre 
Lederpreis^.  wiederholt  in  die  Höhe  zu  setzen,  so  sollen  diese 
Preiserhöhungen  angeblich  dodh  nicht  angesichtsi  der  immer 
höher  ge^i raubten  Rohpreisie  genügt  haben.  Es!  kann  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  die  Viehbestände  in  der  ganzen  Welt 
nicht  mit  der  Vermehrung  der  Bevölkerung  Schritt  gehalten 
haben,  und  daß  daher  die  angebotenen  Quantitäten  roher  Häute 
und  Felle  häufig  nicht  ausreichen,  um  dem  momentanen  Bedarfe 
zu  genügen,  wodurch'  notwendigerweise  eine  Preissteigerung  ein- 
treten muß,  welcher  die  Fabrikanten,  wenn  auch  häufig  unwillig, 
Folge  zu  geben  gezwungen  sind,  um  ihre  Arbeiter  zu  beschäftigen, 
aber  hauptsächlich  dürfte  wohl  nicht  genügend  dem  Umstände 
Eechnung  getragen  werden,  daß  aus  vielen  Häute-  und  Fell- 
sorten seit  einigen  Jahren  Spezialartikel  fabriziert  werden,  für 
welche  die  hohen  Preise  nicht  störend  sind,  während  sie  sich  für 
die  Fabrikation  von  Schuhleder  meist  als  wenig  gewinnbringend, 
häufig  sogar  als  verlustbringend,  erweisen.  Daß  aber  die  Nach- 
frage für  solche  Spezi  alz  wecke  die  Preise  nicht  immer  regulieren 
kann,  beweist  der  vorstehend  erw^ähnte  Preisa-ückgang  der  meisten 
Häute-  und  Fellsorten  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres',  welcher 
nie  hätte  eintreten  können,  wenn  nicht  eine  allgemeine  Zurück- 
haltung im  Einkaufe  stattgefunden  hätte.  Dem  Handel  kann  es 
nur  erwünscht  sein,  w^enn  sich  die  Rohpreise  nicht  auf  der  bis^ 
hierigen  Höhe  halten,  denn  je  höher  die  Preise,  um  so  größer  sein 
Risiko,  und  um  so  kleiner  sein  prozentualer  Gewinn.  Wie  sich' 
di?  Verhältnisse  im  neuen  Jahre  gestalten  werden,  ist  schwer  vor- 
au^^zusagen.  Große  Vorräte  roher  Häute  und  Felle  existieren  weder 
bei  den  Fabrikanten,  noch  bei  den  Händlern  im  In-  und  Aus- 
lande, und  es  ist  anzunehmen,  daß  durch  Herabsetzung  des 
Reichsbankdiskonts  wieder  normale  Geldverhältnisse  eintreten 
werden,  von  welchen  Industrie  und  Handel  zweifellos  Nutzen 
ziehen  dürften.  Gelinget  es,  die  bestehenden  Roh  preise  nicht  nur 
nicht  weiter  zu  steigern,  sondern  möglichst  mit  den  Preisen  der 
Fertigfabrikate  in  Einklang  zu  bringen,  was  nur  dann  möglich' 
sein  wird,  wenn  Fabrikanten  und  Händler  Hand  in  Hand  gehen. 


470     IX.    Rohstoffe   u.  Fabrikate  der  I^ederindustrie   u.  Pelzwerk. 

dann  darf  der  Hoffnung  Eaum  gegeben  werden,  daß  ein  jeder  im 
neuen   Jahre   den    wohlverdienten    Lohn    für   seine    gewiß   harte 
Arbeit  finden  werde. 
KiodMute.  In  gesalzenen  Rindhäuten  entwickelte  sich  am  Jahresbeginn 

ein  ziemlich  lebhaftes  Geschäft.  Im  Februar  erhöhten  sich  die 
Preise  um  ca.  2—3  Pfg.  per  Pfund  und  blieben  dann  bis  ^zur 
Mitte  des  Jahres  ohne  größere  ;Sch\Vankungen.  Vom  Juli  ab 
wurde  die  Nachfrage  faber  stärker,  und  da  die  Schlachtungen 
immer  mehr  zurückgingen,  stiegen  die  Preise  bis  zum  Oktober 
um  3—4  Pfg.  per  Pfund.  Im  November  trat  infolge  schlechteren 
Geschäftsganges  bei  den  Lederfabrikanten  und  auch  infolge  Ein- 
schränkung der  Kredite  bei  den  Banken  eine  starke  Abschwächting 
ein,  von  welcher  besonders  Ochsen-  und  Kuhhäute  betroffen 
wurden,  welche  gegen  ihren  höchsten  .Stand  ca.  10  Pfg.  ein- 
büßten, wälirend  Bullen-,  Pärsen-  und  Fresserhäute  nur  zirka- 
3—5  Pfg.  per  Pfund  billiger  wurden.  Wenn  auch  die  ersten 
10  Monate  des  Jahres  füj-  -den  Handel  günstig  waren,  so  ist 
doch  in  den  letzten  beiden  Monaten  ein  Teil  des  Nutzens  wieder 
verloren  gegangen.  —  Kuhhäute,  welche  Anfang  des  Jahres  in 
prima  sortierter  Ware  da.  63  Pfg.  kosteten,  stiegen  im  Februar 
auf  65—66  Pfg.  und  von  Juli  bis  Oktober  nach  und  nach  bis 
auf  70  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht.  Vom  November  bis  ütezember 
ging  der  Preis  bis  auf  ca.  60  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht  zurück. 
Färsen  waren  zur  Fabrikation  von  Boxcalf  ständig  gesucht.  Es 
Wurden  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  65—67  Pfg.  per  Pfund 
Grüngewicht  bezahlt;  dann  stiegen  die  Preise  nach  und  nach  bis 
auf  ca.  71  Pfg.  und  igingen  vom  November  bis  Dezember  atif 
ca.  66  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht  zurück.  Ochsenhäute  be- 
gegneten reger  Nachfrage  seitens  deutscher  und  österreichischer 
Fabrikanten.  Preise  waren  Anfang  des  Jahres  ca.  63  Pfg.,  er- 
höhten sich  nach  und  nach  bis  auf  70  Pfg.  und  fielen  dann  zum 
Jahresschluß  bis  auf  ca.  60  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht. 
Bullenhäuto  in  Gewichten  von  60—100  Pfund  nahmen  russische 
Fabrikanten  während  des  ganzen  Jahres  laufend  aus  dem  Markt 
und  zahlten  Anfang  des  Jahreö  da.  57  Pfg.,  dann  erhöhten  sich 
die  Preise  nach  und  jiach  bis'  auf  ca.  63  Pfg.  und  fielen  von^ 
November  bis  Diezember  auf  ca.  59  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht. 
Leichte  Gewichte  von  40—59  Pfund  erzielten  stets  1 — 2  Pfg. 
per  Pfund  mehi-  und  G^^vichte  iiber  100  Pfund  stets  3—4  Pfg, 
weniger  als  Ware  von  60—100  Pfund.  Fresser  waren  von  deut- 
schen Fabrikanten  sehr  begehrt  und  nicht  so  großen  Preis- 
schwankungen untersvorfen.  Es  wurden  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  64—66  Pfg.,  dann  67 — 68  Pfg.  und  zum  Jahresschluß 
ca.  65—66  Pfg.  per  Pfund  Grüngewicht  erzielt.  Die  auf  den 
Auktionen  zum  Verkauf  gestellten  Häute  wurden  wie  stets  ent- 
sprechend ihrer  besseren  Behandlung  mit  5—10  ^/o  teurer  bezahlt 
als    Händlerware.      Trockene   Rindhäute   existieren    in   deutscher 


145.     Rohe    Häute    und   Felle.  471 

Ware  fast  gsr  nicht  mehr  und  bieten  keinen  Berichtsstoff.  Auch 
in  diesem  Jahre  wurden  bedeutende  'Quantitäten  kurischer  und 
russischer  Häute,  hauptsächlich  nach  Amerika,  aber  weniger  iaJs 
letztes  Jahr  an  idöutsche  Fabrikanten  gehandelt.  Preise  variierten 
je  nach  Qualität  und  Sjortiment  zwischen  18  und  20  Eo.  per  Pud. 
Auch  gesalzene  kurische  und  russische  Rindhäute  und  Fresser 
wurden  ab  rus'sisohen  Häfen  in  (großen  Posten  nach  Amerika 
•und  nach  Oeutschland,  meist  für  Lackzwecke,  verkauft  und  er- 
zielten 9—10  Eo.  per  Pud  ausgesalzen.  Am  Jahresschlüsse  haben 
sich  mangels  Absatzes  große  Quantitäten  im  Lande  angesammelt, 
welche  trotz  bedeutender  Konzessionen  seitens  der  Eigner  bisher 
keine  Liebhaber  fanden,  da  man  lallgemein  einen  weiteren  Preis- 
rückgang   erwartet. 

Der  Markt  für  deuts'che  trockene  Kalbfelle  war  ini  Berichts-  Kalbfelle, 
jaiire  sehi^  unregelmäßig.  Am  Jahresbeginn  mit  abschwächen- 
der Tendenz  einsetzend,  hielt  siöh  das  Geschäft  bis  zum  Monat 
Mai  in  sehr  ruhigen  Bahnen,  und  die  Preise  bröckelten  allmählich 
ab.  Später  befestigte  öiöh  die  iTendenz,  und  es  wurden  letzt- 
vorjährige, zum  Teil  isogai-  etwas  höhere  Preise  erzielt;  durch 
anlialtend  schlechte  Berichte  aus  Nordamerika  verflaute  der 
Markt  im  OHerbst  abermals,  und  der  Geschäftsgang  wurde  ein 
schleppender.  Bevorzugt  waren  bessere  kräftige  Felle  in  der 
Gewichtslage  von  3—4  Pfund,  während  leichte  Sorten  und  ins- 
besondere Lackierfelle  während  des  ganzen  Jahres  selbst  bei 
billigen  Offerten  schleciht  verkäuflich  blieben.  Bauernfelle  unter 
lagen  keinen  großen  (Schwankungen  und  fanden  auf  einer  mittleren 
Preisbasis  laufend  Absatz.  iB'as  Gesamtresultat  kann  füir  den 
Handel  kaum  als  g-üjistig  bezeichnet  werden.  Die  Preisgestaltung 
ergibt  sich  ;aus  folgender  Skala:  * 

Monate  Prima  Secunda  Bauernfelle 

Januar/Februar  .     .     .  2.50—2.60  M.  2.25—2.30  M.  1.95—2.05  M. 

Mai/Juli 2.35—2.40  „  2.10-2.20  „  1.90-1.95  „ 

August/ Oktober  .     .     .  2.60—2.65   ,,  2.35—2.40   „  2.05—2.10   ., 

November/Dezember   .  2.50-2.60   „  2.30—2.35   „  2.00—2.05   „ 

Gesalzene  Kalbfelle  waren  für  den  iHandel  kein  lohnender 
Artikel.  Dia  die  JN'achfrage  seitens  Amerikas  nicht  sehr  rege 
war,  bröckelten  die  Preise  vom  Januar  bis  Juli  langsam  ab. 
Vom  Auglist  bis  zum  Jahresschluß  waren  mittlere  und  schwere 
Gewichte  begehrter  und  Iziogen  im  Preise  an,  wahrend  leichte 
Gewichte  üire  Preise  jnicht  erhöhen  kannten,  da  Amerika  für 
diese  Sorte  wenig  Interesse  zeigte.  Leichte  Felle  von  5—9  Pfund 
erzielten  anfangs  des  Jahres  ca.  100  Pfg.  und  gingen  dann  nach 
und  nach  bis  auf  ca.  |95  Pfg.  per  Pfund  ausge^alzenes  Gewicht 
zurück.  Gewichte  von  10—15  Pfund  kosteten  anfangsl  des  Jahres 
ca.  90  Pfg.,  Mitte  des  Jalires  ca.  88  Pfg.  und  am  Jahresschluß 
ca.   92  Pfg.  per  Pfund.    Schwere  Felle  von  16—22  Pfund  wurden 


472     IX.    Kohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

anfang^s  des  Jalires  mit  ca.  84  Pfg-,  Mitte  des  Jahres  mit  zirka 
82  Pfg.  tind  Ende  des  Jahres  mit  ca.  86  Pfg.  per  Pfuad  bezahlt. 
Kurische  Kalbfelle  wurden  mangels  irgendwelcher  nennens- 
werter Bestände  ans  dem  Vorjahre  schon  im  Winter  an  den 
Produktionsplätzen  kolossal  teuer  von  den  Sammlern  bezahlt; 
die  Preise  für  prima  Sorten  stellten  sich  unter  Berücksichtigung 
des  durch  die  Näss3  falschen  Gewichtes  auf  38—40  Ko.  per  Pud. 
Allgemein  Wurde  ,an  Iden  Produktionsplätzen  der  Hoffnung  Raum 
gegeben,  daß  sich,  wie  im  yorja,hre,  frülizeitiger  Bedarf  ssitens 
des  Auslandes  eiustellen,  [und  daß  die  saison trockene  Ware  nicht 
ins  Liegen  kommen  fwürde.  Amerika  zeigte  aber,  gewitzigt  durch 
die  schlechten  Erfahrungen  im  Vorjahre,  ;große  Zurückhaltung, 
Und  auch  die  tonangebenden  deutschen  Fabrikanten  wollten  bei 
den  hohen  Preisen  [reelle  Trocknung  abwarten,  so  daß  ein  größerer 
Preisrückgang  zu  erwarten  (stand,  der  ,auch  sicher  eingetreten 
wäre,  wenn  nicht  im  April  einige  deutsche  Händler  und  russische 
Exporteure  zu  den  erwälinten  hohen  Preisen  in  den  Markt  ge- 
gangen wären  und  einige  größere  Partien  aufgenommen  hätten. 
Dieses  unerwartete  Eingreifen  einzelner  konnte  indessen  den  Markt 
nicht  langfi  beeinflussen,  denn  im  Mai  trat  bereits  eine  Stockung 
im  Absätze  ein,  und*  trotzdem  inzwischen  ein  Preisrückgang  von 
'5 — 6  o/o  zu  konstatieren  war,  blieben  die  größeren  regelmäßigen 
Käufer  aus,  so  daß  sich  im  Juli  Quantitäten  Felle  ansammelten, 
die  einen  weiteren  Preisabschlag  von  6  o/o  erfuhren.  Zu  diesen 
igtesunkenen  Preisen  g'ingen  russische  Exporteure  stärker  in  den 
Markt,  ohne  indesisen  verhindern  zu  können,  daß  noch  große 
Posten  unverkauft  liegen  blieben,  welche  man  'später  billiger 
zu  erstehen  hoffte.  iDiese  Hoffnung  erwies  sich  indessen  als 
trtigerisch,  denn  infolge  der  auf  der  Nishnyer  Messe  unerwartet 
g^ezahlten  hohen  Preise  für  russische  Kalbfelle  'gewannen  die 
liegengebliebenen  besseren  kurischen  Sorten  ebenfalls  :an  Wertj 
und  Jkonnten  sich  Hvälirend  und  nach  der  Messe  zu  3—4  o/o  höheren 
Preisen  räumen.  iD'eutsche  3^iabrikanten  waren  in  diesem  Jahre 
ungleich  kleinere  Käufer  !als  in  früheren  Jahren,  auch  die  ton- 
angebenden amerikanischen  Fabrikanten  kauften  wesentlich 
kleinere  Quantitäten,  während  kleinere  und  mittlere  Fabrikanten 
in  Amerika,  namentlich  aber  einige  lamerikanische  Händler,  viel 
AVare  aufnahmen.  Ob  letztere  durchweg  iauf  feste  Orders  oder 
zum  Teil  lauf  Spekulation  operierten,  entzieht  sich  unserer  Be- 
urteilung. Dier  deutsehe  H,andel,  welcher  schon  seit  Jahren  unter 
der  Konkurrenz  der  rusisischen  Händler,  unter  dem'  direkten  Ein- 
greifen Amerikas  und  der  deutschen  Fabrikanten  an  den  Pro- 
duktionsplätzen zu  leiden  [hat,  nahm  ungleich  kleinere  Käufe 
als  sonst  vor  |und  sicherte  Isich  erst  im  Sommer,  als  Ware  'ge- 
wichtstrocken empfangen  werden  konnte  und  Preise  nacligelassen 
hatten,  einige  bessere  Partien  füi^  iden  nötigsten  Bedarf.  [Die 
hier  am  Platze  lerzielten  Preise  schwankten  für  unköpfige  Scharren 


145.     Rohe    Häute    und    Felle.  473 

zwischen  2,95  und  2,80  M.,  für  unköpfige  Schlachtier  zwischen 
2,85  und  2,70  M.,  für  backig^e  Schlachter  zwischen  2,35  und  2,25 
Mark,  für  köpfige  Littauer  Schlächter  zwischen  2,30  und  2,20 
Mark,  Land  jeder  Sorte  erzielten  20—25  Pfg.  weniger,  für  Brack 
wurden  1,90  bis  1,80  Mk.  gelöst,  alles  per  V2kg.  Die  von  russischen 
Häfen  direkt  nach  den  Bestimmungsorten  verladenen  Partien 
.erzielten  entsprechend  billigere  Preise,  da  für  derartige  Ab- 
ladungen die  im  Lande  geltenden  Originalgewichte  und  Original- 
siortimente  bestimmend  sind.  Infolge  der  hohen  Preise  war  das 
Geschäft  na,ch  Frankreich,  [England,  Italien  und  Spanien  sehr 
klein,  Amerika  kaufte  in  iDeutschland  nur  Wenig  Originalware, 
interessierte  sich  in  der  Hauptsache  für  Spezialsortimente,  speziell 
in  schweren  Grewichten,  jsiowie  für  lUntergeordnete  Sorten.  Der 
Absatz  an  detitsiche  Fabrikanten  erstreckte  sich  ebenfalls  in  der 
Hauptsache  nur  auf  'Spezialslortimente.  Sowohl  im  Ursprungs- 
lande als  auch  hier  und  an  anderen  Plätzen  Deutschlands  befinden 
sich  am  Jahresschlüsse  noch  Bestände,  die  allerdings  nicht  als 
bedeutend  bezeichnet  werden  können ;  hoffentlich  aber  werden 
sie  yerhindem,  daß  die  frischen  Felle  der  neuen  Ernte  \vieder 
so  teuer  wie  letztes  Jahr  bewertet  werden.  Altrussische  Kalb- 
fells wurden  vion  der  Nishnyer  Messe  nur  wenig  gehandelt,  da. 
sie  zu  teuer  eingekauft  waren,  indem  für  gute  Kotelnitzer  und 
Wiatkaer  36—37  Eo.  per  Pud  Resnoi  verlangt  wurden.  Erst 
als  im  Juni  fdiese  Sorten  ca.  10  «/o  billiger  erhältlich  waren,  zeigte 
sich  einige.^  Interesse  ldafü,r  seitens  einiger  russischer  und  deut- 
scher Händler,  ohne  fdaß  es'  ;gelang,  Quantitäten  abzusetzen,  da 
bei  den  großen  Peständen  löowohl  irussischer  als  auch  kurischer 
Felle  mit  billigeren  Preisen  a,uf  der  Nishnyer  Messe  gerechnet 
wurde.  Paloien  wurden  vor  der  Messe  ebenfalls  wenig  gehandelt 
und  erzielten  21—22  Ejo.  per  Pud  in  schweren  und  leichten  Ge- 
wichten. Als  auf  ider  Nishnyer  Messe  ungewöhnlich  gToße  Quan- 
titäten —  cia.  IV2  Millionen  Stück  Kesnoi  und  ca.  750  000  Paloien, 
worunter  da.  600  000  'Stück  sibirische  —  auftauchten,  und  mit 
den  Beständen  in  Kurland  und  an  russischen  Plätzen  außerhalb 
der  Messte  das  Gesamtquantum  der  im  Lande  unverkauften  Felle 
auf  ca.  31/4  Millionen  zu  schätzen  war,  schien  ein  größerer  Preis- 
sturz unausbleiblich.  Nachdem  kurz  nach  Beginn  der  Messe  die 
besse,ren  Sorten  noch  verhältnismäßig  preiswert,  nätmlich  zu  zirka 
34  Ex).  Pesnoi,  von  deutöchen  und  russischen  Händlern  auf- 
genommen waren,  trafen  plötzlich  unerwartet  größere  Orders  von 
Amerika  ein,  die  m  aller  Eile  eingedeckt  wurden,  so  daß  die 
gewöhnlichen  Sorten,  welche,  abgesiehen  von  der  geringeren 
Qualität,  durch  ihren  höheren  Prozentsatz  Sekunda  ein  ungünsti- 
geres Sortiment  ergeben,  isichließlich  dieselben,  teilweise  auch 
höhere  Preise  noch  als  die  prima  Ware  brachten,  und  den  er- 
warteten Preisinickgang  verhinderten.  Die  schwereren  guten 
Paloien  erzielten  anfangs  der  Messa  ca.  22 1/2  Ko.,  während  später 


474     IX.    Eohstoffe   u.   Fabrikate  der  lyederindustrie   u.   Pelzwerk. 

für  geringere  23  B;o.  telquel,  gleich  24  Ro.  sortiert,  bezajilt 
werden  mußte.  Leichte  sibirische  Paloien  -waren  gänzlich  ver- 
nachlässigt und  auch  am  Schlüsse  der  Messe  noch  unverkauft, 
Allgemein  war  die  Ansieht  vertreten,  daß  die  Inhaber  be- 
deutendere Preisikionzessionen  würden  machen  müssen  als  sie  tat- 
sächlich zu  machen  brauchten,  denn  zu  2IV2— 22  Ro.  zeig-ten  deut- 
sche Händler  nach  dem  Schlüsse  der  Messe  Interesse  für  den 
Artikel  imd  nahmen  ca.  200  000  Stück  auf.  Ein  gleiches  Quantum 
wurde  hinterher  von  russischen  Händlern  zu  ca.  22  Ro.  aus  dem 
Markt  genommen,  während  am  Jahressichlusse  der  Rest  von 
ca.  200  000  Stück  noch  unverkauft  ist,  da  die  Eigner  auf  höhere 
Preise  spekulieren.  Polaische  Kalbfelle  wurden  in  gToßen  Quan- 
titäten bis  zum  Monat  März  in  gesalzenem  Zustande  von  russi- 
schen und  deuts^chen  Kommissionären  an  amerikanische  und 
<ieutsche  Fabrikanten  verkauft  und  erzielten  13V2— 14  Ro.  per 
Pud  ausgesalzenes  Gewicht.  [Dier  deutsche  Handel  zeigte  größere 
Zurückhaltung  und  dockte  nur  den  nötigsten  Bedarf.  Ob  nament- 
lich die  nach  Amerika  verkauften  Felle  schließlich  den  Verkäufern 
Nutzen  gebracht  haben,  dürfte  zu  bezweifeln  sein,  denn  bei  der 
schlechten  polnisdien  Salzung  trafen  viele  Partien  mit  Ungleich 
größerem  Manko  in  Amerika  ein,  als  nach  dem  von  den  A^erkäufern 
als  maximal  garantierten  Manko  zulässig  war,  so  daß  nicht  un- 
bedeutende Differenzen  hinterher  entstanden.  Im  April  \vurden 
Saison  trockene  Felle  im  Lande  mit  29  Ro.  per  Pud  bezahlt,  im 
Mai  stellte  sich  bessere  Trocknung  auf  30  Ro.,  aber  kurz  hinter- 
her gingen  Preise  vorübergehend  bis  28%  Ro.  zrurück.  Im  Juni- 
Juli  machte  sich  wieder  eine  Preiserhöhung  bis  31  Ro.  bemerkbar, 
tmd  bis  zum  Spätherbst  erreichten  die  Preise  die  stattliche  Höhe 
von  32 V2  Ro.  per  Pud.  In  der  Hauptsache  dürfte  diese  Preis- 
isteigerung  auf  Eindeckungen  vorher  auf  Lieferung  verkaufter 
Felle  zurückzuführen  sein,  da  die  im  Lande  zuletzt  bezahlten 
Preise  weder  im  Verkauf  nach  Amerika  noch'  an  deutsche  Fabri- 
kanten wieder  zu  erzielen  waren.  Es  darf  auch  nicht  unerwähnt 
bleiben,  daß  viele  Partien,  welche  in  Polen  auf  spätere  und 
selbst  auf  nahe  Lieferung  zu  billigeren  Preisen  eingekauft  wur- 
den, nicht  zur  Ablieferung  kamen,  wie  dies  bei  steigenden  Preisen 
fast  regelmäßig  in  Polen  üblich  ist,  und  daß  auch  dieser  Um- 
stand zru  einer  Preissteigerung  im  JLande  führte,  während  an 
allen  anderen  Plätzen  Kurlands  und  Rußlands  zur  gleichen  Zeit 
ein  Preisrückgang  zu  konstatieren  war.  Hie  hier  erzielten  Preise 
schwankten  zwischen  2,15  Und  2,25  Mk.  per  1/2  kg  für  Prima, 
1,921/2  und  2,021/2  Mk.  f^  Sekunda,  vereinzelt  wurden  für  schwere 
Partien  auch  noch  5  Pfg.  mehr  erzielt. 
Rohe  Kipse.  Rohc   Kipse  hielten  sich   in    den  ersten   Monaten   auf  demj 

gleichen  Preisstand  wie  am  Schlüsse  des  vergangenen  Jahres. 
Die  Zufuhren  von  Indien  blieben  entgegen  der  allgemeinen  Er- 
wartung dauernd  klein,  und  es   zeigte  sich  bis  März  schon  ein 


145.     Rohe    Häute    und   Felle. 


475 


größerer  'Ausfall  gegen  die  Verschiffungen  im  gleichen  Zeitraum 
1912.  '  Die  Hoffnung  auf  billigere  Preise  erfüllten  sich  hierdurch 
nicht,  und  da  soAvohl  Händler  wie  Fabrikanten  guten  Bedarf 
hatten,  zogen  die  Preise  nach  und  nach  an.  Infolge  der  nassen 
Sommermonate  und  des  großen  Bedarfs  der  Militärbehörden  trat 
ein  vermehrter  Konsum  in  Leder  ein.  Die  Pabrikanten  sahen  sich 
veranlaßt,  ^ihre  Produktion  wesentlich  zu  vergrößern,  und  da 
die  Zufuhren  von  Indien  nach  wie  vor  klein  blieben,  stiegen  die 
Preise  nicht  mehr  allmählich,  sondern  sprungweise  um  10 — 12  o/o, 
so  daß  sie  eine  noch  nie  dagewesene  Höhe  erreichten.  Diese  extremen 
Preise  wurden  bezahlt,  weil  man  weiter  wie  bisher  mit  einem 
flotten  'Absatz  von  Leder  rechnete,  und  außerdem  noch  der  Herbst 
vor  der  Türe  stand,  der  stets  bei  einigermaßen  günstiger  Witte- 
rung 'einen  höheren  •  Lederbedarf  bringt.  Da  sich  jedoch  wegfen 
des  trockenen  Wetters  die  Erwartungen  bezüglich  eines  guten 
Herbstgeschäf'tes  nicht  erfüllten,  und  der  Absatz  in  fertiger  Ware 
sich  sehr  schwierig  gestaltete,  zeigten  die  Fabrikanten  keine 
Keigung  mehr,  die  übertrieben  hohen  Häutepreise  weiter  zu  be- 
willigen, ijahmen  vielmehr  eine  abwartende  Haltung  ein,  die  sich 
naturgemäß  auch  auf  die  Händler  übertrug.  Durch  diese  allge- 
meine Zurückhaltung  haben  die  hohen  Kipspreise  nachgegeben, 
und  der  Markt  zeigte  am  Schlüsse  des  Jahres  eine  weichende 
Tendenz. 


•  Chinahäute  sind  in  der  Hauptsaison  von  Januar  bis  Mai 
in  großen  Massen  importiert  worden,  und  auch  für  diesen  Artikel 
waren  die  Preise  höher  als  in  früheren  Jaliren.  Amerika  und  die 
südeuropäischen  Länder  waren  die  Hauptk^uf  er,  während  Deutsch- 
land Zurückhaltung  übte.  Die  Preise  stellten  sich  Mitte  des  Jahres 
^egen  Jahresbeginn  ca.  12 — 15  ^^/u  höher,  sind  aber  Ende  des  Jahres 
wieder  auf  den  ursprünglichen  Stand  zurückgegangen,  so  daß 
der  Artikel  bei  der  jetzt  beginnenden  Saison  wieder  eine  normale 
Basis  zweigt.  Infolge  der  ziemlich  starken  Hausse  im  Laufe  des 
Jahres  für  Kipse  und  Chinahäute  sind  ausnalimsweise  viele  afri- 
kanische Häute  auf  den  Markt  gekommen,  für  welche  bisher  nie 
Interesse  bestand.  Deutschland  ist  förmlich  mit  diesen  afrika- 
nischen Häuten  überschwemmt  worden,  doch  dürften  sie  für  die 
Folge  wieder  mehr  in  den  Hintergrund  treten,  weil  der  Ausfall 
dieser  Häute  infolge  ihrer  durch  das  heiße  Klima  hervortretenden 
Schäden  sehr  ungünstig  war. 

Gesalzene  Eoßhäute  waren  1912  das  Stiefkind  der  Branche 
und  blieben  es  bis  Mitte  Februar  dieses  Jahres.  In  dieser  Zeit 
hatte  die  Nachfrage  nach  fertigem  Eoßleder  begonnen,  und  die 
Roßhäutepreise  gingen  herauf.  Bis  Mitte  August  stiegen  sie  nach 
und  nach  und  waren  um  diese  Zeit  ca.  15  %  höher  als  im  Februar. 
Im  August  war  die  Nachfrage  nach  Hoßleder  größer  geworden, 
die  Fabrikanten  hatten  größere  Quantitäten  AVare  auf  Lieferung 


476     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

verkauft,  und  das  Material  in  rohen  Häuten  wurde  knapp.  Es 
setzte  eine  starke  Nachfrage  nach  Eoßhäuten  ein,  und  die  Preise 
stiegen  innerhalb  zwei  bis  drei  Monaten  bei  regulärer  Ware  um 
weitere  12  bis  15  o/o ;  bei  unregulären  Häuten  war  die  Preis- 
steigerung noch  wesentlich  größer.  Im  Kovember  .war  genügend 
Ware  deutscher  Produktion  vorhanden,  denn  die  Schlachtungen 
in  diesem  Artikel  beginnen  im  Herbst,  wenn  der  Landmann  wegen 
mangelnder  Beschäftigung  den  Ueberschuß  an  Pferdematerial 
verkauft.  Die  Preise  erfuhren  eine  Rückwärtsbewegung  und 
büßten  alles  ein,  was  sie  seit  August  profitiert  hatten.  Der 
Handel  hat  in  den  ersten  zehn  Monaten  ang-emessenen  Nutzen 
gehabt  und,  trotz  des  in  den  letzten  Monaten  erlititenen  erheb- 
lichen Schadens,  dennoch  im  Durchschnitt  ein  nicht  unbefrie- 
digendes Eesultat  erzielt.  —  Gesalzene  Roßhälse  wurden  in  den 
ersten  fünf  bis  sechs  Monaten  dieses  Jahres  nach  Amerika  expor^ 
tiert,  und  das  Geschäft  hatte  einen  ganz  normalen  Verlauf.  Als 
jedoch  die  Preise  für  Eoßhäute  eine  weitere  Steigerung  erfuhren, 
hörte  der  Handel  in  Hälsen  auf.  Die  europäischen  Fabrikanten 
kauften  die  Roßhäute  im  ganzen.  —  Für  gesalzene  Roßschilder 
hatten  sich  die  Preise  in  den  ersten  zehn  Monaten  des  Jahres 
den  Roßhäutepreisen  ziemlich  angepaßt;  sie  stiegen  allmählich 
bis  August  um  ca.  10  %  und  von  August  bis  November  um  weitere 
10  o/o.  Die  Rückwärtsbewegung  der  Roßhäutepreise  in  den 
letzten  Wochen  machte  dieser  Artikel  nicht  mit.  Schilder  bleiben 
teuer.  Der  Grund  hierfür  liegt  darin,  daß  Amerika  jetzt  einen 
großen  Teil  der  Roßschilder,  die  dort  geschnitten  werden,  selbst 
verwendet.  Eerner  arbeiten  jetzt  mehrere  deutsche  Fabrikanten 
den  oberen  Teil  des  Schildes  für  chromgegerbtes,  schwarzes  Ober- 
leder und  erzielen  für  den  Spalt  hohe  Preise,  und  last  not  least 
kann  Rußland  die  Schilder  gut  bezahlen,  weil  dort  Spiegelware 
zu  hohen  Preisen  sehr  gefragt  bleibt.  Der  Handel  war  für  die 
Beteiligten  befriedigend. 
Lammfelle.  Lammfelle   waren    zu   Beginn    des   Jahres    sowohl    an   allen 

Stapelplätzen,  wie  auf  allen  Lägern  fast  gänzlich  geräumt.  Die 
-svenigen  noch  vorhandenen  Bestände  wurden  selbst  zu  etwas 
höheren  Preisen  gern  von  den  Fabrikanten  aufgenommen.  Die 
deutsche  Handschuhindustrie  war  gut  beschäftigt,  und  ebenso 
hatten  auch  die  Fabrikanten,  welche  Glaceleder  nach  den  Ver- 
einigten Staaten  von  Nordamerika  exportierten,  flott  zu  tun. 
Auf  Grund  dieser  Tatsachen  war  ein  Anziehen  der  Lammfellpreise 
unausbleiblich,  um  so  mehr,  als  von  allen  Seiten,  besonders  von  den 
durch  den  Krieg  in  Mitleidenschaft  gezogenen  Balkanstaaten, 
die  Ernte  als  eine  kleine  geschildert  wurde.  Die  neuen  Kontrakte 
wurden  denn  auch  zu  ungefähr  20  o/o  höheren  Preisen  geschlossen, 
und  alv^  die  ersten  frischen  Felle  an  den  Markt  kamen,  waren  sie 
bald  vergriffen;  Händler  sowohl  wie  Fabrikanten  traten  als 
Käufer    auf.     Demgegenüber    fehlte  es  aber  doch   nicht  an  war- 


145.     Kolie    Häute    und    Felle.  477 

nenden  Stimmen,  die  bereite  für  den  Sommer  und  mehr  noch  für  den 
Herbst  ein  Abflauen  des  Geschäftsgangs  voraussahen.  Sie  be- 
gründeten ihre  Ansicht  damit,  daß  Amerika  den  größten  Teil 
der  in  Auftrag  gegebenen  Handschuhe  und  Glaceleder  in  den  Zoll- 
häusern lagern  lasse,  um  die  Waren  erst  nach  der  erfolgten  Zoll- 
herabsetzung zu  beziehen.  Mit  diesen  recht  bedeutenden  Quanti- 
täten sollte  dann  der  amerikanische  Bedarf  für  lange  Zeit  gedeckt 
sein,  und  eine  ruhigere  Stimmimg  wäre  die  Folge.  Diese  derzeitig 
geäußerte  Vermutung  ist  zur  Tatsache  geworden.  Die  Preise  für 
llohware  sind  zwar  nur  um  weniges  zurückgegangen,  und  auch 
für  die  nächste  Zukunft  ist  keine  erhebliche  Reduktion  zu  er- 
warten; dies  hat  aber  seinen  Grund  lediglich  darin,  daß  in  wirk- 
lich guten  Fellen  in  der  Tat  keine  großen  Bestände  existieren. 
Von  wesentlichem  Vorteil  für  die  Fabrikation  waren  die  guten 
AVollpreise,  die  während  des  ganzen  Jahres  angehalten  haben  und 
besonders  bei  schwereren  Sorten  den  Verkauf  erleichterten.  Hier- 
her gehören  Spanier,  deren  Qualität  nur  leider  sehr  viel  zu 
wünschen  übrig  ließ.  Leichte  spanische  Felle  waren,  soweit  deren 
Preis  nicht  ganz  außerhalb  des  Rahmens  jeder  Kalkulation  stand, 
gut  verkäuflich.  Französische  Felle  wurden  zum  größten  Teil  von 
der  französischen  Industrie  aufgenommen.  Einen  teilweisen  Ersatz 
hierfür  boten  Algier-Sorten,  deren  Preise  immerhin  noch  erschwing- 
lich waren.  Italienische  Felle  ließen  auch  den  sonst  gewohnten 
guten  Ausfall  vermissen,  fanden  aber  trotzdem  guten  Absatz. 
Ebenso  entsprachen  auch  orientalische  Felle  nicht  den  nach  ihrem 
Aussehen  in  rohem  Zustande  auf  sie  gesetzten  Erwartungen.  Ka- 
saner und  AViatka  kamen  in  erststichiger  Ware  nur  in  stark  be- 
schränktem Maße  für  die  deutsche  Glaoelederfabrikation  in  Be-, 
tracht,  weil  die  bekannten  englischen  und  ebenso  auch  russische 
Fabrikanten  dafür  Preise  anlegten,  welche  den  deutschen  Fabri- 
kanten keine  Rechnung  ließen  und  auch  von  amerikanischen 
Fabrikanten  energisch  abgelehnt  wurden.  Zweitstichige  Ware  ist 
ebenfalls  zum  großen  Teil  von  russischen  Fabrikanten  aufge- 
nommen worden.  Im  allgemeinen  war  das  Berichtsjahr  für  den 
deutschen  Lammfellhandel  nicht  besonders  günstig,  zumal  der- 
selbe ja  auch,  wie  alle  anderen  Geschäftszweige,  unter  der  all- 
gemeinen wirtschaftlichen  Depression  zu  leiden  hatte. 

Schmaschen  waren  während  des  ganzen  Jahres  außerordent-  schmascheD 
lieh  gefragt;  die  Preise  sind  infolgedessen  für  alle  europäischen 
und  La  Plata-Sorten  um  ungefähr  20  bis  25  %  gestiegen.  Gegen 
Schluß  des  Jahres  erklärte  eine  Vereinigung  von  Handschuhs 
fabrikanten,  den  Schmasehenhandschuh  nicht  mehr  fabrizieren  zu 
können,  wenn  der  Preis  des  Rohproduktes  den  vorjährigen  über- 
steigt. Diese  Stellungnahme  kann  indes  nur  noch  für  das  nächste 
Jahr  von  Einfluß  sein;  der  deutsche  Handel  könnte  es  nur  be- 
grüßen, wenn  einer  Treiberei,  wie  sie  in  diesem  Jahre  in  die  Er- 
scheinung trat,  energisch  Einhalt  geboten  würde,  denn,  wie  fast 


478     IX.    Kohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 


Schaffelle. 


Ziegen  feile. 


Zickelfelle. 


[a«!en-,  Kanin-, 
Reh-  und 

Hirschfelle. 


imniei'  zuvor,  hatten  nur  die  Eigner  an  den  Ursprungsplätzen  einen 
Vorteil  von  dieser  Preistreiberei. 

Schaffelle  hatten  ein  ziemlich  reguläres  Geschäft.  —  Die 
Gerber  fanden  für  Wolle  und  Leder  guten  Absatz,  konnten  mit 
Interesse  arbeiten  und  einer  allmählichen  Preissteigerung  der 
rohen  Pelle  ohne  Nachteil  folgen.  Am  Jaliresschluß  ist  eine  rück- 
gängige Tendenz  eingetreten,  welche  dem  Handel  merkliche  Ver- 
luste brachte.  Trotzdem  kann  das  Gesq^mtresultat  als  befriedigend 
bezeichnet  werden. 

Deutsche  Ziegenfelle  haben  dem  Handel  in  diesem  Jahre  kein 
günstiges  Resultat  gebracht.  Dieser  Artikel  hat  durch  die  Ein- 
fuhr von  asiatischen  Ziegensorten,  welche  zwar  in  der  Qualität 
wesentlich  geringer,  aber  auch  entsprechend  billiger  sind,  an 
Verwendungsmöglichkeit,  insbesondere  für  Heberlinge,  immer 
melu'  verloren ;  die  Schuhfabrikation  kauft  für  den  großen  Konsum 
nur  billiges  Material,  und  der  Bedarf  in  besserem  Fabrikat  kann 
das  Quantum  besseren  Rohmaterials  nicht  aufnehmen.  —  Mutter- 
ziegen werden  für  Möbelzwecke  jetzt  weniger  gebraucht,  und  Eng- 
land ist  auch  nur  schwach  im  Markt,  so  daß  der  Artikel  sehr 
unsichere  Verwendung  findet.  Die  neue  Saison  bringt  weiter 
schlechte  Aussichten,  zumal  die  Sammler  wieder  ganz  unsinnige 
Preise  zahlen  und  dadurch  die  Ware  grundlos  verteuern.  — 
Russische  Ziegenfelle  brachten  für  Petropawler,  Turkestaner  und 
Bucharen  ca.  10  %  höhere  Preise  als  das  Vorjahr  und  wurden 
bis  auf  Kleinigkeiten  hauptsächlich  nach  Amerika  geräumt. 
Werchuraler  erzielten  1,20—1,25  Ro.,  Mittel  ca.  70—75  Kop. 
per  Stück.  Die  Forderungen  für  die  neue  Ernte  sind  abermals 
ca.  10  ^/o  höher.  Kasaner  Heberlinge  wurden  in  diesem  Jahre^ 
im  Gegensatz  zu  früher,  hauptsächlich  von  deutschen  Händlern 
zu  Ungefähr  vorjährigen  Preisen  aufgenommen,  während  die  süd- 
deutschen Fabrikanten  bedeutend  billiger  kaufen  wollten  und, 
da  ihnen  dies  nicht  gelang,  nur  den  notwendigsten  Bedarf  deckten. 

Zickelfelle  haben  im  Jahresverlauf  verschiedene  Schwankun- 
gen durchgemacht.  Die  Frühjahrssaison  begann  in  matter 
Tendenz,  befestigte  sich  aber  im  weiteren  Verlaufe  bei  allmäh- 
lich steigenden  Preisen.  Die  Erwartungen,  welche  an  die  Zoll- 
ermäßigung für  Zickelhandschühe  bei  der  Einfuhr  nach  Nord- 
amerika geknüpft  wurden,  haben  sich  nicht  erfüllt,  im  Gegen- 
teil hat  sich  die  Stimmung  eher  verflaut,  und  es  lassen  sich  am 
Jahresschluß  für  die  restlichen  Bestände  die  Preise  der  Haupt- 
saison nicht  erzielen.  Das  Gesamtgeschäft  brachte  im  Durch- 
schnitt keine  befriedigenden  Resultate. 

Hasenfelle  sind  im  schroffsten  Gegensatz  zum  Vorjahre  seit 
Jahresbeginn  in  andauernd  rückgängiger  Tendenz  gewesen,  die 
sich  allmählich  derart  verschärfte,  daß  der  Artikel  momentan 
ohne  sichere  Preisbasis  ist.  Als  Ziffern  stehen  den  vorjährigen 
Höchstpreisen  von  160  bis  170  Mk.  per  hundert  Stück  die  dies- 


146.    Lederhandel.  479 

jährigen  Preisschätzungen  von  70  bis  80  Mk.  gegenüber, 
wennschon  letztere  noch  gar  nicht  gesichert  sind.  Die  Ursache 
dieses  Preissturzes  ist  einerseits  der  veränderten  Hutmode  und 
andererseits  dem  kartellierten  Zusanunengehen  der  Haarschneide- 
reien und  Hiitfabrikanten  zuztischreiben.  Der  Handel  ist  an 
einzelnen  Stellen  mit  starken  Verlusten  beteiligt^  die  sich  so 
leicht  nicht  wieder  werden  einbringen  lassen.  —  Kaninfelle 
hatten  unter  gleicher  Tendenz  wie  Hasenfelle  zu  leiden,  wenn- 
schon sich  dieselbe  in  Uüctsicht  auf  die  mehrseitige  Verwendungs- 
möglichkeit und  den  Ausschluß  von  zwingenden  Kartellierungen 
im  Verkauf  in  ihrer  Wirkung  weniger  scharf  bemerkbar  machte ; 
immerhin  sind  Preisreduktionen  von  20 — 40  ^lo^  je  nach  der  Ab- 
weichung, in  den  Sorten  vorhanden. 

E,ehfelle  setzten  in  lustloser  Tendenz  ein,  so  daß  die  Preise 
allmählich  abbröckelten ;  das  Geschäft  war  schleppend  und  durch- 
weg verlustbringend. 

Hirschfelle  konnten  sich  auf  Nachfrage  für  den  Export  im 
Jahresverlauf  etwas  im  Preise  erholen  und  waren  am  Jahresschluß 
bei  um  10 — 15  Prozent  erhöhten  Preisen  gut  verkäuflich. 

146.    LederKandel. 

Auf  das  ereignisreiche  Jahr  1912  folgte  ein  nicht  minder  Allgemeines. 
bewegtes  'Geschäft  im  Berichtsjahre,  denn  wenn  schon  im  ver- 
gangenen Jahre  die  Haussebtewegung  teilweise  feinen  recht  leb- 
haften Charakter  annahm,  so  setzte  sich  dieselbe  in  diesem  Jahre 
in  einem  fast  stürmisch  zu  Tiennenden  Tempo  fort.  Zwar  ging 
dieselbe  zunächst  in  der  Hauptsache  von  der  fortdauernd  stei- 
genden Tendenz  des  Häutemarktes  aus,  aber  auch  der  im  Anfang 
dieses  Jahres  außerordentlich  stark  auftretende  Bedarf  trug 
wesentlich  zur  steigenden  PreisbeweguJig  bei.  Allerdings' schwächte 
sich  die  Nachfrage  im  Frühsommer  etwas  ab,  setzte  aber  später 
wieder  recht  lebhaft  ein,  und  'da  noch  andere  Momente,  wie 
z.  B.  der  durch  die  Heeresvermehrungen  erhöhte  Bedarf  an  Leder 
stimulierend  einwirkten,  brachten  die  M'onate  Juli  bis  Oktober 
weitere  Preissteigerungen,  so  daß  die  Notierungen  schließlich 
eine  liisher  nicht  geahnte  Höhe  erreichten.  Erst  in  den  letzten 
Herbstmonaten  kam  die  Bewegung  zum  Stillstand.  Die  Ver- 
einigten Staaten  von  Nordamerika,  die  unter  der  Unsicherheit 
der  dortigen  Verhaltnisse  litten,  wozu  zunächst  die  Befürchtung 
beitrug,  daß  der  veränderte  Zolltarif,  \velcher  für  Schühleder 
ujid  Schuhwaren  vollständige  Zollf'reiheit  schuf,  das  amerikanische 
Geschäft  ungünstig  beeinflussen  könnte,  zogen  sich  plötzlich  vom 
Häutemarkt  vollständig  zurück  und  kauften  'nur  noch  einige 
Spezialartikel.  Da  die  europiäischen  Fabrikanten  diesem  Vorgehen 
folgten,  begann  das  iGeschäft  zu  stocken,  und  es  sammelten 
sich  an  den  europäischen  Hafenplätzen  ziemlich  starke  Bestände 
an,   als   deren   Folge   der  iMarkt   ins  "Wanken  geriet.     Zunächst 


480     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  dei-  Lederindustrie   u.  Pelzwerk. 

dürften  die  Abschwächimgen  auf  dem  Häutemarkt  im  großen 
und  ganzen  10 — 15  o/o  gegen  die  höchsten  Notierungen  des  Jahres 
betragen.  Es  ist  aber  zu  hoffen,  daß  die  Rückwärtsbewogung 
keine  weiteren  Fortschritte  machen  werde ;  immerhin  ist  das  Ver- 
trauen zu  der  Situation  vorläufig  noch  nicht  wieder  zurückge- 
kehrt. Unter  diesen  Umständen  hatte  naturgemäß  auch  das  Leder- 
geschäft um  so  stärker  zu  leiden,  alö  der  Bedarf  infolge  der 
trockenen  "Witterung  im  Herbst  in  dieser  Zeit  ein  verringerter 
war;  die  Xachfrage  schwäehte  sich  wesentlich  ab,  so  daß  das 
Geschäft  ani  Jahresschluß  als  recht  leblos  bezeichnet  werden 
muß.  Im  allgemeinen  dürften  die  Jahresumsätze  trotz  dieses 
ungünstigen  Ausgangs  recht  befriedigend  und  in  den  weitaus 
meisten  Pällen  höher  als  im  .Vorjahre  gewesen  sein.  Der  Nutzen 
hingegen  wird  infolge  der  fast  während  des  ganzen  Jahres  be- 
standenen hohen  Preise  prozentual  kleiner  gewesen  äein,  so  daß' 
das  Berichtsjahr  kaum  mehr  als  ein  mittelmäßiges  bezeichnet 
werden  kann.  Im  einzelnen  ist  zu  berichten :  Zahmsohlleder  waren 
im  Laufe  des  vorigen  Jahres  in  recht  lebhafter  Frage.  Allerdings 
hat  dieser  Artikel  nicht  mehr  die  früliere  Bedeutung,  da  sich  im 
allgemeinen  der  Geschmack  des  Publikums  immer  mehr  für  leich- 
teres Sohlenmaterial  entscheidet.  Immerhin  sind  im  Sommer  ver- 
hältnismäßig noch  ansehnliche  Quantitäten  verkauft  worden,  wfäh- 
rend  allerdings  die  Hauptsaison  für  diesen  Artikel,  nämlich  der 
Herbst,  vollkommen  ergebnislos  verlief,  so  daß  die  Preise,  welche 
im  Laufe  des  Jahres  stark  angezogen  hatten,  augenblicklich  bei- 
nahe wieder  auf  den  Stand  am  Schlüsse  des  Vorjahres  zurück- 
gegangen sind.  Norddeutsche  Wildsohlleder,  die  im  Jahre  1912 
ebenfalls  von  der  steigenden  Bewegung  stark  profitiert  hatten 
und  in  ziemlich  bedeutenden  Quantitäten  gehandelt  wurden,  hat- 
ten in  diesem  Jahre  ein  gequältes  Geschäft.  Die  Preise  für  diesen 
Artikel  .waren  derart  in  die  Höhe  gegangeji,  daß  sich  immer 
weitere  Kreise  von  ihm  abwandten,  und  da  auch  der  Herböt, 
die  günstigste  Zeit  für  den  Verbrauch  des  Artikels,  alle  nach' 
dieser  Kichtung  hin  gehegten  Hoffnimgen  enttäuschte,  so  werden 
die  Fabrikanten  gezwimgen  sein,  mit  nicht  unbeträchtlichen  un- 
verkauften Quantitäten  in  das  neue  Jahr  hinüberzugehen.  Die 
Preislage  für  diesen  Artikel  ist  nominell.  Im  allgemeinen  werden 
höhere  Preise  als  am  Ende  des  vorigen  Jahres  gefordert,  in- 
dessen wird  zweifellos  auf  diese,  w^ahrscheinlich  auch  noch  etwas 
niedrigere,  heruntergegangen  werden  müssen.  In  norddeutschen 
Wil'dbrandsohlledern  ist  die  Prodiiktion  weiter  zurückgegangen. 
In  der  Hauptsache  beschäftigt  sich  mit  der  Herstellung  dieser 
Gattung  nur  noch  eine  norddeutsche  Fabrik,  welche  einen  sehr 
schlanken  Absatz  an  die  Schuhfabriken  fand.  Hier  dürfen  die 
Preise  etwa  10  O/'o  höher  als  am  Jahresende  1912  gewesen  sfein. 
In  AVildvaches  dagegen  hat  sich  das  Geschäft  von  Jahr  zu  Jahr 
günstiger    entwickelt.     Diese  Sorten    sind    an   Stelle   von  nord- 


146.    Lederhandel.  481 

deutschen    "Wildbraiudsohlledern    gietreten    und   werden    von   der 
Schuhfatrikation,  die  ja  lieute  der  weitaus  bedeutendste  Faktor* 
des  Leder  Verbrauchs  ist,  in  sehr  großen  Quantitäten  verarbeitet. 
Die  Lederfabrikation  hat  es  verstanden,   die  Ansprüche  des  Be- 
darf's zii  befriedigen,  und  der  Verbrauch  hat  sich  sehr  beträcht- 
lich gesteigert.    In  Zahmvaches  hat  sich  die  Situation  nicht  ge- 
bessert.  Der  Artikel  wird  von  Jalir  zu  Jahr  unbedeutender  und 
verdient  kaiun  noch  eine  Berichterstattung ;  im  allgemeinen  wickelt 
sich  der  Verkehr  in  ihm  zwischen  Produzenten  und  Konsumenten 
mit  Umgehung  des  Zwischenhandels  ab.    Das  Greschäft  in  Zahm- 
und  "Wildvache-Croupons,  namentlich  aber  in  letzteren,  gewinnt 
von  Jahr  zu  Jahr  an  Ausdehnung.  Die  Fabrikation  dieser  Artikel 
hat  in  den  letzten  Jahren  einen  solchen  Umfang  erreicht,  daß  sie 
zweifellos  bei  weitem  dje  bedeutendste  der  Unterlederfabrikation 
ist.    Der  Konsum  hat  sich  diesen  Artikeln  fast  vollständig  zu- 
gewandt, so  daß  sie  den  Markt  geradezu  beherrschen.   Die  Preise 
für   Croupons   sind  jetzt  immerhin   noch   5   bis   10  o/o   höher   al)s 
am   Ende    des   vorigen   Jahres.    Nicht  unerwähnt  darf   bleiben, 
daß  von  dem  Berliner  Großhandel  sehr  bedeutende  Quantitäten 
österreichischer   Zahmvache-Croupons,   die  von   dem   Kartell  der 
österreichischen    Sohllederfabrikation    zu   Exportpreisen  hierher 
verkauft  wurden,  aufgenommen  worden  sind.    Tatsächlich  waren 
diese    Exportpreise   nicht   unerheblich   niedriger     als   die   Notie- 
rungen  der   deutschen  Fabrikanten,  sq  daß  der  Berliner  Grroß- 
handel  in  diesen  Artikeln  ein  sehr  bedeutendes  und  wohl  auch' 
lohnendes  Gesch^äft  erzielt  hat.    Vacheabfälle  waren  während  des 
ganzen  Jahres  stark  begehrt,  und  es  konnte  der  Nachfrage  fast 
niemals  vollständig  genügt  werden.  Starke  Vachehälse  und  Vache- 
seiten  wurden   vielfach  als  Sohlenmaterial   an  Stelle  von  nord- 
deutschen Sohlledern  verarbeitet;  leichte  sind  zum  Zwecke  von 
Brandsohlen,  besonders  aber  auch  von  der  Filzschuh-  und  Ball- 
schuhfabrikation   in    sehr    großen   Mengen   konsumiert  worden. 
Während   aber   in  den  letzten   Monaten  starke  Sorten  vernach- 
lässigt waren,  hielt  die  rege  Nachfrage  nach  leichten  fortdauernd 
an;  ihre  Preise  konnten  anziehen  und  stellten  sich  zuletzt  noch 
um   10  o/o    höher  als   Ende    1912.    Braune  und  schwarze  Stiefel- 
kipse  hatten  während  des  ganzen  Jahres  bei  fortlaufend  steigen- 
den Preisen  ein  flottes  Geschäft  zu  verzeichnen.  Schon  am  Anfang 
des  Jahres  waren  die  Preise  5  o/o   und  am  Jahresschlüsse  20  o/o 
höher  als  im.  Dezember  1912.    Pantinenkipse  erfreuten  sich  eben- 
falls eines  guten  G-eschäftsganges,   auch   für  diesen  Artikel  be- 
wegten sich  die  Preise  in  aufsteigender  Bichtung  und  weisen  am 
Schlüsse   des    Jahres  eine   Erhöhung    von   15  o/o    auf.    Fahlleder 
standen  während   des  ganzen   Jahres    in   guter   Nachfrage;   die 
Preise  waren  steigend,,  und  am  Jahresschlüsse  20  bis  25  o/o  höher 
als    am    Jahresbeginn.     Kipsbrandsohlleder  waren   während  des 
ganzen   Jahres   knapp,  lund  die   Nachfrage  konnte  nicht  immer 

Berl.  Jahrb.  f    Handel  u.  Ind.    1913.    II.  31 


482     IX.    Rohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie  u.  Pelzwerk. 

voll  'befriedigi;  werden.  Die  Notienmg^eii  sind  ^genwäriig  15  bis 
20  o/o  töher   als  zur  gleichen   Zeit  des  Vorjahres. 
Leder-  Das  Lederkommissionsgeschäft  konnte  mit  dem  Ergebnis  der 

*^°^schäft."^  ersten  neim  Monate  recht  zufrieden  sein.  Die  Preise  für  Oar- 
leder  "waren  im  Verhältnis  zu  den  exorbitanten  Preisen  der  Roh- 
waren nicht  übe^rmäßig  hoch,  und  es  herrschte  die  Ansicht  vor, 
daß  besonders  im  Herbst  die  Fabrikanten  zum  Ausgleich  dieses 
Mißverhältnisses  :wesentliche  Preiserhöhungen  würden  eintreten 
lassen;  infolgedessen  fanden  lebhafte  Meinungskäufe  statt.  Wider 
Erwarten  trat  aber  im  Herbst  ein  vollständiger  Umschwung  ein. 
Die  rohen  Häute  fingen  plötzlich  an,  bedeutend  im  Preise  zu 
sinken,  und  sofort  verschwand  das  bisherige  Vertrauen,  ja  man 
rechnete  mit  Bestimmtheit  auf  einen  Preissturz  auch  für  Leder. 
Niemand  trat  als  Käufer  auf,  sondern  jeJer  suchte  nach  Mög- 
lichkeit seine  Lagerbestände  zu  verkleinern.  Hierzu  gesellte  sich 
noch  die  ungünstige  trockene  AVitterung,  die  einen  richtigen 
Herbstbedarf  nicht  aufkommen  ließ.  Der  mit  s-olcher  Sicherheit 
erwartete  Preissturz  trat  aber  nicht  ein.  Die  Rohhautpreise  sind 
immer  noch  ^v^iel  zu  hoch,  als  daß  Leder  ohne  Schaden  billiger 
als  zu  letzt  erzielten  Preisen  verkauft  werden  kann,  und  da  die  Ein- 
arbeitungen bei  den  Fabrikanten  ganz  wesentlich  eingeschränkt 
worden  sind,  konnten  für  regulär  ausfallende  Sortimente  im  all- 
gemeinen die  bj.sheiigen  Preise  voll  durchgesetzt  werden.  Der 
lange  zurückgehaltene  Bedarf  muß  sich  auch  sehr  bald  wieder 
fühlbar  machen,  so  daß  man  in  Kürze  auf  ein  gesundes  Greschäft 
wird  rechnen  können.  Der  Umsatz  in  feiuen  Oberledern  war. 
während  der  ersten  acht  Monate  ■befriedigend  gewachsen,  litt 
aber  später  unter  verminderter  Kauilust  und  geschwächter  Kauf- 
kraft. Es  ist  und  bleibt  die  bedauerlichste  Erscheinung  dieser 
Branche,  daß  die  großen  Risiken  und  daß  von  der  Kundschafti 
geforderte  überlange  Ziel  in  kein  rechtes  Verhältnis  zum  Umsatz 
und  Nutzen  zu  bringen  sind.  Eine  wesentliche  Erscheinung  im 
Berichtsjahre  war  es,  daß  die  Preise  für  die  wichtigsten  Sorten 
immer  weiter  nach  oben  tendierten,  und  der  Versuch  der  Kund- 
schaft, sich  mit  geringeren  Qualitäten  zu  behelfen,  auch  keine 
Besserung  herbeiführen  konnte,  denn  gerade  die  billigen  Pro- 
venienzen und  Sortimente  zogen  im  Preise  am  meisten  an.  Und 
wenn  auch  am  Ende  des  Jahres  neue  Mehrforderungen  nicht  er- 
folgten, so  blieb  doch  die  Stimmung  durchweg  sehr  fest.  In 
feinen  Oberledern  liegt  wenig  verkäufliche  Ware  auf  dem  Markte, 
und  die  Schuhfabrikanten,  die  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres 
nur  das  Allernötigste  kauften,  müssen  neue  Ware  hereinnehmen. 
Wenn  irgend  ein  Artikel  im  Preise  nachgeben  wird,  kann  es  nur 
Rindbox  sein,  das  zwar  im  ersten  Halbjahr  einen  noch  um  etwa 
10  t)/o  höheren  Preisstand  zeigte,  am  Jahresschlüsse  aber  stark  an- 
geboten bleibt.  Das  erzielte  Mehr  von  ca.  5  o/o  werden  dagegjen, 
alle  Sorten  Boxcalf  festhalten,  in  schwarz  und  farbig,  sowohl  die 


146.    Lederhandel.  '         483 

guten  Qualitäten  als  auch  die  sogenannt-en  Boxf'resser  usw.,  die 
in  immer  vollkommenerer  Bearbeitung  hergestellt  werden. 
Schwarzes  Boxcalf  war  sehr  stark  verlangt  und  dominiert  jiioch 
immer  über  alle  Arten  feiner  Oberleder.  In  farbigen  Kalbledern 
waren  es  vorzüglich  helle  Nuancen  in  glatter  Ware,  die  in  an- 
sehnlichen Quantitäten,  .der  amerikanischen  Mode  folgend,  kon- 
sumiert wurden.  In  Chevreau:x,  sowohl  in  schwarzer  als  in  far- 
biger —  hauptsächlich  brauner  —  Ware,  wurden  in  allen  Preis- 
lagen Wesentlich  größere  Quantitäten  als  jemals  zuvor  verkauft, 
und  sie  erzielten  teilweise  etwas  höhere  Preise.  In  den  bessern 
Sorten  für  Maßarbeit  hat  Amerika  immer  noch  die  Oberhand. 
Wichsleder  und  ähnliche  Artikel  alter  Grerbung  begegnen  nur 
noch  vereinzeltem  Interesse  und  erzielen  Liebhaberpreise.  Kalb- 
lack konnte  bei  sehr  verminderter  Nachfrage  keine  höheren  Preise 
durchsetzen,  ebensowenig  Roß-,  Fohlen-  und  Boxlackleder,  da- 
gegen gingen  die  viel  gekauften,  >  meist  amerikanischen 
Chevreauxlackleder  ein  wenig  im  Preise  in  die  Höhe.  Beherrscht 
wird  der  Lackmarkt  von  Chpomrindlackleder,  das  15  bis  20 o/o 
höher  als  1912  bezahlt  wurde.  Eoßbox-  und  Hoßchevreaux  stark 
gefragt,  erzielten  willig  5  bis  lOo/o  mehr  als  1912.  Eoß-Schuh- 
leder  hat  kaum  mehr  eine  Bedeutung.  Sehafleder  für  Putter- 
2wecke  behauptete  seine  Preise.  Butterfarbige  Leder  blieben  rar 
und  wurden  sehr  teuer  bezahlt.  Als  Imitation  schwarzer  und 
farbiger  Chevreau:x  erzielten  Moutons  gute  Preise  und  waren 
in  Velours-Bearbeitung  zu  wesentlich  besseren  Preisen  sehr  'ge- 
sucht. Auch  weiße  Moutons  für  Ballsachen  gingen  stark,  wogegen 
chagrinierte  und  glatte  Ziegen  für  die  Pantoffelindustrie  ziem- 
lich ruhig  lagen. 

Im  Lederdetailgeschäft  hat  sich  die  im  Vorjahre  bereits  ge- 
schilderte Situation  noch  mehr  verschärft.  Die  beispiellosen  Preis- 
erhöhungen konnten  ;bei  den  Konsumenten  nicht  in  voller  Hohe 
durchgesetzt  werden,  da  sie  auch  ihrerseits  nicht  in  der  Lage 
waren,  eine  allgemeine  oder  ausreichende  Preiserhöhung  zu  er- 
zielen. Die  Schuhmachergesellen  haben  verstanden,  höhere  Ar- 
beitslöhne 'durchzudrücken,  sie  verdienen  heute  annähernd  das 
Doppelte  als  vor  20  Jahren.  Der  kleine  selbständige  Schuhmacher 
aber  liefert  seine  Arbeiten  noch  zu  denselben  Preisen  wie  ^vor 
30  Jahren.  Hierunter  leidet  naturgemäß  die  Bonität  der  Kon- 
sumenten, und  dieser  Umstand  bildet  einen  wesentlichen  Fak- 
tor für  die  geringe  Itentabilität  des  Detailhandels.  Um  hier- 
für sowie  für  den  zweifellos  verringerten  Umsatz  einen  Aus- 
gleich zu  schaffen,  werden  Anstrengungen  gemiacht,  die  dem  ein- 
zelnen deinen  Nutzen,  der  Gresamtheit  aber  großen  Schaden  brin- 
gen, ^och  niemals  hatten  Schleuderer  in  dieser  Branche  dau- 
ernden Erfolg  aufzuweisen,  während  solide  Firmen  sich  stets 
behaupten  konnten.  Wälirend  der  ersten  drei  Quartale  war  der 
Bedarf,    wenn    auch    etwas    geringer,    so    doch    gleichmäßig   und 

31' 


484     IX.    Kohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 


Buchbinder- 
und Porte- 
feuilleleder. 


Schafleder. 


ausreichend.  Im  letzten  Quartal  jodoch,  das  gerade  für  den  Kon- 
sum am  günstigsten  liegt,  blieb  der  Bedarf  wesentlich  geg^en 
1912  zurück.  Selbst  die  in  der  letzten  Hälfte  des  Jahres  ein- 
getretenen ^Niederschläge  vermoehten  das  Greschäft  nicht  zu  be- 
leben, genügender  Beweis,  daß  die  allgemeine  Wirtschaftslage 
selbst  bei  den  allernotwendigsten  Grebrauchsigegenständen  recht 
fühlbar  zum  Ausdruck  gekommen  ist.  Der  Bedarf  in  den  ein- 
zelnen Artikeln  war  nicht  einheitlich;  er  schwankte  je  nach  An- 
gebot xmd  Preislage  zwischen  deutschen  und  Wildvache-Croupons. 
Die  Konsumenten  waren  durch  die  hohen  Preise  mehr  als  je  ge- 
zwungen, das  Preis  würdigste  herauszusuchen.  Ganz  vernachlässigt 
waren  während  des  ganzen  Jahres  starke  Sohlleder-Croupions,  wäh- 
rend leichte  und  mittelstarke  Croupons  aller  Ledergattungen  in 
den  billigen  Ziffern  gesucht  blieben,  obwohl  diese  billigen  Sor- 
ten weit  über  ihren  Wert  bezahlt  werden  mußten.  Auch  im 
Sohlen-Ausschnitt  wurden  vorzugsweise  leichte  Sohlen  gesucht,, 
während  die  starken  sich  unliebsam  anhäuften.  Diese  Tatsache 
bildete  sich  nachgerade  zu  einer  Kalamität  heraus,  da  selbst  die 
leichtesten  'Leder  imtner  noch  mehr  starke  Sohlen  ergeben,  ais- 
gebraucht werden,  und  die  leichten  Leder  sich  wesentlich  un- 
günstiger kalkulieren  als  die  starken.  Der  Bedarf  an  Oberleder- 
Ausschnitten  und  Maßschäften  ist  weiter  zurückgegangen,  da 
der  kleine  Schuhmacher  infolge  der  hohen  Arbeitslöhne  und  teueren 
Materialpreise  bei  der  Anfertigung  von  Stiefeln  nach  Maß  nicht 
mehr  seme  Rechnung  findet.  Der  Verbrauch  von  Gummiflecken 
hat  eine  weitere  Steigerung  erfahren. 

Pur  den  Buchbinder-  und  Portefeuilleleder-Handel  kann  das 
Berichtsjahr  im  großen  und  ganzen  als  befriedigend  bezeichnet  wer- 
den ;  die  Umsätze  hielten  sich  im  allgemeinen  auf  der  Höhe  ides 
Vorjahres,  obgleich  an  einigen  Stellen  vorübergehend  das  Ge- 
schäft ziemlich  ruhig  war.  Wie  gewöhnlich  lag  der  Schwerpunkt 
des  Geschäftes  in  den  Herbstmonaten.  In  den  Preisen  für  sämt- 
liche Sorten  machte  sich  während  des  ganzen  Jahres  eine  stän- 
dige Aufwärtsbewegung  bemerkbar.  Die  Preise  am  Ende  des 
Jahres  im  Vergleich  zum  Anfange  sind  gestiegen  bei  Juchten 
lOo/o,  Seehund  5— lOo/o,  Kalbleder  10— 15o/o,  Rindleder  10— 15o/o,, 
ostind.  Ziegen  10 — 20o/o,  ostind.  Schafleder  lOo/o,  besseren  M'ou- 
tons  5 — 10  o/o,  austral.  .Schaf  leder  10 — 20  o/o,  gespaltenem  Schaf - 
leder  5 — lOo/o.  Die  ,in  den  letzten  Monaten  auf  den  Auktionen 
notierten  teils  geringen,  .teils  bedeutenden  Preisabschläge  auf  Kalb- 
felle und  Hindhäute  werden  zu  einer  Ermäßigung  der  Preise 
für  die  farbigen  Leder  einstweilen  nicht  führen  können,  da  von 
den  Lederfabrikanten  dem  Hohwarenmarkt  entsprechende  Preise 
für  ihre  Fabrikate  weder  vorher  noch  jetzt  erzielt  wurden.  Als 
Neuheiten  wurden  wie  in  den  Vorjahren  einfarbige  Leder  verlangt. 

Im  ersten  Halbjahr  nahm  der  Handel  in  Schaf  leder  einen 
normalen   Verlauf,   während   die   zweite   Hälfte  des   Jahres  von 


147.  Lederfabrikation. 


485 


Mctoat  zu  Monat  kleine  Preiserhöhungen  brachte.  Diese  Preisstei- 
gerungen waren  aber  luicht  die  Folge  größerer  Nachfra^ge  seitens 
des  Kodisujns,  sondern  fanden  ihren  Grund  darin,  daß  das  deutsche 
Eohmaterial  knapp  und  .teuer  wurde,  und  auch  ausländische  Ware 
nicht  günstig  zu  beschaffen  war.  Aus  diesem  Grunde  dürften 
^lle  Interessenten  dieser  .Ledergattung  Ursache  hab'cn,  mit  dem 
Nutzen  des  Jahres  unzuirieden  zu  sein.  Was  von  für  Putter- 
zwecke und  auch  .für  Oberteile  passenden  Fellen  an  den  Markt 
gebracht  wurde,  ist  Reitens  des  Handels  und  der  Färbereien  schlank 
aufgenommen  worden,  so  iaß  keine  nennenswerten  Bestände  ins 
neue  Jahr  hintibergenommen  :Werden  brauchen. 


147.    Leder  fabrikation. 

Das  Geschäft  in  Glaceleder  war  in  den  ersten  Monaten  des 
Jahres  gut.  Die  deutschen  Handschuhfabriken  hatten  große 
Aufträge  und  nahmen  deshalb  bedeutende  Quantitäten  von  den 
ihnen  angebotenen  Glaceledern  auf,  um  so  mehr,  als  sie  sich 
darüber  klar  waren,  daß  die  Felle  der  frischen  Ernte  eine  erheb- 
liche Preissteigerung  bringen  würden.  Aus  demselben  Grunde 
waren  auch  amerikanische  Handschuhfabriken  und  Lederimpor- 
teure stark  im  Markt;  die  von  diesen  in  Auftrag  gegebenen 
Waren  sollten  nicht  nur  augenblicklichem,  sondern  audh'  späterem 
Bedarf  dienen  und  wurden  deshalb  zum  großen  Teil  in  den 
amerikanischen  Zollhäusern  eingelagert,  um  denselben  na<^h  er- 
folgter Zollherabsetzung  entnommen  zu  werden.  Im'  zweiten 
Halbjahr,  als  Felle  frischer  Ernte  an  den  Markt  kamen,  sta- 
gnierte das  Geschäft  zunächst  etwas,  da  sich  alle  interessierten 
Kreise  weigerten,  die  durch  die  höheren  Fellpreise  bedingten, 
iMehrforderungen  zu  bewilligen;  erst  in  den  letzten  Monaten 
konnte  sich  das  Geschäft  infolge  allseitig  gemachter  Kon- 
'zessionen  wieder  etwas  beleben  und  man  hofft,  daß  es  sich 
auf  dieser  Basis  weiter  gut  entwickeln  wird.  Von  den  deutschen 
Handschuhfabrikanten  wurden  leichte  Felle,  besonders  solöhe, 
die  sich  für  Damenstepphandschuhe  eignen,  bevorzugt,  außer- 
dem waren  auch  für  Suede  geeignete  Felle  gesucht,  da  der 
stumpfe  Handschuh  noch  imlner  die  Mode  beherrscht.  Für 
Amerika  kamen  wie  imlner  hauptsächlich  schwere  Felle  in 
Betiacht.  Schmaschen  und  sch'maschenähnlich'e  Leder  waren 
wählend  des  ganzen  Jahres  gut  gefragt. 

