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Berliner Jahrbuch
für
Handel und Industrie
Bericht
der
Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin
Jahrgang 1913
Band II
6ERLIN
VERLAG VON QEORO REIMER
1914
Inhalts-Verzeichnis.
Spezialberichte über Berlins Handel und Industrie.
I. Pflanzliche Rohprodukte und Fabrikate.
Seite
A. Landwirtschaftliche Rohproduiite.
1. Getreide 3
Tab. 1. Welternte in Getreide S. 3.
Tab. 2. Erntemengen im Deutschen Reich S. 4.
Tab. 3. Mehr- oder Minder-Erträge der deutschen Eruien gegen das Vor-
jahr S. 4.
Tab. 4. Anbauflächen im Deutschen Reich S. 4.
Tab. 5. Erträge für den Hektar bebauter Fläche S. 5.
Tab. 6. Saatenstands-Xotierungen S. 4.
Tab. 7. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet S. 5.
Tab. 8. Ausfuhr aus dem deutschen Zollgebiet S. 5.
Tab. 9. Berliner Lieferungspreise für "Weizen S. 14.
Tab. 10. Berliner Lieferungspreise für Roggen S. 21.
Tab. 11. Preise für südrussische Futtergerste S. 25.
Tab. 12. Lokopreise für Futtergerste im Jahre 1913 S. 26.
Tab. 13. Berliner Lieferungspreise für Hafer S. 30.
Tab. 14. Lokopreise am Frühmarkt und der Produktenbörse in Berlin für Hafer
im Jahre 1913 S. 31.
Tab. 15. Berliner Lokopreise für Mais S. 34.
Tab. 16. Berliier Lieferungspreise für Mais S. 34.
2. Hülsenfrüchte 34
3. Zwiebeln 37
4. Landwirtschaftliche Sämereien 38
Tab. 17. Preise der landwirtschaftlichen Sämereien im Jahre 1913 S, 43.
5. Kartoffeln 44
Tab. 18. Kartoffelernte S. 46.
Tab. 19. Monatliche Durchschnittspreise für Kartoffeln in Berlin S. 46.
Tab. 20. Empfang von Kartoffeln auf sämtlichen Berliner Bahnhöfen während
der Jahre 1911—1913 S. 46.
Tab. 21. Zufuhren von Kartoffeln nach den drei Hauptempfangsbahnhöfen
Berlins während des Kalenderjahres 1913 S. 46/47.
Tab. 22. Ein- nnd Ausfuhr von Kartoffeln in den letzten drei Jahren S. 47.
6. Oelsaaten (Raps und Rübsen) 47
7. Fouragehandel 49
8. Flachs und Hanfhandel 52
9. Hopfen 53
10. Kunst- und Handelsgärtnerei 54
11. Handel mit Obst und Gemüse 63
Tab. 23. Einfuhr von frischem Obst und Gemüse S. 65.
B. Landwirtschaftliche Fabril(ate.
12. Mehl und andere Mühlenfabrikate 67
Tab. 24. Preise für Weizenmehl im Jahre 1913 S. 72.
Tab. 25. Preise für billigste und teuerste Roggenmehle im Jahre 1913 S. 73.
Tab. 26. Lieferungspreise für Roggenmehl S. 71.
Tab. 27. Preise für Weizen- und Roggenkleie im Jahre 1913 S. 75.
13. Brotfabrikation 75
Tab. 28. Brotpreise S. 75.
Tab. 29. Weizenbrotpreise S. 75.
14. Keks-, Honig- und Lebkuchenfabrikation 77
15. Rüböl 78
rv Inhalts- Veraeichnis.
Seite
16. Kartoffelfabrikate 80
Tab. 30. Monatliche Uurchsclmittspreise für Kartoffelfabrikate im Jahre 1918 S. 81.
Tab. 31. Export von Kartoffelfabrikaten in den letzten drei Jahren S. 82.
17. Zichorien und andere Kaffeesurrogate 62
Tab. 32. Preise für gedarrte Cichorien im Jahre 1913 S. 83.
18. Konservierte Früchte und Gemüse 84
Tab. 33. Detailpreise für Rot-, Weiß- und Sauerkohl im Jahre 1913 S. 87.
19. Zucker . 87
Tab. 34. Zuckerproduktion S. 89
Tab. 35. Deutschlands Zuckerausfuhr und Verbrauch S • 89.
Tab. 36. Zuckerpreise nach Hamburger Notierung- S. 89.
20. Spiritus 89
21. Branntwein- und Likörfabrikation ,95
22. Essigfabrikation 96
23. Bierbrauerei 96
Tab. 37. Dividenden der Berliner Brauereien S. 97.
Tab. 38. Betriebs- und Produktionsverhältnisse in den Brauereien üroß-
Berlins S. 99.
Tab. 39. Rohstoff preise (ür Brauereien S. 99.
Tab. 40. Malzpreise für 100 kg S. 99.
Tab. 41. Berlins monatliche Ein- und Ausfuhr von Bier S. lOO.
Tab. 42. Ein- und Ausfuhr von Bier auf Berliner Bahnhüfeti y. ICO.
24. Weinhandel 100
Tab. 43. Einfuhr von Wein, Alost und Maische in Fässern oder Kesselvrageu
aus den Hauptimportländern S 103.
Tab. 44. Einfuhr von Schaumwein in den letzten drei Jahren S. 103.
Tab. 45. Ein- und Ausfuhr von Wein, Most, Traiiben, Arrak, Rum, Kognak in
den Jahren 1912 und 1913 S. 103.
Tab. 46, Einfuhr von rotem Verschnittwein und Wein zur Kognakbereitung
* aus den einzelnen Ländern S. 104.
Tab. 47. Verzollungen in Groß -Berlin und Bestände der Ttilungsla'ger iji
Kilogramm S. 104.
Tab. 48. Gesamtmenge des eisernen Kredits Groß -Berliner Weinfirraen
S. 104.
Tab. 49. Herstellung von Schaumwein im deutschen Zollgebiet und in der
Provinz Brandenburg S. 104.
Tab. 50. Zoll- und Steuererträge aus dem Wein- etc. Verkehr in Deutschland
S. 105.
Tab. 51. Der Verkehr von ausländischem und fremdem Branntwein erbrachte
dem Staat folgende Einnahmen S. 105.
25. Gastwirtsgewerbe 105
26. Tabak und Tabakfabrikate 107
C. Kolonialwaren.
27. Kaffee 116
Tab. 52. Hamburger Kaffeepreise S. 119.
Tab. 53. Zufuhren in Santos und Rio S. 120.
Tab. 54. Sichtbare Weltvorräte S. 120.
Tab. 55. Ablieferungen in Europa und Nordamerika in den Jahren 1910 und
1911 S. 120.
Tab. 56. Einfuhr von Eohkaffee nach Deutschland S. 121.
28. Tee 121
Tab. 57. Einfuhr von Tee nach Deutschland S. 125.
29. Kakao und Kakao waren. Zuokerwaren '. . . . 125
Tab. 58. Preise von Rohkakao S. 126.
Tab. 59. Außenhandel mit Schokolade und Schokoladecrsatzstoffen S. 127.
Tab. 60. Außenhandel mit Kakaopulver S. 127.
30. Reis 128
Tab. 61. Deutsche Einfuhr von Rohreis S. 131.
Tab. 62. Deutschlands Außenhandel mit poliertem Reis S. 132.
31. Südfrüchte und Dörrobst 132
32. Speiseöl 135
33. Gewürzhandel 136
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
4. Vieh 138
Tab. 63. Ernteerträge an Futtermitteln S. 138.
Tab. 64. Viehbestand des Deutschen Reiches S. 139.
Tab. 66. Viehbestand Preußens S. 189,
Inhaits-Verzeichnis. ^
Seite
Tab. 66. Auftrieb von Schlachtvieh am Berliner Markt S. 141.
Tab. 67. wSchlachtungeu im Berliner Schlachthof S. 141.
Tab. 68. Ausfuhr lebenden Schlachtviehes vom Berliner Markt S. 141.
Tab. 69. Preisbewegung: am Berliner Yiehmarkt S. 142.
35. Wild und Geflügel 142
Tab. 70. Monatliche Durchschnittspreise von Wild und Getlügel iiu Jahre 1913
S. 143.
36. Milchhandel 144
37. Butter 145
Tab. 71. Berliner Butternotierungen für la (^ualilät im Jahre 191o S. 154/l.'i5.
Tab. 72. Monatsdurchschuittspreise der höchsten la Qualität iu Berlin und
Hamburg im Jahre 1918 S. 154.
Tab. 73. Jahresdurchschnittspreise der höchsten la Qualität S. 164.
Tab. 74. Deutschlands Butteriraport S. 154.
38. Handel mit Schmalz 154
Tab. 75. Weltvorräte an amerikanischem Schmalz S. 156.
39. Kunstspeisefett 158
40. Margarine und Pflanzenbutter 159
Tab. 76. Preise für Kokosöl und Palmkernöl S. 16:^.
41. Honig 163
42. Käse 164
43. Eiai_. 168
■ Tab. 77. Durchschnittspreise für frische, d. h. nicht konservierte Eier von nor-
maler Größe im Berliner Grolihand<«l S. 171.
Tab. 78. Berlins Einfuhr, Ausfuhr und Konsum von Eiern iu den Jahren 1909
bis 1913 S. 171.
44. Speck 171
Tab. 79. Berliner Großhandelspreise für Speck im Jahre 1913 S. 1<2.
45. Därme 173
46. Fische und Schaltiere 176
Tab. 80. Monatliche Durchschnittspreise für Fische im Jahre 1913 S. 181.
III. Industrie der Steine und Erden.
47. Baumaterialien .:.... 195
Tab. 81. Steinpreise S. 198/199.
48. Ofenfabrikation 206
49. Schamottewaren 207
50. Porzellan und Steingut 208
51. Glas und Glaswaren 210
IV. Montanindustrie.
52. Kohle^ 213
— -TO). 82. Kohlenzufuhr nach Berlin S. 213.
Tab. 83. Berlins Zufuhr an englischer Steinkohle S. 214.
Tab. 84. Preise auf den englischen Kohlenmärkten 1912 und 1913 S. 214.
Tab. 85. Berlins Zufuhr an westfälischer Steinkohle S. 21Ü.
Tab. 86. Berlins Zufuhr an sächsischer Steinkohle S. 217.
Tab. 87. Berlins Zufuhr an oberschlesischer Steinkohle S. 217.
Tab. 88. Berlins Zufuhr an r iederschlesischer Steinkohle S. 218.
Tab. 89. Berlins Zufuhr an böhmischer Braunkohle S. 219.
Tab. 90. Berlins Zufahr an Braunkohlenbriketts S. 219.
Tab. 91. Berlins Zufuhr an inländischer Braunkohle S. 220.
Tab. 92. Berliner Kohlenpreise im Detailhandel S. 222.
Tab 93. Kohlenproduktion im Deutschen Reiche S. 222.
Tab. 94. Deutschlands Kohleneinfuhr S. 223.
Tab. 95. Deutschlands Kohlenausfuhr S. 223.
Tab. 96. Kohlenverbrauch im Deutschen Reiche S. 223.
53. Roheisen und Fertigeisen 223
Tab. 97. Monatsziffern der deutschen Roheisenproduktion S. 223.
Tab. 98. Deutsche Roheisenpreise im Jahre 1913 S. 224/225.
Tab. 99. Durchschnittspreise von M. N. Warrants f. a. B. Glasg-ow S. 221/225.
Tab. 100. Durchschnittspreise von Warrants fob Middlesbro S. 224/225.
Tab. 101. Berliner Roheisenpreise S. 227.
54. Ajteisjjj] ■ . 231
55. K^upfer, Blei, Zink, Zinn ... 232
Tab. 102. Weltproduktion von Kupfer S. 233.
Tab. 103. Weltverbrauch von Kupfer S. 233.
VI Inhalts- Verzeichnis.
Seite
Tab. 104. Weltverbraueh und Weltproduktion von Kupfer. S. 'M).
Tab. lOö. Deutscher Kupferverbrauch S. 234.
Tab. 106. Deutschlands Außeohandel in Rohkupfer S. 234.
Tab. 107. Amerikanische Kupferstatistik S. 235.
Tab. 108. Vorräte in England und Frankreich einschließlich der von Chile und
Australien als schwiranaend gemeldeten Verschiffungen am Monats-
ende S. 236.
Tab. 109. Berliner Monatsdurchschnittspreise für Standard-Kupfor S. 236,
Tab. 110. Durchschnittsnotierungon für Standard- u. Best-Selected-Kupfer S. 236.
Tab. 111. Durchschnittspreise für Zinn S. 237.
Tab. 113. Deutscher Außenhandel in Zinn S. 237.
Tab. 113. Durchschnittspreise für Zink S. 238.
Tab. 114. Deutscher Außenhandel in Zink S. 238.
Tab. 115. Durchschnitt.'jpreise für Blei S. 238.
Tab. 116. Deutscher Außenhandel in Blei S. 239.
56. Altmetalle und Metallabfälle 241
Tab. 117. Preise für Standard-Kupfer und Altmetall S. 242/243.
V. Metallverarbeitung.
57. Eisengießerei, Baukonstniktionen, Ma.schinen- und Lokoniotivenbau 243
Tab. 118. Preise der Rohmaterialien im Aufzugsbau S. 253.
58. Eleklrizitätsindustrie 264
Tab. 119. Stromabgabe der Berliner Elektrizitätswerke S. 276.
Tab. 120. Statistik der Elektromotoren im AVeichbilde von Berlin S. 276.
Tab. 121. Stromabgabe der Elektrizitätswerke Groß-Berlins S. 277.
59. Boots- und Schiffbau 277
60. Automobil- und Fahrradindustrie 278
61. Geldschränke und Tresoranlagen 281
62. Feilenfabrikation 281
63. Wagenbau und Huf beschlagteile 281
64 ürahtzäune und Geflechte . 282
65. Fabrikation von Blechemballagen 283
66. Haushaltungsgegenstände 284
67. Emaillewaren 285
68. Eisenmöbelindüstrie 287
69. Kupfer- und Messingindustrie _. \ 287
Tab. 122 Metallpreise S. 289.
Tab. 123. Preise der Messingfabrikate S. 289.
70. Bleirohr- und Zinnrohrfabrikation 292
71. Metallschrauben- und Mutternfabrikation sowie Fassondreherei . . 293
72. Kunstindustrie, besonders Bronze-Kunstindusirie 294
73. Beleuchtungsindustrie Und Verwandtes 295
74. Heizungs-, Lüftungs- usw. Anlagen 299
75. Bauklempnerei und Metallornamentenfäbrikation 300
76. Stahlfederfabrikation 300
77. Gold-, Silberwaren und Juwelen 301
Tab. 124. Silberpreis S. 302.
VI. Rohstoffe und Fabrikate der pharmazeutischen, chemischen und
verwandten Industrien. Fettwaren, Oele und Farbstoffe. Gasfabrikation.
78. Anorganische, chemische Industrie 305
79. Organische chemische Industrie 307
80. Chemisch-pharmazeutische Präparate und Spezialitäten ..... 309
81. Drogenhandel 313
82. Apothekergewerbe 314
83. Terpentinöl und Harze (Kolophonium) 316
83 a. Petroleum und andere Mineralöle 317
Tab. 125. Benzineinfuhr nach Gebieten absolut und prozentual S. 322.