Im  Berichtsjahre  war  die  Roßleder fabrikation  vollauf  be- 
schäftigt und  fand  auch  für  ihre  Produktion  guten  Absatz. 
Lebhaft  gefragt  waren  Schuhleder,  Spalte,  Roßklauen  sowie 
alle  Arten  Abfälle,  während  Spiegel,  wie  seit  Jahren,  vernach- 
lässigt war.  Die  Rohware  zeigte  anhaltend  steigende  Preis- 
tendenz,  der   sich  die  Preise  der  Fabrikate  aber  durchweg  an- 


486     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

zupassen  vermochten.  Lediglich  die  plötzliche  Treiberei,  welche 
im  Monat  September  einsetzte  und  für  rohe  Roßhäute  nie  vor- 
her dagewesene  Preise  zeitigte,  führte  dazu,  daß  sie  auch  bei 
der  Fabrikation  der  üblichen  Produkte  nicht  wieder  herein- 
zuholen waren.  Erst  die  Dezember -Auktionen  brachten  wieder 
einen  Abschlag,  der  das  Preisniveau  zwar  immer  noch  hoch 
erscheinen  läßt,  doch'  in  Anbetracht  der  Knappheit  aller  Leder- 
sorten als  angemessen  zu  erachten  sein  dürfte. 
7acheieder.  Das   Berichtsjahr   zeigte  für  die  Vachelederfabrikation  ein 

sehr  wechselvolles  Gepräge,  häufig  begleitet  von  schwierigen 
Situationen.  Während  im  Dezember  1912  auf  dem  Markt  für 
rohe  Ware  vorübergehend  eine  kleine  Absch'wächung  eintrat,, 
zogen  die  Preise  infolge  guten  Bedarfs  sowohl  für  rohe  Ware 
als  auch  für  fertiges  Fabrikat  bereits  am  Schluß  des  Vorjahres 
und  im  Laufe  des  Monats  Januar  dieses  Jahres  wieder  an,  ja 
es  traten  sogar  erhebliche  Preisaufschläge  ein,  die  sich  bei 
sukzessiven  weiteren  Steigerungen  bis  Mitte  des  Jahres  be- 
haupten ließen.  Von  da  ab  erfolgten  vorübergehend  kleine  Ab- 
schwächungen,  die  aber  sehr  bald  erneuten  scharfen  Preisr 
erhöhungen  wichen.  Unter  dem  Eindruck  dieser  lebhaften  Markt- 
lage und  in  der  Erwartung,  daß  die  Beendigung  des  Balkan- 
krieges einerseits  und  die  Heeresrüstungen  der  europäischen 
Staaten  andererseits  einen  sehr  erheblichen  Bedarf  in  fertigem 
Leder  herbeiführen  würden,  trat  eine  sehr  zuversichtliche  Stim- 
mung ein,  die,  von  geringen  Schwankungen  abgesehen,  zu  einem 
flotten  Geschäft  führten.  Es  gelang,  die  Preise  für  fertige 
Fabrikate,  speziell  in  der  Fabrikation  für  Vachecroupons,  all- 
mählich so  heraufzusetzen,  daß  Aussicht  vorhanden  war,  auf 
der  nunmehr  geschaffenen  Wertbasis  ein  das  ganze  Jahr  hin- 
durch anhaltendes,  nutzbringendes  Geschäft  für  dieses  Fabrikat 
zu  erzielen.  Hierzu  kam  dann  noch,  daß  Vacheabfälle  dauernd 
außerordentlich  stark  begehrt  waren  und  zu  verlangten  hohen 
Preisen  regelmäßig  und  willig  von  dem  in  Frage  kommenden 
Konsum  aufgenommen  wurden.  Leider  haben  sich  die  erhofften 
Aussichten  für  ein  andauerndesi  flottes  Geschäft  nicht  erfüllt, 
denn  der  Bedarf  resp.  die  Aufträge  für  Heeresrüstungen  bliebenl 
bis  zum  Jahresschlüsse  hiater  den  umfangreichen  Erwartuagen 
zurück,  auch  hat  sich  der  andauernd  hohe  Zinssatz  bei  geschäft- 
lichen Transaktionen  nachteilig  bemerkbar  gemacht.  Es  mußte 
aber  weiter  bei  den  hohen  Werten,  die  nunmehr  allgemein  in 
Frage  kamen,  unbedingt  bei  Kreditgew älirung  eine  entsprechende 
Vorsidit  geübt  werden  und  Berücksichtigung  finden.  Hierdurch 
machtjo  sich  zunächst  auf  den  deutschen  Auktionen  eine  mattere 
Stimmung  bemerkbar,  die  denn  auch  in  Preisabschlägen,  die  be- 
reits im  Oktober  eintraten,  zum  Ausdruck  kamen.  Dieser  Be- 
wegung folgte  auch  der  Markt  für  Wildhäute,  und  es  konnten, 
auf    ihm   nur    einzelne    Sorten    ihren    Preisstand  behaupten.     Im 


( 


147.  Lederfabrikation.  487 

Zusamnienhang  hiermit  folgte  auf  dem  Markte  für  fertige  Ware 
eine  bemerkenswerte  ZurücMialtimg,  die  insbesondere  zu  einer 
starken  Vernachlässigung  von  Vacheeroupons  führte.  Die  Käufer 
hatten  sich,  während  dör  Markt  noch  lebhaft  war,  und  in  der 
Voraussetzung,  daß  für  den  Herbst  weitere  Preiserhöhungen  zu 
erwarten  wären,  ihj?en  Bedarf  sehr  frühzeitig  eingedeckt.  Der 
Absatz  hegann  aber  infolge  der  sehr  milden  und  trockenen  Herbst- 
witterimg  zu  stocken,  und  das  Geschäft  kam  fast  vollständig 
zum  Stillstand.  Eine  ungünstige  Wirkung  mag  aber  auch  neben- 
her die  allgemein  schlechte  Wirtschaftslage,  verbunden  mit  dau- 
ernd hohen  Lebensmittelpreisen,  ausgeübt  haben,  so  daß  hierdurch 
der  tatsächlich  gegenwärtig  sehr  stille  Geschjäftsgang  seine  Er- 
klärung findet.  Lediglidh  Vacheabfälle  sind  noch  nach  wie  vor, 
besonders  in  leicliter  W^are,  Favoritartikel,  aber  auch  dieste  fangen 
schon  an;  unter  der  sehr  stillen  Marktlage  zu  leiden,  und  das 
Endergebnis  dieses  Jahres  wird  daher  im  ganzen  als  kein  gün- 
stiges bezeichnet  w^erden  können.  Ueber  den  Export  der  Fabri- 
kate kann  nur  wiederholt  werden,  was  in  früheren  Jahren  und 
schon  oft  gesagt  worden  ist,  daß  nämlich  Deutschland  dem  Aus- 
lande gegenüber  nicht  mehr  konkurrenzfähig  ist,  weil  das  letztere 
seinen  Bedarf  an  Gerbstoffen  zollfrei  decken  kann,  da  die  deutsüh'e 
Lederindustrie  unter  dem  Drucke  der  Gerbstoffzölle  auf  einen 
Export  ihrer  Produkte  verzichten,  muß.  Es  kann  daher  nur  immer 
wieder  darauf  hingewiesen  werden,  daß  es  dringend  notwendig 
ist,  diese  für  unsere  Industrie  schädlichen  Gerbstoff  zolle  bei  zu- 
künftigen Handelsvertragsverh'andlungen  radikal  zu  beseitigen, 
zumal  diese  Zölle  der  inländischen  Gerbsltoffproduktion  keinen 
Vorteil  bringen.  Das  Verhältnis  zwisichen  ^Arbeitgebern  und  Ar- 
beitnehinem  war  auch  in  diesem  Jahre  zufriedenstellend  und  bietet 
zu  be:SK:)nderen  Bemerkungen  keinen  Anlaß.  Syndikate  und  Kar- 
telle existieren  in  dieser  Branche  nidht. 

Die  Fabrikation  in  Sattlerleder  befand  sidhi  wähl-end  des  Be-  sattierieder. 
richtsjahres  unter  den  laufend  gestiegenen  Eohhäutepreisen  in 
einer  nicht  zu  verkennenden  siohwierigen  Lage.  Um  die  Ein-  und 
Verkaufspreise  in  Einklang  zu  bringen,  war  esl  geboten,  mit  ent- 
sprechenden Preisaufschlägen  an  die  Konsumenten  heranzutreten; 
dies  gelang  nur  zum  Teil,  denn  der  rapiden  Auf wärts beweg ung 
auf  dem  Häutemarkte  von  Auktion  zu  Auktion  konnten  die  Ver- 
kaufspreise nicht  folgen.  Dasi  Geschäft  in  schwarzen  Geschirr- 
ledeni  und  besseren  Sattlerledem  war  zufriedenstellend.  Durch' 
den  größeren  Bedarf  in  Militärzeugledem  für  die  Heeresver- 
mehrungen seitens  des  In-  und  Auslandes  war  es  der  Fabrikation 
möglich,  diese  Spezialartikel  in  lohnenden  Mengen  herzustellen. 
Blanklederbäuche  und  Hälse  sowie  lohgare  und  lisfeierfce  Spalte 
waren  begehrte  Artikel  und  zeitweisie  recht  knapp.  Mit  Eintritt 
der  Herbstperiode  machte  sich  ein  Rückgang  recht  fühlbar,  der 
bis  zum  Jahresschlüsse  anhielt. 


488     IX.    Rohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

148.    Glacelederf abrikation  und  Verwandtes. 

iD|8r  Winter  1912/13  war  wiederum  teilweise  zu  mild,  so 
daß  der  Absatz  in  Winterh'andschulien  d^-runter  etwaä  Htt.  Erst 
im  Frühjahr  gestaltete  sich  das'  Gresdhäft  in  Lederhandschuhen 
lebhafter.  Insbesondere  erhielten  die  nach  Nordamerika  und  Eng- 
land arbeitenden  Handschuhfabrikanten  stärkere  Aufträge  und 
waren  für  die  Vereinigten  Staaten  das  ganze  Jahlr  hiadarch  gut 
beßchäfiigt.  Es  machte  sich  sogar  ein  Mangel  an  Arbeitskräften 
in  der  Handschlihbranche  bemerkbar,  so  daß  ,die  Großfabrikanten 
gegen  Ende  des  Jahres  mit  ihren  Ablieferungen  für  Amerika  im 
Rückstande  waren.  —  Die  Auslandsaufträge  führten  zu  lebhaften 
Käufen  in  Glaceleder,  und  die  Nachfrage  hielt  längere  Zeit  an, 
zumal  für  die  Eohfelle  neuer  Ernte  von  allen  Seiten  wesent- 
lich' höhere  Forderungen  gestellt  wurden.  iDie  Lederbestände  aus 
der  1912er  Ernte  räumten  sich'  daher  allmählich,  da  inzwischen 
auohl  die  für  den  eiaheimischen  Markt  arbeitenden  Handschuh- 
fabrikanben  sowie  das  europäisiclie  Ausland  als  Käufer  auftraten. 
Dagegen  litt  die  Ausfuhr  nach  Nordamerika,  da  sidh  die  ameri- 
kaniscJien  Handschuh  fabrikanten  angesichts  der  durch  den  ange- 
strebten neuen  Zolltarif  voraussichtlich  veränderten  Verhältnisse 
zurückhaltend  zeigten.  —  Diie  Preise  für  Bohfelle  neuer  Ernte 
verschoben  sich  um  etwa  10  bisl  15  o/o  nach  oben,  was  bei  manchen 
Fellgattungen  noch  durch  einen  miaderen  Qualitätsausfall  ver- 
schärft wurde.  Diese  Preisierhöhung  wurde  nur  zum  Teil  durdhj 
den  besseren  Erlös  für  die  Gerberwollen  wett  gemacht.  JDie 
Gerber  gingen  daher  vielfach  zu  Betriebseinschränkungen  über, 
die  wäJirend  des  größten  Teiles  deä  Jahres  andauerten.  Für  das 
Geschäft  war  dies  insofern  günstig,,  als  es  hierdurch  nirgends) 
zu  großen  Lederansammlungen  kam.  Durch  den  Balkankrieg 
wurde  das  Aufkömmnis  in  den  betreffenden  Fellgattungen  quanti- 
tativ verringert,  audh  kamen  die  Zufuhren  erst  im  späteren  Teile 
des  Jahres  heran. 

Die  Lederpreise  konnten  den  beträchtlich  gestiegenen 
Rohfellpreisen  nur  langsam  folgen  und  die  ganze  Stei- 
gerung nicht  völlig  erzielen.  —  Nachdem  in  Amerika  im  Oktober 
die  Zollentscheidung  gefallen  war,  gingen  die  Amerikaner  dazu 
über,  die  alten  Aufträge  allmählich  abzunehmen  und  neue  Auf- 
träge herüberzulegen,  teilweise  zu  befriedigenden,  teilweise  zu 
ungenügenden  Preisen.  Da  den  ermäßigten  amerikanischen  Zoll- 
sätzen auf  Lederhandschuhe  eine  Aenderung  des  Zollsatzes' 
auf  Handschuhleder  von  20  %  auf  10  o/o  gegenübersteht  und 
gleichzeitig  rohe  Felle,  die  bisher  einen  Wollzoll  drüben  zahlten, 
zollfrei  eingeführt  werden  können,  so  sind  die  Verhältnisse  im 
großen  ganzen  für  den  deutschen  Glacelederfabrikanten  nicht  viel 
verändert.  Es  bleibt  abzuwarten,  wie  die  verschiedenen  Faktoren 
das  Geschäft  für  die  Zukunft  drüben  gestalten  werden.  —  Eine 


h 


150.    Treibriemenindustrie.  489 

besondere  Erleichterung  fanden  ZickellederliandscliiLhe,  die  bis- 
her wesentlich  höher  als  Lammhandschuhe  verzollt  wurden  und 
diesen  jetzt  gleichgestellt  sind.  Dieser  Umstand  hat  auf  Zickel- 
felle und  Zickelleder  befestigend  eingewirkt.  —  Von  den  ein- 
zelnen Ledersorten  fanden  besonders  mittlere  und  geringe  Gat- 
tungen laufend  zu  guten  Preisen  Abnehmer.  Nappa  behielt  seine 
Beliebtheit  bei.  Chairleder  erzielte  Absatz  in  gewöhnlichem  Um- 
fange. —  In  der  Schuhbranche  war  diese  Gattung  vernachlässigt 
für  Außenteile,  dagegen  als  Futter  etwas  stärker  verlangt,  auch 
die  Hutbranche  nahm  Chairleder  für  Autohüte  auf.  —  Für  Modia 
zeigte  sich  ein  gewisses  Nachlassen  der  Nachfrage.  —  Schmaschen 
waren  gut  gefragt  und  brachten  hohe  Preise.  —  Gerberwollen 
zeigten  während  des  ganzen  Jahres  mit  wenig  Unterbrechungen 
eine  steigende  Tendenz,  die  Preise  waren  fest  im  Hinblick  auf 
die  zollfreie  Einfuhr  von  Wolle  in  den  Vereinigten  Staaten  unter 
dem  neuen  Tarif.  —  Leimleder  war  gut  gefragt  und  erzielte  feste 
Preise. 

149.    Glacehandschuhfabrikation. 

Die  Unsicherheit  der  politisdhen  Lage,  die  Ungewißheit  über 
das  Eesultat  des'  amerikauischen  Zolltarifs  und  die  hohen  JElohfell- 
preise  gaben  dem  Handschuhmarkte  während  der  ersten  Hälfte 
des  Jahres  ein  recht  unerfteulidhes  Gepräge.  Zwar  vermochte  das 
frühzeitige  Osterfest  das  Geschäft  in  den  ersten  Monaten  zu  be- 
leben, aher  die  hiaterher  eingetretene,  ungewöhnlich  warme  "Witte- 
rung ließ  den  Bedarf  dann  desto  mehr  abflauen.  Als  Lm  Laufe  des' 
Sommers  über  die  amerikanische  Zollerimäßigung  Klarheit  ent- 
stand, und  das  Exportgeschäft  sich  zu  heben  anfing,  waren  es 
die  ungerechltfertigt  hohen  Lederpreise,  welche  Abschlüsse  größe- 
ren Umfanges  erschwerten.  Der  im  Herbst  deutlich  in  die  Er- 
scheinung getretene  allgemeine  wirtschaftliche  Niedergang  wirkte 
um  so  nachteiliger,  als  ohnehin  die  geliade  Witterung  im  Herbste 
dem  Verkauf  schwererer  Winterhandschuhe  nicht  dienlich  war. 
Zur  Hebung  des  Absatzes'  im  In-  und  Auslande  sind  wesentKöhle 
Preisermäßigungen   für  Leder  unerläßEch'. 

150.    Treibriemenindustrie. 

Die  Treibriemenindustrie  war  in  der  ersten  Hälfte  deä  Jalilres 
gut  beschäftigt,  doch  machte  sich  im  Sommer  eia  Nachlasteen 
infolge  allgemein  sinkender  Konjunktur  fühlbar.  Die  Industrie 
hatte  iii  diesem  Jahre  nodh  mehr  als  früher  unter  den  außerordent- 
lich hohen  Bohlederpreisien  zu  leiden,  und  es  waren  infolgedessen 
die  Verkaufspreise  mit  den  Einkaufspreisen  sdhWer  lq  ein  richtiges 
Verhältnis  zu  bringen,  so  daß  sich  die  Hersteller  duröhgehendsi 
mit  sehr  bescheideneim  Nutzen  begnügen  mußten.  ,  Die  ßalkan- 
XVirren  beeinflußten  den  Export  nach!  der  Levante  wesentKch, 
doch  hat  sich  nach  dem  Friedensschluß  sofort  ein  Umschwung  be- 


490     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

merkbar  gemadht,  so  daß  Hoffnung  vorhanden  ist,  daß  das  Ge- 
schäft wieder  normale   Bahnen   annehmen  wird. 

151.    Lederwaren-,  Portefouille-  und  Alb' um-     ' 
Fabrikation. 

Die  Beschäftigung  der  Lederwaren-  und  Portefeuille-Fabri- 
kation war  in  diesem  Jahre  an  vielen  Stellen  nicht  auf  der  Höhe 
der  Umsätize  des  VorjaJires',  während  einzelne  Betriebe  die  gleichen 
oder  etwas  bessere  erzielt  habien.  Arbeitskräfte  standen  infolge- 
dessen reichlich  zur  Verfügung.  Die  Nachfrage  seitens  der  hiesigen 
Detail-Kundschaft  sowie  die  Umsä-tze  im  Exportgeschäft  ließen 
besonders  zu  wünschien  übrig,  dagegen  waren  die  Aufträge  aus 
dem  Reicliie,  namentlich  aus  den  kleineren  und  mittleren  Provinz- 
städten, befriedigend.  Während  sich  in  den  Vorjahren  eine  aus- 
gesprochene Mode  in  [Damen-Handtäschchen  bemerkbar  machte,, 
wurde  in  diesem  Jahre  neben  den  Besuchsitäschchen  und  den  älteren 
Formen  eine  ganze  Anzahl  verschiedener  neuer  Modelle  angeboten 
und  gekauft.  Neuerdings  scheint  die  hohe  Form,  sogen.  Kodak- 
Taschen,  bei  weitem  zu  überwiegen.  Hellere  Farben  wurden  in 
größerem  Umfange  als  vordem  verlangt,  ebenfalls  neben,  ein- 
farbigen Ledern  sehr  viel  zweifarbige,  antike,  ähnlich  der  für 
Ledermöbel  beliebten  Ausstattung.  Die  zur  Verwendung  gelangten 
Ledersorten  erfuhren  durchweg  erhebliche  Preisaufschläge,  was 
für  die  Rentabilität  der  Fabrikation  stets  von  Nachteil  ist,  da 
sichl  innerhalb  einer  Verkaufssaison  Aufschläge  auf  die  fertige 
Ware  nur  schwer  durchsetzen  lassen.  ; 

Photographie-  Die  Albumfabrikation  hat   im   Berichtsjahre  keinen   Grund^ 

mit  üiren  Resultaten  zufrieden  zu  sein.  Die  früheren  großen  Ab- 
satzgebiete, Amerika,  England,  Frankreich',  Rußland  usw.,  die 
duixh  hohe  Schutzzölle  gesperrt  wurden,  können  iufolge  Eigen- 
fabrikation nie  wieder  gewonnen  werden.  Die  noch'  ferner  ver- 
bleibende Auslandskundschaft  zeigte  sich  infolge  politischer 
Wirren  und  der  damit  verbundenen  Geldkalamität  sehr  zurück- 
haltend. Aus  dem  letzteren  Grunde  gestaltete  sich  auch  das 
Inlandsgeschäft  sehr  schwierig.  Das  Frühjahrs-  und  Sommer- 
geschäft ist  in  dem  Artikel  „Photographiealbum"  an  sich  von 
jeher  nicht  bedeutend  und  steigert  sich  erst  im  Herbst,  nament- 
lich gegen  Weihnachten,  es  waren  denn  auch  Fabrikation  und 
Zwischenhandel  in  den  letzten  drei  Monaten  des  Jahres  leidlich 
beschäftigt.  Als  ein  weiteres  Zeichen  der  Geldknappheit  und 
der  allgemeinen  wirtschaftlichen  Depression  ist  zu  erwähnen, 
daß  vorwiegend  billiger  Genre  gekauft  wurde.  Die  Folge  davon 
war,  daß  bei  gleichen  Spesen  die  Umsatzziffem  wesentlich 
niedriger  waren.  Wird  nun  noch'  die  im  Laufe  des  Jahres  bei 
einem  großen  Teile  der  benötigten  Rohlmaterialien  und  Halb- 
fabrikate stetige  Erhöhung  der  Preise  in  Betracht  gezogen,  so 


Albums, 


152.    Schuhwarenfabrikation.  491 

dürfte    mit    großer    Wahrscheinlichkeit    auf    ein    wenig    erfreu- 
liches Resultat  zurückzublicken  sein. 

152.     Sch.uh  Warenfabrikation. 

Die  Schuhbranche  hatte  im  Betriebsjahre  darunter  zu  leiden, 
daß  alle  Eohwaren  bedeutend  im  Preise  gestiegen  siind,  besoniders 
auf  dem  Lediermarkte  hat  sich  eine  unerwartete  Aufwärts- 
bewegung der  Preise  vollzogen.  Es  gelang  den  Schuhfabri- 
kanten nicht  annähernd,  für  ihre  Fabrikate  den  Lederpreisen 
entsprechlende  Erhöhungen  durc'hzusetzen.  Die  politisKjhe  Lage 
sowie  der  teure  Geldstand  trugen  ebenfalls  dazu  bei,  daß  sich 
das  Geschäft  der  Schuhbranche  versichlechtert  hat,  so  daß  die 
augenblickliche  Lage  nicht  als  günstig  bezeichnet  werden  kann. 
Die  Detaillisten  haben  infolge  der  dauernd  wechselnden  Schuh- 
moden sowie  der  allgemein  schlechten  Geschäftslage  überfüllte 
Läger;  die  Fabrikanten  haben  daher  Schwierigkeiten,  ihre  Be- 
triebe voll  zu  beschäftigen.  Eine  Besserung  im  Einkaufe  steht 
einstweilen  nicht  in  Aussicht.  Die  großen  ^lilitärlieferungen 
bewirken,  daß  sich  die  Lederpreise  voraussichtlich  in  der  nächsten 
Zeit  auf  ihrer  jetzigen  Höhe  behaupten  werden.  Ein  Zusammen- 
schluß der  Schuh fabrikanten,  um  höhere  Preise  zu  erzielen,  ist 
zwar  angebahnt,  greifbare  Resultate  werden  aber  voraussicht- 
lich in  absehbarer  Zeit  nicht  zu  erzielen  sein,  da  die  Branche 
aus  zu  versahiedenen  und  zu  vielen  Elementen  zusiammengesetzt 
ist.  Sehr  erwünscht  würde  es  sein,  wenn  durch,  eine  veränderte 
Zollpolitik  der  deutschen  Schuhindustrie  die  Möglichkeit  ge- 
geben würde,  erfolgreicher  wie  bisher  nach  dem  Auslande  zu 
exportieren.  Die  Zölle,  die  das  Ausland  auf  deutsche  Schuh- 
waren erhebt,  sind  zum  Teil  derartig  hoch,  daß  ein  Wettbewerb 
trotz  der  anerkannten  Güte  der  deutsehlen  Schuhwaren  oft  aus- 
gesdilossen  ist.  Hoffentlich  wird  die  Aufhebung  des  Zolles  in 
den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  den  Export  dorthin 
fördern.  Die  Lohn-  und  Arbeitsverhältnissö  haben  im  ver- 
gangenen   Jahre   keine    wesentlichen    Veränderungen    erfahren. 

Die  Situation  in  der  Filz-,  Lederhausschuhe-,  Pantoffel-,  piiz,  Leder. 
Sport-  und  Ballschuh-Branche  hat  sich  gegen  das  Vorjahr  nur  PaS"offe?u^t. 
unwesentlich  verändert.  Das  Gesichäft  in  Filzartikeln  blieb  fast 
während  des  ganzen  Jahres  leblos,  da  die  warme  Witterung  dem 
Artikel  ungünstig  gewesen  ist.  Es  blieben  große  Bestände  un-. 
verkauft,  die  sich  erst  am  Schlüsse  des  Jahres,  als  sich  Kälte 
einstellte,  zum  Teil  räumen  ließen,  wähirend  die  neuen  Kaufs 
der  Schuhdetaillisten  noch  des  Verkaufs  im  nächsten  Jahre 
harren.  Trotz  der  ungünstigen  feuchten  Witterung  im  Sommer 
wurde  entgegen  aller  Erwartung  der  Konsum  in  Lederschuhen 
wie  allen  übrigen  Sommerartikeln  nidht  ungünstig  beeinflußt. 
Auch  in  diesem  Jahre  waren  Ballschuhe  und  alle  Sportartikel 
sehr   gefragt  und   beliebt,   und   Berlin  behauptet  seine   führende 


492     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie   u.   Pelzwerk. 

Stellung  für  diese  Artikel,  dank  der  geschüiackvollen,  sichönen 
Muster,  welche  die  Industrie  herzustellen  versteht.  Die  Ver- 
kaufspreise gaben  oft  Anlaß  zu  Klage,  und  es  war  nicht  mög- 
lich, trotz  der  Steigerung  aller  Materialien,  der  Lederpreise,  der 
Unkosten  und  Arbeitslöhne  höhere-  Schuhpreise  durchzusetze q. 
Es  sind  nämlieh  zu  viele  schwache  und  unreelle  Fabrikauten  in 
der  Branche,  welche  bei  Geldbedarf  zu  Schleuderpreisen  ver- 
kaufen, so  daß  der  Konsum  häufig  Grelegenheit  hat,  zu  Preisen 
einzukaufen,  welche  den  reellen  Fabrikanten  geradezu  Schaden 
bringen  müßten.  Gerade  diese  billigen  auf  den  Markt  geworfenen 
Schuhe  verhindern  eine  so  notwendige  Erhöhung  der  Preise  für 
reelle  Ware.  Die  Entwicklung  des  Geschäfts  in  der  Hand  der 
größten  und  leistungsfähigsten  Detailfirmen  zum  Nachteil  der 
kleineren  und  weniger  kräftigen  Schuhgeschäfte  und  Schuh- 
fabrikanten machte  im  Berichtsjahre  weitere  Fortschritte. 
Während  aber  kleinere  Schuhgeschäfte  mehr  und  mehr  aufhören, 
gibt  es  in  Berlin  eine  ganze  Anzahl  kleinerer  Schuhfabriken, 
welche  in  gewissem  Sinne  erfolgreich  beschäftigt  sind  und  auch 
bestehen  können,  weil  sie  teilä  mit  ganz  geringen  Unkosten 
arbeiten,  teils  durch  Heimarbeit  ihre  Fabrikate  fertigstellen. 
Während  die  Luxus- Schuhindustrie  von  der  Mode  begünstigt 
wurde  und  befriedigende  B,esultate  aufzuweisen  hat,  mußte  in 
der  deutsdhen  Schuhindustrie  im  allgemeinen  vielfach  über 
Arbeitsieinschränkungen  geklagt  werden.  Zweifellos  ist  eine  Ueber- 
produktion  vorhanden,  denn  ohne  sie  wäre  es  trotz  der  vor- 
erwähnten schwachen  und  unreellen  Elemente  doch  wohl  möglich 
gewesen,  bessere  Preise  zu  erreichen.  Gefragt  waren  häufig 
Waren  besserer  Qualität,  doch  blieb  die  Grundtendenz  des  ,G^- 
schäfts  eine  Verschlechterung  der  Fabrikate  zum  Zwecke  der 
Aufrechterhaltung  der  bisherigen  Preise.  Der  Verkehr  mit  dem 
Auslande  nimmt  allmählich  zu;  an  geeigneten  Arbeitskräften, 
ausgenommen  vorübergehend  an  Galanterieschuh- Arbeitern,  war 
kein  Mangel.  Die  anhaltende  Geldteuerung  beeinflußte  den 
Nutzen  der  Industrie  empfindlich,  wirkte  häufig  lähmend  auf 
den  Geschäftsgang,  auch  ließen  die  Kreditverhältnisse  in  der 
Schuhbranche  viel  zu  wünschen  übrig. 

153.    Schuhhandel. 

Dei*  [Verkauf  in  den  Schuhwaren-Detailgeschäften  war  anfangs 
dieses  Jahres  befriedigend,  und  es  wurden  besonders  in  den  Ge- 
schäften der  größeren  Firmen  höhere  Umsätze  als  im  Vorjahre 
erzielt.  Das  zeitige  Osterfest  gab  Veranlassung,  die  Läger  früher 
als  sonst  und  reichhaltiger  mit  farbigen  Artikeln  zu  versehen, 
da  auf  eine  Doppelfrühjahrssaison  gerechnet  werden  konnte. 
Diese  Hoffnung  erfüllte  sich  nicht,  da  das  rauhe,  kalte  Wetter 
vor  Ostern  den  Verkauf  nachteilig  beeinflußte.  Mit  dem  kurz 
nach   dem    Osterfeste   beginnenden    Frühjahrs wetter  Setzte   dann 


154.  Schuhmacher-Bedarfsartikel.  493 

der  Verkauf  sehr  stark  ein,  und  es  wurden  größere  Umsätze 
als  früher  erzielt,  so  daß  das  Pfingstgeschäft  erhebliche  Ein- 
nahmen brachte.  Auf  den  Konsum  wirkte  die  Halbschuhmode 
besonders  in  ihrer  Konfektionsausgestaltung  fördernd  ein,  anderer- 
seits waren  als  Faktor  für  die  Umsatzsteigerungen  auch  die  Preis- 
erhöhungen, wenn  auch  mit  einem  noch  bescheidenen  Prozentsatz 
zu  berücksichtigen.  Die  Reisezeit  beeinflußte  auch  den  Konsum 
günstig,  so  daß  der  Verkauf  bis  zum  Monat  November  gut  war. 
Das  Weihnachtsgeschäft  bewegte  sich  in  den  Grenzen  des  Vor- 
jahres. In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  begannen  die  Ein- 
heitspreisgeschäfte mit  der  14,50  Mk.  Zwischenpreislage,  doch 
scheint  diese  nicht  den  erhofften  Anklang  zu  finden.  Die  populär 
gebliebene  12,50  Mk.  Preislage  zwang  die  Schuhfabrikanten,  da 
die  hohen  E^ohmaterialienpreise  ihnen  bei  der  bisherigen  Her- 
stellung keinen  Nutzen  mehr  ließen,  und  die  Detaillsure  höhere 
Preise  nicht  bewilligen  wollten  und  konnten,  diese  Artikel  min- 
derwertiger herzustellen.  Von  der  seit  den  letzten  Monaten  herr- 
schenden allgemeinen  wirtschaftlichen  Depression  wurde  die 
Schuhwaren-Detailbranche  bis  zum  Jahresschlüsse  nicht  berührt. 
Trotz  der  erhöhten  Umsätze  dürfte  der  Nutzen  zurückgegangen 
sein,  da  die  allgemeinen  Unkosten  prozentual  erheblicher  ge- 
stiegen sind.  Die  erforderliche  intensive  Eeklame  und  die  immer 
prachtvoller  und  stilvoller  sich  gestaltenden  Fass adenausbauten 
und  inneren  Einrichtungen  erfordern  derartig  hohe  Aufwendungen^ 
daß  es  schließlich  den  einzelnen  Greschäftsinhabem,  im  Gegensatz 
zu  denen,  welche  dem  Konzern  oder  der  Interessengemeinschaft 
verschiedener  Schuhfabriken  angehören,  nicht  mehr  möglich  ist, 
mitzukommen.  Es  dürfte  an  der  Zeit  sein,  diesen  Luxusausgaben 
allgemein  Einhalt  zu  tun,  da  die  stetig  wachsenden  Anforderungen 
schließlich  zu  Katastrophen  füliren  müssen,  von  welchen  eine 
jüngst  in  Konkurs  geratene  größere  Berliner  Firma  deutlich 
Zeugnis  ablegte.  So  gut  andere  Detailgeschäfte  ohne  übermäßi- 
gen Luxus  vorwärts  kommen,  müßte  auch  die  Schuhbranche 
ernstlich  bemüht  bleiben,  sich  ihren  wohlverdienten  kleinen  Ge- 
winn nicht  durch  übermäßige  unnütze  Unkosten  schmälern  zu 
lassen. 

154.    Schuhmacher-Bedarfsartikel. 

Für  Schuhfutter,  Stiefelbänder  und  Schnürsenkel  folgten 
die  Preise  den  Notierungen  des  Baumwoll-Marktes,  welche  lang- 
sam bis  Oktober  weiter  stiegen  und  nach  dieser  Zeit  ebenso 
stetig  zurückgingen,  so  daß  die  Preise  am  Jahresschlüsse  ziem- 
lich die  gleichen  waren  wie  am  Anfang  des  Jahres;  ebenso  war 
Kleber  erst  gesucht  und  im  Preise  fest,  später  machten  sich 
jedoch  kleine  Preiskonzessionen  bemerkbar.  Schuhösen  und 
Agraffen  hatten  gedrückte  Preise,  welche  von  Tag  zu  Tag  weiter 
zurückgingen.    Auch  in  Nägeln  und   Stiften  zeigten  sich  Preis- 


494     IX.    Eohstoffe   u.  Fabrikate  der  Lederindustrie  u.  Pelzwerk, 

ermaß  ig  ungen,  die  besonders  in  Täksen  sehr  erheblich  waren, 
eine  Folge  der  ^geringen  Bautätigkeit.  Die  g-etroffene  Verein- 
barung der  Schuhleisten-Fabrikanten  konnte  sich  nicht  halten, 
weshalb  auch  die  Preise  für  Schuhleisten  nachließen.  Für  leinene 
Zwirne  und  Garne  erfuhren  die  Preise  keine  Aenderung,  dagegen 
hatten  Hanfgam-Fabrikate  im  September  einen  Aufschlag  von 
5  "/o,  'auch  führten  die  deutschen  Hanfspinnereien  und  Bindfaden- 
fabriken einheitliche  Verkaufsvorschriften  ein,  welche  den  Wieder- 
verkäufern entsprechenden  Nutzen  sichern  und  gegenseitige  Ueber- 
bietungen  unmöglich  machen  sollen. 

155.     K'Oif  f  e  r  f  abrikation. 

Im  Berichtsjahre  machte  sich  von  Beginn  an  ein  Rückgang 
des  Geschäftes  bemerkbar,  welcher  das  ganze  Jahr  anhielt.  Die 
allgemeine  Geldkalamität,  die  Steigerung  der  Preise  für  Ma- 
terialien, speziell  für  Leder,  und  die  unsichere  politische  Lage 
haben  auch  die  Kofferfabrikation  in  eine  ungünstige  Lage  ver- 
setzt. Die  Nachfrage  nach  besseren  Reiseartikeln  war  mit  wenigen 
Ausnahmen  nur  schwach,  was  sich,  da  diese  den  Ausschlag  für 
die  Berliner  Fabrikation  geben,  recht  fühlbar  machte.  Selbst  die 
Nachfrage  nach  billigeren  Koffern,  von  welchen  hier  auch'  nur 
ein  kleiner  Prozentsatz  gefertigt  wird,  blieb  bedeutend  hinter 
der  des  Vorjahres  zurück.  Infolge  des  flauen  Geschäftsgangesi 
waren  die  Angebote  größer  als  die  Nachfrage,  und  trotz  der 
größeren  Unkosten  eine  Preisunterbietung  vorhanden,  die  einen 
nennenswerten  Nutzen  verhinderte.  Das  Exportgeschäft  ist  im: 
Vergleich  zum  Vorjahre  unverändert  geblieben,  auch  hier  zeigte 
sich  infolge  des  geringen  Nutzens  wenig  Interesse. 

Am  Ende  des  .Berichtsjahres  waren  die  Aufsichten  für  eine 
Rentabilität  in  der  Kofferfabrikation  für  das  kommende  Geschäfts- 
jahr nicht  die  besten,  da  die  Preise  für  die  Rohmaterialien  noch 
immer  steigen  und  auch  die  Unkosten  ständig  wachsen. 

156.    Pelzwaren. 

Geschäftsgang.  Die  UnguQst  der  politischen  Verhältnisse  in  Europa,  welche 

schon  Ausgang  des  Jahres:  1912  der  Entwicklung  der  Pelzwaren- 
branche hinderlich  waren,  hielt  im  Jahre  1913  weiter  an  und  ge- 
staltete das  Geschäft  im  Verein  mit  der  rückgängigen  Börse  und 
der  bevorstehenden  Mehrbelastung  für  den  Militäretat  usw.  noch 
kritischer  als  zuvor.  Daz^u  kam  die  warme  und  feuchte  Witterung 
in  den  Hauptverkaufsmonaten,  die  ebenfalls  einen  sehr  ungünstigen 
Einfluß  auf  das  Pelz  Warengeschäft  ausgeübt  hat.  Das  eigenartige 
dabei  ist,  daß  die  Mode  selbst  den  Artikel  außerordentlich  förderte, 
da  nicht  nur  Pelzkragen,  Muffen,  Mäntel  usw.  begehrt  waren, 
sondern  Pelzbesätze  als  Garnierungszwecke  für  Straßenkleider^ 
Ealltoiletten    und    für    fast    alle    konfektionierten    Arttikel    eine 


156.    Pelzwaren.  495 

größere   Rolle   spielten   als   je   zuvor.    Auf   die  Preise   des  Roh- 
materials hat  natürlicherweise   die  schlechte  Greschäftslage  eine 
beträchtliche  Rückwirkung  ausgeübt.  AYährend  Anfang  des  Jahres 
1913    auf    der    Londoner    Auktion    bedeutende    Preissteigerungen 
verzeichnet  wurden,  konnte  man  Ende  des  Jahres  an  fast  allen 
maßgebenden  Märkten,  speziell  auch  in  Leipzig,  die  meisten  Fell- 
arten zum  Teil  sogar  unter  dem  Kostenpreis  einkaufen.    So  hat 
z.  B.  Skunks,  welcher  sich  in  letzter  Zeit  immer  mehr  zu  einem 
besonders  begehrten  Modeartikel  emporgeschwungen  hat  und  g(e- 
wissermaßen   als   daÄ   Barometer   auf  dem   Fellmarkt  betrachtet 
werden   kann,   während  der   Saison   1913   sehr  an  Absatz   einge- 
büßt, da  die  hohen  Preise,  welche  die  Pelzkonfektionäre  Anfang- 
des  Jahres  für  Rohware  zahlen  mußten,  trc^tiz  der  außerordent- 
lichen Beliebtheit  dieser  Pelzart  bei  der  Kundschaft  nicht  erzielt 
werden  konnten.    Es  blieb  also  nichts  weiter  übrig,  als  die  Vor- 
räte in  diesem  Artikel  zu  billigeren  Preisen  abzustoßen.    Auch 
in  vielen   anderen  Fellarten  mußte  zu  reduzierten  Preisen  ver- 
kauft werden,  so  daßi  die  Fabrikanten  lind  Kürschner  in  den  Haupt- 
mona.ten  Oktober  bis  Dezember  nur  mit  einem,  verhältnismäßig 
kleinen  Nutzen  arbeiten  konnten.    Da  auch  die  Nachbestellungen 
vielfach   ausblieben,    so   wurde    allgemein   über   einen   schlechten 
Geschäftsgang  sowohl  bei  den  größeren  als  auch  bei  den  kleineren 
Firmen  der  Branche  geklagt.     Wenn  es  auch  schwierig  ist,  bei 
dem  reduzierten  Konsum  in  fertigen  Pelzwaren  einem  bestimmten 
Artikel  besondere  Bedeutung  beizumessen,  so  sind  doch  immerhin 
Skunks  und  Skunks-Imitationen,  dunkel  gefärbte  Füchse,  weniger 
naturelle,  als  wie  es  zuerst  den  Anschein  hatte,  Seal-Imitationen, 
Maulwurf,  Hermelin,  Nerz  und  Nerz-Imitationen  in  erster  Linie 
begehrt  worden.     Davon  sind  die  Fuchsarten  in  der  Naturform 
ein-   und   zweifellig   für  Kragen   und  Muff  verarbeitet  worden, 
während  die  anderen  Fellarten,  speziell  Skunks,  Seal  und  deren 
Imitationen,  meistens  zu  breiten  Schals  und  glatten  großen  Muffen 
verarbeitet   worden   sind.     Als    Hauptabsatzgebiet   war   für   die 
Berliner  Pelzwarenfabrikanten  der  deutsche  Markt  zu  betrachten, 
da  die  übrigen  europäischen  Länder  mehr  und  mehr  an  Bedeutung 
für  den  hiesigen  Markt  verloren  haben.    Im  Export  machten  sich 
speziell  die  ungünstigen  Verhältnisse  in  den  südamerikanischen 
Staaten  hemmend  bemerkbar.    Immerhin  haben  die  Berliner  Pelz- 
warenfabrikanten   die   schlechte    Geschäftslage    des    Jahres    1913 
gut  ertragen,  da  sie  durch  die  Verdienste  der  letzten  Jahre  offenbar 
genügend  gekräftigt  waren,  und  nur  bei  einigen  kleineren  Firmen 
waren     Zahlungseinstellungen     in     die     Erscheinung     getreten. 
Wesentlich  ungünstiger  sah  es  in  dieser  Beziehung  auf  dem  Fell- 
markt aus,  da  in  Leipzig  allein  ca.  40  Fallissements  zu  verzeichnen 
waren.    Wenn  auch  die  ersten  Firmen  sich  der  Krisis  gewachsen 
zeigten,  so  haben  doch  immerhin  die  vielen  Zahlungseinstellungen 
auch  auf  die  gut  fundierten  Händler,  wenn  auch  nicht  hinsieht- 


496     IX.    Kohstoffe   u.  Eabrikate  der  Lederindustrie  u.  Pelzwerk. 


Hell  ihrer  Kreditfähigkeit,  so  doch  in  bezug  auf  ihren  Unterneh- 
mungsgeist einen  gewissen  Einfluß  ausgeübt, 
streik.  Als  Besonderheit  trat  in  der  Berliner  Pelzwarenbranche  im 

Jahre  1913  noch  ein  längerer  und  von  den  Arbeitern  sehr  energisch 
betriebener  Streik  hinzu,  welcher  sich  über  die  Monate  September 
und  Oktober  erstreckte,  der  aber,  da  das  Geschäft  an  sich  um  diese 
Zeit  ruhig  war,  den  Fabrikanten  sehr  wenig,  den  Arbeitern  da-; 
gegen  wesentlichen  Schaden  gebracht  hat.     Die  Eigenart  dieses 
Streiks  liegt  auch  darin,  daß  in  der  Pelzwarenbranche  zwei  Kate- 
gorien von  Arbeitern  beschäftigt  werden,  und  zwar  die  Gesellen 
und  Mamsells,  die  die  Arbeit  als  Angestellte  ausführen,  und  die 
sogenannten   selbstäjidigen  Zwischenmeister,   die  eigene   Betriebe 
haben  und  darin  selbst  wieder  mit  Gesellen  und  Mamsells  für  die 
Pelzwarenfabrikanten    arbeiten.     Obwohl    die    Interessengebiete 
dieser  beiden  Kategorien  ganz  verschieden  sind,  so  hatten  sie  sich, 
im  Gegensatz  zu  der  Gepflogenheit  bei  früheren  Streiks,  diesmal 
zusammengeschlossen,  um  den  Streik  gemeinsam  zu  inszenieren, 
wodurch  sie  auf  die  Fabrikanten  einen  größeren  Zwang  auszuüben 
und  mehr  zu  erreichen  hofften.    Da  aber  die  angestellten  Gesellen 
und  Mamsells  kürzere  Arbeitszeit  und  höhere  Löhne,  die  selbstän- 
digen   Zwischenmeister   hingegen   einen   festgesetzten   Lohntarif, 
nach  dem  sie  für  die  Fabrikanten  arbeiten  wollen,  beanspruchteUy 
ließen  sich  die  beiden  Faktoren  nicht  vereinigen  und  der  ganze 
Erfolg    des    Streiks    wurde    illusorisch.     Es   wäre    auch  für   die 
Zwischenmeister  bei  diesem  Zusammenschluß  ohnehin  nichts  we-; 
sentliches  herausgekommen,  da  der  Vorteil  eines  höheren  Lohn- 
tarifs  durch  die  größere  Forderung  und  die  kürzere  Arbeitszeit, 
welche  die  Gesellen  und  Mamsells  beanspruchten,  absorbiert  wor« 
den  wäre.     Auch  eine  Einigungsverhandlung  vor  dem  Gewerbe- 
gericht zeitigte  keinen  Erfolg,  da  die  Führer  der  Zwischenmeister 
und  der  Arbeiter  sich  zwar  erst  einer  Einigung  mit  den  Fabri-« 
kanten  auf  Grund  eines  Lohnzuschlages  geneigt  zeigten,  später 
aber  ihre  Zusage  zurückzogen,  so  daß  die  Arbeit  allgemein  ohne 
jegliches  Resultat  wieder  aufgenommen  worden  ist.    Es  ist  nicht 
zu  verkennen,  daß  im  großen  und  ganzen  sowohl  Löhne  als  auch 
Arbeitszeit  in  der  Pelzbranche  durchaus  günstig  liegen,  doch  ist 
leider  die  Dauer  der  Beschäftigung  von  der  allgemeinen  Lage,  den 
Witterungsverhältnissen  usw.  unvermeidlicherweise  abhängig.  Di© 
Berliner  Pelzwarenfabrikanten  haben  natürlicherweise  ein  Inter- 
esse daran,  daß  ihre  Arbeiter  angemessene,  gute  Löhne  erhalten, 
ebenso  wie  sie  daran  interessiert  sind,  daß  die  Rauchwärenhändler, 
wie  es  leider  oft  der  Fall  war,  nicht  allzu  leicht  an  zweifelhafte 
Elemente  Kredit  geben,  was  beides  nur  zur  Gesundung  der  Branche 
beitragen  kann. 
Aussichten.  Die  Aussichten  für  das  Pelzgeschäft  im  neuen  Jahr  sind  am 

Schluß   des  Jahres   1913  nicht  sehr  günstig,   doch  ist  immerhin 
,  von  einer  Besserung  der  politischen  Verhältnisse  und  einer  kälteren 


156.    Pelzwaren.  497 

Wetterperiode  für  die  kommenden  Monate  noch  eine  Belebung  des 
Geschäfts,  die  manches  wieder  wettmachen  kann,  zu  erwarten. 

In  Ergänzung  hierzu  wird  noch  berichtet :  Die  erzielten.  Um- 
sätze blieben  hinter  denen  des  Jahres'  1912  etwas  zurück.  Dieser 
Umstand  machte  sich  weniger  bei  den  bedeutenden  Gesehäften 
in  den  größeren  Städten  bemerkbar,  sondern  es  hatten  hierunter 
mehr  kleinere  Geschäfte  in  der  Provinz  zu  leiden.  Hierdurch 
wurde  naturgemäß  auch  das  Engrosgesohäft  ungünstig  beeinflußt, 
weil  viele  Geschäfte  durch  die  milde  Witterung  in  der  zweiten 
Hälfte  des  vorjährigen  Winters  ein  reichhaltiges:  Lager  übrig- 
behalten hatten  und  die  Erteilung  von  Orders  in  kleinen  Quanti- 
täten langsam  vonstatten  ging.  Hierzu  kana  als  hemmender  Ein- 
fluß noch  die  sich  über  einen  großen  Teil  des  Jahres  erstreckende 
•unsichere  politische  Lage  und  die  allgemeine  wirtsichaftliche  Krise. 
Außerdem  war  das  Wetter  fast  während  der  ganzen  eigentlichen 
Wintersaison  nicht  dazu  angetan,  die  Kauflust  zu  beleben.  In 
Stolas  und  Muffen  wurden  wohl  einigermaßen  ziufriedenstellende 
Umsätze  erzielt,  dagegen  ließ  der  Absatz  in  Damen-Pelzpaletots 
sowie  auch  in  Herrenpelzen  infolge  der  milden  Witterung  sehr  zu 
wünschen  übrig.  Trotz,  dieser  im  allgemeinen  nicht  günstigen  Lage 
waren  es  doch  einige  Artikel,  die  durch  die  Mode  und  die  Gunst 
des  Publikums  besonders  bevorzugt  waren.  Diese  brachten  auf  den 
Auktionen  des  letzten  Halbjahres  verhältnismäßig  sehr  hohe  Preise. 
Nachstehend  lassen  wir  eine  Uebersicht  über  die  in  den  maß- 
gebenden Londoner  Auktionen  der  Hudsons-Bay-Comp.  und  der 
Firma  Lampson  &  Co.  stattgefundenen  Preisschwankungen  folgen. 

Im  Januar  brachten  Bisam  und  Biber  der  Hudsons-Bay-Comp. 
volle  vorjährige  Preise.  Auf  der  Lampson-Auktion  stiegen  Skunks 
um  ca.  20 o/o,  Schuppen  25 o/o,  Hermelin  15 o/o,  Nerz  15 o/o,  Bären 
im  Durchschnitt  30o/o,  Weißfüchse  30o/o,  Otter  15o/o,  austr.  Opossum 
lOo/o,  amerik.  Opossum  50o/o,  Blaufudhs  20 o/o,  während  Silberfuchs, 
Kreuzfuchs  und  Sealskin  volle  vorjährig«  Preise  holten.  —  Im 
März  blieben  Skunks,  Otter,  Biber,  Silberfudis,  russ.  Zobel  und 
Kotfaohs  unverändert,  während  Bären  abermals  im  Durchsehnitt 
um  30%,  Blaufüchse  30 o/o,  Weißfüchse  ca^.  50 o/o,  Hermelin  20 o/o 
höher  gingen,  Nerz  dagegen  eine  Kleinigkeit  billiger  wurde.  — 
Die  Juni -Auktionen  brachten  für  versiöhiedene  Artikel  haupt- 
sächlich Füchse  erhebliche  Aufschläge.  So  gingen  gegen  März 
Kreuzfüchse  um  50o/o  höher,  Silberfüchse  25o/o,  Weißfüchse  lOo/o; 
Iltis,  ebenfalls  ein  im  Laufe  des  Jahres  sehr  begehrter  Artikel, 
ging  um  20o/o  höher,  Leoparden  stiegen  um  50o/o,  während  die 
übrigen  Artikel  im  Preise  unverändert-  blieben  und  einige  Fell- 
arten kleine  Preisabschläge  erlitten.  —  Die  Oktober-Auktionen 
brachten  nur  für  einige  favorisierte  Artikel  erhöhte  Preise.  So 
z.  B.  waren  Kreuzfüchse  75 o/o,  Silberfüchse  15o/o  höher  als  Juni. 
Ebenso  erzielte  Iltis  außerordentlich  hohe  Preise.  Blaufuchs, 
Weißfuchs,  russ.  Zobel,  Leopard,  Chinchilla  blieben  unverändert, 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  32 


498     IX,    Kohstoffe    u.  Fabrikate  der  Lederindustrie  u.  Pelzwerk. 

während  Eotfuchs  um  lOo/o,  austr.  Opuseimi  15 o/o,  Ringtail  35 o/o, 
Nerz  200/0,  Bär  15c/o,  Skunks  15 o/o,  Sdiuppen  15 o/o,  Luöhs  25 o/o, 
Otter  lOo/o,  Hermelin  15°,^  und  Bisam  20 o/o  zurückgingen.  —  Auf 
der  Kopenliagener  Auktion  erzielten  Blaufüchse  25 o/o,  Weißfücfhse 
50 o/o  höhere  Preise  geg'en  das  Vorjahr.  —  Auf  den  russischen  Pelz- 
mesi&en  blieben  Zobel  und  Feh  unverändert,  Hermelin  wurde  etwas 
teurer,  während  Persianer  um  ca.  15  o/o  nachgab.  —  Für  das  kom- 
mende Jahr  besteht  die  Aussicht,  daß,  nachdem  die  hohen  Preise 
nicht  mehr  hemmend  einwirken,  infolge  der  erleichterten  Preise 
ein  regerer  und  allseitig  mehr  zufriedenstellender  Gesichäftsgang 
eintreten  wird. 


a)  Großhandel. 

Geschäftsgang 

im 

allgemeinen. 


Export 


X.  Holz  und  Holzwaren. 

157.    Hoilzhandel. 
a)    Großhandel. 

In  den  ersten  vier  bis  fünf  Monaten  des  Jahres  1913  war  der 
Geschäftsgang  im  inländischen  Betriebe  im  allgemeinen  befrie- 
digend. Der  Absatz  hielt  sich  auf  der  Höhe  des  vorjährigen,  und 
es  ließen  sich  auch  die  Preise  im  allgemeinen  aufrecht  erhalten. 
Nur  das  Berliner  Baugeschäft  versagte  nach  wie  vor  fast  völlig, 
und  es  mußte  wegen  der  mißlichen  Kreditverhältnisse  in  diesem 
Geschäftszweige  der  Umsatz  noch  mehr  als  bisher  eingeschränkt 
werden.  Trotz  aller  Vorsicht  waren  aber  Ausfälle  nicht  zu  ver- 
meiden. Vom  Juni  1913  ab  machte  sich  auch  auf  dem  inner-i 
deutschen  Markte  ein  Abflauen  der  allgemeinen  Konjunktur  be- 
merkbar, was  naturgemäß  auch  auf  die  Holzbranche  ungünstig 
zurückwirkte.  Die  schwierigen  Verhältnisse  auf  dem  Geldmarkte 
zwangen  die  Kundschaft  zur  Einschränkung  im  Einkauf,  und  auch 
der  Abruf  der  früher  gekauften  Waren  ging  nur  schleppend  von- 
statten. Die  nach  dem  Aufhören  der  Balkanwirren  erhoffte  Besse- 
rung trat  leider  nicht  ein,  und  es  ist  auch  jetzt  eine  wesentliche 
Hebung  in  diesem  Geschäftszweige  noch  nicht  zu  verzeichnen.  Bei 
alledem  aber  kann  von  einem  Rückgänge  der  Preise  für  wirklich 
gute  W;are  nicht  gesprochen  werden;  es  bleibt  nur  der  stockende 
Absatz  zu  beklagen. 

Der  Verlauf  des  Exportgeschäfts  nach  England,  Holland  und 
Belgien  war  zufriedenstellend;  im  Frühjahr  konnten  nach  diesen 
Ländern  recht  umfangreiche  Abschlüsse  zu  guten  Preisen  für 
Jalu^eslieferungen  getätigt  werden,  und  auch  im  Laufe  des  zweiten 
Semesters  gingen  noch  Aufträge  in  nennenswertem  Umfange  zu 
nutzbringenden  Preisen  ein.  Erst  im  Oktober  machte  sich  auch 
im  Exportgeschäft  ein  gewisses  Abflauen  fühlbar,  und  es  läßt  sich 
zurzeit  noch  nicht  übersehen,  ob  diese  Stockung  anhalten  wird, 
aa  noch  in  letzter  Zeit  schon  Aufträge  für  die  Lieferung  per  1914 


157.    Holzhandel. 


499 


eingingen.  Auf  dem  Eichenholzmarkte  hat  die  Konkurrenz  der 
japanischen  Eiche  teilweise  störend  gewirkt,  da  größere  Quanti- 
täten dieser  Holzart  in  runden  Klötzen  und  auch  in  geschnittenem 
Material  nach  Deutschland  und  Belgien,  Holland  und  England  auf 
den  Markt  'gebracht  wurden.  Ueber  die  Qualität  dieser  Ware  läßt 
sich  ein  'abschließendes  Urteil  noch  nicht  fällen;  doch  wird  sich 
wohl  auf  die  Dauer  das  japanische  Eichenholz  gegen  gutes  Eichen- 
holz russischer  Provenienz  nicht  halten  können,  so  daß  speziell 
für  den  deutschen  Markt  eine  besondere  Besorgnis  nicht  berech- 
tigt ist. 

Dei'  Bedarf  der  Reichspost  und  Staatseisenbahn  an  Tele- 
graphenstangen war  etwas  größer  als  im  voraufgegangenen  Jahre ; 
ebenso  hat  der  Ausbau  von  Ueberlandzentralen  eine  lebhafte 
Nachfrage  nach  Leitungsmasten  verursacht.  Der  Bezug  und  Ab- 
satz dieser  Sortimente  hat  sich  in  befriedigender  Weise  abge- 
wickelt.   Auch  für  die  Zukunft  ist  ein  Gleiches  zu  erwarten. 

Die  Staats-  und  Privatbahnen  Deutschlands  haben  einen  ver- 
mehrten Bedarf  'an  Schwellen  für  die  Unterhaltung  des  bestehenden 
Oberbaues  und  den  Ausbau  neuer  Linien  ausgeschrieben.  Bedauer- 
lich ist,  daß  seitens  des  preußischen  Ministeriums  der  öffentlichen 
Arbeiten  dem  Eisen  trotz  aller  Versprechungen,  die  den  Holzinter- 
essenten in  der  Budgetkommission  seitens  der  Vertreter  des  ge- 
nannten Ministeriums  gemacht  worden  sind,  ein  immer  größerer 
Vorzug  eingeräumt  tvird.  Während  jMOchi  im  Jahre  1912  nahezu 
bindende  Versicherungen  abgegeben  wurden,  daß  das  Verhältnis 
von  Eisen  zu  Holz,  welches  damals  42  %  zu  58  o/o  betrug,  aufrecht 
erhalten  werden  solle,  hat  sich  eine  wesentliche  Verschiebung 
zu  Ungunsten  des  Holzes  in  der  Beschaffung  geltend  gemacht. 
Heute  werden  schon  über  50  o/o  des  gesamten  Schwellenmaterials  in 
Eisen  bezogen.  Die  Beunruhigung,  die  hierdurch  auf  dem 
Schwellenmarkt  verursacht  worden  ist,  drückt  sich  naturgemäß 
im^urückgehen  der  Preise  aus.  Dazu  kommt,  daß  das  Königliche 
Eisenbahn-Zentralamt  auch  wieder  Schwellen  aus  dem  Weißen- 
Meer-Gebiet  und  den  oberen  finnischen  Häfen  für  die  Lieferung) 
freigegeben  hat,  obwohl  es  in  Fachkreisen  allgemein  bekannt  ist, 
daß  das  Gros  der  aus  diesen  Produktionsstätten  kommenden 
Schwellen  laus  totem  Holz  hergestellt  wird.  Dadurch  ist  einer 
ungesunden  Spekulation  Tür  und  Tor  geöffnet  worden,  und  es  hat 
sich  infolgedessen  in  den  letzten  vom  Eisenbahn-Zentralamt  an- 
gesetzten Verdingungsterminen  ein  weiterer  B-ückgang  der  Preise 
ergeben. 

Im  Erühjiahr  1913  wurden  die  bestehenden  Ausfuhrtarife  auf 
den  russischen  Eisenbahnen  für  Eisenbahnschwellen  aller  Art 
aufgehoben,  um  den  Export  dieser  Schwellen  zu  erschweren. 
Infolge  des  wirtschaftlichen  Aufschwunges,  den  Rußland  in  den 
letzten    Jahren   zu   verzeichnen   gehabt  hat,    ist  der  Bedarf   der 

32* 


Masten. 


Schwellen. 


Verkehr  mit 
Rußland. 


500 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Platzhandel. 

Allgemeines. 
Bauholz. 


russischen  Eisenhahnen  von  Jahr  zu  Jahr  ganz  gewaltig  gestiegen. 
Durch  die  Anwendung  des  jetzt  erhöhten  innerrussischen  Tarifs 
für  dieses  Material  ist  es  fast  unmöglich  geworden,  Eisenbahn- 
schwellen auf  dem  B-ahnwege  nach  Deutschland  zu  importieren.  Es 
wird  weiterhin  von  den  russischen  Bahnen  die  Aufhebung  des 
günstigen  Ausfuhrtarifs  selbst  nach  russischen  Seehäfen  auch  für 
alle  anderen  Sorten  von  Holz  geplant.  Es  ist  klar,  daß  durch  eine 
derartige  Maßnahme  der  Export  von  Holz  nach  Deutschland  sehr 
zu  leiden  haben  würde.  Die  Holzhändler  sowohl  als  auch  die 
Waldbesitzer  haben  dagegen  bereits  alles  Mögliche  versucht, 
bisher  aber  ohne  Erfolg,  und  leider  bieten  die  bestehenden 
Handelsverträge  keine  Handhabe,  dieser  Tarifpolitik  entgegen- 
zutreten. Da  auch  in  den  letzten  Jahren  die  Transporte  auf  dem 
Floßwege  teils  durch  großen  Wassermangel,  dann  wieder  —  wie 
im  Laufe  des  Berichtsjahres  —  durch  ununterbrochene  Hoehwasser- 
wellen  von  Juli  bis  Ende  September  sehr  zu  leiden  hatten,  muß  in 
Zukunft  auf  eine  Erhöhung  der  Kosten  dieser  Transporte  gerechnet 
werden.  Außerdem  ist  der  Verlauf  des  Winters  für  die  Ausfuhr 
an  Floßablagen  äußerst  ungünstig  gewesen.  So  muß  mit  einer 
wesentlich  verringerten  Abkunft  gerechnet  werden,  was  eine 
weitere  Verteuerung  der  Rohholzpreise  für  1914  unbedingt  zur 
Folge  haben  dürfte. 

b)  Platzhandel. 

Das  Jahr  1913  wird  in  den  Annalen  des  Berliner  Holzhandels 
wohl  dauernd  eine  besondere  Stelle  einnehmen.  Der  Rückgang^, 
der  im  Jahre  1912  bereits  stark  eingesetzt  hatte,  hat  im  Berichts- 
jahre Dimensionen  angenommen,  die  man  kaum  vermutet  hätte. 
In  der  Hauptsache  beruht  dieser  Rückgang  in  der  Geschäftslosig- 
keit  auf  dem  Baumarkt.  Die  dauernde  Verschlechterung  der  Hy- 
pothekenverhältnisse, herbeigeführt  durch  den  hohen  Geldstand 
und  die  Belastung  des  Grundbesitzes,  hat  dazu  geführt,  daß  die 
Zahl  der  "Neubauten  gegen  1912  um  ca.  50  »/o  gesunken  ist.  Die 
natürliche  Folge  ist,  daß  die  Umsätze,  die  der  Berliner  Holzhandel 
in  Bauholz  erzielen  konnte,  auf  ein  Minimum  zurückgegangen 
sind,  wie  es  seit  der  Epoche  des  allgemeinen  Aufschwungs  nicht 
zu  verzeichnen  gewesen  ist.  Hierbei  fällt  ferner  ins  Gewicht,  daß 
verschiedentlich  die  zu  Neubauten  erforderlichen  Hölzer  von  den 
Mühlen  der  Produzenten  direkt  an  die  Verbraucher  geliefert  und 
somit  dem  Berliner  Platzholzhandel  entzogen  wurden.  So  kam  es, 
daß  bei  den  Holzhandlungen,  die  nur  Bauhölzer  führen,  der  Um- 
satz ganz  bedeutend  zurückging.  —  Auch  im  Bretterhandel  ist 
der  Umsatz  gegen  das  Vorjahr  erheblich  zurückgeblieben.  Die 
Aussichten  für  das  Berichtsjahr  erschienen  anfänglich  keineswegs 
ungünstig.  Die  Einfuhr  von  Rundholz  aus  Rußland  war  im  Jahre 
1912  gegen  das  Vorjahr  nicht  unwesentlich  geringer  gewesen  und 
man    rechnete    mit    einer    Knappheit    der    Wasserholzprodukte. 


157.    Holzhandel.  501 

Daraufhin  ließen  sich  bei  den  ersten  Abschlüssen,  die  von  Händlern 
in  Groß-Berlin  und  Mitteldeutschland  vollzogen  wurden,  in  ein- 
zelnen Dimensionen  geringe  Preisaufbesserungen  erzielen,  während 
in  der  Bretterware,  die  für  den  Baumarkt  in  Betracht  kommt, 
Preisreduktionen,  wenn  auch  nur  in  mäßigem  Umfange,  vorgenom- 
men wurden.  Trotz  der  schlechten  Lage  des  Baumarktes  blieben 
die  Preise  für  Balken,  Kanthölzer  und  Schalware  während  des 
ganzen  Jahres  im  wesentlichen  auf  der  gleichen  Höhe.  In  erster 
Linie  ist  dies  auf  die  geringe  Produktion  zurückzuführen,  anderer- 
seits hat  der  stetig  steigende  Preis  für  Eisenbahnschwellen  hier 
einen  Ausgleich  geschaffen.  Große  Mengen  der  in  den  preußischen 
Forsten  zum  Verkauf  gebrachten  Kundhölzer,  die  sonst  zum 
Bauholzschnitt  Verwendung  fanden,  wurden  zu  Schwellen  auf- 
gearbeitet, während  die  schwächeren  Dimensionen  zu  Kisten- 
brettern verarbeitet  wurden.  Hierdurch  wurde  eine  Ueberpro- 
duktion  in  Bauhölzern  verhindert,  und  der  Bedarf  in  Kisten- 
brettern, der  zeitweise  recht  erheblich  war,  konnte  hinreichend 
gedeckt  werden.  Auf  den  Borkholzmühlen  in  Ostdeutschland  ist 
das  Geschäft  recht  schleppend  gewesen.  Gefragt  waren  in  der 
Hauptsache  gute  Sortimente,  während  in  zweitklassiger  Stamm- 
ware namentlich  ß/4  Zoll  und  Fußbodenware  in  großen  Mengen 
unverkauft  zur  Schoberung  gelangt  sind.  Knappheit  herrschte 
nur  in  besserer  Ware,  wie  Memel  und  Tilsit  solche  auf  den  Markt 
bringen,  und  in  diesen  Artikeln  mußten  infolge  des  großen  Ab- 
satzes nach  England  und  dem  Ehein  höhere  Preise  angelegt  wer- 
den; in  allen  anderen  Artikeln  bewegten  sich  dagegen 
die  Preise  im  allgenieinen  auf  der  Höhe  des  Vorjahres.  Bei  allen 
Abschlüssen  machte  sich  auf  Seiten  der  Käufer  eine  starke  Zu- 
rückhaltung bemerkbar.  Während  in  früheren  Jahren  die  meisten 
Abschlüsse  bereits  im  Januar,  ja  sogar  schon  im  Dezember  getätigt 
waren,  wurden  die  meisten  Einkäufe  in  diesem  Jahre  erst  im 
März  resp.  April  vorgenommen,  und  den  Zeitverhältnissen  ent- 
sprechend, waren  die  Abschlüsse  erheblich  kleiner  als  in  anderen 
Jahren.  Die  drückende  Höhe  des  Bankdiskonts  und  andererseits 
die  Bestrebungen,  das  Risiko  herabzusetzen,  gaben  vor  allem 
hierzu  die  Veranlassung.  Der  Zusammenschluß  der  Berliner 
Platzholzhandlungen  des  Bretterhandels,  auf  den  im  vorjährigen 
Bericht  bereits  hingewiesen  wurde,  ist  im  Frühjahr  erfolgt  und  die 
Vereinigung,  der  die  meisten  Firmen  beigetreten  sind,  hat  es  sich 
zur  Aufgabe  gemacht,  vor  allem  der  planlosen  Kreditgewährung 
entgegenzutreten.  Als  besonders  erschwerend  für  den  Platzholz- 
handel wurde  die  stetig  zunehmende  direkte  Verbindung  der  Säge- 
werke mit  den  Konsumenten  empfunden,  und  es  sind  Bestrebungen 
im  Gange,  diesem  direkten  Verkehr  zu  steuern.  Der  Verkauf  von 
Kistenbrettern  ist  dem  Berliner  Platzholzhandel  durch  die  direk- 
ten Abschlüsse  beinahe  unmöglich  gemacht  worden,  denn  diese 
Bretter   werden   heute   den   Konsumenten   zu   Preisen   angeboten. 


502 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Arbeiter- 
Verhältnisse. 


Möbelljranche. 


Kisten- 
fabrikation. 


Bau- 
tischlereien. 


Pianoforte- 
branche. 


die  dem  Platzholzhandel  jede  Möglichkeit  nehmen,  sich  mit  diesem 
Artikel  weiterhin  zu  befassen.  Wie  sich  der  Holzhandel  im  neuen 
Jahre  gestalten  wird,  liängt  im  wesentlichen  von  der  Lage  des 
Geldmarktes  ab.  Die  Aussichten  für  das  Baugeschäft  sind  etwas 
besser  geworden;  immerhin  rechnet  man  auch  für  1914  nur  mit 
einem  schleppenden  Geschäftsgang.  Die  auf  der  Weichsel  und  dem 
Memelstrom  eingegangenen  Rundhölzer  sind,  soweit  es  sich  nicht 
um  minderwertige  Partien  handelt,  zum  größten  Teil  verkauft 
worden;  im  Weichselgebiet  sind  die  Preise  nur  etwas  herunter- 
gegangen. Die  Bedingungen  für  eine  wesentliche  Ermäßigung  für 
Schnittmaterial  sind  somit  nicht  gegeben.  Die  ersten  Termine  in 
unsern  fiskalischen  Forsten  haben  ebenfalls  einen  Preisrückgang 
gezeitigt;  zu  der  Absatzmöglichkeit  stehen  diese  Rückgänge 
aber  noch  nicht  im  richtigen  Verhältnis.  Wenn  das  Baugeschäft 
nicht  lebhafter  wird,  ist  anzunehmen,  daß  die  Holzpreise  eher 
weiter  zurückgehen  als  anziehen  werden,  zumal  in  der  gesamten 
Industrie  mit  rückgängiger  Konjunktur  gerechnet  wird. 

Bei  der  allgemeinen  Geschäftsstelle  ist  an  Arbeitern  kein 
Mangel  gewesen,  in  den  Lohnverhältnissen  ist  eine  Aenderung 
daher  nicht  eingetreten. 

In  der  Möbelbrajiche  war  die  Beschäftigung  in  den  ersten 
Monaten  lebhaft;  mit  Rücksicht  auf  die  drohende  Aussperrung 
wurde  die  Arbeit  forciert,  doch  erfolgte  nach  definitiver  Erledi- 
gung der  Lohnstreitigkeiten  ein  merklicher  Rüokschlag,  so  daß  viel 
fertige  Ware  auf  Lager  genommen  werden  mußte.  In  den  Preisen 
der  für  die  Anfertigung  von  Möbeln  benötigten  Bretter  ist  eine 
Aenderung  gegen  das  Vorjahr  nicht  eingetreten. 

Die  Kistenfabriken  haben  gute  Beschäftigung  gehabt,  in 
trockener  Brettware  hat  im  Frühjahr  Knappheit  geherrscht,  der 
weitaus  größte  Teil  des  Bedarfs  an  Kistenbrettern  wird  jetzt 
auf  direktem  Wege  von  den  auswärtigen  Mühlen  ^geliefert,  so 
daß  auf  hiesigen  .Holzplätzen  Kistenbretter  nur  noch  in  geringen 
Mengen  gelagert  werden. 

Der  Beda^rf  der  Bautischlereien  ist  mit  Rücksicht  auf  die 
geringe  Bautätigkeit  sehr  gering  gewesen.  Gefragt  wurden  in 
der  Hauptsache  Stammbretter  I.  Klasse,  die  für  behördliche  Bau- 
ten Verwendung  finden,  während  ^/4  Zoll  Stammbretter  II.  Klasse 
die  bei  reger  Bautätigkeit  gern  gekauft  wurden,  stark  vernach- 
lässigt waren. 

In  der  Pianofortebranche  ist  zu  Beginn  des  Jahres  viel  zu 
tun  gewesen,  der  Sommer  aber  brachte  eine  sehr  lange  geschäfts^ 
lose  Zeit;  erst  im  Hjerbst  stieg  der  Bedarf.  Er  blieb  aber  eben- 
falls hinter  dem  Bedarf  anderer  Jahre  zurück.  Leider  läßt  die 
Zahlungsweise  in  dieser  Branche  immer  noch  viel  zu  \vünschen 
übrig.  Die  Fabrikanten  geben  ihren  Abnehmern  vielfach  ein 
übermäßig  langes  Ziel  und  suchen  gern  ihre  langfristigen  Wechsel 
bei  den  Holzhändlem  unterzubringen. 


157.    Holzhandel. 


503 


Der  gelinde  AVinter  1912/13  hatte  in  Rußland  die  Holzausfuhr 
anfänglich  wenig  begünstigt.  Obwohl  der  "Weichselmarkt  im 
Herbst  1912  schon  nicht  befriedigende  Preise  für  Rundholz  ge- 
bracht hatte,  wurden  auf  den  ersten  Terminen  in  Rußland  hohe 
Preise  gezahlt.  Der  Mitte  Januar  einsetzende  Prost  ermöglichte 
in  allen  Gebieten  eine  gute  lAnfuhr.  Bei  den  deutschen  Abnehmern 
fehlte  aber  die  Kauflust,  so  daß  auf  den  Ablagen  höchstens  halb 
so  yiel  Rundholz  verkauft  wurde  als  in  anderen  Jahren.  Die 
Flößereiverhältnisse  waren  anfänglich  sehr  gut,  es  dürfte  in  diesem 
Jahre  nur  wenig  Holz  in  Rußland  überwintern.  Im  Laufe  des 
Sommers  störte  und  verteuerte  Hochwasser  mehrfach  die  Flößerei. 
Innerhalb  vier  "Wochen  wurde  auf  der  Weichsel  dreimal  Hoch- 
wasser gemeldet  und  zeitweise  ruhte  die  Flößerei  daher  voll- 
ständig. Das  Geschäft  setzte  erst  im  Herbst  ein  und  die  Preise 
der  Hölzer  wichen  um  ca.  6 — 8  Pf.  pro  Kub'ikfuß.  Für  geringe 
Hölzer  bestand  wenig  Meinung;  hiervon  ist  ein  größerer  Teil 
unverkauft  in  den  Hafen  gegangen,  doch  sind  diese  Bestände 
nicht  größer  als  gewöhnlich.  Auf  Idem  Memelstrom  war  die 
Zufuhr  in  kliefemen  Rundliölzem  nur  'knapp  und  es  wurden  Preise 
bezahlt,  die  die  vorjahrigen  noch  übertrafein;  namentlich  Tannen 
erzielten  recht  hohe  Prdise. 

Die  Abschlüsse  der  Platzholzhändler  auf  den  Mühlen  wurden 
erheblich  später  getätigt  als  in  andern  Jahren  und.  in  bedeutend 
kleinerem  Umfange.  Bis  auf  ^U  Zoll  Stammbretter  I.  Klasse, 
die  eine  kleine  Preissteigerung  erfuhren,  bewegten  sich  die  Preisje 
auf  der  Basis'  des  Vorjahres);  besonders  wurde  I.  Klasse  gefragt, 
während  sich  in  Zopfware  die  Nachfrage  namentlich  nach  II.  Klasse 
bemerkbar  machte.  Schwer  unterzubringen  waren  ^/^  Zoll  Stamm  - 
bretter  II.  Klasse  und  Fußbodenbretter.  Die  Einschnitte  waren 
auf  allen  Mühlen  kleiner  als  in  andern  Jahren  und  waren  meist 
im  Juli  beendet.  Bis  auf  verhältnismäßig  kleine  Bestände,  die 
zumeist  aus  Fußbodenware  und  sonstiger  II.  Klasse  Stammware 
bestehen,  sind  die  Einschnitte  zum  größten  Teile  verkauft  worden. 
Knapp  sind  ^/^  und  Vi  Zoll  Mittelenden  in  erstklassiger  Sor- 
tierung. 

Die  Borkholzmiühlen  hatten  zu  Beginn  der  Schneidefperiode 
iafolge  des  gelinden  "Winters  mit  schlechten  Fuhrverhältnissen 
zu  kämpfen;  die  Einschnitte  verzögerten  sich  daher  im  allge- 
meinen. Infolge  des  schleppenden  Geschäftsganges  in  Berlin  und 
in  der  Provinz  ließ  man  sich  Zeit  zu  den  Abschlüssen,  die  ebenfalls' 
bedeutend  kleiner  ausfielen  als  in  anderen  Jahren.  Auch  hier 
herrschte  Vorliebe  für  Stammware  I.  Klasse,  wahrend  Zopfware 
weniger  hegehrt  war.  Knappheit  herrschte  in  Vi  ^oH  Stamm  - 
wäre  I.  Klasse  und  guten  Stammbohlen.  Im  Juli  setzte  eine 
Regenperiode  ein  und  bei  späteren  Abladungen  wurde  viel  über 
Bläue  geklagt.  Die  Preise  bewegten  sich,  ini  allgemeinen  auf 
der  Höhe  des  Vorjahres.    Erst  bei  späteren  Abschlüssen  wurden 


504 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Laubholz. 


Fußboden- 
bretter. 


Astreine  Seiten. 


Balken. 


Kantholz 


Schwellen. 


Schalbretter 


in  dieser  Beziehung-  Konzessionen  g^emacht,  nennenswert  war  der 
Preisabschlag  jedoch  nur  in  ^U  ^oH  Stammbrettern  II.  Klasse 
und  in  Fußbodenware ;  von  diesen  sind  größere  Posten  unverkauft 
zur  Schoberung  gelangt. 

Erle  war  in  II.  Klasse  sehr  begehrt,  während  I.  Klasse  schwer 
unterzubringen  war.  Die  Schälfabriken  in  Eußland  haben  die 
Preise  für  Erlen  gewaltig  in  die  Höhe  getrieben,  das  zum  Import 
gelangende  Material  ist  meist  nur  minderwertig.  In  Eiche  war  «das 
Geschäft  lebhaft,  das  gute  Material  ist  andauernid  knapp  und 
bei  hohen  Preisen  begehrt. 