Tab. 126. ßenzineinfuhr nach Gattungen und Gebieten S. 322.
84. Lack- und Firnisfabrikation, Mineral- und Oelfarben, Farblacke . 324
85. Farbhölzer 327
Tab. 127. Einfuhr von Farbhölzern in Hamburg in den Jahren 1904— 1913 S. 32Ö.
86. Gerbstoffe und Gerbextrakte . 328
87. Zelluloid und Zelluloidwaren 330
Inhalts-VöTzeichnis. VI!
Seite
88. Seifen- und Parfüm eriefabrikation . . . . . . . . ... . .331
Tab. 128. Preise der Rohstoffe für die Seifenindustrie S. 3.32.
89. Kohlensäiirefabrikation 336
90 Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke 336
91. Eishandel, Kunsteisfabrikalion und Kühlhausgeschäft 338
92. Knochen, Knochenfabrikate und Düng-eniittel aller Art 338
93. Zündholzfabrikation . , , . . . ,-. . . . . 340
Tab. 129. Außenhandel in Zündhölzern und Zündstäbchen aus I*appe S. 340.
94. Stearinkerzen und Zeresin 340
95. Dachpappenindustrie 340
96. Gasfabrikation 343
Tab. 130. Gasabgabe im Berliner Weichbilde und an die Vororte. Das Ver-
hältnis der Gasproduktion bezw. Gasabgabe zur Einwohnerzahl
S. 314/345.
Tab. 131. Verbrauchtes Vergasungsmaterial und Gasproduktion der Berliner
städtischen Gaswerke S. 344.
Tab. 132. Gasabgabe der Berliner städtischen Gaswerke nach den Arten des
Verbrauchs S. 345.
Tab. 133. Ausbeute der Berliner Gaswerke an Nebenprodukten S. 345.
Tab. 134. Gasverbrauch in Charlotten bürg S. 348.
Tab. 13.5. Gewinnung von Nebenprodukten bei den Charlottenburger Gas-
werken S. 348.
Tab. 136. Durchschnittlicher Verkaufserlös der Charlottenburger Gaswerke für
Nebenprodukte S. 348.
Tab. 137. Ausbeute aus 100 kg vergaster Kohlen bei den Charlottenburger Stein-
kohle ngasanlagen S. 348.
Tab. 138. Von den Charlottenburger Gaswerken verkaufte Koksmengen in hl S. 349,
Tab. 139. Ertrag der Charlottenburger Gasanstalten S. 349.
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
97. WoUhandel 353
Tab. 140. Vergleichende Uebersioht der Preise für Kapwollen am hiesigen
Platze S. 357.
98. Wollgarne, Wollfärberei, Kondilionierwesen 357
Tab. 141, Tätigkeit des öffentlichen Warenprüfungsamtes zu Berlin S. 360.
99. Handel mit Baumwollgarnen 361
100. Handel mit roher und gefärbter Seide. Seidenfärberei .... 362
101. Fabrikation von wollenen und halbwollenen Stoffen und Plüschen 363
102. Fabrikation von baumwollenen Velvets 368
103. Fabrikation von Schals und Tüchern 368
104. Fabrikation von Phantasie- Wirkwaren und Strickwaren , . , , 369
105. Handel mit Konfektionsstoffen und Tuchen 374
106. Posamentierwaren und Leonische Industrie 379
107. Damen- und Kinderkonfektion 383
108. Herrenkonfektion 387
109. Veredelung von baumwollenen Geweben 389
110. Handel mit BaumwoUbuntwaren . 392
111. Leinenhandel . 393
112. Wäsche-Fabrikation, -Konfektion und -Handel 394
113. Wäscherei 407
.114. Konfektion von Schürzen, Jupons, Blusen und Kinderkleidchen . 408
115. Krawattenindustrie • 410
116. Roßhaarspinnerei 411
'117. Handel und Industrie in Seidenstoffen . 411
Kurventafel 1. Preisschwankungen in Seidenzwirnen S, 413.
Kurventafel 2. Preisschwankungen in Baumwolle S. 414.
118. Großhandel mit Manufakturwaren -. . , '. .' . . 417
,119. Export von Manufakturwaren nach überseeischen Ländern . . . 419
120. Juteindustrie .421
121. Teppiche, Linoleum, Wachstuche , 422
122. Handel mit Gardinen, Spitzen und Stickereien 427
123. Zeltefabrikation 430
124. Gürtelfabrikation 430
125. Korsettindustrie und -Handel 431
126. Schirmfabrikation und -Handel , . . 433
127. Fabrikation und Handel mit Seilerwaren .,...; 435
128. Fabrikation von Netzen 437
VIII Inhalts-Verzeichnis.
Seite
129. Baumwollabfälle 439
130. Filzfabrikation 440
131. Hutfabrikation 441
132. Künstliche Blumen und Federn 446
133. Lumpenhandel 453
VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
134. Papierhandel 453
135. Luxus papierfabrikation 454
136. Fabrikation von Briefumschlägren 455
137. Packpapierhandel, Tütenfabrikation und -handel 456
138. Kartonfabrikation 456
139. Buchdruckerei 456
140. Geschäftsbücherfabrikation 459
141. Buchhandel 459
142. Tapetenfabrikation 461
143. Schriftgießerei und Messinglinienfabrikation 463
144. Stein druckgewerbe . 463
IX. Rohstoffe und Fabrikate der Lederindustrie.
145. Rohe Häute und Felle 467
146. Lederhandel 479
147. Lederfabrikation , , . . . 485
148. Glacelederfabrikation und Verwandtes . . 488
149. Glacehandschuhfabrikation 489
150. Treibriemenindustrie 489
151. Lederwaren-, Portefeuille- und Albumfabrikation ....... 490
152. Schuhwarenfabrikation 491
153. Schuhhandel 492
154. Schuhmacher-Bedarfsartikel 493
155. Kofferfabrikation 494
156. Pelzwaren 494
X. Holz und Holzwaren.
157. Holzhandel 498
Tab. 142. Preise für Brennholz in IJerlin S. 507.
158. Bautischlerei 509
159. Jalousienfabrikation 509
160. Möbelfabrikation und -Handel 510
161. Leiterfabrikation 524
162. Parkettfabrikation 525
163. Wagen- und Karosseriebau 525
164. Fabrikation von Bierfässern 527
165. Goldleistenfabrikation 528
166. Kistenfabrikation 529
167. Holzpflasterfabrikation 529
168. Kinderwagen 530
XI. GrundstUckshandel und Hypotheken.
169. Grundstückshandel und Hypotheken 530
Tab. 143. Freiwillige Veräußerungen bebauter und unbebauter Grundstück© S.633.
Tab. 144. Zwangsversteigerungen bebauter und unbebauter Qrundstilcke S. 533.
Tab. 145. Wohnungsstatistik für Charlottenburg S. 534.
Tab. 146. Wohnungsstatistik für Schöneberg S.535.
Tab. 147. Wohnungsstatistik für Wilmersdorf S. 536.
Tab. 148. Wohnungsstatistik für Friedenau S. 53ü.
Tab. 14'J. Wohnungsstatistik für I-ankwitz S. 537.
Tab. 150. Wohnungsstati.stik für NeuköUn S. 538.
Tab. 151. Wubuungsstatistik für Weißensee S. 539.
Tab. 152. QrundstücksumB&tze in Grofi-Berlin S. 542/548.
Inhalts-Verzeichnis. IX
Seite
XII. Verkehrsgewerbe.
170. Waren Speditionsgeschäft 545
171. Möbeltransportgeschäft 547
172. Schiffahrtsbetrieb 548
Tab. 153. Verkehr auf dem Teltowkaaal S. 551.
Tab. 154. Qesaratverkehr auf den Berlin - Charlottenburger Wasserstraßen im
Jahre 1913 S. 552/553.
173. Personenverkehr auf der Stadt- und Ringbahn 555
Tab. 155. Personenverkehr auf der Stadtbahn S. 555.
Tab. 156. Anzahl der im inneren Personenverkehr der Berliner Stadt- und
Ringbahn in zweiter "Wagenklasse auf einfache und Zeitkarten zurück-
gelegten Fahrten S. 556.
Tab. 157. Anzahl der im inneren Personenverkehr der Berliner Stadt- und King-
bahn in dritter Wagenklasse auf einfache, Zeit- und Arbeiter-Karten
zurückgelegten Fahrten S. 556.
174. Verkehr auf der Großen Berliner Strai3enbahn 556
Tab. 158. Verkehr auf der Großen Berliner Straßenbahn S. 55G.
175. Verkehr auf den Hoch- und Untergrundbahnen 556
Tab. 159. Anzahl der auf den Strecken der Hochbahngesellschaft beförderten
Personen S. 556.
Tab. 160. Anzahl der auf der Schüneberger Untergrundbahn beförderten Per-
sonen S. 557.
176. Omnibusverkehr 557
Tab. 161. Oranibusverkehr S. 557.
177. Droschkenverkehr 557
XIII. Versicherungswesen.
178. Feuerversicherung 557
179. Lebensversicherung 562
180. Transportversicherung 563
181. Hagelversicherung 566
182. Unfall- und Haftpflichtversicherung 569
183. Einbruchdiebstahlversicherung 570
184. Glasversicherung 571
185. Viehversicherung 572
186. Rückversicherung 573
XIV. Agenturgewerbe.
187. Agenturgewerbe 573
XV. Verschiedene Geschäftszweige.
188. Musikinstrumente 582
189. Sprechmaschinen 588
190. Oummiwaren 588
191. Asbest 591
192. Elfenbeinhandel und -Verarbeitung 592
193. Knopffabrikation 592
194. Luxus-, Galanterie- und Kurzwaren 594
195. Photographische Bedarfsartikel 595
196. Filmbranche 597
197. Spielwaren 599
198. Verbandstoffe 601
199. Uhren 602
200. Wissenschaftliche Instrumente 603
201. Schilderfabrikation 604
202. Stempelfabrikation 606
203. Christbaumschmuck 606
204. Schmirgelfabrikation 608
Spezialberichte über Berlins
Handel und Industrie.
Zusammengestellt aus Mitteilungen hervorragender
Vertreter der einzelnen Geschäftszweige.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II.
I. Pflanzliche Rohprodukte und Fabrikate.
A. Landwirtschaftliche Rohprodukte.
1. Getreide.
Im ersten Bande dieses Jahrbuchs ist bereits in großen
Zügen eine vorläufige üebersicht über die Entwicklung des
Getreideliandels gegeben worden. Im folgenden soll der Verlauf
des Getreidegesohäfts in Spezialberichten eingehender dargestellt
werden, denen wir einige statistische Uebersichten voranstellen.
Die Welternte in Getreide betrug in den letzten drei Jahren
in Millionen Tonnen (je 1000 kg) nach Beerbohm:
Tab. 1. Welternte in Getreide (in Millionen Tonnen).
1911 1912 1 1913
Weizen
Roggen
Gerste
Hafer
Mais .
94.101
101.035
108.926
43.105
50.245
48.830
30.833
32.797
35.192
56.722
67.998
69.571
82.726
105.626 1
86.557
An der Zunahme der "Weizenernte im Jahre 1913 war
besonders Rußland beteiligt, wie andererseits auch der Rück-
gang der Roggen ernte in erster Linie auf Rußland zurück-
geführt werden muß. Es ist allerdings zu beachten, worauf
in den Spezialberichten noch mehrfach hingewiesen wird, daß
die Zahlen der russischen Ernten angesichts der Tatsache, daß
der russische Export in den letzten Jahren nicht im Einklang
mit seinen angeblich großen Ernten stand, mit einer gewissen
Vorsicht aufzunehmen sind. An der Mehrproduktion in Gerste
und Hafer ist nach den statistischen Ausweisen ebenfalls Ruß-
land in erster Reihe beteiligt. Der Rückgang der Maisernte
hat seinen Grund in einem bedeutenden Ausfall der nordameri-
kanischen, daneben auch der argentinischen Ernte. Die Mais-^
ernte der Vereinigten Staaten, die im Jahre 1912' 365 Mill.|
■Quarters (a 217,7 kg) betragen hatte, belief sich im Jahrei
1913 auf nur 285 Mill. Quarters.
Die deutsche Getreideernte der drei letzten Jahre wird
dxirch folgende Tabelle illustriert, in der auch die Erträge
einiger anderer wichtiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit-
enthalten sind:
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. liohprodukte.
Tab. 2. Erntemengen im Deutschen Reich (in
Tonnen).
"
1911
1912
1913
Winterwdzm ....
3 640229
3 908 211
4 112 984
Sommerweizen .
426106
452 413
542 972
Weizen zus.
4 066 335
4 360 624
4 655 956
Winterroggen .
10 727 071
11 462 515
12 061248
Sommerroggen .
139 045
135 774
161146
Roggen zus.
10 866 116
11598 289
12 222 394
Sommergerste
3 159 915
3 481 974
3 673 254
Hafer . . .
7 704 101
8 520 183
9 713 965
Kartoffeln . .
34 374 225
50 209 466
54 121 146
Wiesenheu .
19 975 324
27 681 860
29 184 994
Wiederum zeigen die Ernten bei allen Getreidearten, ins-
besondere bei Hafer, aber auch bei Kartoffeln und Wiesenheu,
Steigerungen und stellen überall Rekordernten dar,. Hinsicht-
lich der Einzelheiten verweisen wir auf die unten folgenden
Spezialberichte,. Wir lassen hier nur eine Tabelle der Ernte-
schwankungen folgen.
Tab. 3. Mehr-(-|-) oder Minder-( — )Erträge der deutschen Ernten
gegen das Vorjahr (in Tonnen).
1911
Weizen . . .
Roggen . . .
Sommergerste
Hafer . . .
Kartoffeln . .
Wiesenheu
+ 205 856
-j- 354 956
-i- 256 977
— 196 275
— 9 094 170
— 8 274 791
1912
1913
+ 294 289
+ 732 173
4- 322 059
+ 816 082
+15 835 241
+ 7 706 536
+ 295 332
+ 624 105
+ 191 280
+ 1 193 782
+ 3 911780
+ 1 503 134
Die Anbauflächen betrugen :
Tab. 4. Anbauflächen im Deutschen Reich (in Hektar).
1
1911 1
1912
1913
Winterweizen . . . . |
1 751 239 i
1 730 251
1746 919
Sommerweizen
222 958 1
195 495
227 179
zus. Weizen .
1 974 197 !
1 925 746
1974 098
Roggen . . .
6135 617
6 268 251
6 413 173
Gerste . . .
1 585 049 i
1 589 773
1654 020
Hafer ....
4 327 701 !
4 387 404
4 438 209
Kartoffeln . .
3 321479
3 341 606
3 412 301
Wiesenheu . .
5 931 198 1
5 920 519
5 923 397
Die Erträge pro Hektar bebauter Fläche weisen, wie Tab. 5
zeigt, überall Steigerungen auf.
Die deutschen Saatenstandsnotierungen sind in folgender
Tabelle 6 angegeben (wobei Nr. 1 sehr gut, Nr. 2 gut, Nr. 3
mittel oder durchschnittlich, Ni^. 4 gering und Nr. 5 sehr
gering bedeuten):
Tab. 6.
Saatenst
Winter -Weizen
Sommer -Weizen
Winter-Roggen
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
April
Mai Juni 1 Juli
Aug.
April
Mai 1 Juni i Juli 1
1911
2.7
2.6
2.5
2.6
2.6
2.6
2.6 2.6
3.0
3.0
2.8
2.8
2.7 i 2.7
1912
2.3
2.5
2.3
2.3
2.4
—
—
2 3
2.2
2.4
2.2
2.6
2.6 2.4
1913
2.7
2.5
2.4
2.5
2.4
2.7
2.7
2.6
2.7
2.7
2.6 2.6
1. Getreide. 5
Die Erträge für den Hektar bebauter Fläche betrugen (in
Tonnen) :
Tab. 5.
Erträge für den Hektar bebauter Fläche (in Tonnen).
1911
1912
1913
1911
1912
1913
Winterweizen .
Sommerweizen .
Winterroggen .
Sommerroggen .
2.08
1.91
1.78
1.16
2.26
2.31
1.86
1.26
2.35
2.39
1.91
1.35
Sommergerste
Hafer
Kartoffeln . . .
Wiesenheu . .
1.99
1.78
10.35
3.37
2.19
1.94
15.03
4.67
2.22
2.19
15.86
4.93
Ueber die Ein- und Ausfuhr von Getreide in den letzten;
dl ei Kalenderjahren geben die folgenden Tabellen Aufschluß:
Tab. 7. Einfuhr in das deutsche
Zollgebiet (in Tonnen).
1911
Weizen .
Roggen .
Gerste .
Hafer . .
Mais . .
2 485 579
613 905
3 636 172
628 308
743 421
1912
2 297 152
315 724
2 969 415
665 935
1 142 459
1913
2 545 959
352 542
3 238 212
505 022
918 645
Tab. 8. Ausfuhr aus dem deutschen
Zollgebiet (in Tonnen).
1911
1912
1913
Weizen. .
315 367
306 489
534 416
Roggen. .
771 330
790 008
933 895
Gerste . .
1830
1156
6 020
Hafer . . .
296 700
383 774
659 887
Mais . . .
42
53
35
Weizen i). •
Das Geschäft in Weizen begann das Jahr 1913 in einer
recht undurchsichtigen Situation,. Die Weizenernten des Jahres
1912 hatten zwar ORekord ertrage gebracht, aber von der F^e
angeblich geernteter Ware war bis zum Beginn des Januar
noch verhältnismäßig wenig z'u spiliiren gewesen. Zwa*r hatte Nord-
amerika ansehnlich exportiert, und befeionders Kanada erwies siöh
bei Beginn des Berichtßjalires noch recht leistungsfähig. Dagegen
ha,tte bis dahin Rußland in überraschrnder Weise veraag't, indem
seine eigenen Inlandszufuhren, wie infolgedessen ,auch isein Export,
sich in unerwartet engen Grenzen hielten,. In den deutschen
Konsumgebieten waren die Zufuhren gleichfalls nirgends dem
geschätzten Umfange der Ernte entsprechend, so daß man auf
•der einen Seite in dem Glauben war, es noch überall mit
oToßen unsichtbaren Beständen zu tun zu haben, während
1) Nach dem Bericht des Vereins Berliner Getreide- und Produkten-
händler (ebenso für Roggen, Gerste, Hafer, Mais und den Mehl- und
Kleiehandel).
Weizeu.
Geschäftslage
am Jahres-
anfang.
tierungen.
Sommer-Roggen
Sommer- Gerste
Hafer
Kartoffeln
April ; Mai
Juni Juli
Aug.
April
Mai 1 Juni
Juli
Aug.
April
Mai 1 Juni | Juli | Aug.
Mai
Juni
JuU
Aug.
^ept
ai
)13
— 2.5
2.5 2.7
2.4 2.3
2.6 2.6
2.7
2.4
2.6
—
2.4 2.4
— 2.2
— 2.4
2.5
2.1
2.4
2.5
2.2
2.4
—
2.6
2.6
2.4
2.5
2.9 2.9
2.5 2.7
2.8 2.5
—
2.6
2.7
2.7
2.5
2.6
2.7
3.0
2.8
2.5
3.5
2.6
2.6
6 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodukte.
andererseits die tatsächliche Knappheit der Versorgung eine
Unsicherheit und Zweifel erzeugte, ob diese vorausgesetzten
großeji Reserven in der Tat sich noch in erster Hand befänden.
Die Folge davon war, daß die geschäftliche Unternehmungs-
lust sich in außergewöhnlich schwacher Weise betätigte, und
daß der einmal vorhandene Preisstand, der sich schon in den
letzten Monaten des Vorjahres nicht erheblich verändert hatte,
auch bei Beginn des Berichtsjahres jgeringen Schwankungen
unterlag.
Januar. Daß Jahr hatte für Mailieferung mit 208 Mk. begonnen, und
am 6. Jan., als dieser Preis bis auf 210 Mk. gestiegen war, wurde
Julilieferung zum erstenmal mit 211 gehandelt. Am 16. Jan.
waren die Notierungen für Mai auf 213V4, für Juli auf 214i/4 ge-
stiegen und gingen dann bis zum
Mai Juli September
1. Februar auf . . . 209V2 2IOV4 2033/, M.
zurück. Die hiesigen Bestände von Weizen betrugen am Jahres-
anfang 6152 t, wovon ein Teil bei der vorhergegangenen Dezember-
abwicklung in den Besitz hamburgischer Firmen übergegangen war
(und von diesen auch bezogen wurde. Dadurch verringerten sich,
obwohl die Januarzufuhren des Platzes nicht unerheblich waren,
die Vorräte bis zum l.Pebr. auf 3509 t, wovon ein Teil den Mühlen
gehörte. — Die zeitweisen Friedensaussichten füi^ den Balkan
waren gegen Schluß des Januar infolge des Abbruchs der Verhand-
lungen wieder in Frage gestellt. Indessen hatte man sich an jene
Verhältnisse insoweit im Handel gewöhnt, daß sie einen ernsteren
Einfluß immer nur für den Fall ausübten, daß sie mit einer Hin-
einziehung von Großmächten in die Wirren drohten, wie dies im
späteren Verlaufe des Jahres vorübergehend der Fall war.
^ebruar Vorläufig entnahm man dem ewigen Hin und Her der poli-
tischen Balkannachrichten keine Anregung weiter, und da auch
sonst eine solche im Laufe des Januar mangelte, so waren die
Preisschwankungen im Februar sehr gering und bewegten sich
innerhalb folgender Grenzen:
Mailieferung Juli September
ün Februar . . 208— 2IOV4 210— 212V2 2033/4— 206Vo M.
Inzwischen hatten sich durch die kräftig in Gang gekommenen
LanPlata -Verladungen und durch die australische Ausführ im
Verein mit nordamerikanischen Leistungen die Weltverschiffungen
von Weizen für Europa stark entwickelt, ohne daß dadurch aber
ein Druck auf die Tendenz veranlaßt worden wäre. Denn
Europa, dessen Bestände infolge der vorhergegangenen schwachen
Ankünfte und geringen eigenen Ablieferungen überall nur klein
waren, zeigte sich außerordentlich aufnahmefähig, wozu haupt-
sächlich der große Bedarf des südlichen Europas beitrug. Ueber-
I
1. Getreide. 7
dies lagen zu dieser Zeit manche Besorgnisse wegen der indischen
Ernte vor, die im Februar England zu vermehrten Käufen aller
Provenienzen Anlaß gaben. Auch gingen slidrussische Müller bei
dem Mangel an geeignetem inländischen Material zeitweilig ^um
Bezug von La-Plata -Weizen über. Inzwischen hatten sich im
Februar m Deutschland die AYeizenablieferungen kräftig gehoben,
Die bessere Waxe wurde fortgesetzt von Exporteuren zur Erfüllung
bereit-s gemachter Verschlüsse und zur iBildung von Vorräten aufge-
nommen, während das geringere Material schwieriger Unterkomtnen
fand. Die Preisdifferenz zwischen dem letzteren und der Aus-
landsware war so erheblich, daß die inländischen Müller sich
mehr und mehr darauf beschränkten, mit dem eroheimischen Ge-
wächs, wenn auch auf Kosten der Güte des Mehls, allein auszu-
kommen. Die Folge hiervon war eiu sehr geringes Geschäft der
Importeure, die wohl selten im Weizenhandel so schwache Tätigkeit
zu entwickeln in der Lage waren, wie im Laufe des Februar und
des März.
Im März stellte sich die Ernte Indiens als sehr gToß heraus. März.
Das war für England ein geschäftlich abschwächendes Moment
und bot dem Einflüsse des andauernd geringen russischen Exports
eiu Gegengewicht. Der Balkan, der politisch nicht zur Ruhe
kommen wollte, brauchte viel Mehl und Hafer und nel>en anderen
Lieferanten beteiligte sich auch Deutschland an der Erfüllung
des dortigen Bedarfs. Frankreich bedurfte laufender Zufuhr,
und ebenso war das Geschäft nach unseren anderen Absatzgebieten
nicht Unerheblich. Indessen hatten sich in den Händen der
Händler im Laufe des Februar und der ersten Hälfte des März
ziemliche Vorräte angesammelt, während die Ermittlungen des
deutschen Landwirtschaftsrats auch die am 1. März noch bei den
Landwirten vorhandenen Weizenmengen als recht umfangreich
bezifferten. Das gleiche ließ sich auch von Hen amerikanischen
Beständen am 1. März sagen, die mit 156 Millionen Busheis
gleichfalls eiuen ziemlich ansehnlichen Vorrat bei den Farmern
darstellten. — Die Saaten hatten überall gut überwintert, und
mit Begion des März setzte hier auch die Feldbestellung allgemein
ein, ;wodurch allmählich die vorher groß gewesenen Zufuhren
langsam nachließen. Unter dem Einfluß dieser verschiedenartigen ,
in ihrer Wirkung auf den Preisstand aber auseinandergehenden
Faktoren, verkehrte der hiesige Lieferungsmarkt bei leichten
Schwankungen und ruhigem Verkehr auf ungefähr gleicher Preis-
lage wie vorher. Jedoch zeigte sidi insofern eine ziemlich be-
stimmte Tendenz, als für September lieferung die Preisbewegung
leicht nach oben ging, wahrend Mai sich nur eben behauptete,
wodurch der Deport nachließ. Die Preise standen
Mai
Juli
September
ara 1. März . .
. . 2O8V4
22OV4
2041/4 M.
. 31. „ . .
. . 20874
2IIV4
2O6V4 r,
8 I. Pflanzl. Rohpix)dukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
nachdem zeitweilig die Niotierimgen im Laufe des März um
ca. 2 ]\Ik. .angezogen hatten.
Apiii. Inzwischen ging der Abfluß un&eres Weizens naoh dem Aus-
lande regelmäßig auch im April fort. Zum Teil bewirkten die
rentablen Notierungen des Pariser Terminmarktes vermehrte An-
käufe von Seiten der französischen Importeure und Terminabgaben
seitens deutscher Arbitrageure. Es wurden später zur Abwicklung
dieser Verbindlichkeiten wiederholt ansehnliche Mengen unseres
Weizens nach Frankreich ,gesandt, wo sich aber manche nicht als
kontraktlich erwiesen und (den Absendern große Verluste brachten.
Die andauernden französischen Käufe wirkten auch auf den Ber-
liner Lief erungsmarkt ein, z'umal inz^vischen das Angebot Sachsens,
welches seither neben Schlesien das Exportmaterial geliefert
hatte, beträchtlich im Schwinden war. Außerdem spielten die
^laiengagements hier eine Holle, denn es bestand kein Zweifel
darüber, daß die Exporteure hier auf Ablieferungen warteten,
während man keineswegs wußte, ob sich bei der anderweitigen
Ablenkung der besseren Ware ein genügender Zustrom nach
Berlin finden würde. Immerhin bezog sich die Preissteigerung
im Laufe des April weit mehr auf Juli- als auf Mailieferung,
weil man für lerstere mit einer vermehrten Knappheit von In-
landsmaterial rechnete. ' Dagegen zog Herbstlieferung nur wenig
im Preise an, da sich im Saatenstande bis zum Schlüsse des April
alles recht gut angelassen hatte und gleich günstige Feldstands-
berichte auch vom gesamten Auslande vorlagen. Die Preise
stiegen bis zum
Mai Juli September
28. April auf . . . ! 213V4 219V4 2O8V2 M.
Zum Teil hing diese Festigkeit auch mit dem fortgesetzten
Bedarf dei' Balkanländer wie überhaupt Südeuropas für Weizen
und noch mehr für Melü zusajnmen, wobei beim Weizenmehl
wie Eoggenmehl gerade die deutschen Marken den Hauptabsatz
fanden. Ganz besonders ,aber machten sich die um Mitte April
nacli vorher warmer Temperatur eintretenden und sich
wiederholenden starken Nachtfröste bei jener festen Tendenz
fühlbar, da sie einen Teil der Obstblüten vernichteten und mit
der hierdurch schwindenden Aussicht auf niedrige Obstpreise die.
Situation des Getreidehandels für den Sommer fester beurteilt
werden konnte. Auch ,am Weltmarkt war gleichzeitig die Hal-
tung ziemlich fest gewesen, da England, das vorher sich bei seinen
Anschaffungen gegenüber der festländischen Kaufkonkurrenz
wenig vorgedrängt hatte, p.un kräftiger zugriff, als sich die
bisherigen, ziemlich ansehnlichen Abladungen Argentiniens
schneller als erwartet infolge der südeuropäischen Käufe verteilt
hatten und die argentinischen Forderungen jetzt lebhaft stiegen.
1. Getreide. 9
Im ersten Teil des Mai änderte sich die Situation. Die überall Mai.
glänzende Entwicklung der Saaten hatte besonders in Amerika
die Tendenz verflaut. , Von besonderer Bedeutung war der Um-
schlag der Tendenz in Frankreich. Auch dort ging die Ver-
flauung von der Besserung des vorher zum Teil nicht günstig
beurteilten Saatenstaiwies aus. Auch hatte man sich mit den
ausländischen Ankäufen wohl etwas übernommen, und nachdem
man einige Zeit mit weiteren Anschaffungen pausiert hatte,
wurden vorher für Frankreich gekaufte Ladungen am Weltmarkt
wieder ausgeboten, und ebenso kam deutscher Weizen verschie-
dentlich zur Zurückhandlung, w^eil der Pariser Markt durch alle
jene Verhältnisse [und durch größere Andienungen deutschen
AVeizens verflant war. Die hierdurch bewirkte, allgemein rück-
gängige Tendenz, übertrug sich auch auf den Berliner Lieferungs-
markt, weil infolge des plötzlichen Stockens des Exports und
angesichts der französischen Flaue die Exportfirmen zunächst
nicht, wie vorausgesetzt, hier die Mai-Andienungen aufnahmen,
sondern ihre früheren Käufe izum Teil wieder weiter gaben.