Die  Produktion  von  Fußbodenbrettern  ist  nach  Möglichkeit 
eingeschränkt  worden,  doch  war  nicht  zu  verhindern,  daß  das 
Angebot  die  Nachfrage  erheblich  übertraf.  Bei  der  Geschäfts- 
stille, die  nicht  nur  in  Berlin,  sondern  auch  in  der  OProivinz  im! 
Baugeschäft  herrschte,  waren  die  Läger  auf  allen  Holzplätzen 
mit  alter  ^Vare  genügend  versehen  und  der  Einkauf  wurde  auf  'das 
notwendigste  beschränkt.  So  kam  es,  daß  große  Posten  zur 
Schoberung  gelangt  sinid  .  Die  Preise  sind  um  3 — 4  Mk.  per  Kubik- 
meter gewichen;  da  die  Einfuhr  aus  Kußland  in  Rtindhölzern, 
die  zu  Fußboden  geeignet  sind,  in  diesem  Jahre  aber  sehr  gering 
war,  rechnet  man  mit  einer  Stabilität  der  Preise. 

In  Leistenbrettern  war  der  Bedarf  recht  re^e,  obwohl  die 
Fabriken,  welche  'Bauleisten  fabrizieren,  bedeutend  weniger  be- 
zogen "haben  als  sonst;  die  'Gold-Eohleistenfabriken  verarbeiteten 
sehr  erhebliche  Mengen  ^treine  Seiten,  da  der  Export  in  ihren 
Produkten  mit  jedem  Jahre  wächst. 

Die  Produktion  von  Balken  ist  erheblich  eingeschränkt 
worden,  &o  daß  trotz  des  geringen  Absatzes  nirgends  große  Be- 
stände vorhanden  sind.  Man  war  überall  bestrebt,  die  sonst  zum 
Balkenschnitt  geeigneten  Hölzer  anderweitig  zu  verwerten.  Große 
(Mengen  derartiger  Hölzer  wurden  zu  Bohlen  für  den  Bau  der 
Untergrundbahn  verwandt.  Trotz  der  geringen  Umsätze  blieben 
die  Balkenpreise  während  des  ganzen  Jahres  fest;  sie  schwankten 
je  nach  Liste  zwischen  46 — 48  Mk.  pro  Kubikmeter. 

Kief.  Kantholz  war  in  genügender  Menge  vorhanden,  aber 
auch  hierbei  'ist  trotz  der  geringen  Bautätigkeit  ein  Preisdrcuk. 
nicht  erfolgt.  Der  Preis  stellte  sich  je  nach  Liste  zwischen 
36  und  '37  Mk.  pro  Kubikmeter. 

Das  Schwellengeschäft  war  recht  lebhaft.  Die  Staatsbahnen 
hatten  erhebliche  Mengen  angefordert  und  die  Preise  haben  eine 
stetige  Aufwärtsbewegung  zu  verzeichnen  gehabt.  Erst  die  aller- 
letzten Termine  brachten  einen  geringen  Rückgang,  der  mit  dem 
Bückgang  der  Rundholzpreise  auf  den  ersten  Terminen  in  den 
Königlichen  Forsten  'begründet  wird. 

In  allen  'Stärken  war  das  Angebot  au  Schalbrettern  reichlich 
Und  die  Preise  waren  gegen  1912  wenig  verändert.    Konsumlw^are 


157.    Holzhandel. 


505 


Schwedische 

und  nordische 

Hobelware. 


war  "dagegen  verhältnismäßig  knapp  und  erzielte  höhere  Preise 
als  im  Vorjahre. 

Aus   dem   Vorjahre  waren   an   Staaten   ganz   erhebliche   Be-  staaken. 

stände  auf  den  Mühlen  angesammelt,  und  die  Preise  hatten  einen 
Stand  erreicht,  der  kaum  die  Arbeitskosten  gegenüber  der  Ver- 
wendung als  Brennholz  deckte.  Dieser  niedrige  Preis  veranlaßte 
die  Holzstoffabriken,  Staaken  zu  kaufen,  und  der  Preis  konnte 
sich  daraufhin  etwas  heben ;  immerhin  sind  die  Bestände  noch 
recht  erheblich. 

Der  Bedarf  in  schwedischer,  resp.  nordischer  Hobelware  ist 
in  ständiger  Zunahme  geblieben ;  allerdings  fehlte  in  dem  Jahre 
der  g-roße  Absatz  im  Baugeschäf't.  Die  Preise  sind  infolge  der 
großen  Bezüge,  welche  England  und  Frankreich  in  dieser  Ware 
machen,  wiederum  gestiegen  und  auch  für  die  Zukunft  ist  hier- 
bei mit  weiterer  Preissteigerung  zu  rechinen,  da  in  den  Pro- 
duktionsgebieten die  Bestände  vollständig  geräumt  sind.  Der  Be- 
darf in  Deutschjland  ist  für  die  Preisbestimmung  dieser  Ware 
belanglos. 

In  Mauerlatten  war  der  Umsatz  recht  klein.  Von  Piga,  Mauerlatten, 
das  sonst  ganz  erhebliche  Posten  nach  Deutschland  leinführte, 
kamen  nur  wenige  Ladungen.  Die  zu  M*auerlatten  geeigneten 
Hölzer  fanden  als  Timber  u.  Sleeper  eine  bessere  Verwiendun.g' 
nach  England  und  die  geringe  Einfuhr  nach  Deutschland  hin- 
derte so  'den  sonst  erwarteten  Preisdruck.  Die  Bestände  in  Liepe 
waren  ebenfalls  nicht  groß,  und  so  hielten  sich  die  Preise  auf 
normaler  Höhe. 

Kahnraum  war  zu  jeder  Zeit  genügend  vorhanden,  und  die  Fraciiten. 

Erachten  waren  normal.  Besonders  niedrig  stellten  sich  die  Frach- 
ten auf  der  Oder;  erst  zum  Herbst  trat  wie  gewöhnlich  eine 
Preissteigerung  der  Frachtsätze  ein.  Die  direkte  Kahnabladung 
von  Königsberg  und  Tilsit  hat  von  Jahr  zu  Jahr  zugenommen 
und  wird,  obwohl  die  Kahne  viele  Wochen  unterwegs  sind,  gern 
bevorzugt,  weil  bei  der  Umladung  in  Stettin  die  Behandlung 
der  Ware  oft  zu  wünschen  übrig  läßt.  —  Die  Bahnabladungen 
gingen  glatt  vonstatten.  Waggons  waren  reichlich  vorhanden, 
bemerkenswert  war  die  erheblich  bessere  Ausnutzung  der  vollen 
Tragfähigkeit  der  'AVaggons,  herbeigeführt  durch  die  Prämie, 
welche  die  Eisenbahnverwaltung  bei  voller  Ausnutzung  gewährt. 


c)    Brennholz. 

Wieder  wie  in  den  vorhergegangenen  Jahren  erzielten  bei 
Beginn  der  Einkaufsperiode  Anfang  des  Jahres  1913  gute  Schlag- 
hölzer, zum  Schälen  geeignet,  hohe  Preise,  die  je  nach  der  Qualität 
mehr  oder  weniger  über  die  Taxen  der  Eegierung  gingen.  Es 
wurde  aber  von  den  Einkäufern  doch  nicht  so  wahllos  wild 
geboten,  wie  im  Jahre  vorher,  da  die  allgemeine  Geldknappheit 
und  der  teure  Geldstand  wohl  zur  Zurückhaltung  mahnten  und 


Brennholz. 


Kiefernklotaen. 


506 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Kiefemspalt 
und  Reiser. 


Buchenkloben. 


Birkenkloben 


Erlenkloben, 


Löhne, 
Frachten. 


auch  das  Bestreben  vorlag,  sich  auf  keinen  Fall  zuviel  teure  Ware 
anzukaufen.  Später  gingen  mit  dem  Nachlassen  des  Bedarfs  auch 
für  Schlaghölzer  guter  Qualität  die  Preise  im  Einkauf  zurück. 
Für  die  zeitig  zum  Verkauf  gelangenden  geringeren  Totalitäts- 
hölzer wurden  den  Taxen  der  Regierung  einigermaßen  .  ent- 
sprechende Preise  bezahlt,  und  die  Regierung  verkaufte  auch  diese 
Hölzer,  gewitzigt  durch  die  schlechten  Erfahrungen  des  Vor- 
jahres, bei  kleineren  Unterbietungen  der  Taxen  sofort  in  dem 
ersten  Termin.  Im  Vorjahr  dagegen  wurden  die  Totalitätshölzer 
bei  nicht  erreichten  Taxen  zuerst  nicht  verkauft  und  erzielten 
dann  bei  späterem  Angebot  geringere  Preise.  Für  die  geringen 
Qualitäten  waren  1913  in  Veiten  zur  Kachelfabrikation  fast  gar 
keine  Abnehmer,  am  wenigsten  aber  solvente  vorhanden,  da 
der  (Berliner  Baumarkt  fast  ganz  aussetzte  und  nur,  geringe  Mengen 
abgenommen  wurden.  Von  Schwammhieben  kamen  nur  noch  geringe 
Mengen  zum  Verkauf,  da  diese  Aushiebe  bald  beendigt  sind. 

Kiefemspalt  und  Reiser  erzielten  trotz  der  scharfen  Auf- 
arbeitung von  Grubenhölzern,  die  vor  dem  Einschlag  im  Sub- 
missionsverfahren hohe  Preise  brachten,  im  Einkauf  nur  die 
Taxen  der  Regierung  und  wurden  später  zu  Untertaxen  verkauft. 
Buchenkloben  waren  im  Einkauf  hoch  im  Preise,  d!a  dieses 
Material  in  vielen  Oberförstereien  freihändig  vor  dem  Einschlag 
mit  Genehmigung  der  Regierung  zu  annehmbaren  Preisen  von  den 
Holzessig  usw.  produzierenden  Fabriken  aufgekauft  wurde.  Im 
Vorjahre  hatten  Buchenkloben  für  Brennholzzwecke  zwar  schon 
den  tiefsten  Stand  von  1911  im  Einkauf  überschritten,  doch  zögerte 
die  Regierung  mit  der  Annahme  der  freihändigen  Offerten,  die 
über  den  Taxen  der  Regierung  lagen,  nicht.  Auch  ästiges  Lang- 
holzmaterial, das  sonst  als  Brennholz  aufgearbeitet  wurde,  war 
von  Nutzholzhändlem  begehrt.  Der  geringe  Rest  des  Angebots 
in  Buchenkloben  brachte,  wie  oben  erwähnt,  der  Regierung  daher 
hohe  Preise. 

Birkenkloben  zeigten  als  hartes  Holz  (Ersatz  für  Buchen) 
auch  höhere  Preise  im  Einkauf,  doch  nur  für  gute  \Vare,  während 
geringes  Material  in  der  späteren  Einkaufsperiode  der  Qualität 
entsprechend  billig  verkauft  wurde. 

Erlenkloben  waren  des  geringen  Bedarfs  wegen  wenig  begelirt 
und  wurden  meist  zu  Taxpreisen  verkauft.  Das  Angebot  in  diesem 
Material  war  auch  nicht  groß,  da  in  den  Erlenbrüchen  kein  Eis 
war  und  daher  nicht  geschlagen  werden  konnte. 

Löhne  für  Anfuhr,  Schälen  und  Spalten  hielten  sich  auf 
gleicher  Höhe  wie  im  Vorjahr.  Arbeitskräfte  waren  genügend 
vorhanden.  Die  Verladung  von  Bahnwagen  ging  glatt  vonstatten, 
da  jede  Anzahl  von  leeren  Waggons  prompt  gestellt  wurde.  Die 
Kahnfrachten  waren  so  niedrig,  wie  seit  langen  Jahren  nicht,  und 
es  machte  sich  ein  dringendes  Angebot  von  Kahnräumen,  nament- 


157.    Holzhandel. 


507 


lieh   von   Seiten    der   beschäftigungslosen   Mauersteinschiffer   be- 
merkbar. 

lieber  die  Berliner  Brennholzpreise  im  Jahre  1913  unterrichtet 
folgende  Tabelle: 

Tab.  142.  Preise  für  Brennholz  in  Berlin. 

Kiefernkloben  I,  geschält M.  7,75-8,50 

„  I,  Borkholz „    6,75—7,50 

Kiefemspalt „    5,25—5,75 

Kiefernreis  I „    4, 4,50 

pro  Meter  franko  Berliner  und  Vorortbahnhöfen. 

Kiefernkloben  I,  geschält M.  7,25—8,— 

„  I,  Borkholz „    6,25—7,— 

Kiefernspalt „    5, 5,25 

Kiefernreis  I,  in  Beiladung „'    3,75—4,25 

pro  Meter  franko  Wasser-Ausladestelle  Berlin  und  Umgegend. 

Buchenkloben  I M.  8,50—9,— 

Birkenkloben  I 7, 7,50 

.  Erlenkloben  I „    7,75—8,25 

pro  Meter  franko  Berliner  und  Vorortbahnhöfen. 

Birkenkloben  I M.  8, 8,50 

Birkenkloben  I ,     .     ,     .      „    6,75—7,— 

Erlenkloben  I,  in  Beiladung „     7,25—7,50 

pro  Meter  frei  Wasser- Ausladestelle  Berlin  und  Umgegend. 

Im  allgemeinen  hielten  sich  die  Verkaufspreise  für  Kiefern- 
ware in  allen  Sortimenten  für  Berlin  besser  als  im  Vorjahre,  da  sich 
wohl  die  Ueberzeugung  durchgesetzt  hatte,  daß  bei  sachgemäßer 
kaufmännischer  Kalkulation  und  den  steigenden  Unkosten  im 
günstigsten  Falle  im  Vorjahr  nichts  zu  verdienen  gewesen  war. 
Buchen-  und  Birkenkloben  brachten  bis  zum  Jahresschluß  infolge 
des  bis  dahin  milden  Winters  bei  den  gestiegenen  Einkaufspreisen 
nicht  den  nötigen  Verdienst.  Der  Nutzen  in  Erlenkloben  war  be- 
friedigend. Bei  vorsichtig  gehandhabten  Einkäufen  und  nicht 
übermäßigen  Zinslasten  kann  das  Jahr  1913  im  Nutzen  als  etwas 
besser  als  das  vorhergegangene  bezeichnet  werden. 


Preise. 


d)   Ausländische  Hölzer   und  Furniere. 

Der  auf  allen  Wirtschaftsgebieten  hervorgetretene  Rückschlag 
beeinflußte  auch  das  Berliner  Greschäft  mit  überseeischen  Höl- 
zern und  Furnieren  sehr  erheblidh.  Nicht  nur  das  völlige  Dar- 
niederliegen des  Baumarktes,  sondern  vor  allem  auch  der  außer- 
ordentliche Rückgang  in  der  Möbelindustrie  dezimierten  gerade- 
zu das  Greschäft  mit  diesen  Verbrauchern.  Nur  ganz  wenigen 
Fabriken  war  es  möglieh,  zeitweise  den  vollen  Betrieb  aufrecht 
zu  erhalten,  und  auch  die  Aussichten  für  das  Jalir  1914  werden 
als  r'echt  ungünstig  bezeichnet.  Demgegenüber  ist  die  Fest- 
sl^ellung  nicht  ohne  Belang,  daß  trotz  des  erheblich  verminderten 
G^eschäftes  die  Eohholzpreise  nicht  nur  fast  durchwegs  ihre  Höhe 
aus  der  ^.ufsteigenden  Konjunktur  behaupten  konnten,  sondern 
g'erade  gegen  Ende  des  Jajires  zeigte  sich  eine  derartige  Be- 
festigung  auf   fast   allen   Gebieten,    daß  jedenfalls   Verluste  der 


Sorten. 


508  X.     Holz    und    Holzwaren. 

Händler  an  üirem  Lagermaterial  nicht  angenommen  werden 
können.  Die  Ablader  der  Rohmaterialien  sowohl  in  Amerika  als 
auch  in  Afrika  haben  aus  den  früheren  Krisen  wenigstens  die 
Lehre  gezogen,  die  Märkte  zu  solchen  Zeiten  nicht  noch  mit 
übergroßen  "Mengen  von  Rohmaterialien  zu  überschwemmen,  und 
so  liam  es,  daß  nur  ganz  vorübergehiend  kleine  Preisreduktionen 
eintraten,  denen  jedoch  schnell  eine  durchgreifende  Erholung 
folgte. 
Einzelne  Von  den  Mahagoni  »orten  waren  Tabasoo-  und  Honduras- 

Provenienz  am  begehrtesten.  Die  Preise  haben  weiterhin  eine  Auf- 
besserung erfahren,  und  in  diesen  Materialien  konnte  zu  keiner 
Zeit  des  Jahres  irgend  eine  Abschwächung  festgestellt  werden. 
Von  den  afrikanischen  jl^iahagonisorten  war  Sapeli-Mahagoni  wei- 
tferhin  für  Berlin  das  gesuchteste  Material,  wenngleich  der  Ver- 
brauch —  wie  schon  im  Vorjahre  —  sehr  erheblich  zurückge- 
gangen ist.  Die  Preise  liegen  jedoch  dafür  fest  und  für  schmal 
gestreifte  Furniere  werden  andauernd  gute  Prfeise  bezahlt. 

Am'erikan.  Nußbaum,  das  an  und  für  sich  in  den  letzten 
Jahren  wieder  mehr  in  den  Verbrauch  gekommen  ist,  war  fast 
die  einzige  Holzsorte,  welche  nennengfwerte  Preisabschläge  er- 
fahren hat;  dies  ergab  sich  aus  den  reichlichen  Beständen,  'die 
in  das  Jahr  1913  übernommen  wurden.  Da  zeitweise  das  Gre- 
schäft  'auf  der  ganzen  Linie  stockte,  so  waren  in  diesem  Artikel 
Preisdifferenzen  J^is  zu  20 o/o  nach,  unten  w^ahmehmbar.  Gutes 
Purnierholz  bleibt  jedoch  nach  wie  vor  bei  vollen  Preisen  leb- 
haft 'begehrt,  und  der  Verbraucher  zahlt  selbst  jetzt  für  aus- 
gesuchtes Material   ansehnliche  Preise. 

Whitewood  war  nur  ganz  vorübergehend  unwesentlich  im 
Preise  geschwächt,  und  hat  sich  gegen  Ende  des  Jahres  wieder 
auf  (die  alten  hoh'en  Preise  erholt.  Der  Verbrauch  ist  geradje 
in  der  Pianofortefabrikation  andauernd  eher  als  steigend  zu  be- 
zeichnen. 'Für  erstklq^ssige  Abladungen  werden  andauernd  hohe 
Preise  bezahlt. 

Ostindisch  Jakaranda,  das  zu  Anfang  des  Jahres  im  Preise 
nachgelassen  hatte,  ist  gegen  Ende  des  Jahres  wieder  sehr  fest 
geworden.  Wenn  dieses  Holz  auch  gerade  für  den  Berliner  Markt 
nicht  von  so  erheblicher  Bedeutung  ist,  so  war  eö  dennoch  möglich, 
Massivholz  und  Furniere  laufend  zu  behaupteten  Preisen  abzu- 
setzen. 

Zedernholz  für  Bootsbauzwecke  war  während  des  ganzen 
Jahi'es  im  Preise  sehr  fest,  und  alle  Ankünfte  konnten  stets 
schlank  zu  guten  Preisen  begeben  werden. 

Okoume,  w'elches  das  Whit'ewood  schon  seit  einigen  Jahren 
zu  ersetzen  bemüht  ist,  wurde  in  größeren  Quanten  teils  auf 
Abschluß,  'teils  freihändig  in  Hamburg  herangebracht.  Die  un- 
verkauft herangebrachten  Partien  hatten  naturgemäß  unter  der 
rückgängigen  Konjunktur  im  Preise  erheblich  zu  leiden,  und  es 


t 


158.    Bautischlerei.  509 

waren  zeitweise  gewaltige  Preisrückgänge  in  diesem  Artikel  zu 
verzeichnen.  Dies  hat  sich  auch  in  dem  Berliner  Greschäi't  aus- 
g'edrückt,  indem  vielen  Verbrauchern  —  soweit  sie  potent  waren  — 
eine  günstige  Gelegenheit  geboten  wurde,  sich  in  diesem  schömeai 
Material  zji  ungewöhnlich  günstigen  Preisen  einzudecken.  Gregen 
Ende  'des  Jahres,  nachdem  die  Verschiffer  unverkaufte  Partien 
nur  noch  in  ganz  geringem  Umfange  abgeladen  hatten,  konnte 
daher  auch  diese  Holzart  profitieren,  und  die  Preise  nähern  sich 
langsam  den  gegen  Ende  1912  eingetretenen  hohen  Notierungen. 
Das  Greschäit  in  exotischen  Furnieren  war  im  abgelaufenen 
Jahre  recht  flott.  Die  Preise  hielten  sich  ungefähr  auf  der  Basis 
des   Vorjahres. 

158.    Bautischlerei. 

Die  Berliner  Bautischlerei  hat  unter  der  Krisis,  die  auch 
im  letzten  Geschäftsjahre  auf  dem  Berliner  Baumarkt  angehalten 
hat,  naturgemäß  sehr  zu  leiden  gehabt.  Die  Beschäftigung  war 
sehr  gering  und  die  Ausfälle  wurden  durch  die  Zahhmgseinstel^ 
lungen  der  Bauunternehmer  und  Baumeister  sehr  bedeutend.  Die 
Zahlungseinstellungen  wurden  vor  allem  dadurch  verursacht,  daß 
es  nicht  möglich  war,  Baukapital  zu  beschaffen,  und  so  konnten 
Neubauten  nicht  begonnen  werden.  Die  Grundstückseigentümer, 
die  auf  ihren  Grundstücken  eingetragene  und  fällig  gewordene 
Kapitalien  nicht  neu  beschaffen  konnten,  mußten  ihre  Zahlungen 
einstellen.  Dies  verursachte  diese  vielen  Zusammenbrüche,  wie 
sie  wohl  kaum  jemals  früher  auf  dem  Berliner  Grundstücksmark't 
dagewesen  sind.  Die  Folge  hiervon  war,  daß  auch  viele  Bau- 
tischlereien in  Berlin  durch  die  großen  Verluste  ruiniert  wurden. 
Die  Zahl  der  in  Berlin  arbeitenden  Bautischlereien  ist  hierdurch 
wesentlich  kleiner  geworden  und  diejenigen,  die  heute  noch  am 
AVerk  sind,  beschäftigen  auch  nicht  mehr  so  viel  Leute,  wie  in 
früheren  Zeiten.  Fast  ausschließlich  behördliche  Arbeit  gibt  der 
Berliner  Bautischlerei  noch  Beschäftigung,  abgesehen  von  einigen 
größeren  Bauten,  die  Industrie  und  Handel  für  sich  errichten. 

Die  allgemeine  Lage  der  Bautischlerei  wird  am  besten  dadurch 
charakterisiert,  daß  sich  bei  jeder  Submission  für  Bautischler- 
arbeiten große  Unterangebote  zeigen,  so  daß  es  den  Berliner  Bau- 
tischlereien nur  möglich  ist,  ihre  Werkstätten  zu  betreiben,  wenn 
sie  sehr  niedrige  Preise  verlangen.  Unter  diesen  Verhältnissen 
konnte  von  einem  nennenswerten  Verdienst  in  der  Bautischlerei 
in  dem  abgelaufenen  Geschäftsjahr  nicht  die  Rede  sein.  Eine 
Besserung  ist  erst  zu  erwarten,  wenn  auf  dem  Baumarkt  eine 
Belebung  eintritt. 

159.  Jalousiefabrikation. 

Der  Geschäftsgang  war  in  der  Jalousieindustrie  im  abgelaufe-  Absatz, 

nen  Geschäftsjahr  ungünstig.     Der  Bedarf  hat  gegen  die  beiden 


510 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Verkaufspreise 

und  Zu- 
sammenschluß. 


Zahlungsweise. 


Rohstoffpreise. 


Arbeiter. 


Aussichten. 


VorjaJire  bedeutend  nachgelassen,  so  daß  auch  die  Umsätze  sehr 
zui'ückgegangen  sind.  Die  Ursache  der  schlechten  Geschäftslage 
ist  in  den  ungünstigen  Verhältnissen  am  Baumarkt  zu  suchen. 
Die  Banken  haben  infolge  des  fehlenden  Absatzes  ihrer  Pfand- 
briefe die  -Gewährung  von  Hypotheken  sehr  einschränken  müssen. 
Die  Bautätigkeit  hat  deshalb  besonders  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Berichtsjahres  fast  ganz  geruht.  Aufträge  von  Behörden  lagen 
nur  in  geringer  Anzahl  vor.  Aus  dem  Auslande  sind  einzelne 
Bestellungen  eingegangen,  im  ganzen  war  der  Absatz  dorthin! 
ebenfalls   gering. 

Die  Verkaufspreise  für  Jalousien  waren  wegen  der  mißlichen 
Gesell  äfislage  sehr  gedrückt.  Die  ungünstigen  Verhältnisse  der 
Branchte  haben  einen  Teil  der  Jalousiefabrikanten  veranlaßt,  aufs 
neue  einen  Zusammenschluß  anzustreben.  Es  ist  auch  am  5.  Nov. 
1913  in  Düsseldorf  ein  Verband  deutscher  Jalousie-  und  Rolladen- 
fabrikanten gegründet  worden,  der  Mittel  zur  Hebung  der  Branche 
aufsuchien  soll. 

Die  Zahlungen  der  Kundsichaft  ließen  viel  zu  wünschen  übrig. 
Selbst  große  Baugeschäfte  haben  bei  der  Bestellung  vorsichts- 
halber ein  ungewöhnlich  langes  Ziel  ausbedungen.  Einige  an- 
gesehene Baufirmen  sind  in  Zahlungsschwierigkeiten  geraten  und 
Verluste  waren  selbst  bei  größter  Vorsicht  nicht  zu  vermeiden. 

Die  Preise  der  Rohstoffe  sind  teilweise  zurückgegangen. 
Kiefeme  erstklassige  Seitenbretter  wurden  am  Schlüsse  des  Jahresi 
etwas  billiger  angeboten.  Leinölfirnis  ist  im  Preise  gegen  das 
Vorjahr  bedeutend  gesimken.  Auch  französisches  Terpentinöl  ist 
billiger  geworden.  Leinen-  und  Hanfgurte  sowie  -Schnüre  haben 
dagegen  im  Preise  noch  etwas   angezogen. 

Die  Zabl  der  in  der  Branche  beschäftigten  Arbeit-er  war  ge- 
ringer als  in  den  letzten  Jahren.  Das  Angebot  an  Arbeitsikräften 
war  infolge  der  fehlenden  Bestellungen  sehr  groß.  Die  Löhne 
und  Akkordsätze,  die  zum  Teil  nodi'  durdh  Tarifverträge  ge- 
bunden sind,  haben  sich  bislang  auf  gleicher  Höhe  gehalten. 

Die  Aussichten  in  der  Branche  für  das  Jahr  1914  können  nicht 
als  günstig  bezeichnet  werden. 


Allgemeine 
Geschäftslage. 

Zimmermöbel. 
Erster  Bericht. 


160.  Möbelfabrikation  und  -handel. 

a)    Zimmermöbel. 

Erster  Bericht. 

Die  Ende  1912  eingetretene  Gesöhäftsstüle  setzte  sich  in  ver- 
stärktem Maße  im  neuen  Gesehiäfts jähre  fort,  ohne  daß  das  sonst 
belebende  Frühjahrsgeschäft  darin  eine  Aenderung  brachte.  Die 
unruhigen  politischen  Verhältnissie,  der  fast  das  ganze  Jahr  an- 
haltende hohe  Geldstand,  insbesondere  aber  die  schwierige  Lage 
des  Hypothlekenmarktes,  namentlich  für  zweite  Hypotheken,  der 
enorme  Zinsfuß  für  Baugelder  und  die  vollständige  Zerrüttung 


Engroshandel. 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel.  511 

des  Baumarktes  wirkten  naturgemäß  auf  das  mit  dem  Baumarkt 
so  innig  zusammienhängende  Möbel-  und  Einrichtung^gesöliäft  aufs 
ungünstigst^;  ein.  An  ein  regelmäßiges  Arbeiten  war  infolgedessen 
nicht  zu  denken  und  die  Betriebe  waren  größtenteils  nur  halb  be- 
sdhäitigt.  Ein.  Arbeiten  auf  Vorrat  ia  größerem  Umfange  verbot 
sich'  von  s^elböt,  so  daß  das  Ergebnis  des  Jahres  1913,  was  Um- 
satz und  Beschäftigung  anlangt,  wesentlich  schlechter  war,  als 
das  des  Jahres  1912. 

Das  für  das   Berichts! ahr   1912   über  den  Eneroshandel  mit  Möbel 

Möbeln  Gesagte  trifft   auch  für  das  Berichts'jahr  zu.    Auch  im 
Jahre  1918  hat  der  Möbel- Engroshandel  Berlias  keine  Belebung 
erfahren.    Beeinträ<ihtigt  wird  das  Engrosgesichäft  durch  die  Un- 
zahl von  Agenten  und  Reisenden,  die  die  Provüiz  überfluten  und 
häufig,  ohne  den  für  das  Gneschäft  notwendigen  regulären  Nutzen 
zu  nehmen,  lediglich  um  etwas  Umsatz  zu  erzielen,  mit  wenigen 
Prozenten  Aufschlag,  uid  ohne  die  allgemeinen  Geschäftsunkosten 
zu  berücksichtigen,  die  Möbel  verkaufen.  Jeder  kleine  und  kleinste 
Tischlermeister  fühlt  sich  veranlaßt,  nach  der  Provinz  Geschäfte 
durch  Agenten    zu    machen,    statt  sich  auf  das  reelle  Heimats- 
geschäft   zu    beschränken    und    den    Möbelh'ändlem    und    Gros^ 
sisten   Berlins  seine    Ware   zu   angemessenen  Preisen  zu   liefern. 
Daß  ein  solcher  Kleinmeister  den  Anforderungen  der  Kundschaft, 
was  Qualität,  Kredit  und  Lieferfrist  anlangt,  nicht  gewachsen  ist, 
ist    selbstverständlich   und    die   natürlichen    Folgen   dieser   Kon- 
kurrenz sind  Preisdrückereien  ohnegleichen,  QualitätS Verschlechte- 
rungen und  maßlose  Kreditgabe,  die  früher  gefehlt  hat,  so  lange 
das  Engrosges'chäf t  mit  der  Provinz  von  verhältnismfäßig  wenigen, 
dafür    kapitalkräftigen    und    leistungsfähigen  Hiänden    gemacht 
wurde,  die  auch  in  der  Lage  waren,  den  Uebergriffen  der  Kund- 
schaft energisch  entgegentreten  zu  können.    Krasser  als  auf  dem 
Berliner  Engros-Möbelmarkt  tritt  wohl  nirgends  die  ungünstige 
Wirkung  der  Ausschaltung  des  legitimen  Zwischenhandels  in  Er- 
scheinung.    Die  Fortschritte  der  süddeutschen  Konkurrenz  lassen 
sich  leicht  durch  das  sinngemäße,  planvollere  Vorgehen  der  dor- 
tigen Engroshändler  und  durch  das  fast  vollständige  Fehlen  jener 
Kleinkonkurrenz  erklären.     Naturgemäß  können  die  Möbel  auch 
qualitativ  besser  öein,  wenn  ein  ruhigeres  Arbeiten  in  größerem 
Maßstabe  unter  technischer  und  künstlerischer  Leitung  in  größe- 
ren  Betrieben    möglich    ist.    Nur   durch    unausgesetzte     Fertig- 
stellung neuer  Muster,  durch  die  kürzeren  Lieferzeiten  und  das 
Eingehen  auf  Extrawünsjche  der  Kunden,  wird  das  Engrosgeschäft 
in   Berlin  in   mittleren   Artikeln   noch  gehalten.    Größere   Läger 
in  verkaufsfähiger  Ware    waren,  weil  sie  sich  als  unlohnend  ge- 
zeigt haben,  im   Berichtsjahre  nicht  vorhanden,  nur  in  Spezial- 
artikeln,  wie  Schlafzimmern,  Herrenzimmern  und  Speisezimmern, 
Salons  mittlerer  Preislage,   konnte  etwas  auf  Vorrat  .gearbeitet 
werden.  —  Das  ungünstige  Verhältnis  zwischen  Fabrikanten  und 


512 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Tischlermeistern  einerseits  Tind  Möbelhändlem  andererseits  hat 
sich  audh  im  Beiichtsjahre  nicht  geändert.  D'er  dadurch  ent- 
stehende Schaden  wird  mit  der  Länge  der  Zeit  immer  größer 
und  zwar  meistens  zum  Schaden  der  mittleren  Möbelhändler,  die 
sich  durch  den  Boykott  der  Tischlermeister  und  Fabrikanten  eine 
schwer  zu  überwindende  Konkurrenz  heranziehen,  die  ihnen  durch 
billigen  direkten  Verkauf  an  das  Privatpublikum,  gerade  in  mitt- 
lerer Ware,  je  länger,  desto  mehr  zu  schaffen  geben  werden. 
Am  Ende  des  Berichtsjahres  waren  erneut  Bestrebungen  im  Gange, 
um  dieses  Verhältnis  zu  bessern,  ohne  daß  aber  bis  zum  Ab- 
schluß dieses  Berichtes  greifbare  Besultate  erzielt  worden  sind. 
Die  Organisationen  sowohl  auf  selten  der  Fabrikanten  und  Gros- 
.  sisten  wie  auf  selten  der  Händler  haben  sich  weiter  ausgedehnt. 
Es  ist  zu  hoffen,  daß  es  den  einsichtigen  Männern  an  der  Spitze 
gelingt,  bald  die  für  eine  Gesundung  des  Gesichäftes  so  not- 
wendige Beruhigung  zu  schaffen. 

Konkurse  Konkurse  kamen  im  abgelaufenen  Jahre  in  der  Möbelbranche 

nicht  übermäßig  oft  vor,  doch  hat  die  Zahl  außergerichtlicher 
Vergleiche  usw.  zugenommen.  Auffallend  war,  daß  viele  alte 
Möbelgeschäfte  mit  gutem  Namen  in  der  Provinz  ihre  Zahlungen 
einstellen  mußten.  Als  Grund  dafür  wird  angegeben,  daß  einer- 
seits die  Vorräte  fest  liegen  und  fast  jedes  Stück  extra  ange- 
fertigt werden  muß,  und  daß  andererseits  die  Privatkundschaft 
infolge  des  Sinkens  der  Wertpapiere  ihren  Zahlungsverpflich- 
tungen nicht  so  prompt  nachkom;men  konnte,  uni  den  Möbel- 
händlem die  regelmäßige  Bteckung  ihrer  Verpflichtungen  zu  er- 
mögliöhen.  Da  zum  Möbelgeschäft  sehr  große  Bäume  gehören^ 
die  vielfach  in  eigenen  Häusern  sich  befinden,  mag  auch  die 
Schwierigkeit  der  Hyptheokenbeschaffung  bei  den  Zahlungsein- 
stellungen eine  Rolle   gespielt  haben. 

In  einer  großen  Anzahl  von  Städten,  darunter  auch  in  Berlin, 
waren  die  Arbeiterverträge  abgelaufen.  Langwierige  Verhand- 
lungen und  bedeutende  Opfer  waren  nötig,  um  den  nahegerückten 
Streik  resp.  die  Arbeiteraussperrungen  zu  verhindern.  Die  den 
Arbeitern  bewilligten  Zuschläge  sind  sehr  erheblich,  und  bei  der 
niedergehenden  Konjunktur  war  es  nicht  möglich,  die  notwendigen 
Auf  schlage  auf  die  fertige  Ware  durchzusetzen.  Nur  zwei  Punkte 
sind  erfreulicherweise  bei  der  Ordnung  der  Verträge  geregelt 
worden ;  der  eine  ist  die  Einteilung  Deutschlands  in  zwei  Gebiete, 
in  denen  gleichmäßig  die  Arbeitsverträge  im  Februar  der  zwei 
Jahre  auseinanderliegenden  Perioden  ablaufen.  Der  zweite  Punkt 
ist  die  Regelung  des  paritätischen  Arbeitsnachweises,  die  sowohl 
für  den  Arbeitgeber  als  wie  für  den  leistungsfähigen  tüchtigen 
Arbeiter  wesentliche  Vorzüge  erhalten  hat. 

Detailgeschäft.  Im    Gegensatz   zu   dem   oben   geschilderten   Niedergang   des 

Engrosgeschäfts,   befindet  sich   das   Berliner  Möbeldetailgeschäft 


Arbeiter- 
verhältnisse 


160.    Möbelfabrikation  und    -handel.  513 

weiter  in  aufsteigender  Bahn.  Auch  hierbei  muß  freilich  ein 
Unterschied  gemacht  werden,  und  kann  für  das  Berichtsjahr 
konstatiert  werden,  daß  diejenigen  Firmen,  die  feine  und  feinste 
Möbel  fabrizieren,  durchschnittlich  gut  beschäftigt  waren,  wäh- 
rend diejenigen,  die  Möbel  mittlerer  Qualität  und  mehr  für  die 
große  Masse  des  Bürgerstandes  arbeiten,  nicht  so  guten  Umsatz 
erzielt  haben.  Gerade  in  diesem  Mittelgenre  ist  die  Konkurrenz 
noch  viel  schärfer  geworden  und  die  Preise  werden  dadurch  dauernd 
gedrückt.  Auch  macht  sich  hierbei,  wie  schon  erwähnt,  die  Kon- 
kurrenz der  Fabrikanten  und  Tischler  sehr  fühlbar,  die  bei  der 
ersten  Gruppe  nicht  in  Betracht  kommen  kann.  Es  muß  hervor- 
gehoben werden,  daß  auch  weiter  die  Qualität  der  für  den  Detail- 
verkauf Ijenötigten  Möbel  und  Einrichtungsgegenstände  siöh  we- 
sentlich gehoben  hat.  Die  Formen  sind  edler,  die  Linien  ruhiger, 
die  Holztönungen  matter,  die  Ausführung  schwerer  geworden. 
Wie  bereits  im  vorigen  Bericht  erwähnt,  werden  die  Ansprüche 
der  Kundschaft  immer  größer.  Der  Durchschnittspreis,  der  für 
Einrichtungen  ausgegeben  wird,  hat  sich  gegen  das  Vorjahr  kaum 
verändert,  doch  ist  immer  wieder  eine  nach  oben  steigende  Tendenz 
zu  konstatieren. 

Infolge  der  zunehmenden  Neigung  nach  Stilmöbeln  sind  Um-  StiL 

bauten  und  Einbauten  mehr  und  mehr  verschwunden ;  die  Möblie- 
rung ist  im  allgemeinen  beweglicher  geworden  als  früher,  und 
die  Möbel  werden  in  einzelnen  interessanten  Gruppierungen  in 
den  Zimmern  untergebracht,  unter  häufiger  Verwendung  von 
Kaminen.  Diese  Art  der  Möblierung  bedingt  eine  wesentlich 
reichere  Ausstattung  der  Wände  durch  Stoff-  und  Holzteilungen, 
Tapeten  in  Feldern  mit  Leisten teilungen  und  dergleichen.  Mit  dem 
fortschreitenden  Luxus,  der  trotz  der  niederliegenden  Konjunktur 
beobachtet  werden  konnte  und  mit  dem  Zuwenden  des  Publikums 
zu  üppigeren  Formen,  hängt  auch  zusammen,  daß  die  sogenannten 
Kunstwerkstätten,  bei  denen  ein  oder  mehrelie  Künstler  da^  ent- 
scheidende Wort  zu  sprechen  haben,  nicht  so  reüssiert  haben,  wie 
kaufmännisch  geleitete  Geschäfte,  die  sich  schneller  den  Bedürf- 
nissen des  Publikums  anpassen.  Es  zeigt  sich  doch,  daß  der 
Künstler  stets  mehr  oder  weniger  ein  Motiv  immer  wieder  an-, 
wendet,  und  daß  diese,  wenn  auch  künstlerisch  einwandfreie 
Einseitigkeit  beim  Publikum  auf  die  Dauer  keinen  Anklang  findet. 
Dazu  kommen  wohl  noch  die  hohen  Künstlertantiemen,  die  auf 
solchen  Geschäften  ruhen,  und  so  ist  es  wohl  zu  erklären,  daß  der- 
artige Geschäfte,  trotz;großer  Reklame  und  trotzdem  die  Zeitungen 
viel  von  ihnen  berichten,  finanzielle  Erfolge  nicht  aufzuweisen 
hahen.  Es  muß  dieses  erwähnt  werden,  gerade  weil  derartige 
Werkstätten  die  Press©  immer  für  sich  haben,  während  es  dem 
Gewerbetreibenden  nicht  leicht  wird,  ohne  bezahlte  Inserate  in 
den  Tageszeitungen  seine  Arbeiten  besprochen  zu  sehen. 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  33 


14 


X.     Holz    und    Holzwaren. 


Hotel- 

uad  öffentliche 

Bauten. 


Submissionen 


Die  bereits  im  vorjährigen  Bericht  vorausgesagte  Rückkehr 
zum  Stil  ist  eingetreten.  Feine  und  Luxusein r ich tungen  werden  fast 
ausschließlich  in  historischen  Stilarten  gefertigt,  freilich  immer 
den  modernen  Wohnungsverhältnissen  angepaßt;  Louis  XVI., 
italienische  Renaissance,  hauptsächlich  altenglLsch  und  englischer 
Landhausstil,  werden  verlangt.  Dagegen  sind  Gotisch,  Flämisch 
und  Eokoko  nicht  beliebt.  Bei  Einrichtungen  mittlerer  und  ein- 
facherer Art  werden  moderne  Formen  auch  jetzt  noch  bevorzugt, 
doch  auch  hierbei  sind  im  Berichtsjahre  reichere  Schnitzereien, 
Intasierungen,  seltenere  und  kostbare  Hölzer  usw.  zur  Ver- 
wendung gelangt.  Für  feine  Einrichtungen  kommen  auch  noch 
reine  Kopien  von  Stilmöbeln  in  Frage;  auch  ist  die  Nachfrage 
nach  antiken  Originalen  weiter  gestiegen,  wobei  namentlich  eng- 
lische, italienische  und  holländische  Originale  bevorzugt  werden. 

Das  Berichtsjahr  brachte  bei  Hotel-  und  öffentlichen  Bauten 
größtenteils  nur  die  Fertigstellung  und  den  Ausbau  bereitß  im 
vorjährigen  Bericht  erwähnter  Objekte;  das  gilt  namentlich  für 
den  Hotelbau,  bei  dem  neue  Objekte  wenig  vorhanden  waren.  Da- 
gegen boten  die  weiteren  Vergrößerungen  von  Warenhäusern., 
Banken,  Kinotheatem,  Sanatorien  gute  Beschäftigung,  wobei 
naturgemäß  nur  die  größten  und  leistungsfähigsten  Firmen  in 
Betracht  kamen.  Ein  Nachteil  bei  solchen  Lieferungen  ist  die 
kurze  Lieferzeit,  durch  die  allerdings  das  leidige  Submissions- 
wesen und  die  Preisdrückerei  in  Wegfall  kommt.  Für  das  neue 
Jahr  sind  namentlich  für  große  Versicherungsgesellschaften  im 
Innern  der  Stadt  und  in  der  Gegend  des  neuen  Hathau&es  in 
Schöneberg  größere  Objekte  in  Aussicht.  Auch  die  Einrichtungen 
für  Luxuscafes  haben  weitere  Fortschritte  gemacht.  Wie  be- 
reits im.  letzten  Bericht  erwähnt,  ist  leider  über  die  Kreditver-. 
hältnisse  bei  Hotels,  Cafes  und  dergleichen  sehr  zu  klagen  ge- 
wesen; der  Zusammenbruch  des  Boarding-Palastes  hat  scharfe 
Schlaglichter  auf  die  ungesunden  Verhältnisse  in  dieser  Beziehung 
geworfen.  Die  häuptsächlich  für  solche  Lieferungen  in  Betracht 
kommenden  Lieferanten  planen  einen  Zusammenschluß,  um  diesen 
ungesunden  Verhältnissen  entgegenzutreten.  Durch  Einschrän- 
kung unsinnig  ausgedehnter  Kredite  und  durch  eine  geeignete 
Ausgestaltung  des  Eigentums  Vorbehalts  und  andere  Sicherungen 
will  man  "die  Gefahren  einschränken. 

Welche  Erfahrungen  das  Submissionswesen  zeigt,  hat  fol-: 
gendes  Beispiel  gezeigt:  Im  Reichstagsgebäude  sind  im  Herbst 
verschiedene  neue  Arbeitszimmer  eingerichtet  worden;  dabei 
handelte  es  sich  nur  um  Schränke  und  Stühle.  Es  wurden  nicht 
weniger  wie  37  Firmen  dazu  aufgefordert  und  die  Preise  schwank- 
ten z.  'B.  bei  den  Aktenschränken  von  145  bis  360  Mk.  Bei  den 
niedrigsten  Angeboten  waren  Firmen  Süddeutschlands  vertreten, 
bei  denen  noch  Fracht,   Verpackungs-  und  Transportkosten  hin- 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel. 


515 


zukommen.  Bei  Ausführung  dieser  Objekte  wurden  an  die  Lei- 
stungsfähigkeit die  größten  Ansprüche  gestellt  und  nur  mit 
bester  Qualität  1ind  technischer  Vollkommenheit  waren  Erfolge 
zu  erzielen. 

Nach  wie  vor  wird  das  Publikum  beunruhigt  durch  die  sich 
überstürzenden  Messen  und  dergleichen,  auf  denen  naturgemäß 
sehr  selten  Qualitätsarbeit  zu  sehen  ist,  da  es  sich  bei  dem  Fehlen 
künstlerischer  Leitung  meistens  um  normale  Arten  in  mittlerer 
Preislage  handelt,  wodurch  wiederum  das  nicht  orientierte  Publi- 
kum über  die  wirkliche  Leistungsfähigkeit  des  Gewerbes  in^- 
geführt  wird.  Hierbei  mag  gleich  erwähnt  werden,  daß  als  eine 
für  das  Gewerbe  wichtige  Ausstellung  nur  die  Baufach-Aus- 
stellung in  Leipzig  in  Betracht  kam,  die  aber,  so  interessant 
einiges  gewesen  sein  mag,  für  das  Gewerbe  selbst  nichts  neues 
gebracht  hat,  und  die  nur  durch  die  hübsche  Zusammenstellung 
von  Bauten  und  Inneneinrichtungen  und  durch  das  Zusammen;-, 
stimmen  äußerer  und  innerer  Formen  das  Gewerbe  interessierte. 
Die  für  das  Jahr  1915  vorgesehene  Weltausstellung  in  San  Fran- 
cisco hat  für  die  Branche  selbst  keine  Bedeutung,  weil  der  Ex- 
port von  Möbeln  nach  Nordamerika  infolge  der  dortigen  anders- 
artigen Bauart,  der  Zollverhältnisse  und  der  Leistungsfähig- 
keit der  eigenen  Möbelindustrie,  die  selbst  große  Posten  Möbel 
(amerikanische  Schreibpulte,  Kontormöbel,  Theaterstühle, 
Schaukelf auteuils)  nach  Deutschland  importiert,  nicht  in  Be- 
tracht kommt.  Für  den  Bedarf  der  ganz  reichen  Kreise  kommt 
Deutschland  ebenfalls  nicht  in  Frage,  da  diese  nur  Antiquitäten 
und  ganz  reiche  Stilmöbel  verlangen,  deren  Markt,  Paris  und 
London,  nicht  zu  verdrängen  ist.  Was  die  Absatzmöglichkeiten 
nach  den  Ländern  des  Pazifischen  Ozeans  anlangt,  namentlich 
naclL  China  und  Japan,  so  liegen  die  Verhältnisse  so,  daß  dort 
im  Lande  eine  große,  ganz  billige  Industrie  existiert,  die  den 
Inlandbedarf  vollständig  deckt,  wozu  noch  kommt,  daß  in  Japan 
für  die  einheimischen  Häuser  bekanntermaßen  Möbel  überhaupt 
nicht  gebraucht  werden,  da  man  dort  Schränke,  Betten,  Stühle 
überhaupt  nicht  kennt.  Aus  obigen  Gesichtspunkten  hat  die 
Möbelindustrie  als  solche  kein  Interesse  an  der  Beschickung  der 
Ausstellung. 

Gegen  das  vorjährige  Berichtsjahr  hat  sich  im  Möbelexport 
keine  Wandlung  vollzogen;  der  Export  liegt  nach  wie  vor  dar- 
nieder und  diese  Lage  wurde  noch  verschärft  durch  die  Folgen  des 
Balkankrieges  und  die  südamerikanischen  und  mexikanischen 
Wirren.  Auch  kommt  in  Betracht,  daß,  wie  bereits  oben  erwähnt, 
wurde,  namentlich  in  den  südamerikanischen  Ländern  große  In- 
dustrien entstanden  sind,  die  einen  Export  dorthin  hindern.  Ruß- 
land ist  nach  wie  vor  Käufer  für  feinere  Einrichtungen,  sowohl 
für  den  Wiederverkauf  als  auch  für  den  direkten  Absatz  an  De- 

33* 


Messen  und 
Ausstellunger« 


Export. 


516 


X.    Holz   und   Holzwaren. 


Roh- 
materialien. 


Stoffe, 
Gardinen, 
Teppiche, 

Leder. 


ZweiterBericht, 


taillisten.  Der  Export  nach  Holland,  Schweden,  Dänemark  und 
Schweiz  ruht  fast  vollständig. 

Von  den  E^hmaterialien  der  Möbelindustrie  hat  Holz  auch 
im  Berichtsjahre  seine  steigende  Preis tendenz  nicht  verloren; 
namentlich  Mahagoni,  Eichen,  Birken,  kurz,  die  feineren  Hölzer 
sind  wesentlich  im  Preise  gestiegen,  aber  auch  ausgesuchtes 
Kiefernholz  war  oft  kaum  aufzutreiben.  Schellack  und  Lacke 
stiegen  ebenfalls,  dagegen  sind  Glas,  Messing,  Kupfer  ungefähr 
im  Preise  so  geblieben  wie  im  vorigen  Jahre.  In  der  Holzverwen- 
dung hat  sich  gegen  das  Vorjahr  nichts  verändert.  Mahagoni, 
Polisander  mit  Birke  sind  nach  wie  vor  beliebt;  Nußbaum  lq 
feinster  Qualität,  in  der  Verarbeitimg  ähnlich  wie  Eichenholz, 
also  nicht  poliert,  sondern  gewachst  und  halb  matt,  wird  bevor- 
zugt. Eiche  ist  nicht  zu  verdrängen.  Die  früher  vielbegehrten 
Hölzer  Ahorn  grau,  Eschen,  Olive  u.  dgl.  sind  nicht  beliebt. 

In  Stoffen  imd  Gardinen  wird  etwas  lebhaftere  Tönung  bevor- 
zugt. Materialechtheit  wird  weiter  immer  mehr  verlangt.  Leder- 
imitationen für  Bezüge  treten  mehr  in  den  Hintergrund ;  auch  hierin 
wird  farbiges  Leder  neben  schwarzem  verlangt.  Trotz  des  durch 
den  Balkankrieg  etwas  zurückgegangenen  Importes  von  echten 
Teppichen  behaupten  diese  nach  wie  vor  das  Feld.  Vorteile  brachte 
der  deutschen  Teppichfabrikation  die  Bevorzugung  von  Hollen- 
ware,  da  mehr  als  früher  ganz  mit  Teppich  bedeckte  Zimmer 
verlangt  werden. 

Zweiter  Bericht. 

Das  Geschäftsjahr  1913  verlief  für  die  Berliner  AVohnungs- 
einrichtungsbranche  und  die  Fabrikation  von  Zimmermöbeln  im 
allgemeinen  recht  flau.  Abgesehen  von  den  Folgen  der  ungünstigen 
Konjunktur,  welche  jiiach  den  Balkanwirren;  die  (Märkte  beunruhigte 
und  unter  deren  Einfluß  auch  naturgemäß  die  Luxusmöbel- 
fabrikation zu  leiden  hatte,  wirkten  noch  verschiedene  andere  Ur- 
sachen mit,  die  das  verflossene  Geschäftsjahr  ungünstig  beein- 
flußten. Es  scheint,  daß  sich  für  die  Berliner  Firmen  ungünstige 
Zeiten  eingestellt  haben  und  noch  ungünstigere  vorbereiten.  Wäh- 
rend in  den  früheren  Jahren  der  Bedarf  der  Provinz  in  Berlin 
gedeckt  wurde,  hauptsächlich  aus  Mangel  an  geeigneten  Ge- 
schäften in  den  Klein-  und  Mittelstädten,  ist  in  letzter  Zeit 
hierin  ein  Wandel  zu  bemerken.  Ueberall  findet  man  an  solchen 
Plätzen  Firmen  mit  ansprechenden  neuzeitlichen  Auslagen,  welche 
im  Gegensatz  zu  früher  zum  mindesten  den  Marktbedarf  an  Stapel- 
ware zu  decken  in  der  Lage  sind,  ja  in  vielen  Fällen  auch  Spezial- 
objekten,  gerecht  werden  können.  Eine  Folge  davon  ist,  daß  zahl- 
reiche Aufträge,  die  früher  den  Berliner  Spezialgeschäften  zu- 
flössen, in  der  Provinz  zur  Ausführung  gelangen.  Infolge  der 
schlechten  Wirtschaftslage  trat  mit  wenigen  Ausnahmen  beim 
Publikum  immer  mehr  die  Neigung  hervor,  beim  Kauf  in  erster 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel. 


517 


Linie  die  Preise  iind  nicht  die  Qualität  zu  berücksichtig^eti.  Die 
Erscheinung,  daß  "Wohnungseinrichtungen  nicht  mehr  an  einen 
Lieferanten  vergeben,  sondern  vielfach  zimmerweise  unter  ver- 
schiedene Firmen  verteilt  werden,  hat  sich  auch  im  verflossenen 
Geschäftsjahr  bemerkbar  gemacht.  —  Was  die  hauptsächlich  ver- 
langten Stilarten  anbelangt,  so  kaJin  man  feststellen,  daß  der 
jetzt  geläufige  moderne  Stil  sich  allmählich  gänzlich  in  den  Prin- 
zipien der  Antike  bewegt.  Li  der  Hauptsache  kann  man  An- 
lehnung an  deutsche  Empire-  und  ßiedermeierformen  beobachten. 
Während  im  Verlauf  der  vergangenen  Jahre  eine  gewisse  Ab- 
neigung gegen  Flächendekoration  und  Schnitzereien  bestand,  ist 
in  letzter  Zeit  diese  Technik  wieder  mehr  verwandt  worden  und 
derartig  dekorierte  Möbel  finden  Interesse  beim  Publikum.  — 
Diei  schon  im  vergangenen  Jahr  schwebende  Honorar-Konvention, 
welche  zwischen  den  fübrenden  Firmen  der  Branche  zu  Zwecken  der 
Erreichung  von  Bezahlung  der  Entwürfe  und  Zeichnungen  ge- 
schlossen werden  soll,  ist  bisher  noch  nicht  zum  Abschluß  gelangt. 
Es  ist  ein  außerordentlicher  Mißstand  in  der  Branche,  daß  vielfach 
der  Kunde  sich  bei  versohiedenen  Firmen  mehr  oder  wenigei' 
durchgeführte  Spezialofferten  in  Verbindung  mit  künstlerisch, 
meist  farbig  in  Aquarell  ausgeführten  Literieurentwürfen  ein- 
fordert. Hierdurch  erfahren  die  Unkostenkonten  der  einzelnen 
Firmen  wegen  des  hierzu  notwendigen  großen  Zeichenapparates 
eine  erhebliche  Belastung.  —  Im  Submissionswesen  scheint  eine 
Besserung  eintreten  zu  sollen.  Es  sind  z.  B.  bei  den  von  der  Stadt 
Berlin  zu  vergebenden  Objekten  Bestrebungen  im  Gange,  Aufträige 
nur  an  Berliner  Firmen  zu  erteilen,  und  zu  Sätzen,  welche  von 
Sachverständigen  festgestellte  Mindestpreise  nicht  unitersdhreiten 
dürfen.  —  Als  ein  Hauptmangel  hat  sich  in  der  Branche  die 
schlechte  Zahlungsweise  des  Privatpublikums  bemerkbar  gemacht; 
auch  hatten  verschiedene  Firmen  unter  den  eingetretenen 
Insolvenzen  großer  Hotel-,  Cafe-  u^d  ähnlicher  Unternehmungen 
zu  leiden.  Auch  die  schlechte  Lage  des  Baumarktes  blieb  nicht 
ohne  Einfluß  auf  die  Branche. 


Dritter  Bericht. 

Der  folgende  Bericht  nimmt  namentlich  in  bezug  auf  die 
herrschende  Stilrichtung  einen  anderen  Standpunkt  als  die  beiden 
ersten  Berichte  ein: 

Der  Umsatz  war  im  Jahre  1913  so  schlecht  wie  nie  zuvor. 
Viele  Betriebe  waren  nur  halb  beschäftigt  und  werden  das  Jahr 
mit  einem  Verlust  abgeschlossen  haben,  und  die  meisten  werden 
zufrieden  sein,  wenn  sie  ihre  Unkosten  verdient  haben.  Die  stetige 
{Fortentwicklung  der  Möbelindustrie,  die  man  bis  zum  Jahre  1909 
gewohnt  war  und  die  sich  vielleicht  mit  10  o/o  pro  Jahr  beziffern 
läßt,  hat  seit  dieser  Zeit  nicht  allein  völlig  stillgestanden, 
sondern   es    ist  ein   entschiedener  Rückgang  eingetreten,   der   im 


Dritter  Bericht, 


Umsatz. 


518 


X.    Holz    und   Holzwaren. 


Umwälzungen 
IQ  der  Berliner 
Möbelindustrie. 


Möbelipessen. 


Muster. 


Jahre  1913  sich  sogar  als  ein  großer  Rücksprimg  erweist.  Fragt 
man  nach  der  Ursache,  so  ist  einerseits  der  politischen  Unsicher- 
heit Schuld  zu  geben,  andererseits  aber  auch  den  über  einen  großen 
Zeitraum  sich  erstreckenden  Erörterungen  über  die  Wehrvorlage. 
Alle  Verbraucher  haben  sich  in  dieser  Zeit  des  Sparens  befleißigt 
imd  dabei  schließlich  die  Gewohnheit  des  Sparens  angenommen, 
was  ihnen  verhältnismäßig  leicht  fiel,  da  die  meisten  in  einem 
gewissen  Ueberfluß  lebten.  Das,  was  auf  diese  Weise  weniger 
verbraucht  wurde,  ist  der  Industrie  außerordentlich  fühlbar  ge- 
worden. Hier  liegt  vielleicht  die  Erklärung,  daß  auch  jetzt  keine 
gesteigerte  Nachfrage  sich  für  di©  Industrieerzeugnisse  bemerkbar 
macht. 

Das  Bestreben  der  Tischlermeister,  direkt  an  Private  zu  ver- 
kaufen, dauert  an.  Ganz  große  Möbelhäuser,  wie  sie  sich  mit 
dem  Größerwerden  Berlins  entwickeln  würden,  können  sich  neu 
nicht  bilden,  denn  die  schon  bestehenden  haben  mit  der  Konkurrenz 
der  Tischlermeister  zu  kämpfen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  Berlin 
sich  damit  eines  zugkräftigen  Mittels  begibt,  feine  auswärtig*e 
Privatkundschaft  für  den  Möbelkauf  anzuziehen.  Gute,  feine,  aus- 
wärtige Kundschaft  wird  sich  niciit  der  Mühe  unterziehen,  bei 
vielen  Tischlern  eine  Einrichtung  zusammenzukaufen.  —  Ueber 
das  mit  diesen  Tischlerbestrebungen  Hand  in  Hand  gehende 
Agentenunwesen  wird  nach  wie  vor  geklagt. 

Die  Bekämpfung  der  Händler  durch  Möbelmessen  der  Tischler 
geht  weiter,  zum  Unsegen  beider  und  des  Ansehens  der  Berliner 
Möbelindustrie.  Um  diese  Messen  zu  füllen,  werden  viele  Aus- 
steller herbeigeholt,  die  man  zu  den  letzten  Eirmen  zälilen  muß. 
Die'  allerbesten  Firmen  bleiben  geflissentlich  fern  und  die  besten 
imd  guten  sind  so  vereinzelt,  daß  sie  nicht  ins  Gewicht  fallen. 
Es  haben  im  ganzen  vier  Messen  im  Jahre  1913  stattgefunden, 
zwei  der  Händler  und  zwei  der  Tischler,  deren  Ergebnisse  so  un- 
befriedigend waren,  daß  die  Parteien  geneigt  sind,  mit  den  Messen 
aufzuhören.  Ob  es  geschieht,  wird  davon  abhängen,  ob  beide 
Parteien  eine  Einigung  erzielen;  andernfalls  wird  man  im  neuen 
Jahre   weitere  dieser  Märkte  erleben. 

Die  Rückkehr  zum  historischen  Stil  ist  im  Jahre  1913  zu 
einem  gewissen  Stillstand  gekommen,  soweit  man  allerdings 
von  historischem  Stil  reden  darf.  Denn  die  Art,  wie  man  sich 
seiner  bedient,  ist  gegen  früher  ganz  anders  geworden.  Stilrein 
im  historischen  Sinne  ist  man  heute  überhaupt  nicht  mehr, 
sondern  man  vereinigt  Altes  und  Neues  in  einem  Stück,  so  daß 
es  sich  die  Wage  hält.  Neben  dieser  Art  entwickelt  sich  aller- 
Idings  in  viel  beschränkterem  Maße,  aber  doch  ganz  stetig  und 
folgerichtig,  eine  gesunde,  neue  Stilart,  die  sich  in  der  Haupt- 
sache das  Ziel  setzt,  die  Gebrauchsform  oder  Zweckform  rein 
von  all  und  jeder  hindernden  Beigabe  zu  entwickeln.  Keines- 
wegs ist   sie  schmucklos,   denn  sie  strebt  danach,  die  Möbel  in 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel. 


519 


feinste  Verhältnisse  einzukleiden,  hebt  das  Material  auf's  beste 
hervor  und  legt  besonderen  Wert  auf  eine  vortreffliche  Arbeit. 
Diese  drei  Vorzüge  geben  den  Sachen  eine  merkwürdige,  aber 
zeitgemäße  Schönheit.  Bei  den  äußerst  vielseitigen  Wünschen 
und  Zwecken,  denen  Möbel  heute  dienen  müssen,  erweist  es 
sich,  daß  diese  Möbelart,  die  von  Gegnern  gern  mit  dem  Wort 
„Zweckmöbel"  belegt  wird,  keineswegs  zur  Ee inseitigkeit  führt. 

Bei  den  Möbelstoffen,    auch   den   Tapeten,   ist  man  zu  den 
historischen  Mustern  in  stärkerem  Maße  zurückgekehrt,  als  das 
Publikum  es  wünscht.     Die  neuen,    guten  Mtister  hat  man  da- 
gegen zu  wenig  auf  den  Markt  gebracht.    Bei  sämtlichen  Stoffen 
und  Tapeten  hat  sich  die  schon  im  Vorjahre  zum  Ausdruck  ige-. 
kommene  Farbenfreudigkeit  noch  erhöht.    Besonders  hat  sich  die 
Buntheit  gesteigert  .,  Zumeist  sind  aber  die  Farben  gedeckt,  so 
daß   bei   aller   Farbenfreudigkeit  direkt   frische,   klare   Töne   in 
allen   Musterkollektionen   gefehlt  haben.     Es   hätten   sich   auch 
dabei   mehr  Muster   befinden  dürfen,    die  entschieden   „flächig" 
wirken.     Auch  fehlte  es  an  Tapeten  und  Stoffen,  bei  denen  ein 
einziger  Ton  entschieden  vorherrschend  war,   das  Bunte  war  zu 
reichlich  vertreten.  —  Vortreffliche  Künstlermuster  sind  in  be- 
druckten Cretonnes  auf  dem  Markt.    Leider  scheinen  Künstler- 
muster  bei   den   gewebten   Stoffen   etwas   ins   Hintertreffen   ge- 
komlnen  zu  sein,  wogegen  die  Tapetenindustrie  sie  reichlich  bringt 
und  mit  gutem  Erfolg.  Die  Deutschen  Farbwerke  leisten  in  echten 
Farben  seit  einigen  Jahren  so  Hervorragendes,  daß  diese  Farben 
jegliche  frühere  Farbart  und  Farbe,  die  man  immer  als  vortrefflich 
schätzte,  in  der  Haltbarkeit  weit  übertreffen.    Diese  Farben  er- 
möglichen es,  ganz  echt'  zu  färben,  besonders  ist  das  mit  Baum- 
wollstoffen der  Fall.    Von  dieser  ganz  neuen  Möglichkeit  ist  in 
Deutschland  nur  ein  geringer  Gebrauch  gemacht  worden.    Eng- 
lische Fabriken  bringen  bereits  seit  drei  Jahren  vielfarbige  baum- 
wollene Giobelinstoffe  auf  den  Markt,  für  die  sie  eine  vollkonunene 
Garantie  in  bezug  auf  die  Farbe  übernehmen.     Es  scheint,   als 
ob  hier  eine  außerordentliche  Perspektive  für  baumwollene,  so- 
wohl bessere  als  geringere  Möbelstoffe  sich  eröffnet. 

Im  Jahre  1913  ist  wieder  nichts  geschehen,  waö  Ordnung 
in  das  Chaos  der  Musterschaffung  hätte  bringen  können.  Die 
Art,  wie  Muster  im  Kunstgewerbe  gemacht  werden,  muß  durch- 
aus anders  werden,  sonst  kommen  wir  aus  der  Stillosigkeit  nicht 
heraus.  Mit  den  heutigen  Zuständenkönnen  wir  keine  nennens- 
werten Fortschritte  auf  dem  Weltmarkt  und  im  Export  machen. 
Wenn  System  in  die  Musterschaffung  kommt,  dann  werden 
krasse  AVechsel  ausgeglichen  werden,  und  nicht,  wie  z.  B.  im 
Jahre  1913,  Hunderte  von  Musterzeichnern  der  Gardinenbranche 
brotlos  werden. 

Möbel  nach  Künstlerentwürfen  sind  zimmerweise  in  größerer 
Auflage   hergestellt   und  von  einer    Gruppe  von   Möbelhändlern 


520 


X.     Holz    und    Holzwareii. 


Kosten 
für  Entwürfe. 


Zusammen- 
schlüsse. 


Löhne     ' 
und  Preise. 


Kolonialholz. 


Abzahlungs- 
geschäfte. 


zum  Verkauf  gebracht  worden,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  diese 
Muster  immer  nur  in  je  einer  Stadt  vertreten  waren.  Dem  Ver- 
nekoi'en  nacli  wird  diestes  g'esunde  Vorgehen  im  künftigen  Jahre 
Nachfolge  finden. 

Eine  V^ereinigung  der  besten  deutschen  Möbelfirmen  ist  in 
Bildung  begriffen,  mit  dem  Ziele  der  Einigung  dahin,  daß  iSüe 
Mitglieder  eine  gegenseitige  Verpflichtung  eingehen,  sich  jeden 
gemachten  Entwurf  bezahlen  zu  lassen  und  es  z'u  unterlassen, 
kostenfrei  Entwürfe  den  Kunden  anzubieten.  —  Im  verflossenen 
Jahre  ist  wiederholt  die  sogenannte  Eisenaeher  G-ebührenordnung 
in  Anwendung  gebracht  worden. 

In  den  letzten  Jahren  hat  sioh  eine  ganze  Eeihe  von  ,V|er- 
einigungen  in  der  Möblelindustrie  gebildet,  die  nach  und  nach 
ausgebaut  worden  sind  und  segensreich  gewirkt  haben.  Die  ge- 
meinsamen Interessen  werden  gut  vertreten  und  das  Standes- 
bewußtsein  wird  gehoben. 

X)ie  Tischlerlöhne  sind  gegen  früher  am  1.  März  um  3  o/o' 
heraufgesetzt  worden.  Beschläge  und  Schlösser  sind  um  5  o/o  teurer 
geworden,  Schellack  um  25  o/o.  Das  Gaboonholz  ist  um  15  «/o 
im  Preise  gestiegen,  und  zwar  dadurch,  daß  die  Dampfer  es 
nicht  mehr  wie  früher  als  Ballast  mitnehmen.  Teppiche  sind 
um  5  o/o  teurer,  Baumwollwaren  um  10  o/o,  und  für  Jute  ist  der 
Preis  bis  um  50  o/o  gestiegen.  Pflanzenfasern  sind  um  20  o/o  |ge- 
stiegen.  Trotz  der  überaus  schlechten  Konjunktur  haben  alle 
Preise  die  Tendenz  höher  zu.  gehen. 

Mehr  und  mehr  bildet  sioh  das  Gaboonholz  äu  einem  wesent- 
lichen Eaktor  in  der  Möbelindustrie  aus.  In  der  Hauptsache  wird 
es  für  die  Innenarbeit  an  Möbeln  gebraucht,  und  es  ist  »ein  will- 
kommener Ersatz  für  die  knapper  werdende  Eiche.  Diese  würde 
wahrscheinlich  erheblich  teuerer  .geworden  sein,  wenn  der  Gaboon- 
ersatz  nicht  wäre.  Der  Uebelstand,  den  man  zuerst  mit  diesem 
Holz  hatte,  daß  es  sich  schlecht  schnitt,  ist  durch  entsprechendes 
Einrichten  der  Werkzeuge  .beseitigt  worden. 

Die  Zahl  der  Abzahlungsgeschäfte,  wie  ihr  Umsatz  in  Mö- 
beln, hat  sich  erheblich  vermehrt.  Es  sind  nicht  allein  Arbeiter, 
die  'dort  her  ihre  Einrichtung  beziehen;  mehr  und  mehr  gehen 
auch  besser  gestellte  Personen  zu  diesem  Kaufsystem  über.  Auf 
solide  'Grundlage  gestellt,  .ist  auch  nicht  viel  dagegen  einzuwenden 
und  'deswegen  sollten  die  guten  Häuser  ihr  Augenmerk  darauf 
richten.  Sie  könnten  so  manches  ordentliche  Geschäft,  das  heute 
die  Abzahlungsgeschäfte  übernehmen,  selbst  machen,  und  es  wür- 
den Üie  Kaufenden  zweifellos  viel  billiger  und  besser  dabei  fahren. 
Diese  'Geschäftsart  ist  zweifellos  solider  als  die  bisherige  Gie- 
pflogenheit  neuen  großen  Etablissements,  wie  Cafes,  Theater, 
Kinos  die  Ausstattung  zu  liefern  und  lange  Ziele  dafür  einzu- 
räumen. Dabei  haben  die  großen  Möbelfirmen  in  der  letzten 
Zeit  sehr  schlechte  Erfahrungen  gemacht.    Es  wird  jetzt  dahin 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel. 


521 


gestrebt,  eine  Vereinbarmig'  zu  treffen,  daß  bei  solcben  großen 
Lieferungen,  bei  denen  Kredit  gefordert  wird,  das  Eigentumis- 
recht  an  den  Möbeln  bis  zur  ganzen  Bezahlung  vereinbart  wird. 

b)  Küöbienmöbel. 

Ließ  schon  das  Jahr  1912  für  die  Küchenmöbelbranche  viel 
zu  ^vünschien  übrig,  so  machte  sich  naturgemäß  der  weitere  allge- 
meine Konjunkturrückschlag  ebenfalls  empfindlich  bemerkbar  und 
so  hat  wohl  das  Jahr  1913  für  keinen  Küchenmöbelfabrikaaten 
den  gehegten  Erwartungen  entsprochen.   D^r  Umsatz  ist  zurück- 
gegangen.   Infolge  der  großen  Konkurrenz  wird  mit  einem  nie- 
drigen Nettoverdienst  verkauft  und  die  bedeutend  vergrößerten 
Lnko&ten,  die  das  Jahr  1913  mit  sich  brachte,  heben  den  mini- 
male-n  Verdienst  ganz  auf.    Das  Berichtsjahr  dürfte  daher  wen^g 
Kücihienmöbelfabrikanten  einen  Verdienst  gebracht  haben.    Diiese 
mißliche  Lage  veranlaßte  besonders  kapitalsschwache  Firmen  zu 
bedeutenden   Preisnachlässen.    Damit    war  es   aber  nicht  genug. 
Es  wurden  besonders   den   Berliner  MöbeUiändlern  Konzessionen 
gemacht,   die  dem  Ansehen  der  Branche  keinesfalls  von  Nutzen 
s-ein  können.    Ist  es  doch'  ein  nicht  mehr  vereinzelt  dastehender 
Fall,  daß  Küchenmöbelfabrikanten  sich  den  Möbelhändlern  gegen- 
über dazu  herbeilassen,  die  gekauften  Küchenmöbel  bei  einem  ver- 
lustbringenden Preise  iu  die  Wohnung  der  einzelnen  Privatkuuden 
zu  liefern.   Der  Grund  derartig  unhaltbarer  Zustände  liegt,  wie 
schon  gesagt,  in  der  großen  und  vielfach  kapitalsschwachen  Kon- 
kurrenz.   Schwer  dürfte  es  daher  auch  sein,  die  Fabrikanten  zur 
Einschränkung    ihrer   Produktionen    zu   veranlassen,    um   so    am 
ersten   einer  Arbeit   ohne   angemessenen    Verdienst  vorzubeugen. 
Schwer  wurde  die  Branche  in  den  letzten  Jahren  durch  die  fort- 
laufenden   Beschädigungen  der    verfrachteten   Möbel    geschädigt. 
Irgendwelche    Entschädigungen  wurden   unter   dem   Hinweis   auf 
die  Deklaration:   „Unverpackt  laut  allgemeiner  Erklärung''  ab- 
gelehnt.   Bei  und  von  den  Aeltesten  der  Kaufmannschaft  wurde 
angeregt,    für   jede    Beschädigung   bei   der   Eisenbahn  Verwaltung 
Ersatz   unter  Androhung   der   Klage  zu  verlangen.    Der   Erfolg 
war  der,  daß  von  da  ab  ausnah*mslo,ä  die  geforiderten  Entschädi- 
gungen zurückerstattat  wurden,   was  in   den  Jahren  vorher  nie 
gelungen  war. 

c)  Ladeneinrichtungen. 