Gleichzeitig wurde das inländische Angebot nun etwas reich-
licher, und besonders von Schlesien, das vorher schon recht
leistungsfähig gewesen war und im Jahre 1912/13 mit die besten
Qualitäten hatte, kam wieder reichliches Material heraus. Da,
überdies jetzt auch von Rußland und von der Donau recht
günstige Saatenstandsberichte einliefen und man glaubte, daß
dies die vermeintlich 'zurückgehaltenen russischen Ueberschüsse
nun doch in größerem Umfange könne zum Export gelangen
lassen, so ließ alles dieses die Berliner Lieferungspreise bis Mitte
des Monats fühlbar zurückgehen. Die niedrigsten Mainotierungen
waren am 9. Mai
Mai Jnli September
205 2IIV2 204 M.
womit die Preise gegen den letzterwähnten Stand vom 28. April
um über 8 Mk. für vordere Monate, um 41/2 für September zurück-
gegangen waren., Hiernach trat indessen wieder eine Befestigung
ein, denn die Flaue Frankreichs ebenso wie seine E-üokregulierun-
gen waren schnell überwunden. An "weiterem Bedarf dieses
Landes war nicht zu zweifeln, und im Auslande machte sich
bereits ein starkes Nachlassen der Leistungsfähigkeit Argen-
tiniens fühlbar. Bei uns waren allmählich die Forderungen für
guten inländischen Weizen erheblich gestiegen, und wenn sich
auch von Schlesien weiter kaufen ließ, so erschwerten die hohen
Preise doch neue Export-Abschlüsse. Nach obiger Abschwächung
ging die hiesige Preisrichtung eine Zeitlang wieder aufwärts, denn
die Abwicklung^ der Mailieferung bedingte noch das Heranziehen
mancher Ware und vielfaehe Deckungen, so daß
Mai Juli September
am 27. Mai 2IIV4 214V4 206 M.
10 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
bezahlt wni^den. Damit war aber das durch Ware noch un-
gedeckte Engagemeiit erledigt; da zuletzt mehr Ware zur Hand
wiar als gebraucht wurde, so folgte der hiesige Markt wieder den
inzwischen eingetretenen verflauenden Einwirkungen, die von
unseren Saatenstandsberichten und vom Weltmarkt ausgingen.
Der Mai schloß füx die Jaufende Sicht mit 204V2, für Juli
mit 211, für September mit 2033/4 Mk.
Juni. Der Juni brachte bei uns zeitweise große Hitze, dio die
Saatenentwicklung schnell vorwärts trieb, Nvodurch aber die
Schiffahrtsverhältnisse beeinträchtigt und die Frachten gesteigert
wurden. Späterhin zeigte dieser Monat aber wechselnde Witte-
rung, die im allgemeinen für die Saaten als vorteilhaft aufgefaßt
wurde. Dabei war das Wetter in den verschiedenen Gegenden
Deutschlands nicht gleichmäßig, und man konnte besonders vom
Osten vielfach Klagen hören. Die früheren Besorgnisse wegen
der Haltbarkeit unseres Weizens hatten sich speziell, was den Ber-
liner Bestand anbetraf, nicht bestätigt, während allerdings aus
der Provinz vielfach das Gegenteil berichtet wurde. Berlins Vor-
räte hatten sich bis zum 1. März auf 4966 t, am 1. April auf
7262 t, am 1. Mai auf 8812 t erhöht, um bis 1. Juni auf 7004 t
zurückzugehen, waren also fortdauernd sehr mäßig. Die Ten-
denz während des Juni war zwar wechselnd, aber doch überwiegend
seihwach, was sich aber allein für die Julisieht zum Ausdruck
brachte, indem deren Deport gegen September, der bei Beginn
des Juni nocb. 7 Mk. betrug, bis zum Schlüsse dieses Monats
vollständig verloren ging. Die Ursache hierfür lag hauptsächlich
in der unerwartet lange andauernden Leistungsfähigkeit
Schlesiens, dessen Material bis zum Schlüsse der Saison unseren
Händlern zur Verfügung stand, während demgegenüber die Aus-
fuhrnachfrage allmählich nachgelassen hatte. Die Vorräte hatten
sich im Laufe des Juni wieder bis auf 9281 t vermehrt, auch
bestand die Möglichkeit zu [weiteren Bezügen, während hier
weder Müller noch Exporteure große Neigung zur Abforderung
ihrer Juliverschlüsse hatten und sie zum großen Teil am Markt
wieder beglichen. Dabei hatte Herbstlieferung aber ihren Wert-
stand kaum verändert, da dieser in sich vorläufig einen genügen-
den Widerstand bot und vielfach zu Käufen veranlaßte, die den
oft zahlreichen Abgaben des Inlands Aufnahme verschafften. Die
Preise waren:
Juli
September
Oktober
Dezember
am 2. Juni .
. 211V4
204V4
204V.,
205 M.
« 27. „ .
. 2023/4
203
204
204V2 „
^öii- Der Beginn des Juli drückte für die laufende Sicht den Preis
noch einige Mark weiter, imd die vereinzelten, gegen Schluß des
Juli nocli herauskommenden Deckungen, die dann wieder höhere
Preise anlegen mußten, hatten keine Bedeutung. Für Herbst-
1. Getreide.
11
lieferung gab sioh zeitweise festere Tendenz kund. Die Witte-
rimg wap." im- Jlili unbeständig und kühl geworden, so daß
man einer Verzögerung ider Ernte entgegensah. Die vielen Hegen
besserten allerdings die Schiffahrt und ließen die hohen Frach-
ten sinken. Am politischen Horizont aber tauchten neue,
schwerere Wolken als bisiher auf infolge des Eingreifens Eu-
mäniens in die Balkanwirren und der wachsenden Besorgnis, daß
Oesterreich nun doch werde zufassen müssen. Während diese
Verhältnisse bei uns die Situation wiederholt befestigten, kamen
vom Weltmarkt überwiegend flaue Berichte. Die bereits unter
Dach befindliche Winterweizenemte der Vereinigten Staaten
hatte so kolossale Erträge ergeben und drängte so frühzeitig zum
Markt, daß die Amierikaner nach .allen Riöhtungen hin ihren
Kansas- Weizen zu nachgebenden Eorderungen in großen blassen
verkauften. Das brachte am gesamten Weltmarkt rückgängige
Bewegung, zumal von überall her gute Ernten achrichten eintrafen.
Die Preisschwankungen im hiesigen Lieferungsmarkt während
des Juli hatten sich bewegt für:
Juli September Oktober Dezember
zwischen 2OOV4— 209 " 2021/2—2051/2 2031/4— 206 203V4— 2063'^ M.
Der Beginn unserer Weizenernte im August erfreute sich
teilweise befriedigenden Wetters, das aber dann sehr bald un-
beständig und im Laufe des Monats für die Qualitäten verhäng-
nisvoll wurde, als die längere Zeit hindurch sich täglich wieder-
holenden Üegen mit sehr warmer Temperatur zusammentrafen.
Es entwickelte sioh dadurch an manchen Tagen eine förmliche
Treibhausluft, die besonders den Auswuchs in unseren diesjähri-
gen Qualitäten zu einer unliebsamen, aber weit verbreiteten Er-
scheinung machte. Am besten war die Einheimsung des Weizens
in der Provinz Sachsen und in Schleswig-Holstein davon-
gekommen, und deren Qualitäten lieferten nun auch zunächst das
Hauptmaterial für die bald wieder kräftig einsetzende Export-
bewegung.
Hatte schon der August durch die starken Ausfulirleistungen
XordanoLcrikas und durch die wachsend günstigen Aussichten auch
der kanadischen Ernten matte Tendenz aufgewiesen, so verstärkte
sich diese im September noch mehr, als die vorläufigen Schätzun-
gen für unsere eigene Ernte hohe Ziffern brachten, und als sich
von Nordamerika her allmählich eine wachsende Konkurrenz
zwischen dem kanadischen Manitoba- Weizen und den Offerten
der Union in einer beträchtlichen Ermäßigung der Forderungen
fühlbar machte. Diese Konkurrenz erstreckte sich bis zum Monat
Oktober^ in dem die Angebote des Kansas- Weizens weniger reich-
lich wuirden und seine Preise sich so viel höher als die für Mani-
toba stellten, daß sie diesem in der Hauptsache das Feld über-
ließen. Die Vereinigten Staaten hatten indessen schon vor dem
August.
September.
12 I. Pflanzl. Eohpix)dukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Beginn der kanadischen Leistungen sehr große Massen an den
A^''eltmarkt abgeführt und vorverkauft, denn man hatte drüben
schon frühzeitig den Wettbewerb Kanadas befürchtet. Die Kon-
kurrenz des billigen Kansas-Weizens hatte zunächst die Lage
unseres Exportgeschäftes einigermaßen schwierig gestaltet, und
für den sächsischen Weizen fiel auch der Wettbewerb des billi-
geren schleswig-holsteinischen Weizens ins Gewicht. Daher
drängte das Angebot von Sachsen- Weizen in verstärktem Maße
an Hen Berliner Markt und veranlaßte seine Besitzer hier zu größe-
ren Lieferungsabgaben. Die Berliner Bestände waren sehr klein
geworden, denn nachdem sie noch zum Beginn des Juli 9281 t
betragen hatten, waren sie bis zum 1. Aug. auf 4849 und am
1. Sept. auf 2417 t zusammengegangen. Die gleiche Erscheinung
zeigte sich im ganzen Lande, da durch das teilweise ungünstige
Etutewetter und durch die verzögerte Grebrauchsfertigkeit der
neuen Ernte überall die Üeste des alten Weizens aufgezehrt
wurden. Dieser Vorgiang machte sich besonders im Osten fühl-
barer als bei uns, und während einiger Zeit des Herbstes war es
rentabel, von Berlin Weizen per Bahn nach Westpreaßen zu
schicken. Dazu hatte es allerdings erst der kräftigen Zufuhren
des sächsischen Weizens bedurft, die nunmehr im September zur
Erledigung der Septemberverbindlichkeiten und für weitere An-
sprüche in, größeren Mengen erfolgten. Die Andienungen wurden
hier schlank aufgenommen, jand die Bestandsstatistik verzeidhnete
am 1. Okt. hier einen Vorrat von 9596 t. Diese Ziffer blieb aber
wahrscheinlich noch hinter der Wirklichkeit zurück, denn von
den hier im Laufe des September eing'etroffenen fast 20000 t
war fast nichts zum Versand gelangt, und die hiesigen Mühlen
hatten schwerlich volle 12 000 t, deren Nach^veis fehlt, ver-;
arbeitet. Einen Ausgleich brachte dann die Bestandsstatistik vom
1. (Nov., denn obwohl im Laufe des Oktober die Einfuhr und
Ausf uhi' Berlins! sic'h fast die Wage hielten, hatten die Bestände
am 1. Nov. von 11 924 t noch weiter einen Zuwachs von rund
2000 t gegenüber dem 1. Okt. aufgewiesen. Die Zufuhren Sach-
sens hatten mit den großen Septemberlieferungen hier ziemlich
ihr Ende erreicht; üunmehr gingen sie in wachsendem Umfange
zum Export, da der schleswig-holsteinische Weizen nur einen
beschränkten Ucberschuß bot und im Verlaufe auch in seinen
Preisen anzog.
Oktober. Die Preisbewegung des hiesigen Marktes hatte im Septem-
ber wie im Oktober eine scharfe Abwärtsrichtung angenommen.
In dieser Zeit hatten wir es neben den amerikanischen Leistun-
gen auch mit ungewöhnlich billigen Offerten Nordrußlands zu
tun, die unserem Ausfuhrgeschäft eine scharfe Konkurrenz
maciliten. Gleichzeitig drückte aber in unserem Lande die große
Ernte der sehr billigen Kartoffeln, indem durch den starken
1. Getreide. lo
Mehrverbrauch von Speisekartoffeln der Konsum an Brotgetreide
sichtlicli. eingeschränkt "wurde. 'Wir hatten einen Preisstand:
September Oktober Dezember Mai
am 1. August .... 202% 2O2V4 203 207 M.
„ 1. September . . I98V2 1993/4 2OOV4 205 „
„ 30. September ... 194 I931/4 1963/4 2O2V4 «
„ 17. Oktober ... — I8IV2 l^b^U 193V2 „
Der niedrigste Jahresstand war einige Tage darauf für Dezember
ISöVi, für Mai 192V4, worauf dann eine zunä<ihst auch nur mäßige
Erholung folgte. Dieser scharfe Rückgang der Preise hatte für
den Weizenhandel ein ganz neues Preisniveau geschaffen, wo-
bei die Abwärtsbewegung wohl zunächst etwas über das Ziel
hinausgeschossen war, ohne daß aber dadurch die Unternehmungs-
lust für das Weizengeschiäft nennenswert angeregt worden wäre.
l^SL'CiiL den von allen Seiten eingelaufenen Nachrichten hatten November-
war es am gesamten Weltmarkt mit ungewöhnlich großen Ernte- ^^^^
erträg<en zu tun, die auf eine Ueberproduktion an Weizen hin-
wiesen. Das lähmte jede spekulative Tätigkeit, und wenn trotzdem
im letzten Teile des Jahres der scharfen Abwärtsbewegung eine
mäßige Erholung folgte, so war dies zum Teil wohl den bald nach-
lassenden Ablieferungen unserer Landwirte zuzuschreiben, die
infolge des bis zum Jahresschlüsse anhaltenden milden Wetters
ilire Leute so ausgiebig für die Arbeiten auf dem Felde ge-
brauchten, daß sie zu weiterem Ausdreschen des Getreides keine
Zeit! mehr gewannen. Noch mehr als dieser Umstand wirkten
aber die Nachrichten aus Argentinien auf die Tendenz ein. Nach
den ersten Nachrichten hatte man in den La-Plata-Staaten ebenso
wie überall eine sehr große Ernte erwartet. Je mehr aber die
dortige Entwicklung vorschritt, desto mehr hörte man Klagen
aus verschiedensten Teilen des Landes, und alsi dann im Dezember
die Einheirasung erfolgte, war es klar, daß man es gegenüber
dem Vorjahre in. Argentinien mit einem fühlbaren Defizit zu
tun hatte. Dieser Umstand blieb um so weniger ohne Eindruck,
als man bis dahin durch die russischen Leistungen außerordent-
lich enttäuscht war. Von der angebliöh phänomenalen Ernte Ruß-
lands waren wohl bis zum Jahresschlüsse 5 (bis 600 000 t mehr als
gleichzeitig im Vorjahre zur Ausfuhr gelangt, aber das blieb
weit hinter den Erwartungen zurück, da im vorigen Jahre ein
anormal kleiner Export gewesen war, und für solche Ernten wie
Rußland diesmal angeblich gewonnen hatte, wesentlich stärkere
I^eistungen vorausgesetzt werden mußten. Alles diesesi im Verein
mit einer wachsenden Exporttätigkeit Deutschlands führte die
Preise wieder allmählich in die Höhe, ohne daß sich aber bei der
schon erwähnten mangelnden Unternehmungslust die Besserungen
bis zum Jahresschlüsse voll hätten behaupten können. Wir hatten
oben im Oktober notiert:
14 I. Pflanzl. Kohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
den billigsten Jahresstand mit .
Der Preis war am 1. November
im Dezember zwischen . . .
und schloß am 31. Dezember .
Dezember
Mai
. 185V4
192V4 M
. 187V4
1953/4 .
193
2OIV4 .
. 188—195
195V2-200 „
195
1951/2 V
Qualität der
neuen Ernte.
Ausfuhr.
Preise.
Dieser Dezemberschlußpreis war nur ein vereinzelt am Ultimo
bezahlter Kurs gewesen. Vorher lag zwischen dem Dezember- und
Maipreise ein Report von 5 Mk.