AVenn  schon  das  Jahr  1912  in  geschäftlicher  Beziehung 
recht  unbefriedigend  Verlaufen  ist,  so  hat  sich  die  Lage  der 
Ladeneinrichtungsbranche  im  Jahre  1913  noch  erheblich  verschlech- 
tert und  zu  einem  geradezu  trostlosem  Zustande  herausgebildet. 
Während  in  den  früheren  Jahren  wenigstens  zum  Quartalswechsel 
Januar,  April,  Juli  und  Oktober,  stets  eine  kurze  Aufbesserung  im 
Geschäft  zu  Verzeichnen  war,  so  ist  auch  diese  im  Berichtsjahre 


522  X.     Holz    und    Holzwaren. 

vollständig  ausgeblieben,  so  daß  die  meisten  Betriebe  das  ganze 
Jahr  hindurch  nur  sehr  schwach  beschäftigt  waren.  Die  Lage 
der  Unternehmer  gestaltet  sich  daher  immer  schwieriger,  zumal 
die  bestehenden  Generalunkosten  für  die  Betriebe  oft  erheblich 
sind  und  fast  immer  auf  der  gleichen  Höhe  bleiben,  gleichviel,  ob 
mehr  oder  weniger  Aufträge  vorliegen.  Aus  diesem  Grunde  müssen 
die  Unternehmer,  falls  nicht  bald  eine  Besserung  eintritt,  um  ihre 
Existenz  recht  sehr  in  Sorge  sein,  zumal  man  sich  die  Frage 
vorlegen  muß,  wodurch  wohl  eine  Besserung  bei  der  allgemeinen 
ungünstigen  wirtschaftlichen  Krisis  eintreten  könnte,  wann  die 
unsichere  politische  Lage,  der  teure  Geldstand,  das  geringe  Ver- 
trauen zu  Neuetablierungen  und  neuen  Unternehmungen  sowie 
die  große  Arbeitslosigkeit  in  fast  allen  Industriezweigen,  die 
Abnahme  der  Einwohnerzahl  in  Berlin  und  nicht  zum  mindesten 
die  große  Anzahl  leerstehender  Läden  und  G^schäftslokale  eine 
Wendung  zum  Besseren  nimmt.  Die  Jagd  nach  neuen  Auf- 
trägen und  die  Preisunterbietungen  bei  in  Aussicht  stehenden 
Arbeiten  sind  ganz  ungesunde  Erscheinungen,  und  die  Anschläge 
der  Höchst-  tind  Mindestfordernden  differieren  oft  bis  zu  100  «o, 
wodurch  die  Auftraggeber  geradezu  vor  ein  Rätsel  gestellt  werden. 
Bei  derartig  großen  Differenzen  muß  man  als  beinahe  selbstver- 
ständlich annehmen,  daß  die  niedrig  gestellten  Preise  doch  nur 
Verluste  ergeben  und  die  Arbeiten  dementsprechend  auch  nur 
höchst  minderwertig  ausgeführt  sind.  Die  Erwartungen,  daß 
die  Staatsregierung  und  die  staatlichen  Behörden  in  Anbetracht 
der  schweren  Opfer,  welche  dem  Gewerbe  durch  die  Wehrvorlage 
auferlegt  werden,  den  Handwerkern  Arbeiten  und  Lieferungen 
des  sich  ergebenden  Bedarfes  auch  in  vollem  Umfange  übertragen 
würden,  haben  sich  nicht  erfüllt,  sondern  nach  wie  vor  werden 
hierfür  in  erster  E-eihe  die  Strafanstalten  herangezogen,  und  nur 
dann,  wenn  der  private  Gewerbetreibende  in  der  Lage  ist,  mit 
den  von  diesen  Anstalten  gestellten  Preisen  konkurrieren  zu 
können,  hat  auch  er  Aussicht,  Aufträge  zu  erhalten.  Da  in  den 
Strafanstalten  nur  ganz  geringe  Arbeitslöhne  gezahlt  werden, 
die  anderen  Unkosten  aber  ganz  wegfallen,  so  ist  es  fast  aus- 
geschlossen, daß  ein  ehrlicher  Handwerker  Aufträge  erhalten 
kann,  trotzdem  es  doch  wohl  eine  Pflicht  der  Staatsbehörden  wäre, 
dafür  zu  sorgen,  daß  die  erschreckend  große  Arbeitslosigkeit  da- 
durch etwas  gemildert  wird.  Aus  all  diesen  Gründen  sind  die 
Aussichten  für  die  Zukunft  leider  recht  betrübend..  Die  Pi^ise 
der  Hölzer  sowie  aller  sonstigen  Materialien  sind  trotz  der  schlech- 
ten Geschäftslage  fast  sämtlich  gestiegen.  Der  Umsatz  ist  gegen 
das  Vorjahr  ganz  erheblich  zurückgegangen;  der  Grund  hierfür 
ist  in  der  oben  geschilderten  allgemeinen  wirtschaftlichen  Krisis 
zu  suchen.  Auch  der  Absatz  nach  dem  Auslande  hat  ganz  erheb- 
lich abgenommen.  Bei  der  außergewöhnlich  großen  Arbeitslosig- 
keit in  der  gesamten  Holzindustrie  sind  Arbeitskräfte  stets  in 


160.    Möbelfabrikation  und   -handel. 


523 


großer  Anzahl  zur  Verfügung  gewesen.  —  Die  übliche  Regulierung 
bei  Neueinrichtungen  ist  stets  Kassazahlung  bei  Empfang  der 
Waxe;  wenn  andere  Zahlungen  vereinbart  werden,  so  erstreckt 
sich  ein  bewilligtes  Ziel  meist  nur  auf  kurze  Zeit  und  unter  der 
Bedingung,  daß  die  Lieferanten  sich  das  Eigentumsrecht  bis  zur 
vollständigen    Zahlung   der   Lieferung   vorbehalten. 

d)  Büromöbel. 

Fast  alle  mit  Bezug  auf  die  Ladeneinrichtungsbranche  ge- 
machten Ausführungen  treffen  auch  für  die  Kontormöbelbranche 
zu.  Es  fehlen  auch  hier  die  Käufer,  da  bei  dem  Publikum  keinerlei 
Vertrauen  und  Unternehmungslust  vorhanden  ist;  indes  ist  diese 
Branche  doch  insofern  noch  im  Vorteil,  als  sie  in  der  Lage  ist,  ihre 
Fabrikate  auf  Lager  arbeiten  zu  können,  um  in  guter  Zeit  und 
bei  plötzlich  eintretendem  Bedarf  über  größere  Vorräte  verfügen 
zu  können.  Aber  auch  hierin  ist  ein  Stillstand  eingetreten,  die 
Lager  sind  meist  überfüllt  und  der  Absatz  ist  sehr  gering,  so  daß 
die  Fabrikation  erheblich  eingeschränkt  werden  mußte.  Auch 
in  dieser  Branche  ist  die  Enttäuschung  über  die  fehlenden  Auf-, 
träge,  welche  durch  die  Wehrvorlage  erforderlich  wurden,  außer- 
ordentlich groß. 

e)  Schulmöbel. 
Erster  Bericht. 

.Der  Gresciiäftszweig  für  Schule inrichtiingsgegenstände  wird 
durch  den  Umstand,  daß  die  St^dt  Berlin  ihre  Schuleinrichtungen 
im  Submissionswege  an  den  Mindestfordemden  vergibt  und  die 
Arbeiten  auch'  an  auswärtige  Firmen  in  Auftrag  gibt,  wenn  diese 
die  Mindestfordernden  sind,  in  seiner  Entwicklung  stark  ge- 
hemmt. Eine  Besserung  ist  in  dieser  Beziehung  bis  heute  noch 
nicht  eingetreten  und  auch  durch  das  bisherige  Submissionswesen 
nicht  zu  erwarten,  da  leider  auch  die  anderen  Behörden  Groß- 
Berlins  in  vielen  Fällen  die  Aufträge  selbst  an  süddeutsehe 
Scihulmöbelfabriken  vergeben,  wenn  diese  die  billigsten  sind,  ohne 
Rücksicht  darauf,  daß  die  Gegenstände,  waä  Material  und  Ar- 
beit anbetrifft,  sich  mit  den  hier  in  Berlin  erzeugten  nicht  ver- 
gleichen können.  In  letzter  Zeit  will  allerdings  die  Stadt  Berlin 
derartige  Lieferungen  nur  noch'  Berliner  Firmen  übertragen  und 
hat  die^  auch  bei  den  letzten  Lieferungen  durchgeführt.  Leider 
kommt  diese  Maßnahme  zu  spät,  nachdejm  bereits'  manche  Fir- 
men ihre  Betriebe  nach  auswärts  verlegt  haben. 

Zweiter  Bericht. 
Die  Geschäftslage  für  Schulmöbel  wurde  im  Berichtsjahre 
durch  gedrückte  Preise  ungünstig  beeinflußt.  Die  in  den  Jahres- 
berichten von  1911  und  1912  beklagten  Submissionsmißstände 
machten  sich  auch  im  Berichtsjahre  1913  stark  fühlbar,  wenn 
auch   nicht   übersehen    werden    darf,    daß   manche   Verwaltungen 


524  X.     Holz    und    Holzwaren. 

mehr  als  früher  bemüht  sind,  auf  Angebot©  mit  angemessenen 
Preisen  ;auch  dann  den  Zuschlag  zu  erteilen,  wenn  erheblich 
niedrigere  -Angebote  vorliegen.  Erschwert  \vird  die  Zuschlags- 
erteilung besonders  dadurch,  daß  in  den  Kostenvoranschlägen 
vielfach  zu  niedrige  Mittel  Vorgesehen  sind,  lieber  eine  zuweilen 
erhebliche  Herabsetzung  der  angeforderten  und  als  notwendig 
bezeichneten  Mittel  durch  die  nichttechnischen  Behörden  wird 
geklagt.  Die  Beschaffung  haltbarer  Qualitätserzeugnisse  wird 
auf  diese  Weise  erschwert  oder  völlig  vereitelt.  Die  unwirtschaft- 
liche laufende  Aufwendung  erhöhter  Instandhaltungskosten  findet 
unzureichende  Beachtung.  Die  technischen  Beamten,  die  voll-, 
wertige  Erzeugnisse  beschaffen  wollen,  setzen  sich,  wenn  sie  für 
Aufwendung  der  erforderlichen  höheren  Geldmittel  eintreten,  der 
Möglichkeit  peinlicher  Verdächtigungen  aus.  Es  ist  hierbei  zu 
bedenken,  daß  diese  Beamten  nicht  über  Sonderfachkenntnisse  in 
allen  Gewerben  derart  verfügen  können,  um  die  Zweckmäßigkeit 
der  Aufwendung  höherer  Beschaffungskosten  so  klar  und  so  über- 
zeugend begründen  zu  können,  daß  auch  nicht  der  Schatten  eines 
Verdachtes  übrig  bleibt.  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  diese  Be- 
amten sich  zuweilen  scheuen,  für  Beschaffung  vollwertiger  Er- 
Zeugnisse  zu  angemessenen  Preisen  nachdrücklich  einzutreten, 
besonders  dann,  ,wenn  dies  nur  durch  Beantragung  von  Nach- 
bewilligungen zu  erreichen  ist.  Dies  ist  auch  eine  der  wesent- 
lichen Ursachen,  daß  die  Vergebung  an  den  Mindestfordemden 
noch  vielfach  die  Regel  ist.  Bei  Vergebung  von  Schulmöbeln  ist 
dieses  Verfahren  jedoch  durchaus  bedenklich,  weil  zumeist  eine 
vorherige  genaue  Festlegung  der  verlangten  Leistung  unterlassen 
wird.  Die  Handhabung  der  Submission  läßt  vielfach  eine  Be- 
achtung der  sozialen  Bedeutung  der  Käufersitten  durchaus  ver- 
missen. 
Notstands.  Von   einzelnen   Verwaltungen   wurde   zu  Ende  des  Berichts- 

Jahres  die  Herstellung  von  Schulbänken  und  Schulmöbeln  als 
sogenannte  Notstands  arbeiten  vergeben,  wobei  die  Lieferung  erst 
nach  Jahresfrist  zu  erfolgen  hat.  Das  neue  Jahr  dürfte  durch 
diese  Vergebung  ungünstig  beeinflußt  werden. 

161.  L  ei  t  er  f  abr  ik  a  tion. 
Je  größer  der  Konsum  in  Leitern  jeder  Art  wird,  je  nie- 
•  driger  werden  die  Preise.  Da  aber  Material  und  Arbeitslohn 
nicht  billiger  geworden  sind,  so  muß  die  Qualität  darunter  leiden. 
AVahrend  früher  für  Hausleitern  mindestens  3/4  zölliges  Holz 
Verwendung  fand,  ist  die  Stärke  der  Holme  jetzt  kaum  noch 
16  bis  17  mm.  Auch  die  Stufenentfemungen  werden  enger  ge- 
macht, um  auf  diese  Weise  den  Schaden  gutzumachen.  Es  wird 
von  Interessenten  behauptet,  daß  diese  Minderqualitäten  dem 
System  einer  bestimmten  Art  von  Käufern  zu  verdanken  seien, 
die  Preise  immer  m.ehr  zu  drücken,  gleichviel,  wie  die  Ware  aus- 


163.    Wagen-  und  Karosseriebau.  525         » 

sieht.  Es  sei  zu  verwundern,  daß  solche  Leitern  noch  hielten 
und  verhältnismäßig  nicht  mehr  Unglück  passiere.  In  der  In- 
dustrie- und  in  der  Geschäftswelt  wird  jetzt,  abgesehen  von 
einigen  der  größten  Firmen,  die  nur  das  billigste  Angebot  akzep- 
tieren, doch  mehr  Wert  auf  die  Sicherheit  der  Leitern  gelegt. 
Man  hat  auch  in  dieser  Beziehung  von  Amerika  gelernt  und  ein- 
sichtsvolle, größere  Detail-  und  Engroßbetriebe  lassen  in  ihren 
Lokalen  fahrbare,  auf  Schienen  laufende,  Ex)lleitern  anbringen. 
Die  Bautätigkeit,  und  dadurch  auch  der  Bedarf  in  Leitern  der 
Handwerker,  ruht  noch  immer.  Eine  Belebung  des  Geschäfts  trat, 
wie  in  den  Jahren  vorher,  nur  im  April  und  Oktober  ein;  sonst 
war  e®  ziemlich  still  und  von  einer  merklichen  Erhöhung  der 
Umsätze  ist  kaum  zu  sprechen.  Es  ist  sogar  anzunehmen,  daß 
eher  ein  Rückgang  bei  den  meisten  Firmen  eingetreten  sein  wird. 
Im  allgemeinen  ist  der  Geschäftsgang  gleich  dem  Vorjahre  noch 
immer  ziemHdh  schlecht  und  es  dürfte  auch  in  nächster  Zeit  kaum 
eine   Besserung  zu  erwarten  sein. 

162.    Parkettfabrikation. 

Im  vorjährigen  Bericht  wurde  darauf  hingewiesen,  daß  das 
Geschäft  im  III.  Quartal  merklich  nachließ.  Noch  ruhiger  wurde 
das  'Geschäft  im  Winter  und  auch  von  der  darauffolgenden  Bau- 
saison kann  nicht  gesagt  werden,  daß  sie  Fabriken  oder  Lege- 
geschäfto  irgendwie  befriedigte.  Im^  Gegenteil,  der  Umsatz  im 
Jahre  1913  ist  wesentlich  hinter  dem  Vorjahre  zurückgeblieben, 
denn  ausweislich  der  Beobachtungen  des  Konventionsigebieteg 
stellte  sich  das  Verhältnis  des  Umsatzies  von  1913  zu,  1912  wie 
7  :  10.  Ergeben  diese  Ziffern  schon  eine  recht  bedenkliöhe  Ab- 
nahme des  Absatzes,  die  eine  Anhäufung  der  Vorräte  und  viel- 
fache 'Betriebsbeschränkungten  zur  Folge  hat,  so  kommt  noch  der 
Umstand  hinzu,  daß  durch  Anwendung  von  Kampfpreisen  gegen- 
Kiber  den  Außenseitern,  besonders  in  den  letzten  Monaten,  recht 
mäßige  Preise  erzielt  wurden.  Während  die  Preise  von  7,50  pro 
Quadratmeter  für  eichene  Stabfußböden,  und  11  Mk.  für  furniert© 
Tafelparkette  nur  nominell  waren,  wurden  Verkäufe  bis  zu 
6,75  Mk.  bzw.  10  Mk.  getätigt,  zum  Schaden  der  Fabriken,  ins- 
besondere aber  der  Legegeschäfte.  Das  Parkettgeschäft  krankt  im' 
allgemeinen  'daran,  daß  kleine  Fabriken  mit  mäßigem  Kapital  wie 
Pilze  aus  der  Erde  schießen,  die  aus  G^ldbedürftigkeit  üire  Er- 
zeugnisse unter  allen  Umständen  an  den  Mann  ztu  bringem  sfuohen, 
femer  an  der  allgemeinen  Ueberproduktion  und  nicht  zuletzt  an 
der  absoluten   Uneinigkeit  der  Fabriken. 

'.         163.   Wagen-   und   Karosseriebau. 

Erster  Bericht.  Erster  Bejicht. 

Die  Abnahme   der   Bestellungen   auf   Luxuswagen  hat  sich 
noch  weiter  vergrößert;    die  Fabrikation  und  der  Verkauf  von 


526  X.     Holz    und    Holzwaren. 

Luxuswagen  stellten  sicK  ungefähr  auf  2 o/o  des  übrigen  Umsatzes 
der  Berliner  TVagenfabriken.  AVälirend  noch  im  ersten  Halb- 
jahr und  noch  bis  in  den  August  die  Bestellungen  auf  Luxus- 
karosserien verhältnismäßig  reichlich  eingingen,  ließen  von  da 
ab  die  Auftragseingänge  in  fast  allen  Fabriken  in  auffallender 
AVeise  nach.  Lediglich  die  russisohen  Orders,  welche  teilweise 
durch  die  Ausstellung  in  Petersburg  hereingekommen  w^aren  und 
auch  ihrerseits  wieder  Nachbestellungen  nach  sich  zogen,  dienten 
dazu,  um  Üie  hier  im  Inland  mangelnden  Aufträge  zu  ersetzen; 
aber  auch  nur  für  einige  wenige  Fabriken.  Naeh  Erledigung 
dieser  Bestellungen  trat,  w^ie  schon  gesagt,  eine  vollkom.mene 
Kühe  ein,  iind  nur  wenige  Aufträge  wurden  erteilt.  Ihren  Grund 
hat  diese  'Erscheinung  in  der  allgemeinen  ungünstigen  Greschäfts- 
lage,  deren  Folgen  sich  natürlich  zuerst  für  alle  diejenigen  In- 
dustriellen bemerkbar  'machen,  die  von  einem  gewissen  Luxus  in 
der  Lebenshaltung  ihrer  Abnehmer  abhängig  sind.  So  wurde 
zuallererst  natürlich  Üer  Bedarf  an  Luxusautomobilen  bzw.  -ka- 
rosserien  eingeschränkt,  und  begnügte  sich  mancher,  der  bei  eiaem 
guten  Geschäftsgang  vielleicht  eine  neue  Karos,serie  angesehafft 
hätte,  mit  'der  alten  und  ließ  nur  die  allemotwendigsten  Repa- 
raturen vornehmen.  'So  ist  im  allgemeinen  die  geschäftliche  Lag»e 
der  Karosseriefabriken  'sehr  ungünstig,  und  auch  noch  keine  Aus- 
sicht auJ'  eine  bessere  Zeit  vorhanden.  —  Das  Eindringen  der 
amerikanischen  "Wagen  hat  sich  weiter  durchgesetzt.  Eine  glx>ße 
Anzahl  Reflektanten  auf  deutsche  Wagen  und  somit  auch  deutsche 
Karosserien  wandte  sich  dem  amerikanischen  Fabrikat,  das  aller- 
dings billiger  ist,  aber  bei  weitem  nicht  die  lange  Lebensdauer 
des  deutschen  Fabrikates  hat,  zu,  wodurch  der  deutschen  Ka- 
rosserieiadustrie  eine  ganze  Anzahl  Aufträge  entgangen  ist. 
Femer  machte  sich  im  Geschäftsgang  der  deutschen  Karossiers 
der  Entschluß  der  deutschen  Motorfahrzeug-Industriellen  recht 
fühlbar,  die  die  Anfrage  des  Ministeriums,  ob  der  Veredelungs- 
verkehr für  ausländische  Chassis  zugelassen  werden  sollte,  ver- 
neinten. Eine  große  Anzahl  der  bekannten  italienischen  und 
schweizerischen  Chassisfabriken  lassen  z.  B.  ihre  Chassis  in  Bel- 
gien für  den  Export  karossieren,  und  der  Umsatz  in  diesem 
Teil  der  belgischen  Industrie  beläuft  sich  auf  über  10  Millionen 
Francs.  Von  den  Abnehmern  selbst  ist  aber  erklärt  w^orden,  daß 
das  deutsche  Fabrikat  dem  fremden  mindestens  gleichwertig*  sei, 
die  Unkosten  der  vom  Deutschen  Heich  veranlaßten  Verzollung 
der  Chassis  machen  die  deutsche  Konkurrenz  aber  leistungsun- 
fähig, und  dadurch  gehen  ihr  große  Werte  verloren.  Gerade 
jetzt,  wo  ^ier  der  Absatz  mangelt,  wäre  ein  Auslandsabsatz  sehr 
nötig.  —  In  den  Arbeiter-  und  Lohnverhältnissen  ist  keiae 
wesentliche  Veränderung  eingetreten.  Die  Löhne  sind  im  Stei- 
gen begriffen,  allerdings  nicht  mehr  in  der  rapiden  Art  wie 
vor  ein  oder  zwei  Jahren.  Zurzeit  ist  auch  hierin  ein^Stililstand 


164.   Fabrikation  von  Bierfässern.  527 

eing^etreten,  und  'es  mußten  infolge  der  geringen  BeschäftigtLag" 
sogar  Arbeitszeitverkürzungen,  'teilweise  sogar  Entlassungen  vor- 
genommen werden.  Eine  Preisveränd.erung  der  Materialien  ist 
nicht  eingetreten,  Wenigstens!  nicht  eine  solche,  daß  dadurch  eine 
Preisänderung  der  Fabrikate  dringend  nötig  wurde.  Leder,  Lack 
imd  Holz  bewegten  sich  in  langsam  aufsteigender  Linie,  wäh- 
rend Eisen   teilweise  niedriger  notierte. 

Zweiter  Bericht.  ZweiterBerloht. 

Zuerst  waren  es  die  politischen  Schwierigkeiten,  später  in 
noch  vermehrtem  Maße  der  fortgesetzt  hohe  Zinsfuß,  die  lähmend 
auf  das  Geschäft  im  Wagen  und  Karosseriebau  einwirkten.  Der 
Wagenbau  hat  fast  ganz  aufgehört,  wenigstens  soweit  es  sich  um 
Luxusequipagen  handelt.  Im  Karosseriebau  dürften  allgemein 
die  Aufträge  wohl  um  ein  Drittel  der  sonst  üblichen  Zahl  zurück- 
gegangen sein,  da  die  Anschaffung  neuer  Automobile  in  diesem 
Jahre  nachgelassen  hat.  Eine  Anzahl  Berliner  Firmen  der  Ka- 
rosseriebranche hat  den  Ausfall  der  Inlandaufträge  durch  Ge- 
schäfte nach  Rußland  decken  können.  In  Rußland  sind  deutsche 
Karosserien  sehr  angesehen  und  beliebt;  man  verlangt  selbst 
auf  französischen,  belgischen  und  italienischen  Chassis  deutsche 
Karosserien  und  nicht  diejenigen  der  Herkunftsländer  der  Chassis. 
Ein  großes  Hindernis  für  das  Geschäft  nach  Rußland  ist  der 
Kachteil,  daß  wir  in  Deutschland  keinen  zollfreien  Durchgang 
ausländischer  Chassis  durchsetzen  können,  wenn  diese  Chassife 
in  Deutschland  karossiert  werden.  Rußland  speziell  ist  für  den 
deutschen  Karosseriebau  ein  großes  Absatzgebiet;  auch  Süd- 
amerika ist  sonst  sehr  aufnahmefähig,  leider  lagen  im  Jahre  1913 
die  Geschäfte  dort  sehr  darnieder.  Das  deutsche  Geschäft  in  der 
Karosseriebranche  kann  nur  belebt  werden,  wenn  wir  dauernd 
niedrigere  Zinssätze  bekommen.  Der  inzwischen  herabgesetzte 
Bankdiskont  hat  das  Geschäft  noch-  nicht  belebt.  Zurzeit  be- 
stehen  in    fast    allen   Fabriken    Betriebseinschränkungen. 

164.  Fabrikation  von  Bierfässern. 

Der  flotte  Geschäftsgang  des  Jahres  1912  übertrug  sich  auch 
auf  das  erste  Halbjahr  des  Jahres  1913,  während  im  zweiten 
Halbjahr  die  Kachfrage  sehr  nachgelassen  hat,  was  darauf  z*u- 
rückzuführen  ist,  daß  auch  die  Brauereien  von  der  allgemeinen 
Depression,  unter  der  die  gesamte  Industrie  leidet,  in  Mitleiden-j 
Schaft  gezogen  sind,  und  daß  bei  Lagerfässern  die  Konkurrenz 
der  Metallgefäße  sich  immer  stärker  bemerkbar  macht.  Die 
Preise  für  Faßholz  sind  allerdings  nicht  weiter  gestiegen,  doch 
macht  die  Beschaffung  guten  Materials  immer  größere  Schwie- 
rigkeiten. Die  Preise  für  fertige  Fabrikate  lassen  sich  nur  schwer 
und  auch  nur  von  jenen  Firmen,  die  ein  anerkannt  gutes  Fabrikat 
auf  den  Markt  bringen,  auf  der  notwendigen  Höhe  halten,  da  durch 


528  X.    Holz    und   Holzwaren. 

die  geringe  Nachfrage  manche  kleinere  Fabriken  durch  großes 
Lager  in  fertigen  Gefäßen'  zu  Zwangsverkäufen  gezwungen  wer- 
den, was  von  den  Abnehmern  oft  zu  billigen  Einkäufen  benutzt 
wird,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  nicht  bald  erforderliche  Repara- 
turen den  Preis  der  billigeren  Fässer  wieder  erheblich  herauf- 
setzen. Die  Preise  für  Bandeisen  sind  in  den  letzten  drei  bis  vier 
Monaten  ziemlich  bedeutend  gefallen,  doch  herrschen  schon  wieder 
Kartellierungsbestrebungen,  so  daß  bald  von  neuem  das  frühere 
Preisniveau  erreicht  werden  dürfte.  Die  Arbeitslöhne  sind  in  den 
Tarif  Verhandlungen  im  Frühjahr  um  ca.  8  bis  10  o/o,  und  für  einige 
Dimensionen  noch  mehr,  erhöht  worden,  und  diese  Erhöhung 
muß  zum  allergrößten  Teil  von  den  Fabriken  allein  getragen 
werden,  da  sie  sich  nicht  auf  die  Abnehmer  abwälzen  läßt.  Die 
Aussichten  für  die  neue  Kampagne  sind  nicht  sonderlich  günstig, 
da  durch  die  schlechte  allgemeine  Lage  der  Industrie  der  Absatz 
nur  sehr  sch^wer  zu  halten  sein  wird,  wenn  er  nicht  sogar  zurück- 
geht. Allerdings  dürfte  durch  die  billige  Gerste  den  Brauereien 
besondere  Vorteile  geboten  werden,  die  durch  die  gegen  das 
Vorjahr  höheren  Hopfenpreise  voraussichtlich  nicht  aufgehoben 
werden.  Viel  hängt  auch  von  den  Sommermonaten  ab,  in  denen 
andauernde  schöne  Tage  den  Bierkonsum  sehr  fördernd  beein- 
flussen. Der  Sommer  1913  hat  hierin  die  Erwartungen  sehr  ent- 
täuscht. Bei  einem  heißen  Sommer  können  also  die  Brauereien 
auf  ein  halbwegs  erträgliches  Jahr  rechnen,  was  natürlich  in  der 
Folge  von  großer  Wichtigkeit  für  die  Faßfabrikation  wäre. 

165.  Goldleistenf abr ikation. 

r 

Die  ungünstige  Wirtschaftslage  im  verflossenen  Jahr  ist 
auch  auf  die  Goldleistenfabrikation  nicht  ohne  Einfluß  geblieben. 
Die  kriegerischen  Ereignisse  auf  dem  Balkan  haben  den  Export 
nach  diesem  Gebiet  fast  gänzlich  brach  gelegt.  Ferner  haben  die 
schlechten  Verhältnisse  auf  dem  Geldmarkt  nicht  nur  auf  den 
Absatz  nach  anderen  Ländern  lähmend  eingewirkt,  sondern  auch 
auf  dem  inländischen  Markte  zur  Einschränkung  des  Kredites 
gezwungen  und  damit  eine  Verminderung  des  Umsatzes  zur  Folge 
gehabt.  Ebenso  war  der  Absa/tz  in  Tapetenleisten  in  diesem  Jahre 
außergewöhnlich  gering,  was  auf  die  Krise  in  der  Bautätigkeit 
zurückzuführen  ist.  Es  kann  demnach  die  Beschäftigung  der 
Goldleistenf abrikation  im  Jahre  1913  nur  als  recht  mittelmäßig 
bezeichnet  werden.  Die  Branche  liegt  sehr  darnieder,  und  eine 
Besserung  dürfte  in  absehbarer  Zeit  kaum  zu  erwarten  sein.  Wir 
haben,  abgesehen  von  den  im  letzten  Jahre  noch  hinzugetretenen 
ungünstigen  Umständen,  die  allgemeinen  Gründe  für  diese  Er- 
scheinung in  früheren  Berichten  eingehend  klargelegt.  Ganz 
besonders  haben  wir  wiederholt  betont,  und  möchten  dies  auch 
diesmal    nicht    unterlassen,    daß    bei   Abschluß    der   bestehenden 


167.   Holzpflasterfabrikation.  529 

Handelsverträge  die  Interessen  unserer  Branche  gänzlich  unbe- 
rücksichtigt gelassen  wurden  und  daß  bei  den  bevorstehendedl 
neuen  Abschlüssen  auf  sie  unbediagt  Rücksicht  genommen  werden 
muß,  um  dem  Eabrikationszweige  die  Lebensfähigkeit  auf  dem 
AVeltmarkt  zu  erhalten. 


166.  Kistenfabrikation. 

Die  Beschäftigung  in  der  Kistenfabrikation  war  im  ver- 
flossenen Jahre  sehr  mäßig,  da  die  Krisis  des  vorangegangenen 
Jahres  auch  in  diesem  Jahre  fast  bis  zu  Ende  anhielt.  Trotz  des 
schlechten  Geschäftsganges  haben  sich  niedrigere  Einkaufspreisie 
bei  Kistenbrettern  nicht  erzielen  lassen,  weil  die  Mühlen  schon 
infoige  der  vorjährigen  schlechten  Geschäftslage  diese  Gattung 
Ware  bedeutend  weniger  produzierten  und  somit  ein  übergroßes 
Angebot  darin  nicht  vorlag.  Mithin  war  auch  auf  dieser  Seite 
der  Branche  ein  Erfolg  zur  Verbesserung  der  Lage  nicht  zu  er- 
reichen. Ebenso  ungünstig  in  bezug  auf  Beschäftigung  und  Ein- 
kauf sind  auch  die  Aussichten  für  das  Jahr  1914,  und  falls  nicht 
bald  eine  Besserung  der  allgemeinen  Geschäftslage  eintritt,  dürfte 
es  in  der  Branche  trostlose  Zeiten  geben. 

167.    Holzpflasterfabrikation. 

Der  Bedarf  an  Holzpflaster  hat  im  Berichtsjahre  eine  erfreu- 
liche Steigerung  erfahren,  was  wohl  in  erster  Linie  darauf  zurück- 
zuführen ist,  daß  auf  dem  Internationalen  Straßenbau-Kongreß  in 
London  die  Holzpflasterfrage  eine  durchaus  günstige  Beurteilung 
gefunden  hat.  Die  guten  Erfahrungen,  die  mit  unter  Hochdruck 
imprägnierten  nordischen  Kiefernhölzern  in  England  gemacht 
worden  sind,  gaben  in  Deutschland  den  städtischen  Baubehörden 
Veranlassung,  größere  Ausführungen  in  Auftrag  zu  geben.  Auch 
die  Holzpflasterungen  im  Straßenbahnkörper  haben  sich  weiter 
gut  bewährt  und  haben  sehr  an  Ausdehnung  zugenommen.  Die 
Verwendung  von  australischem  Hartholz  hat  fast  ganz  aufgehört, 
da  die  Mißerfolge  in  den  letzten  Jahren  sich  ständig  gemehrt 
haben.  Die  Hohmaterialpreise  in  Schweden  sind  wieder  gestiegen. 
Ebenso  haben  die  Preise  für  Teeröl,  Pech  und  Teer  eine  bedeutende 
Steigerung  erfahren.  Durch  die  Mehraufwendungen  an  Im- 
prägnieröl  und  die  Kosten  der  Hochdruckimprägnierung  war  auch 
eine  Erhöhung  der  Verkaufspreise  bedingt.  Die  Pflasterungen 
von  Fabrik-  und  Innenräumen  haben  bedeutend  an  Umfang  zu- 
genommen. Das  dafür  verwendete  inländische  Holz  war  infolge 
Xiederliegen  des  Baumarktes  billiger  angeboten  als  in  den  Vor- 
jahren. Arbeitskräfte  waren  genügend  angeboten,  und  die  Löhne 
blieben  gegen  das  Vorjahr  meist  unverändert.  Für  das  neue  Jahr 
sind  die  Aussichten  nicht  ungünstig. 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  34 


530  XI.    Grundstückshandel   und   Hypotheken. 

168.  Kinderwagen. 

Die  Beschäftigung  in  der  Kinderwagenfabrikation  war  auch 
im  verflossenen  Jahre  lebhaft.  Zu  Beginn  der  Saison  war  die 
Nachfrage  derartig  stark,  daß  die  während  der  stillen  Zeit 
auf  Lager  gearbeiteten  Vorräte  in  kurzer  Zeit  vergriffen  waren. 
Da  der  Kinderwagen  als  Konsumartikel  iminer  mehr  den  Schwan- 
kungen der  Mode  unterliegt,  so  begnügen  sich  auch  die  Familien 
der  ärmeren  Klassen  tai'eist  nicht  mit  einem  Kinderwagen  für 
ihren  Nachwuchs,  sondern  sind  zu  Neuansdhaffungen  besonders 
geneigt.  Dieser  Umstand  komlnt  der  Kinderwagenindustrie 
•natürlicherweise  zugute.  Die  vor  einigen  Jahren  auf  den  Markt 
gebrachten  Klappwagen  erfreuten  sich  zum  Nachteil  der  eigent- 
lichen Liegewagen  einer  auffälligen  Bevorzugung,  weil  sie  nicht 
nur  billiger,  sondern  infolge  ihrer  konstruktiven  Eigenart  leicht 
zu  handhaben  waren  und  wenig  Platz  beanspruchten.  Da  diese 
Gattung  von  Fahrzeugen  fälschlicherweise  oft  auch  gleichzeitig 
als  eigentliche  Liegestätte  für  Neugeborene  benutzt  wurde,  'wurde 
von  Seiten  der  Fabrikation  aufklärend  auf  den  Zweck  dieser 
nur  füi"  vorübergehenden  Aufenthalt  bestimmten  Wagen  hin- 
gewiesen und  die  Bedeutung  des  eigentlichen  Liegewagens  her- 
vorgehoben. Die  nach  dieser  Richtung  zielenden  Bestrebungen 
sind  nicht  ohne  Erfolg  geblieben,  denn  die  Nachfrage  nach  den 
früher  ausschließlich  verwendeten  Liegekinderwagen  hat  sich 
wieder  'wesentlich  gesteigert.  —  Ein  besonderer  Saisonartikel 
sind  die  Puppenwagen,  die  zum  großen  Teil  in  völlig  gleicher 
Weise  hergestellt  und  ausgestattet  werden,  wie  die  eigentlichen 
Kinderwagen,  und  die  sich  namentlich  um  die  Weihnachtszeit 
als  Geschenkartikel  einer  mehr  und  mehr  gesteigerten  Beliebt- 
heit erfreuen^  Während  die  besseren  Modelle  in  den  wohl- 
habenden Kreisen,  namentlich  der  Großstadt,  besonders  begehrt 
werden,  verlangen  die  Spezialgeschäfte  der  Kleinstadt,  durch 
die  auch  die  Abnehmer  auf  dem  Lande  versorgt  werden,  nach 
wie  vor  in  großen  Mengen  die  einfacher  ausgestatteten  Puppen- 
wagen. 


XI.  Grundstückshandel  und  Hypotheken. 

169.   Grundstückshandel  und  Hypotheken. 

Diem  Jahresbericht  des  VereLasi  Berliner  Grundstücks-  und 
Hypothbken- Makler  zu  Berlin  entnehmen  wir  für  den  Grund- 
besitz  und  Hypothekenverkehr   folgende  Angaben: 

ünse.'  diesjähriger  Bericht  könnte  in  seinem  allgemeinen  Teil 
ein.  Stimmungsbild  für  ganz  Deutschland  abgeben.  Aus  allen 
Gauen   des  Reiches    treffen   die   gleich  ungünstigen   Nachrichten 


169.   Grundstückshandel  und  Hypotheken.  531 

über  den  Niedergang  des  Immobilien-Marktes  ein,  und  ist  dies  die 
zweifellose  Folgt^.  einer  zentralen  Ursaebe.  Ueberall  Rückgang 
der  Umsätze,  vielf aeb'  aucb  der  Preise,  Hypotbekennot  imd  die 
damit  verknüpfte  Zunabine  der  Subbastationen.  Es  liegt  klar 
auf  der  Hand,  daß  die  Sebwere  der  Gesetzgebung  in  erster  Liaie, 
dann  aber  aacb  die  weiter  unten  erwäbnte  Verteuerung  und 
Schwierigkeit  die  Hypotbeken-Bescbaffung  die  Krisis  im  Grund- 
Btücks-  und  Hypotbeken-Gesebäft  verursacht  bat.  Diesmal  ist 
es  nicb't  der  w^bselw irkende  Kreislauf  von  Hypotheken-  und 
Grundstücksverkebr,  sondern  jeder  einzelne  dieser  Geschäfts- 
zweige liegt  unabhängig  von  einander  darnieder;  ein  Zusammen- 
treffen, welches  den  Gesamtmarkt  doppelt  erschüttern  mußte.  Man 
müßte  doch  annehmen,  daß  in  einem  Jahr  industrieller  Hoch- 
konjunktur, welche  bis  fast  über  die  erste  Hälfte  dieses  ßeriöhts- 
jahres  anhielt,  normalerweise  auch  das^  Baugewerbe  und  der 
Grundstücks-  und  Terrainhandel  hätte  blühen  müssen.  D'uröh  das 
Gegenteil  ist  unumstößEch  der  Beweis  erbracht,  daß,  wenn  auch 
in  Gemeinschaft  mit  den  schlechten  Geldverhältnisßen,  doch  in 
der  Hauptsaehe  ein  so  hervorragender  Geschäftszweig  wie  der 
Immobilienverkehr  durch  eine  unsachgemäße  gesetzliche  und 
steuerliche  Politik  erdrückt  wurde.  Der  Grundbesitz,  welcher 
den  größten  und  unbeweglichen  Teil  unseres  Nationalvermögens 
darstellt,  bildet  eine  der  wichtigsten  Grundsäulen  unseres  Wohl- 
standes. AYenn  daher  einstimmig  aus  allen  Städten  Deutschlands 
ein  Notschrei  der  reellen  Hausbesitzer  ertönt,  welche  (besondersi 
dem  Mittelstand  angehörend)  die  Lasten  und  Bürden  kaum  mehr 
ertragen  können  und  um  ihren  Besitz  kämpfen,  so  sind  wir  in 
erster  Linie  berufen,  denselben  in  ihrem  Kampfe  beizustehen. 
Wir  haben  begründete  Aussiebt,  daß  eä  uns  in  Gemeinschaft  mit 
anderen  Interessentengruppen  gelingen  wird,  das  Ohr  des  Ge- 
setzgebers zu  erreichen,  um  wenigstens  die  notwendigsten  Er- 
leichterungen und  dadurch  auch  wieder  die  Hebung  des  Marktes 
blerbeizuführen.  Die  durch  den  Reichstag  erfolgte  Abänderung 
des  Refcbszuwacbsisteuer-Gesetzes  bildet  ja  schon  einen  kleinen 
Lichtblick,  kajin  aber  erst  dann  zu  einer  eingreifenden  Besse- 
rung führein,  wenn  den  Kommunen  eine  für  den  Grundbesitz  er- 
träglicbto  Steuergrenze  gesetzt  wird.  Unter  den  beschriebenen  Um- 
ständen kann  es  nicht  verwundem,  wenn  die  Abschlüsse  fast 
sämtlicher  Terrain-Gesellschaften  unter  der  mißlichen  Lage  leiden, 
und  dieselbe  mehr  oder  minder  gleichlautend  in  allen  Geschäfts- 
berichten geschildert  haben.  Es  ist  allerding*s  dabei  zu  bemerken, 
daß  eine  Anzahl  unbegründeter  und  daher  ohnehin  nicht 
prosperierender  Gesellschaften  die  schlechte  Situation  des  Marktes 
als  willkommenen  Vorwand  für  üire  erhöhten  Unterbilanzen  be- 
nutzten. Die  Riesen-Umsätze  früherer  Jahre  in  der  Berliner  City 
haben  jetzt  einem  ruhigen  Geschäft  Platz  gemacht.  Die  Expan- 
sionslust und  -Fähigkeit  der   großen   Ge^häftsfirmen  sind  zum 

34* 


532 


XI.    Grundstückshandel   imd   Hypotheken. 


ZwangsveV' 
Steigerung«' 


Umsätze/ 


Stillstand  gekommen,  und  auch^  die  Spekulation  ist  dem  Grund- 
s  tücksverkehr  ferngeblieben.  Ebensowenig  sind  in  den  neuen 
westlichen  Geschäftsstraßen  weitere  Steigerungen  eingetreten^ 
Die  Umsätze  haben  sich  auch  hier  wesentlich  verringert.  Zu- 
folge der  ^schilderten  mißlichen  Situation  des  Gesamtmarktes 
und  der  vielseitigen  Bedrängnis  des  Grundbesitzes,  insbesondere 
durch'  die  erhöhte  Zinsenlast  konnte  es  nicht  ausbleiben,  daß  ein 
AVertrückgan^  in  Hausgrundstücken  eintrat,  der  noch  durch  die 
zahlreichen  Subhastationen  gefördert  wurde.  Wenn  sich  aucTi  die 
Mietverhältnisse  durch  die  Verminderung  der  leerstehenden  Woh- 
nungen und  den  Eückgang  der  Bautätigkeit  gebessert  haben,  so 
wiegt  dieser  Umstand  allein  doch  lange  nicht  die  übrigen  Mi- 
seren auf.  Die  schwere  und  teure  Hypothekenbeschaffung,  die 
bereits  erwähliten  Steuerlasten,  femer  der  immer  noch  genügende 
Ueberfluß  an  leeren  Wohnungen  und  schließlich  das  Bestreben 
des  Publikums,  sich  einzuschränken,  haben  in  allen  Stadtteilen 
Angebote  von  Häusern  zu  billigen  Preisen  hervorgerufen.  Hin- 
zu kommt  noch,  daß  häufig  bei  Zwangsversteigerungen  die  Grund- 
stücke für  die  ersten  Hj^potheken  ersteigert  wurden,  da  die  zur 
zweiten  Stelle  stehenden  Gläubiger  von  dem  Erwerb  Abstand 
nehmen  mußten,  weil  sie  nicht  in  der  Lage  waren,  die  Aufwen- 
dungen für  rückständige  Zinsen  und  BesitzWedhselabgaben  auf- 
zubringen, zumal,  wenn  über  die  Mieten  auf  viele  Quartale  hin- 
aus anderweitig  verfügt  war.  Alle  diese  Umstände  übten  einen 
Druck  auf  die  merkantilen  Grundstückswerte  aus'.  Wäre  es  mög- 
lich, das  immobile  Vermögen  kursmäßig  auszudrücken,  so  würden 
hierbei  starke  Kurseinbußen  zutage  getreten  sein.  Bei  den  vielen 
ungünstigen  Einzelheiten  konnte  es  nicht  ausbleiben,  daß  sich' 
zahlreiche  Insolvenzen  einstellten,  welche  zuweilen  den  Markt 
zu  ersdliüttern  drohten.  Am  deutlichsten  wird  das  Bild  des 
Marktes  in  den  großen  Kursrückgängen  fast  aller,  an  deutsdhen 
Börsen  notierten  Grundstücks-  und  Terrainwerte  widergespiegelt. 

Die  Zahl  der  in  nachfolgender  Tabelle  aufgeführten 
Zwangsversteigerungen  hat  zwar  numerisch  gegen  das  Vor- 
jahr abgenommen,  jedoch  ist  das  Ergebnis'  gegen  normale  Jahre 
immer  noch  erschreckend  hoch.  Das  einzige  Erfreuliche  an  der 
Situation  der  Immobilienbranche  ist  neben  der  Besserung  des 
AVohnuLgsmarktes  die  diesjährige  Verbesserung  der  Verkehrs- 
verhältnisse der  trotz  allem  rastlosen,  wenn  auch  gehemmten  Ver- 
größerung Groß-Berlins.  Die  Hoch-  und  Untergrundbahn  hat  sich 
sowohl  nach  Norden  als  auch  nach  Westen  beträchtlich  ausge- 
delmt.  Mit  der  Elektrisierung  der  Stadtbahn  wird  begonnen, 
ebenso  mit  dem  Bau  der  Nord-Süd-  und  Ost-Westbahii. 

Der  Eückgang  der  Gesamt-Umsätze  für  Groß-Berlin  war 
g'-ewaltig.  Sie  betrugen  laut  endstehender  Tabelle  462,38  Mill. 
Mark  gegen  629,80  Mill.  Mk.  im  Vorjahre  und  688,21  MilL 
Mark   im   Jahre    1911.    Wir   konnten   daher  einen   kaum   jemals 


169.  Grundstückshandel  und  Hypotheken. 


533 


dagewesenen   Umsatz-Rückgang   von    ca.    167,40    Mill.    Mk.    fest- 
stellen. 

Tab.  14a     Freiwillige  Veräusserungen  bebauter  und  unbebauter  Grundstücke 


in  Tausend  Mark: 


Berlin     .     .     . 
Charlottenburg 
Schöneberg 
"Wilmersdorf 
Neukölln     . 
Steglitz  .     . 
Pankow  .     . 


1907 
569  150 
137  398 
55  712 
55  120 
76  714 
25  683 
11  747 


1908 

309  879 

96  436 

51530 

44  995 

45  410 
15  206 

7  476 


1909 

383  294 

116  991 

81582 

63  141 

42  439 

21442 

7  210 


1910 
400  482 
110312 
36  805 
69  068 
34  733 
33  427 
13  051 


1911 

290  126 
78  395 
45  014 
44  705 
32  026 
25  203 
13  169 


1912 
295  240 
85  834 
23  879 
31183 
22  777 
12  041 
5  865 


1913 
190  772 
40  587 
13  596 
31091 
16  158 
K)132 

2  825 


931524     570  93J     716  099     697  878     624  923     476  819     305  161 

mithin   sind   die   Umsätze  im  JaJire   1913   gegen  das   JaJir   1907 
woa.  626  363  000  Mk.  =  66  o/o  zurückgegangen. 

(Die  Differenz  bei  den  Zahlen  gegen  früher  rührt  daher,  daß  bei  den 
früheren  Zusammenstellungen  für  Berlin  der  Gesamtumsatz  einschließlich 
der  Vererbungen  in  Ansatz  gebracht  wurde.) 

Die  Zwangsversteigerungen  zeigen  aber  im  Jahre  1913  gegen 
daÄ  Jahr  1907  eine  Zunahme  von  nicht  weniger  als  190  o/o. 

Tab.  144.     Zwangsversteigerungen  bebauter  und  unbebauter  Grundstücke 
(für  die  Zeit  vom  1.  Oktober  bis  30.  September)  in  Tausend  Mark: 


1907 

1908 

1909 

1910 

1911 

1912 

1913 

Berlin  .     .     .     .  36  445 

62  130 

72  365 

72  173 

68  642 

92  139 

134  208 

Charlottenburg  18  725 

21593 

18  604 

15  761 

25  503 

25  167 

34  274 

Schöneberg      .     5 195 

6  167 

3  770 

5  666 

8  450 

14  045 

17  427 

Wilmersdorf    .  11688 

15  880 

20  344 

16  287 

20  781 

32  169 

22  553 

Neukölln      .     .  14  831 

23  412 

19  241 

21552 

28  073 

30  759 

25  584 

Steglitz  ' .     .     .     1 009 

5  693 

3  305 

3  390 

7  570 

16  198 

19  493 

Pankow  .     .     .     3  024 

3  897 

2  785 

7  689 

8  630 

12  812 

7  991 

zusammen  90  917 

138  772 

140  414 

142  518 

167  622 

221  289 

261  530 

Zunahme  im  Jahre  1913  seit  1907  um  170  613  000  Mk. 


190  Vo- 


Wir  haben  bis  Ende  1913  die  folgende  Anzahl  der  Zwangs- 
versteigerungen  festgestellt : 


1911 

1912 

1913 

Amtsgericht 

Berlin-Mitte 205 

272 

294 

« 

Berlin -Wedding    . 

212 

207 

195 

n 

Berlin-Tempelhof  . 

12 

35 

48 

„ 

Berlin-Schöneberg 

150 

236 

138 

Weißensee     .     .     . 

47 

38 

45 

V 

Lichtenberg  .     .     . 

178 

132 

186 

Groß -Lichterfelde  . 

74 

109 

110 

Pankow     .... 

105 
193 

119 
289 

79 

n 

Charlottenburg.     . 

215 

Neukölln 

181 

281 

151 

1357        1718        1461 


Dies  ergibt  eine  Verminderung  von  257  Zwangsversteigerun- 
g&n.  gegen  1912. 

Nach  den  Veröffentlichungen  des  Statistischen  Amts  der 
Stadt     Berlin     betrug     die     Zahl     der     Rohbauabnahmen     vom 


Berlin. 


534 


XI.    Grundstäckshandel   und   Hypotheken. 


Charlotten 
bürg. 


1.  Okt.  1912  bis  1.  Okt.  1913  397  (1911/12  563).  Es'  wurden  948 
(1911/12  1276)  Bauscheine  und  3593  (1911/12  3541)  Baugenehmi- 
gungen erteilt,  von  denen  678  (1911/12  1622)  Neubauten  betrafen. 
Gebrauchsfertig  wurden  332  (1911/12  374)  Häuser.  Hierduroh 
wurden  5165  (1911/12  5749)  Wohnungen  mit  10  296  (1911/12 
12186)  Zimmern  neugeschaffen.  Läden  wurden  676  (1911/12  725) 
fertiggestellt.  Die  Zahl  der  Abbruche  betrug  116  (1911/lä  i29), 
die  1013  (1911/12  1231)  Wohnungen  mit  2463  (1911/12  3227) 
Zimmern  enthielten.  Auch  aus  dieser  Zusammenstellung  ergibt 
sich,  daß,  von  ^Umbauten  und  kleinen  Bauarbeiten  abgesehen, 
die  eine  Zunahme  ^aufweisen,  sich  der  Baumarkt  erheblich  ver- 
schlechtert hat.  Hierdurcli  wurde  natürlicherweise  das  Woh- 
nungsangebot geringer,  denn  es  wurden  gegen  1911/12,  unter 
Berücksichtigung  der  Abbruche,  im  Berichtsjahre  366  Wohnungen 
mit  1126  Zimmern  weniger  als  im  Vorjahre  fertiggestellt. 

Besonders  sind  in  Charlottenburg  die  freiwilligen  Verkäufe 
um  tiber  50  o/o  gesunken,  während  die  Bietungsbeträge  der  Zwangs- 
verkäufe um  tiber  33  o/o  stiegen.  Infolge  der  großen  Einschrän- 
kung der  Bautätigkeit  ist  das  Wohnungsangebot  wiederum 
günstiger  geworden,  da  nach  den  Ergebnissen  der  letzten  Zahlung 
am  7.  November  1913  nur  2,7  o/o  aller  Wohnungen  leer  standen. 
Von  den  Zweizimmerwohnungen  sind  nur  1,34  o/o  unvermietet 
geblieben. 


Tab.  145. 


Wohnungsstatistik  für  Charlottenburg. 

Anzahl  der  Wolinungen  am  7.  November  1913  nach  der  Zimmerzahl« 


Jahr 


1  Zimmer  1  Zimmer 
|i  0.  Küche  m.  Küche 


2  Zimmer 
0.  Küche 


2  Zimmer 
m.  Küche 


3  Zimmer  4  Zimmerjö  Zimmer  6  Zimmer!  mehr  als 
m.  Küche  m.  Küche  m.  Küche  m,  KücheiG  Zimmer 


Wohnunge: 
überhaupt 


1912  w 

1913  1 

1912    !l 
1913 


1270       15  334 


160       26  811 


15  388        8070 


5188 


3414        5974 


36 


149 


Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen 
361  (=1.347o)  I  _32%/^ 


316 


323 


282 


381 


81609 


2205 
2,7  7. 


Zahl  der  vorhandenen  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  7339:  davon  leer  352  =  4,7  7o- 


Die  Weiterentwic;klung  des  Stadtbildes  ist  durch  die  man- 
gelnde Bautätigkeit  gehindert  worden,  auch  von  selten  der  Stadt 
wurden  nur  wenige  Straßen  anbaufähig  hergestellt.  Die  wichtige 
Verlängerung  der  Windscheidstraße  über  den  Bahnhof  Charlotten- 
burg hinaus  ist  in  Angriff  genommen,  ebenso  der  Bau  des  Bahn- 
hofs AVitzleben.  Die  Eröffnung  des  erweiterten  Untergrundbahn- 
hofes Wittenbergplatz  und  der  kurzen  Strecke  bis  zur  Uhland- 
straße  ist  freudig  begrüßt  worden.  Andere  bedeutende  Verkehrs- 
verbesserungen sind  in  Westend  beabsichtigt,  die  gleichzeitig  mit 
der  Regulierung  der  Straßen  9  g  und  5  a  bewirkt  werden  sollen. 
Vom  Bahnhof  Jungfemheide  wurde  eine  Straßenbahnlinie  durdi 
den  Nonnendamm  verlängert,  so  daß  auch  dieser  Teil  CharlottÄU- 
burgs  die  nötige  Verkehrsverbindung  erhielt.    Die  in  den  letzten 


169.   Grundstücksliandel  und  Hypotheken. 


S35 


Jahren  beobachtete  AYert^teigerimg  der  Grundstücke  am  Kur- 
fürstendamm ist  sehr  ins  Stocken  geraten,  weil  durch  den  Nieder- 
gang der  Konjunktur  die  Kauflust  nachgelassen  hat. 

Der  Rückgang  am  l^umarkt  (25  Bauscheine  gegen  67-1912 
tmS  35  Gebrauchsabnahmen  gegen  72-1912)  sowohl,  'wie  auch 
der  Minderumsatz  am  Grunds tücksmarkt  tritt  in  Berlin- Schöne- 
berg recht  deutlich  zutage.  Hierzu  kommt  eine  Steigerung  der 
Zwangsversteigeriuigsergebnisse  um  24 V2  ^/o  der  vorjährigen 
Summe.  Der  Wohnungsmarkt  hat  sich  etwas  günstiger  gestaltet, 
und  besonders  ist  das  Angebot  in  kleineren  AVohnungen  geringer 
sreworden. 


Schöneberg 


Wohnungsstatistik  für  Schöneberg. 

Anzahl  der  Wohnungen  am  11.  Mai  1913  nach  der  Zimmerzahl. 


Jahr 


1  Zimmer 
0.  Küche 


1  Zimmer     2  Zimmer 
m.  Küche      m.  Küche 


3  Zimmer    4  Zimmer 
m.  Küche    m.  Küche 


5  Zimmer 
m.  Küche 


6  Zimmer 
m.  Küche 


mehr  als    Wohnungen 
6  Zimmer     überhaupt 


1912 
1913 

1912 
1913 


26  713  15  266  8180 

Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 
275  380  195  239      |       249       j       151 


129 


50  159 


1626 
3,2  7o 


Die  Feststellung  der  vorhajidenen  Wohnungen  hat  stattge- 
funden nach  kleinen  (bis  2  Zimmern),  mittleren  (3—1  Zimmern) 
und  größeren  (5  und  mehr  Zimmern)  Wohnungen.  Eine  getrennte 
Auszählung  der  Wohnungen  mit  und  ohne  Gewerberäume  ist 
nicht  vorgenommen.  Die  Stadtverwaltung  hat  einige  neue  Straßen 
fertiggestellt,  n.  ,a.  die  Ceciiliengärten,  wo  es  aber  bisher  nicht 
möglich  war,  auch  nur  einen  Neubau  zu  errichten.  Das  Süd- 
gelände  an   der   Rubensstraße  wird   jetzt  in  Angriff  genommen. 

Bedeutende  Verkehrsverbesserungen  hat  in  diesem  Jahre 
Berlin-W^ilmersdorf  aufzuweisen.  Die  Eröffnung  der  Untergrund- 
bahn bis  Dahlem  hat  dem  Verkehr  einen  neuen  Impuls  gegeben 
und  zahlreiche  Aenderungen  und  Neuerungen  von  Straßenbahn- 
linien sind  von  den  Bewohnern  als  Verkehrserleichterung  an- 
genehm empfunden  worden.  Auch  die  Freigabe  des  Joachimsthaler 
Parkes  ist  als  eine  erfreuliche  Tatsache  zu  verzeichnen.  Dagegen 
ist  das  Projekt  des  Krankenhausbaues  hinausgeschoben  worden 
und  dafür  eine  gemeinsame  Benutzung  des  Auguste- Viktoria- 
Krankenhauses  mit  Schöneberg  geplant.  Der  Seepark  ist  in  Angriff 
genommen  worden.  Obgleich  die  Bautätigkeit  auch  in  Wilmers- 
dorf erheblich  nachgeladen  hat  (61  Bauscheine  gegen  119-1912 
und  89  Gebrauchsabnahmen  gegen  156-1912)  ist  der  Grundstücks- 
umsatz nicht  schlechter  geworden,  und  zwar  sowohl  in  bebauten 
wie  auch  in  unbebauten  Grundstücken.  Auffallend  und  erfreulich 
ist  der  erhebliche  Rückgang  in  der  Zahl  und  der  Summe  der 
Zwangsversteigerungen. 


Wilmersdorl 


536 


XL    Grundstückshandel   und   Hypotheken. 


Tab.  147. 

Wohnungsstatistik  für  Wilmersdorf. 

Anzahl  der  Wohnungen  am  20.  Mai  1913  nach  der  Zimmerzahl. 

Jahr 

1  Zimmer      !     1  Zimmer 
o.  Küche      1     m.  Küche 

2  Zimmer 
m.  Küche 

3  Zimmer 
m.  Küche 

4  Zimmer 
m.  Küche 

5  Zimmer 
und  mehr    . 

Wohnungen 
überhaupt 

1912 
1913 

•     4                  3366 

10  060 

7531 

5168 

10  069 

36  198 

Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 

Uli      II  4  I  38  I         214         I         331         |         322         j  846        |      ^^^^^^^ 

Zahl  der  vorhandenen  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  2865;  davon  leer  400. 
Zahl  der  vorhandenen  Gewerberäume  ohne  Wohnung  1613;  davon  leer  316. 


Friedenau. 


Wie  aus  umseitig^er  Aufnahme  zu  ersehen  ist,  sind  im  Berichts- 
jahre 1834  "Wohnungen  mehr  entstanden,  dagegen  ist  das  Ang'ebot 
trothdem  um  865  geringer  geworden,  so  daß  sich  der  Prozent- 
satz  von  7,6   auf  4,84  o/o    verringerte. 

Auch  in  Berlin-Friedenau  fiel  das  AVohnungsangebot  erheb- 
lich, von  5,37  auf  2,29  o/o. 


Tab.  148. 


Wohnungsstatistik  für  Friedenau. 

Anzahl  der  Wohnungen  nach  der  Zimmerzahl. 


Jahr 

1  Zimmer 
0.  Küche 

1   Zimmer 
m,   Küche 

2  Zimmer 
m.  Küche 

3  Zimmer 
m.  Küche 

4  Zimmer 
m.  Küche 

5  Zimmer 
m.  Küche 

6  Zimmer 
m.  Küche 

mehr  als 
6  Zimmer 

Wohnungen 
überhaupt 

1912 
1913 

— 

1048 

4253 

3389 

2339 

1238 

479 

257 

13  003 

Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 

\m     I        -       I        22       I        39       I        52       I        81       I        56       I        32       I        16       I     ^J««^^ 

Zahl  der  vorhandenen  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  654;  davon  leer  38. 
Zahl  der  vorhandenen  Gewerberäume  ohne  Wohnung  einschl.  Lagerräume  629;  davon  leer  118. 


Schmargen- 
dorf. 


Grunewald- 
Dahlem. 


Wie  schon  im  vorjährigen  Bericht  gesagt  wurde,  felilten 
uns  für  1912  die  statistischen  Zahlen  für  die  Grundstücksumsätze, 
so  daß  ein  Vergleich  derselben  unmöglich  ist.  Gegen  1911  und 
1910  sind  sie  erheblich  zurückgegangen,  und  dag-egen  sind  die 
Zwangsversteigerungen  bebauter  Grundstücke  sehr  g-estieg'en.  Den 
Umsätzen  unbebauter  Flächen  sind  dadurch  Schranken  gesetzt, 
daß  das  bebauungsfähige  Terrain-Areal  sich  in  Friedenau  sehr 
vermindert  hat.  Die  Gemeinde  beabsichtigt  den  Bau  eines  Rat- 
hauses an  der  Ecke  der  Nied-  und  Lauterstraße. 

Die  vorjährige  Erhöhung  der  Zahl  der  Zwangsversteigerungen 
in  Berlin-Schmargendorf  ist,  nachdem  die  zweifelhaften  Bauherren 
mehr  oder  weniger  ausgemerzt  sind,  wieder  zurückgeg-angen,  so 
daß  sich  die  Lage  des  Grundstücksmarktes  dort  gebessert  hat.  Der 
Baumarkt  ist  nicht  erheblich  schlechter  geworden. 

Unabhängig  von  der  schlechten  Tendenz  des  Grundstücks- 
marktes  verlief  das  Geschä4ft  in  Berlin-Grunewald  und  Berlin- 
Dahlem,  welche  sich  weiter  der  Beliebtheit  vieler  Ansiedler  er- 
freuten, die  dort  Landhäuser  errichteten. 


169.   Grundstückshandel  und  Hypotheken. 


537 


Das  Gnuidstücksgeschäft  in  Berlin- Steglitz  hat  in  unbebauten  stegUtz. 

Grundstücken  eine  Vergrößerung  des  Umsatzies  erfahren,  was 
wohl  den  Käufen  der  Berlin- Steglitzer  Stadtpark  Terrain-Gesell- 
schaft zuzuschreiben  ist.  Recht  bemerkbar  ist  das  Anziehen  der 
Wohnungspreise  gewesen,  eine  Folge  des  durch  den  Rückgang 
der  Bautätigkeit  geringeren  Angebots.  Das  Ergebnis  der  letzten 
Wohnungsstatistik  vom  Dezember  1913  steht  noch  nicht  fest 
Wie  sich  indes  jetzt  schon  überblicken  läßt,  hat  die  Zahl  der 
leerstehenden  Wohnungen  weiter  erheblich  abgenommen.  Während 
noch  im  März  1913  5,70  o/o  sämtlicher  Wohnungen  leerstanden, 
dürfte  das  Wohnungsangebot  jetzt  das  normale  Maß  (3  o/o)  nicht 
übersteigen.  Die  Gemeinde  hat  im  Laufe  des  letzten  Jahres 
größere  Terrainkäufe  im  Werte  von  über  6  Mill.  Mk.  getätigt. 
Die  Verlängerung  der  Straßenbahnlinien  87  und  61  durch  die 
Bismarckstraße   ist  in   baldiger  Aussicht. 

AViederum  konnte  sich  Berlin-Lankwitz  stetiger  Weiterent-         Lankwitz. 
Wicklung  erfreuen,   ohne  daß   andererseits   die  Zwangsversteige- 
rungen einen  größeren  Umfang  annahmen.  Einige  Straßen  wurden 
durch  Regulierung  der   Bebauung  erschlossen. 


Cab.  14£ 

. 

Anzahl  der 

Wohnungsstatistik  für  Lankwitz. 

Wohnungen  am  15.  Oktober  1912  nach  der  Zimmerzahl. 

Jahr 

1  Zimmer 
0.  Küche 

1  Zimmer 
m.  Küche 

2  Zimmer        3  Zimmer 
m.  Küche   l     m.  Küche 

4  Zimmer 
m.  Küche 

5  Zimmer 
m.  Küche 

6  Zimmer 
m.  Küche 
und  mehr 

Wohnungen 
überhaupt 

1912 
1913 

i          ~ 

538 

1038       '        644 

201 

105 

162 

2688 

42 


Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 

44         I         47         I         16         I 
=  4,2%  I    =7.3%  I     =8%     ! 


12 


4-2.4  7o 


Sowohl  in  bebauten  wie  aach  in  unbebauten  Grundstücken 
war  in  Berlin-Zehlendorf  das  Geschäft  günstiger.  Auch  ist  ein 
erheblicher  Eückgang  der  Subhastationen  zu  verzeichnen.  Die 
Gemeindeverwaltung  sucht  aber  auch  durch  Straßenregulierungen, 
Verkehrsverbesserungen  und  Schulbauten  möglichst  den  Bedürf- 
nissen der   Einwohner   entgegenzukommen. 

Etwas  Einbuße  hat  dagegen  Nikolassee  im  Berichtsjahre  er- 
litten, da  die  Zahl  der  Bauscheine  und  die  Umsätze  am  Grund- 
stücksmarkte  zurückgegangen    sind. 

Die  Wohnungsstatistik  kann  als  recht  günstig  bezeichnet 
werden. 

Wannsee  mit  seinen  434  bewohnten,  in  Privatbesitz  befind- 
lichen Landhäusern,  hat  an  Zahl  der  Verkäufe  nicht  abgenommen, 
jedoch  ging  der  Gesamtverkaufs  wert  herunter. 

Das  Nachlassen  der  Bautätigkeit  hat  in  Neukölln  einen  recht 
günstigen  Einfluß  auf  das  Wohnungsangebot  ausgeübt.  Während 
noch  im  vorigen  Jahre  9  o/o  aller  Wohnungen  unvermietet  waren, 
ist  diese   Zahl   im   BerichtsjaJire   auf  6,2  o/o    heruntergegangen. 


165 
6  7o 


Zehlendorf. 


Nikoiassee. 


Wannsee. 


Neukölln. 


538 


XI.    Grundstückshandel   und   Hypotheken. 


Tab.  150. 

Wohnungsstatistik  für  Neukölln. 

Anzahl  der  Wohnungen  am  15.  Oktober  1913  nach  der  ZimmerzahL 

Jahr 

1  Zimmer 
0.  Küche 

1  Zimmer 
m.  Küche 

2  Zimmer 
m.  Küche 

3  Zimmer 
m.  Küche 

4  Zimmer 
m.  Küche 

6  Zimmer 
m.  Küche 

6  Zimmer 
m.  Küche 

mehr  als 
6  Zimmer 

Wohnunge 
überhaup 

1912 
1913 

30  614 

32  864 

7237 

1453     ! 

i 

417 

264 

72  849 

1912 
1913 


2314 


Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 

1621     I       448      I        94       I        25 


16 


4518 
6,2  7o 


Zahl  der  vorhandenen  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  5922;    davon  leer  634  =  10,77o« 
Zahl  der  vorhandenen  Gewerberäume  ohne  Wohnung  10  351;   davon  leer  1137  =  10,97o- 

"Weniger  groß  ist  der  Rückgang  im  Angebot  von  G-ewerbe- 
räumen,  die  noch  reichlich,  zu  vermieten  sind.  Der  zfeitgemäJ3 
ungünstigen  Konjunktur  entsprechend  ist  der  Umsatz  am  Im- 
mobilienmarkt um  ca.  20  o/o  zurückgegangen,  doch  ist  anderer- 
seits die  Zahl  und  der  erzielte  Betrag  der  Zwangsversteigerungen 
um  ebensoviel  gewichen,  ein  günstiges  Zeichen  dafür,  daß  der 
Höhepunkt  überschritten  sein  dürfte.  Dem  stetigen  AVachsen  der 
Bevölkerungszahl  entsprechend,  mußte  die  Stadtverwaltung  viele 
Aufwendungen  für  Schulen,  Sparkasse,  Krankenhaus  usw.  machen, 
auch  neue  Verkehrsverbindungen  durch  Einrichtung  von  Auto- 
mobil-Omnibuslinien schaffen. 

B  ritz.Rudow.  "Wenn  auch  in  Berlin-Britz  die  Bautätigkeit  erheblich  zurüöli- 

ging,  7  Bauscheine  gegen  24  (1912),  8  Gebrauchsabnahmen  gegen 
22  (1912).  so  ist  doch  auf  dem  Grundstücksmarkt  eine  Verschlechte- 
rung ebenso  wie  in  Rudow  nicht  eingetreten.  Die  Straßenbahn- 
verbindung nach  letzterem  Orte  ist  in  Betrieb  genommen  worden. 

Tempelhof.  Einen  Einwohner-Zuwachs  von  12,4  o/o  hat  Berlin-Tempelhof 

durch  die  begonnene  Bebauung  von  Neu-Tempelhof  erhalten.  Hier 
haben  die  Verhältnisse  des  Geldmarktes  die  Baulust  sehr  zurück- 
gehalten und  dadurch  andererseits  eine  bessere  Vermietung  der 
fertiggestellten  Bauten  bewirkt.  Die  Vollendung  der  Parkanlaigen 
und  der  „Plansch wiese"  wurde  von  den  Anwohnern  freudig  be- 
grüßt. Die  Bautätigkeit  ist  um  ca.  50  o/o  gesunken,  und  ent- 
sprechend sind  die  Verkäufe  unbebauter  Grundstücke,  aber  auch 
die  Zahl  der  Zwangsversteigerungen  gefallen.  Um  Neu-Tempelhof 
leichter  erreichbar  zu  machen,  wurden  neben  einer  Autobuslinie 
neue  Straßenbahnlinien  über  den  Hohenzollern-Korso  geführt. 
Tegel.  Von  Berlin-Tegel  über  Heiligensee  nach  Tegelort  führt  nun 

die  von  diesen  Orten  erbaute  Straßenbahn,  während  eine  andere 
von  Berlin  über  Reinickendorf- West  und  Ost,  Wittenau,  Borsig- 
walde  nach  Tegel  geplant  ist.  Die  Situation  auf  dem  Grund- 
stückmarkte hat  sich  in  Tegel  nicht  geändert,  nur  unbedeutend 
ist  das  Ergebnis  der  Zwangsversteigerungen  gestiegen. 
Wittenau.  Dagegen  schneidet  Berlin- AVittenau  ungünstig  ab.    Die  Bau- 

tätigkeit hat  abgenommen  und  ebenso  ist  das  Grundstücks- 
geschäft um   50  o/o    zurückgegangen. 


169.  Grundstückshandel  und  Hypetheken. 


539 


Der  Bebauungsplan  des  Südostgeländes  in  Berlin-Rosenthal 
hat  einschneidende,  bedeutende  Verbesserungen  erfahren,  und  die 
Anlage  eines  großen  iSFaturparkes  soll  baldigst  in  Angriff  ge- 
nommen werden. 

Gehoben  hat  sich  das  Grunds tücksgesöhäft  in  Berlin-Nieder- 
schönhausen, von  wo  jetzt  sowohl  v)on  der  Großen  Berliner,  wie 
auch  von  der  Berliner  Städtischen  Straßenbahn  Verkehrsverbesse- 
rungen geschaffen  sind.  Auch  die  Schulverhältnisse  haben  sich 
gebessert.     Die    Straßenbahnlinie   47    führt   nun    von   hier    über 

Berlin-Pankow  bis  nach  Eudow.  Recht  ungünstig  verlief 
das  Geschäft  in  Pankow.  Der  Baumarkt  litt  erheblich,  24  Bau- 
scheine gegen  50  (1912)  und  27  Grebrauchsabnahmen  gegen  77 
(1912).  Der  Umsatz  sank  von  5,8  Mill.  auf  2,8  Mill.,  doch  sind 
erfreulicherweise  gleichzeitig  die  Zwangsversteigerungen  von  11,9 
auf  7,2  Mill.  zurückgegangen.  Die  Hochbahn  hat  schon  in  der 
kurzen  Zeit  seit  deren  Inbetriebsetzung  gezeigt,  daß  sie  recht 
wertvoll  auf  den  Pankower  Verkehr  einwirkt,  so  daß  eventuell 
Zubringerlinien   bsabsichtigt   sind. 

Recht  unbedeutend  wurde  der  Umsatz  in  Berlin-Buchholz 
(früher  Französisch  Buchholz)  wie  auch  in  Berlin-Heinersdonf, 
während  er  sich  in  Berlin- Weißensee  gehoben  hat,  was  wohl  einigen 
größeren  Terrainverkäufen  zuzuschreiben  ist.  Der  Verkauf  fer- 
tiger Häuser  ging  unbedeutend  zurück.  Die  Subhastationen  fielen 
von  3,4  auf  2,9  Millionen. 


Rosenthal. 


Nieder- 
Schönhausen. 


Pankow. 


Buchholz, 

Heinersdorf  u. 

Weißensee. 


Tab.  151. 

WohnuQgsstatistik  für  Weißensee. 

Anzahl  der  Wohnungen  am  15.  Oktober  1911  nach  der  Zimmerzahl 

Jahr 

l  Zimmer 
0.  Küche 

1  Zimmer 
m.  Küche 

2  Zimmer 
m.  Küche 

3  Zimmer 
m.  Küche 

4  Zimmer 
m.  Küche 

5  Zimmer 
m.  Küche 

6  Zimmer 
m.  Küche 

mehr  als 
6  Zimmer 

Wohnungen 
überhaupt 

1912 
1913 

10  073 

11 

39 

166 

11978 

1912 
1913 


554 


Anzahl  der  leerstehenden  Wohnungen. 

1  6i ! 


Zahl  der  vorhandenen  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  1066;  davon  leer  52. 
Zahl  der  vorhandenen  Gewerberäume  ohne  Wohnung  516;  davon  leer  120. 


623 
5,27o 


Diese  Zahlen  haben  sich  im  Jahre  1913  erheblich  gebessert. 
Durch  Herabsetzung  der  Preise  für  elektrische  Kraft  und  Lioht- 
benutzung  neben  sonstigen  Verbesserungen  sucht  die  Gemeinde- 
verwaltung den  Zuzug  zu  heben. 

Berlin-Hohen-Schönhausen  hat  einen  3V2  Morgen  großen  Park 
am  Obersee  geschaffen,  der  den  Einwohnern  die  erwünschte  Er- 
holungsgelegenheit bringen  wird.  Der  Verkauf  fertiger  Häuser 
hat  erheblich  zugenommeii  und  auch  die  Zahl  der  Baustellen- 
verkäufe ist  die  gleiche  wie  im  Vorjahre  geblieben,  so  daß  die  all- 
gemeine Lage  günstig  beurteilt  werden  kann. 

Die  Umsatzzahlen  für  Berlin-Lichtenberg  können  wir  in 
diesem  Jahre  nicht  im  Vergleich  mit  den  vorjährigen  stellen,  da 


Hohen- 
schönhausen. 


Lichtenberg- 
Friedrichsfeldi 
m.  Karlshorst. 


540 


XI.  Grundstückshandel  und  Hypotheken. 


Kaulsdorf. 
Stralau,  Mahls- 
dorf. 

Treptow-Baum- 
schulenweg. 


Johannisthal. 


Alt  Glienicke 

u.  Friedrichs- 

haften. 


Allgemeine 
Statistik. 


uns  letztere  fehlten.  Doch  ist  das  Geschäft  am  Grundstücksmarkt 
wie  fast  überall  zurückgegangen,  während  die  Subhastationen  auf 
der  gleichen  Höhe  geblieben  sind.  Lichtenberg  hat  nun  infolge  der 
Eröffnung  des  großen,  neuen  Straßenbahnhofs  bessere  Verbindun- 
gen erhal'ten,  und  bald  werden  solche  nach  Oberschöneweide, 
Weißensee  und  Hohenschönhausen  geschaffen  werden.  Die  Ein- 
wohnerzahl nimmt  stetig  zu  (seit  der  letzten  Volkszählung  um 
über  17  000)  und  die  für  diese  Vermehrung  notwendigen  Schul- 
und  anderen  Bauten  erfordern  erhebliche  Mittel.  Das  Projekt 
einer  Gartenstadt  für  Beamte  der  Straßenbahn  soll  nun  verwirk- 
licht werden.  Leider  fehlt  uns  die  Wohnungs-Statistik  von  Lich- 
tenberg, doch  erfahren  wir,  daß  die  Zahl  der  leerstehenden  Woh- 
nungen sehr  abgenommen  hat,  was  auch  in  Berlin-Friedrichsfelde 
mit  Karlshorst  der  Fall  ist,  wo  die  Umsätze  in  bedauerlichem 
Maße  abgenommen  haben,  während  die  Zahl  der  zwangsweise 
versteigerten  Baustellen  infolge  einer  in  Konkurs  geratenen 
Terrain-Gesellschaft  in  Karlshorst  von  3  auf  28  stieg.  Karlshorst 
hat  jetzt  durch  Verlängerung  der  Auguste-Viktoriastraße  eine 
direkte  Verbindung  mit  Lichtenberg-itummelsburg  erhalten. 
Durch  die  Betriebsgemeinschaft  der  Berliner  Ostbahnen  und  der 
Großen  Berliner  Straßenbahn  endet  deren  Linie  über  Jahonnisthal 
jetzt  vor  der  Kirche  in  Friedrichsfelde. 

Die  Umsätze  in  Kaulsdorf  und  Berlin-Stralau  sind  nicht 
erheblich,   während   Mahlsdorf  sich   prozentual   gut  entwickelte. 

Große  Einbuße  hat  auch  Berlin-Treptow  mit  Baumschulenweg 
in  diesem  Jahre  erlitten.  Sowohl  die  Bautätigkeit  wie  auch  der 
Grundstücksmarkt  haben  recht  niedrige  Ziffern  aufzuweisen.  Die 
Gemeindeverwaltung  gibt  an,  daB  in  549  Grundstücken  jetzt 
2230  Wohnungen  mit  1  Zimmer,  4010  mit  2,  1324  mit  3,  448  mit  4. 
128  mit  5,  49  mit  6  und  56  mit  mehr  als  6  Zimmern  vorhanden 
sind,  wozu  614  Wohnungen  mit  Gewerberäumen  kommen.  Die 
Zahl  der  leerstehenden  Wohnungen  hat  etwas  abgenommen.  Das 
neue  Rathaus  ist  in  Benutzung  genommen. 

Die  Verkehrsverbindung  mit  Johannisthal  ist  durch  die  elek- 
trische Straßenbahn  von  Köpenick  und  Friedrichsfelde  verbessert 
worden.  Seitens  der  Terrain-Aktiengesellschaft  am  Flugplatz 
Johannisthal-Adlershof  ist  der  Ausbau  mehrerer  Straßen  geplant. 
Das  Grundstücksgeschäft  w^ar  dort  minimal. 

In  Alt-Glienicke  sind  im  Oktober  die  fertiggestellten  Häuser- 
gTuppen  der  gemeinnützigen  Baugenossenschaft  Gartenstadt  Groß- 
Berlin  und  der  Landwohnstättengesellschaft  Alt-Glienicke  fertig- 
gestellt worden.  Hier  und  in  Friedrichshagen  blieben  die  Umsätze 
auf  derselben  Höhe. 

Leider  sind  uns  in  diesem  JaJire  aus  einigen  Vororten  die 
zahlenmäßigen  Unterlagen  gar  nicht  oder  in  einer  Form  zuge^ 
gangen,   daß  sie  für  die  von  uns   alljährlich  zusammengestellte 


169.   Grundstückshandel  und  Hypotheken.  541 

Tabelle  nicht  haben  Verwendung  finden  können.  Aus  den  zu  ver- 
gleichenden Jahresumsätzen,  für  die  uns  die  Beiträge  sowohl  für 
die  Zeil  vom  1.  Okt.  1911  bis  30.  September  1912  und  dem  gleichen 
Zeitraum  des  folgenden  Jahres  zur  Verfügung  standen,  ergab  sich, 
daß  die  freiwilligen  Veräußerungen  in  27  Orten  Gtoß-Berlins 
folgende  Differenzen  aufwiesen:  Es  wurden  1912/13  1062  bebaute 
Grundstücke  für  285  640  000  Mk.  gegen  1911/12  1470  für 
420  024  000  Mk.  verkauft.  Es  sind  daher  408  Häuser  im  Werte  von 
134  384  000  Mk.  weniger  verkauft  worden.  Unbebaute  Grund- 
stücke wechselten  1912/13  949  für  67  236  000  Mk.  ihren  Besitzer 
gegen  1911/12  1448  für  113  898  000  Mk.,  also  499  weniger  im 
Betrage  von  46  662  000  Mk.,  so  daß  sich  der  Gesamtminderumsatz 
am  Berliner  Grundstücksmarkt  auf  über  167  Mill.  Mk.  belief. 
Die  Zahl  der  Zwangsversteigerungen  bebauter  Grundstücke  fiel 
von  1043-1911/12  auf  1026-1912/13,  der  Bietungsbetrag  dagegen 
stieg  von  245  317  000  Mk.  1911/12  auf  267  579  000  Mk.  1912/13, 
hat  also  eine  Steigerung  von  mehr  als  22  Millionen  erfahren.  Bei 
den  unbebauten  Grundstücken  stieg  die  Zahl  von  222  (1911/12) 
auf  243  und  der  Betrag  von  12144  000  Mk.  auf  22  095  000  Mk., 
also  um  fast  10  Millionen.  Ein  Rückgang  der  freiwilligen  Ver- 
käufe ist  besonders  in  den  folgenden  Städten  und  Gemeinden  zu 
bemerken:  Berlin  104  000  000,  Charlottenburg  45  000  000  Berlin- 
Schöneberg  9  200  000,  Neukölln  6  600  000,  Pankow  und  Friedrichs- 
feldc  je  3  000  000,  Treptow  2  800000,  Tempelhof  2  450000,  Wann- 
see 1370  000,  Wittenau  1185  000,  Wilmersdorf  1000  000.  Diesen 
zum  Teil  bedeutenden  Rückgängen  stehen  Mehrumsätze  gegenüber 
nur  in  Steglitz  4  800  000,  Zehlendorf  1500  000,  Weißensee 
850  000.  Nicht  alle  Orte  Groß-Berlins  hatten  unter  der  Vermeh- 
rung der  Zwangsversteigerungen  zu  leiden,  so  nahmen  dieselben 
ab  in  Wilmersdorf  um  9  600  000  Mk.,  Schmargendorf  um  5400  000 
Mark,  Neukölln  5 100  000  Mk'.,  Pankow  5  Millionen  und  Zehlendorf 
1 900  000  Mk.,  während  eine  Zunahme  der  *  Ergebnisse  zu  ver- 
zeichnen ist  in  Berlin  42  Mill.  Mk.,  Charlottenburg  9  Mill.  Mk., 
Schöneberg  3  400  000  Mk.,  Steglitz  3  300  000  Mk.,  Friedrichsfelde 
und  Tempelhof  je  3  Millionen  und  Grunewald  2  300  000  Mk. 

Das  Hypothekengeschäft,  oder  besser  gesagt,  die  Hypotheken- 
kalamität, welche  wir  bereits  anfangs  unseres  Berichts  erwähnten 
hatte  in  erster  Linie  ihre  Ursache  in  dem  mangelnden  Absatz  der 
Hypothekenpfandbriefe,  dem  Barometer  aller  anderen  Geld- 
quellen. Treffend  spricht  der  Jahresbericht  einer  hiesigen  Hy- 
pothekenbank von  einer  noch  nie  dagewesenen. Stockung  des  Pfand- 
briefabsatzes. Der  Gesamtumlauf  im  ersten  Halbjahr  1913  ist 
nur  um  44  Millionen  gegen  ca.  200  Millionen  im  I.  Semester* 
des  Vorjahres  und  ca.  300  Millionen  im  gleichen  Zeitraum  des 
Jahres  1911  gestiegen.  Hierbei  ist  aber  der  Eückfluß  an  Obliga- 
tionen nicht  inbegriffen.  Zieht  man  diesen  in  Betracht,  so  dürfte 
der  tatsächliche  Umlauf  um  einen  viel  geringeren  Betrag  gestiegen 


542 


XI.     Grundstückshandel    und   Hypotheken. 


sein.  Die  Ziffern  des  II.  Semesters  dürften  sich  noch  viel  un- 
günstiger stellen,  so  da,ß  sich  wohl  bei  den  meisten  Hypotheken- 
bajiken.  ein  Eückgang  des  Pfandbriefumlaufes  ajn  Jahresschluß 
ergeben  hat.  Selbst  die  im'  II.  Semester  erfolgten  Emissionen 
von    4V2  0/oigeii    Obligationen    einiger    Hypothekenbanken    werden 


Tab.  152. 


Grundstiicksumsätze  in  Groß-Berlin  für  die  Zeit 


Ge- 

Gesamt- 

Bebaute Grund- 

Bau- 

brauchs- 

umsatz 

stücke 

Ort 

scheine 

ab- 

Qmsjif  7 

nahmen 

1913 

1912 

1913 

1912 

1913 

1912 

1913 

1  1912 

1913 

j  1912 

Mark 

Zahl 

Taus.  M. 

Berlin 

948 

1275 

332 

374 

190  772  724 

295  240556 

441 

e*i 

178  024 

262405 

Berlin, 

Vererbungen 



— 

— 

— 

110  243  076 

96  863  000 

— 

— 





Charlottenburg 

378 

? 

81 

134 

40  587  364 

85  831 151 

88 

174 

33  419 

68  949 

Berlin- 

Wilmersdorf 

61 

119 

89 

156 

31091083 

31183  317 

bl 

55 

20  579 

20188 

Neukölln 

— 

? 

56 

? 

16  158  950 

22  770  400 

60 

75 

10423 

14  912 

Berün- 

Scböneberg' 

25 

67 

35 

72 

13596  400 

22879  650 

33 

64 

11666 

17  042 

Berlin -Steglitz 

22 

32 

33 

116 

10  li2  607 

12  041  222 

63 

93 

5  066 

8  698 

Zehlendorf  mit 

Schlachtensee 

91 

109 

100 

56 

7  353  626 

5  861 066 

45 

38 

2  885 

1973 

Berlin- 

Weißensee 

50 

36 

20 

21 

6  646130 

5803  500 

51 

65 

3  865 

4189 

Berlin- 

Grunewald 

24 

25 

24 

24 

6  632  336 

6  288471 

24 

15 

4115 

2  258 

Bln. -Tempelhof 

33 

63 

30 

67 

6130939 

8  576  582 

10 

18 

1711 

1874 

Berlin- 

Schmargendf. 

14 

23 

26 

24 

2922041 

2873  247 

13 

9 

1696 

814 

Berlin- Pankow 

24 

50 

27 

77 

2825  502 

5  865  461 

18 

26 

2  390 

4  300 

Berlin- Hohen- 

schönhausen 

7 

13 

2 

8 

2  290120 

2  974  642 

19 

10 

1188 

335 

Berlin- Treptow- 

Baumschwg. 

20 

46 

28 

42 

2  253  646 

6  119  646 

8 

17 

1528 

2  966 

Berün-Lankwitz 

37 

34 

21 

21 

1943740 

1899344 

10 

10 

894 

848 

BerUn-Tegel 

? 

12 

? 

8 

1  778  255 

1  819  700 

6 

4 

514 

643 

Wann.see 

19 

20 

19 

21 

1552  600 

2  924  500 

12 

u 

826 

1117 

Berlin-Nieder- 

schönhausen 

22 

30 

26 

26 

1 425  401 

1  243  174 

19 

13 

1023 

765 

Berlin-Britz 

7 

24 

8 

22 

1 210  862 

1 191  759 

13 

8 

433 

398 

Friedrichsfelde 

m.  Karlshorst 

26 

46 

31 

29 

1 131 792 

4  101 975 

18 

35 

829 

2  362 

Friedrichshagen 

14 

12 

11 

4 

912  868 

.     904  582 

24 

29 

824 

762 

Berlin- Wittenau 

14 

18 

13 

22 

868  341 

1853  275 

1 

6 

72 

324 

Nikolassee 

9 

13 

8 

16 

632100 

1282  064 

2 

10 

257 

686 

Berlin- 

Marienfelde 

ö 

7 

5 

5 

408  470 

323  316 

5 

1 

170 

120 

Berl. -Rosenthal 

6 

5 

4 

9 

340  453 

483  003 

7 

11 

213 

287 

Alt-Glienicke 

28 

25 

28 

27 

326  368 

949  894 

17 

12 

192 

279 

Bin  -Buchholz 

5 

10 

4 

9 

1        214  934 

650  969 

4 

15 

838 

530 

1912/13 

1890 

1061 

1  4bJ  382  748 

1062 

285  640 

1911/12 

2115 

■ 

1380 

1 

629  802  469 

1470 

420  024 

Berl.-Friedtnau 

0 

— 

15 

— 

5  692  Ö6b 

_ 

27 

— 

5  229 

— 

Berlin- 

Lichtenberg 

— 

— 

— 

— 

ca.5145000 

— 

27 

— 

ca.42C0 

— 

Berl..Mahlsdorf 

56 



33 

— 

1068300 

— 

11 

■"" 

286 

— 

Berlin- Stralau 

_ 





_ 

394  000 



1 

270 

_ 

Beriin- 

Johannistal 

10 

7 

10 

5 

93333 



? 

7 

— 

— 

Berlin- 

Heinersdorf 

7 

6 

4 

5 

48  050 

— 

4 

— 

48 

— 

Kaulsdorf 

— 

— 

— 

— 

862 

— 

4 

— 

50 

— 

an  diesem  EjesUltat  nicht  viel  äiidem.  Neben  dem  hohen  Diskontsatz 
der  Reichsbank,  welcher  das  gajize  Jahr  hindurch  anhielt,  war 
auch  die  Gesamtbeanspruohung  des  'Geldmarktes  durch  den 
Emissionsbedarf  von  festverzinslichen  Werten  um  20  o/o  höher 
als  im  Vorjahr,  und  erhöhte  sich  derselbe  von  1,7  auf  2,05  ^Mil- 
liarden,    alsio    um    350    Millionen.     Eine    scharfe    Konkurrenz   er- 


169.  Grundstückshandel  und  Hypotheken. 


543 


Aviichs  speziell  dem  Pfajidbriefverkatif  durch  den  Kapitalbedarf 
der  Kommtmen,  welche  durch  Ausg-abe  von  mündelsicheren 
Obligationen  nicht  allein  den  Pfandbriefverka,uf  hemmten,  son- 
dern auch  einen  empfindlichen  Kursdruck  auf  dieselben  ausiibten 
und    damit   den    Zinsfuß   und    die    Provisionen    der   Hypotheken 


vom  1.  Oktober  1912  bis  30.  September  1913. 


Unbebaute  Grund- 

Zwang  s  Versteigerungen 

stücke 

Bebaute        1 

Unbebaute 

1 

Umsatz     i 

Grundstücke      | 

Grundstücke 

1913  1 

1912 

1913   1 

1912 

1913  !  1912 

1913  1 

1912 

Zahl     1 

Taus 

M. 

1913  1 

1912 

Taas.  M. 

1913  1 

1912 

Taus 

M. 

97 

278 

12  748 

32  835! 

375 

284 

129  691 

89  696 

47 

2. 

4  617 

2443 

57 

132 

7  167 



16  884 

117 

86 

32  834 

24  748 

12 

4 

1439 

419 

72 

92 

10  511 

10994 

70 

115 

19  422 

30  828 

19 

9 

3131 

1341 

58 

70 

5  735 

7  8571 

108 

143 

23  434 

29  087 

29 

29 

2150 

1672 

20 

40 

1929 

6  837 

51 

51 

17  307 

13  900 

1 

2 

120 

145 

62 

73 

5  065 

3  342 

91 

89 

16  635 

15  783 

30 

8 

2  858 

415 

99 

116 

4468 

3887 

8 

20 

1036 

2  786 

6 

7 

153 

331 

62 

62 

2  780 

1614 

20 

16 

1974 

2  942 

13 

4 

1009 

482 

25 

41 

2  516 

4  030 

8 

3 

2  552 

944 

3 

5 

486 

764 

38 

83 

4  419 

6  702 

18 

28 

2000 

4  586 

2 

7 

40 

468 

13 

15 

1225 

2  058 

17 

32 

3108 

8  478 

2 

2 

124 

146 

20 

51 

435 

1565 

41 

76 

7  226 

11906 

15 

15 

765 

906 

62 

64 

1110 

2  639 

10 

12 

1019 

624 

5 

7 

181 

115 

12 

35 

725 

2155! 

9 

4 

1565 

698 

_ 

3 

_ 

215 

41 

44 

1049 

1051 

5 

7 

1379 

1899 

7 

1 

812 

405 

15 

1 

1263 

1176 

5 

4 

724 

401 



_ 

_ 

— 

30 

33 

725 

1807 

1 

7 

66 

388 

2 

— 

610 

— 

18 

26 

401 

478 

14 

12 

1161 

1504 

4 

8 

68 

139 

13 

23 

777 

793 

9 

6 

873 

413 

6 

67 

190 

1274 

34 

79 

302 

1739 

23 

20 

1693 

1953 

28 

3 

3  233 

46 

10 

34 

88 

141 

5 

6 

224 

372 

— 

4 

— 

212 

18 

41 

796 

1529 

6 

,7 

895 

638 

9 

5 

145 

97 

15 

21 

374 

595 

1 

134 

— 

1 

— 

28 

— 

9 

11 

238 

203 



1 



63 

1 

4 

21 

28 

10 

16 

126 

196 

7 

10 

434 

618 



_ 

18 

40 

133 

670 

4 

1 

125 

13 

1 

3 

15 

27 

21 

27 

131 

121 

3 

3 

67  !    99 

3 

54 

949 

67  236 

1026 

267  579 

243 

22  095 

1448 

113  898 

1043 

245  317 

222 

12144 

3 

- 

463 

- 

34 

— 

7192 

- 

4 

- 

268 

- 

15 



945 



58 



ca.9500 



14 

_ 

581 



229 

— 

781 

— 

3 

— 

71 

_ 

88 

— 

416 

— 

1 

— 

124 

— 

1 

— 

200 

— 

— 

— 

— 

— 

3 

12 

93 

- 

5 

- 

456 

- 

2 

- 

17 

- 

160 

— 

812 

— 

1 
1 



13 
15 

— 

— 



— 

— 

derart  erhöhten,  daß  sie  für  den  Hausbesitzer  unerschwinglich, 
ja  oftmals  ruinös  wurden.  Aber  nicht  allein  dem  Pfandbrief  markt 
wlirde  durch  die  kommunale  Finanzgebahrung  der  Boden  er- 
schwert, slondem  es  wurden  dem  Hypothekenverkehr  auch  da- 
durch enorme  Summen  entzogen,  daß  sich  Städte  und  Provinzen 
mit  guten  Zinszugeständnissen  direkt  an  die  großen  Versicherungen 


544  XI.    Grundstückshandel    und   Hypotheken. 

wandten.  Wenn  daher  die  Städte  vielfach  Mittel  für  die  Er- 
richtung städtischer  Hyplathekenämter  bereitstellen,  um  ihrem 
Hausbesitzern  beizuspringen  und  die  Hypothekennot  zu  iindera, 
so  müßten  die  kommunalen  Behörden  zum  Schutze  und  zur  Ver- 
billigling  des  Hypothekenkredits  .auch  ihre  Anleiliebedürfnisse 
auf  das  Notwendigste  begrenzen.  Die  sich  stets  vergrößernden 
Mißstände  auf  dem  Hypothekenmarkte  entstanden  durch  das 
immermehr  um  sich  greifende  Verpfänden  der  Mieten  Und  die 
Zession  der  Hypothekenzinsen,  wodurch  besonders  die  Be- 
schaffung von  II.  Hypotheken  erschwert,  ja  in  vielen  Fällen 
illusorisch  wurde,  indem  sich  die  Kapitalisten  mehr  und  mehr 
dem  Markte  entfremdeten.  Es  wurden  uns  zahlreiche  Fälle  be- 
kannt, in  denen  Geldgeber,  welche  seit  vielen  Jahren  erhebliche 
Anlagen  in  II.  Stellen  zu  machen  pflegten,  ihre  Kapitalien  ander- 
weitig plazierten.  Hierzu  trugen  auch  die  schon  erwäknten  hohen 
Besitzwechselabgaben  im  Falle  einer  Zwangsvollstreckung  das 
ihrige  bei.  Wir  haben  daher  durch  Wort  und  Schrift  mitgewirkt, 
daß  im  Iteichsjustizamt  eine  Gesetzesvorlage  zur  Abänderung 
bzw.  Aufhebung  der  §§  1124  BGB.  und  54  des  Zwangsversteige- 
rungsge&etzes  vorbereitet  wird.  Wenn  hierdurch  ^uch  noeh  nicht, 
alle  Uebelstände  behoben  sind,  so  wird  doch  eine  Erleichterung 
des  Verkehrs  geschaffen,  und  werden  auch  nach  und  nach  die 
dem  Markte  abgewandten  Geldgeber  dems^ilben  wieder  zugeführt 
werden.  AVährend  sich  die  Tätigkeit  der  Hypotliekenbanken  fast 
allein  auf  die  Prolongation  bestehender  Hypotheken  erstreckte 
und  Neu  beleihungen  kaum  vorgenommen  werden  konnten,  so 
haben  die  Versicherungsgesellschaften  und  ausländischen  Hy- 
pothekenbanken aus  der  Situation  erheblichen  Nutzen  gezogen. 
Nicht  unerwähnt  wollen  wir  die  verhältnismäßig  zahlreichen 
Millionen-Darlehen  lassen,  welche  besonders  auf  Grund  der 
41/2  0/0 igen  Pfandbriefausgaben  von  den  betreffenden  Emittenten 
meist  im  Verein  mit  in-  und  ausländischen  Gesellschaften  abge- 
schlossen wurden.  Die  erzielten  Zins-  und  Provisionssätze  über- 
stiegen natürlich  bedeutend  die  der  normalen  Grundstücksbeleihun- 
gen,  obschon  die  meisten  Millionen-Darlehen  mit  der  Garantie 
einer  Großbank  ausgestattet  waren.  Wenn  die  Institute  einer- 
seits bei  besseren  Beduigungen  und  vermehrter  Sicherheit  und 
andererseits  im  Hinblick  auf  die  Schwäche  des  Immobilienmarktes 
derartige  Beleihungen  bewilligten,  so  ist  dies  zwar  im  Interesse 
der  Wohnhauseigentümer  zu  bedauern,  aber  vom  kaufmännischen 
Standpunkt  zu  rechtfertigen.  AVir  notieren:  Pupillarisch  erst- 
stellige  Eintragungen  4^8—414  ^/o.  Sonstige  Anlagen  zur  I.  Stelle 
41/4—41/2  0/0.  Institutsgelder  4^8 — 4:34  0/0.  Vorortshypotheken  43/4 
bis  50/0.  Baugelder  und  Terrainhypotheken  6—7 — Ti^f'/o  oder 
1 0/0  über  Bankdiskont.  Institutsgelder  bedangen  2—3  0/0  Ab- 
schlußprovision inkl.  Pfandbriefstempel  unä  Talonsteuer, 
II.  Stellen  61/2-6— 7  0/0. 


170.  Warenspeditionsgeschäft. 


545 


Für  das  kommende  Jahr  erhoffen  wir  von  der  Durchführung 
der  vorerwähnten  gesetzliehen  Erleichterungen  und  bei  Sta,- 
bilität  der  bereits  eingetretenen  Verbilligung  des  Geldstajides  eine 
Aufrichtung  des  so  schwer  geschädigten  Iminobilienmarktes. 


Aussichten. 


XII.    Verkehrsgewerbe, 

170.  Warenspeditionsgeschäft. 

Auch  im  Jahre  1913  war  das  Geschäft  im  allgemeinen  gut. 
Wenn  auch  die  kriegerischen  Ereignisse  auf  dem  Balkan  vielleicht 
den  Geschäftsgang  verlangsamt  haben  mögen,  so  war  doch  wäh- 
rend des  größten  Teils  des  Jahres  eine  ausreichende  Beschäftigung 
festzustellen.  Dies  bezieht  sich  nicht  nur  auf  das  Inlandgeschäft, 
sondern  auch  auf  die  Ausfuhr.  Nur  in  den  letzten  Monaten , zeigte 
sich  eine  nennenswerte  Abschwächung.  Nach  dem  Balkan  war 
zwar  der  Verkehr  auf  einige  Monate  ganz  unterbunden,  die  zurück- 
gestauten  Gütermengen  fluteten  aber  nach  Wiedereröffnung  des 
Verkehrs  in  verstärktem  Maße  in   ihre  Kanäle. 

Was  den  Sajnmelverkehr  anbetrifft,  dem  man  durch  die  Auf- 
nahme neuer  Verkehrsriohtungen  immer  wieder  versucht,  neues 
Blut  'Zuzuführen,  so  bewegte  sich  dieser  in  den  gewohnten  Bahnen ; 
er  5iönntc  wohl  zu  neuem  Leben  erwachen  und  gewaltig  erstarken, 
wenn  die  ^.uf  dem  diesjährigen  Spediteurtag  ausgesprochenen 
Wünsche  nach  seiner  weiteren  Ausgestaltung  durch  Tarif  maß- 
nahmen der  Eisenbahn  sich  erfüllen  würden.  Leider  sind  die 
Aussichten  hierzu  nicht  günstig,  da  die  Abneigung  der  Eisenbahn 
gegen  diesen  Verkehr  bekannt  ist,  obwohl  die  Eisenbahn  durch 
einen  kräftigen  Sammelverkehr  von  einem  erheblichen  Teil  des 
ihr  lästigen  luid  kostspieligen  Stück^tverkehrs  entlastet  würde. 

Auch  das  Lagergeschäft  hat  sich  in  den  bisherigen  ruhigen 
Bahnen  bewegt,  da  sein  Umfang  durch  die  teuren  Mieten  der  Groß- 
stadt auf  das  notwendigste  Maß  beschränkt  bleibt. 

Die  Eisenbahn  hat  sieh  nach  dem  vorjährigen  umfangreichen 
Wagenmangel  (bemüht,  dem  Verkehr  zahlreicheres  Wagenmaterial 
zur  Verfügung  'zu  stellen,  und  dies  auch  zum  größten  Teil  er- 
reicht. Immerhin  ist  es  für  Handel  und  Industrie  in  jedem  Fall 
unbequem,  wenn  sie  bestellte  Wagen  nicht  rechtzeitig  gestellt 
bekommt.  'In  diesem  Jahre  ist  es  in  zahlreichen  Fällen  vorge- 
kommen, daß  die  Waggons  erst  gegen  Mittag  bereitgestellt  wur- 
den, *was  bei  den  weiten  Entfernungen  der  Großstadt  für  die 
Verlader  insofern  mit  Unbequemlichkeiten  verbunden  ist,  als  sie 
besondere  Einrichtungen  treffen  müssen,  um  die  Waren  noch 
rechtzeitig  am  gleichen  Tage  zur  Bahn  zu  bringen. 

Hervorzuheben -ist  femer  die  Neuausgabe  des  Staatsbahn^ter- 
tarifs.    In  einem  Anhang  zu  'diesem  wird  erfreulicherweise  ein 

ßerl.  Jahrb.  t  Handel  u.  Ind.   1913.    II.  35 


Allgemeines. 


Sammel  ver- 
kehr. 


Lagergeschäft. 


Wagenmangel. 


Xeuausgabe 

des  Staatsbahn« 

gütertarifs. 


546 


XII.  Verkehrsgewerbe. 


Tarif- 
ändevungen. 


Konkurrenz 
1er  Transport- 
rersicuerungs- 
jÄsell  Schäften. 


Schwierig- 
keiten bei  der 
Verzollung  in 

Frankreich. 


Verzeichnis  aller  deutschen  Eisenbahi^güterstationen  geboten. 
Hoffentlich  lassen  sich  noch  weitere  Vereinfachungen  und  Zu- 
sammenfassungen ermöglichen,  damit  allmählich  ein  'deutscher 
Gesaant-JEisenbahn-Oütertarif  entsteht. 

Ein  weiterer,  schon  öfter  geäußerter  Wunsch  ist  der,  daß 
die  Tarifänderungen  möglichst  nur  durch  Nachträge  erfolgen,  da- 
mit nicht  der  unleidliche  und  'unhaltbare  Zustand  entsteht,  daß 
Tarife  bestehen,  die  keine  Nachträge  haben,  aber  in  großem  Um- 
fange -abgeändert  sind,  so  daß  dem  Käufer  eines  solchen  Tarifs 
ein  in  vielfacher  Beziehung  unrichtiger  Tarif  in  die  Hand  ge- 
geben wird,  was  ein  Privatuntemehmen  nicht  wagen  dürfte  und 
auch  der  Staat  nicht  dulden  Sollte ;  es  mag  dabei  auf  Oesterreich 
verwiesen  Werden,  wo  Tarifänderungen  grundsätzlich  hur  durch 
Nachträge  'veröffentlicht  werden. 

Es  "mag  erlaubt  sein,  noch  auf  eine  Tatsache  hinzuweisen, 
welche  'die  Unkosten  des  Spediteurs  'zu  vermehren  geeignet  ist. 
In  'steigendem  Maße  bemühen  sich  die  Transportversicherungs- 
gesellschaften bei  den  Primaversenidem  direkt  Versicherungen 
gegen  Transportgefahr  abzuschließen,  wodurch  für  'diese  die 
Notwendigkeit  'entfällt,  die  Hilfe  des  Spediteurs  hierzu  in  An- 
spruch 'zu  nehmen.  Nichtsdestoweniger  muß  'dieser  aber  die  Haf- 
tung 'tragen  für  Verluste  und  'Beschädigungen,  die  in  seinem 
Gewahrsam  'erfolgen,  wobei  besonders  auf  (die  wieder  überhand 
nehmenden  'Kollidiebstähle  hingewiesen  sei.  Diese  •Haftung,  wo- 
für 'er  nunmehr  nicht  mehr  Entschädigt  wind,  wiegt  umso  schlwerer, 
als  die  beteiligten  Versicherungsgesellschaften  den  Spediteur  in 
den  betreffenden  Fällen  im  vollen  Umfange  haftbar  machen.  Er 
ist  'also  gezwungen,  sich  entweder  "weiter  gegen  diese  Gefahren 
zu  versichern,  und  diese  Versicherung  seinen  Kunden  in  B/cch- 
nung  zu  stellen  oder  aber  'in  seinen»  Geschäftsbedingung^en  die 
Haftung  für  Verlust  und  Beschädigungen  in  seinem  Besitz  ab- 
zulehnen. "Welches  der  gangbarere  Weg  ist,  bleibt  noch  Gegen- 
stand der  Erwägung.  Auf  jeden  Fall  ist  es  bedauerlich,  daß  dies 
Verfahren  der  Versicherungsgesellschaften  geeignet  ist,  eine  Ver- 
schlechterung der  Beziehung^en  zwischen  Versender  und  Spedi- 
teur h-erbeizuführen  und  Streitigkeiten  entstehen   zu  lassen. 

Es  bleibt  endlich  noch  ein  Punkt  der  Beschwerde  offen,  der  zu 
großen  Unannehmlichkeiten  Anlaß  gibt;  es  ist  dies  das  über- 
scharfe Vorgehen  der  französischen  Zollverwaltung  bei  der  Ab- 
fertigung der  eingeführten  Waren.  Es  Verden  keine  Entschul- 
digungen anerkannt  wegen  Irrtums  oder  ^Unkenntnis  der  Bestim- 
mungen, selbst  wenn  die  Umstände  Öiese  Gründe  klar  erkennen 
lassen;  die  härtesten  und  ungerechtesten  'Zollstrafen  sind  die 
Folge,  die  neben  Konfiskation  der  'ganzen  Sendung  bis  2ur  Höhe 
des  'Werts  der  Ware  gehen.  Es  ist  dringend  zu  wünschen,  .daß 
es  der  Eeichsregiening  gelingt,  hierin  Wandel  zu  schaffen. 


171.    Möbeltransportgeschäft. 


547 


Zum  Schluß  möge  darauf  hingewiesen  werden,  daß  in  den 
letzten  Monaten  des  Jahres  sich  der  Grad  der  Arbeitslosigkeit 
erhöht  hat,  so  daß  die  Abschwächujig  der  Konjunktur  sich  all- 
gemeiner fühlbar  zu  machen  scheint,  was  auf  das  Jahresergebnis 
nicht  ohne   Einfluß   bleiben   kann. 

Einem    zweiten    Bericht   entnehmen   wir    folgendes: 

Im  Jahre  1913  ließen  die  'wirtschaftlichen  Verhältnisse  im 
allgemeinen  zu  wünschen  übrig,  so  daß  der  Rückschlag  auf  den 
Speditionsbetrieb  nicht  ausbleiben  konnte  und  'die  zu  bewältigen- 
den Gütermassen  von  geringerem  Umfange  ■  waren  als  im 
Jahre  1912.  '  1 

Das  Minus  erstreckt  sich  nicht  nur  auf  den  Eingang  deutscher 
Provenienz  und  den  Ipaport  vom  'Auslande,  sondern  auch  auf  den 
A'ersand  innerhalb  Deutschlands.  Aber  auch  'der  Export  ist  in 
Mitleidenschaft  gezogen,  und  zwar  zeigt  'der  Export  nach  Nord- 
amerika eine  Abnahme.  Dagegen  weist  'der  Export  nach  Süd- 
amerika, England,  Rußland  und  Spanien  eine  Zunahme  auf.  Der 
Export  nach  der  Schweiz,  Holland,  OesterreichnUngam,  Erank- 
reich,  Belgien,  hält  sich  etwa  in  dem  gleichen  Rahmen  wie  im 
vorigen  Jahre.  n 

Die  Löhne  und  Gehälter  haben  sich  gegen  1912  um  ca.  lOo/o 
erhöht,  dagegen  die  Futterkosten  um  ca.  15 o/o  ermäßigt.  Die 
Arbeiterverhältnisse  sind  zu-friedenstellend,  ebenso  auch  'der  Eisen- 
bahnverkehr. 


Schluss  des 
Jahres. 


ZweiterBericht 


171.    Möbeltransportgeschäft. 

Das  Stadtgeschäft  war  im  allgemeinen  wenig  befriedigend. 
Im  Frühjahr  war  es  beeinflußt  durch  die  für  uns  ungünstige  Lage 
des  Osterfestes,  im  Herbst  war  es  etwas  lebhafter.  Die  Preise 
für  Stadtumzüge  waren  im  großen  'und  ganzen  kaum  befriedigend. 

Das  Femtransportgeschäft  brachte  im  Frühjahr  wenig  Zu- 
zug, im  Herbst  war  etwas  lebhaftere  Beschäftigung  infolge  der 
vielen  Versetzungen  des  Militärs.  In  'den  Hauptumziugstagen  Ende 
März  und  Anfang  April  und  noch  mehr  Ende  September  und 
Anfang  Oktober  war  ein  Mangel  "an  Möbelwagen  stark  verspürbar. 
Die   erzielten   Preise  waren   im   Durchschnitt  nur  onäßig. 

Auslandstransporte  waren   schwach. 

Das  Lagergeschäft  war  im  allgemeinen  mäßig. 

Die  Arbeiterverhältnisse  waren  ruhig,  Arbeitskräfte  waren 
in  ausreichender  Zahl  vorhanden.  Die  'im  Vorjahre  gewährten 
Lohnzulagen  wurden  'trotz  des  schlechten  'Geschäftsganges  durch- 
gehends  hezahlt,  aber  es  macht  sich  immer  mehr  die  "Wahr- 
nehmung bemerkbar,  daß  die  Arbeiter  ohne  Interesse  ihre  Tätig- 
keit verrichten,   obwohl  die  Löhne  *hoch  sind. 

Die  Eisenbahnverhältnisse  gaben  insofern  xlnlaß  zu  Klagen, 
als  sich  im  Herbst  ein  ziemlicher  Mangel  an  offenen  Eisenbahn- 

35* 


Stadtgeschäft 


Ferntransport- 
sreschäft. 


Auslands- 

transporte. 

Lagergeschäft. 

Arbeiter- 
verhältnisse. 


Eisenbahn- 
verhältnisse. 


548 


Xn.  Verkehrsgewerbe. 


wagen  fühlbar  machte,  ebenso  blioben  die  Transporte  sehr  lange 
unterwegs.  , 

In  ^ollangelegenheiten  wirkten  die  plötziich  verkürzten  Auf- 
enthaltsfrißten  für  Möbelwagen  in  Oesterreich  beunruhigend,  zu- 
mal der  Möbelwagenverkehr  zwischen  Deutschland  'und  Oester- 
reich und  umgekehrt  sehr  lebhaft  Ist.  Da  im  Vorjahre  ähnliche 
Verhältnisse  in  Ungarn  schnell  eine  zufriedenstellende  EijledigUQg 
fanden,  so  wird  für  Oesterreich  ein  gleiches  erhofft. 

Im  allgemeinen  liat  der  Berliner  "Möbeltransport  am  Jahre 
1913  wenig  Freude  gehabt,  zumal  auch  die  sozialen  Lasten  durch 
die  AngestellteunVersicherung  eine  weitere  Erhöhung  gefunden 
haben.  Allmählich'  kommt  es  dahin,  daß  die  Unternehmer  die 
vollen  Beiträge  für  die  Angestellten  -Versicherung  bezahlen  oder 
aber  entsprechende  Gehaltserhöhungen  machen  müssen.  Die  Un- 
kosten wurden  vermehrt,  ohne  daß  ihnen  erhöhte  Einnahmen 
gegenübertraten. 

172.   Schiffahrtsbetrieb. 

Der  Wiasserstand  auf  der  Elbe  Wjar  im  Berichtsjahre  sehr 
wechselnd.  Bei  Eröffnung  der  regelmäßigen  Schiffahrt  Anfang 
iMai  war  er  für  Kähne  mittlerer  Größe  nahezu  vollschiffig,  ver- 
schlechterte sich  aber  bis  Ende  Juni  fortwährend.  Hierauf  trat 
infolge  ergiebiger  Niederschlag  ein  guter  Wasserstand  ein,  der 
mit  einer  kurzen  Unterbrechim.g  in  der  ersten  Augusthälfte  bis 
Ende  September  anhielt.  Der  Oktober  brachte  eine  Verschlechte- 
rung, was  in  Verbindung  mit  den  Schiffahrtssperren  zu  Magde- 
iburg  Mitte  Oktober  und  unterhalb  Wittenberge  Anfang  No- 
vember ein  bedeutendes  Anziehen  der  Frachten  zur  Folge  hatte. 
Im  Dezember  war  der  Wasserstand  meKr  als  vollschiffig.  Auch 
in  diesem  Jahre  machte  sich  wiederum  die  Erscheinuag  geltend, 
daß  zur  Zeit  guten  Wasiserstandes  [auf  der  Elbe  in  der  zweiten 
Hälfte  des  August  auf  der  unteren  Havel  nur  eine  sehr  geringe 
Belastung  der  Flußschiffe  möglich  war.  Um  so  bedauerlicher  ist 
es,  daß  für  den  Umbau  des  Flauer  Kanals  auch  in  dem  neuen 
Etat  wiederum  keine  Mittel  eingestellt  worden  sind.  Dagegen 
ist  die  Verbreiterung  des  Sacrow — Paretzer  Kanals  in  einer  allen 
Wünschen  der  Schiffahrt  Recimung  tragenden  Weise  nunmehr 
durchgeführt.  Und  die  Verbesserung  der  oberen  Havelwasserstraße 
soll  jetzt  auch  in  Angriff  genommen  werden. 

Auf  der  Oder  waren  die  Wasserstände  bis  Mitte  April  sehr 
niedrig,  dann  kurze  Zeit  normal;  im  Mai  und  Juni  fielen  sie, 
so  daß  Ende  Juni  und  Anfang  Juli  das  ausgesprochenste  Niedrig- 
•wlasser  herrschte.  Juli  und  ^August  brachten  jäh  steigende 
und  kurz  aufeinander  folgende  Hochwasserwellen,  die  aber  von 
(Mitte  Oktober  bis  gegen  Mitte  November  Nvieder  niedrigeren 
Wasserständen  Platz  machten.  Von  der  zweiten  Hälfte  November 
ab  bis  zum  Ende  des  Jahres  herrschten  bessere  Wasserstände. 


172.   Schiffahrtsbetrieb. 


549 


Erheblich  wurde  der  Geschäftsgang  beeinflußt  durch  den 
grollen  Streik  der  Schiffsmannschaften  vom  Februar  bis  Anfang- 
Mai.  Am  Streike  waren  beteiligt  Steuerleute,  Maschinisten, 
Heizer  und  Bootsleute.  Gegenstand  des  Kampfes  war  die  Nacht- 
und  Sonntagsruhe.  Der  Streik,  der  für  die  Arbeiter  erfolglos 
verlief,  hatte  zur  Folge,  daß  eigentlich  erst  von  Anfang  Mai 
ab  ein  regelmäßiger  Schiffahrtsbetrieb  auf  der  Elbe,  Oder  und 
den  märkischen  Wasserstraßen  möglich  war. 

*!Ein  wichtiges  Ereignis  für  die  Schiffahrt  war  die  Eröff- 
nung des  neuen  Osthafens  der  Stadt  Berlin.  Doch  wurde  von 
den  Intereäsenten  lebhaft  über  zu  späte  Bekanntgabe  der  Tarife 
geklagt. 

Ueber  die  einzelnen  Stromgebiete  ist  noch  folgendes  zu  Tdc- 
richten :  , 

Im  Berlin—Hamburger  Verkehr  wlirde  das  für  das'  Jahres- 
ergebnis sio  wichtige  Frühjahrs-  und  Herbstgeschäft  durch  den 
Streik  und  den  Wasserstand  sehr  beeinträchtigt.  Das  Ladungs- 
angebot zu  Berg  war  sehr  gering»  Hierzu  trugen  neb^n  djem 
Streik  die  Nachwirkungen  der  Notstandstarife  für  Mais  und 
Gerste  bei.  Die  Schlepplöhne  waren  niedrig.  Auch  die  Ausfuhr 
ging  infolge  Abflauens  der  Konjunktur  g&gen  1912  sehr  zurück, 
insbesondere  nach  England,  Südamerika  und  der  Levante.  Nach 
Nordamerika  besserte  sie  sich  gegen  Ende  des  Jahres  infolge  des 
neuen  Zolltarifes.  Außerdem  war  eine  Zunahme  nach  Ostasien, 
Niederländisch-Indien  und  Japan  zu  beobachten,  besonders  für 
elektrische  Artikel.  Die  Frachterhöhung,  die  im  Oktober  durch 
die  Spen'ung  der  Magdeburger  Eibbrücke  hervorgerufen  wurde, 
hielt  nicht  lange  an.  Auch  der  Eildampferverkehr  in  der  Bich- 
tung  Hamburg— Berlin  und  umgekehrt  war  im  großen  ganzen 
flau  infolge  des  kolossalen  Angebots  von  Schiffsraum'.  Das  An- 
gebot an  Kahnraum  auf  der  Elbe  wurde  zum  Vorteil  der  Sohiff- 
fahrt  dadurch  eingeschränkt,  daß  die  Ladefähigkeit  der  Schiffe 
den  größten  Teil  des  Jahres  hindurch  nicht  voll  ausgenutzt  wer- 
den konnte. 

Ueber  den  Berlin-Breslauer  Verkehr  entnehmen  wir  dem  Be- 
richt des    Schiff ahrts- Vereins   zu   Breslau   folgendes: 

Im  Talverkehr  auf  der  Oder  war  bei  Beginn  der  Schiffahrts- 
saison infolge  der  ungewöhnlich  späten  Eröffnung  der  Schiff- 
fahrt die  Nachfrage  nach  Kahnraum  dringend,  so  daß  etwias  höhere 
Raten  gezahlt  wurden  als  sonst  um  dieselbe  Zeit.  Infolge  des 
Streiks  stiegen  die  Frachten  insbesondere  für  Kohlen  ab  Cosel 
weiter,  und  auch  die  Güterfrachten  ab  Breslau  und  Cosel  hielten 
sich  bis  Mitte  Juni  auf  auskömmlicher  Höhe;  hierauf  trat  infolge 
nachlassenden  Angebots  in  Gütern  und  Vermehrten  Kahhraums 
ein  Rückgang  ein.  Die  Frachten  für  Kohlen  behaupteten  jedoch 
ihren  hohen  Stand,  besonders  bei  Verladung  von  Cosel  den  ganzen 


Berliii- 
Breslauer 
Verkebr. 


550  XII.  Verkehrsgewerbe. 

Sommer  hindurch  bis  in  die  Periode  hohen  Wasserstandes  hinein. 
Erst  als  Anfang  Oktober  die  Kohlenlieferungen  nach  Rußland 
und  den  Balkanstaaten  in  erhöhtem  Maße  aus  dem  oberschlesisehen 
Eevier  aufgenommen  wurden  und  infolgedessen  sich  die  Wasser- 
verladungen in  Kohlen  verringerten,  gaben  die  Raten  um  wenige 
Pfennige  nach.  Das  Angebot  in  Gütern  von  August  an  und  auch 
später  im  September  war  geringer  als  sonst,  weil  wegen  der  ver- 
regneten Ernte  nur  wenig  trockenes  Gnetreide  zur  Was&erverladung 
kommen  konnte.  Erst  im  Oktober,  als  sich  die  Zuckerladungen 
erheblich  mehrten,  konnten  sich  die  Güterfrachten  ab  Breslau 
und  ab  Oosel  wieder  erholen,  und  blieben  bis  Schluß  der  Schiff- 
fahrt auf  normaler  Höhe. 

Im  Geschäft  zu  Berg  war  das  Angebot  in  Massengütern  von 
Hamburg  wenig  bedeutend,  und  das  Gütergeschäft  konnte  den 
nach  Hamburg  von  Schlesien  anschwimmenden  Kahnraum  nur 
selten  voll  befriedigen.  Die  Frachtraten  blieben  daher  während  des 
größten  Teils  des  Jahres  von  Hamburg  direkt  unlohnend.  Von 
Stettin  war  der  Verkehr  in  Massengütern  sowohl  nach  Breslau  als 
wie  auch  nach  Oosel  in  weiterer  Zunahme  gegen  die  Vorjahre  be- 
griffen. Die  Frachtraten  sind  den  Konkurrenzverhältnissen  der 
Bahn  angemessen  und  können  sich  nur  unwesejitlich  erhöhen. 
Dagegen  spielt  der  Faktor  der  Kahnmieten  (Anteilfracht)  bei 
der  Rentabilität  eine  große  Rolle.  Da  im  Berichtsjahr  der  Kahn- 
raum in  Stettin  immer  sehr  begehrt  war,  mußten  zum  Teil  die 
doppelten  Preise  als  unter  normalen  Umständen  angelegt  werden, 
was  natürlich  den  Nutzen  schmälerte.  Das  Gütergeschäft  war 
zeitweise  sehr  belebt,  doch  blieben  die  Frachtraten  auf  der  Basis 
der  vorjährigen  Preise. 
Berlin-  Für  den  Berlin-Stettiner  Verkehr  von  o:roßem  Nachteil  war 

Stettiner  Ver- 

kehr.  der   Umstand,    daß    der   Großschiffahrtsweg    Berlia- Stettin   nach 

nur  viertägigem  Betrieb  bereits  am  5.  April  des  Berichtsjahres 
wieder  geschlossen  werden  mußte.  Dadurch  wurde  mancher  Be- 
sitzer von  Schiffen  gTößeren  Tiefganges  schwer  geschädigt,  da 
die  Schiffe  den  Finowkanal  nicht  benutzen  konnten  und  wieder 
umkehren  mußten.  Die  hiervon  Betroffenen  verlangten  von 
der  Regierung  Schadensersatz,  welchen  diese  aber  ablehnte.  Ob- 
wohl im  Jahre  1913  in  Stettia  infolge  der  niedrigeren  Frachten 
weniger  leerer  Kahnraum  vorhanden  war  als  sonst,  war  es  doch 
nicht  möglich,  den  auf  Beladung  wartenden  Raum  ausgiebig  zu 
beschäftigen,  so  daß  das  ganze  Jahr  hindurch  mit  einem  Ueberfluß 
von  disponiblem  Raum  zu  rechnen  war.  Die  Frachten  waren  so 
niedrig,  daß  sie  nicht  nur  keinen  Nutzen  ließen,  sondern  zum 
Teil  sogar  verlustbringend  waren.  Die  Zufuhr  von  englischen 
Steinkohlen,  von  schwedischen  Pflastersteinen,  Eisen,  Trägern  und 
Mauersteinen  entsprach  nicht  den  Erwartungen.  Auf  den  Import 
von  Steinen  und  Baumaterialien  wirkte  die  Ausbreitung  des 
Asphaltpflasters   und   das    Damiederliegen    des    Baumarktes   un- 


172.   Schiffahrtsbetrieb. 


551 


günstig  ein.  Eine  leidliche  Bescliäftigung  des  auf  Transporte 
von  Baumaterialien  angewiesenen  Kalmraums  ließ  sich  erst  er- 
reichen, als  die  Zuckerrüben-  und  Kartoffeltransporte  Ende  Sep- 
tember   und   Anfang    Oktober    einsetzten. 

Der  Schiffahrtsverkehr  von  und  nach  Mecklenburg  war  im 
Berichtsjahr  ziemlich  rege.  Im  Stückgutversand  von  Berlin  war 
wegen  der  allgemeiaen  schlechten  Lage  eine  gewisse  Flaue  zu 
verzeichnen.  Das  Angebot  von  Getreide  und  Mehl  war  etwas 
stärker.  Der  Steinverkehr  war  sehr  geriQg.  Die  Wasserverhält- 
nisse waren  die  denkbar  schlechtesten,  so  daß  ein  normaler  Schiff- 
fahrtsverkehr nicht  mehr  vorhanden  war.    Besonders  gaben   die 


Berlin- 
]\Iecklenburge 
Schiffahrts- 
verkehr. 


,b.  153. 


Verkehr  auf  dem  Teltowkanal     1911—1913. 


Warengattungen 


Durchgangsverkehr 


zu  Berg 
t 


zu  Tal 
t 


Ortsverkehr 


angekommen 


zu  Berg 
t 


zu  Tal 

t 


abgegangen 

zu  Berg  |     zu  Tal 

t  t 


Zusammen 

zu  Berg  \    zu  Tal 

t  t 


Gesamt- 
summe   in 
beid.  Rich- 
tungen 
i 


Erde,  Lehm, 
Sand,  Kiesi) 

Steine,  Dach- 
ziegel, Ton- 
röhren 

Stein-       und 
raunkohlen^)  ^) 

Sonstige  Er- 
zeugnisse des 
Bergbaus 

Rohstoffe  für 
die  Industrie 

Industrie-Er- 
zeugnisse^)^) 

Düngemittel 


Erzeugnisse 
des  Land-  u. 
Gartenbaues, 
Viehzucht  u. 
Fischerei  *) 

Bau-  und 
Brennholz 


1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 

1911 
1912 
1913 


1911 
1912 
1913 


10  457 
31070 
38  222 

45  017 
43  030 
37  674 


3  455 

18  403 

3  928 

15  260 

16  118 
14  945 


31811  (  82  767 
50  972  :  186  279 
46  822  i  210  205 


32  205 
61243 
37  308 

10  611 
28  773 
27  726 

15  261 
23  415 

26  307 

8  912 

16  604 
10  246 

8  321 

17  329 
20  406 


2  186 
1763 
2  731 


4  224 
8  690 
7  297 

941 

1044 

508 

15  160 
23  254 

17  214 

5  045 

6  476 
12  485 

49  666 

103  207 

95  384 


9  820 
24  224 

27  217 


Zusammen 


1911 
1912 
1913 


164  781  i  186  238 


247  442  i  389  183 


22  319 
58  264 
33  155 

169  131 
72  325 

64  424 

161  952 

163  585 
192  193; 

12  087  I 
33  254  I 

65  853  I 

1  192  j 

1239  1 

308 

40  528 
39  037 
24  134 


2  898 

3  562 

4  819 


28  860 
17  064 
13  865 


107  834 
121684 
133  785 

73  062 
14  413 
12  702 

33  411 

138  812 

139  846 

2  099 
5  932 

4  991 

156 
65 
37 

49  062 
11859 

5  974 

278 

186 

2 

1459 
2  565 
4  230 


4  639 
2  213 
1609 


9  305 
2  533 

197 

1  184 
218 

19  295 
27  455 
22  132 

264 

640 

1 

60 

1172 

1026 

931 

27  749 
27  647 
35  263 

4  352 

4  077 

5  423 


71  1 

4  i 


3  400 
12  930 

4112 

514 
8  858 

4  145 

2  558 
1905 

708 

3  677 
2  711 
1410 

869 
386 

950 

1087 

972 


155 

1674 
6  850 
1840 


341 
22 


438  973 
388  330 

398  758 


272  000 
297  729 
303  176 


62  335  ! 

63  993  I 

64  671  I 


12  773 
35  551 

13  750 


61  531  114  689 

91867  153  798 

71  377  141  825 

214  345  88  836 

116  539  39  389 

102  316  31792 


213  058 
242  190 
261  627 

44  556 

94  497 

103  801 

11804 
30012 
28  094 

56  961 
63  700 
51372 

36  661 

44  251 

45  516 

15  573 

24  978 
30  648 


118  736 
327  006 

350  829 

10  000 
17  333 
13  698 

997 

1978 

931 

65  172 
36  410 
24  180 

5  323 

6  602 
12  642 

52  799 
112612 
101  454 


31052  14  459 
18  898  26  798 
16  600   28  848 


685  541  ,  471011 
726  932  '  721  986 
711351  706  199 


1)  Außerdem  gingen  im  Ortsverkehr  innerhalb  des  Kanals  1911:  19450  t  zu  Berg:  1912:  < 81 1  zu  Tal.  2)  Desgl.  1912: 
»  t  zu  Berg.  3)  Desgl  1912 :  222  t  zu  Berg  und  210  t  zu  Tal.  *)  Desgl.  1911:  2  t  zu  Berg,  b)  Desgl.  1913:  480  t  zu  Berg: 
)  t  zu  Tal.    c)  Desgl.  1913:  20  t  zu  Tai. 


552 


Xn.  Verkehrsgewerbe. 


Tab.  154.  Gesamtverkehr  auf  den  Berlin-Charlottenbg.-Neuköllner  Wasserstraßen  i.J.  1913 

(nach  den  "Wertklassen  der  Reichsstatistik  geordnet). 


o 

1           Bezeichnung 
der 

Berlin-N 

eukölln 

Charlottenbur 

? 

'^ 

angekommen 

abgegangen 

angekommen 

abgegangen 

6 

zu 

zu 

zu 

zu 

3 

Güter 

Berg 

Tai 

Berg 

Tal 

Berg 

Tal 

Berg 

Tal 

t 

t 

^ 

t 

t 

t 

t 

t 

1 

Abf.v.  Hörn,  Klauen,  Häuten  usw. 

2 

35,5 

121 

19,5 

_ 

2 

Baumwolle,roheAbf  alle  dav.usw. 

529 

8 

239 

525 

— 

— 

— 

3 

Bier 

1625 

1482 

2  259,5 

3  414,5 

— 







4 

Blei  in  Blöcken  usw.,  Bleiwaren 

6  964,5 

4  590,5 

4  446 

1  256,5 

1541 

251 

200 

105 

5 

Borke,  Lohe,  Gerbhölz.,  Gerbst. 

3150,5 

94 

183^ 

99,5 

511 

7 

28 



ba 

Braunkohlen,  rohe 

224 

834 

— 

1279 

163 

_ 

6b 

Braunkohlenbrik.,Braunk.-Koks 

— 

— 

— 

43 

100 

948 

— 

— 

7a 

Zement 

11976.5 

80  899 

388 

684,5 

20598 

5  849 

58 

205 

7b 

Steine,  Platten,  Fliesen  V.  Zement 

420,5 

455,5 

8 

Chemikalien  und  Drogen  ,    .    . 

6329,5 

4900 

4  323,5 

5  476,5 

4325 

515 

211 

190 

9 

Dachpappe,   Steinpappe,    Teer- 

pappe, DachflJz 

1350,5 

17 

337,5 

318,5 

172 

— 

79 

— 

10a 

Tierischer  Dünger 

101,5 

— 

16  880 

3  776,5 

— 

— 

5117 

5  077 

10b 

Thomasmehl 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

10c 

Chilesalpeter 

1429 

195 

9 

175 

— 

— 

— 

— 

lOd 

Kalisalze  zum  Düngen .... 

— 

278,5 

3 

6 

430 

66 

.— 

— 

lOe 

Phosphorsaurer    Kalk,    Super- 

phosphat 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

192 

349 

lOf 

Andere  künstliche  Düngemittel 

42 

3 

33  847 

528 

— 

— 

611 

969 

IIa 

Roheisen  aller  Art 

4  036 

4  225,5 

29. 

— 

1263 

1083 

IIb 

Luppen  von  Schweißeisen  usw. 

— 

— 

150 

— 

— 

— 

— 



11c 

Eisen-  und  Stahlbruch  .... 

286 

292 

2116 

230.5 

— 

— 

198 

2 

12a 

Eisen  u.  Stahl  i .  Stäben,  a.geformt 

12337 

12  665,5 

1745 

1 056,5 

931 

519 

— 

929 

12b 

Platten  und  Bleche  aus  Eisen  . 

4169 

423 

191,5 

201,5 

686 

— 

— 

— 

13 

Eisenbahnschienen,    Schienen- 

befestigungsgegeastände  usw. 

333 

67 

7 

80 

62 

— 

— 

— 

14 

Eisenbahnschwellen,  eiserne     . 

— 

— 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

15 

Eis.  Achsen  u.   Bandagen   usw. 

11 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

16a 

Eis.Dampfkessel  U.Behälter  usw. 

— 

3 

3 

10 

14 

— 

— 

217 

16b 

Maschinen  und  Maschinenteile 

2  062,5 

86,5 

388,5 

5  270,5 

— 

— 

425 

139 

17 

Eiserne  Röhren  und  Säulen.     . 

116 

277 

533 

254,5 

16 





60 

18 

Eisen-  und  Stahl draht  .... 

311 

714 

1 193,5 

1  747,5 

— . 

28 

927 

586 

19a 

Eisen-  und  Stahlwaren     .    .    . 

2  454,5 

3  396 

1498 

4 136,5 

327 

25 

28 

49 

19b 

Unedle  Metalle  u.  Waren  daraus 

14  155,5 

2  492,5 

4&34,5 

9  660,5 

171 

— 

63 

61 

20 

Eisenerz  (ausschl.  Schwefelkies)  l 

— 

1018 

1 055,5 

140 

— 

— 

174 

— 

21a 

Erde,  Kies,  Sand,  Mergel .    .    .  i 

47  297,5 

611  719,5 

124  277 

48161,5 

148  855 

312  811 

4330 

6  578 

21b 

Ton,  Lehm  usw 

1768 

10096,5 

420 

285 

254 

— 

— 

— 

21c 

Farberden,  Graphit  usw.  .    .    . 

650 

7  341 

214 

90,5 

907 

189 

— 

— 

21d 

Sonst.  Erden  u.  rohe  miner.Stoffe 

516 

35 

81,5 

6 

170 

— 

— 

— 

22ai 

Bleierze,  Kobalterze,  Nickelerze 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

.._ 

22a2 

Zinkerze i 

— 

— 

— 



—    , 

— 

— 

— 

22b 

Kupfererze,  Kupferstein    .    .    . 

_ 

— 

25 

— 

— 

— 

— 

— 

22c 

Manganerze,  Braunstein    .    .    . 

154.5 

3,5 

152. 

29 

— 

— 

— 

— 

22d 

Schwefelkies 

200 

— 

— 

— 

— 

— 

22e 

Andere  Erze 

— 

_ 



14 

— 

— 

— 

— 

22f 

Z.  Verhütt.  bestimmte  Schlacken 

311 

369 

565,5 

526 

— 

— 

: — 

— 

23 

Farbhölzer,  Farbholzauszüge    . 

770 

99,5 

— 

— 

1301 

71 

— 

— 

24 

Fische  und  Schaltiere    .... 

8  900 

8  041 

154,5 

187 

— 

— 

— 

46 

25 

Flachs,  Hanf.  Hede,  Werg    .    . 

213 

68,5 

148,5 

53,5 

12 

— 

— 

— 

26 

Fleisch,  auch  Speck 

122 

94 

58 

36 

— 

— 

— 

— 

27 

Garne  und  Twiste 

418,5 

98 

182 

115,6 

10 

9 

— 

— 

28a 

Weizen  und  Spelz      .... 

18  753,5 

22  797 

'    2908 

4559 

2  026 

412 

— 

713 

28b 

Roggen  

2  242 

72  376,5 

,    5352 

5505 

2 

300 

170 

1113 

28c 

Hafer 

1479,5 
11146 
4300 

65  801 

37  076 

7  743 

1       847 
912 
149,5 

1682 
1484 
817,5 

115 
802 
468 

612 
245 

64 

156 
163 

300 

28d 

Gerste 

320 

28e 

Hirse,  Bucbweiz.,  Hülsenfrüchte 

— 

28f 

Mais  (Kukuruz) ^. 

43349,5 

290 

P 

190,5 

4109 

— 

— 

^ 

Malz '. 

1956 
1101 

6999 
935,5 

1       271 
;        37 

1276 
413 

22 

10 

— 

Lein-  und  Oelsamen.    .         .    . 

- 

28i 

Andere  Sämereien 

2  855,5 

707 

1         77 

203,5 

3 

— 

176 

- 

29 

Glas  und  Glaswaren 

747,5 

742,5 

877 

2  552 

14 

1 

4 

30 

Häute,  Felle,  Leder,  Pelzwaren 

4  218 

558,5 

760 

4316 

— 

— 

— 

6 

31a 

Telegr.-Stangen  a.  europ.  Holze 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

31b 

Eisenb.schwellen  a.  europ.  Holze 
Europäisches  Holz:*) 

11 

— 

— 

— 

— 

■  — 

— 

— 

31c 

Grubenholz 

— 

1497 

— 

— 

— 

131 

— 

— 

31d 

Rundholz  zur  Herstellung  von 

Holzmasse,  Zellstoff    .    .    . 

154 

333 

1      __ 

— 

— 

— 

— 

127 

31ei 

Bau-  u.  Nutzholz,   unbearbeitet 
oder  in    der    Querrichtung 

bearbeitet     ....    hart  . 

124 

554,5 

— . 

49 

^ 

— 

^ 

— 

31e2 

do.                     weich  . 

223 

665,5 

186 

23,6 

60 

— 

64 

31fi 

Bau-  u.  Nutzholz,  in  der  Längs- 

— 

richtung  beschlagen,  hart  . 

1,5 

98,5 

j           1 

— 

— 

— 

— 

— 

31P 

do.                     weich  . 

3,5 

427 

1      — 

— 

— 

— 

— 

68 

•)  Einschließlich  des  Floßholzes. 


172.  Schiffahrtsbetrieb. 


553 


o 

B  ezeichnung 
der 

B( 

jrlin-N 

eukölln 

!           Charlott 

enbur 

S 

^ 

^ 

angekommen 
zu 

1     abgegangen 
zu 

angekommen 
zu 

abgegangen 
zu 

«^ 

Güter 

Berg 

Tal 

Berg         Tal 

Berg 

Tal 

Berg 
t 

Tal 

t 

t 

t               t 

t 

t 

t 

31g, 

Bau-  u.  Nutzholz,  in  der  Längs- 

I 

richtung'  gesägt   .    .    hart  . 

760 

3440 

72 

42 



203 





3lga 

do.                     weich  . 

933 

70130 

887,5 

878 



12  000 

22 

i       50 

31h 

Korb-  und  Floßweiden  .... 

5,5 

40 

6 

— 



1      

31i 

Brennholz,  Reisig,  Späne  usw. 

1355 

32  834 

683 

27 

220 

2  658 

139 

1 

31k 

Außereuropäisches  Holz  (Erika-, 

Cocus-,  Zedern-,  Buchsbaum-, 

!       Ebenholz,     Mahagoni-,     Poli- 

1 

sander-,  Tiek-  und  Pockholz) 

2  «57,5 

102 

230 

43 

297 





311 

Andere  außereuropäische  Hölzer 
\-      (ausgenommen     Färb-      und 
Gerbhölzer),  wie  amerik.  Nuß- 
baumholz, Pappelholz,  Pitch- 

pine-  u.  Yellowpineholz      .    . 

19194,5 

1783 

819,5 

15 

280 

12 



82 

Holzzeugmasse,  Strohmasse  .    . 

12,5 

748,5 

25 

— 



i      _ 

33 

Hopfen    .......... 

153 







1 

34 

Jute 

895 

42 

1206,5 

191,5 

36 

1   z 

35 

Kaffee,  Kakao,  Tee 

15  670,5 

272,5 

1335,5 

394 

10 





1 

36 

Kalk,  gebrannter 

35,5 

56  693 

50,5 

— 



2  518 



j      _ 

37 

Kartoffeln 

134 

378 







131 

38 

Knochen 

347 

220,5 

96 

4  665!5 
12252 

23 

, 

39 

Knochenkohle . 

~ 

[     ~ 

40 

Lumpen       •...••..- 

1040,5 
62168 

430 

783,5 
3483 

41a 

Weizenmehl 

53  (»4,5 

440 

20 

214 

41b 

Roggenmehl 

1676 

22086,5 

2  868 

41048 



783 

41c 

Kleie 

2  522,5 
1  645,5 

773,5 

147 

294,5 
HO 

74 

27 

41d 

Andere  Müllereierzeugnisse  .    . 

218,5 

97,5 

11 

~ 

~ 

42a 

Obst,  Beeren       

37157 

266 

80 

675 

126 

~20 



;      _ 

42b 

Weintrauben 

564 

1 

— 

— 



42c 

Küchengewächse 

4433 

460 

368,5 

376 

1          28 





1      

4'>d 

Pflanzen 

164,5 
40569,5 

8134 

3533,5 



4198 

2  926 

10 

— 

43 

Oele,  Fette,  Tran,  Talg .... 



32 

44 

Oelkuchen,  Oelkuchenmehl  .    . 

18 

4 





!       



45 

Papier  und  Pappe 

18305,5 

40  693 

6524 

6  613 

3 



39 



46a 

Erdöl  und  andere  Mineralöle     . 

12  652 

1267 

362,5 

830,5 

,    15  427 



1124 



46b 

Steinkohlenteeröle,   Naphthalin 

9 

9 

23 

62 

14 

5 

47 

Reis.  Reismehl,  Reiskleie  . 

6  614,5 

715 

359 

144,5 

'        13U 



10 

48 

Röhren  von  Ton  und  Zement  . 



4 

35,5 





49 

Rüben,     Zuckerrüben,      Futter- 

rüben, Zichorienwurzeln .    . 



10 



— 





50 

Rübensirup,  Melasse      .... 

2565,5 

145 

220 

324,5 

— 







51 

Salpetersäure,  Salzsäure        .    . 

379,5 

778 

685,5 

23 



628 





52a 

Salz  CKoch-,  Speise-,  Viehsalz) 

98 

921 

177 

11 

— 





52  b 

Bitter-  und  Glaubersalz     .    .    . 

34 

— 

46 

24 









53 

Schiefer 

403,5 
92 

342 
1163 

3 

178,5 

4 
25 

130 

5  218 

2608 

54 

Schwefelsäure 

65 

55a 

Soda,  rohe,    kalzinierte      .    .    . 

1 782,5 

691,6 

469,5 

149 

99 

13 

55b 

kaustische 

•-00 

262 

152 

43 







56 

Weingeist,  Branntwein,  Essig  . 

534,5 

7i»,5 

1073 

4322 

— 



_ 



57 

Stärke,  Stärkezucker  usw.     .    . 

1164 

2515,6 

73,5 

482,5 

__ 





rO 

58a 

Alabast., Marmor,  Serpentinstein 

49,5 

— 

26 

— 

— 

— 



58b 

Andere  Steine,  bearbeitete    .    . 

182 

183 

2 

— 

— 







59a 

Gebr.  Mauersteine,   Dachziegel 

79  590,5 

487  659 

7  900 

2338,5 

60  417 

194911 

1347 

414 

59  b 

Bau-,  Bruch-  und  Werksteine  . 

1547 

4  984 

1240 

163 

1140 

2  119 

103 

105 

59c 

Pflastersteine  aller  Art      ... 

2  907,5 

21 552 

22  085 

10104 

8263 

4110 

1627 

:5(34 

59d 

Polier-,  Schleif-,  Wetzsteine  usw. 

4  724,5 

30 

162,5 

341 

1284 

— 

60a 

Steinkohlen 

487  121,5 

595  867 

3  284 

644 

228408 

173  005 

991 

7  659 

60b 

Steinkohlenbriketts 

— 

9160 

— 

125 

176 

1110 

60c 

Steinkohlenkoks 

50580 

88  666 

3152 

834 

51148 

17  934 

398 

iTs 

61 

Tabak,  roh,  Tabakrippen  .    .    . 

367 



26 

2,5 

— 



62 

Teer,  Pech,  Asphalt,  Harz     .    . 

17121 

811 

2  771,5 

528,6 

33195 

1126 

4889 

973 

63 

Tonwar.,Porzellan,Steingut  usw. 

84 

317 

267,5 

1221 

3  281 

130 

— 

^ 

64a 

Torf.  Torfstreu,  Torfkohlen  .    . 







— 

— 







64b 

Holzkohlen 

1 





— 

— 







65 

Wein 

8  782,5 

1313,6 

320 

150,6 

22 







66 

Wolle 

596 
244 

79 
5  778 

11 
522 

278,6 
2  650 

1 

~10 

— 

67 

Zink,    Zinkbrocken 



68a 

Zucker,  roh 

3068 

279 

3 

1034 

— 

— 

— 



68b 

Verbrauchszucker      

50549,6 

27  334,6 

1042 

897 

10 

10 

— 



69 

Stückgüter  (Sammelgüter) .    .    . 

34  507,5 

1669,5 

5161 

10  856 

1.729 

170 

804 

285 

70a 

Umschließungen,  gebrauchte    . 

1279,5 

883,5 

1611 

6331,5 

2 

— 

360 

1829 

70b 

Farben    

5  289 
2  647,5 

2  362 
679 

1229,5 
846 

7  969 
4442,61 

571 
21 

110 

~95 

1 

70c 

Holzwaren  und  Möbel   .... 

2 

70d 

Heu  und  Stroh 

1936 

76 

10 

- 

1748    i 

93 

— 

70e 

Sonstige  Güter 

26  282 

13  783 

11260 

19  766   ! 

230    1 

166 

191 

96 

1913  ill246  694 

2491892,5 

305  403 

260166   : 

603  4G5 

742  676 

27  489 

:^978 

1912  11734  500,6 

2779  466 

388 112 

320823,5 

759950,5 

1120  899 

27  408 

26  305 

1911  1 

2664  217 

2293986 

275802 

894  982   1 

513  668    1 

1594  605 

25  705 

25  346 

554  XII.  Verkehrsgewerbe. 

Strecken  Strasen-Fürstenberg  und  Zaarenschleu&e-Templiner  Ge- 
wässer zu  Klagen  Anlaß.  Auf  der  ersteren  ergab  sich  unter  den 
schwierigsten  Verhältnissen  eine  Ladefähigkeit  von  2/3 ^  auf  der 
letzteren  mußte  hiervon  noch  die  Hälfte  abgeleichtert  werden.  Der 
Nutzen  war  infolge  von  ungenügender  Ausnutzung  der  Lade- 
fähigkeit der  Fahrzeuge,  Ableichterkosten  und  Zeitverlust  für 
die  Schiffahrt  auf  der  oberen  Havel  nur  sehr  gering,  so  daß 
sie  einen  Verdienst  nicht  abwarf, 
reitowkanai.  Unter  der  allgemeinen  Ungunst  der  Geschäftslage  hat  mit  den 

übrigen  Wasserstraßen  auch  der  Teltowkanal  im  Jahre  1913  zu 
leiden  gehabt,  wenn  auch  anscheinend  in  geringerem  Maße,  als 
das  an  anderen  Stellen  der  Fall  war.  Jedenfalls  zeigt  das  Jahr 
1913,  das  siebente  Betriebsjahr  des  Kanals,  zum  ersten  Male 
keine  Zunahme,  sondern  sogar  eine  geringe  Abnahme  des  Gesamt- 
verkehrs gegen  das  Vorjahr.  Während  in  letzterem  1448  918  t 
befördert  wurden,  ermäßigte  sich  im  Jahre  1913  diese  Zahl  auf 
1 417  550  t,  also  um  rund  31  000  t,  oder  etwas  mehr  als  2  0/0  des 
vorjährigen  Verkehrs.  Abgenommen  hat  insbesondere  der  Durch- 
gangsverkehr zu  Berg  um  rund  27  000  t,  und  der  an  und  für  sich 
noch  geringe  und  zum  Teil  von  Zufälligkeiten  abhängende  Orts- 
verkehr aus  dem  Kanal  zu  Tal  um  etwa  22  000  t.  An  anderen 
Stellen  ist  eine  Zunahme  eing'etreten,  z.  B.  beim  Ortsverkehr  zu 
Berg  um  10  000  t  und  zu  Tal  um  etwa  6000  t.  Auch  der  Durch- 
gangsverkehr zu  Tal  und  der  Ortsverkehr  aus  dem  Kanal  zu 
Berg  zeigen  eine  geringe  Zunahme.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß 
der  Orts-Ziegelverkehr,  der  im  Jahre  1910  252  000  t,  im  Jahre 
1911  242  000  t  brachte,  im  Jahre  1912  auf  nur  86  000  t  und  im 
Jahre  1913  sogar  auf  77  000  t  herabsank,  d.  h.,  ungefähr  auf  den 
Betrag  des  ersten  Betriebsjalires,  1907.  In  diesen  Zahlen  kommt 
das  außerordentliche  Darniederliegen  der  Bautätigkeit  in  den 
letzten  Jahren  deutlich  zum  Ausdruck.  Da  die  Beförderung  von 
Baustoffen,  namentlich  von  Ziegeln,  im  allgemeinen  einen  sehr 
wesentlichen  Teil  der  Gesamtbeförderung  auf  den  Wasserstraßen 
bildet,  so  ergibt  sich  ohne  weiteres,  daß  trotz  der  festgestellten 
geringen  Abnahme  der  Teltowkanal  auch  im  letzten  Jahre  sich 
befriedigend  weiter  entwickelt  hat.  Dank  der  günstigen  Ab- 
messungen, Krümmungen  und  Wasser  tiefen  des  Kanals,  der  großen 
Lichthöhen  und  -weiten  der  Brücken,  sowie  der  bisher  gut  be- 
währten Schleppeinrichtungen,  ging  der  Verkehr  glatt  und  ohne 
Störungen,  bei  sicherer  und  aufenthaltloser  schneller  Beförderung 
vonstatten.  Täglich  verkehrten,  wie  in  den  Vorjahren,  etwa 
zwölf  Züge  —  in  jeder  Eichtung  sechs  — ,  die  gut  besetzt  waren, 
und  zwischen  denen  häufig  bei  besonderem  Schiffsandrang  noch 
Vor-  und  Nachzüge  eingelegt  werden  mußten.  Im  Berichtsjahre 
sind,  dem  wachsenden  Bedürfnis  entsprechend,  auch  die  vorhan- 
denen mechanischen  Verla-devorrichtungen  durch  Errichtung  von 
drei    weiteren    Portaldrehkranen    von    6  t    Tragfähigkeit    in    den 


173.    Personenverkehr   auf  der    Stadt-   und   Bin^rbahn. 


555 


Häfen  Lankwitz,  Tempelhof  und  Britz- West  vervollständigt 
worden. 