Eine bemerkenswerte Erscheinung war die Tatsache, daß,
abgesehen von den schon erwähnten guten sächsischen und schles-
wig-holsteinischen Qualitäten, die Mehrzahl unserer deutschen
Provenienzen nach der Ernte La wenig befriedigender Ware an
die Märkte drängte, wiährend dann gegen Jahresschluß auch viel
guter Weisen herauskam. Am auffälligsten war dieses l>ei dem
schiesischen Material, das bis zum November ein Noli me tangere
für unsere Exporteure war. Gegen Jahresschluß zeigte sich dann
aber auch so viel guter schlesischer Weizen, daß unsere Aus-
fuhrfirmen die Einladungen von Weizen an der Oder wieder
aufnahmen.
Das Hauptabsatzgebiet für unseren deutschen Weizen bildete
im verflossenen Jahre Frankreich. Dieses nahm mit 250000 t
fast die Hälfte des deutschen Jahresexportes auf; sehr viel und
weit mehr als im Vorjahre ging auch nach Dänemark, Belgien und
Holland, während der diesjährige Absatz nach Italien, der in
1912 eine so erhebliche Rolle gespielt hatte, teils wegen der guten
italienischen Ernte, teils wegen unserer für eine weite Seereise
weniger zuverlässigen Qualitäten nicht viel mehr als den vierten
Teil des 1912er Quantums erreichte.
Die höchsten und niedrigsten Preise der verschiedenea Liefe-
rungssichten waren in den einzelnen Monaten für AVeizen in Mark
pro 1000 kg:
Tab.
Berliner Lieferungspreise für Weizen rin m. pro t.)
Monat Mailieferung Julilieferung
Jan. .
Febr. .
März .
April .
Mai .
Juni
JuU .
August
Sept. .
Okt. .
Nov. .
Dez. .
•208,— -213,25
208,-210,75
207,25-210,50
207,75-233,25
204,50-212,-
204,75-208,50
202,25-207,75
192,25-202,50
194, — 201,25
195,50-200,-
September-
lleferuug
Oktober-
lieferung
Dezember-
lieferung
210,—
210,—
210,—
210,75-
211,50-
202,75-
200,25-
196,—
197,75-
214,251
212,50;
212,75:
219.25!
217,501
211,751
209,-1
203,50
202,25
203,75-
203,75-
203,50-
205,75-
203,50-
203,—
202,50.
198,—
194,—
206,50;
208,—'
208,501
207,50
205,75
205,50
204,75
202,50
204,25-
203,7.5-
203,25-
199,50-
195,50-
181,50-
207,75! 204,.75-
205,751204,—
206,—: 203,25-
204,75! 199,50.
206,— 196,75-
203,25 185,25.
185,75.
' 188,-.
206,—
206,50
206,75
205,—
203,25
196,50
193,50
195,—
Deutschlands Einfuhr und Ausfulir an Weizen und Weizen-
mehl (letzteres umgerechnet zu Weizen) betrug während des
Emtejahres vom 1. Aug. bis 31. Juli in Doppelzentnern:
. 1. Getreide. 15
1910/n 1910/12 1912/13
Einfuhr an Weizen 27 320 611 23 665 507 27 692 181
„ Weizenmehl .... 262496 246172 281433
zusammen 27 583 107 23 911679 27 973 614
Ausfuhr an Weizen 5 413 404 5 654 299 6 165 514
„ Weizenmehl .... 2623090 2091520 2652957
zusammen 8 036 494 7 745 819 8 818 471
Netto-Einfuhr 19 546 613 16 165 860 19155143
Deutschlands Eiafuhr und Ausfuhr an Weizen und Weizen-
mehl (letzteres umgerechnet zu Weizen) betrug vom 1. Aug*ast
bis 31. Dezember, also in der neuen Saison, in Doppelzentnern:
1911 1912 1913
Einfuhr an Weizen 11586 626 12 713 331 12 824 337
„ Weizenmehl. . . . 116 958 126 333 150 492
zusammen 11703 584 12 839 664 12 974 829
Ausfuhr an Weizen 2 530 643 1746 439 3 145 890
„ Weizenmehl . . . 950 309 1 145 296 1 367 684
zusammen 3 480 952 2 891735 4 513 574
Netto-Einfuhr ........ 8222632 9947929 8461225
Roggen. Koggen-
Koggen-
Roggen eröffnete das Jahr hier wie auch in der Provinz mit bestände.
(knappen Vorräten in den Händen des Handels, weil bis dahin die
Ablieferungen der Landwirte unerwartet schwach gewesen waren
und der Export große Mengen fortgenommen hatte. Das Jahr
hatte hier mit einem Bestände von 7288 t begonnen, wovon ein
größerer Teil den Mühlen gehörte, während die Vorräte, welche
sich auf den Mühlenlagern selbst befanden, in den Bestand-
ziffern nicht enthalten waren. Zunächst fand der Bedarf
mäßige Befriedigung durch die Bahnankünfte, bis dann
Igegen Ende Februaj? die Wasserzuftdir begann und eine recht
ansehnliche Frühjahrsflotte nach hier führte. In den ersten
Monaten zogen Hamburg und die Ostseeküste ziemlich viel Bahn-
material für die Ausfuhr und für den Veorsand nach Westdeutseh-
land an sich und lenkten damit viel Ware von hier ab. Auch
von den im Winter eingeladenen Eoggenmassen ging ein ansehn-
licher Teil nach den Häfen, doch blieben auch für hier so reich-
liche Mengen übrig, daß die Bestände, die am 1. März nur 5214 t
betragen hatten, am 1. April sich auf 20 915 t ansammelten. Das
Greschäft in Ladungen war im ganzen während der Winter-
monate recht schwierig gewesen, da man hier der Haltbarkeit
der AVare mißtraute und Qualitätsgarantien verlangte, die die
Ablader nicht eingehen wollten. Daher fanden viele Ladungen
erst auf ihrer Fahrt nach Berlin nach Besicht einen Käufer,
während manche Ladungen noch unverkauft naöh hier kamen.
Die Preisbewegung war unter leichten Schwankungen während
16 I. Pflaiizl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
des ersten Quartals und auch noch im April abwärts <^erichtet,
Bis dahin hatte Kußland mit seinen Offerten zurüökgehaltea
und seine Forderungen führten nach dem Rhein und dem Aus-
lande bis zum Beginn des Jahres nur zu kleinem Geschäft. All-
mählich kam aber im Laufe des 1. Quartals Rußland etwas mehr
heraus und wurde in seinen Forderungen nachgiebiger. Wenn
damit audi ein Rendement für uns nicht eintrat, so machte der
Ru&senroggen doch am Rhein und a.'m Weltmarkt unserm Material
Konkurrenz und erschwerte dahin zeitweise neue Abschlüsse.
Mit dem Beginn der Feldarbeiten ließen aber dio zeitweise recht
kräftig gewordenen Angebote der Provinzen nach und der Bedarf
begann schon im April von dem kaum angesammelten großen
hiesigen Lager wieder zu zehren, so daß der 1. Mai mit 16 728 t
einen um 4000 t verminderten Bestand gegenüber dem 1. April
antraf.
janaaT-Juni. Das Jahr hatte hier im Lieferungsgeschäft für Mai mit
einem Preise von 173V4 Mk. begonnen, der für den ersten Jahres-
nionat auch der billigste blieb. Im Laufe des Monats erhöhte sich
dieser zeitweise um 5 Mk., als durch die Ejiappheit der greifbaren
Ware und durch die Abneigung der Mühlen, sich ihren Bedarf
durch' Fmh Jahrsladungen zu decken, verstärkte Nachfrage für
Mallieferung eintrat. Im Februar hegann ein langsamer Rückgang
durch die wachsenden Angebote und Lieferungsabgaben des In-
landes, so daß im Februar der Maikurs auf 171 V* Mk. zarückgiag.
Im März stand dieser, immer nach vielfachen Söhwankungen,
auf 168, im April auf 165V2 Mk., mit welchem Preise hier die
Mailieferung einsetzte. Dabei hatte sich durch die Ansammlung
jder großen Warenmengen und durch! das schwierige Geschäft
in greifbarem Material ein Report von Mai auf Julisicht von
4 — 5 Mk. herausgebildet, der im Laufe des Mai vorübergehend
noch weiter stieg. Von den Maiandienungen ging ein Teil an die
Mtüilen tmd manche besonders g-uten Ladungen wurden auch von
Exporteuren übernommen. In der Hauptsache ging aber der Roggen
auf Reportlager und so befanden sich am 1. Juni noch 15 953 t
am hiesigen Platze, War es bis dahin besonders die schlesische
Ware gewesen, die bei durchschnittlich nicht unerheblichem An-
gebot verhiältnismäßig die besten Qualitäten geliefert hatte, und
daher während des Winters und fortlaufend im Frühjahr zu
ansehnlichen Einladungen an der Oder von den Exporteuren be-
nutzt worden war, so machte sich nun auch für den im Früh-
jahr aus den Mieten frisch gedroschenen Roggen von der Warthe
und Netze hier mehr Begehr geltend. Ein großer Teil des Warthe-
und Netzeroggens war während der Saison von der östlichen
Exportmüllerei aufgenommen worden und in den besseren Sorten
nach der Küste gegangen, so daß auöh dort bei gleichzeitiger Ver-
sorgung des östlichen Inlandsbedarfs die Emtevorräte sich bereits
stark gelichtet hatten. Im Juni wurde die Zufuhr unseres Platzes
1. Getreide. 17
knapp und der hiesiges Bestand mußte mit größeren Posten aus-
helfen, so daß Berlins Vorrat sich am 1. Juli nur noch auf 9135 t
belief. Der Bedarf war bei unsern Mühlen ziemlich' beträchtlich,
denn es hatte sich im ersten Semester bereits frühzeitig ein an-
sehnlicher Exportbedarf von Mehl nach Südeuropa, besonders auch
nach dem Balkan, und nach unseren gewöhnlichen Absatzgebietön
eingestellt, an welchen die Berliner Müllerei mit größeren Mengen
beteiligt war. Auch hatte schon früh im Jahre ein kräftiger Ab-
zug deutschen Eoggens von Posen, Schlesien und Preußen über
die russisch-polnische Grenze eingesetzt. Dort hatten die Be-
strebungen wegen Einführung- eines russischen Importzollesi all-
mählich greifbare Gestalt gewonnen, und die polnischen Mühlen
und Händler sahen sich dadurch veranlaßt, ihre ohnehin schon
ansehnlichen Bezüge deutschen Koggens noch zu verstärken und
sieb' durch Schaffung von Vorräten gegen plötzliche Ueberraschun'
gen zu sichern. Dieses Moment spielte während des ganzen weiteren
Jahresverlaufes für unser Geschäft eine wichtige Polle. All-
mählich war der inländische Roggen knapp geworden. Die Ernte
vom Jahre 1912/13 war zwar quantitativ außerordentlich um-
fangreich gewesen, aber die Qualitäten waren seinerzeit durch
die Witterung zum Teil derart verdorben worden, daß nicht un-
erhebliche Mengen der vorletzten Ernte in den Futtertrog wander-
ten. Daher wurde den Mühlen in der Provinz schon im Juni das
Material vielfach außerordentlich knapp, und im Juli war es be-
reits eine ansehnliche Zahl von Mühlen, die aus Mangel an lloh-
material ihren Betrieb einstellen mußten. Der Bedarf wandte sich
daher anch dem hiesigen Lager nunmehr weiter kräftig zu,
indem die Berliner und benachbarten Mühlen daraus vieles ent-
nahmen, während gleichzeitig hiesige Ware audh über Hamburg
und Stettin zum Export nach Schweden und an die Müllerei der
genannten Häfen ging.
Zuerst legte man auf die Knappheit wenig Gewicht, da juii- Dezember,
im' Juli jeder Tag die neue Zufuhr bringen sollte. Allein die
Ernte hatte schon nicht sonderlich früh eingesetzt, da kühles
und feuchtes Wetter die Reife etwas verzögert hatte, und dem-
nächst hinderte die unbeständige Witterung auch ein zeitiges
Dreschen der im Juli ein;£^efahrenen Ware. Ein großer Teil
Ider deutschen Roggenernte fand erst im August statt und kam
somit in jene Periode der ebenso nassen wie warmen Witterung,
wodurch auch bei einem ansehnlichen Teile des Roggens die
Qualitäten wieder empfindlichen Schaden nahmen. Die Juli^
Andienungen hatten hier schon bei Beginn des Monats gute
Aufnahme gefunden und hatten sich schnell verteilt,' so daß
bei der wachsenden Knappheit greifbarer Ware die Preise hier-
für merklich stiegen. Für Juli war noch Decouvert geblieben,,
das die Interessenten durch neue "Ware zu erledigen gehofft,
hatten. Da sie sich hierin getäuscht sahen, so mußten^ sie ent-
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. IT. 2
18 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodukte.
Sprech ead dem hohen Werte der alten AVare Rückkaufspreise
bis zu 1791/2 Mk. anlegen. Gleichzeitig hatten auch die Herbst-
preise sich bis zum Beginn der vierten Juliwoche wesentlich'
erhöht^ teils infolge der Witterung und der Besorgnisse für die
Ernte, teils im 'Anschluß an die neuen politischen Beunruhi-
gungen. Die Koggenpreise notierten für Lieferung
Juli
September
Oktober
Dezember
am 1. Juli . .
. . 166
169
170
171 M.
„ 21. „ . .
. . 177
173
1733/,
1741/4 „
Gleichzeitig: war die Loconotiz bis 23. Juli auf 174 bis-
176 Mh' gestiegen und es wurde auch noch über diese Notiz für
greifbare Ware bezahlt. Während der Julipreis sich bis zum'
Schlüsse des Monats hoch hielt und mit 179 Mk. endete, war
■für Herbst im letzten Teile des Juli ein Rückschlag infolge der
schön gewordenen Witterung und des Nachlassens der politischen
Spannung eingetreten. Die Erstlinge der neuen Ernte kamen
in kleinen Partien Ende Juli an den Markt, wo sie z^vischen
166 und 169 Mk. erzielten, also ungefäjir den Herbstpreis.
Die Vorräte Berlins hatten sich bis zum 1,. Aug. auf 1961 t
vermindert, die meist den Mühlen gehörten, so daß eigentliche
disponible Ware nur noch vereinzelt zur Hand war. Das schöne
Wetter beim Schlüsse des Juli hielt auch im August noch
einige Zeit an, so daß ein nicht unerheblicher Teil der Roggen^
ernte unter günstigen Bedingungen gesichert wurde. Ein anderer
kam, wie schon erwähnt, mit in den ungünsti_gen 'Witterungs;-
teil des August, so daß die diesjährigen Qualitäten verschieden^
artig wurden, zumal auch in den einzelnen Distrikten unserer
Produktionsgebiete die Witterung nicht gleichmäßig und teil-
weise schon früher als bei uns regnerisch War,. Die Natural^-
gewichte des neuen Roggens erwiesen sich zum Teil als hoch
und man erhoffte davon eine schnelle Entwicklung des Exportes.