Ueber  den  Verkehr  in  den  einzelnen  Güterarten  unterrichtet 
Tabelle  153  auf  Seite  551. 

Die  Erträgnisse  des  Jahres  1913  waren  für  die  Personen- 
schiffahrt zufriedenstellend,  da  die  Witterung  im  Durchschnitt, 
hauptsächlich  an  den  Feiertagen,  gut  war.  Jedoch  hätten  wohl 
die  Einnahmen  ein  noch  günstigeres  Resultat  ergeben,  wenn 
nicht  mehrere  Wochen  der  großen  Ferien  vollständig  verregnet 
wären.  Ferner  wurde  auch  das  Geschäft  durch  die  sehr  ge- 
steigerten Preise  für  Brennmaterialien  recht  ungünstig  beein- 
flußt. Die  Preise  für  Koks  sind  etwa  10  o/o,  für  Kohlen  etwa 
5  o/o  und  für  Benzin  sogar  etwa  90  o/o  höher  als  im  Jahre  1912. 

In  den  Arbeitsverhältnissen  hat  sieh  gegenüber  dem  Vor- 
jahre kaum,  etwas  geändert,  die  Löhne  zeigen  noch  immer  eine 
steigende  Tendenz,  und  es  mangelt  auch  jetzt  noch  an  geprüften 
Heizern. 

Die  Fahrkartensteuer,  welche  für  die  von  Vereinen  ge- 
mieteten Dampfer  in  Höhe  von  10  o/o  vom  Gesamtpreis  ab- 
geführt werden  muß,  hat  das  Vereinsgeschäft  sehr  beeinträchtigt, 
so  daß  im  Jahre  1913  hier  ein  Rückgang  zu  verzeichnen  ist. 
Die  Dampferpartien  veranstaltenden  Vereine  nehmen  Anstoß 
an  dieser  Steuer,  und  daher  hat  die  berichtende  Gesellschaft 
schon  des  öfteren  diese  selbst  übernehmen  müssen.  Weiter  macht 
die  Zollbehörde  auch  bezüglich  der  für  billige  Sonderfahrten 
zur  Hin-  und  Rückfahrt  ausgegebenen  Doppelfahrscheine 
Schwierigkeiten,    da    sie    dieselben    für    steuerpflichtig    erklärt. 

Der  Güterverkehr  auf  den  Berlin-Neukölln-Charlottenburger 
Wasserstraßen  ist  im  Berichtsjahr  stark  zurückgegangen.  Dieser 
Rückgang  ist  in  erster  Linie  auf  die  verminderte  Zufuhr  von  Bau- 
materialien (Mauersteine,  Erde,  Sand,  Kies  usw.)  zurückzuführen. 

173.    Personenverkehr    auf   der    Stadt-    und 
Ringbahn. 

Der  Personenverkehr  auf  der  Stadt-  und  Ringbahn  zeigte  mit 
167,7  Millionen  Fahrten  in  1913  einen  Rückgang  gegen  das  Vor- 
jahr mit  171,8  Millionen  Fahrten.  Der  Rückgang  dürfte  haupt- 
sächlich auf  die  Stadtbahn  zurückzuführen  sein,  die  schon  seit 
mehreren  Jahren  eine  Verminderung  der  Benutzung  aufzu- 
weisen hat. 


Tab.  155.           Personenverkehr 

auf  der   Stadtbahn   (in  Tausenden). 

1 

1909      1      1910      1      1911      1       1912     | 

1913 

In  der    II.  Wagenklasse     .     . 
In  der  III.  Wagenklasse    .     . 

•   • 

15  697 
58  031 

17  221     17  607     17  909 
59  325     62  196  1  61  175  1 

16  925 
57  416 

Zusammen  I   73  728  i  76  546     79  803     79  084      74  341 


556 


XII.  Verkehrsgewerbe. 


Tab.  166.   Anzahl  der  im  inneren  Personenverkehr  der  Berliner  Stadt-  und  Ringbahn 
in  zweiler  Wagenklasse  auf  einfache  und  Zeitkarten  zurückgelegten  Fahrten i) 

(in  Tausenden). 


I.  Vierteljahr 


II.  Vierteljahr 


III.  Vierteljahr 


IV.  Vierteljahr       Jahressumme 


1911 
1912 
1913 


7957 
8088 
8368 


7163 
7463 
7151 


5804 
6337 
6474 


8027 
8046 
7566 


28  951 

29  934 
29  559 


1)  Die  auf  Kinderfahrkarten  abgefertigten  Personen  sind  voll  (als  ganze  Personen)  gerechnet. 
Bei  den  Zeitkarten  (einschließlich  der  für  Schüler  und  Eisenbahnbeamte)  sind  für  jeden  Tag  der  Gültigkeits- 
dauer zwei  Fahrten  gerechnet. 

TabTiSTT  Anzahl  der  im  inneren  Personenverkehr  der  Berliner  Stadt-  und  Ringbahn  in 
dritter   Wagenklasse    auf    einfache,    Zeit-  und  Arbeiter-Karten  zurückgelegten 

Fahrten^)       (in  Tausenden). 


I.  Vierteljahr 


II.  Vierteljahr 


in.  Vierteljahr 


IV.  Vierteljahr 


Jahressumme 


1911 
1912 
1910 


33  581 

34  724 
34  310 


36  858 
36  227 
35  380 


35  975 

36  335 
35  376 


35  317 
34  640 
33  113 


141  731 
141  926 
138  179 


^  Die  auf  Kinderfahrkarten  abgefertigten  Personen  sind  voll  (als  ganze  Personen)  grerechnet. 
Bei  den  Zeitkarten  (einschließlich  der  für  Schüler  und  Eisenbahnbeamte  und  Arbeiter)  sind  für  jeden  Tag 
der  Gültigkeitsdauer  zwei  Fahrten,  bei  den  Arbeiterwochenkarten  je  12  Fahrten  gerechnet. 

174.   Verkehr   auf  der   Großen  Berliner 

Straßenbahn. 

Die  Verlangsamung  in  der  Zunahme  des  Verkehrs  auf  der 
Großen  Berliner  Straßenbahn  hat  auch  im  Berichtsjahre  ange- 
halten. 


Tab.  158.     Verkehr  auf  der  Großen  Berliner  Straßenbahn  (in  Müiionen). 


Jan.  I  Feb.    Mrz.  1  Apr.     Mai  [  Juni  j  Juli    Aug.  j  Sept.!  Okt.  j  Nov.    Dez.  i  Jabressumme 


1911  35,4|33,6 

1912  I  36,2135,2 

1913  37,5  35,9 


37,1137,9 
39,01  .39,0 
40,8|  39,6 


37,5  35,9|  35,4|  37,0i  38,3|  40,1  38,1  40,7  447,0 
38,9!  37.2i  37,3|  38,2j  39,01  41,3'  39,9  42,1  463,3 
40,0'  39,0J  36,91  38,l|  38,61  40,2  39,0;  40.7  ||      466,3 


175.   Verkehr   auf  der  Hoch-  und  Untergrundbahn. 

Die  Zunahme  des  Verkehrs  auf  der  Hoch-  und  Untergrund- 
bahn war  im  Berichtsjahre  v^esentlich  stärker  als  im  Jahre  1912. 

Tab.  159.      Anzahl  der  auf  den   Strecken    der  Hochbahnsresellschaft   (einschl.  der  Schöneberg« 
Wilmersdorfer  und  Dahlemer  Bahn)  beförderten  Personen. 


Januar  Februar    März       April 


Mai 


Juni 


Juli 


Augnist 


Sept.        Okt.        Nov.        Dez.      Jahressumr 


1911 
1912 
191.S 


te  046  676  5  580  922  8  144  936 ;  5  807  097 
p  292  975  5  969  709  6  218  348,5  680  496 
|5  718  245  5  296  3(36 1 5  735  460  5  397  777 


5  358  881 
5  520  207 
5a72  924 


4  777  638  4  325  447 
4  924  680!4  343  627 
4  714  687  4  758894 


4297  874 

4  426  734 

5  692  515 


5  1 17  018 15  980  927  5  847  883 16  440  92H  65  726  227 
5  223  295  5  933  819 1 5  628  814  6  068  268  66  220  972 
6 399  128  7  748  903l7  808 179|8  755  887|1   73  093 856 


Auf  der  Schöneberger  Untergrundbahn  allein  wurden  fol- 
gende Personen  befördert,  die  in  obigen  Zahlen  mit  enthalteai 
sind:  : 


178.  Feuerversicherung. 


00/ 


ib.  160.        Anzahl  der  auf  der  Schöneberger  Untergrundbahn  beförderten  Personen. 


Jan.        Febr.       März 

April 

Mai     !     Juni        Juli         Aug.    1    Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez.      Jahressumme 

11  682  676  1  640183     719  424 

12  850613;  794  871    802  941 

13  ,803  017  1  737  589     784173 

673399 
742  656 
746  779 

614  579 
682  699 
686 175 

628235 
572  144 
616  993 

457  391 
459  248 
528  721 

466590 
490  731 
571 749 

599165 
615  732 

688  216 

740  736 

741  522 
802  043 

749811 
730694 
802  929 

836  979,      7  709168 
783  413  i      8  267  264 
897  200  i      8  665  584 

176.   Omnibusverkelir. 

Der  Omnibusverkelir,  dessen  Wachstum  sich  in  den  Jahren 
1909  bi5  1911  wesentlich  verlangsamt  hatte,  nahm  im  Berichtsjahre 
wieder  in  schnellerem  Tempo  zu. 


. 

161. 

Omnibnsverkehr. 

[  Januar  \  Februar  |    März     |    April     1     Mai 

Juni 

Juli     1  August      Sept. 

Okt. 

Nov.     1    Dez.     1    Jahress. 

► 

12  043 168  11 246  926 1 1 2  802  481  12  467  430 1 13  038  575 
12  779  641  11 861 478 1 13  382  369  12  866  943  13  286  972 
12  916  620 !  12  212  274 1 13  928  490  14  057  665 1 14  317  848 

12394460 
12907147 
14251925 

12665879  13080298  13365335 
13197914  13348847  13169773 
13  849  013 1 14 104  965  14  620  674 

13514666 
13973664 
15281664 

12  6797041 13  533  800 
1317451614235072 
14127604|14707836 

162832602 
16758422Ö 

168376405 

177.  D  roschken  verk  ehr. 
Am  Schluß  des  Jahres  waren  an  Droschken  vorhanden 


Im 
Ortspolizei- 

Im Bezirk  des  Polizeipräsidenten  zu 

imTia.ndes 
polizei- 

bezirk 

Ohar-      Schöne-     Neu- 

Lichten. 

bezirk 

Berlin 

lottenbg.      borg        köUn 

berg 

Berlin 

Gewöhnl.  Pferdedroschken 

2386 

113 

154 

123 

126 

2893 

Gewöhnl.  Kraftdroschken  . 

485 

112 

307 

60 

9 

973 

Pferdegepäckdroschken     . 

154 

10 

— 

5 

10 

179 

Kraftgepäckdroschken  .     . 

879 

92 

349 

103 

23 

1446 

*)  Außerdem  8  gewöhnlich 

e  elektrische 

Droschke 

n  und  5  el 

ektriscl 

le  Gepäck 

droschken. 

Die  Siatistik  zeigt  wiederum  einen  Rückgang  der  Pferde- 
droschken und  eine  Vermehrung  der  Kraftdroschken. 

An  den  Berliner  Bahnhöfen  angefahren  sind  im  Jahre  1913 
909  900  Droschken,  also  rund  154  000  mehr  als  im  Vorjahre. 


XIII.  Versicherungswesen. 

178.    Feuerversicherung. 

Mit  besonderer  Deutlichkeit  gibt  sich  der  aleatorisohe  Cha- 
rakter des  Feuerversicherungsgeschäfts  in  der  Scliadensstatilstik 
der  letzten  Jahre  zu  erkennen.  Während  nach,  der  Statistik  des 
Kaiserlichen  Aufsichtsamts  für  Privatversiciierung  die  seiner  Auf- 
sicht unterstehenden  82  bzw.  83  deutschen  und  ausländisdhen 
Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften  in  ihrem  direkten  deut- 
schen Geschäft  für  Brandsdhäden  im  Jahre  1910  103  MiU.  Mk. 
zu   zahlen    hatten,    stiegen   die    auf   ihren    Versicherungsbestand 


Schaden 
verlauf. 


558  XIII.    Versicherungswesen. 

in  Deutschland  entfallenden  SchadenszaMung-en  in  dem  außer- 
oe wohnlich  trockenen  Jalire  1911  auf  148  Mill.  Mk.  Ein  solches 
sprunghaftes  Emporschnellen  der  Leistung  um  fast  ein  Drittel 
gegenüber  dem  Vorjahre  haben  die  Versicherungs-Gesellschaften 
tunlichst  in  der  Prämienbemessung  beziehungsweise  in  besonderen 
EücMagen  zu  berücksichtigen.  Denn  ein  Anpassen  der  Versiche- 
rungspreise an  die  Auf-  und  Abwärtsbewegungen  des  Schadenver- 
laufs in  jedem  einzelnen  Jahre  ist  schon  deshalb  nicht  möglidh, 
weil  ein  beträchtlicher  Prozentsatz  der  Versicherungen  auf  fünf 
und  zehn  Jahre  unter  Festlegung  der  Prämien  für  diese  Zeit  ab- 
geschlossen wird.  Die  Tatsache,  daß  die  Verluste  außerg^ewöhn- 
lich  schadensreicher  Jahre  zu  Lasten  der  Gesellschaften  einschließ- 
lich ihrer  Rückversictherer  g^ehen,  die  Versicherungsnehmer  abar 
im  allgemeinen  unberülirt  lassen,  hat  für  diese  die  erwünschte 
Wirkung  möglichster  Stabilität  der  Prämienhöhe  und  spricht  damit 
neben  vielen  aJideren  Momenten  g'egen  den  wiederholt  zur  öffent- 
lichen Erörterung  gestellten  Gedanken  der  Uebemahme  der  Feuer- 
versicherung auf  das  Reich.  Denn  hei  einer  staatlichen,  das  Reichs- 
gebiet umfassenden  Feuerversicherung  würde  die  ganze  Last  des 
Mehrbedarfs  auf  den  Schultern  der  Versicherungsnehmer  nihen. 
Da  jener  Schadenssteigerung  des  Jahres  1910  auf  1911  von  etwa 
45  Mill.  Mk.  bei  den  bezeichneten  Privatgesellschaften  noch  die 
Steigerung  bei  den  übrigen  Privat-Gesellschaften  und  bei  den 
öffentlichen  Feuerversicherungsanstalten  hinzutritt,  ist  die  Ge- 
samtste ige  rujig  auf  etwa  70  Mill.  Mk.  zu  schätzen.  Hierdurch 
w^ürde  im  Falle  einer  Reichs-Feuerversicherung  der  einzelne  Ver- 
sicherungsnehmer vergleich.sweise  wie  durch  eine  plötzliche  Steuer- 
erhöhung um  ein  Drittel  des  bisherigen  Satzes  getroffen  werden. 
Solche  Auflagen  bieten  nioht  nur  Anlaß  zu  allgemeiner  Unzu- 
friedenheit, sondern  sind  auch  deshalb  von  wirtschaftlichem  Nach- 
teil, weil  sie  in  den  Ausgabeetat  des  Privatmanns  wie  des  Ge- 
schäftsmanns störend  eingreifen.  Der  mit  Hilfe  der  Rückversiche- 
rung auf  internationalen  Boden  gestellte  privatwirtschafStliche 
Feuerversicherungsbetrieb  dagegen  gleicht  die  Folgen  des  schwan- 
kenden Schadenverlaufs  aus. 
Schadens-  Die   amtliche    Schadensstatistik   für   das    deutsche   Feuerver- 

sicherungsgeschäft in  1912  erscheint  erst  im  Jahre  1914.  Nach 
den  veröffentlichten  Reclinungsabschlüssen  der  Feuerversicherungs- 
gesellschaften war  der  Schadens  vierlauf  im  Jahre  1912  nicht  ebenso 
schlecht  wie  im  vorhergehenden  Jahre,  aber  wesentlich  schlechter 
als  der  erwartungsmäßige  Durchschnitt.  Ein  ähnliches  Ergebnis 
dürftet  das  Jahr  1913  zeitigen.  Wie  im  Vorjahre  sind  wenigstens 
in  den  ersten  drei  Quartalen  des  laufenden  Jahres  große  Brand- 
katastrophen nicht  eingetreten,  dagegen  hat  die  Zahl  der  Schäden 
über  100  000  Mk.  wieder  einen  sehr  erheblichen  Umfang  ange- 
nommen. An  erster  Stelle  der  Zahl  nach  stehen  Maschinenfabriken, 
einschließlich    Eisen-    und    Stahlwerke,    Holzbearbeitungsbetriebe 


178,  Feuerversicherung. 


559 


und  Holzlager,  chemische  Fabriken,  Textilfabriken,  Schuhfabriken, 
Geschäfts-  und  Warenhäuser,  namentlich  auch  Speicher,  die  bis- 
her in  1913  allein  4  Mill.  Mk.  Entschädigung  beanspruchten, 
Ziegeleien  und  Ton  werke,  Bierbrauereien  usf. 

Die  naheliegende  Frage  nach  den  Ursachen  der  hohen  Scha- 
densquoten läßt  sich  schwer  beantworten.  An  Niederschlägen  hat 
es  im  Jahre  1913  kaum  gefehlt,  so  daß  die  Zahl  -and  der  Umfang 
der  Brände  nicht  auf  AVassermangel  und  Trockenheit  zurüek- 
geführt  werden  kann.  Vermutlich  liegt  die  Schuld  an  dem  Zu- 
sammenkommen mehrerer  Momente,  insbesondere  der  wirtschaft- 
lichen Depression,  dem  zunehmenden  Gebrauch  von  Feuer  und 
Licht  in  den  verschiedensten  Formen  einschließlich  der  Verwen- 
dung leicht  entzündlicher  Brenn-  und  Betriebsstoffe,  und  nicht 
zuletzt  wohl  auch  an  Gleichgültigkeit  und  Abneigung  mancher 
Versicherungsnehmer  gegen  die  Durchführung  der  gelegentlich  als 
unbequem  empfundenen  aber  im  Interesse  der  Feuei^icherheit 
notwendigen  Feuerschutzmaßnahmen.  So  sehr  sich  unverkennbar 
die  Feuersicherheit  im  allgemeinen  g^ehoben  hat,  so  müssen  doch 
die  vielfachen  Widerstände  gegen  die  von  den  Feuerversicherungs- 
Gesellschaften  aufgestellten  Sicherheitsvorsclhriften  und  sonstige 
auf  die  Kleidung  und  Unterdrückung  von  Bränden  abzielende  Ein- 
richtungen um  so  mehr  eine  Steigerung  der  Schadensbeträge  zur 
Folge  haben,  als  einerseits  die  Anhäufung  großer  Wertmengen 
stetig  zunimmt  und  andererseits  der  Umfang  der  Haftung  der 
Versicherungsgesellschaften  durch  das  am  1.  Januar  1910  in  Kraft 
getretene  Gesetz  über  den  Versicherungsvertrag  eine  wesentliche 
Erweiterung'  erfahren  hat.  Theoretisch  ist  die  Forderung  berech- 
tigt, daß  der  Versicherungsnehmer  alle  ihm  aus  einem  Brande 
erwachsenden  Einbußen  durch  die  Versicherung  ersetzt  erhält. 
Praktisch  führt  dies  zu  der  Konsequenz,  daß  der  Brand  nicht 
mehr  durchweg  als  ein  mit  allen  Mitteln  abzuwendendes  Unglück 
angesehen  wird;  und  tritt  hierzu  in  gewissen  Fällen  noch  die 
Hoffnung  auf  Erzielung  eines  Vorteils  bei  der  Schadensfeststel- 
lung,  so  greift  eine  Sorglosigkeit  hinsichtlich  der  Vorbeugung 
ireo-en  die  Gefahr  Platz,  die  auf  die  Gesamtziffer  der  Schaden- 
brande  von  nachteiligem  Einfluß  sein  muß. 

Die  Bestrebungen  der  sogenannten  Versicherungs-SchutzV'er- 
bände,  Versicherungssachverständigen,  Versicherungs  -  Treuhand- 
gesellschaften usf.  tragen  zur  Verschlechterung  der  Lage  des 
Feuerversicherungsbetriebs  in  Deutschland  bei.  Bis  auf  eine  oder 
zwei  derartige  Schutzunternehmungen,  die  sich  eine  objektive  Be- 
ratung angelegen  sein  lassen,  suchen  sie  ohne  Verantwortung  für 
die  Erhaltung  der  Leistungsfähigkeit  der  Versicherungsgesell- 
schaften, ohne  Kenntnis  ihres  Prämienbedarfs,  ihrer  Schadens- 
quoten und  sonstiger  interner  Verhältnisse  möglichst  günstige 
Bedingungen  und  Prämien  für  ihre  Klientel  herauszuholen.  Diese 
Tätigkeit    bildet    ihre   Erwerbsquelle.     Dutzende   solcher   Unter- 


Ursaclien  der 

hoheu 

Schade  us- 

quoten. 


Versicherungs- 
schutz- 
Verbände. 


560  XIII.    Versicherungswesen. 

nehmungen  bestehen,  deren  Leiter  meist  aus  der  Laufbahn  geratene 
Versicherungsagenten  oder  -beamte  sind.    Als  Mittel  zur  Anwer- 
bung von  Kundschaft  wählen  sie  vielfach  das  Angebot  kosten- 
freier Polioenrevisionen.    Durch  Aufdeckung  angeblicher  Mängel 
der  Policen  und  durch  Hinweise  auf  Erlangung  günstigerer  Prä- 
mieri  und  Bedingungen  gelang"en  sie  oft  zu  ihrem  Ziele,  die  Ver- 
sicherungsnehmer zur   Zahlung   der  verhältnismäßin   hohen   Ge- 
bühren möglichst  für  eine  Reihe  von  Jahren  zu  bewegen.    Die 
Schutz  Verbandsbewegung    verteuert    danach    die    Versicherungs- 
nahme,  stört  das  gute  Einvernehmen  zwischen  Versicherten  und 
Versicherungsgesellschaft  und  übt  einen  nicht  zu  unterschätzen- 
den Einfluß   auf  die  Unrentabilität  des   Versicherungsgeschäfts 
aus.    Der  Deutsche  Versicherungs-Schutzverband  in  Berlin  hatte 
mit  der  im  Jahre  1910  erfolgten  Gründung  der  Deutschen  E>eform- 
yersicherungsbank'  A.-G.  zu  Berlin  seine  ein  Jahrzehnt  hindurch 
den     bestehenden     Eeuerversicherungs-G^sellschaften     gegenüber 
geltend    gemachten    Anschauungen    wegen   Gestaltung   der   Ver- 
sicherungsbedingungen) und  Bemessung  der  Prämien  in  die  Wirk- 
lichkeit zu   übersetzen  versucht.    Die  hiermit  von  dem   Schutz- 
verband auf  seine  eigenen  Versicherungsideen  angestellte  Probe 
ergab  die  Unrichtigkeit  der  Ideen.   Die  Deutsche  B/eformbank  war 
nicht  nur  nicht  in  der  Lage,  die  Eeuerversicherung  zu  reformieren,, 
sondern   sah   sich  gezwungen,   nach   etwa  dreijährigem   Bestehen 
im  Juni  1913  mit  großen  Verlusten  für  ihre  Aktionäre  zu  liqui- 
dieren.   "Wenn  für  das  Mißlingen  der  Reformbank  auch  sonstige 
Umstände  in  Betracht  kommen,  so  deutet  doch  ihr  Schicksal  klar 
genug  die  Richtung  an,   welche  die  deutsche  Feuerversicherung 
in  Befolgung  der  Ansichten  des  Schutzverbandes  nehmen  würde. 
Der   Umstand,    daß   der   Schutzverband    seine   eigene   Gründung 
nicht  lebensfähig  zu  erhalten  vermochte,  beweist,  daß  er  in  ver- 
sicherungstechnischen Fragen  kein  zuverlässiger  Berater  sein  kann, 
und  daß   seine  Beratung  zum  Nachteil   des   Peuerversicherungs- 
wesens  ausschlagen  muß.    Dabei  ist  der  Berliner  Schutzverband 
seit  einer  Reihe  von  Jahren,  seitdem  er  die  Vorbereitungen  zur 
Einrichtung  der   Reformbank  in  Angriff   genommen  hatte,   von 
seinen^  extremsten  Forderungen  zurückgekommen,  während  andere 
derartige  Gebilde,  mit  einigen  wenigen  Ausnahmen,  nach  wie  vor 
namentlich   die    Drückung   der   äußerst   knappen    Versicherungs- 
preise aus  geschäftlichen  Literessen  weiter  betreiben.   Die  Schutz- 
verbandsbewegung  in  der  Gestalt,  die  sie  bei  den  meisten  dieser 
Unternehmungen  angenommen  hat,  wird  deshalb  nicht  als  nütz- 
lich  für   die   allgemeine   wirtschaftliche   Entwicklung   angesehen 
werden  können. 
Versicherungs-  .  Das  mit  dem  1.   Oktober  1913  in  Kraft  getretene  Versiche- 

stempeigesetz.  ruQgsstempelgesetz  vom  3.  Juli  1913  beseitigt  zwar  die  Ver- 
schiedenheiten der  bisherigen  einzelstaatlichen  Stempelgesetz- 
gebung, lastet  aber  auf  der  Peuerversicheoning,  die  allein  mehr  als 


178.  Feuerversicherung.  561 

20  Mill.  Mk.  an  Stempelbeträgen  jähiiieh  aufzubringen  hat,,  so 
stark,  daß  ein  Rückgang  in  der  Versicherimgsnahme  zu  erwarten 
steht.  Außerdem  leidet  das  Gesetz  infolge  der  Hast  der  Beratungen 
im  Reichstag  und  in  der  Kommission  an  so  zahlreichen  UnJdarheitsn, 
daß  seine  Durchführung  auf  große  Schwierigkeiten  stößt.  Da 
für  je  1000  ^Ik.  Versicherungssumme  bei  unbeweglichen  Gegen- 
ständen der  Stempefl  5  pPfennig,  bei  beweglichen  Gegenständen  al3er 
15  Pfennig  beträgt,  geht  das  Interesse  der  Versicheiaingsnehmer 
naturgemäß  dahin,  die  versicherten  Sachen  möglichst  als  unbe- 
wegliche Gegenstände  zu  deklarieren,  während  der  Fiskus  das 
entgegengesetzte  Interesse  hat.  Hieraus  erg^eben  sich  bei  der  Ver- 
sicherung von  ^laschinen  und  maschinellen  Einrichtungen  Mei- 
nungsverschiedenheiten, deren  Klärung  bis  jetzt  nicht  gelungen 
ist.)  Die  Begründung  des  Reichsstempelgesetzes  verweist  hinsicht- 
lich der  Unterscheidungsmerkmale  für  bewegliche  und  unbeweg- 
liche Gegenstände  auf  das  Bürgerliche  Gesetzbuch,  wonach  als 
unbewegliche  Gegenstände  im  wesentlichen  die  Gebäude  und  die 
sonstigen  mit  dem  Grund  und  Boden  fest  verbundenen  Gegen- 
stände sowie  deren  wesentliche  Bestandteile,  dag'egen  als  beweg- 
liche Gegenstände  die  sonstigen  Bestandteile  und  das  Zubehör 
(§§  97,  98  BGB.)  zn  gelten  haben.  Bezüglich  der  Gebäude  ist 
ein'  Zweifel  nicht  möglich,  um  so  mehr  bezüglich  der  Maschinen. 
Das  Reichsgericht  sagt  selbst  in  einer  Entschieidung  vom  29.  März 
1908,  daß  die  Erage  der  wesentlichen  Bestandteile  eine  schwierige 
und  verschiedener  rechtlicher  Beurteilung  fällig  sei,  so  daß  nur 
von  Eall  zu  Fall  darüber  entschieden  werden  kann,  ob  Maschinen 
die  Eigenschaft  von  Zubehör  oder  von  unwesentlichen  Bestand- 
teilen oder  von  wesentlichen  Bestandteilen  der  Fabrik  haben. 
Für  die  versicherten  Fabrikbesitzer  ist  es  keine  erfreuliche  Aus- 
sicht, auf  Grund  solcher  völlig  in  der  Luft  schw^ebenden  Begriffe 
ihren  Bestand  an  Maschinen  und  maschinellen  Einrichtungen  nach 
ujibeweglichen  und  beweglichen  Gegenständen  zu  zerlegen  und 
sich  mit  den  Steuerbehörden  darüber  auseinandersetzen  zu  müssen, 
ob  und  für  welche  Arten  diese  Objekte  der  Stempel  von  5  oder 
von  15  Pfennig  zu  entrichten  ist.  Außerdem  bedroht  der  §  103 
des  Gesetzes  denjenigen  mit  einer  Geldstrafe  in  Höhe  des  fünf- 
undzwanzigfachen Betrages  der  vorenthaltenen  Abgabe,  der  un- 
richtige Angaben  macht,  die  geeignet  sind,  die  Abg-abiü  zu  ver- 
kürzen. Sogleich  beim  Erscheinen  des  Gesetzentwurfs  im  ^lärz 
dieses  Jahres  ist  auf  die  großen  Bedenken  hingewiesen  worden, 
die)  gegen  einen  verschieden  hohen  Stempel  für  unbew-egliche  und 
bewegliche  Gegenstände  sprechen.  Wenn  es  dem  Reichsschatz- 
amt nicht  noch  gelingt,  eine  praktisch  brauchbare  Lösung  zu 
finden,  so  würde  aus  dem  jetzigen  Dilemma  am  zweckmäßigsten 
der  "Weg  führen,  daß  durch  eine  Novelle  zum  Stempelgesetz  der 
K'-on  vornherein  erhobenen  Forderung  nach  einem  einheitlichen 
mäßigen  ■  Stempelsatz   für   unbewegliche  und   bewegliche    Gegen- 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  36 


562  XIII.    Versicherungswesen. 

stände  entsprochen  wird.  In  der  Zwischenzeit  wären  die  Steuer- 
behörden der  Bundesstaaten  anzuweisen,  in  allen  Zweifelfäjlea 
Nachsicht  walten  zu  lassen. 


179.   Lebensversicherung. 

Lebens-  Die   Entwickelung  des   Lebensversicherung-sgeschäfts  der  in 

versicherunj,'.  ßerliu  ausässigcn  privaten  Gesellschaften  ist  im  Jahre  1913  be- 
friedigend gewesen.  Wenn  auch  die  ung'ünstige  wirtschaftliche 
Lage,  die  zu  Beginn  des  Jahres  infolge  der  Kriegswirren  |am 
Balkan  noch  eine  Verschärfung  erfahren  hatte,  eine  gewisse  Zu- 
rückhaltung des  Publikums  gegenüber  dem  Neuabschluß  von  Ver- 
sicherungen zur  Felge  hatte  und  andererseits  diese  Momente  in 
^'erbindung'  mit  den  bedauerlichen  AVirkung^en,  welche  die  Hand- 
habung und  Auslegung  des  Versicheruiigsgesetzes  für  Ang^estellte 
seitens  der  berufenen  OrgaUe  gezeitigt  haben,  ein  erhöbtes  vor- 
zeitiges Storno  bestehender  Versicherungen  herbeigeführt  hatten, 
soi  st  doch  wie  im  Vorjahr  eine  mindestens  ebenso  ignoße  Steigerung 
des  Versicherungsbe^tandes  in  der  großien  Lebensversicherung 
allgemein  zu  verzeiclmen  gewesen.  Diese  Erfolge,  welche  die 
privaten  Gesellschaften  allein  ihrer  weltbekannten  Leistungs- 
fähigkeit, ihren  vort.ref fliehen  Einrichtungen  und  dem  unermüd- 
lichen Eifer  ihrer  bewahrten  Organe  zu  verdanken  haben,  sind 
um  so  erfreulicher  als  sie  unter  sehr  erschwerten  Konkurrenz- 
verhältnissen erzielt  worden  sind.  In  dieser  Hinsicht  muß  be- 
sonders der  AVettbewerb  der  öffentlich-rechtlichen  Lebens- 
versicherungsanstalten hers^orgelibben  werden,  welche  sich  durch 
systematische  Hera.bsetzim.g(  des  Ansehens  und  des  Rufes,'  der 
privaten  Gesellschaften  Eingang  in  das  Publikum  zu  verschaffen 
suchen,  wobei  ihnen  bedauerlicherweise  der  oft  über  das  Alaß 
des  Erlaubten  hinausgehende  Schutz  der  Behörden  fördernd  ziu* 
Seite  steht.  Die  Ziffer  der  Schadenfälle  hat  nur  eine  mäßige 
Zunahme  gegen  diejenig^e  des  A'^or Jahres  erfaliren,  so  daß  mit  einem 
anselinlichen  Sterblichkeitsgewinn  zu  rechnen  ist.  Da  auf  der 
anderen  Seite  die  verfügbaren  Vermögensbestände^  durch  die 
Steigerung  des  Zinsfußes  für  Hypotheken  günstig  angelegt  werden 
konnten,  so  werden  allgemein  zufriedenstellende  finanzielle  Ge- 
schäftsresultate erwartet.  Der  empfindliche  Kursverlust,  den  die 
Gesellschaften  aus  der  Kapitalanlage  in  "Wertpapieren  (auch  in 
1913  ZV.  verzeichnen  haben,  erfüUt  sie  mit  um  so  größerer  Sorge, 
als  nach  Berichten  der  Presse  die  Regierung  den  längst  geplanten, 
bisher  immer  wieder  zurückgestellten  Gesetzentwurf  über  den 
Anlagezwang  für  eiaen  Teil  des  Gesellschäftsvermögens  in  Staats- 
papieren neuerdings  den  verfassungsmäßigen  Körperschaften  zur 
Beschlußfassung  vorzulegen  beabsichtigt.  Dieses  zur  Erfüllung 
seines  Zweckes  —  die  Hebung  des  Kurses  der  Staatspapiere  • — 
ungeeignete    Projekt    ist    dazu     angetan,     die    Interessen     der 


180.  Transportversicherung, 


563 


Ter  sicherten  schwer  zu  schädigen;  die  Gesellsdiaften  sehen 
den  gesetzgeberischen  Maßnahmen  mit  größter  Beunruhigung 
entgegen,  zumal  ihnen  die  letzten  Jahre  wiederholt  berechtigtem, 
Anlaß  zur  Klage  über  die  überhastete,  dem  Wesen  und  segens- 
reichen Wirken  der  Privatversicheriung  wenig  Verständnis  ent- 
gegenbringende Arbeit  der  Gesetzgfehung  gegeben   hatten. 

Mehr  als  die  große  Lebensversicherung  hatte  daß  Renten- 
geschäft unter  der  Ungunst  der  Zeitverhältnisse  zu  leiden.  Hier 
hielt  sich  der  Neuzngang  hinsichtlich  der  Anzahl  der  Policen 
sowie  in  den  Einzahlungen  bei  Abfassung  dieses  Berichtes  noch 
etwa  in  der  Höhe  des  -Vorjahres,  es  ist  aber  mit  Sicherheit  ein 
starker  Bückgang  des  Neugeschäfts  in  dieser  Branche  für  die 
Zukunft  zu  erwarten,  nachdem  das  am  1.,  Oktober  1913  in  Kraft 
(getretene  Beichsistempelgesetz  die  Besteuerung  dieser  Versiche- 
rungen in  zehnmal  so  großer  Höhe  als  vor  diesem  Termin  vor- 
sieht. I>as  finanzielle  Ergebnis  war  im  ganzen  noch'  unbefriedigend. 

In  der  Erlebensfall-  (Sparkassen-)  Versicherung  wurde  auch 
im  Jalire  1913  die  seit  Jahren  beobachtete  Einschränkung  weiter 
durchgefühi-t. 

In  der  Volksversicherung  ist  ein  gutes  Neugeschäft  erzielt 
worden,  wenn  auch  andererseits  infolge  des  allgemeinen'  Druckes, 
den  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  auf  die  hier  in  Frage 
^kommenden  Schichten  gerade  der  großstädtischen  Bevölkerung 
ausüben,  ein  erhöhtes  Storno  nicht  zu  vermeiden  gewesen  ist. 
Hemmend  auf  die  ^Entwicklung  der  Volksversicherung  wirkte 
das  Neuauftreten  der  „öffentlich-rechtlichen"  Volksversicherung 
und  der  sozialdemokratischen  ,, Volksfürsorge",  welche  die 
Akquisition  mit  Hilfe  von  bisher  in  der  Privatversicherung  per- 
horreszierten  Mitteln  betreiben  und  daher  Beimruhigung  und  Miß- 
trauen in  das  Publikum  hineintragen.  Die  von  mehr  als  dreißig 
deutschen  Privatgesellschaften  auf  gemeinnütziger  nationaler 
Grundlage  errichtete  ,, Deutsche  Volksversicherung  A.-G."  nahm 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  ihren  Geschäftsbetrieb 
ebenfalls  auf,  nachdem  es  ihr  nicht  gelimgen  war,  das  von  ihr 
■angestrebte  Zusammengehen  mit  (den  öffentlich-rechtlichen  An- 
st^ten  zwecks  gemeinsamer  ;Abwehr  der  durch  die  Gründung 
der  ,,  Volksfürsorge"  auf  gewerkschaftlich-genossenschaftlicher 
Basis  heraufbeschworenen  wirtschaftlichen  und  politischen  Ge- 
fahr zu  erreichen. 


180.    Transportversicherung. 

Nach  den  Seeunfall isten  ider  hiesigen  Klassifikationsgesell- 
schaft „Germanischer  Lloyd"  stellen  sich  die  Seeschäden  in  den 
Jahren   1912   und   1913  folgendermaßen: 

36* 


564 


XIII.    Versicherungswesen. 


1913 


i-:::-:-' ■      To  t  a  Iv  e  r  1  u  s  t  e. 

iD'anaipfer  Segelschiffe 


Jahr 
1912 
1913 

Anzahl 
337 
317 

Brutto  tonn  engehalt 
518  187 
'479  576 

Anzahl 
464 
386 

Nettotonnengehah 
182  612 
178996 

1913 

912 
913 

—  20 

6  030 

5  854 

—  38  611 
B  e  s  c  h  ä  d  i 

gu 

—  78 
ngen. 
1296 
1  220 

—  3  616 

176 


76 


Dfebstahl- 
»chädeDi. 


Aus  der  vorstehejiden  Tabelle  ergibt  sich,  daß  die  Zahl  der 
total  verloren  gegangenen  Dampfer  sowie  :der  total  verlorenen 
Segler  etwas  zurückgegangen  ist.  Auch  die  Beschädigungen 
haben  sieh  im  Jahre  1913  vermindert.  Das  Seeversichenmg's- 
jgeschäft  hat  im  rv^ergangenen  Jahre  etwas  bessere  Ergebnisse 
als  im  Vorjahre  gezeitigt.  Der  .allgemeine  wirtschaftliche  Auf- 
schwung, der  d.as  Jahr  1912  auszeichnete,  kam  auch  diesem  Jahre 
noch  zugute.  Die  Prämieneinnahmen  sind  infolgedessen  gestiegen. 
Trotz  alledem  tmterliegt  es  keinem  Zweifel,  daß  die  mehr  als 
ungenügenden  Betriebsgewinne  der  letzten  Jahre  nicht  auf  eine 
besonders  große  Anzahl  von  Totalverlusten  zurückzufüliren  sind, 
sondern  auf  den  'übertriebenen  Konkurrenzkampf  und  auf  den  da- 
durch hervorgerufenen  andauernden  Prämiendruok.  Andererseitsi 
waren  innerhalb  der  ersten  und  letzten  Monate  des'  Jahres  erheb- 
liche Schadenfälle  zu  verzeichnen.  Besonders  bemerkenswert  ist 
der  Verlust  des  Diampfers  ,,Templemore",  der  durch  Feuer  zer- 
stört wurde  und  dessen  Schaden  etwa  6  Mill.  Mk.  betrug,  sowie 
der  Verlust  des  Dampfers  „Veronese",  der  einen  Schaden  von 
3  500  000  Mk.  verursachte.  Weiter  ist  der  Dampfer  ,,Tyrone"  zu 
erwähnen,  bei  dem  der  Verlust  2  600  000  Mk.  betrug,  und  ferner 
der  Dampfer  „Acilia",  'der  verschollen  ist  lind  der  einen  AVert 
von  2  600  000  Mk.  repräsentierte.  —  Außerdem  machten  sich  die 
wirtschaftlichen  Folgen  ides  (Balkankrieges  empfindlich  bemerk- 
bar, besonders  die  dadurch  verursachten  Schwierigkeiten  auf  dem 
Geldmarkte. 

Leider  machte  sich  im  Berichtsjahre  eine  größere  Steigerung- 
der  Diebstahlschäden  bemerkbar,  deren  Deckung  oft  die  ganze 
Prämie  absorbiert,  so  jdaß  für  das  eigentliche  Seerisiko  nidits 
übrig  bleibt.  Besonders  (bedenklich  ist  die  Zunahme  der  Diebstalil- 
schäden  in  den  großen  Häfen,  insbesondere  London,  New  York, 
Hamburg  und  Antwerpen.  In  Hamburg  wird  mit  einer  Besserung"^ 
der  Verhältnisse  nur  zu  rechnen  sein,  wenn  die  Polizei  eine 
erhebliche  Vermehrung  der  Zahl  der  Beamten  nnd  der  Barkassen 
für  den   Sicherheitsdienst  vornimmt. 

Von  Jahr  201  Jahr  nehmen  die  Feuerschäden  auf  Seeschiffen 
an  Zahl  und  Bedeutung  zu.  Hierüber  wird  von  allen  Versicherern 
lebhaft  Klage  geführt.    In  sehr  vielen  Fallen  bestehen  die  Ür- 


180.  Transportversiclierung. 


565 


Sachen  in  der  'Selbstentzüindung  der  Bunkerkohlen.  Reeder  und 
A'ersicherer  beschäftigen  sich  eingehend  mit  der  Frage  der.  Mittel 
-zur  Bekämpfung  von  Bränden.  Eine  Reihe  von  Reedereien  ist 
zum  Einbau  von  Feuerlöschapparaten  übergegangen,  die  das  Feuer 
mit  erstiokenden  Gasen  bekämpfen.  Femer  sind  zu  dem  Zweck 
von  der  Feuerschaden-Zentrale  in  Hamburg  iauch  einige  Bichtr 
Linien  aufgestellt  worden,  die  den  Kapitänen  als  Anleitung  dienen 
sollen. 

Die  Prämieneinnahme  ist  im.  Vergleich  zu  derjenigen  des 
^^orjah^es  infolge  des  starken  Imports  von  Rohprodukten  und  dtis 
immer  noch  lebhaften  Güterv^erkehrs  gestiegen.  Jedoeh  hatte  der 
^'ersicherungs'markt  andererseits  unter  dem  Druck  der  Kriegs- 
wirren  auf  dem  Balkan  und  in  Mexiko  zu  leiden. 

Da^  FlußversieherungSgesohäft  verlief  in  normaler  Weise, 
da  AYind  und  AVetter  günstig  waren.  Trotzdem  wird  vielfach  über 
den  unbefriedigenden  Verlani  des  Flußgeschäftes  geklagt.  Detr 
Grund  hierzu  liegt  in  den  tnicht  mehr  ausreichenden  Prämien 
im  Flußgesehäft,  namentlich  auf  dem  Rhein.  Eine  Besserung 
ist  indessen  nicht  möglich,  so  lange  die  Versicherungsgesell- 
schaften und  deren  Vertreter  sieh  bei  der  Abgabe  der  Prämien- 
offerten nicht  von  der  Frage  der  Rentabilität  des  Geschäfte, 
sondern  nur  von  dem  Bestreben  leiten  lassen,  möglichst  hohe 
Prämieneinnahmen  zu  erzielen. 

Das  Landtransportversicherungsgeschäft  ha.t  sich  im  Berichts- 
jahre nur  in  unbedeutendem  Maße  weiter  entwickelt. 

Das  Valorengeschäft  ist  im  allgemeinen  jnormal  verlaufen. 
Einzelne  Gesellschaften  haben  allerdings  in  den  letzten  Monaten 
zahlreiche  und  ziemlich  empfindliche  Verluste  auf  Barsendungen 
in  Briefen  mit  Teüdeklaration  erlitten.  Bekanntlich  werden  in 
Deutschland  seit  einigen  Jahren  Briefe  mit  Wertdeklarationen 
bis  zu  600  Mk.  wie  Einschreibebriefe  behandelt,  d.  h.  summarisch 
kartiert.  Es  wäre  teehr  wohl  verständlich,  wenn  gerade  diese 
Briefe  mit  Wertangabe  einen  Anreiz  für  ungetreue  Postbeamte 
bildeten;  denn  bei  (dem  jetzigen  System  sind  Nachforschungen 
über  den  Verbleib  einzelner  derartiger  Briefe  mit  sehr  großen 
Schwierigkeiten    verbunden. 

Auch  daß  Jahr  1913  war  fü;r  die  Anto-Kasko- Versicherung 
so  reich  an  Schäden,  daß  dieses  Geschäft  keinen  Gewinn  brachte. 

Ein  großer  Teil  der  deutschen  Transportversicherungsgesell-. 
Schäften  hat  das  Kasikorisiko  der  drei  Luftschiffe  „Hansa", 
„Sachsen"  und  „Viktoria  Luise"  der  Deutschen  Luftschiffahrts- 
,Aktien-GesiellschaJt  übernommen.  Ob  die  für  diese  Versicherung 
festgesetzten  Prämien  lind  Versicherungsbediogungen  das  richtige 
treffen,  kann  mangels  ausreichender  Erfahrungen  bei  diesem 
jüngsten  Zweig  der  Transportversicherung  erst  die  Zukunft  lehren. 

Ueber  das  finanzielle  Ergebnis  läßt  sich  zurzeit  noch  nichts 
Zuverlässiges  sagen,  da  der  Verlauf  der  letzten  Monate  des  Ge- 


Geschäfts- 

umfang  und 

Prämieii- 

einnahme. 


Fluli- 
'ersicherung. 


Landtransport- 
geschäft. 


Valoren- 
Geschäft. 


Auto-Kasko- 
Versicherung. 
Luftschiff- 
Kasko- 
versicherung. 


Finanzielles 
Ergebnis. 


566  Xin.    Versicheiningswesen. 

schäftsjaJires  —  der  fü;r  die  Transportversicherung  tmgünstigsten 
Jahreszeit  —  noch  von  wesentlichem  Einfluß  auf  die  Ergebnisse 
sein  kann.  Soweit  bis  jetzt  ein  Ueberblick  möglich  ist,  düi^fte 
der  ^u  erwartende   Eeingewinn  dem  des  Vorjahres   entsprechen. 

181.    Hagelversicherung, 
^^sc^fts-  Die  Yon  Berlin  aus  geleiteten  Hagel  Versicherungsgesellschaf- 

ten auf  Gregenseitigkeit,  die  Borussia,  Ceres,  Deutsche  für  Gärt- 
nereien, Norddeutsche  mid  Preußische  hatten  sämtlich  im  Jahre 
1913  zufriedenstellende  Ergebnisse  zu  verzeichnen.  Die  Mehr- 
zahl dieser  Gesellschaften  kann  das  Berichtsjahr  mit  Recht  als  ein 
über  den  Durchschnitt  günstiges  bezeichnen.  Leider  war  die 
.Witterung  sowohl  für  die  Herbstbestellung  im  Vorjahre  als  auch 
für  die  diesjährige  Frühlingssaat  nicht  überall  die  geeignete,  so 
daß  die  erhofften  Ernteergebnisse  vielfach  hinter  den  normalen  zu- 
rückblieben, was  in  zahlreichen  Fällen  zur  Deklaration  verhältnis- 
mäßig niedriger  Versicherungswerte  führte.  AVenn  trotz  dieser 
erfahrungsmäßig  sich  von  Zeit  zu  Zeit  einstellenden  Minder- 
deklaration fast  alle  genannten  Gesellschaften  ein  Anwachsen 
ihres  Versicherungsbestandes  im  Jahre  1913  verzeichnen  können,, 
so  ist  damit  der  Beweis  erbracht,  daß  das  Vertrauen  des  vei'siche- 
rungsbedürftigen  Publikums  zu  den  Leistungen  der  Gegenseitig- 
keitsanstalten in  immer  weitere  Kreise  der  deutschen  Landwirte 
dringt.  —  Von  verderblichen  Frühschäden,  die  —  abgesehen  von 
dem  sonstigen  Unheil,  das  sie  anzurichten  pflegen  —  in  jedem 
Falle  äußerst  störend  auf  die  Bearbeitung  der  Versicherungs- 
anträge wirken,  blieben  die  Versicherer  fast  gänzlich  verschont,  so 
daß  die  Hauptdeklarationszeit  in  Ruhe  verlief.  Erst  der  Monat 
Juni  brachte  zahlreichere  Hagelgewitter  und  wurde  dadurch  — 
wohl  für  alle  Gesellschaften  —  zum  hagelreichsten  Monat  des 
Berichtsjahres.  Auch  bei  den  außerhalb  Berlins  angesessenen 
Gegenseitigkeits vereinen  haben  die  zahlreichen  Junischäden  die 
bis  dahin  still  genährte  Hoffnung  auf  ein  nachschußfreies  Jahr 
zunichte  gemacht.  Juli  und  August  verliefen  normal,  nur  stellte 
sich  zum  Schaden  der  Landwirtschaft  kein  rechtes  Erntewetter 
ein.  Das  Hagelrisiko,  das  in  normalen  Sommern  von  Mitte  Juli 
ab  durch  die  fortschreitende  Abemtung  der  Feldfrüchte  rasch 
abnimmt,  blieb  infolge  des  ungemein  ungünstigen  Erntewetters 
verhältnismäßig  schwer  und  verlängerte  sich  um  rund  einen 
Monat  gegen  günstige  Emtejahre. 

Die  Schäden  selbst  waren  im  allgemeinen  leichterer  Art  als 
in  anderen  Jahren.  Ueber  ihre  Verteilung  auf  das  Deutsche  Keich 
ist  zu  sagen,  daß  einige  Bezirke  auch  in  der  verflossenen 
Kampagne  wieder  von  besonders  zahlreichen  und  ausgedehnten 
Hagelschlägen  heimgesucht  wurden,  so  namentlich  die  Provinzen 
Pommern,  Posen  und  ."Westpreußen  sowie  Teile  der  Königreiche 
Bayern  und  Württemberg.    Totale  Vernichtung  des  Feldbestandes 


567 


wurde  im  Gegensatz  zum  Jahre  1912  in  größerem  Umfange  nicht 
beobachtet;  die  1913er  Schäden  regulierten  sich  im  allgemeinen 
für  diu  ersatzpflichtigen  Gesellschaften  günstig,  was  natürlich  auf 
deren  Gesamtergebnis  von  ausschlaggebendem  Einfluß  war. 

Die  folgende  Tabelle  zeigt  den  Unterschied  der  interessieren- 
den Zahlenangaben  aus  dem  laufenden  Geschäftsjahr  imd  seinem 


Vorgänger : 

1912 

1913 

Weniger 

Gesellschaft 

Nachschuß 
in  % 

Gesaratbeitrag 
für  100  M. 

Nachschuß 

in  % 

Gesamtbeitrag 
Ar  100  M. 

^flT 

der  Netto- 

Versicherungs- Summe 

der  Netto- 

Versicherungs -  Summe 

vorprämie 

Pf. 

vorprämie 

Pf. 

Pf. 

Borussia                105 

Gesamtdtschl. 

152 

70 

131 

21 

Norddeutschi. 

151 

122 

29 

Süddeutschi. 

158 

140 

18 

Ceres 

75 

151 

55 

133 

18 

Deutsche  für 

15% 

193 

.nV2  7o 

186 

7 

Gärtnereien!  Dividende 

Dividende 

1  an  5 jähr. 

an  5  jähr. 

Mitgl. 

Mitgl. 

Nord- 

75 

Gesamtdtschl. 

135 

30 

103 

32 

deutsche 

Norddeutschi. 

123 

94 

29 

Süddeutschi. 

178 

135 

43 

Ostdeutschi. 

122 

94 

28 

Preußische 

145 

162 

65 

112 

50 

Da  die  Norddeutsche  Hagel- Versicherungs-Gesellschaft  auf 
Gegenseitigkeit  zu  Berlin  mehr  aJs  ein  Drittel  der  gesamten  Hagel- 
versicherungen Deutschlands  in  Händen  hat,  gewinnt  der  Ge- 
schäftsbericht der  Direktion  erhöhte  Bedeutung  und  dai'f  in  seinen 
Grundzügen  wohl  auch  als  auf  die  Mehrzahl  der  übrigen  Hagelver- 
sicherungsunternehmungen zutreffend  angesehen  werden.  £s 
heißt  in  diesem  ausführlichen  Bericht  u.  a.  folgendermaßen:  ,,Die 
Entwicklung  der  Gesellschaft  im  Berichtsjahre  kann  als  durchaus 
zufriedenstellend  bezeichnet  werden.  Die  Zunahme  an  Versiche- 
rungssumme hat  z'war  nicht  den  großen,  durch  besonders  günstige 
Verhältnisse  veranlaßten  vorjährigen  Umfang  erreicht,  sie  ist 
aber  doch  recht  beträchtlich  und  genügend,  wenn  man  berück-* 
sichtigt,  daß  sie  trotz  ungünstiger  Umstände  erzielt  wurde.  Die 
Versicherungssumme,  welche 


1912  bei  193  522  Polizen      .     1  040  706  434  M.  ausmachte,  wuchs 

1913  „     200  765        .,         auf  1  060  217  085  ^    an,  erhöhte  sich  mithin 
um       7  243  Polizen  und      19  510  650  M. 

Es  ist  also  nicht  nur  gelungen,  die  einzig  dastehende  Höhe  der 
Versicherungssumme  von  mehr  als  einer  Milliarde  Mark  zu  halten, 
sondern  es  ist  durch  den  Fleiß  der  Generalvertreter  und  Agenten 
erreicht  worden,  daß  die  Weiterentwicklung  der  xinstalt  nicht  nur 
nicht  ins  ^Stocken  geraten,  sondern  in  erfreulicher  AVeisc  fortge- 
schritten ist.  Die  Versicheruno'ssumme  nahm  um  rund  20  Mill.  Mk. 


568  XIII.    Versicherungswesen. 

zu,  trotzdem  für  das  Berichtsjahr  — ^  dem  Vorjahr  gegenüber  —  eine- 
recht 'erhebliche  Minderdeklaration  festgestellt  werden; kann.  Die: 
Gesamtzahl  der  Mitglieder  (einschließlich  der  Teilnehmer  an.G^- 
meindeversieherungen)  betrug  im  Berichtsjahr  326  725  und  stieg 
gegen  1912  mit  316  597  Mitglieder  um  10 128  Versicherungs- 
nehmer. Rund  286  000  Mitglieder  versichern  Beträge  bis  4000 
Mark  —  ein  Beweis  daf  ür^  daß  unsere  Anstalten  die  schwere,  aber 
volkswirtschaftlich  segensreich  wirkende  Pflicht,  auch  die  kleinen 
landwirtschaftlichen  Existenzen  für  die  so  notwendige  Deckung- 
nahme  gegen  Hagelschäden  zu  interessieren  und  sie  der  Vorteile 
des  Versicherungsschutzes  teilhaftig  zu  machen,  in  weitgehendem 
Maße  mit  Erfolg  zu  erfüllen  bestrebt  ist.  Den  ^litgliedern  einer 
Versicherungsanstalt  auf  Gegenseitigkeit  kommt  jede  Gunst  der 
Zeit  zugute.  Das  zeigt  sich  recht  markant  in  dem  günstigen  Be- 
richtsjahre 1913,  wenn  man  seine  Beitragszahlen  mit  denen  des 
Vorjahres  vergleicht.  Auf  100  Mk.  Versicherungssumme  berechnet 
beträgt  der  diesjährige  „Gesamtbeitrag"  —  also  Vorprämie,  Bei- 
trag zum  Eeservef  onds  und  30  o/o  Nachschuß  — : 

im  Gesamtgeschäft 103,13  Pf.  gegen  135,26  Pf.  in  1912 

in  Süddeutschland  (Bayern,  Württem- 
berg, Baden,  Hohenzollern  und 
Reichslande)     . 135,33    „         „       177,99    ;,    „    1912 

in  Norddeutschland  (einschl.  des  König- 
reichs Sachsen,  des  Großherzogtums 
und  der  Provinz  Hessen)     ....     94,30    „         „       123,40    „    „     1912 

in    Ostelbien 93,45    ,,         „       121,53    „    „     1912 

Die  Differenz  in  der  Beitragseinhebung  der  letzten  beiden  Jahre 
war  danach  in  allen  größeren  Arbeitsgebieten  der  Gesellschaft 
sehr  erheblich  zugunsten  des  Berichtsjahres.  Der  Durchschnitts- 
beitrag im  Gesamtgeschäft  von  „103,13  Pf."  blieb  sogar  unter  dem 
seit  dem  Bestehen  der  Gesellschaft  durchschnittlich  pro  Jahr  und 
100  Mk.  Versicherungssumme  erhobenen  Beitrag,  der  „104,59  Pf." 
betragen  hat,  und  erreichte  lange  nicht  den  während  der  letztver- 
vergangenen  zehn  Jahre  erhobenen  Durchschnittsbeitrag  pro  Jahr, 
der  „145,57  Pf."  ausmachte. 

Das  Berichtsjahr  kann  auch  hiernach  als  über  den  Durchs 
schnitt  hinaus  günstig  mit  Eecht  bezeichnet  werden. 

Die  diesjährige  Schadenkampagne  w^ar  eine  außergewöhnlich 
lange;  der  erste  Schaden  wurde  am  4.  April  gemeldet,  der  letzte 
am  21.  September;  trotzdem  verlief  die  Kampagne,  wie  nach- 
stehende  ^hlen   zeigen,   erheblich   günstiger   als   die   vorjährige. 

Es  wurden  gemeldet  und  bearbeitet : 

1912  insgesamt  32  717   Schäden  mit  50  430  510  M.  Anmeldesumme, 

gegen  1913  „  21732  „  ,.     36  060  830    „ ^ 

mithin  1913     weniger:    10  985  Schäden  und  14  369  680  M.  Anmeldesumme. 

Sind  der  Hagelbranche  weitere  gute  Jahre  beschert,  was  auch  im 
Interesse    der    deutschen    Landwirtschaft   zu   wünschen   w^äre,  so 


182,  Unfall-  und  Haftpflicht-Versiclieiung. 


569 


dürften  die  Aktienimternehniungen  genötigt  werden,  mit  ihren 
jetzt  noch  verhältnismäßig  hoch  gehaltenen  Prämien  herunter- 
zugehen, um  mit  den  Gegenseitigkeitsgesellschaften  in  wirksame 
Konkurrenz  treten  zu  können^  die  für  alle  Beteiligten  nur  von 
Nutzen  sein  kann. 

Von  den  vier  Hagelversicherung  betreibenden  Aktienunter- 
nehmungen domiziliert  nur  die  „Berliner  Hagel-Assekuranz-Ge- 
sellschaft  von  1832''  in  der  Hauptstadt  selbst.  Sie  steht  aber 
mit  der  ,, Magdeburger",  der  „Kölnischen"  und  „Union" -Weimar 
in  so  enger  Geschäftsverbindung,  daß  die  Ergebnisse  der  einen 
nicht  genannt  werden  können,  ohne  auch  die  der  drei  übrigen 
kurz  anzuführen.  Der  in  der  Versicherungssunime  zum  Aus- 
druck kommende  Versicherungsbestand  der  genannten  vier  Ge- 
sellschaften ist  im  vergangenen  Jahre  durchweg  um  ein  Ge- 
ringes zurückgegangen.  Im  übrigen  sind  aber  die  Aktiengesell- 
schaften insofern  vom  Glück  begünstigt  gewesen,  als  ihre 
Geldmittel  durch  Entschädigungszahlungen  nicht  allzu  stark 
in  Anspruch  genommen  wurden.  Infolge  der  immer  noch  hoch 
gehaltenen  Prämien  der  Aktiengesellschaften  ist  daher  bei  ihnen 
allen  ein  erheblicher  Gewinn  für  die  Aktionäre  herausgewirt-, 
schaftet  worden.  Im  einzelnen  stellt  sich  dieser  wie  folgt: 
Berliner  von  1832  45  o/o  Dividende,  Magdeburger  I42/3  0/0  Divi- 
dende, Kölnische  20  0/0  Dividende,  Union  031/3  ^/o  Dividende  imd 
5  Ob   Aktienzinsen. 

182.    Unfall-   und   Haftpflicht-Versicherung. 

Die  allgemeine  wirtschaftliche  Depression  hat  sich  im  Be- 
richtsjahr auch  auf  dem  Gebiet  der  Unfall-  und  Haftpflicht- 
Versicherung  merklich  fühlbai'  gemacht.  Hierzu  kommt,  daß  durch 
das  am  1.  Januar  1913  in  Kraft  getretene  Angestellten- Versiche- 
rungsgesetz den  Unternehmern  neue  erhebliche  Lasten  aufge- 
bürdet worden  sind,  die  eine  Einschränkung  der  Ausgaben  für 
andere    Versicherungszwecke    zur   'Folg^   gehabt   haben. 

Im  Unfall- Versicherungsgeschäft  ist  bei  einer  Anzahl  von 
Gesellschaften  ein  befriedigender  Zuw^achs  an  Neuversicherungen 
zu  verzeichnen  gewesen,  welchem  aber  ein  allgemein  gedrücktes 
Prämienniveaiu  gegenübersteht.  Andere  Gesellschaften  klagen 
allerdings  über  einen  schleppenden  Verlauf  des  Neuzuganges,  was 
auf  das  Anwachsen  der  Konkurrenz  und  die  hierdurch  erhöhte 
Schwierigkeit,  Geschäfte  zu  ausreichenden  Prämien  abzuschließen, 
zurückzuführen  ist.  Die  Schadenfälle  haben  sich  im  allgemeinen 
in  einem  normalen  Verhältnis  zur  Anzahl  der  bestehenden  Ver- 
sicherungen gehalten.  In  dem  industriellen  Kollektivgeschäft  je- 
doch zeio-te  sich  eine  stärkere  Zunahme  der  Schäden.  Trotz  der 
unverkennbaren  Tatsache,  daß  bei  vielen  Eisikoklassen  die  ge- 
zahlten Seh  adensummen  die  vereinnahmten  Prämien  ganz  be- 
deutend   überschreiten,    werden    o-erade    bei    der    Bewerbung   un^' 


Allgemeines. 


UnfaU- 
V'ersicheruni 


570 


XIII.    VersicheruDirswesen. 


Ei'gebnisse. 


solche  Risiken  die  Prämien  häufig  in  einer  AVeise  von  der  Kon- 
kuiTenz  gediniokt,  da,ß  an  eine  erti'agreiche  Bearbeitung  dieses 
Geschäftszweig*es  für  die  'Zukunft  kaum  geda<'ht  werden  kajin. 
Auch  in  der  Haftpflicht- Versicherung  war  ein  zufrieden- 
stellender Zuwaehs  an  ^Versicherungen,  allerding-s  bei  vielfach  sehr 
knappen  Prämien,  zu  konstatieren.  Namentlich  ist  eine  Belebung 
des  Geschäftes  in  Privathaftpflichtversicherungen  zu  beobachten 
gewesen.  Besonderes  Interesse  bietet  die  Stellimg  der  Haftpflicht- 
Versicherung-sgesellschaften  gegenüber  den  Luftsportrisiken,  und 
man  erwartet  hierzu  eine  demnächstige  gesetzliche  Regelung  des 
Luftverkehrs.  In  der  xlutohaftpflicht-iVersicherungsbranche  muß- 
ten die  Prämien,  um  dem  fWettbewerb  einigier  Gesellschaften  zu 
begegnen  und  denselben  gegenüber  den  Versichei'ungs'besta.nd  nicht 
nur  in  Autohaftpflicht-,  sondei'n  auch  in  anderen'  Haftpflicht\'er- 
sicherungen  zu  schützen,  bo  ermäßigt  werden,  daß  diese  Branche 
voraussichtlich  Verlust  bringen  wird.  Die  Schäden  zeigen  stei- 
gende Tendenz,  auch  hat  die  Zahl  'der  Autohaftpflichtschäden 
keine  A^erringerung  erfaJiren.  Die  Ersatzansprüche  in  Haftpflicht- 
Schadenfällen  sind  vielfach  so  stark  ühersetzt,  daß  trotz  aller 
Bemühungen  der  Gesellschaften,  in  kulanter  AA'eisä  ohne  Prozesse 
zu  regulieren,  die  Fälle,  in  denen  die  Entscheidung  der  Gerichte 
angerufen  weixien  muß,  sich  beträchtlich  mehren.  Bei  diesen 
bricht  sich  aber  die  Erkenntnis  mehr  und  mehr  Bahn,  daß  die 
Schuld  daran  nicht  bei  den  Gesellschaften  liegt,  sondern  daß 
eine  übertriebene  Begehrlichkeit  des  Publikums  diese  zum  Pro- 
zesse zwingt. 

183.   E  i  n  b  r  u  c  h  d  i  e  b  s  t  a  h  1 V  e  r  s  i  c  h  e  r  u  n  g. 

Die  A^ersicherimg  gegen  Einbruchdiebstahlschäden  hat  im 
Jahre  1913  dank  der  äußerst  intensiven  Werbetätigkeit  aller 
diese  Branche  betreibenden  Gesellschaften  ^^^iteren  Eingang  im 
hielten  Publikum  g-efunden.  Dieses  Streben  nach  immei^  größerer 
Sicherung  des  Eigentums  ist  im  Interesse  einer  gedeihlichen  Volks- 
wirtschaft nur  als  ein  erfreuliches  Zeichen  zu  begrüßen.  Auch 
in  Berlin  kann  die  Steigening  der  gegen  Einbruch  gedeckten  AVerte 
bei  Berücksichtigung  der  allgemeinen  Depression  als  befriedigend 
angesehen  werden,  wenn  aucli  diese  Steigerung  bei  den  einzelnen 
Gesellschaften  bei  weitem  nicht  an  die  Ergebnisse  früherer  Jahre 
heranreicht.  Die  Ungunst  der  Zeit  machte  sich  besonders  im 
einfachen  Mobiliar geschäite  bemerkbai^,  in  dem  sich  das  Streben 
nach  Ersparnis  außerordentlich  empfindlich  zeigte.  Aber  nicht 
nur  die  ungünstige  allgemeine  Lage,  sondern  noch  mehr  die  bis 
aufs  äußerste  gesteigerte  Konkurrenz  beeinträchtigte  die  Zugänge 
jeder  Gesellschaft  und  steigerte  zudem  die  Unkosten.  Der  Geld- 
mangel, die  Arbeitslosigkeit  und  die  größere  Not  brachten  so- 
dann eine  ungewöhnliche  Steigerung  der  Einbrüche  mit  sich,  so- 
wohl in  Ablehnungen  als  auch  bei  A\'aren-  und  Kassenschrankvor- 


571 

ipicherungen.  Das  AVai^ngeschäft  zeigt  sich  weiter  ungünstig, 
was  allerdings  den  guten  Erfolg  mit  sich  bringt,  daß  die  Ge- 
schäftsinhaber doch  nach  und  na-ch  für  stärkere  und  bessere 
Sicherungen  der  Ein-  und  Ausgänge,  sowie  der  Fenster  usw.  zu 
ig^winnen  sind.  L-etzt«res  kann  auch  hinsichtlich  der  Geldschrank- 
Versicherungen  festgestellt  w^erden.  Erfreulicherweise  werden 
immer  mehr  die  veralteten,  meistens  "nur  teilweise  oder  auch 
gar  nicht  gepanzerten  Schränke  durch  änöderne  Panzersehränke 
ersetzt,  die  den  Einbrechern  sehr  ihr  Handwerk  fersohweren.  Trotz 
aller  imgünstigen  Einwirkungen  ist  aber  ini  großen  und  ganzen 
der  Geschäftsverlanf  gut  .gewesen,  w^enn  er  auch  die  früheren 
Jahre  nicht  erreicht  hat. 

184.    G  1  asver  3  ich  er  ung. 

Der  Verlauf  des  Glasversicherung-sgeschäfts  war  im  Jahre  Geschäftsgang 
1913  ebenso  ungünstig  wie  im  Vorjahre.  Der  Hauptgrund  hierfür 
liegt  in  den  vom  Internationalen  .Spiegelglas-Sj^^idikat  festgesetzten 
hohen  Glaspreisen.  Da  im  Schadenfalle  fast  stets  Naturalersatz 
geleistet  wird,  sind  die  Vorgänge  auf  dem  Spiegelglasmarkt  für 
das  Ergebnis  des  Glasversicherimg-sgeschäfts  von  einschneidende!^ 
Bedeutung.  Aber  auch  die  Umstände,  welche  schon  früher  als 
größte  Schadenbringer  erwähnt  wurden,  nämlich  zunehmende  Be- 
vorzugung der  Metallrahmen  für  Schaufenster,  Fortfall  des  Ja- 
lousieschutzes und  vorzeitiges  Einsetzen  der  Scheiben  bei  Roh- 
bauten sind  dieselben  geblieben.  Auf  die  Metallfassungen  der 
'Scheiben  sind  allein  35  o/o  der  »Gesamtschäden  zurückzuführen, 
ein  Faktor,  mit  welchem  die  Gesellscliaften  früher,  als  noch  aus- 
schließlich Holzrahmen  verwendet  wurden,  nicht  zu  rechnen 
brauchten.  Uni  die  Bruchgefahr  für  in  Metall  gefaßte  Scheiben 
wenigstens  einigermaßen  herabzumindern,  haben  die  Gesellschaften 
zur  Selbsthilfe  gegriffen,  indem  sie  [vielfach  auf  die  eisernen 
Wasserschenkel  entsprechend  konstruierte  Holzleisten  montieren 
lassen,  auf  Avelche  die  Scheiben  gesetzt  werden.  Erfährt  das 
Schadenkonto  hierdurch  auch  eine  weitere  Belastung,  so  wird 
doch  erreicht,  daß  die  Ersatzscheibe  nicht  wieder  aus  der  gleichen 
Ursache  springen  kann.  Zu  einem  festen  Zusammenschluß  der 
Gesellschaften,  der  bei  den  geschilderten  Imgünstigen  Verhält- 
nissen um  so  notwendiger  wäre,  ist  es  leider  auch  im  'Berichts- 
jahre nicht  gekommen.  Es  war  daher  auch  nicht  möglich,  einen 
einheitlichen  Prämien ta;rif  zu  schaffen ;  eine  förmliche  Schleuderei 
mit  den  Prämien  für  neue  Versicherungen  mußte  die  unausbleib^ 
liehe  Folge  sein.  Der  Besitzstand  des  alten  Geschäfts  ist  )iach 
wie  vor  durch  gix)ße  Unterbietungen  der  Konkurrenz^  ständig  ge- 
fährdet. Einen  wesentlichen  Zuwachs  haben  die  Abschlußberichte 
der  Gesellschaften  pro  1913  kaum  zu  verzeichnen.  Denn  abge- 
sehen von  der  durch  den  geschilderten  Prämiendruck  bedingten 
Mindereinnahme  sind  auch  neue  Versicherungsobjekte  infolge  des 


572  XIII.    Versicherungswesen. 

Daniederliegens  des  ßaumajrktes  jiicht  in.  dem.  ^Lsißte  geschaffen 
worden,  wie  früher.  I)aÄU  wird  der  Erwerb  wie  die  Erhaltimg- 
größerer  Risiken  noch,  durch  die  vom  Reich,  eiagefülirten  höheren 
iStempelabgaben  erschwert.  Denn  der  Versicherimgsnelmier  muß 
jetzt  das  Vielfache  des  früheren  Betrages  für  Stempel  entrichten. 
Anzeichen  für  eine  Besserung  der  Verhältnisse  in  absehbarer  Zeit 
liegen  nicht  vor. 

185.   Viehversicherung. 

Geschäftsgang  Dei'    Qeschäftsstand    der    größeren    Viehversicherungsgesell-, 

Schäften  nahm  in  seiner  Gesamtheit,  wie  seit  Jahren,  so  aucli  im 
Berichtsjahre,  langsam  zu,  wenn  auch  die  schwierigen  G-eld Ver- 
hältnisse der  gedeihlichen  Weiterentwicklung  hemmend  entgegen- 
traten. Außer  den  kleineren  und  mittleren  Landwirten  haben 
besonders  die  zu  Oeschäftszwecken  Pferde  haltenden  Kaufleute 
und  Gewerbetreibenden  von  der  Versicherung  ihrer  Tiere  nicht  so 
ausgiebig  Gebrauch  gemacht,  wie  es  zu  wünschen  wäre;  und  da 
auch  die  Großgrundbesitzer  im  großen  und  ganzen  nur  geringe 
Neigung  für  die  Versicherung  ihrer  Viehbestände  zeigen,  so  bleibt 
die  Gewinnung  neuer  Versicherungen  mit  größeren  Schwierig- 
keiten aller  Art  verknüpft,  trotz  des  unstreitig  bestehenden  und 
auch  anerkannten  Bedürfnisses.  Dies  gilt  nicht  nur  für  die  Vieh- 
lebensversicherung, sondern  ebenso  auch  für  die  gegen  feste  Prämie 
betriebenen  SpezialVersicherungen,  wie  Operations-,  Transport-, 
Ausstellungs-  und  Weideversicherung.  In  der  Weideversicherung 
machte  sich  noch'  besonders  der  durch  (die  ungünstigen  Witterungs- 
verhä,]tnisse  veranlaßte  verminderte  Weide  auftrieb  nachteilig  be- 
merkt ar.  Hingegen  findet  die  Versicherung  von  Zuchtpferden  in 
den  Züchterkreisen  immer  mehr  Anklang.  Von  den  schadenbrin- 
genden Krankheiten  trat  die  Maul-  und  Klauenseuche,  die  lange 
Jahre  hindurch  geherrscht  hat,  im  Berichtsjahre  kaum  mehr  in 
Erscheinung.  Dagegen  haben  mancherlei  andere  Umstände  un- 
günstig auf  die  Schadenziffern  eingewirkt.  Insbesondere  sind 
Ziahlreiche  und  erhebliche  Schäden  dadurch  verursacht  worden, 
daß  das  Körnerfutter  zu  einem  großen  Teil  ungereift  oder  aus- 
gewachsen zur  Verwendung  gelangt  ist.  Auch  von  tierärztlicher 
Seite  konnte  insbesondere  bei  Zuchttieren  eine  ungünstige  Beein- 
flussung der  Geburten  auf  das  Futter  zurückgeführt  werden; 
mehr  noch  war  letzteres  bei  der  Kolik  der  Fall.  Endlich  Rat 
auch  die  'ungünstige  Witterung  des  Berichtsjahres  nicht  unerheb- 
liche Schäden  durch  ErkältungskranJ^iheiten  verursacht.  Bei  der 
Schlachtviehversicherung  war  ebenso,  wie  im  Jahre  1912,  eine 
Steigerung  der  Versicherungsobjekte  nicht  festzustellen.  Die  der 
Schlachtbank,  zugeführten  Tiere  sind  noch  geringer  geworden,  wie 
sie  schon  1912  waren.  Das  finanzielle  Ergebnis  der  Schlachtvieh- 
versicherung wird  dadurch  beeinträchtigt,  daß  durch  lokalen  Milz- 
brand größere  Schweineschäden  hervorgerufen  wurden,  und  daß 


186.   Kück Versicherung.  o7o 

die  zu  Anfang  des  Jahres  gefallenen  Schweinepreise  nach  dem 
t.  Juni  "wieder  eine  bedeutende  Steigerung  erfahren  haben.  In  den 
Schweinebeständen  namentlich  der  östlichen  preußischen  Provinzen 
hat  die  Schweinepest  schwere  Schäden  verursacht;  diese  Seuche 
ist  leider  noch  nicht  in  Abnahme  begriffen.  Durch  die  nicht  aus- 
reichende Erhitzung  'der  Magermilch  und  ihrer  Verfütterung  an 
die  Schweine  sind  erhebliche  Verluste  bei  den  Schlachttieren  her- 
vorgerufen. Auch  im  Berichtsjahr  waren  die  Viehversicherungs- 
gesellschaften bestrebt,  sich  den  Wünschen  der  Viehbasitzer  in 
bezug  auf  die  Gestaltung  des  Versicherungsschutzes  anzupassen. 
Leider  finden  die  Gesellschaften  durch  die  landwirtschaftlichen 
Korporationen  und  Behörden  wenig  Unterstützung  in  ihren  Be- 
strebungen um  Ausbreitung.  Im  Gegenteil,  einige  Provinzen  be- 
schlossen im  Berichtsjahr  die  Errichtung  von  Pro vinzial- Versiche- 
rungs-Anstalten und  bereiten  die  Gründung  von  kleinen  örtlich 
begrenzten  Viehversicherungsvereinen  und  deren  Zusammen- 
fassung zu  einem  Provinzialverbande  unter  Leitung  der  Pro- 
vinzialverwaltung  vor,  die  nicht  nur  den  kleinen,  sondern  auch 
den  bäuerlichen  und  den  Großgrundbesitz  umfassen  sollen.  Auch 
die  Bestrebungen,  für  die  einzelnen  Spezialarten  ausreichende 
Prämiensätze  zu  erlangen,  stoßen  in  den  Kreisen  der  Versiche- 
rungsnehmer häufig  auf  Widerstand. 

186.  Bück  Versicherung. 

Die  Feuerrückversicherungsbranohe  nahm  einen  normalen  Ver- 
lauf und  -wäre  besser  ausgefallen,  wenn  nicht  die  großen  Brände 
in  Lübeck  gewesen  wären,  wo  Holzlager,  die  viele  Millionen  be- 
wertet w^aren,  durch  Brandstiftung  vernichtet  wurden.  Auch 
das  Transportversicherungsgeschäft  verlief  bis  jetzt  normal.  Einen 
großen  Uebelstand  bilden  auch  hierbei  die  vielen  Schiffsbrände  auf 
See  und  in  den  Häfen.  Die  übrigen  Branchen,  wie  Lebens-,  Un- 
fall-, Haftpflicht-,  Hagel-  und  Einbruchdiebstahl-Versicherung, 
verliefen  ebenfalls  normal.  Die  Bückversicherungsgesellschaften 
erzielten  mithin  im  Berichtsjahre  einen  mäßigen  Gewinn. 


XIV.  Agenturgewerbe. 

187.   Agenturgewerbe. 

Für   das  Getreideagenturgeschäft  ließ  das   Berichtsjahr  von  (jetreide. 

Anfang  an  jeglichen  Sdhwung  vermissen  tind  eine  Aenderung 
zum  ^ßesseren  trat  in  seinem  weiteren  Verlaufe  nicht  einmal 
für  kurze  Zeit  ein.  Dem  Verkehr  mit  dem  Auslande  waren  sehr 
enge  Grenzen  gezogen  durch  die  hohen  Erträge  der  deutschen 
Ernten,  die  einen  Bedarf  für  fremdes  Getreide  in  Deutschland 
nur  in  so  bescheidenem  Umfange  aufkommen  ließen,  daß  fer  nicht 


574 


XIV.    Agenturgewerbe. 


Katfee. 


Getrocknete 
amer.   Früchte 


Smyrna- 
Rosinen, 
Mandeln. 


genügte,  tun  das  Vermittlungsgeschäft  in  ausländischem  Getreide 
auch  nur  vorübergehend  zu  beleben.  Dieser  Greschäftszweig  hat 
überdies  Formen  angenommen,  die  ihn  von  Jahr  zu  Jahr  schwie- 
riger gestalten  und  befürchten  lassen,  daß  ihm  der  natürliche 
Boden  mehr  und  mehr  entzogen  wird.  Diese  Befürchtung  ist 
begründet  durdhi  den  Umstand,  daß  einerseits  die  Käufer  sic^h 
nur  noch  selten  zur  Erteilung  von  Aufträgen  bequemen,  anderer- 
seits aber  die  Verkäufer  solche  verlangen,  wodurch  der  Ver- 
mittler zur  Ausfüllung  der  entstehenden  Lücke,  und  damit  auf 
den  Weg  des  Eigenrisikos  gedrängt  wird.  So  unnatürlich  dieser 
Zustand  ist,  so  bedauerlich  ist  sein  Bestehen  für  das  ganze 
Agenturgewerbe  im  Getreidehandel,  und  es  wäre  zu  wünschen, 
daß  die  gesunden  Verhältnisse  früherer  Zeiten  wiederkehrten,  wo 
lediglich  Tüchtigkeit  und  Fleiß  zu  Erfolgen  führten.  Die  reichen 
einheimischen  Ernten  brachten  den  Vermittlern  des  inländischen 
Geschäftes  zwar  zeitweise  rege  Tätigkeit,  allein  sie  war  nicht 
von  Datier,  weil  die  Zufuhrquellen  für  den  hiesigen  Platz  durch 
die  Atisfuhr  der  sonst  für  ihn  bestimmten  Waagen  naeh  dem 
Auslände  mehr  oder  weniger  versiegten.  Erst  gegen  Jahresschluß 
bereitete  sich  daxin  eine  Aenderung  vor,  weil  die  ausländische 
Nachfrage  vollständig  ins  Stocken  geriet  und  damit  die  Ver- 
katifsplätze  wieder  auf  den  Weg  hierher  gewiesen  wurden. 

Das  Kaffeegeschäft  litt  außerordentlich  unter  den  großen 
Preisschwankungen.  Das  Vertrauen  der  Kundschaft  wurde  da- 
durch sehr  erschüttert,  die  Käufer  hatten  große  Konjunkturver- 
luste, und  die  Folge  davon  war,  daß  die  Einkäufe  auf  ein  Minimum 
beschränkt  wurden  und  eigentlich  das  ganze  Jahr  hindurch  nur 
das  unbedingt  Nötige  gekauft  wurde.  Infolgedessen  erforderte 
das  Agenturgeschäft  sehr  viel  Arbeit;  die  Orders  verzettelten 
sich  und  die  angewandte  Mühe  des  Vermittlers  war  oft  ver- 
gebens. 'Das  Geschäftsergebhis  der  Kaffeeagenten  ist  im  Jahre  1913 
sicliierlich   hinter   dem    des    Jahres    1912   zurückgeblieben. 

Das  Agenturgeschäft  in  getrockneten  kalifornischen  Früchten 
war  erschwert  durch  hohe  Preise,  verursacht  durch  eine  kleine 
Ernte  und  durch  Vorräte  a,us  der  alten  Ernte  bei  den  Käufern- 
Dagegen  begünstigten  bei  Ringäpfeln  aus  den  Nordstaaten  niedrige 
Preise  einen  leichten  Verkauf;  das  Geschäft  war  gut,  da  die 
Nachfrage  infolge  höherer  Preise  für  einheimische  Aepfel  leb- 
hafter war. 

Die  Schwierigkeiten  im  Verkehr  mit  der  Türkei,  welche  im 
Vorjahre  den  Handel  mit  Smymarosinen  beherrschten,  waren  in 
diesem  Jahre  nieht  mehr  vorhanden,  und  infolgedessen  war  dasi 
Geschäft  regtilär.  Zu  Beginn  der  Kampagne  erschwerten  starke 
Preisschwankungen  das  Geschäft.  Im  großen  und  ganzen  Waji 
es  aber  leidlich.  Das  Agenturgeschäft  in  Mandeln  war  gut  und 
bei  den  höh  eil  Preisen  auch  lohnend.  Große  Abschlüsse  wurden 
aber    nicht    getätigt,    sondern   es    wurde    von    der    Hand    in  'den 


187.   Ageiiturgewe-rbe. 


O/O 


Mund  gekauft,  und  das  Vermittlungsgeschäft  erforderte  aus  diesem 
Grunde  sehr  viel  Mühe  und  Arbeit. 

DaiS  Agenturgeschäft  in  Zucker  bewegte  sich  infolge  eines 
regelmäßigen    Bedarfsgeschäfts    in   normalen    Grenzen. 

In  Reis  wiar  das  Agenturgeschäft  geringer,  da  der  Artikel 
immer  noch  seinen  hohen  Preisstand  behauptete  und  die  Käufer 
kein  Vertrauen  hatten,  große  Lieferungskäufe  einzugehen.  Der 
Konsum  war   infolge  der  großen  Kartoffelernte  geringer. 

Das  Agenturgeschäft  in  Butter  blieb  unverändert.  Xur  die 
Agenten,  welche  in  russischer  Butter  arbeiten,  haben  wohl  mit 
einem  Minderertrag  der  Provision  zu  rechnen,  da  diese  Provenienz 
knapper  zugeführt  wurde. 

Der  Provisionsertrag  im  Käseagenturgeschäft  war  für  die 
betr.  Agenten  geringer  infolge  des  ungewöhiilich  niedrigen  Preis- 
standes  und   des   im   letzten   Halbjahre  verminderten   Konsums. 

Da5  Agenturgewerbe  in  der  Zigarrenbranche  bewegte  sich 
im'  Jahre  1913  mehr  loder  weniger  auf  schwankendem  Boden. 
Einerseits  war  der  Verbrauch  bei  der  reellen  Händlerkundschaft 
durch  den  Unfug  der  Preisschleuderei  im  Zigarettenhandel  sehr 
i^urückgegangen,  andererseits  konnte  und  sollte  der  Agent  bei 
der  Unsicherheit  der  Verhältnisse  diejenigen  Händlerkreise  nicht 
unterstützen,  welche  der  ruinösen  Preisschleuderei  huldigen.  Es 
bedurfte  daher  besonderer  Anstrengungen,  um  das  Agenturgeschäft 
lohnend  zu  gestalten,  was  nicht  überall  möglich  war,  da  infolge 
der  in  Groß- Berlin  damiederliegenden  Verhältnisse  auch  viele 
Verluste  vorkamen.  Die  Provisionssätze  sind  auch  im  Jahre 
1913  nicht  gestiegen,  so  daß  die  aufgewendete  Mühe  des 
iHandelsagenten  keinen  entsprechenden  Lohn  gefunden  hat.  Die 
Steuerkraft  des  Handelsagenten  wird  einerseits  durch!  den  Schleich- 
handel mit  Tabakfabrikaten  seitens  der  Beamten  bei  den  Be- 
hörden geschädigt,  andererseits  aber  dazu  benutzt,  zu  j^otstands- 
gehältern   an  dieselben  Beamten  beizutragen. 

Pur  das  Agenturgewerbe  der  Gold-,  Silberwaren-  und  Bi- 
jouteriebranche war  das  Berichtsjahr  niöht  gü;nstig.  Infolge  der 
vorhandenen  reichlich  großen  Warenlager  bei  den  Grossisten  und 
der  von  den  Detailleuren  gegebenen  kleinen  Orders  wurde  von 
ersteren  nur  sehr  langsam  und  zurückhaltend  bestellt.  N^ur  im 
Monat  Dezember  war  das  Geschäft  etwas  lebhafter.  Auch  das 
Exportgeschäft  ließ  sehr  zu  wünschen  übrig,  besonders  nach  den 
Balkanstaaten. 

Das  Agenturgeschäft  in  Metallwaren,  feinen  Lederwaren, 
Haushaltungs-  und  Luxus-i,  Schreibwaren  und  Bureauartikeln  war 
im  Jahre  1913  sehr  ungünstig.  Das  deutsche  Geschäft,  speziell 
in  verschiedenen  Großstädten,  ,allen  voran  in  Berlin,  litt  unter 
den  Wirkungen  des  Krieges  auf  dem.  Balkan  und  der  damit  in 
Verbindung  stehenden  politischen  Spa,nnungen,  sowie  unter  den 
so   sehr   erschwerten   Geldverhältnissen.    Zahlungen   erfolgten   in 


Zucker. 
Reis. 


Butter. 


Käse. 


Zigarren. 


Gold-,  Silber- 

waren-  und 

Bijoaterie- 

branehe. 


Metall-,  Leder- 

Haushaltungs- 

Luxuswareu 


0/b 


XIII.    Versiclieriine-swesen. 


Glas,  Porzellan, 
Steingut. 


Drogen  und 
Chemikalien 


Garne. 


der  ganzen  Branche  äußerst  schleppend.  Auch  das  Exportgeschäft 
wal'  schlechter  als  in  den  früheren  Jahren.  Nordamerika  hielt 
die  Aufträge  wegen  des  neuen  Tarifes  zurück,  und  in  vielen 
Artikeln  ist  der  Umsatz  gegen  frühere  Jahre  ganz  erlieblich  zu- 
rückgegangen. Der  in  vergangenen  Jahren  so  blühende  Export  nach 
Südamerika  hat  ebenfalls  besonders  gegen  Ende  des  Berichtsjahres 
schwer  zu  leiden  gehabt.  Die  Krisis  auf  den  Geldmärkten,  die 
schlechten  Ernten  in  Brasilien  und  Argentinien,  sowie  die  Un- 
ruhen in  einzelnen  Staaten,  ganz  besonders  in  Mexiko,  haben 
den  Gesamtexport  schwer  geschädigt.  'Da  die  genannten  Branchen 
bei  unsicheren  Verhältnissen  in  allererster  Linie  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  werden,  so  sind  auch  die  Aussichten  für  das' 
neue  Jahr  recht  trübe.  Ganz  besonders  in  Argentinien  hat  der 
deuts^iie  Exporthandel  schwere   Verluste  zu  ertragen  gehabt. 

Das  Agenturgeschäft  in  Glas,  Porzellan,  Steingut  und  Ge- 
brauchsartikeln erreichte  nicht  die  Höhe  des  Vorjahres.  Die  poli- 
tische Lage  und  vor  allen  Dingen  die  Geldknappheit  verminderten 
die  Umsätze.  Auch  der  Export  hielt  sich  in  niäßigen  Grenzen.  Süd- 
amerika kaufte  wenig,  Mexiko  fiel  ganz  aus.  Auch  in  Nordamerika 
ist  die  Lage  ungeklärt.  Besonders  im  Sommer  war  die  allge- 
meine Geschäftslage  sehr  still,  und  wenn  auch  die  Nachfrage 
vom  Oktober  ab  wieder  lebhafter  wurde,  so  ließ  sich  der  Aus- 
fall nicht  wieder  einholen.  Die  Preise  für  Beleuch tun gs glas, 
Cylinder  und  Schinne  waren  derartig  niedrig,  daß  sie  nicht  die 
Herstellungskosten  deckten;  die  Preise  dieser  Artikel  sind  daher 
kürzlich  um  20^0    erhöht  worden. 

Das  Agenturgeschäft  in  Drogen-  und  Chemikalien  war  im 
vergangenen  Jahre  nicht  zufriedenstellend.  Im  ersten  Halbjahi^ 
war  das  Geschäft  recht  ruhig  und  späterhin  zeigte  sich,  beson- 
ders im  Chemikalienhandel,  bei  sehr  vielen  Artikeln  eine  rück- 
gängige Konjunktur,  die  die  Umsätze  weiter  zurückgehen:  ließ. 
Geradezu  trostlos  liegt  das  Geschäft  in  Blei  weiß.  Während 
in  früheren  Jahren  am  Jahresschluß  sdhon  Abschlüsse  für  das 
Jahr  so  weit  hinaus  gemacht  waren,  wie  nur  irgend  möglich, 
dürfte  in  diesem  Jahre  kaum  ein  einziger  Abschluß  getätigt  sein. 
Grund  hierfür  sind  die  traurigen  Verhältnisse  am  Hypotheken- 
markt und  im.  Baugewerbe,  das  Verbot  der  Staatsbehörden,  daß 
bei  Arbeiten  für  sie  Bleiweiß  keine  Verwendung  mehr  finden 
darf,  und  der  bis  vor  kurzer  Zeit  ganz  außerordentlich  hoch  ge- 
wesene Preis  für  Eohblei. 

Auch'  im  Garnagenturgeschäft  machte  sich  im  verflossenen 
Jahte  die  allgemeine  Depression  bemerkbar;  die  Gesichäfte 
wickelten  sich  schwerer  ab  als  früher,  und  auch  der  Umsatz  war 
kleiner.  AVollenc  Strickgarne,  besonders  soldie,  die  für  Sport- 
artikel verarbeitet  werden,  waren  das  ganze  Jahr  hindurch  be- 
gehrt, so  daß  ein  ziemlich  regelmäßiger  Absatz  darin  stattfand. 
Die  seit  Beginn   des  Jahres  1913  gegen  das   Vorjahr  wesentlicih 


187,  Agenturgewerbe.  577 

erhöhten  Preise,  die  im  Laufe  des  Jahres  noch  eine  weitere  Stei- 
gerung erfuhren,  konnten  sich  aber  ^gen  Ende  des  Jahres  nicht 
mehr  behaupten,  sondern  gingen  entsprechend  den  reduzierten 
Preisen  für  Croßbredwolle  zurück.  Trotzdem  der  Bedarf  darin 
noch  immer  gut  ist,  konnten  die  Konsumenten  sich  aber  bis  Jahres- 
schluß noch  nicht  entschließen,  die  Abschlüsse  für  das  Jahr  1914 
zu  maciien,  weil  sie  noch  ein  weiteres  Abbröckeln  der  Preise  bei 
der  allgemeinen  sichlechten  Geschäftslage  der  gesamten  Textil- 
iadustrie  befürchteten.  Teppichgame  waren  das  ganze  Jahr  hin- 
durch wenig  verlangt;  man  hörte  von  den  Fabrikanten  fortn 
laufend  Klagen  über  flaues  Geschäft.  Game  für  Kabelwerke 
wurden  auch  etwas  weniger  als  im  Vorjahre  gekauft.  Auch  der 
Absatz  von  Eamiegarnen  für  die  Gasglühlichtfabrikation  ließ  zu 
wünschen  übrig.  Allem  Anschein  nach  waren  in  diesier  Branche 
die  Aufträge,  besonders  aus  England,  nicht  wie  ia  früheren 
Jahren  zur  eigentlichen  Saison  iu  großer  Massie  vorhanden,  son- 
dern nur  in  bescheidenen  Grenzen  eingegangen,  so  daß  seit  Mitte 
November  ein  auffallend  ruhiges  Geschäft  zu  konstatieren  war. 
Der  Konsum  von  Kunstseide  hat  sich  nicht  wesentlich  gegen 
das  Vorjahr  geändert. 

iDie  allgemeiae  wirtschaftliche  Depression  des  Jahres  1913  DamenMeider- 
las  bete  schwer  auf  dem  Agenturgeschäft  in  Kleiderstoffen.  Dazu 
kam  noch  die  überaus  ungünstige  Witterung  des  Jahres,  die  eben- 
falls den  Gang  des  Geschäftes  ungünstig  beeinflußte.  In  den 
ersten  Monaten  des  Jahres  war  das  Geschäft  noch  günstig,  doch 
flaute  es  nachher  wesentlich  ab,  so  daß  die  letzten  6  oder  9  Mo- 
nate zu  den  sich wier igst en  Perioden  gehörte,  die  dieser  Zweig 
des  Agenturgewerbes  in  den  letzten  Jahren  zu  verzeichnen  hatte. 
Der  stetig  schheller  folgende  "Wechsel  der  Mode  stellte  an  die 
Arbeitskraft  der  Agenten  der  Kleiderstoff brandhe  immer  höhere 
Ansprüche,  zumal  auch  im  Jahre  1913  der  im  vorigen  Bericht 
erwähnte  Weclisel  in  der  Art  der  von  den  Kleiderstoffgrossisten 
geführten  Artikel  noch  lebhafter  in  Erscheinung  trat.  Der  Um- 
satz LiL  den  früher  als  Kleiderstoffe  bezeichneten  90  bis  110  cm 
breiten  wollenen,  resp.  holbwollenen  Geweben  ist  wieder  zurück- 
gegangen und  durch  seidene,  halbseidene  und  namentlich  baum- 
wollene Phantasiestoffe  ersetzt  worden.  Es  hat  sich  dadurch  ein 
wesentlidher  Umschwung  in  den  Bezugsquellen  vollzogen,  von 
denen  ein  großer  Teil  im  Auslande  liegt.  Im  Berichtsjahre  sind 
namentlich  viele  Stoffe  aus  Frankreich  eingeführt  worden.  Wenn 
es  auch!  einer  Keihe  von  Agenten  gelungen  ist,  sich  die  Vertretungen 
ausländischer  Häuser  in  den  verlangten  Stoffen  zu  verschaffen, 
so  wird  doch  von  einem  Teil  der  Verbraucher  derartige  Ware 
von  dem  ausländischen  Kommisisionär,  der  an  den  Produktiong^ 
platzen  wohnt,  bezogen.  Es  ist  diesi  ein  Uebelstand,  der  den 
Umsätzen  der  Kleiderstoffagenten  westentlidh'  Abbruch  tut.  Der 
schon  oben  erwähnte,  überaus  hastige  Wechsel  der  Mode  erfordert 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  37 


578 


XIV.    Agenturgewerbe, 


Mäntelstoffe. 


Tuche. 


mekr  und  mehr  die  vollste  Aufmerksamkeit  des  Vertreters,  der 
den  ständig  wechselnden  Launen  der  Mode  folgen  muß,  um  re<iht- 
zeitig  seine  Fabrikanten  zu  unterriokten  und  ilinen  die  notweudigen 
lAngaben  und  das  notwendige  Material  in  die  Hand  zu  geben,  da- 
mit sie  den  Wünschten  der  Kundschaft  folgen  können.  Dieses 
Moment  madht  die  Mitarbeit  des  Agenten  für  den  Fabrikanten, 
der  auf  der  Höhle  bleiben  will,  immer  notwendiger;  doch  steht  der 
Verdienst  der  Kleiderstoff  Vertreter  zu  der  übergroßen  Arbeit,  die 
er  heute,  um  auf  der  Höhe  zu  bleiben  und  seine  Fabrikanten  auf 
dieser  zu  erhalten,  vollbringt,  in  keinem  Verhältnis.  Der  moderne, 
eine  überaus  nervöse  Arbeit  verridhtende  Kleiderstoffagent  ver- 
dient heute  noch  immer  dieselben  kleinen  Provisionssätze  wie  der 
Kleiderstoffagent  vergangener  Zeiten,  der  ruhiger  und  gemäch- 
lichier  arbeiter.  konnte  und  dessen  Verdienst  bei  der  damaligen 
größeren  Kaufkraft  des   Geldes   verhältnistnäßig  größer  war. 

Ueber  die  Mode  spricht  sich  in  gleichem  Sinne  ein  anderer 
Berich'tc'i'statter  aus,  dessen  Bericht  wir  nachfolgende  ergänzende 
Ausführungen   entnehmen : 

Der  Konsum  von  110  cm  breiter  Ware,  d.  h.  von  Stoffen,  die 
zu  Kleidern  verarbeitet  werden,  geht  von  Jahr  zu  Jahx  zurück 
und  wird  von  130  cm  breiter  Ware,  die  sowohl  von  den  Kleider- 
stoff- wie  auch  Konfektionsstoffgrossisten  geführt  wird,  ver- 
drängt. Hinzu  kommt,  daß  baumwollene  Artikel  sehr  begehrt 
waren  und  daß  der  Einkäufer,  wenn  der  Artikel  schön  ist,  gar 
nicht  mehr  nach  dessen  Bestandteilen  fragt.  Bevorzugt  wurden 
immer  noch  bunte  englische  Grenres  und  gemusterte  Stoffe,  und 
erst  in  den  letzten  Mionaten  des  Jahres  spielten  Uni-Stoffe  wie 
Crep  und  Cotele  eine  größere  ß,olle.  Es  hat  den  Anschein,  als  ob 
das  Jahr  1914  einen  Umschwung  in  der  Mode  dahin  bringen 
würde,  daß  Uni-Stoffe  vorwiegen,  und  daß  besonders  bunt«  eng- 
lische Genres  ganz  zurückgedrängt  werden.  Der  Umsatjs  hielt 
sich,  dank  der  immerwährenden  Musterungen,  auf  der  Höhe  der 
vorhergehenden  Jahre,  obwohl  der  Verkauf  infolge  des  schlechten 
Detailgeschäfts  viel  schwieriger  war. 

Das  Geschäft  in  fassonierten  halbseidenen  Mäntelstoffen  setzte 
am  Anfang  des  Jahres  sehr  groß  ein;  auch  war  der  Export  be- 
sonders nach  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  recht  stark. 
Diese  Lebhaftigkeit  des  Geschäfts  hielt  bis  zum  Anfang  des 
zweiten  Halbjahres  an,  hörte  dann  aber,  durch  die  schlechte 
Witterung  beeinflußt,  vollkommen  auf,  so  daß  gar  keine  Nach- 
orders erteilt  wurden.  Für  das  Jahr  1914  sind  die  Aussichten 
bei   regulärem   Geschäft  trotzdem   recht  günstig. 

Die  im  letzten  Berichte  ausgesprochene  Hoffnung,  daß  das 
Tuchagenturgeschäft  sich  in  diesem  Berichtsjahre  wieder  heben 
würde,  sobald  sich  die  Abnehmer  an  die  neuen  Einkaufsbedin- 
gungen gewöhnt  haben  würden,  hat  sich  nicht  erfüllt.  Das  Ge- 
schäft des   Berichtsjahres   stand  ganz  im  Zeichen   der  deutschen 


187.  Agenturgewerbe.  579 

Tuchkonvention.  Diese  konnte  in  keinem  ungtinstigteren  Zeit- 
punkte begründet  werden.  In  den  Bedrugungen,  die  die  Konven- 
tion von  Anfang  an  stellte,  und  die  fortgesetzt  ergänzt  wurden, 
befanden  sich  verschiedene  Härten  und  Unkulanzen,  die  wohl 
hätten  vermieden  werden  können,  und  die  die  Abnehmer  zu  einem 
gemeinschaftlichen  Vorgehen  veranlaßten.  Die  verschiedenen 
Branchen,  die  Herrenkonfektionäre,  Knabenkonfektionäre,  Klei- 
derfabrikanten, Tuchgrossisten  und  Tuchversender,  tratein  zu  einer 
Interessengemeinschaft  „deutscher  Tuchgroßabnehmer"  zusammen. 
Hierdurch  begann  eiu  Kampf  der  beiden  Interessengruppen,  der 
das  ohnedies  nicht  auf  wirtschaftlicher  Höhe  befindliche  Geschäft 
noch  mehr  herunterbrachte.  Während  vordem  dem  Agenten 
durch  freie  Musterlieferung  eine  größere  Chance  bei  der  Auf- 
nahme seiner  Artikel  geboten  war,  hat  sich  die  Kundschaft  jetzt 
auf  die  Aufnahme  geriagerer  Mustermengen  beschränkt,  da  sie 
solche  bezahlen  mußte.  Der  erwähnte  Kampf  hat  aber  auch  weiter- 
hin lähmend  auf  das  Geschäft  gewirkt,  zumal  er  in  einer  Art 
geführt  worden  ist,  der  wenig  Aussicht  auf  eine  Einigung''  der 
Parteien  bot.  Ein  Teil  der  Schwierigkeiten  bestand  auch  in  dem 
Umstände,  daß  die  einzelnen  Gruppen  des  zusammengeschweißten 
Abnehmerverbandes  jede  für  sich  andere  Interessen  hatten.  Als 
schließlich  die  Delegierten  beider  Parteien  nach'  langen  Be- 
ratungen, in  denen  die  Meinungen  hart  aufeinander  platzten, 
zu  einer  Verständigung  kamen,  und  man  glaubte,  nun  werde  der 
Friede  und  hiermit  eine  B/egelung  des  Geschäftes  herbeigeführt 
werden,  desavouierte  die  Generalversammlung  der  Tuchkonven- 
tion ihre  Delegierten,  und  hierdurch  wurde  der  Kampf  noch  weited 
entfacht.  Die  Interessengemeinschaft  deutscher  Tuchgroßabnehmer 
hat  daraufhin,  kurz  nach  Beginn  der  Offerten  für  die  neue  Winter- 
saison, eine  Ordersperre  über  alle  Fabrikanten  der  deutschen 
Tuchkonvention  beschlossen.  Diese  Maßnahme  war  eüi  harter 
Schlag  für  alle  Tuchagenten,  die  nun  ihre  Winterkollektioneni 
vorlegten  und  hierauf  zum  größten  Teil  nur  Muster  in  Formaten; 
loswurden,  die  unberechnet  abgegeben  werden.  So  war  die  Situationj 
bei  Beginn  des  Jahres  1914,  •  an  einem  Zeitpunkte,  an  dem  sonst 
Aufträge  für  den  kommenden  Winter  getätigt  worden  sind.  Zur- 
zeit —  Mitte  Februar  1914  —  ist  endlich  der  Friede  hergestellt 
worden,  und  die  Agenten  der  Tuchbranche  sind  mit  allen  Kräften 
bemüht,  das  Versäumte  nachzuholen.  Hoffentlich  gestaltet  sich  das 
Agenturgeschäft,  das  in  dem  geschilderten  Kampfe  mehr  als  jeder 
andere  Zweig  des  Kaufmannsstandes  zwischen  zwei  Feuern  stand, 
in  diesem  Jahre  durch  geordnete  Branchenverhältnisse  wiedei] 
besser,  so  daß  die   Scharte  des   Berichtsjahres  ausgewetzt  wird. 

Trotz  des   allgemeinen  schlechten  Geschäftsganges   siad  die  Gardinen. 

Umsätze  in  der  Gardiuenbranche  im  Jahre  1913  nicht  nur  nicht 
zurückgegangen,  sondern  sogar  noch  gestiegen.  Hierdurch  ist  auch 
die    Lage    der   Agenten    günstig    beeinflußt   worden.     Die  Preis- 

37* 


580 


XIV.    Agenturgewerbe. 


erhöh ungen,  die  die  Wobereien  laut  Bericht  des  Vorjahres  be- 
schlossen hatten  und  die  sie  anfangs  1913  in  Kraft  treten  ließen, 
waren  auch  für  die  Grossisten  'sehr  nutzbringend,  da  sich  diese 
bereits  eingedeckt  hatten.  Während  des  ganzen  Berichtsjahres 
hat  ^ich  die  Mode  für  'Künstlergardinen  noch  weiter  durchgesetzt 
und  die  Meterware  fast  ganz  Verdrängt.  Auch  in  bunten  Madras- 
Igardinen  und  Viteragen  wurden  1913  große  Umsätze  erzielt.  Da- 
gegen hat  der  Handel  mit  Band-  und  Spachtelgardinen  durch  die 
hierfür  ungünstige  Mode  gelitten.  Daher  haben  auch  die  Ver- 
treter für  diese  Ware  im  Jahre  schlecht  abgeschnitten. 

Verbandstoffe.  In  Verbandstoffen   zeigte  das  Agenturgeschäft   eine  bisher 

nicht  gekannte  Höhe.  Es  ist  dies  auf  die  Balkankriege,  sowie  auf 
die  stete  Kriegsbereitschaft  des  Deutschen  'E;eiches  zurückzuführen. 
Die  meisten  Balkanstaaten  decken  einen  'großen  Teil  ihres  Be- 
darfes bei  Berliner  Fabriken,  die  ihre  dazu  benötigten  Materialien 
aus  Plauen  beziehen,  das  während  des  ganzen  Jahres  in  diesen 
Artikeln  beschäftigt  war. 

Rauchwaren.  j)^^  Jahr  1913  War  für  das  Agenturgeschäft  in  der  Rauch- 

warenbranche nicht  zufriedenstellend.  Die  sehr  liohen  Preise, 
welche  im  Januar  1913  für  fast  alle  Artikel  einsetzten,  die 
unsicheren  politischen  Verhältnisse  in  Verbindung  mit  dem 
hohen  Geldstand  waren  einem  großen  Absatz  hinderlich.  Die 
'Fabrikanten  sowohl  wie  die  Detaillisten  hielten  mit  ihren  Ein- 
käufen zurück,  weil  noch  größere  Vorräte  aus  1912  vorhanden 
waren  und  man  annahm,  daß  die  hohen  Preise  im  Sommer 
weichen  würden.  Man  täuschte  sich  darin  nicht,  denn  das  zweite 
Semester  1913  Ijrachte  wesentliche  Preisreduktionen  des  Roh- 
materials ;  dadurch  entstanden  sehr  bedeutende  Verluste,  und  eine 
große  Anzahl  Von  Rauchwarenhändlem  mußte  die  Zahlungen 
einstellen.  Die  durch  die  fallenden  Preise  entwerteten  Läger  und 
das  sehr  schlechte  Herbstwetter  drückten  auf  die  Kaufkraft  ganz 
besonders.  Seit  vielen  Jahren  hat  die  Branche  nicht  ein  so  wenig 
befriedigendes  Resultat  ergeben  wie  im  Jahre  1913.  Jetzt,  nach- 
dem die  Situation  auf  dem  Rauchwarenmarkte  etwas  geklärt  ist, 
hofft  man  für  1914  wieder  besseren  Zeiten  entgegensehen  zu 
dürfen.  _^ 

Schuhwaren.  Daß  Berichtsjahr  war  für  das  Schuhwarenagenturgewerbe  ein 

schweres  Jahr.  Die  Konjunktur  der  Schuhindustrie  wie  des 
Schuhhandels  war  rückgängig  'und  brachte  schwierige  Verhältnisse. 
Eine  bedeutende  Verteuerung  des  Rohmaterials  mußte  eine  wesent- 
liche Preiserhöhung  der  fertigen  Ware  im  Gefolge  haben,  und 
zu  dem.  durch  die  UnguQst  der  Witterungsverhältnisse  und 
einen  übertriebenen  Wettbewerb  verursachten  schleppenden  Ge- 
schäftsgang trat  noch  eine  wesentliche  Krediteinschränkung. 
•Leidet  aber  Industrie  und  Handel,  so  wird  der  Agent  be- 
sonders    schwer      in     Mitleidenschaft     gezogen.      Die    höheren 


187.  Agenturgewerbe.  581 

Preise  konnten  nur  schwer  und  zum  kleinen  Teil,  oftmals  über- 
haupt nicht,  durchgesetzt  werden,  und  manche  Order  scheiterte 
hieran.  In  der  Schuhwarenindustrie  traten  infolge  der  Kredit- 
einschränkungen zahlreiche  Konkurse  und  Insolvenzen  ein.  Der 
Berichterstatter  stellte  fest,  trotzdem  ihm  eine  nur  unvollständig© 
Statistik  zu  Gebote  stand,  daß  allein  in  Deutschland  einige 
90  Schuhfabriken  die  Zahlungen  einstellen  mußten,  eine  Zahl, 
die  wohl  jeden  Rekord  schlägt,  die  sich  aber  nach  einer  genauen 
Statistik  noch  wesentlich  erhöhen  dürfte.  Von  diesen  Zusammen- 
brüchen ist  das  Agenturgewerbe  besonders  schwer  betroffen 
worden,  denn  große  Summen  an  Provision  und  Spesenauslagen 
gingen  diesem  damit  verloren.  Wenn  man  berücksichtigt,  daß  die 
Provision  nichts  anderes  als  einen  Arbeitslohn  für  den  Agenten 
bildet,  so  muß  immer  und  immer  wieder  betont  werden,  daß 
unsere  Gesetzgebung  diesem  endlich  den  Schutz  angedeihen 
lassen  sollte,  indem  sie  für  die  Agentenforderungen,  speziell  für 
JProvision,  ein  Vorrecht  im  Konkurse  des  Geschäftsherrn  zu- 
billigt. Der  Markt  wird  von  den  Fabrikdetaillisten,  einigen 
iwenigen  Großdetailleuren  mit  vielen  Filialen  und  einigen  Hof- 
:Und  Etagengeschäften  beherrscht,  für  die  aber  nur  einige  wenige 
Agenturen  in  Betracht  kommen;  der  mittlere  und  kleinere  Han- 
delsstand kann  den  Kampf  mit  dieser  Konkurrenz  weder  gut  noch 
andauernd  bestehen  und  wird  nach  und  nach  erdrückt.  Der  Agent 
verliert  somit  nach  beiden  Seiten,  sowohl  an  Lieferanten  wie  Ab- 
nehmern, ihm  wert  und  lieb  gewordene  Verbindungen,  für  die  er 
bei  der  Ungunst  der  Verhältnisse  keinen  Ersatz  finden  kann.. 
Trotz  alledem  ist  der  Zudrang  zum  Schuhwarenagenturgeschäft 
enoim;  in  den  Fachzeitungen  werden  zahlreiche  Agenturen 
gesucht,  speziell  von  Neulingen,  aber  nicht  angeboten.  —  Die 
Partie-  und  Lombardschuhgeschäfte  florieren  nach  wie  vor  und 
wuchern  immer  üppiger  weiter;  sie  versuchen  sogar  schon,  die 
Inißliche  Situation  der  Agenten  für  sich  auszunutzen,  indem  sie 
durch  Zirkulare  diesen  erhebliche  Provisionen  für  den  Nachweis 
von  Not-  und  Partieverkäufen  bieten.  Während  so  die  Erwerbs- 
verhältnisse recht  schwierig  geworden  sind,  treten  wirtsi^haftlidh 
immer  größere  Anforderungen  heran,  und  wenn  mit  der  Jahres- 
wende und  dem  kommenden  Frühling  auch  neue  Hoffnungen  er^ 
weckt  werden,  so  muß  man  deren  Erfüllungsmöglichkeit  doch  recht 
pessimistisch  gegenüberstehen. 

Die  Verhältnisse  im  Papieragenturgeschäft  haben  sich  im  ver-  Papier. 

f lossenen  Jahre  nicht  gebessert ;  die  Unterbringung  der  Produktion 
wird  immer  schwieriger,  namentlich  in  Druckpapier  und  den  mittele 
feinen  Papiersorten.  Zeitweise  haben  verschiedene  Papierfabriken 
die  Fabrikation  eingeschränkt.  In  den  besseren  Papiersorten  war 
das  Angebot  nicht  so  bedeutend  wie  in  den  geringeren  Sorten. 
In  Pappen  und  Packpapieren  war  das  Angebot  stärker  als  die 
Nachfrage:  namentlich  für  die  Pappenfabrikation  war  das  Ge- 


Industrie 
Ailgemeines. 


582  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

schäftsjahr  ungünstig.  Infolge  der  allgemeinen  ungünstigen  Ge- 
schäftslage ist  der  Verbrauch  in  allen  Sorten  wesentlich  zurück- 
gegangen. 


XV.  Verschiedene  Geschäftszweige. 

188.   Musikinstrumente. 

Pianoforte-  Dias  Jahr  1913  war  für  die  Pianoforteindustrie  ohne  Zweifel 

nicht  günstig:  Die  allgemeiQ  herrschende  Geldnot  wirkte  «auf 
den  Absat'i  von  Luxusartikeln,  zu  denen  auöh  Klaviere  gehören, 
ganz  besonders  hemmend  ein,  und  Fabrikanten  sowohl  als  Händ- 
ler litten  unter  dem  völlig  unzureidhenden  Eingang  von  Auf- 
trägen. Die  Fabrikanten  begehrtester  Marken  in  gangbarster, 
billigster  Preislage,  die  in  normalen  Geschäftsjahren  mit  Auf- 
trägen auf  Monate  im  Voraus  besetzt  zu  sein  pflegen,  griffen  zu 
dem  ungewöhnlichen  Mittel,  zu  Ausnahmepreisen-  und  Bedin- 
gungen zu  offerieren,  um  große  Betriebseinschtänkungen  zu  ver- 
imeiden.  Die  Fabrikanten  großer  angesehendster  und  teuerster 
Qualitäten  dagegen,  die  sonst  in  der  beneidenswerten  Lage  sind, 
alles  an  sidh  herantreten  lassen  zu  können,  mußten  bei  ihren 
Vertretern  um  Aufträge  bitten,  die  dann  auch'  sofort  ausgeführt 
werdan  konnten.  Besonders  betroffen  wurden  von  dem  schlechten 
Geschäftsgänge  diejenigen  Fabriken,  deren  Hauptabsatz  in  Eu- 
ropa liegt,  während  diejenigen  Fabriken,  die  ein  ausgedehntes 
überseeisches  Absatzgebiet  haben,  wesentlich  günstiger  gestellt 
waren,  da  das  überseeische  G-esiohäft  von  der  europäischen 
G^SKihäftslage  nicht  immer  beeinflußt  wird.  So  hat  tix)tz  des 
geringen  Beschäftigungsgrades  der  deutschen  Pianofabrikation 
der  Export  von  Klavieren  im  Berichtsjahre  gegen  das  Vorjahr 
wiederum  zugenommen. 

Die  Ursache  der  Geldknappheil  und  der  dadurch  verursachten 
schlechten  Geschäftslage  im  Berichtsjahre  dürfte  nur  in  den 
Balkankriegen  zu  suchen  sein.  Bis  unmittelbar  vor  Ausbruch  des 
ersten  Krieges  war  die  Geschäftslage  in  der  Piano forte-Industrie 
gläJizend,  der  Stillstand  trat  aber  sofort  nach  Ausbruch  des 
Krieges  ein  und  bis  jetzt  hat  sich  das  Geschäft  nicht  wieder  be- 
leben können.  Hierbei  kommen  die  Balkanländer  selbst  als  Ab- 
nehmer wenig  in  Frage,  sondern  vielmehr  die  Großmächte,  welche 
auf  dem  Balkan  interessiert  sind.  Man  fürdhtete,  daß  die  Balkan- 
wirren einen  europäisdhen  Krieg  herbeiführen  könnten  und  hielt 
wohl  sein  Geld  nach  Möglichkeit  zusammen.  —  Zugenommen 
g^gen  früher  hat  der  Verkauf  von  kleinen  Stutzflügeln,  die  sich 
immer  größerer  Beliebtheit  erfreuen.  In  dem  Bau  solcher  Flügel, 
namentlidh  in  mittlerer  Preislage,  leisten  die  deutschen  Fabriken 
Ausgezeichiietes  und  werden  hierin  von  den  ausländischen  Fa- 
briken nicht  erreicht.  Auch  der  Verkauf  von  Pianinos  und  Flügeln 


188.  Musikinstrumente. 


583 


mit  eingebautem  Spielapparat  nimmt  in  allen  Ländern  stetig  zu. 
In  der  Fabrikation  von  Spielapparaten  ist  die  deutscibe  Industrie 
ebenfalls  sehr  leistungsfähig  und  steht  in  bezug  auf  die  Qualität 
hinter  keinem  anderen  Lande  zurück.  Trotzdem  ist  aber  noch  ein 
großer  Teil  der  in  deutsche  Instrumente  eingebauten  Spielapparate 
ausländischen  Ursprungs.  —  Von  größeren  Lohnbeweg imgen  ist 
diese  Industrie  im  Berichtsjahre  verschont  geblieben.  Wohl  ist 
es  hier  und  da  zu  Arbeitseinstellungen  gekommen,  die  aber  jedes- 
mal nur  von  kurzer  Dauer  waren  und  nach  geringen  Zugeständ- 
nissen beigelegt  worden  sind. 

Die  Preise  für  Rohmaterialien  sind  im  Berichtsjahre  wieder- 
um vielfach  m  die  Höhe  gegangen.  Namentliöh  für  Elfenbein 
und  gewisse  in-  und  ausländische  Hölzer  gingen  die  Preise  ständig 
in  die  Höhe.  Von  verschiedenen  Seiten  aus  Fabrikantenkreisen 
wurde  da-her  wiederum  der  Vorschlag  gemacht,  durch  ein  ge- 
schlossenes Vorgehen  höhere  Verkaufspreise  zu  erzielen,  doch 
konnte  man  dieser  Anregung  nicht  näher  treten,  da  die  allgemeine 
Grescihäftßlage  darunter  nur  noch  mehr  gelitten  hätte. 

Eiae  Gefalir  droht  der  Pianoforte-Industrie  durch  das  Vor- 
gehen der  Pianomechanikfabrikanten.  Diese  haben  ein  Kartell 
gebildet  und  sich  gegenseitig  bei  einer  hohen  Konventionalstrafe 
zu  90  rigorosen  Bedingungen  gegenüber  ihten  Abnehmern,  den 
Pian.ofortefabrikanten,  verpflichtet,  daß  die  Pianofortefabrikanten 
der  Willkür  der  Medhanikfabrikanten  rettungslos  ausgeliefert  zu 
werden  scheinen.  In  den  interessierten  Kreisen  der  Pianoforte- 
Industrie  sind  bereits  eifrige  Erwägungen  über  geeignete  Abwehr- 
maßregeln im  Gange. 

Von  den  einzelnen  Exportgebieten  wäre  zu  sagen,  daß  Groß- 
britannien immer  noch  der  größte  'Abnehmer  deutscher  Pianos 
ist,  wenn  man  auch  nicht  verkennen  darf,  daß  die  englischen  Fabri- 
kanten immer  mehr  Oberwasser  gewinnen.  Der  Erfolg  der  eng- 
lischen Fabrikation  ist  weniger  zurückzuführen  auf  überlegene 
Qualität  der  englischen  Erzeugnisse,  sondern  vielmehr  auf  die 
außerordentliche  Hetzerei  eines  Teils  der  viel  gelesenen  englischen 
Presse,  die  durch  englische  Fabrikantenkreise  beeinflußt  wird. 
Namentlich  während  der  Zeit  politischer  Spannung  fallen  der- 
artige Hetzereien  auf  einen  Sehr  fruchtbaren  Boden,  und  es  gibt 
in  Englajid  schon  große  Gebiete,  in  denen  Händler  gegen  ihre 
eigene  bessere  Ueberzeugung  von  der  überlegenen  Qualität  der 
deutschen  Instrumente  solche  nicht  mehr  zu  führen  wagen.  Daß 
trotzdem  England  immer  noch  unser  größter  Exportabnehmer 
ist  und  einstweilen  wohl  auch  bleiben  wird,  beweist  die  außen 
ordentlich  große  Aufnahmefähigkeit  dieses  Landes.  Australieaa 
und  Neuseeland  sandten  im  Berichtsjahre  wiederum  gute  Auf- 
träge, wenn  dieselben  auch  nicht  auf  der  gleichen  Höhe  deö 
Vorjahres  standen.  Die  Berichte  aus  Australien  vom  Anfang 
des  Jahres  lauteten  hinsichtlich  der  Kaufkraft  nicht  ermutigend. 


Roh- 
materialien. 


Eartellierung. 


ExpcHTt. 


584  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

Der  Ertrag  an  Wolle  war  bedeutend  g^eringer  gewesen  als  im 
Vorjahre,  und  auch  die  Ernte  'blieb  wesentlich  unter  dem  Durch- 
schnitt. Trotzdem  "war  der  Eingang  von  Aufträgen  aus  vorge- 
nannten Ländern  'befriedigend  und  steigerte  sich  namentlich  gegen 
Ende  des  Jahres.  SüdafrLka  hatte  wieder  ein  sehr  gutes  Geschäfts- 
jahr zu  verzeichnen  und  der  Eingang  an  Aufträgen  stand  dem- 
jenigen des  "Vorjahres  in  keiner  Weise  nach.  Der  Streik  der 
Goldminenarbeiter  in  Transvaal,  welcher  um  die  Mitte  des  Jahres 
auszubrechen  drohte  "und,  wenn  er  zum  Ausbruch  gekommen  wäre, 
eine  schwere  Katastrophe  für  das  südafrikanische  Geschäft  be- 
deutet hätte,  wurde  glücklicherweise  in  letzter  Stunde  ver- 
mieden. Nordamerika  iind  Canada  bleiben  einstweilen  wegen  des 
hohen  Zolles  'der  deutschen  Pianoforte-Industrie  noch  verschlossen. 
Trotzdem  gingen  verschiedene  Aufträge  auf  deutsche  Pianos  aus 
der  nordamerikanisohen  Union  ein,  und  zwar  handelte  es  sich 
jedesmal  um  Nachbestellungen  auf  Grund  früherer  Lieferungen. 
Die  deutschen  Instrumente  gefallen  dort  eben  sehr  gut  und  es 
wird  dadurch  wieder  bewiesen,  daß  bei  einigermaßen  günstigjen 
Zollverhältnissen  die  deutschen  Instrumente  auch  in  Nordajnerika 
und  Canada  Eingang  finden  würden.  —  In  Mexico  lag  das  Ge- 
schäft während  des  ganzen  Geschjäftsjahres  fast  ganz  still,  in- 
folge der  unstäten  inn,eren  Verhältnisse  dieses  Landes.  Normale 
Verhältnisse  in  Mexico  vorausgesetzt,  gehört  dieses  Land  trotz 
der  Nähe  der  nord amerikanischen  Konkurrenz  zu  den  besten  regel- 
mäßigen Abnehmern  der  deutschen  Industrie.  —  Kuba  gehört 
ebenfalls  zu  den  größten  Abnelimern  deutscher  Pianos  und  der 
Absatz  dorthin  ist  auch  im  Berichtsjahr  nicht  unwesentlich  ge- 
stiegen, trotzdem  in  diesem  Lande  die  nordamerikanischen  In- 
strumente naturgemäß  die  weitgehendsten  Vergünstigungen  ge- 
nießen. Die  deutschen  Instrumente  werden  dort  genau  so  hoch 
besteuert  wie  in  der  Union  selbst.  Die  übrigen  Inseln  des  west- 
indischen Archipels  kommen  als  Abnehmer  weit  weniger  in  Be- 
tracht. —  In  Zentralamerika  bestehen  einstweilen  nur  geringe 
Absatzmöglichkeiten  für  Pianos.  Das  Geschäft  dorthin  hielt  sich 
in  den  üblichen  bescheidenen  Grenzen.  —  Von  den  Abnehmern 
in  Südamerika  steht  Argentinien  an  erster  Stelle.  Dieses  Land 
wurde  aber  von  der  allgemeinen  politischen  Lage  ungünstig  be- 
einflußt und  sandte  daher  nicht  in  dem  gleichen  Maße  Aufträge 
wie  früher,  obwohl  in  einer  sehr  günstigen  Ernte  die  Vorbe- 
dingungen für  ein  gutes  Geschäft  gegeben  gewesen  wären.  Wegen 
der  allgemeinen  europäischen  Lage  fand  die  Ernte  aber  nicht  ohne 
weiteres  in  Europa  Abnahme,  sie  lionnte  nicht  so  glatt  wie  üblich 
realisiert  werden,  und  mußte  lange  Zeit  an  den  Produktions- 
stätten liegen  bleiben,  so  daß  infolgedessen  Argentinien  gering-ere 
Aufträge  nach  Europa  legte.  —  Brasilien  stand  auf  gleicher  Höhe 
wie  früher  und  sanit'^  glcichrnäßig  Aufträge.  Das  gleiche  ist 
von  Uiuguay,  Chile,  Peru  und  Colombien  zu  sagen.    Namentlich 


188.  Musikinstrumente.  585 

nach,  lelztgenaimtem  Lande  ist  der  Absatz  im  Berichtsjahre  nicht 
imerheblich  gestiegen.  —  Die  übrigen  südamerikanischen  Staaten 
Ecuador,  Eolivia  und  Venezuela  bieten  'nur  ein  bescheidenes  Gre- 
schäft  ,und  sandten  im  Berichtsjahr  iiicht  größere  Aufträge  als 
bisher.  —  Asien  kommt  als  Abnehmer  deutscher  Pianos  weniger  in 
Frage,  weil  in  den  größten  'Ländern  dieses  Erdteils  die  Musik  -noch 
nicht  genügend  entwickelt  ist.  Die  größten  Abnehmer  sind  die 
Philippinen,  woher  auch  m  diesem  Jahre  größere  Aufträge  ein- 
gingen. Li  bezug  auf  die  Zollverhältniss©  befiaden  sich  die  Phi- 
lippinen genau  in  gleicher  Lage  Wie  Kuba,  auch  dort  gilt  der 
gleiche  Tarif  wie  in  der  Union.  Nach  dem  Inkrafttreten  dieses  Ta- 
rifs sank  der  deutsche  Export  nach  den  Philippinen  in  merklicher 
Weise  zugunsten  der  amerikanischen  Instrumente,  doch  haben  die 
deutschen  Instrumente  durch  ihre  überlegene  Qualität  sich  bald 
wieder  'Geltung  zu  schaffen  gewußt.  Nach  British-Indien  und 
Niederländisch-Indien  war  das  Gneschäft  gleichm'äßig  wie  in  den 
Vorjahren.  ,'Von  großer  Bedeutung  ist  der  Export  deutscher  Pianos 
»dorthin  nicht,  weil  die  Instrumente  sehr  unter  dem  Einfluß  des 
Klimas  leiden.  — Von  den  Ländern  Europas  ist  nach  Großbritannien 
Rußland  der  größte  Abnehmer  und  hielt  sich  während  des  Berichts- 
jahres aui  gewohnter  Höhe.  Auch  Italien  sandte  recht  gute  Auf- 
träge. Dieses  Land  hatte  unter  der  Balkanjkrisis  wenig  zu  lei- 
den, war  dagegen  nach  der  durch  den  Tripoliskrieg  verursachten 
langen  Ruhepause  sehr  aufnahinef'ähig.  Nach  sämtlichen  übrigen 
Ländern  Europas,  war  der  Versand  bedeutend  geringer  als  in  den 
Vorjahren:  dazu  gehörten  auch  Spanien,  Portugal,  Holland,  Bel- 
gien, die  Schweiz,  sowie  Norwegen,  Schweden  und  Dänemark.  Aus 
den  Balkanstaaten  blieben  die  Aufträge  naturgemäß  so  gut  wie 
ganz  aus,  nur  Rumänien  machte  gegen  Ende  des  Jahres  wieder 
eine  Ausnahme,  und  scheint  sich  auf  eiu  gutes  Geschäft  vorzube- 
reiten. Dasselbe  trifft  für  Aegypten  zu,  welches  nach  Beendigung 
der  Balkankriege  bessere  Aufträge  sandte  als  im  Vorjahre. 

Die  Pianomechanikfabrikation  richtete  sich  naturgemäß  nach  „irihaSik. 
der  Lage  der  Pianoforteindustrie.  Die  'Mechanikfabrikation  ist 
aber  in  bezug  auf  den  Export  insofern  günstiger  gestellt,  als 
das  Anwachsen  der  ausländischen  Pianofortefabrikation  der  deut- 
schen Mechanikfabrüation  keinen  Abbruch  tut,  weil  die  Mehrzahl 
der  ausländischen  Pianofortefabrikauten  deutsche  Mechaniken  ver- 
wenden. 'Namentlich  die  englischen  und  österreichischen  Piano- 
fortefabrikanten kaufen  in  der  Hauptsache  deutsche  Meehaniken, 
und  da  infolge  der  großen  Propaganda  der  englischen  Fach-  und 
Tagespresse  zugunsten  der  britischen  Erzeugnisse  die  englische 
Fabrikation  im  letzten  Berichtsjahre  gut  beschäftigt  war,  war 
der  Export  von  Mechaniken  nach  England  recht  bedeutend.  — 
Auch  Oesterreich  bezieht  einen  großen  Teil  seiner  Pianomecha- 
niken und  sonstigen  Pianofortebestandteile  aus  Deutschland.  Um 
im  Interesse   der  heimischen   Piauoforteiabrikation    die    Einfuhr 


586 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 


Klaviaturen. 


Blech-,  Holz 
und  Schlag- 
instrumenten- 
Fabrikation. 


fertiger  deutscher  Pianos  in  Oesterreich.  zu  verhindern,  erhebt 
Oesterreich  auf  fertige  deutsche  Klaviere  einen  sehr  hohen  Ein- 
gangszoll, ,während  dagegen  Pianomechaniken  und  sonstige  Be- 
standteile in  Oesterreich  zollfrei  eingeflassen  werden.  Die  deutsche 
Pianoforteindu,strie  muß  dagegen  auf  alle  aus  Oesterreich  kom- 
mende Bestandteile  für  Pianobau,  also  namentlich  Tonhöilzer,  einen 
hohen  Eingangszoll  bezahlen. 

Die  deutsche  Klaviaturenindustrie  ist  hauptsächlioh  von  dem 
Gange  der  deutschen  Pianoforteindustrie  abhängig.  Der  Export 
von  Klaviaturen  ist  verhältnismäßig  gering  und  erstreckt  sich 
fast  nur  auf  Rußland.  Die  deutschen  Klaviaturfabrikanten  waren 
daher  auch  in  der  Mehrzahl  weniger  beschäftigt  als  im  Vorjahr. 

Bezüglich  der  Aussichten  für  das  Jahr  1914  ist  zu  sagen,  daß 
sie  "bei  der  eingetretenen  und  hoffentlich  anhaltenden  Entspannung 
auf  dem  Geldmarkte  gut  sein  könnten,  da  d;ie  A"u.fträge  bisher 
lebhaft  eingingen.  Auch  der  Wiedereintritt  normaler  Verhältnisse 
ia  den  Ländern  des  Balkan  dürfte  von  g;utem  Einfluß  sein.  J)a 
jedoch  der  Geschäftsgang  in  manchen  anderen  Branchen  sehr 
unbefriedigend  ist,  so  läßt  sich  schwer  voraussagen,  in  welchem 
Umfange  diese  Tätsache  auf  das  Pianofortegeschäft  einwirken; 
kann. 

Die  Industrie  der  Blech-,  Holzi  und  Schlag-Instrumente  war 
gut  beschäftigt.  Die  Vermehrung  des  Heeres  führte  zur  Ausrüstung 
einiger  Musikkorps,  auch  Exportaufträge  lagen  in  befriedigendem. 
Maße  vor.  Leider  hat  der  neue  Zolltarif  der  Vereinigten  Staaten 
auf  Musikinstrumente  keine  nennenswerte  Ermäßigung  gebracht, 
so  daß  der  Berliner  Export  nach  dort  minimal  bleiben  wird. 
Die  Lieferungsverträge  über  Musikinstrumente  im  Bereiche  der 
preußischen  Heeresverwaltung  würden  ihren  Zweck  zum  Schutze 
der  deutschen  Industrie  und  Ausschaltung  der  unlauteren  Kon- 
kurrenz in  noch  höherem  Maße  erreichen,  wenn  die  seitens  der 
Lieferanten  gemachten  Angaben  auf  ihre  Richtigkeit  geprüft  und 
Inspizierungen  der  Betriebe  vorgenommen  würden.  Die  Verdin- 
gimgen  dei'  Bekleidungsämter  auf  Signalinstrumente  fanden  in 
diesem  Jahre  zum  ersten  Male  nach  den  neuen  Vorschriften  statt, 
Die  erhöhten  Anforderungen  hatten  selbstverständlich  eine  ann 
gemessene  Preissteigerung  zur  Folge,  so  daß  die  Berliner  In- 
dustrie mit  ihrer  Qualitätswai^e  erfolgreich  konkurrieren  konnte. 
Wie  für  die  Vergebung  der  Musikinstrumente  wird  auch  hier 
nur  durch  scharfe  Kontrolle  die  lobenswerte  Absicht  der  Behörde, 
die  einheimische  Industrie  für  den  Mobilmachungsfall  genügend 
zu  stärken  und  nur  beste  Qualitäten  zu  beschaffen,  erreicht  werden. 
Sehr  wünschenswert  wäre  es,  wenn  sich'  audh  die  Marine  dem 
Vorgehen  der  Heeresverwaltung  anschließen  und  analoge  Be- 
stimmungen erlassen  würde,*  die  ausschließlich  beste  deutsche  Er- 
zeugnisse zur  Konkurrenz  zulassen.  Allerdings  müßte  auch  hier 
das  Prinzip  der  Billigkeit  aufgegeben  werden  und  nur  dio  Qua- 


188.  Musikinstrumente. 


587 


liiät  ausschlaggebend  sein.  —  Die  Materialpreise  bewegten  sich 
auf  mittlerer  Höhe  und  waren  besonders  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  mehrfachen  Schwankungen  ausgesetzt,  blieben  aber  durch- 
weg niedriger   als  im  Vorjahre. 

Das  einst  so  glänzende  Schaustellergewerbe  geht  immer  mehr 
zurück.  Die  große  Konkurrenz  der  gerade  in  den  breiten  Schichten 
des  Publikums  so  beliebten  Kino theater  hat  selbst  auf  dem  Lande 
die  Bedeutung  der  artistischen  Leistungen  enorm  herabgedrückt. 
Es  kommen  daher  die  Drehorgeln  von  Jahr  zu  Jahr  weniger  in 
Frage,  und  das  heute  noch  Drehorgeln  kaufende  Publikum  im 
Auslände  ist  meist  in  schlechten  Geld  Verhältnissen.  Ab  und  zu 
wierd^n  Di^ehorgeln  noch  nach  dem  Auslande  geliefert,  so  nach 
Südamerika  und  Mexiko,  doch;  hat  der  Export  in  diesem  Artikel 
im   letzten  Jahre   bedeutend  nachgelassen. 

Den  modernen  Kunstspielorchestrions  wendet  man  von  Jahr 
zu  Jahr  ein  größeres  Interesse  ,zn.  Es  werden  heute  speziell 
in  Berlin  diese  Kunstspielorchestrions  mit  Papiemoten  lierge- 
stellt,  die  selbst  die  weitgehendsten  Ansprüche,  welche  an  die 
mechanische  Wiedergabe  eines  Musikstückes  gestellt  werden 
können,  befriedigen  müssen.  Man  imitiert  heute  überraschend 
ähnlich  ganze  Militärkapellen,  wie  auch  die  zarteste  Streich- 
musik eines  Streichorchesters,  und  paßt  das  Aeußere  dieser 
Orchestrions  in  Stil  und  Ausschmückung  den  heute  geradezu 
blendend  eingerichteten  Räumen  ,an,  in  denen  derartige  Werke 
Aufstellung  finden.  Die  erzielten  Preise  waren  zufrieden- 
stellend und  zeigten  speziell  die  Abnehmer  im  Auslande,  daß 
auch  dort  die  bessere  Ware  gerne  gekauft  wird.  Der  Export  war 
recht  lebhaft,  besonders  Belgien,  Holland,  Oesterreich,  Schweden, 
Rußland  und  Südamerika  zeichneten  sidh  als  erstklassige  Ab- 
nehmer ians. 

Niach  wie  vor  sind  elektrische  Klaviere  ein  Zugmittel  ersten 
Ranges.  Es  waren  beträchtliche  Aufträge  zu  verzeichnen  und 
ihr  Export  war  noch  größer  als  im'  vorigen  Jahre. 

Das  Geschäft  wurde  den  einzelnen  Fabrikanten  dadurch 
manchmal  erschwert,  daß  von  einzelnen  Fabrikations  firmen  den 
Händlern  größere  Kommissionsläger  anvertraut  wurden,  wodurch 
das  in  Anspruch  genommene  Ziel  nur  noch  unnötig  verlängert 
wird.  Bei  dem  Wert  solcher  Instrumente  werden  durch  derartige 
Manipulationen  enorme  Kapitalien  festgelegt,  was  keineswegs  zum 
Aufbau  einer  gesunden  Zukunft  dienen  kann. 

Die  elektrischen  Klaviere,  besonders  die  mit  Begleitung  von 
Nebeninstrumenten,  wie  Zither,  Xylophon,  Violine  usw.  bilden 
auch  heute  den  wesentlichen  Fabrikationsartikel  der  miechanischen 
Musikbranche.  Bei  der  ständigen  Erweiterung  des  Exportes  sind 
die  Hoffnungen  auf  ein  weiteres  Bleiben  der  günstigen  Konjunktur 
für  das  neue  Geschäftsjahr  recht  gut. 


Drehorgeln 


Orchestrions. 


Elektrische 
Klaviere. 


588 


XV.    Verschiedene  Industiie-  und  Handelszweige. 


189.    Sp  r  ecliinascli  in  en. 

Die  politischen  Ereignisse  im  Südosten  Europas  haben  den 
Handel  in  allen  Luxusartikeln  und  so  auch  in  Musikinstrumenten 
und  Sprechapparaten  ungünstig  beeinflußt.  Die  wirtschaft- 
liche Depression,  die  sich  durch  die  unsichere  Lage  am  Balkan 
ider  gesamten  exportierenden  Industrie  mitteilte,  ließ  den  Um- 
satz in  den  genannten  Artikeln  im  Geschäftsjahre  1913  zurück- 
gehen. Die  deutsche  Industrie,  die  hauptsächlich  auf  den 
Export  nach  Uebersee  und  dem  übrigen  Ausland  angewiesen  ist, 
^var  deshalb  genötigt,  mit  Anspannung  aller  Kräfte  zu  arbeiten. 
Einige  bedeutende  Berliner  Fabriken  haben  sich  abermals  dem 
schon  seit  einigen  Jahren  bestehenden  Konzern  angeschlossen, 
und  zweifellos  bildet  diese  Kartellierung  eine  wirtschaftliche 
Stärkung  für  sämtliche  beteiligten  Firmen.  Die  soeben  beendigte 
Leipziger  Frühjahrsmesse  hat  zum  ersten  Male  seit  langer  Zeit 
wieder  einen  Aufsch^vung  gezeigt.  Es  ist  demnach  zu  hoffen, 
jdaß  die  Lage  der  Sprechmaschinenindustrie  sich  wieder  bessert 
oder  wenigstens  normal  wird. 

Der  Umsatz  in  Apparaten  und  Schallplatten  ist  erheblich 
gestiegen.  Nur  arbeiten  die  Fabriken  und  der  Zwischenhandel 
mit  ganz  minimalem  Nutzen.  Insbesondere  am  Schallplatten- 
markt ist  eine  ganz  gewaltige  Verschlechterung  zu  konstatieren, 
verursacht  durch  eine  ganz  unmotivierte  Preisreduktion,  die 
eine  der  bedeutendsten  Schallplattenfabriken  vorgenommen  hat. 
Eine  große  Anzahl  anderer  Fabriken  war  aus  Konkurrenz- 
igründen  genötigt,  ihr  Fabrikat  ebenfalls  zu  verbilligen,  und 
die  Folge  davon  ist  ein  Wettstreit,  der  den  ganzen  Handel 
schädlich  beeinflußt.  Auch'  die  Patentstreitigkeiten,  die  schon 
seit  Jahren  die  Sprechmaschinenindustrie  beunruhigen,  sind  nodh 
immer  nicht  ganz  entschieden.  Der  Großhandel  brauchte  dank 
einer  intensiven  Bearbeitung  des  Auslandes  und  einer  ver- 
nünftigen Beschränkung  der  Unkosten  durch  einen  wirtschaft- 
lichen Zusammenschluß  seine  Geschäftstätigkeit  nicht  ein- 
schränken. Die  gegenwärtige  Gestaltung  der  Lage  und  des 
Marktes  berechtigen  zur  Annahme,  daß  im  Jahre  1914  Umsatz- 
und  Gewinnquoten  auf  gleicher  Höhe  wie  bisher  bleiben,  oder 
sieh    wenigstens    nicht    verschlechtern    werden. 


Fabrikation. 


Rohgummi. 


190.   Gummiwaren. 

In  diesem  Jahre  ist  die  Geschäftslage  für  die  Gummifabriken 
(keine  günstige  gewesen  und  scheint  man  allgemein  auf  eine 
baldige  Besserung  nicht  allzu  fest  zu  hoffen. 

Der  Itoh gummimarkt  zeigte  in  die.sem  Jahre  ein  ganz  un- 
gewöhnliches Aussehen.  Die  Preise  waren  bis  zum  April  ziem- 
lich fest  und  stabil,  nachdem  si<ih  aber  herausstellte,  daß  die 
Plantagenprodnktion  ganz  gewaltige  Quantitäten  schon  in  diesem 


190.    Gummiwar en. 


589 


iJahre  zur  Ablieferung  brachte,  wichen  die  Preise  rapide,  imd 
im  September  trat  geradezu  eine  Panik  ein,  so  daß  einige  vSorten 
unverkäuflich  waren.  Für  unsere  Kolonien,  speziell  für  Kamerun 
und  Ostafrika,  dürfte  die  Krisis  auch  die  bösesten  Folgen  haben, 
denn  die  erzielten  Marktpreise  deckten  bei  weitem  nicht  die  Un- 
kosten für  das  Sammeln  auf  den  Plantagen,  und  die  erzielten 
Preise  für  Wildkautschuk  sind  so  gering,  daß  zu  befürchten 
steht-  daß  Wildkautschuk  von  Afrika  kaum  noch,  oder  in  ganz 
geringen  Mengen  später  an  den  Markt  gebracht  werden  wird,  da 
die  Sanime]-  und  Transportspesen  für  die  weit  von  der  Küste 
gelegenen  Gebiete  so  hoch  sind,  daß  sich  das  Sammeln  gar  nicht 
mehr  lohnt.  Ob  sich  diese  Verhältnisse  ändern  werden,  ist  schwer 
zn  sagen.  Das  einzige  Mittel,  um  wieder  lohnendere  Preise  für 
den  Pflanzer  zu  erzielen,  dürfte  eine  allgemeine  Eioschränkuug 
der  Produktion  sein.  —  Die  brasilianischen  Parapreise  hielten 
sich  verhältnismäßig  wesentlich  besser,  und  während  im  Oktober 
feinster  Pflanzungsgummi,  reiner  ,, Hevea",  mit  ca.  2  sh  bezahlt 
wurde,  mußte  man  für  die  Standardmarke  „Fine  Para  Hard  Cure** 
3/6  sh  anlegen.  Man  nimmt  aber  an,  daß  Para  auf  die  Dauer  auch 
diesen  hohen  Preis  nicht  aufrechthalten  wird  und  mehr  den  No- 
tierungen der  Pflanzungsgummis   folgen  dürfte. 

Die  beständige  Erhöhung  der  Selbstkosten  aller  übrigen  für 
die  Gummifabrikation  nötigen  Materialien,  wie  leinene  und 
baumwollene  Gewebe,  Chemikalien,  Benzin,  ferner  die  bedeutende 
Verteuerung  der  Kohlen,  die  andauernd  steigenden  Arbeitslöhne 
und  Betriebskosten  ließen  eine  gedeihliche  Entwicklung  nicht  zu. 

Wie  zu  erwarten,  sind  die  Unisätze  gegen  die  früheren  Jahre 
znrückgeblieben,  zumal  infolge  des  regenreichen  Sommers  der 
Absatz  von  Gartenschläuchen  gering  war.  Ebenso  nachteilig  wirk- 
ten die  ungünstigen  Verhältnisse  in  der  Brau-,  Maschinen-  und 
Papierindustrie  auf  die  Branche. 

Die  Erschwerung  der  Ausfuhr  nach  Italien,  Frankreich,  Ruß- 
land, Spanien  durch  allzu  hohe  Zölle  besteht  nach  wie  vor.  Spe- 
ziell ist  der  Verkehr  nach  Frankreich  durch'  die  schikanöse  Zoll- 
behandlung gerade  für  chirurgische  Artikel  lahmgelegt.  Die  Maß- 
nahme der  französischen  Zollbehörde,  daß  alle  deutschen  Artikel 
die  Inschrift  „Importe  d'Allemagne"  tragen  müssen,  wirkt  sehr 
störend.  Wie  zielbewußt  die  Bemühungen  gewisser  Kreise  auf  den 
Ausschluß  deutscher  Waren  gerichtet  sind,  ist  aus  dem  Um- 
stand zu  ersehen,  daß  ein  Gesetz  in  Vorbereitung  ist,  welches 
die  deutschen  Sauger  als  angeblich  gesundheitsschädlich  von  der 
Einfuhr  ausschließen  will.  —  Ganz  besondere  Vorsicht  erheischte 
die  Abwicklung  der  Geschäfte  nach  dem  Orient  und  Balkan, 
unter  dem  Einfluß  des  Krieges  und  der  noch  bestehenden  Wirren 
gingeri  dieselben  stark  zurück.  Die  Unruhen  ia  Mexiko,  die  Krisis 
in  mehreren  südamerikanischen  Staaten  erschwerten  das  Geschäft 


Andere 
Materialien. 


Umsätze. 


Export. 


590 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handel szweiore. 


Einzelne 
Artikel. 


auch  dahin  ganz  außergewöhnlich  und  braditen  nicht  unbedeuteade 
Verluste. 
Nutzen.  Fußeud  aui  die  •weichenden  Bohgummip reise  verlangten  die 

Abnehmer  eine  entsprechende  Herabsetzung  der  Verkaufspreise, 
die  sieh  dann  allerdings  nicht  immer  mit  den  Herstellungs- 
kosten in  Einklang  bringen  ließen,  dazu  kommt  noch  eine  lebhafte 
Konkurrenz,  wodurch  bei  sehr  vielen  Artikeln  der  Preis  der- 
artig herabgesetzt  wurde,  daß  von  einem  nennenswerten  Nutzen 
nicht  mehr  die  Eede  sein  konnte.  Die  Preisherabsetzungen  der 
Autopneu-Industrie,  besonders  durch  eine  französische  Firma  ver- 
anlaßt, wirkten  geradezu  vernichtend  auf  den  ganzen  Markt,  und 
ist  es  gar  nicbt  abzusehen,  wohin  dieser  uferlose  Konkurrenz- 
kampf noch  fuhren  wird,  zumal  das  ginze  Autoreifengeschäft 
schon  vorher  sich  äußerst  schwierig  und  verlustbringend  gestaltet 
hatte. 

Die  anhaltend  ungünstigen  Geldmarktverhältnisse  wirken 
nach  wie  vor  nachteilig  und  die  Aussichten  für  das  nächste  Jahr 
erscheinen  nicht   allzu  günstig. 

Es  liegt  nahe,  daß  infolge  der  niedrigen  Preise  einige  Artikel 
besonders  lebhaft  gekauft  werden  konnten,  so  haben  z.  B.  Gummi- 
schwämme viel  Absatzmöglichkeit  gehabt,  außerdem  hat  dieser 
Artikel  durch  die  gute  Ausstattung  noch  mancherlei  Neu- 
belebung erfahren.  Einen  steigenden  Umsatz  fanden  Gummi- 
gebläse,  welche  nicht  nur  in  der  altbekannten  Ausführung  aus 
schwarzem  Patentgummi  mit  Druckball  und  Windball  gearbeitet 
werden,  sondern  auch  aus  rotem  Kautschuk  mit  ovalem,  hand- 
lichen Druekball  oder  ohne  Windball.  Dieser  Artikel  hat  jetzt 
einen  Aufschwung  genommen  durch  die  günstige  Aufnahme  der 
Inhalatoren  (Vernebelungszerstäuber  aus  Glas),  welche  zu  ihrem 
Betrieb  Gebläse  erfordern. 