Zunächst ging diese Hoffnung aber nicht in erwartetem Um-
fange in Erfüllung, weil im Auslande Rußland als Verkäufer
aufgetreten war und yieil bei ;uns durch das Zusammentreffen
der Ernten aller Getreidearten der Landwirt zunächst wenig
Zeit zum Dreschen hatte. Dabei war 'die Preisentwicklung von
der letzten Juliwoche an durchschnittlich in den nächsten
Monaten abwärts gerichtet; erst im [November kam sie zum
Halt, um dann das erlangte neue Preisniveau bis zum Jahres-
schlüsse innezuhalten, wobei eine schließliche Aufbesserung von
keiner besonderen Bedeutung war,. Es war aber nicht immer,
die an die Märkte kommende Ware, welche während der neuen
•Saison fortlaufend auf die Preise drückte, sondern vielmehr
das allgemeine Bewußtsein einer sehr großen, die vorjährige
noch übersteigenden Ernte in unserem Lande. Sobald unsere
1. Getreide. 19
Landwirte während und nach der Ernte etwas Luft bei den
Arbeiten bekamen, gingen sie kräftig daran, ihren E-oggen zu,
dl eschen und verkaufsfertig zu machen,. Es waren sicherlich'
sehr große Mengen, die im Laufe der letzten Jahresmonate in
tden Konsum und zum Versand gelangten. Aber durch die voll-
ständige Erschöpfung der Vorräte aus alter Ernte bei den
Mühlen und an den Stapelplätzen war überall ein so erheb-
licher Bedarf vorhanden, daß die neuen Zufuhren schnell im
ganzen Lande aufgesogen wurden, so daß man den Eindruck
von sonderlich großen Ablieferungen kaum zu irgendeiner Zeit
hatte. Hierzu trug auch der Umstand bei, daß man im ganzen
Lande ungefähr die gleichen Preise zahlte. Immerhin kamen
nach Berlin per Bahn im August und September ziemlich an-
sehnliche Mengen, so daß auch für die Septemberandienung
hini eichend Ware zur Verfügung stand, die in der Hauptsache
von einer Mühle aufgenommen wurde. Die am 1. Aug. von
verkäuflicher Ware fast geräumt gewesenen Berliner Bestände,
die damals nur noch 1961 t enthielten, waren am 1. Sept. auf
6871 t und am 1. Okt. auf 15 817 t angewachsen. Die Preise
waren für Lieferung
Sept.
Okt.
Dez.
Mai
am 1. August . . .
„ 1. September . .
„ 1. Oktober . . .
. I68V2
. I633/4
169
I653/4
158^4
I691/2
167V2
163V2
172 M.
I7IV2 .V
1673/4 „
Die Verhältnisse im Eoggengeschäft unseres Landes waren Neue Ernte,
wählend der ersten Zeit nach der Ernte sehr unregelmäßig,
Schlesien hatte eine quantitativ enorme Ernte gewonnen, abier
die Witterung hatte dort einem Teil der Ernte so übel mit-
gespielt, und die lange sich hinziehende Nässe die Brauchbarkeit
der Ware so beeinträchtigt und die Zuführen so stark ver-
zögert, daß diese Provinz trotz ihrer reichen Ueberschüsse ge-
zwungen war, noch im Oktober von anderen Gegenden unseres
Landes zu beziehen. Das Königreich Sachsen bekundete um
jene Zeit auch kräftigen Zufuhrbedarf, und von Posen kam
verhältnismäßig wenig Angebot heraus. Letzteres erklärte sich
allerdings zum Teil durch die eigene große Exportmüllerei dieser
Provinz, die jetzt weit mehr als früher die eigene Produktion
verarbeitet und in ziemlichem Umfange an unserem Mehlexport-
geschäfte beteiligt ist.
Die Ausfuhr von Roggenmehl war sehr stark, denn nach Ausfuhr,
dem Balkan, ging fortgesetzt Material. Viel größer aber war der
Abfluß nach dem Norden, in erster Reihe nach Einnland, das
wohl auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zollsperre
über laufenden Bedarf deutsches Mehl importierte. Ebenso war
aber auch der Bedarf Norwegens größer als sonst, und auch
2*
20 I. Pflanzl. Eohprodukte usw. A. Landwirtsch. llohprodukte.
nach Frankreich hatten wir beträchtlichen Roggenmehlabzug
neben der sehr ansehnlichen Roggenausfuhr dahin. Portdauernd
am siäiksten blieb der Eoggenabfluß nach den russischen Grenz-
provinzen, die, je näher zum Jahresschluß, um so mehr von
imseiem Roggen bezogen. Denn die neuen Gesetzentwürfe waren
vom Ministerrate der Duma zugegangen. Die Zollvorschläge
für Rußland und Finnland waren hierin getrennt und ver-
schieden, so daß eine Einführung des Zolles für Rußland selbst
für den Fall in Sicht kam, daß für Finnland, infolge der
Handelsvertragsverpflichtungen, zunächst die Eingangszölle
nicht durchgesetzt werden konnten.
Mit dem Beginn der Feldarbeiten im Oktober und der
gleichzeitigen Kartoffel- und Rübenernte, die diesmal größere
Ansprüche als sonst an die Arbeitskräfte stellten, ließen die
Roggenablieferungen der Landwirte wieder nach, und das in
Berlin am 1. Okt. auf 15 817 t angewachsene Lager war bis
zum 1. Xov. wieder auf 8727 t zurückgegangen. Auch am
1. Dez. hatte es sich bei einem Bestände von 8202 t wenig
verändert, und gegen Jahresschluß zeigte es mit 10 213 t auch
keinen besonderen Umfang, zumal ein ansehnlicher Teil davon
einer hiesigen Mühle gehörte, die die Dezemberandienungen auf-
genommen hatte. Die schon im Oktober fühlbar gewordene
Knappheit der Zufuhren schwand auch während des Restes des
Jahres nicht ganz und trug zur Stütze des ermäßigten Preis-
niveaus bei. Im allgemeinen iwar in den letzten Monaten das
Berliner Lieferungsgeschäft ziemlich ruhig geworden. AVenn auch
Mühlen sich hier gegen ihre Mehlversohlüsse deckten, und die
Expoi teure ebenso wie die Einfuhrfirmen auf Grund von
russischen Anschaffungen sich beteiligten, so bot doch das er-
mäßigte Preisniveau für die inländischen Interessenten weniger
Anreiz, diesen Preis für ihre Ware sich noch durch Lieferungs-
abgaben zu sichern, und auch die Landwirte hatten nach den
Preisrückgängen des letzten Quartals sichtlich wenig Eile, ihren
Besitz fortzugeben. Sie nutzten ihre Arbeitskräfte bei der
milden Temperatur bis zum Jahresschlüsse zu den Feldarbeiten
aus und verschoben vielfach den Ausdrusch auf eine spätere
Zeit des Winters. Man nimmt daher auch an, daß die Vorräte
in erster Hand durchschnittlich beim Jahresschluß noch recht
groß gewesen sind. Die Notierungen waren für Lieferung
Dezember Mai Juli
am 1. November .... 157 V4 I62V4 —
„ 1. Dezember löTV* I633/4 165V2 M.
„ 31. „ 1571,2 I6O3/4 I62V2 V
Preise. Die höchstcu Und niedrigsten Preise im Berliner Lieferungs-
handel waren im Jahre 1913 für Roggen in Mark pro Tonne:
1. Getreide.
21
Tab. 10. Berliner Lieferungspreise für Roggen (in Mk. pro t).
Monat
Jan.
Febr
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Mailieferung
173.25-178.—
171.75-176.50
168.— 173.25
165.50-170.50
165.— 169.75
169.75-172.50
166.50-172.50
162.— 168.25
160.— 165.25
160.25-164.50
Julilieferung
September-
lieferung
174.25
173.
170.25
169.75
170.—
166.50
165.75
-178.25
-177.25
-175.-
-174.50
-174.—
-170.50
-179.50
167.25-170.25
167.25-172.—
168.— 171.25
166.25-169.75
168.— 173.—
163.25-169.—
159.— 166.-
162. — 165.50! —
Oktober-
lieferung
Dezember-
lieferung
167. — 170.25
168.75-173.75
165.50-169.50
158.50-167.50
158.— 160.—
169.50-
166.75-
169.—
166.50-
163.—
157.75-
153.50-
154.50-
171.75
171.50
174.25
169.75
168.50
164.50
159.—
160.50
Die Einfuhr- und Ausfuhrbewegung üieutsohlands wälireiid
der zwölfmonatigen, vom 1. Aug. bis 31. Juli reichenden Saison
betrug in Eoggen und Eoggenmehl (umgerechnet zu Eoggen)
nach den Zahlen des Gesamthandels in Doppelzentnern :
Einfuhr 19L0jll 1911/12 1912/13
an Roggen 7 067 492 3 767 741 2 847 922
„ Roggenmehl . . . . . . . 22 006 19 920 14 932
zusammen 7 089 498 3 787 661 2 862 854
Ausfuhr
an Roggen 7 545 588 8 535 850 8 648 471
„ Roggenmehl . . . . . . . 2 454 787 2 157 141 3 270 462
zusammen 10 000 375 10 692 991 11918 933
Einfuhr gegen Ausfuhr . . . . — 2 910 877 — 6 905 330 — 9 056 079
Die Einfuhr- und Ausfuhrbewegung Dieuts'chlajids iWährend
ider fünf Monate seit Beginn der neuen Saison vom 1. Aug. bis
31. Dez. betrug an Eoggen und Eoggenmehl (umgerechnet zu
Eoggen) nach den Zahlen des Gesamthandels in Doppelzentnern :
Einfuhr 1911 1912 1913
an Roggen : . 1710 638 1186 316 1984 102
„ Roggenmehl . . . . . . . 7 741 6 000 6 345
zusammen 1718 379 1192 316 1990 447
Ausfuhr
an Roggen 4 823 138 4 338 540 5 061287
„ Roggenmehl . . . . . . . 1084 733 1432 594 1538 644
zusammen 5 907 871 5 771134 6 599 931
Einfuhr gegen Ausfuhr . . . . —4 189 492 —4 578 818 —4 609 484
Gerste.
la) Braugerste.
Die diesjährige deutsche Gerstenemte war qualitativ besser
und quantitativ größer als die Gerstenemte im Vorjahre. Während
sie im Jahre 1912 überall unter Eegen stark zu leiden hatte, so
Braugerste.
22 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
daß man aQnehmen mußte, daß nur ganz geringe Mengen als Malz-
gerste verwendbar sein würden — diese Ansicht hat damals die
bei einer verhältnismäßig großen Ernte enorm hohen Preise ver-
ursacht — war die diesjährige Gerstenernte im allgemeinen vom
Wetter mehr begünstigt, und nur ein Teil von Schlesien und Posen
hatten unter andauerndem Eegen zu leiden. Dagegen konnten Ost-
und Westpreußen, Brandenburg, Pommern ihre Gersten bei
besserem Wetter bergen. Daher hat die 1913er Gerste im allge-
meinen eine helle Farbe, weniger Eiweiß- und W^assergehalt als
die Gerste von 1912 und eine große Keimfähigkeit; Auswuchs
gehört zu den Seltenheiten. AVahrend die Brauereien im Jahre
1912 Gersten mit 11 — 12 o/o Eiweißgehalt kauften, können sie im
Jahre 1913 einen Eiweißgehalt von nur 9 — 11 o/o beanspruchen.
Durch die Trockenheit und Armut der Gersten an Eiweiß ist auch
die Ausbeute von im Höchstfalle ca. 78 o/o im Jahre 1912 bis auf
oa. 80 o/o in 1913 gestiegen. Die Gerstenpreise waren noch im
Dezember 1912 sehr hoch. Man zahlte damals Preise bis zu 230 Mk.
pro t. Als sich aber herausstellte, daß bei einigem Zurück-
schrauben der Ansprüche immer größere Quantitäten braufähiger
Ware an den Markt kamen, bröckelten die Preise immer mehr ab.
Um die Jahreswende 1912/13 kostete Grerste nur noch ca. 200 Mk.
pro t, um im Verlaufe von Januar-Mai 1913 bis auf 175 Mk.
pro t herunterzugehen. Der Preis ist also im Verlaufe der Kam^
pagne um ca. 50 Mk. pro t gewiehen, eine Tatsache, die wohl
vordem sehr selten zu beobachten war, die aber dem regulären
Geschäfte kolossalen Schaden zufügte. Es ist sicher, daß sogar
große Posten braufahiger Ware am Ende der Malzkampagne zu
Putterzwecken verkauft werden mußten ; einige Brauereien legten
sich 2ni dem niedrigen Preise alte Gersten für die neue Malz-
kampagne hin. — Die neue Ernte 1913 brachte in der Mark gute
Qualitäten und Erträge; man nahm daher an, daß das niedrige
Preisniveau des Endes der vorhergehenden Kampagne in 3.ie neue
übernommen werden würde. Die Landwirte hatten aber noch
die hohen Preise, die sie in der Vorkampagne erhalten hatten, im
Gedächtnis imd wollten nicht zu den ihnen gebotenen Preisen ver-
kaufen. Es wurden zuerst wenige Posten feine Gersten nach
Thüringen und dem Hhein gehandelt ; Berliner Brauereien und auch
Sachsen hielten sich zurück, und erst Ende August und Anfang
September entwickelten sich in märkischer Ware größere Ab-
schlüsse zu Preisen von 185/195 Mk. pro t; zu diesen Preisen wurde
von den Brauereien ein ziemlicher Teil ihres Bedarfes gedeckt.
Die oben angeführten Preise hielten sich mit kleinen Schwankungen
bis zum Ende des Jahres. Wenn auch das Angebot in Braugersten
gleichmäßig groß blieb, denn die Erdruschresultate waren größer
als man annahm, so blieb wirklich feine Gerste nach wie vor
begehrt; es machte sich immer mehr der Ausfall von Schlesien
und Posen geltend. Im Osten, besonders in der Provinz Schlesien,
1. Getreide. 23
hatte die Gerste auch zum Teil ein gutes und ausgebildetes Korn,
aber die gerade in der Erntezeit einsetzenden starken und an-
haltenden Itegengüsse bei \varnier Temperatur ruinierten sehr
viel Material, so daß die Gerstenernte von 1913 außerordentlich
große Mengen von Tutterware durch den vielfach der Gerste
anhaftenden Geruch brachte. Die Preise für die Braugerste des
Ostens gingen für die geringere W^ure bis auf 165 Mk. herab. —
Das Geschäft in ausländischer Braugerste war sehr gering, da die
in Betracht kommenden Länder Böhmen und Mähren verregnete
bunte Gersten mit hohem Eiweißgehalt hatten und nicht mit
den hiesigen guten Gersten konkurrieren konnten. Es wurde da-
her viel Gerste aus der Mark nach dem Rhein und nach Bayern
im Laufe der Saison verkauft, um dort die fehlenden ausländi-
sdhen Gersten 'z!u ersetzen. MäJirische Gersten kosteten bis
215 Mk.
Deutschlands Einfuhr von Malzgerste betrug nach den
Zahlen des Gesamteigenhandels im alten Erntejahre und im bis-
her abgelaufenen Teile der neuen Saison in Doppelzentnern:
1910A1 1911A2 1912/13
1. August bis 31. Juli . . 2 561925 2 057 857 2 820 363
1911 1912 1913
1. August bis 31. Dezember 1 194 662 2 093 086 1 349 304
In den drei letzten Kalenderjahren war die Einfuhr von
Malzgerste in Doppelzentnern:
1911 1912 1913
Gesamteinfuhr . . . 1581919 2124 899 1511449
davon aus
Oesterreich-Ungarn . . 833 459 1 559 208 1 283 335
Dänemark 282 526 226195 173103
Rußland 241799 253 049 44 195
Rumänien 170 525 28 861 5 911
b) Puttergerste.