Wie  die  Glasindustrie  in  den  Thermosflaschen,  so  hat  die 
Gummiindustrie  in  den  Wärmedauerkompressen  einen  großen  Er- 
folg gehabt.  Diese  Kompressen  werden  aus  bestem  Dauergummi 
hergestellt  und  sind  mit  essigsaurem  Natronsalz  gefüllt.  Nach 
einigen  Minuten  Kochzeit  speichern  sie  die  Wärme  infolge  der 
chemischen  Wirkung  des  genannten  Salzes  auf  viele  Stunden  auf. 
Altgummi.  Das    Geschäft    in    Altgummi-Abfällen    litt    im    verflossenen 

Geschäftsjahr  sehr  unter  dem  immer  billiger  werdenden  Roh- 
gummi.  Während  zu  Anfang  des  Jahres  noch  ziemlich  lohnende 
Geschäfte  getätigt  werden  konnten,  flauten  diese  gegen  den 
Sommer  ganz  ab,  und  der  Herbst  brachte  einen  vollständigen 
Niedergang  in  allen  Sorten  Abfällen  bei  großen  Preisrückgängen, 
so  daß  die  Händler,  die  große  Läger  unterhalten,  erhebliche 
Verluste  erleiden  mußten.  So  sind  z.  B.  alte  Autodecken  um 
über  die  Hälfte  im  Preise  zurückgegangen,  desgleichen  alle 
besseren  Sorten,  als  Luftschläuche,  schwimmende  Abfälle  usw. 
Der    Artikel    Gummi    mit    Einlage    ist    ganz    unverkäuflich   ge^ 


191.    Asbest. 


591 


woi'deii,  und  dunkler  Gummi  war  nur  schwer  placierbar,  während 
sieh  heller  Gummi  noch  verhältnismäßig  gut  hielt.  —  Alte 
Galoschen,  für  die  als  Abnehmer  hauptsächlich  Amerika  In  Frage 
kommt,  sind  ebenfalls  im  Preise  stark  gewichen  und  waren, 
da  Amerika  nicht  im  Markte  war,  schwer  verkäuflich.  —  Die 
Aussichten  für  das  kommende  Jahr  sind  wegen  des  immer  reich- 
licher herankommenden  und  daher  stark  auf  die  Preise  drücken- 
Plantagengummis  —  sehr  trübe. 


den  Bohgummis 


191.    Asbest. 


Die  Asbestgruben  hatten  in  diesem  Jahre  sehr  unter 
schwierigen  Lohnverhältnissen  und  Arbeitermangel  zu  leiden. 
Vielfach  machte  sich  auch  Mangel  an  elektrischer  Kraft  be- 
merkbar, der  auf  die  Trockenheit  bzw.  den  daraus  für  die  Wasser- 
kraftanlagen entstandenen  Wassermangel  zurückzuführen  ist. 
Weitere  Lohnerhöhungen  wurden  notwendig  und  der  Verdienst 
eines  gew^öhnlichen  Grubenarbeiters  stellt  sich  heute  auf  2  Dollar 
für  die  Tagesarbeit  von  zehn  Stunden.  Die  Nachfrage  nach  sämt- 
lichen Asbestsorten  war  andauernd  lebhaft,  und  dieser  Umstand 
zusammen  mit  oben  geschilderten  schwierigen  Produktions- 
hedingungen  haben  eine  Preiserhöhung  auf  der  ganzen  Linie 
zur  Folge  gehabt. 

Die  Produktion  von  Grude-Asbest  I  hielt  sich  unverändert 
auf  dem  relativ  geringen  bisherigen  Jahresquantum,  wogegen  die 
Verwendungsmöglichkeiten  dieses  Materials  immer  größer  werden. 
Der   Preis   hierfür   ist   erheblich  gestiegen. 

Auch  in  Grude-Asbest  II  hielt  sich  die  Produktion  unge- 
fähr auf  der  früheren  Höhe,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  eine 
früher  sehr  crudeergiebige  Grube  infolge  spezieller  Bodenver- 
hältnisse in  ihrer  Produktion  ganz  erheblich  zurückgeblieben 
ist,  wogegen  die  eine  oder  andere  Grube  dieselbe  etwas  erhöhen 
konnte. 

Die  Notierungen  für  Asbest  wurden  durch  das  Bestehen 
des  Deutschen  Asbest-Syndikates  in  angemessenem  B-ahmen  ge- 
halten, wenngleich  der  Markt  durch  die  Outsider-Fabriken  mehr 
oder  weniger  beunruhigt  wurde.  Durch  die  nicht  unerheblichen 
Preissteigerungen  auf  dem  Bohasbestmarkte  wurde  das  Deutsche 
Asbest-Syndikat  veranlaßt,  die  Preise  für  einige  Artikel  im 
Herbste  zu  erhöhen. 

Lange  kanadische  Asbestfasern  sind  durchschnittlich  im 
Jahre  1913  auf  demselben  Preisniveau  geblieben,  notieren  aber 
für  1914  Lieferung  schon  jetzt  infolge  der  allgemeinen  Markte 
läge  wesentlich  höher.  Dasselbe  gilt  für  Pappenfaser,  die  wäh- 
Irend  1913  auf  ihrem  bisherigen  Preisniveau  geblieben  ist,  jedoch 
per  1914  Lieferung  eine  erhebliche  Preissteigerung  erfahren  hat. 

Auch  die  russischen  Gruben  hatten  dieses  Jahr  außerordent- 
lich  unter  Arbeitermangel  zu  leiden,   eine  Erscheinung,  die  sich 


Fabrikation« 

Kanadische 
Rohasbeste. 


Kanadischer 
Crude-Asbest  I. 


Kanadischer 
Crude-Asbestll 


Preise. 


Kanadische 
Fasern. 


Russische 
Rohasbeste. 


592  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

früher  nie  so  sehr  bemerkbar  machte.  Dieser  Umstand  und  die 
noch  zu  überwindenden  Nachwehen  der  im  vorigen  Jahre  herr- 
schenden Typhusepidemie  wirkten  lähmend  auf  die  Produktion. 
Die  Gruben  sind  daher  alle  beschäftigt,  ihre  maschinellen  Ein- 
richtungen wesentlich  zu  verbessern,  um  weiteren  Produktions^ 
Schwierigkeiten  durch  maschinelle  Abhilfe  entgegenzutreten.  Die 
Nachfrage  war  außerordentlich  lebhaft  und  die  gesamte  Pro- 
duktion fand  schlanken  Absatz,  während  die  Lieferungen  in- 
folge der  oben  erwähnten  Schwierigkeiten  nicht  so  prompt  er- 
folgen konnten,  und  dadurch  größere  Rückstände  auf  Kontrakte 
von  diesjährigen  Kontrakten  auf  1914  hinübergenommen  werden 
müssen. 

192.  Elfenbeinhandel  und  -Verarbeitung. 
Die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  erhoben  seit  Oktober 
dieses  Jahres  auf  Elfenbein-B/ohmaterial,  welches  seither  zoll- 
frei eingeführt  werden  konnte,  20  %  Zoll.  Die  Folge  davon  war, 
daß  die  amerikanische  Industrie  einen  großen  Teil  der  reich- 
lichen Zufuhren  dem  Markt  entzog,  indem  sie  noch  vor  Inkraft- 
treten des  neuen  Zolltarifs  alles  aufkaufte,  was  irgend  zu  er- 
halten war.  Die  dadurch  entstandene  Hausse  führte  eine  Ver- 
teuerung des  Materials,  je  nach  der  Qualität  bis  weit  über  25<>/o 
herbei.  Obgleich  Amerika  in  den  letzten  Auktionen  Oktober- 
November  mit  dem  Einkauf  sehr  zurückhaltend  war,  und  trotz- 
dem ca.  220  000  kg  zum  Verkauf  angeboten  wurden,  hat  das 
westafrikanische  Bein  nur  1 — IV2  Fr.  per  Kilogramm  im  Preise 
nachgelassen,  während  von  dem  'ostafrikanischen  Bein  eigent- 
lich nui'  die  größeren  Zähne  einen  wesentlichen  Preisrückgang 
zu  verzeichnen  hatten.  Der  verhältnismäßig  nur  geringe  Rück- 
gang der  Preise  dürfte  darauf  zurückzuführen  sein,  daß  von 
bestimmter  Seite  zu  Spekulationszwecken  ein  großer  Teil  auf- 
gekauft worden  ist.  Die  enorme  Preissteigerung  des  Rohmaterials 
kam  für  den  deutschen  Markt  zur  ungelegensten  Zeit,  da  die 
Klaviaturbranche  wenig  beschäftigt  ist  und  die  Verteuerung 
der  Ware  natürlich  nicht  zur  Belebung  des  ganzen  Greschäftes 
beigetragen  hat.  Der  Rückgang  der  Preise,  der  nur  bei  einigen 
Qualitäten  eine  Erleichterung  bildet,  kann  auf  die  Fabrikations- 
ware keinen  Einfluß  ausüben,  da  die  Verkaufspreise  mit  den 
Preisen  des  Rohmaterials  nicht  Schritt  gehalten  haben,  und  sich 
noch  immer  in  zu  niedrigen  G'renzen  halten.  —  Den  Einfuhr- 
zoll auf  fertig  geschnittene  Klaviaturplatten  haben  die  Ver- 
einigten  Staaten  von  45  0/0    auf  35  0/0   herabgesetzt. 

193.   Knopffabrikation. 
Perlmutter-  Die  allgemein  ungünstige  Geschäftslage  während  dieses  Be^ 

fab^kJüon.        richtsjahres  wirkte   auch  hemmend  auf  die  Knopf  Industrie  und 
dürfte   im   Vergleich   zu   den   früheren  Jahren  manchem  Knopf- 


193.  Kiiopffabrikation.  593 

industriellen  eine  Enttäuschung  gebracht  haben.  Der  ungewöhn-. 
lieh  große  Bedarf  an  Knöpfen,  in  den  früheren  Jahren,  und  zwar 
speziell  an  solchen  aus  der  Kunstmasse  Galalith,  brachte  einen, 
großen  Zuwachs  an  Kniopferzeugern,  welche  nun,  da  der  Bedarf 
an  Knöpfen  nicht  mehr  so  groß  war,  ihre  Fabrikate  zu  billigen 
Preisen  an  den  Majm  bringen  mußten.  Während  früher  sich 
nur  'Perlmutterknopffabrikanten  mit  der  Herstellung  aus  der 
Kunsthornmasse  beschäftigten,  neben  der  Perlmutterfabrikatiön 
diese  Knöpfe  in  gleicher  Weise  herstellten  und  einen  ziemlich 
hohen  Preis  erzielten,  befassen  sich  jetzt  viele  andere  Betriebe 
mit  der  Fabrikation  der  Knöpfe  auf  maschinellem  Wege  itmd 
brachten  so  eine  derartig©  Ueberproduktion  hervor,  daß  Ver- 
dienst abwerfende  Preise  kaum  noch  zu  erzielen  waren.  Die 
ungünstige  Konjunktur  in  der  Bekleidungsbranche,  für  deren 
Zwecke  ja  hauptsächlich  die  Knopffabrikation  beschäftigt  ist, 
brachte  wenig  Nachfrage  und  so  mußten  die  überfüllten  Läger 
zu  jedem  Preise  verkauft  werden.  Was  von  der  Kunsthornmasse 
gesagt  ist,  gilt  in  noch  höherem  Maße  von  der  Perlmutter-, 
fabrikation,  welche  schon  seit  Jahren  darunter  leidet,  daß  für 
den  Hauptbedarf  Perlmutterknöpfe  nicht  angewandt  werden,  und 
nur  noch  höchstens  in  Verbindung  mit  anderen  Materialien  einige 
Verwendung  finden. 

Wenn  auch  das  Rohmaterial  gegenüber  den  früheren  Berichts- 
jahren im  Preise  heruntergegangen  ist,  so  ist  imtner  noch'  der 
hieraus  anzufertigende  Artikel  viel  zu  teuer,  um  die  Konkurrenz 
mit  den  anderen  Kunstmassenartikeln  aufzunehinen.  Infolgedessen 
ist  auch  der  Mangel  an  Arbeitskräften,  der  sich'  in  den  früheren 
Jahren  so  sehr  bemerkbar  machte,  geschwunden,  und  die  Zahl 
der  Arbeitslosen  der  Ejiopfbranche  nimmt  jetzt  überhand.  — 
Das  letzte  Viertel  des  Berichtsjahres  war  insofern  ungünstig, 
als  die  vielfarbigen  Stoffe,  welche  die  neue  Mode  hervorbringt, 
dem  Knopfgrossisten  wie  dem  Konsumenten  jedes  Disponieren 
unmöglich  machte:  besonders  litt  die  Perlmutterknopfbranche 
darunter,  da  farbige  Perlmutterartikel  nur  unter  Schwierigkeiten 
herzustellen  sind.  ' 

Auch  im  Jahre  1913  wurden  in  Manschettenknöpfen  speziell  Manschetten- 
bessere Genres  verlangt;  die  Berliaer  Fabrikation  ist  auf  diese  fabrStion, 
eingerichtet,  da  in  den  Stapelartikeln  in  Kragen-  und  Manschetten- 
knöpfen speziell  süddeutsche  und  böhmische  Ware,  der  außer- 
ordentlich billigen  Preise  wegen  bevorzugt  wird.  Die  bilUgen,' 
Stapelsachen  fallen  also  für  Berlin  Vollständig  fort.  Der  allge- 
meine Gneschäftsgang  in  dieser  Branche  war  nicht  sehr  zufrieden- 
stellend, was  aber  auf  die  allgemeinen  Verhältnisse  zurückzu- 
führen ist.  In  Deutschland  war  ja  die  gedrückte  Stimmung  in 
allen  Branchen  zu  fühlen  und  hat  sich  dies  selbstverstänidJifch 
auch  in  der  Kjiopfbranche  bemerkbar  gemacht.  —  Das  Exporte 

Berl.  Jahrb.  f.  Handel  u.  Ind.    1913.    II.  38 


594 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 


Einzelne 
Artikel. 


gescLäft  schien  sich  im  Anfang  dos  Jahres  durch  große  süd- 
amerikanische Orders  zu  beleben.  Dieses  Geschäft  wurde  jedoch 
später  gelähmt,  und  zwar  verursachten  dies  in  Mexiko  die  AVirren 
und  in  Brasilien  und  Argentinien  die  ungünstigen  politischen 
Verhältnisse  und  die  damit  verknüpften  pekuniären  Kalamitäten. 
In  der  Ausführung  von  Orders  nach  Rußland  mußte  maii 
Zurückhaltung  bewahren,  da  auch  dort  die  pekuniäre  Lage  nicht 
die  günstigste  war ;  das  Geschäft  nach  dem  Balkan  dagegen  wurde 
von  vornherein  durch  den  Kriegszustand  unterbunden.  Auch  in 
Berlin  machte  sich  in  letzetr  Zeit  die  ausländische  Konkurrenz 
stärker  als  früher  bemerkbar,  und  die  Aussichten  der  Branche 
sind  durch  die  stets  wachsende  Konkurrenz  im  In-  und  Auslande 
leider  nicht  die  allergünstigsten. 

194.   Luxus-,    Galanteriei  und   Kurzwaren. 

Im  Berichtsjahre  herrschte  im  Luxus-  und  Galanteriewaren- 
Detailhandel  dieselbe  starke  Depression,  die  sich  im  allgemeinen 
Detailhandel  fühlbar  gemacht  hat  und  die  wohl  in  der  Hauptsache 
auf  die  derzeitige  politische  Unsicherheit  zurückzuführen  war. 
Der  Umstand,  daß  Kunst-  und  Galanteriewaren  bei  Geldmangel 
zuerst  entbehrlich  sind,  hat  außerdem  noch  wesentlich  dazu  bei- 
getragen, den  Geschäftsgang  in  dieser  Branche  ungünstig  zu  be- 
einflussen. Xur  wenigen  Detailgeschäften  dürfte  es  beschieden 
gewesen  sein,  durch  besonders  große  Aufwendung  für  Reklame 
den  vorjährigen  Umsatz  zu  erreichen:  Anfang  September  1913 
machte  sich  eine  etwas  größere  Kauflust  für  Kunst-  und  Galan- 
teriewaren fühlbar,  und  da  diese  auch  weiter  besteht,  darf  an- 
genommen werden,  daß  die  Lage  sich  nun  zu  bessern  beginnt.  — 

Der  Umsatz  in  Portemonnaies  und  Damentaschen  ist  im  .Be- 
richtsjahre ständig  zufriedenstellend  gewesen,  da  diese  Waren  zum 
großen  Teil  Bedarfsartikel  und  beim  Mittelstande  und  in  höheren 
Kreisen  schwer  entbehrlich  sind.  Der  Umsatz  in  Koffern  und 
einschlägigen  Artikeln  ist  gegen  das  Vorjahr  nicht  geriager  ge- 
worden, obwohl  die  ungünstige  Witterung  zur  Reisezeit  den  Absatz 
dieser  Waren  sehr  erschwerte;  außerdem  machen  sich  für  diesen 
Artikel  die  Preiserhöhungen  infolge  Steigerung  der  Rohleder- 
preise und  der  Arbeitslöhne  nachteilig  geltend.  Dagegen  sind 
alle  anderen  Lederwaren  und  einschlägigen  Artikel  im  Umsatz 
zurückgeblieben.  In  Photographiealben,  diesem  ehemals  so  absatz- 
fähigen Artikel,  war  im  Berichtsjahre  ebenso  wie  in  den  vor- 
hergehenden Jahren  eine  erneut©  starke  Rückwärts bewegung  fest- 
zustellen. —  In  Bijouterie-  und  Silberwaren  sind  die  vorjährigen 
Umsätze  teilweise  erzielt  oder  um  ein  geringes  überschritten 
Ni^orden,  dagegen  ist  der  Umsatz  in  Luxus-Geräten  aus  Silber  und 
Versilbertem  Metall,  Rein-Nickel  und  vernickelten  Waren  sowie  in 
Messingwaren  gegen  das  Vorjahr  zurückgeblieben.  Den  größten 
Rückgang   haben   Kunstgegenstände   in   Bronze,    Marmor,    Elfen- 


195.    Photo  graphische  Bedarfsartikel. 


595 


Fächer- 
fabrikation. 


heiii  usw.  zu  verzeichnen.  Kunstgewerbliche  Gegenstände,  die 
jzum  Teil  dem  Gebrauche  dienen,  wie  Schreibzeuge,  Schalen,  Asch- 
becher usw.  haben  im  Umsatz  das  Vorjahr  erreicht. 

•Die  nach  so   undurchsichtigen   Verhältnisse   des  neuen  Zoll-  Export 

tarifs  in  Amerika  h'aben  bisher  daö  amerikanische  G^sdhäft 
noch  nicht  zu  beleben  vermocht,  doch  wäre  es  immerhin  möglich, 
daß,  wenn  erst  einmal  die  billigeren  Tarife  erprobt  sind,  ein 
Llulschwung  in  absehbarer  Zeit  bevorstände.  Die  Länder,  die 
•ponst  für  die  Artikel  der  Galanteriewaren-Branche  in  Betracht 
kommen  wie  Rußland,  Holland,  Oester reich',  Belgien,  Sdhweiz 
waren  mehr  oder  weniger  auch  in  der  Konjunktur  rückgängig, 
besonders  die  Schweiz,  die  ja  vom  Fremdenverkehr  abhängig  ist 
und  die  infolge  der  sdilechten  Zeiten  eine  stark  vermindert© 
Frequenz  aufzuweisen  hatte.  Rußland  und  Holland  schienen  am 
gei'ingsten  von  der  mißlichen  Lage  in  Mitleidenschaft  gezogen  zu 
•sein.  Ob  das  Jahr  1914  eine  Besserung  der  Verhältnisse  bringen 
wird,  ist  zwar  sehr  fraglich,  und  hängt  vor  allem  von  den  Geld- 
verhältnissen ab;  sollte  die  Reichsbank  den  Diskont  weiter  herab- 
setzen, so  ist  eine  Belebung  des  Geschäftes  zu  erhoffen. 

Die  Gesamtlage  der  Fächerfabrikation  war  ungünstig.  Die 
-^lode  begünstigte  im  Jahre  1913  diesen  Artikel  nicht.  Von 
allen  Arten  Fächern  war  noch  der  aus  Zelluloid  hergestellte 
Fächer  am  stärksten  vom  In-  und  Auslande  gefragt.  Berlin,  wo 
diese  Fächer  in  großer  Vollkommenheit  hergestellt  werden, 
muß  als  Hauptbezugsort  bezeichnet  werden.  In  Reklame- 
fächiern  sind  zwar  Umsätze  erzielt  worden,  die  aber  keineswegs 
■die  Ausfälle  deeken  können,  welche  durch  den  Minderabsatz  der 
Seiden-  oder  Straußfederfädher  zu  beklagen  waren.  Für  die  Zu- 
kunft scheint  ja  die  Nachfrage  besserer  Qualitäten  in  Aussicht  zu 
stehen,  was  für  die  augenblicklich  schwach  beschäftigte  Industria 
^u  wünschen  wäre. 

195.   Photographische  Bedarfsartikel. 

Wie  die  meisten  Geschäftszweige,  so  hat  in  1913  auch  die  Geschäftsgang 
3)hlotographi&che  Branche  empfindlich  unter  der  schlechten  poli- 
tischen und  finanziellen  Lage  gelitten,  insbesondere  waren  die 
letzten  vier  Monate  des  Jahres  sehr  ungünstig,  so  daß  man  von 
vielen  Seiten  horte,  man  hätte  noch  niemals  so  s'chlechte  Zeiten 
gehabt.  Daß  die  stetig  wachsenden  sozialen  Lasten  und  die  letzten 
.Steuern  hierbei  gleichfalls  eine  Rolle  spielen,  braucht  nicht  ge- 
sagt zu  werden.  —  Der  neue  amerikanische  Zolltarif  scheint  für 
j)hotographische  Bedarfsartikel  ziemlich  günstige  Aussichten  zu 
bieten;  dia  Folgen  wird  man  aber  erst  Ende  1914  übersieh^n 
können.  —  Die  Monopolstellung  der  Eastman  Kodak  Gesellschaft 
ist  durch  ein  gerichtliches  Urteil  stark  erschüttert  worden.  Sie 
verlor  einen  Patentstreit,  von  grundlegender  Bedeutung  und  wurde 
.zum  Herauszahlen  des  vergangenen  und  zukünftigen  Verdienstes 

38* 


596 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 


Kinemato- 
graphie. 


Innung. 


Bedarfsartikel 

für  die 

Amateur- 

Photographie. 


verurteilt,  den  Fachleute  auf  25  Mill.  $  schätzen.   Jetzt  schWebt 
die  Sache  vor  dem  höchsten  amerikanischen  Gerichtshof. 

In  der  Kinematographie,  welche  in  der  photographisdhen 
Branche  eine  so  große  Rolle  spielt,  ist  ia  der  letzten  Zeit  gleich- 
falls ein  Rückschlag  in  den  Einnahmen  eingetreten,  teils  weil 
die  Unkosten  für  Einrichtungen,  Ausstattung  der  Theaterräume, 
Steuera  usw»  immer  mehr  wachsen,  teils  wegen  einer  gewissen, 
'Eonomüdigkeit,  weil  man  dem  Publikum  immer  wieder  die  alten 
Sujet®  bietet. 

Die  Fachlphotographen  haben  sich,  um  ihre  materielle  Lage 
zu  bessern,  zu  Innungen  zusammengeschlossen.  Ob  diese  Abhilfe 
schaffen  werden,  muß  die  Zukunft  lehren.  In  Fachkreisen 
zweifelt  man  daran,  denn  die  schlechte  Lage  der  Fachphotographen 
ist  darin  begründet,  daß  sie  mittelmäßige  Arbeit  für  hohen  Preis, 
die  AVarenhäuser  u.  ä..  bessere  Arbeit  zu  einem  billigeren  Preise 
liefern.  Wirklich  tüchtige,  technisch  und  künstleriseh  ausgebildete 
Fach^hotographen  können  über  schlechten  Geschäftsgang  nicht 
klagen. 

Da  Deutschland  im  Jahre  1917  seine  Handelsverträge  er- 
neuern muß  und  die  photo graphische  Industrie  zum  größten  Teil 
auf  Export  angewiesen  ist,  so  wird  es  der  deutschen  Regierung 
hoffentlich  gelingen,  durch  Herabsetzung  ihrer  Zollsätze  andere 
Lande;:  zu  zwingen,  dasselbe  zu  tun.  Jetzt  sind  viele  Länder 
der  phötographischen  Industrie  durch  Hochschutzzölle  so  gut  wie 
verschlossen.  Die  deutsche  ph'otographische  Industrie  ist  so  stark 
und  technisch  so  auf  der  Höhe,  daß  ihr  von  der  Zollf|reiheit 
keine  Gefahr  drohen  würde. 

Bedarfsartikel  für  die  Amateur-Photographie  haben  einen 
sicheren  Kundenkreis  gefunden,  der  sich  aus  der  wohlhabenden 
Gesellschaftsklasse  zusammensetzt,  so  daß  die  Spezialhändler  heute 
schon  mit  einem  stiändig'eli,  zahlungsf  äMgen  Abnehmerkreis  rechnen 
können.  Wenn  auch  die  Umsätze  früherer  Jahre  nicht  mehr  er- 
reicht werden  können,  so  ist  ein  fester,  wenn  auch  kleiner  Stamm 
von  Kunden  für  den  Händler  gleichwie  für  den  Fabrikanten  an- 
genehm. Mehr  und  mehr  gewöhnt  sich  der  deutsche  Händler  photo- 
graphischer Artikel  daran,  seine  Bezugsquellen  je  nach  der  Art 
der  Ware  zu  trennen,  d.  h.  Apparate,  Platten,  Papiere,  Chemika- 
lien und  sonstige  Bedarfsartikel  von  je  einem  anderen  Fabri- 
kanten zu  beziehen,  eine  Gewohnheit,  die  eine  Berechtigung  hat, 
denn  ohne  Zweifel  erhält  der  Händler  beim  direkten  Bezug  vom 
Spezialfabrikanten  immer  die  frischere  Ware.  Durch  diese  Ge^ 
pflogen heit  dürfte  wohl  der  Grossist  mit  der  Zeit  ausgeschaltet 
werden;  die  Fabrikanten  brauchen  keine  Waren  mitzuführen,  die 
sie  nicht  selbst  herstellen  und  können  sich  somit  mit  gesammelten 
Kräften  ihrem  Spezialartikel  widmen. 

Die  Nachfrage  nach  besseren  Artikeln  seitens  der  Versand- 
geschäfte und  Warenhäuser  läßt  noch  zu  wünschen  übrig,  was 


196.    rilmbranche. 


597 


im  Interesse  einer  gesunden  Industrie  bedauerlich  ist.  Der 
Spezialhändler  wird  häufig  wider  seinen  AVillen  gezwungen, 
billigere  Qualitäten  mitzuführen,  um  mit  dem  Warenhaus  einiger- 
maßen  konkurrieren   zu  können. 

Einen  wunden  Punkt  bedeutet  in  dem  photographischen 
Geschäft  auch  das  wenig  freundschaftliche  Verhältnis  einer 
Händlergruppe  zu  den  Fabrikanten.  Auf  das  Konto  dieser 
Verhältnisse  ist  auch  der  Import  von  ausländischen  Artikeln 
zurückzuführen.  Hohe  Materialienpreise  und  gesteigerte  Löhne 
bildeten  auch  im  vergangenen  Jahre  ein  Zeichen  der  Zeit. 
'Pur  den  kleinen  und  mittleren  Pabrikanten  sind  die  gesetz- 
lichen Maßnahmen  für  die  soziale  Pürsorge  manchmal  eine 
sehr  empfindliche  Belastung  seines  Unkostenkiontos.  Trotzdem' 
sind  für  die  sogenannten  Massenartikel  immerfort  fallende  Ver- 
kaufspreise zu  registrieren,  einerseits  eine  Polge  der  Praktiken 
der  Warenhäuser,  andererseits  der  herrschenden  Ueberproduktion. 

Das  Exportgeschäft  war  nicht  so  lebhaft,  Wie  früher.  —  In 
Konsequenz  unserer  Zollpolitik  hat  sich  das  Ausland  auf  unsere, 
immerhin  schwierigere  Pabrikation  audh  schon  eingerichtet,  und 
der  Absatz  namentlich  nach  dem  europäischen  Ausland  wird  immer 
schwerer;  in  manchen  Artikeln  ist  er  schon  ganz  unmöglich,  in 
anderen  ist  er  nur  durch'  ganz  billige  Preise  zu  erzielen.  —  Bessere 
Aussichten  bietet  nunmehr  endlich  Nordamerika  mit  seinen  er- 
mäßigten Einfuhrzöllen.  —  Die  politischen  Wirren  im  Orient 
lasten  immer  noch  wie  ein  schwerer  Druck  auf  dem  Geschäft.  — 

In  den  im  vorjährigen  Berichte  geschilderten  Verhältnissen 
hat  sich  nichts  geändert.  Der  Absatz  in  Trockenplatten  hat  zwar 
eine  kleine  Steigerung  erfahren;  er  könnte  jedoch  noch  bedeutend 
höher  sein,  wenn  die  Bevorzugung  der  ausländischen,  insbesondere 
der  englischen  Trockenplattenfabrikate  in  Deutschland  zu  be- 
seitigen wäre.  Der  Grund  dieser  Bevorzugung  von  ausländischen 
Pabrikaten  ist  keineswegs  in  der  Qualität,  audhJ  nidht  in  den 
Preisen  zu  suchen,  sondern  lediglich  die  Vorliebe  für  alles  Aus- 
ländische, welche  dem  Deutschen  im  Blute  liegt,  ist  hier  als 
einzige  Ursache  zu  betrachten.  Ein  Schutz  hierfür  könnte  nur 
durch  einen  erhöhten  Einfuhrzoll  geschaffen  werden.  Bei  den  in 
nächster  Zeit  beginnenden  .Verhandlungen  über  den  Abschluß 
der  neuen  Handelsverträge  sollte  deshalb  der  großem  Schwierig- 
keiten unserer  Trockenplattenindustrie  auf  dem  eigenen  heimat- 
lichen Markte  gedacht  werden.  Die  Kreditverh'ältnisse  liegen 
insbesondere  bei  der  Pachphotographen-Kundsch'aft  nach'  wie 
vor  wenig  günstig,  und  es  ist  auf  eine  Besserung  in  absehbarer 
Zeit  nicht  zu  hoffen. 

196.  Pilmbranche. 

Berlin   ist   zu   einem   Zentrum   der   Pilmindustrie  geworden, 
und  zwar  vor   allem,   soweit  die   in   den   Kinotheatem  zur  Vor- 


Export. 


Trocken- 
platten, 


Wandlungen 
in  der  Film- 
branche. 


598 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 


Filmverleih- 
geschäft. 


Kinotheater. 


führimg  gelangenden  Bildstreifen  (Positivfilms,  Filmkopien)  in 
Betracht  kommen.  Eine  große  Anzahl  von  Filmfabriken  hat  in 
Berlin  ihren  Sitz.  Das  investierte  Kapital  ist  sehr  bedeutend,, 
der  Umsatz  in  Material,  Schriftsteller-  und  Schauspielerlionoraren, 
Requisiten,  Grehältem  und  Löhnen  außerordentlich  hoch.  Alle 
auswärtigen  und  ausländischen  Fabriken  haben  hier  Zweignieder- 
lassungen oder  doch  Vertretungen.  Die  Verhältnisse  auf  dem 
Filmlnaikte  sind  einer  fortwährenden  Wandlung  unterworfen.  Zu 
Beginn  des  Berichtsjahres  waren  noch  die  sog.  „Autorenfilms" 
im  Schwünge,  das  heißt  Films,  deren  Handlung  von  namhaften 
Schriftstellern  verfaßt  oder  nach  Werken  solcher  bearbeitet  war. 
Dann  kamen  die  Schauspielerfilms  an  die  Reihe,  bei  denen  die 
Hauptrollen  von  berühmten  Schauspielern  gespielt  wurden,  und 
die  Ausstattungsfilms,  die  das  Hauptgewicht  auf  die  großartige 
Inszenierung  legten.  Alle  die^e  Umstände  bedingten  eine  wesent- 
liche Erhöhung  der  Verkaufspreise,  so  daß  die  Kinotheater  mit 
immer  größeren  Anschaffungskosten  zu  rechnen  hatten.  Es  kommt 
dazu,  daß  eine  Zeitlang  Films  von  großer  Länge  (2000  m  und 
mehr),  dann  wieder  kürzere  (etwa  bis  800  m)  bevorzugt  wurden^ 
daß  bald  „Dramen*',  bald  „Lustspiele"  in  besonderer  Gunst  stehen. 
Diese  Angaben  zeigen,  daß  das  Filmgeschäft  kein  ruhiges  Ge- 
schäft ist.  Die  verschärften  polizeilichen  Vorschriften  hinsicht- 
lich der  Zensur,  der  Sicherheit  in  den  Theatern,  der  Zulassung 
Jugendlicher  usw.  tragen  gleichfalls  dazu  bei,  das  Geschäft  zu 
erschweren.  Auch  kann  man  sagen,  daß  eine  gewisse  Ueber- 
produktion  eingetreten  ist,  weil  die  Theaterbesitzer  nach  Mög- 
lichkeit sparen  und  deshalb  den  einzelnen  Film  möglichst  lange 
ausnützen.  Andererseits  ist  festzustellen,  daß  die  Aufnahme- 
technik glänzende  Fortschritte  gemacht  hat.  Ob  die  Verbindung 
von  Kinematograph  und  Sprechmaschine,  das  heißt  von  Bild 
und  Wort,  die  daran  geknüpften  Hoffnungen  verwirklichen  wird, 
bleibt  abzuwarten;  für  die  Industrie  als  solche  fällt  sie  vorläufig 
nicht  ins  Gewicht. 

Das  Verleihgeschäft  konzentriert  sich  mehr  und  mehr  in 
einigen  Firmen.  Verleiher  sind  diejenigen,  die  von  den  Fabriken 
die  Films  kaufen,  um  sie  dann  ihrerseits  an  eine  Älehrzahl  von 
Kinotheatern  gegen  Leihgebühren  zu  verleihen.  Die  hohen  An- 
schaffungskosten haben  es  mit  sich  gebracht,  daß  die  Leihgebüh- 
ren für  sog.  „Schlager"-  oder  ,, Monopol' '-Films  zum  Teil  eine  be- 
denkliche Höhe  erreicht  haben. 

Die  Kinotheater  endlich  haben,  wie  schön  erwähnt,  schwer 
zu  kämpfen,  da  einerseits  die  Ausgaben  für  Films,  Steuern,  Mie- 
ten, Gehälter,  Reklame  usw.  steigen,  andererseits  die  Einnahmen 
durch  Steuern,  polizeiliche  Vorschriften,  Verriagerung  der  Platz- 
zahl, Beschränkung  des  Besuches  Jugendlicher  usw.  stark  be- 
schnitten werden.  Die  Zeiten  der  großen  Gewinne  sind  vorüber. 
Neugründungen  ohne  beträchtliches  Kapital  sind  von  vornherein 


196.    Filmbranche. 


599 


aussichtslos.  Zahlreiclie  Kinotheater  mußten  geschlossen  werden, 
zumal  da  „gutes''  AVetter  für  sie  schlechtes  Geschäft  bedeutet. 
Die  Bestrebungen,  das  Kinotheater  im  Durchschliitt  zu  einer 
Stätte  guter  Unterhaltung  und  Volksbildung,  zu  einem  Kultur- 
faktor schlechthin  zu  machen,  haben  im  großen  und  ganzen  keinen 
Erfolg  gehabt.  Zu  diesem  Zweck  hätten  Schriftsteller,  Fabriken, 
Kinobesitzer,  Publikum  und  Presse  einmütig  zusammenarbeiten 
müssen.  Es  war  aber  noch  nicht  möglich,  so  viele  divergierende 
Interessen  unter  einen  Hut  zu  bringen. 

Die  Kohfilmfabrikation  in  Berlin  macht  Fortschritte.  Das 
bisherige  Monopol  einer  ausländischen  Firma  wird  mehr  und  mehr 
durchbrochen.  Die  Verwendung  unentflammbarer  Films,  die  in 
mehreren  anderen  Ländern  gesetzlich  vorgeschrieben  ist,  um  eine 
wesentliche  Gefahrenquelle  zu  beseitigen,  tritt  schon  bemerkbar 
iji  die  Erscheinung. 

Der  Export  ist  sehr  beträchtlich,  allerdings  viel  geringer 
als  der  Import  ausländischer  Films,  für  den  besonders  Frank- 
reich, Italien,  Dänemark  und  Amerika  in  Betracht  kommen.  Die 
englisch  sprechenden  Länder  verlangen  eine  bestimmte  Ge- 
schmacksrichtung; in  Frankreich  bestehen  erhebliche  nationale 
und  zollpolitische  Schwierigkeiten.  Es  ist  nicht  zu  verkennen, 
daß  das  deutsche  Publikum  fremdländische  Fabrikate  viel  kritik- 
loser aufnimmt,  als  das  fremdländische  Publikum  deutsche 
Fabrikate. 

Da  aber  in  dem  ganzen  Geschäftszweige  unter  Anspannung 
aller  Kräfte  und  Energie  gearbeitet  wird,  so  dürfte  er  auch 
weiterhin  einen  wichtigen  Faktor  im  Berliner  Geschäftslebeto 
darstellen. 

Das  Jahr  1913  kann  für  die  Fabrikation  der  photographisichen 
Karten,  Passepartouts  und  Bildaufmachungen  im  großen  und 
ganzen  als  günstig  bezeichnet  werden,  obgleich  der  Verlauf  der- 
selben kein  gleichmäßiger  war.  Während  in  der  ersten  Hälfte 
der  Berichtsperiode  die  Umsätze  erfreulicherweise  eine  Steigerung 
erfuhren,  schwächte  sich  in  den  letzten  Monaten  das  Geschäft  ab. 
Der  deutsche  Markt  erwies  sich  als  recht  aufnahmefähig.  Der 
Export  nach  den  überseeischen  Ländern  war  befriedigend.  Die 
Ausfuhr  nach  den  Balkanstaaten,  Oesterreich-Ungarn  und  Italien 
ließ  aus  bekannten  Gründen  zu  wünschen  übrig.  Die  Preise  der 
Rohstoffe  und  Materialien  zeigten  nur  geringe  Veränderungen. 
Das  Verhältnis  zu  den  Arbeitern  war  gut. 

197.    Spielwaren. 

Die  allgemeine  Abwärtsbewegung  in  Industrie  und  Handel 
hat  auch  den  Spielwarenhandel  nicht  verschont;  waren  die  Ge- 
schäfte in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1913  noch  leidlich  zufrieden- 
stellend, so  hat  die  Hauptsaison  einen  großen  Rückschlag  gegen 
das  Vorjahr   gebracht.    Es  ist  ziemlich  sicher,  daß  die  Umsätze 


600 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszwei«?e. 


Engros- 
geschäft. 


Export. 


gegen  das  Vorjahr  um  10  o/o  zurückgeblieben  sind,  und  da  die 
IJnbosten  niclit  nur  die  gleichen,  sondern  auch  höher  als  im 
Vorjahre  waren,  so  ist  der  Mindererlös  für  diese  Branche,  die 
ja  nur  eine  Saison  hat,  also  ein  ganzes  Jahr  Warten  muß,  um  sich 
„möglicherweise"  wieder  erholen  zti  können,  sehr  fühlbar  ge- 
wesen. Die  Zahl  der  Käufer  ist,  wenn  auch  nicht  die  gleiche, 
doch  ziemlich  dieselbe  geblieben,  die  einzelnen  Käufe  waren  aber 
im  Wert  erheblich  kleiner  als  im  Vorjahr,  ganz  besonders  fiel  auf, 
daß  der  Mittelstand  im  Kauf  sehr  zurückhaltend  war. 

Die  Ungunst  der  Konjunktur  zeigte  sich  schon  beim  Oster- 
geschäft,  das  als  schwach  zu  bezeichnen  war.  Besonders  wurden 
iOsterartikel  in  höherer  Preislage  weniger  gekauft.  Auch  die 
Hoffnung  auf  ein  günstigere^  Sommergeschäft  erfüllte  sich  niöht, 
da  außer  den  bestehenden  ungünstigen  politischen  Verhältnissen 
die  Ung'unst  des  Wetters  lähmend  ;auf  das  Geschäft  einwirkte. 
Die  speziellen  Sommerartikel  fanden  nicht  den  genügenden  Ab- 
satz, sondern  ein  gut  Teil  verblieb  auf  Lager.  Die  Herbstmonate 
verliefen  in  gleich  unbefriedigender  Weise.  Die  Erträgnisse  des 
"Vorjahres  wurden  nur  ausnahmsweise  erreicht. 

Dias  Engrosgeschäft  litt  unter  gleicher  Ungunst  der  Ver- 
hältnisise.  Nur  diejenigen  Firmen,  die  ein  reich  und  gut 
assortiertes  Lager  unterhielten,  kamen  einigermaßen  auf  das  Re- 
sultat des  Vorjahres,  da  ihnen  Aufträge  von  Firmen  zufielen, 
die  iji  günstigeren  Zeiten  ihren  Bedarf  direkt  bei  den  verschiedenen 
Fabrikanten  eindeckten.  Der  Grossist  bietet  diesen  Firmen  die 
Vorteile  einer  besseren  Eiuschränkungsmöglichkeit  und  eventuell 
auch  Einräumung  günstigeren  Kredites'. 

Der  Absatz  nach  dem  Auslande  ist  ebenfalls  das  ganze  Jahr 
ü,ber  schwach  gewesen.  Die  Einkäufer  aller  Länder,  besonder^ 
auch  von  Amerika,  zeigten  sich  in  der  Erteilung  von  Aufträgen 
zurückhaltend.  Amerika  zeigte  erst  in  letzter  Zeit  günstigere 
Stimmung.  England  hatte  noch  die  meiste  Kauflust.  Das  Geschäft 
nach  dort  kann  fast  als  nornial  bezeichnet  werden,  in  Puppen 
sogar  als  gut.  Der  Umsatz  mit  Frankreich  ist  infolge  der  un- 
fgünstigen  Zollverhältnisse  Und  der  chauvinistischen  Anfeindung 
aller  deutschen  Waren  weiter  stark  zurückgegangen. 

Die  Fabrikation  nahm  einen  normalen  Verlauf.  Da  ein  großes 
Drängen  um  Ware  nicht  bestand,  konnten  die  Aufträge  recht- 
izeitig  und  ohne  besondere  Störung  durch  Arbeiterverhältnisse 
erledigt  werden.  Nur  eine  Puppenwagenfabrik  in  Brandenburg 
wurde  infolge  eines  im  Sommer  eingetretenen  Streiks  in  ihrer 
Lieferung  stark  beeinträchtigt,  wodurch  auch  Berliner  Firmen 
Schaden  erlitten.  Die  Preise  hielten  sich  bis  zuletzt  auf  dem 
Stande  des  ^^orjahres. 

Zum  Lobe  der  Spielwarenindustrie  sei  gesagt,  daß  diese 
in  einer  langen  Reihe  von  Jahren,  anfangend  zu  Ende  des  ver- 


198.   Verbandstoffe.  601 

igaaigeneii  Jahrhunderts,  viel  Fleiß  und  Intelligenz  zur  Schaffung 
von  Neuheiten  aufgewendet  hat.  Auch  hat  sie  alten  bewahrten 
Spielzeugen  durch  Formvollendung  und  praktische  Verbesserungen 
zu  neuem  Leben  verholfen.  Neue  Großbetriebe  entstanden,  die 
sich  die  Fortschritte  der  Technik  zu  eigen  machten,  viel  An- 
ziehendes schufen  und  dazu  beitrugen,  einen  ungeahnten  Auf- 
schwung und  Kaufreiz  auf  dem  gesamten  Spielwarengebiete'  her- 
beizuführen. Erst  in  den  letzten  Jahren  war  hierin  eine  are- 
wisse  Abspannung  zu  bemerken.  Das  laufende  Jahi:  aber  brachte 
fast  gar  nichts  Neues.  Es  wäre  wünschenswert,  daß  das  allgemeine 
Sinken  der  Konjunktur  und  das  Nachlassen  des  Beschäftigungs-, 
gradcij?  in  einzelnen  Betrieben  wieder  allgemeinen  Anreiz  zur 
Schaffung  von  Neuheiten  und  hervorragenden  Artikeln  geben 
würde  und  das  Gesamtgeschäft  hierdurch  wieder  besseren  Auf- 
schwung erhielte.  Nicht  nur  für  die  Weihnachtszeit,  sondern  be- 
sonders auch  für  das  laufende  Jahr  und  speziell  für  den  Sommer 
fehlt  es  an  geeigneten  Zugartikeln.  Die  Leipziger  Frühjahrsmesse, 
die  ein  getreues  Bild  des  jeweiligen  Standes  der  Fabrikation  gibt, 
enttäuschte  in  dieser  Beziehung  gänzlich.  Es  fehlte  jegliche  An- 
regung zur  Belebung   des  Geschäfts. 

198.  Verbandstoffe. 

Die  Nachfrage  nach  Verbandstoffen  war  während  des  Be- 
richtsjahres 1913  im  allgemeinen  sehr  lebhaft  und  der  Umsatz 
stieg,  ohne  daß  die  deutsche  Verband-Branche  an  dem  Orientn 
krieg  nennenswert  beteiligt  gewesen  war.  Aber  so  übereinstim- 
mend aus  allen  Kreisen  der  Branche  das  Urteil  über  regeren  Ge- 
schäftsverkehr ist,  ebenso  allseitig  ist  das  Bedauern,  daß  der 
Gewinn  nicht  den  erhöhten  ,Umsä,tzen  entsprach.  Die  Hoffnungen 
auf  Preisrückgang,  die  man  an  die  diesjährige  Baumwollernte 
knüpfte,  haben  sich  nicht  erfüllt.  Es  muß  leider  immer  mehr 
mit  der  Tatsache  gerechnet  werden,  daß  die  diesjährige  Bauna- 
wollernte  klein  sein  wird  und  daß  namentlich  die  gute  lang- 
stapelige Baum\volle,  die  zur  Herstellung  von  Verbandstoffen 
verwendet  wird,  außerordentlich  selten  ist  und  daß  infolge  der  Un- 
zureichenden ^^ersorgung  des  Marktes  die  Baumwollpreise  noch 
weiter  steigen  werden.  —  Als  ein  Erfolg  der  fortgesetzten  'Be- 
mühungen seitens  der  ,,  Vereinigung  der  Verbandstoff -Fabrikan- 
ten" kann  die  erfreuliche  Tatsache  bei  deni  Bericht  1913  kon- 
statiert werden,  daß  die  Stadt  Berlin  sich  endlich  dazu  entschlossen 
hat,  den  Hauptteil  ihres  Verbandstoff-Bedarfs  —  Tupfenmull  und 
Bindenmull  —  für  ihrestädt.  Krankenanstalten  Berliner  Fabrikan- 
ten zuzuwenden  und  nicht,  wie  stets  bisher,  auswärtigen  Liefe- 
ranten. Belangreiche  Aenderungen  in  bezug  auf  das  Uebersee- 
Geschäft  waren  nicht  zu  verzeichnen.  ImUierhin.  muß  aber  wieder 
betont  werden,  daß  die  hohen  und  soh'wierigen  Zoll-  und  Paß- 
Verhältnisse  Dänemarks,  Schwedens  und  Norwegens  das  Geschäft 


602  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

dorthin  fa^t  illusorisch  ma<ihen.    Die  Löhne  waren  hoch,  die  Ar- 
beitskräfte  gesucht. 


Turmuhren. 


Taschenuhren, 


199.  Uhren. 

Unruhigö  politisiche  Lag-e,  sohlechte  Greldverhältnisse  und  sehr 
jungüBstigier  Baumarkt,  eins  durchJ  das  andere  bedingt,  wirkten 
zusammen  auf  den  Absatz  von  Turmuhren  ungünstig  ein,  so  daß 
das  Gieschäft  bis  gegen  Mitte  des  Jahres  söhleppend  genannt 
werden  muß.  Besonders  unbefriedigend  war  das  Exportgeschäft, 
da  die  Balkanländer  als  Abnehmer  gar  nicht,  die  meisten  anderen 
europäischen  Staaten  nur  in  stark  vermindertem  Maße  in  Frage 
kamen.  Erst  ab  Juli  setzte  eine  Besiserung  ein,  die  sich  bis  zu 
recKt  flotter  Beschäftigung"  steigerte  und  zurzeit  noch  anhä,lt, 
ohhe  allerdings  zu  gewährleisten,  daß  die  Ausfälle  des  ersten 
Halbjahrs  w^ieder  eingeholt  werden.  Auf  die  Preise  hat  die  rück- 
sichtslose Konkurrenz  einiger  Provinzfirmen  stark  eingewirkt, 
so  daß  sie  wenig  lohinend  sind;  ein  Wunsch  der  Berliner  Turm- 
uhrenfabrikanten geht  deshalb  dahin,  daß  für  Groß-Berliner 
Objekte  prinzipiell  nur  Groß-Berliaer  Firmen  zugelassen  und  die 
diesbezüglichien  Bestimmungen  der  einzelnen  Gemeindevorstände 
einheitlieher  und  genauer  festgelegt  werden  möchten.  —  Die  Aas- 
sichten  für  das  kommende  Jahr  können  als  günstig  bezeichnet 
werden,  da  die  regere  Bautätigkeit  der  meisten  Behörden  und  für 
den  Export  die  bessere  politisidhe  Lage  die  recht  erwünschte  Be- 
lebung deg  Geschäftes  herbeizuführen  versprechen. 

'Der  Handel  mit  Taschenuhren  gestaltete  sich  noch  ungünstiger 
als  im  Jahre  1912.  Besonders'  in  besseren  Stücken  —  feinen 
Gienfer  und  Glashütter  Uhren  —  ließ  der  Umsatz  sehr  zu  wünschen 
übrig.  Das  Weihnachtsgeschäft  gestaltete  sich  zwar  etwas  leb- 
hafter, konnte  jedoch  den  im  Laufe  des  Jahres  entstandenen 
großen;  Aasfall  nicht  wieder  gut  machen.  —  Verhältnismäßig 
rege  war  der  Umsatz  in  Armbanduhren,  welche  als  Modeartikel 
leider  schon  in  den  allerbilligsten  Qualitäten  auf  den  Markt  ge- 
bracht wurden.  Der  Verkauf  von  Haus-  und  Zimmeruhren  ließ 
zu  wünschen  übrig.  —  Das  Geschäft  für  den  kleinen  Uhrmacher 
wird  von  Jahr  zu  Jahr  trostloser,  weil  ihm  durch  die  Waren- 
häuser und  Versandgeschäfte  der  Verkauf  von  Taschen-  bzw. 
Großuhren  vollständig  genommen  wird.  Die  am  1.  April  1912 
gegründete  Uhrmacher-Z^vangsinnung  Groß-Berlüi,  die  von  An- 
fang an  unter  dem  Unfrieden  der  Mitglieder  zu  leiden  hatte, 
ist  am  1.  Juli  1913  wieder  aufgelöst  worden.  Eine  Anzahl  Innungs- 
freunde haben  sich  am  1.  Oktober  1913  wieder  zu  einer  freien 
Inmmg  zusammengeschlossen.  Die  beiden  großen  deutschen  Uhr- 
m.aühei  verbände,  der  Verband  deutscher  Uh!rmacher  und  der 
deutsdie  Uhrmacherbund,  die  jahrelang  in  arger  Fehde  nebenein- 
ander bestanden,  haben  endlich  Frieden  geschlossen.  —  Das  Yer- 


200.    Wissenschaftliche  Instrumente. 


603 


hältnis  mit  den  Gehilfen  war  ungetrübt;  die  von  letzteren 
beanspruchte  neunstündige  Arbeitszeit  ist  vielfach  bewilligt 
worden. 


200.    Wissenschaftliche   Instrumente. 

Das  Geschäft  in  meteorologischen  Instrumenten  war  im  Jahre 
1913  bis  Oktober  durchweg  zufriedenstellend.  Die  Nachfrage  und 
Besinnungen  von  seiten  der  Interessenten  waren  sehi"  lebhaft  und 
ebenso  wurden  auch  gute  Abschlüsse  mit  der  Regierung  und  den 
Behörden  gemacht.  Die  Ueberseelieferungen  waren  in  diesem 
Jahre  nicht  sehr  stark,  aber  immerhin  noch  hinreichend.  Lohn- 
bevv'cgungen,  Streiks  usw.  waren  nicht  zu  verzeichnen. 

Während  des  Jahres  1913  sind  die  Verhältnisse  in  der 
Branch'd  der  physikalischen  Instrumente  so  ziemlich  die  gleichen 
geblieben  wie  im  vorigen  Jahre,  das  heißt,  die  einzelnen  Be- 
triebe waren  im  allgemeinen  gut  beschäftigt.  Die  Bezugs-  und 
Absatzverhältnisse  sind  gleich  gute  gewesen,  dagegen  haben  sich 
die  Preise  für  ItohmaterialienL  ebenso  wie  auch  die  Arbeitslöhne 
wiederum,  wenn  aucli  nur  um  geringes,  gesteigert,  so  daß  sich 
ein  größerer  Teil  der  Firmen  veranlaßt  gesehen  hat,  Preis- 
erhöhungen für  den  Verkauf  eintreten  zu  lassen.  —  Streiks  oder 
Lohlibewegungen  haben  während  des  verflossenen  Betriebsijahres 
nicht  stattgefunden. 

Dagegen  wird  nach  wie  vor  darüber  geklagt,  daß  die 
Zollverhältnisse  nach  Rußland,  Oesterreich,  vor  allen  Dingen 
aber  nach  Frankreich,  erhebliche  Schwierigkeiten  beim'  Absatz 
verursachen  und  infolgedessen  wohl  auch  ein  gewisser  Rück- 
gang des  Exports,  speziell  nach  Frankreich,  zu  bemerken 
war.  —  Ferner  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  ebenso  wie 
dio  anderen  Branchen  auch  die  Präzisionstechnik  seitens  der 
staatlichen  und  städtischen  Behörden  insofern  nicht  genügend  ge- 
s'diützt  wird,  als  letztere  sich  noch  immer  nicht  dazu  bereiti 
finden  lassen,  bei  Anschaffung  von  Instrumenten  für  Schulea 
und  sorstige  Institute  dafür  zu  sorgen,  daß  die  entsprechenden: 
Instrumente  seitens  der  Komlnissionäre  an  Ort  und  Stelle  gekauft 
werden,  sondern  häufig  aus  anderen  Städten,  wenn  nicht  sogar 
aus  anderen  Ländern,  bezogen  werden,  trotzdem  die  heimische 
präzisionsmechanische  und  optische  Industrie  einen  außerordent- 
lich leistungsfähigen  Stand  erreicht  hat.  Ob  der  gute  Geschäfts- 
gang auch  für  das  neue  Jahr  anhalten  wird,  erscheint  insofern 
zweifelhaft,  als  einige  Firmen  jetzt  schon  über  nicht  mehr  ge- 
mügend  vorliegende  resp.  einlaufende  Aufträge  zu  klagen  haben. 
Ferner  ist  im  allgemeinen  trotz  des  vielfach  höheren  Umsatzes 
nicht  immer  ein  entsprechend  hoher  Gewinn  erzielt  worden. 
Denn  oft  war  es  notwendig,  die  Betriebe  mit  Maschinen  und 
sonstigen  Einrichtungen   auszurüsten,  um  mit  größeren  Firmen, 


Export- 


604 


XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweisre. 


Chirurgie- 
Instruraente, 
medizinische 

Geräte, 
medizinische 

Apparate, 
Krankenhaus- 
Einrichtungen. 


Export 


vor  allen  Dingen  im  Auslande  mit  englischen  und  französisclien 
Firmen,  konkurrieren  zu  können.  Stark  beschäftigt  sind  zu- 
nächst noch  die  Betriebe  für  die  Eabrikation  von  streng  wissen- 
sdhaftlicheiL  und  elektromedizinischcn  sowie  auch  kriegstechnischen 
Apparaten,  und  die  Spezialfirmen  müssen  für  die  Herstellung 
dieser  Instrumente  augenblieklidh!  noch  in  2,  sogar  3  Schichten 
arbeiten. 

Der  Absatiz  in  ärztlichen  Instrumenten  bewegte  sich  in  dem 
ungefähren   Umfange   des    Vorjahres.    Inlandabsatz   und   Export 
zeigten   die   gleichen   Zahlen.    Etwas  erhöhtes  Interesse   bestand 
seitens    der    Balkanländer    für    Sanitätsmaterial.     Die    Aufträge 
konnten  aber  immer  nur  mit  einer  gewissen  Vorsicht  ausgeführt 
werden;   Eegierungsaufträge   wurden   nur   zögernd   erteilt.    Das 
Privatgeschäft  nach  dem  Balkan  hatte  während  der  Kriegswirren 
etwas   nachgelassen.    Der  Ausfall   wurde   aber   durch   Staatsauf- 
träge wieder  gedeckt.    —    Für  die  deutschen  Heereskontingente 
wurde    die    Beschaffung    eines    neuen    Modells    „Heeres-Kranken- 
trage"    verfügt.     Die    Lieferungsvergebung   erfolgte    auf    Grund 
beschränkter  Verdingungen.  Die  Verdingungsresultate  können  als 
Submissionsblüten  bezeichnet  werden.    Das  höchste  Grebot  über- 
traf den  niedrigsten  Bieter  im  Preise  um  annähernd  das  Dreifache. 
Eine  in  der  Branche  angestrebte  Konvention  zur  Besserung  der 
Preise  für  Chirurgie-Instrumente  scheint  an  widerstrebenden  Mei- 
nungen und  an  Uneinigkeit  zu  scheitern.  —  In  den  südamerika- 
nischen Republiken  machte  sich  der  nordamerikanische  Einfluß 
sehr    stark    bemerkbar.    Die   Ausfuhr   nach   Frankreich   war  ia- 
folge   des  rigorosen   Zolltarifs   gleich   Null,   während   anderseits! 
der  deutsche  Arzt  immer  noch  eine  Vorliebe  für  gewisse  fran- 
zösischa  Instrumente  besitzt,   die  zu  uns  unter  wesentlich  gün^ 
stigeren   Zollbedingungen   hereiakommen. 


201.    Schilderfabrikation. 

Allgemeines.  Die  Schildcrfabrikation  hat  in  diesem  Jahre  gegen  das  Vor^ 

jähr  wiederum  um  nicht  unbedeutendes  nachgelassen.  Der  Grund 
dafür  ist  in  der  verminderten  Bautätigkeit  zu  suchen  sowie  darin, 
daß  Neueinrichtung  von  Geschäften  in  geringer  Zahl  stattgefunden 
haben.  Die  Preise  der  Materialien  hielten  sich  wie  im  Vorjahre 
auf  gleicher  Stufe.  Die  Arbeitslöhne  sind  durch  den  diesjährigen 
Streik  der  Malergehilfen  erhöht  worden,  dagegen  hielten  die  Ver- 
kaufspreise der  fertigen  Schilder  nicht  Schritt  und  sind  immer 
noch  sehr  gedrückt.  Die  Brauereien,  welche  immer  noch  große 
Besteller  waren,  haben  auch  in  diesem  Jahre  mit  Aufträgen  sehr 
zurückgehalten  und  für  den  Ausfall  ist  Ersatz  nicht  ^u  erlangen 
gewesen.  Eine  Besserung  ist  nicht  zu  erwarten,  die  xlussichten 
sind  sehr  trübe. 


201.    Schilderfabrikation.  605, 

Die  ungünstige  Lage  des  Weltmarktes  hat  die  Massenfabri-  Fabrikation 
kation  von  Schildern  naturgemäß  ungünstig  beeinflußt.  Die  Hoff- 
nungen, die  gegen  Ende  1912  durch  Aufflackem  regeren  Bedarfes 
für  1913  hervorgerufen  waren,  sind  nicht  in  Erfüllung  gegangen, 
OSfoch  zu  Anfang  des  Berichtsjahres  war  die  ^N" achfrage  eine  relativ 
rege  und  auch  die  eingehenden.  Bestellungen  ließen  nickt  erkenuen, 
Idaß  sich  ein  so  starkes  Abflauen  des  Marktes  Vorbereitete.  Doch 
setzte  im  zweiten  Drittel  des  Jahres  ein  Jagen  nach  Aufträgen, 
mit  unsinnigen  Preisunterbietungen  ein ;  von  da  ab  wurde  der  Ein- 
gang von  Aufträgen  geringer,  diese  durchschnittlich  kleiner,  und 
der  langsame  Bückgang  tritt  auch  noch  gegen  Ende  des  Jahres  in 
Erscheinung.  —  Beängstigend  wäre  diese  nicht,  denn  es  ist  nicht 
zu  erwarten,  daß  die  Schilderbranche,  die  wie  keine  andere  von 
dem  guten  oder  schlechten  Gresckäftsgang  aller  Branchen  ab- 
hängig ist,  in  schleckten  Geschäftszeiten  gut  beschäftigt  sein 
sollte.  Beängstigend  aber  waren  die  vernunftslosen  Preisunter- 
bietungen, die  schließlich  zum  Euin  einzelner  Firmen  führten. 
Diese  ungenügenden  Verhältnisse  wollte  man  durch  Zusammen- 
schluß zu  einer  Preiskonvention  beseitigen.  Aus  dem  hierzu 
auffordernden,  ziemlich  umfangreichen  Bundschreiben  seien  zwei 
Stellen  angeführt,  welche  die  Lage  der  Branche  treffend  kenn- 
zeichnen :  „Sind  uns  doch  Angebote  bekannt,  bei  denen  wir  bei 
Nachkontrolle  konstatierten,  daß  wenig  mehr  als  der  'Tagespreis  des 
Metalls  erzielt  wurde.  Diese  absurden  Fälle  mögen  manchmal 
auf  Kalkulationsfehler  zurückzuführen  sein,  doch  sind  sie  z;u 
häufig,  um  immer  diese  Entschuldigung  gelten  lassen  zu  können. 
Es  mag  auch  sein,  daß  verschiedene  Betriebe  nicht  von  Kauf- 
leuten, sondern  von  Technikern  geführt  werden,  die  die  allge- 
meinen Betriebsunkosten,  Amortisationen  der  Maschinen  usw.  nicht 
rechnen  oder  überhaupt  ohne  Rücksicht  auf  die  eigenen  Verhält- 
nisse sich  damit  genügen  lassen,  die  Preisliste  des  größeren  und 
maßgebenden  Konkurrenten  einfach  zu  unterbieten.  Die  größe- 
ren Konsumenten  wissen  heute  sehr  genau,  daß  die  Preise  nickt 
dem  richtigen  Stand  der  Verhältnisse  angepaßt  sind,  und  nützen 
leider  diesen  Uebelstand  mit  entsprechender  Bücksich tslosigkeit 
aus."  "Wie  weit  die  Bemühungen,  eine  Besserung  auf  dem  Wege 
der  Konvention  herbeizuführen,  Erfolg  haben  werden,  läßt  sich 
vorläufig  nicht  übersehen. 

Die  Produktionsverhältnisse  haben  sich'  nicht  wesentlich  ver- 
ändert. Es  wird  immer  wieder  mit  Erfolg  nach  Verbesserungen 
und  Ersparnissen  gesucht.  Vielfach  ist  man  zum  elektrischen 
Betrieb  übergegangen,  auch  andere  Vorteile  praktischer  Erfah- 
rung werden  ausgenutzt  aber  weder  diese,  noch  die  besten  Ma- 
schinen und  Arbeitskräfte  können,  wie  gesagt,  die  niedrigen  Preise 
ausgleichen.  Die  Materialpreise  haben  sieht  gegen  das  Vorjahr 
kaum  verändert.  Das  Absatzgebiet  erreicht  von  Jahr  zu  Jahr 
größere  Ausdehnung. 


606  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

202.  Stempelfabrikation. 

Das  Jahr  1913  begann  in  der  Stempelfabrikation  mit  einer 
normalen  Entwicklung  und  konnte  in  den  ersten  Monaten  als  gut 
bezeichnet  werden.  Infolge  des  Balkankrieges  und  der  hierdurch 
hervorgerufenen  allgemeinen  schlechten  Greschäftslage  verringer- 
ten sich  die  Aufträge  jedoch  sehr,  so  daß  in  den  Sommermonaten 
das  Geschäft  direkt  schlecht  war.  Auffallend  gingen  speziell 
die  Berliner  Aufträge  zurück.  Auch  an  dem  Angebot  vieler 
stellungsloser  Graveure  war  zu  ersehen,  daß  es  ebenfalls  in  ande- 
ren Städten  an  Arbeit  man.gelte.  Der  Verbandstag  der  Stem- 
pelfabrikanten tagte  wie  früher  im  Juli  in  Leipzig  und  war  mit 
einer  Fachausstellung  verbunden.  Anläßlich  dieser  Verhandlun- 
gen wurde  wieder  als  Hauptfrage  die  Regelung  resp.  Festsetzung 
von  einheitlichen  Preisen  beraten,  aber  auch  in  diesem  Jahre 
nur  mit  dem  Erfolg,  daß  eine  Kommission  zur  Ausarbeitung  ent- 
sprechender Satzungen  gewählt  wurde.  Die  im  vorigen  Jahxe 
allgemein  angenommene  Preiserhöhung  von  10  o/o  wurde  von  den 
meisten  Firmen  innegehalten,  doch  konnte  man  auch  wahrnehmen, 
daß  viele  Firmen,  um  Aufträge  zu  erhalten,  wieder  mit  den  frühe- 
ren billigen  Preisen  und  noch  niedrigeren  Preisen  offerierten. 

Von  Streiks  und  Lohnbewegungen  ist  die  Industrie  verschont 
geblieben.  Die  Materialpreise  behielten  ihre  Höhe  wie  im  Vor- 
jahre.   Aussicht  auf  Besserung  der  Geschäftslage  ist  vorhanden. 

203.  Christbaums  chmuok. 

Auch  das  Geschäftsjahr  1912/13  entw^ickelte  sich  für  Christ- 
baumschmuck gegen  das  Jahr  1911/12  durchaus  nicht  günstiger, 
da  die  große  Arbeitsnot  und  die  allgemeine  Teuerung  noch  immer 
schwer  auf  dem  Volke  lasteten  und  dessen  Ausgaben  auf  das 
allernötigste  beschränkten.  Da  ferner  der  Haupteinkauf  des  Ar- 
tikels Christbaumschmuck  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  statt- 
findet, wurde  der  Absatz  durch  die  damals  herrschende  Angst  vor 
kriegerischen  Verwicklungen  stark  beeinträchtigt,  und  dieser  Aus- 
fall wurde  auch  im  Laufe  des  Jahres  nicht  durch  lebhaftere  Be- 
stellungen ausgeglichen.  Ebenso  hatte  der  Artikel  Christbaum- 
schmuck als  eine  spezifisch  germanische  Sitte  schon  zu  Weih- 
nachten 1912  außerordentlich  unter  dem  polnischen  Boykott  in 
den  Ostmarken  sowohl,  als  auch  in  Russisch-  und  Oesterreichi^ch- 
Polen  zu  leiden.  Es  blieben  große  Lager  zurück,  so  daß  die  be- 
treffenden deutschen,  wie  polnischen  Geschäftsfreunde  für  1913 
keine  Einkäufe  vornahmen.  Alles  zusammengefaßt,  läßt  sich  das 
Geschäftsjahr  1912/13  als  recht  ungünstig  registrieren,  und  es 
wäre  zu  hoffen,  daß  sich  das  nächste  Jahr  besser  gestalten  möge. 

Ueber  die  Regulierungen  muß  leider  auch  sehr  geklagt 
werden;  Skontierungen  sind  Seltenheiten  geworden,  die  meisten 
Kunden  nutzen  das  Ziel  aus,  und  Mahnungen  und  Klagen  waren 
an  der  Tagesordnung. 


203.  Christbaumschmuck. 


607 


Die  erzielten  Umsätze  auf  der  Leipziger  Vormesse  standen 
auch  unter  dem  Zeichen  der  Krieg-sgefahr  und  blieben  ganz  be- 
deutend gegen  das  Vorjahr  zurück.  Ebenso  war  die  Herbstmesse 
schlecht  nennen,  obgleich  man  durch  die  Verkäufe  der  Michaelis- 
messe noch  niemals  verwöhnt  worden  ist. 

Der  Besuch  der  Berliner  Musterausstellung  ließ  gegenüber 
früheren  Jahren  viel  zn  wünschen  übrig.  Auslandseinkäufer  waren 
nur  wenige  hier,  und  diese  schränkten  noch  ihren  Bedarf  bedeu- 
tend ein.  Die  Kundschaft  von  Groß-Berlin  war  gleichfalls  sehr 
zurückhaltend;  alles  klagte  über  schlechten  Greschäftsgang,  und 
viele  alte,  treue  Kunden  ließen  den  Artikel  ganz  eingehen  mit  der 
Begründung,  das  Publikum  wäre  nicht  in  der  Lage,  G^eld  für 
Luxus-Artikel  auszugeben,  wenn  für  Nahrungsmittel  usw.  schon 
solche  hohen  Preise  zu  zahlen  seien. 

Die  Ausfuhr  nach  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika 
war  besser  als  das  Jahr  zuvor.  Nach  Britiscli-Norjd-Ameriika 
(Kanada)  dagegen  machte  die  Einfuhr  nur  verhältnismäßig  lan,g- 
same  Fortschritte,  was  wohl  darauf  zurückzuführen  sein  dürfte, 
daß  der  Artikel  Christbaumschmuck  dort  noch  zu  wenig  einge- 
führt ist.  Auch  weist  die  Statistik  einen  geringeren  Aufstieg 
des  Exportes  nach  Süd-Amerika  auf.  Trotzdem  ist  der  Gesamt- 
umsatz nach  diesem  Kontinente  gegen  frühere  Jahre  zurückge- 
blieben. Die  Ausfuhr  nach  England,  Skandinavien,  Rußland  und 
der  Schweiz  war  ungefähr  die  gleiche  wie  im  vorigen  Jahre, 
dagegen  blieben  Oesterreich  und  Italien  infolge  der  Kriegsgefahr 
gegen  1912  zurück.  Die  Balkanstaaten  fielen  natürlich  fast  ganz 
aus.  Der  Umsatz  nach  Frankreich  geht  immer  mehr  infolge 
der  Zollschikanen  dieses  Landes  zurück,  und  dürfte  hier  das 
Eingreifen  der  maßgebenden  Stellen  bzw.  Behörden  sehr  wün- 
schenswert erscheinen.  Die  Nachfrage  nach  dem  Artikel  Christ- 
baumschmuck aus  Frankreich  war  größer  als  früher,  nicht  allein 
die  aus  den  großen  Städten,  sondern  auch  die  aus  kleineren; 
Plätzen,  und  nur  die  großen  Zollschwierigkeiten  halten  die  Inter- 
essenten von  Nachorders  in  diesem  Artikel  zurück.  Die  Eegu- 
lierungen  des  Auslandes  erfolgten  bis  auf  Amerika  und  Eng- 
land, deren  Zalüungs weise  ziemlich  prompt  zu  nennen  ist,  im 
allgemeinen  schlecht.  Besonders  die  Regulierung  Rußlands 
läßt  sehr  viel  zu  wünschen  übrig,  und  die  Verhältnisse 
haben  sich  in  dieser  Beziehimg  gegen  den  vorjährigen' 
Bericht  auch  um  nicht«  gebessert.  Infolge  des  Balkankrieges  er- 
folgte auch  die  Regulierung  Oesterreichs  recht  schleppend ;  wieder- 
holt konnte  nur  mit  Klage  das  Guthaben  eingebracht  werden, 
wie  auch  namhafte  Konkurse  verbucht  werden  mußten. 

Bezüglich  der  Löhne  und  Unkosten  hat  sich  gegen  das  Jahr 
1911/12  nichts  geändert;  die  Teuerungsverhältnisse  bringen 
naturgemäß   eine    immer   größere   Belastung   dieser   Kontis,   was 


Leipziger 
Messe. 


Berliner 
Musterlaser. 


Export. 


Löhne 
und  Unkosten. 


Scheiben. 


608  XV.    Verschiedene  Industrie-  und  Handelszweige. 

auf   die    Fabrikate    wirkte    und    das    ganze    Geschäft    erheblich 
erschwer  te. 

204.    Schmirgelfabrikation. 

Die  Befürchtungen  des  vorigen  Jahres  h.aben  sich  in  der 
Schmirgelfabrikation  leider  voll  und  ganz  bestätigt.  Die  un- 
günstige Lage  des  Baumarktes,  die  Schwierigkeiten  der  Gneldve^ 
hältnisse  und  die  allgemein  abflauende  Konjunktur  veranlaßteii, 
daß  die  Umsätze  des  vorigen  Jahres  durchschnittlich  nicht  ei^ 
reicht  wurden,  und  wenti  dieses  der  Fall  war,  so  geschah  es  auf 
Kosten  der  erzielten  Preise.  Namentlich  die  Provinzreise  wurde 
immer  Schwieriger,  weil  die  bess-eren  Handwerker  zum  Teil  ihre 
Arbeitskräfte  entließen  und  mittlere  Betriebe  zeitweise  ganz  ein- 
gestellt wurden.  Dabei  mußten  für  Leim  wesentlich  höhere  Prei 
angelegt  werden,  und  auch  der  Baumwollmarkt  zeigte  in  de^ 
^Monaten  September/Oktober  eine  starke  Aufwärtsbewegung.  Für 
diese  Mehrkosten  in  der  Fabrikation  war  eine  entsprechende 
Steigerung  der  Verkaufspreise  nicht  durchführbar.  —  Die  Ur- 
sprungsländer des  Schmirgels  sind  durch  die  Kriege  in  ihrer 
Leistung  sehr  zurückgegangen,  und,  nachdem  der  Streik  auf  der 
Lasel  Naxos  größere  Dimensionen  angenommen  hatte,  konnte  man 
wohl  von  einer  vollständigen  Einstellung  des  Importes  von  Naxos- 
schmirgel  sprechen, 
schmügei-  Die     Schmirgclscheibenfabrikation     mußte     Corundum     und 

Kunstschmirgel  verarbeiten.  Diese  Bohmaterialien  aber  sind  so 
teuer,  im  Verhältnis  zum  Naturschmirgel,  daß  auch  hier  die 
Verdienste  stark  zurückgingen.  Durch  die  Verwendung  vorge- 
nannter Materialien  und  durch  die  notwendige  Preissteigerung 
der  Schmirgelscheiben  wurde  andererseits  denjenigen  Firmen  Vor- 
schub geleistet,  welche  infolge  amerikanischer  Vertretungen  ihren 
ganzen  großen  Einfluß  immer  wieder  aufwandten,  um  ihren  deut- 
schen Abnehmern  klar  zu  maclien,  daß  den  amerikanischen  Fabri- 
katen auch  in  Deutschland  der  Vorzug  zu  geben  sei,  obgleich 
sie  bedeutend  teurer  vom  Konsumenten  bezahlt  werden  müssen. 
[Wenn  nun  noch'  die  in  diesem  Jahr  neu  hinzutretende  Be- 
lastung der  Industrie  durch  die  Angestelltenversicherung  usw. 
berücksichtigt  wird,  so  ist  es  erklärlich,  daß  dieser  Industrie- 
zweig Fleiß  und  alle  Kräfte  einsetzen  muß,  um  einigermaßen  zu 
einem  brauchbaren  Resultate  zu  kommen.  —  Arbeitskräfte  Avaren 
genügend  zu  haben,  und  Streiks  waren  nicht  zu  verzeichnen. 


Paß  &  Garleb  G,  m.  b.  H.,  Berlin  W.  57. 

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HF       Berliner  Jahrbuch  für  Handel 

308         und  Industrie 

B47 

1913 

Bd.  2 


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