Dia.s Geschäft in inländischer Futtergerste naJim zeitweise inländische
im Berichtsjahre einen ansehnlichen Umfang an. Einmal wurde Futtergerste,
der Verkehr erleichtert durch den bis zum Ende des Jahres in
Kraft gebliebenen Notstandstarif, der es ermöglichte, besonders
die Warenfülle aus den östlichen Provinzen um ca. 5 Mk. bis
8 Mk. pro Tonne billiger gegen den gewöhnlichen Tarif an den
hiesigen Markt zu schaffen. Andererseits waren es die Wetter-
schäden in unserer Gerstenemte, welche dem Handel in Putter-
ware ungeheure Quanten zur Verfügung stellten. Besonders in
den Provinzen Posen und Westpreußen mußten ganz beträcht-
liche Mengen ihrer "Beschaffenheit wegen dem Putterhandel zu-
geführt werden, weil sie zu Brauzwecken nicht verwendbar waren»
24 L Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Ausländische,
insbesondere
russische und
amerikanische
Futtergerste.
So hatte der hiesige Handel während der ganzen Kampagne in
Qualitäten und den Preisen nach gute Auswahl. Beginnend zu
Anfang der Kampagne mit ca. 160 Mk. pro Tonne frei Berlin,
bewegten sich die Preise je nach Qualität bis zu 130 Mk. pro
Tonne frei Berlin herunter, wobei scharfe Unterschiede gemacht
wurden zwischen den Konditionen ,, trocken" oder ,, nicht
trocken", während auf die Kondition ,, Geruch" weniger Wert
gelegt wurde.
Ebenso wie in allen andern Artikeln hat Rußland den euro-
päischen ^Konsum hinsichtlich der Gerste sowohl in der alten
w4e auch in der neuen Kampagne des Jahres 1913 enttäusöht.
Die aus der Ernte 1912 erwarteten großen Warenmengen blieben
aus^ so daß zu Beginn des Jahres 1913 russische Gerste einen
relativ hohen Preisstand behaupten konnte. Allerdings wurde
die Nachfrage dadurch stark reduziert, daß einmal Deutschland
infolge seiner teilweise minderwertigen Getreidequalitäten seine
Versorgung mit Futter wesentlich billiger anderweitig be-
schaffen konnte, und weil ferner durch den das ganze
Jahr 1913 hinduroh bestehenden ermäßigten Eisenbahn-
tarif gi^pße Miengen Futtergerste aus dem Oöten auf dem
Bahnwege selbst solche Gegenden versorgten, die sonst zum
Impor.t, von, Russengerste auf dem Wasserwege gezwungen
waren. Infolgedessen hielt sich der Gerstenimport andauernd
in engsten Grenzen, und die gelegentlichen Preisschwankungen
blieben beim Handel ohne sonderliche Beachtung. Als Ersatz
für die russische Gerste wurde vielfach die billiger angebotene
amerikanische Gerste herangezogen. Indessen waren die Er-
fahrungen, die man mit dieser Ware machte, recht unbefriedi-
gend., Diese Gerste wurde ohne jede Kontrolle, lediglich auf
ein privates Zertifikat, gehandelt, und die Folge davon war,
daß sie, meistenteils derartig viel Beimischung von Unkraut,
Staub usw. aufwies, daß die Partien vielfach unverkäuflich
waren. Dies War besonders der Fall, als mit dem Heranreiften
ider neuen Ernte in Rußland die Angebote auch in alter Ware
reichlicher wurden und das Preisniveau sich schließlich wieder
normaleren Bahnen zuwandte. Die Aussichten der Gerstenernte
Rußlands wurden von Anfang an günstig beurteilt, und der
Statistik nach soll das Erträgnis das der letzten Jahre weit
hinter sich lassen. Indessen kann man heute hierüber ein Urteil
noch nicht fällen, denn bisher bleiben die Verladungen ziemlich
beträchtlich hinter den Erwartungen zurück. In einer Beziehung
hat RußlaJld schon sehr enttäuscht, und zwar in qualitativer
Hinsicht. Die Berichte hatten glänzend gelautet, die ersten
Muster und sogar auch die allerersten Abladungen hatten be-
züglich der Farbe und des Qualitätsgewichtes alle Erwartungen
iübertroffen. Um so größer war die Enttäuschung, als das Gros
1. Getreide.
25
der Abladungen eine ungesunde Ware, die in ihrer allgemeinen
Beschaffenheit sogar hinter dem Durchschnitt zuruckblieb,
zeigte. Anscheinend haben sich die ilussen der unbrauchbarem
Ware des Vorjahres auf diese Weise zu entledigen gesucht.
Zahlreiche Qualitätsstreitigkeiten mit den Abnehmern im In-
lande waren die Folge, und wiederum war ein Rückgang des
Konsums zu bemerken. Die Spekulation hatte sich mit dem
Herauskommen größeren russischen Angebotes des Artikels be-
mächtigt, und von September an s<jhlugen die Preise eine ab-
steigende Richtung ein, veranlaßt in erster Reihe durch den
Druck der nahen Ware, für die der Absatz im Inlande ver-
sagte. Ende Oktober brach eine Panik am Hamburger
Gerstenmarkte aus, die Preise gingen in wenigen Tagen um
fast 10 Mk'. pro Tonne auf etwas über 90 Mk. zurück, alleri
dings um ebenso schnell auf Einsetzen großer Deckungen den
Verlust wieder zurückzugewinnen. Rußland ist seitdem weniger
dm [Markte gewesen, so daß die Preise allmählich eine Erholung
aufzuweisen haben und zurzeit nur noch etwa 10 Mk. pro
Tonne niedriger stehen als zu Beginn der Kampagne, während
in der vorher erwähnten Baisseperiode ein Rückgang von 30 Mk.
J)ro Tonne zu verzeichnen gewesen Var. Der Konsum bleibt
anhaltend schwach. Auf dem Weltmarkte drücken die niedrigen
Maispreise, in Deutschland die große Inlandsernte und die ge-
ringe Bewertung der heimischen Gersten, auch hält die schlechte
•Qualität der importierten Ware die Kauflust zurück. —
Amerika kommt bei seinen hohen Forderungen diesmal kaum in
Frage, dagegen ist von der Donau manches in schwerer, wenn
auch verregneter Ware nach Deutschland gehandelt worden.
Die Cifpreise waren für 58 bis 59 kg schwere südrussische
Futtergerste :
Tab. 11. Preise für südrussische Futtergerste im Jahre 1913 (in M. pro t).
Abschlußtag
Abladung im
Preis
j Abladung im
Preis
am 2. Januar . .
Januar
139.50
Jan.-April
139.25
„ 1. Februar
,
Februar
140.25
April- Juni
136.—
„ 1. März .
.
März
138.—
April
137.-
„ 1. April .
.
April
132.50
Aug.-Sept.
124.—
„ 2. Mai .
.
i Mai
126.25
1 Aug.-Okt.
121.50
„ 2. Juni .
.
Juni
121.—
Aug.-Okt.
118.25
„ 2. JuH .
.
Juli
119.75
August
118.50
„ 1. August
.
August
119.50
Aug.-Okt.
119.25
„ 1. September .
! September
112.—
Oktober
112.50
„ 1. Oktober . .
i Oktober
113.50
Jan.-Juni
118.—
„ 1. November .
November
105.—
Dezember
107.— ,
„ 1. Dezember .
Dezember
112.50
Januar
113.50
„ 31.
.
1 Januar
112.—
1 April-Juni
112.50
Die im Lokalverkehr bezahlten Futtergerstepreise waren zum
Beginn eines jeden Monats in Mark:
26 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Tab. 12. Berliner Locopreise für Futtergerste im Jahre 1913 (in
M. pro t).
inländische |
russische und Donau
Anfang
mittel u. geringe
gute 1
leichte
schwere
Januar
160-
-180
158—161
162-167
Februar .
161-
-181 !
162—167
—
März . .
152—160
161-170 1
—
—
April . .
; 150—158
159—168 1
—
—
Mai . . .
150—158
159—167 !
—
—
Juni . . .
151—157
158—167
' —
—
Juli . . .
153—157
158—165
145—148
—
August . .
163—167
168-176
145—149
—
September
158-165
166—174
143-146
—
Oktober .
146—156
157—166
137—141
142—148
November .
142—150
151—164
124—130
131—140
Dezember .
' 141 149
150-160
133—136
137-145
31. Dezember
. .
ii 138—146
147—156
133—136
137-145
Deutschlands Einfuhr von Futtergerste betrug in Doppel-
zentnern im Kalenderjahre:
1911
1912
1913
34 779 796
27 569 246
30 870 668
davon aus
Rußland . . .
. 32 773 851
21 443 128
27 613 232
Rumänien . .
. 1 176 014
1 144 598
828 815
Indien . . .
191 119
2 771 542
79 526
Persien . . .
146 186
607 570
76 382
Marokko . . .
242 818
616 687
26
Mexiko . . .
—
347 937
599
Ver. Staaten .
9 498
96 286
1 879 609
Hafer.
Erstes Quartal.
Hafer.
Das Hafergeschäft eröffnete das Jahr in keiner günstigen
Situation. Die Ernte von 1912 hatte zu nicht unerheblichem
Prozentsatz geringe, verregnete und vielfach mit Geruch behaftete
Ware, für die der Verkauf außerordentlich schwierig würde, er-
geben. Dieses Material fand auch in den Provinzen schweren
Absatz, und so wurde viel davon nach' Berlin konsigniert und
mußte hier zu Lager genommen werden. Das drückte auf den
Preis des geringen Hafers, und daher paßte sich bald die Zu-
fuhr mehr dem Bedarfe an. Wie immer im Januar griff der
Konsum, der sich im Dezember im Hinblick auf die Jahresbilanz
mit dem Notwendigsten beholfen hatte, zuerst kräftiger zu, doch
hielt dies nur kurze Zeit an, und wir hatten bald das gleiche
schleppende' Bedarfsgeschäft wie im letzten Teil des Vorjahres.
Die angiebotene bessere Ware wurde zum großen Teil für
den Export genommen, der vom Beginn des Jahres an kräftige
Ansprüche stellte, aber auch weniger gutes Material fand bei
den Exportfirmen in ansehnlichen Mengen Aufnahme. In Söhlesien
erfolgten fortgesetzt größere Einladungen von Durchschnitts-
hafer, die im Vergleich zum hiesigen Mai wert sich nicht teuer
kalkulierten und hier wiederholt Lieferungsabgaben veranlaßten.
Gregenüber dem Druck, der von der Ware hier ausging, wirkten
1. Getreide. 27
die im erstien Quartal sich zeigenden Deokungen und Käufe Ruß-
lands im Lieferungsgeschäft als Stütze. Dieses Land enttäuschte
in seiner Exportfähigkeit; es kaufte hier, mehr noch in West-
europa und am Rhein, frühere Kontrakte zurück, wo man solche
meist mit Abschlüssen von La-Plata-Hafer vertauschte. Immer-
hin war die Tendenz für Mailieferung vom März ab siehtlicih
schwächer und der Preisgang bis zum Mai durchschnittlich nach
unten gerichtet. Zwar fehlte es nicht an manchen stütz>enden
Momenten, zu denen Verkäufe von La-Plata-Hafer nach dem Bal-
kan und darauf hier erfolgende Deckungen gehörten, ebenso
manche politischen Vorgänge. Die Schwierigkeit des Locogeschäfts
verscheuchte hier aber jede Unternehmungslust. Die sehr große
Ernte der Provinz Brandenburg vom Jahre 1912 ließ fortgesetzt
der Kundschaft unserer Händler direkte Zufuhren aus der Naeh-
barschaft zugehen, so daß hierdurch eine Konkurrenz zwischen
den Händlern und den direkt verkaufenden Produzenten der Mark
entstand, die für den Wert des greifbaren LIafers naturgemäß
nicht vorteilhaft sein konnte. Greifbarer Hafer war wesentlich
billiger als derjenige für Lieferung, und allmählich erlitt auch
Lieferungsware einen Preisdruck. Die Provinz ließ gegen ihr
Material Ware verkaufen, ebenso wurde gegen hier eingelagerten
Hafer Mailieferung abgegeben, und so bröckelten die Preise im
Laufe des März um zirka 5 Mk. ab, nadhdem sie schon vorher
zirka 2 bis 3 Mk. eingebüßt hatten. Die Notierungen waren
Sept.
Joco
fein
loco
mittel
Mai
Juli
am 2.
Januar .
. 185-198
169—184
172,50
—
» 1.
Februar .
. 182—200
167—181
173.—
174.75
„ 1.
März . .
. 180—198
163—179
170.—
172.—
„ 1.
April .
. 170—194
156—169
164.75
168.50
„ 1.
Mai . .
. 175—195
165—174
167.25
174.—
169.25
Dem sieh hierin zum Ausdruck bringenden Rückgange der
Ware, mit Ausnahme der knappen ganz feinen Qualitäten, waren
somit die Lieferungspreise wieder nicht voll nachgekommen, weil
die Leistungen Argentiniens an Hafer zunächst nicht den Er-
wartungen entsprachen. Denn zu dieser Zeit ging viel von dem
argentinischen Material nach den Balkanländern und zeitweise
machte sich an den La-Plata-Häfen Kontraktware knapp. Schon
im zweiten Teil des März, mehr aber noch' im April, wurden die
Lieferungen unserer Landwirtschaft infolge der aufgenommenen
[Feldbestellung geringer, und das veranlaßte auch zeitweis-e eine
Erholung des Marktes, zumal die Ausfuhr unausgesetzt ihre An-
sprüche stellte.
Im Laufe des Mai machte aber die Rüekwärtsbewegung neue Zweites
Fortschritte. Das inländische Angebot war, sobald die Feld-
bestellung im März und April erledigt war, sofort wieder stärkeir
herausgekommen und besonders stand Schlesien hierbei im Vorder-
grunde. Der Konsum nahm nur die Mittel- und feinen Sorten
28 I. Pflanzl. Eohpix)dukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
zu niedrigeren Preisen auf, während das geringere Material außer-
ordentlich, schwer unterzubringen war. Neue Ausfuhrgeschäfts
stockten, und wenn auch die Verladungen an den Häfen keine
Unterbrechungen erfuhren, so handelte es sich hierbei doch in
der Hauptsache um die Erledigung früherer Abschlüsse. Die
Provinz hatte noch sehr viel Material, so daß dort die Tendenz
auch schwach lag. Zur Abwicklung des Mai kam hier genügend
Hafer in frisciier Zufuhr und aus den Beständen heraus, so daß
der Schluß des Mai um so schwächer verlief, als noch mehr Kon-
traktware zur Andienung fertig gemacht war, als gebraucht
wurde. Der Mai - Ultimo brachte einen Preisstand von
158V2 Mk. für Mailieferung und 165V4 Mk. für Juli
und September. Im Laufe des Mai waren beträchtlicha
Verschiebung-en insofern eingetreten, als Mai- wie Julilieferung
zirka 9 Mk., September- aber nur 4 Mk. aufgegeben hatte, so daß
der Deport vom Juli gegen September vollkommen geschwunden
war. Zum Teil erklärte sich dies aus dem Druck, den die Fülle
der inländischen Angebote für die vorderen Sichten übte gegen-
über der Stütze, die das um jene Zeit trockene Wetter und die
daraus zeitweise hergeleiteten Besorgnisse für die kommende
Haferernte boten. Im Juni setzte sich die Schwäche für Juli-
lieferung noch weiter fort, und es traten Heports gegen Herb&t
ein. Die in Schlesien geltenden Preise für Durchschnittshafer
ließen Nutzen für Jiili- und Herbstabgaben, woraus die zu den
gewichenen Preisen auch nicht fehlenden Kaufaufträge schlank
befriedigt wurden. Je näher der Juli heranrückte, je größör wurde
der Report, und dieser verschaffte dann den Juliandienungen zur
Lagerung Aufnahme.
Drittes Quartal. Bis dahin waren die Anschauungen über unsere kommende
Haferernte nicht immer zuversichtlich gewesen. Aber je mehr
man sich der Ernte näherte, um so besser entwickelten sich die
Aussichten und bei Beginn des August war man von einer iin-
gevröhnlicli guten Ernte bereits voll überzeugt. Sieht man von
einem Minderertrage in der Provinz Sachsen, Brandenburg und
auch dem geringeren Ergebnis Mecklenburgs ab, so ersvies sich
die neue Ernte in unsern Bezugsgebieten noch' wesentlich größer,
als vorausgesetzt war. Sie übertraf in Deutschland nach der
späteren endgültigen Ermittlung weit jeden früheren Rekord.
Leider brachte die nasse, zeitweise von sehr warmer Temperatur
begleitete Witterung des August eine starke Schä,digung der
Qualitäten. Ein Teil der Ernte war noch bei befriedigendem
Wetter unter Dach gebracht worden, der größere Teil aber erlitt
durch die Einflüsse der Nässe starke Einbuße in der Farbe und
sonstigen Qualität, und besonders fühlbar machte sich die weit
verbreitete Erscheinung des Auswuchses. AVir bekamen es hier-
durch in der neuen Saison mit einer außerordentlichen Ver-
schiedenheit der Qualitäten zu tun. Zunächst natürlich suchtenj
1. Getreide. 29
die Landwirte den minderwertigen Hafer zu verkaufen, und da
die Vorverkäufe meist mit der Bedingung gut und g'^esimd er-
folgt waren, so erledigte sich kaum ein Gesicliäft ohne Diffe-
renzea, und es waren zum Teil sehr hohe Vergütungen, die für
die Ablieferungen bezahlt werden mußten. Die Qualitätsnot be-
herrschte auch weiter das Geschäft der neuen Saison und brachte
dem Verkehr ungewöhnliche Schwierigkeiten.
Allmählich kam aber auch das bessere Material aus der neuen
Ernte zum Angebot. Hatte schon das Emtejahr 1912/13, also
die Zeit vom 1. August 1912 bis ^31. Juli 1913, eine Ausfuhr
von 7 Mill. dz gebracht, womit der Export früherer Jahre
(von 1911/12 und von 1910/11 je zirka 4,4 Mill. t) gewaltig
übertroffen war, so gewann das Exportgeschiäft, nachdem es in
der ersten Zeit nach der Ernte mangels entsprechender Quali-
täten zusammengeschrumpft war, auch im neuen Ernte jähre
bald wieder eine ganz bedeutende Ausdehnung, und die für
die ersten fünf Monate der neuen Saison, vom 1. Aug., bis
31. Dez., verzeichnete Gesamtausfuhr an Hafer betrug 2,8 Mill.
Doppelzentner gegen 2,3 bzw. 1,8 Mill. in der gleichen Zeit von
1912 und 1911. In erster Linie ging, wie im Vorjaht^e, der Export
nach Großbritannien und Frankreich. Der Grund für die starke
Ausfuhr lag hauptsächlidh in dem geringen Export Rußlands,
das in dem Erntejahr 1912/13 nur 750000 t Hafer exportiert hatte
gegen 905 000 bzw. 1 560 000 und 1 201 000 in den vorhergegangenen
drei Jahren, damit also die gleichzeitige deutsche Ausfuhr von
701 000 t diesmal nur wenig übertraf. In den ersten fünf Mo-
naten der neuen Saison, August bis Dezember 1913, Find von Ruß-
land wieder nur 308 000 fc ausgeführt worden gegen 460 000,
511300 bzw. 708 000 gleichzeitig 1912, 1911 und 1910.
Die neue Saison hatte hier für frischen Hafer zu ungefähr
denselben Preisen eingesetzt, mit denen der alte bezahlt wurde,
dnfolge der neuen schlechten Qualitäten, die zuerst heraus-
kamen, mehrte sich dann die Nachfrage nach altem Material
und das hiesige Lager davon räumte sich sehneil. Während am
1. Aug. noch 10 600 t hier lagerten, wurden am 1. Sept. nur
hoch 5683 t gezählt, teils disponierte, teils schlechte Ware, die
erst demnächst aufgenommen wurde. Besonders fühlbar machte
sich der Umstand, daß Schlesiens Haferernte unter der Ungunst
der Wetterverhältnisse am meisten gelitten hatte, da diese
Provinz mit die Hauptzufuhr Berlins zu stellen pflegt. Längere
Zeit hindurch kam von Schlesien fast nur geringwertiges
Material; von den schlesischen Haferladungen mußte vieles zur
Bearbeitung erst zu Lager genommen werden, und im Liefe-
rungshandel wurden frühere September-Abgaben die gegen Ein-
käufe schlesischer Durchschnittsware gemacht waren, zurück-
gedeckt. Dadurch erfolgten wiederholt Befestigungen, die aber
nie lange anhielten. Denn die Ueberzeugung, daß neben den
30 I. Pflanzl. Eohprodukte usw. A. Landwirtsch. Kohprodukte.
zunächst allein den Markt beherrschenden unkontraktlichen ge-
ringen Qualitäten die erste Hand auch gutes Material besaß,
ferner daß Rußland zeitweise im Herbst williger wurde und
vorübergehend auch Donauhafer als neue Konkurrenz auftrat,
lähmte immer wieder die Unternehmungslust, und die vom
Inlande herauskommenden Abgaben im Zeitgeschäft drückten
auf die Preise.
viertesQuartai. Im letzten Quartal gingen die Preise langsam weiter zurück,
wenn auch manche Erholungen erfolgten und besonders das
durch die Feldarbeiten zeitweise bewirkte Nachlassen der Zu-
fuhren stützte. Auch in Schlesien zeigte sich allmählich besserer
Hafer; die dortige sehr reichlich angebotene Durchsöhnittsware
hatte Preise, die zu der hiesigen Mai-Notierung nicht unerheb-
lichen Nutzen boten. Und wenn es auch dahingestellt bleiben
»mag, ob jene Durchschnittsware hier lieferbar war, so ver-
anlaßte sie doch Mai-Abgaben zur Preissicherung und trug
mit dazu bei, daß die Schlußpreise des Jahres auch ungefähr
die niedrigsten des Jahres waren. — Die Berliner Platzvorräte
an Hafer waren !zti keiner Zeit sonderlich umfangreich gewesen.
Sie betrugen:
am 1. Januar .
. 6 560 t
am 1
August .
10 600 t
„ 1. Februar .
. 5 795 t
September
5 683 t
,. 1. März . .
. 6 034 t
Oktober .
10 244 t
„ 1. April . .
. 10 954 t
November
7 566 t
,, 1. Mai . .
. 8 692 t
Dezember
8 771 t
,, 1. Juni . .
. 10 337 t
., 31.
Dezember
9511 t
,, 1. Juli . .
. 11 520 t
Die höchsten und niedrigsten Preise waren im Berliner
Lieferungsgeschäft in Mark pro 1000 kg:
Tab. 13. Berliner Lieferungspreise für Hafer im Jahre 1913 (in M. pro t).
Monat
Mailieferung 1 JuUlieferung i September- Oktober-
1 1 lieierung | heierung
Dezember-
lieferung
Jan. . .
170.75-175.—
173.75-176.751 173.— 1 _ ^ —
Febr. . .
170.— 173.50
171.75-175.— _ i _ _
März . .
163.25-170.25
165.50-172.25
— — 1 —
April. .
164.25-170.75
168.25-176.50
166.— 169.— — —
Mai . .
158.50-168.75
165.25-174.25
164.75-169.50i — —
Juni . .
—
160.50-165.25
162.50-169.-
164.50-169.25i 167.50-170.—
Juli . .
171.25-173.25
160.25-166.50
165.25-169.—
166.— 169.75 167.25-171,50
Aug. . .
168.25-171.75
—
162.75-166.50
165.— 167.— 165.25-168.50
Sept. . .
164.50-169.25
—
158.— 165.—
158.75-164.50 161.75-166.75
Okt. . .
160.75-166.25
—
—
155.50-158.50i 157.25-162.50
Nov. . .
159.— 163.25
—
—
— 153.25-158.—
Dez. . .
156.75-160.50
-
—
—
150.25-153.75
Die Loconotizen des Prühmarkts, die die Verkaufspreise
der Händler darstellen, und die Looonotierungen an der Mittags-
'böise, die die Einkaufspreise repräsentieren, waren in Mark
pro 1000 kg:
1. Getreide.
31
Tab. 14. Locopreise am Frühmarkt und an der Produktenbörse in Berlin
für Hafer im Jahre 1913 (in M. pro t).
am Frühmarkt \
an der Mittagsbörse
'
! feiner
mittlerer
feiner
mittlerer
am 2. Januar . . .
188-204
171—187
185 - 198
169-184
,, 1. Februar
186 204
170-185
182-200
167-181
„ 1. März .
183—202
166—182
180-198
163-179
,. 1. April .
174-197
163-173
170-194
156-169
„ 2. Mai . .
180-198
169—179
175-195
165—174
,, 2. Juni
i 176—195
165—175
171-191
- 161—170
., 1. Juli .
173-185
162-172
167-183
158—166
„ 1. August
177-191
166-176
172-187
163—171
,. 1. September
176-190
168-175
172-185
164-171
., 1. Oktober .
172-187
162-171
169-182
158-168
„ 1. November
174—189
169-173
171-179
155-170
., 1. Dezember
170-186
156-169
168-176
152-167
Ein Bild von den in der Saison" 1911/12 zur Verfügung
gewesenen Hafermengen zeigt sich, an folgender Aufstellung.
Es hatte in den vom 1. Aug. bis 31. Juli laufenden ErntJe-
jahren betragen:
1910/11
die Haferernte 7 900 376
die Einfuhr . . . 808 738
zusammen 8 709 114
ab Ausfuhr 439 236
Demnach stand zur Verfügung '. 8 2ö9 878
1911/12
7 704 101
644 317
8 348 418
441 998
7 906 420
1912/13
8 520 183 t
840 409 t
9 360 592 t
701 046 t
8 659 546 t
Somit war trotz der starken xlusfuhr in der Saison 1912/13
im Vergleich zu den beiden letzten Jahren ein ungewöhnlich
großes Quantum im Lande geblieben, bei dessen Bewertung
man jedoch auch die zu großem Teil schlechten Qualität-en
in Betracht ziehen muß.
Die Situation für das neue Erntejahr 1913/14 stellte sich
nach den fünf Monaten vom 1. Aug. bis 31. Dez. wie folgt dar:
1911 1912 1913
die Haferernte 7 704 101 8 520 183 9 713 965 t
die Einfuhr . . . 262 695 422 665 158 038 t
zusammen 7 966 796 8 942 848 9 872 003 t
ab Ausfuhr . . . 183 633 236 905 282 802 t
blieben im Lande 7 783 163 8 705 943 9 589 201 t
Mais.
Das Hauptproduktionsland für Mais ist Nordamerika.
Es erzeugt mit zirka 70 Mill. t und darüber ganz erheblich
mehr als alle anderen Länder zusammengenomtaen, ohne indessen
mehr als einen verhältnismäßig winzigen Bruchteil hiervon
dem Weltmarkte zur Verfügung zu stellen. Immerhin ist im
Jahre 1913 der Ausfall der nordamerikanischen Ernte ein Haupt-
faktor für die Preisbildung auf dem Maismarkte gewesen. —
Die Ernten des Jahres 1912 und des Jahres 1913 stehen in
Mais.
Ernten.
Ausfuhren.
32 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
einem schroffen Gegensatz zueinander. 1912 hatte einen Rekord-
ertra^: erbracht, und dementsprechend setzte mit dem Beginn
des Jahres 1913 — die ersten Zufuhren von amerikanischem!
Mixed-Mais pflegen um die Weihnachtszeit in Deutschland ein-
zutreffen — ein lebhaftes Geschäft auf einem relativ niedrigen
Preisniveau ein, das nur teilweise durch die damals recht hohen
Ozeanfrachten behindert \vurde. Das reichliche Angebot von
Nordamerika kam dem europäischen Konsuln um so gelegener,
als infolgt des Balkankrieges die Zufuhren von rumänischen,
serbischen und bulgarischen Provenienzen teilweise durch Aus-
fuhrverbote, teils durch vermehrten Eigenverbrauch und durch
-den Mangel an Kommunikationsmitteln schon seit längerer Zeit
ins Stocken gekommen waren. Besonders betroffen wurde hier-
durch Böhmen, das sich sonst regelmäßig auf dem Bahnwege
vei sorgt, und dementsprechend entwickelte sich bald ein großes
Geschäft elbwärts nach diesem Lande, besonders in amerika-
nischem Mais, daneben a'ber auch in russischen Abladungen,
von denen sich besonders der Novorossiskmais durch seine gute
Beschaffenheit auszeichnete. La-Plata-!Mais kommt für Oester-
feich-Ungarn auf dem Plußwege nicht in Betracht, da der Zoll
dafür 4 Kr. pro 100 kg beträgt statt 2,80 Kr. für den Mais
der Vertragsländer. Nur beim Import von argentinischem Mais,
via Triest-Fiume, wird auch für diesen der niedrige Zollsatz
in Anrechnung gebracht, um den Verkehr der österreichisch-
ungarischen Häfen zu unterstützen. Die argentinische Mais-
ernte war nach einem überaus günstigen Erträgnis 1911/12 viel-
fach unterschätzt worden. Die Witterungsverhältnisse bei der
Einheimsung waren wenig befriedigend gewesen, so daß die
Abgeber zurückhielten und man an keine sonderlich großen
'Exportleistungen dieses Landes glaubte. Es mag aber wohl
bei der Zurückhaltung mehr der Umstand mitgesprochen haben,
-daß die Konkurrenz der Donauländer fehlte und somit die
JjaiPlata-Häuser keinen Grund sahen, die Preise durch vorK
zeitiges Angebot zu drüöken. So kam es, daß längere Zeit
hindurch La-Plata-Mais, wie Eundmais überhaupt, ein höheres
Preisniveau hatte als das nordamerikanische Produkt.
Maishaussp in Allmählich begann sich indessen hierin eine Verschiebung
voi zubereiten. Die Aussichten der im Felde stehenden Mais-
ernte Nordamerikas begannen sicli zu verschlechtern. Das
trockene, heiße Wetter, das für die Weizenernte so vorzüglich
• (war, fügte der Maispflanze Schaden zu, und aus Mangel an
Feuchtigkeit gingen große Strecken der mit Mais bepflanzten
."Felder zugrunde. Infolge dieser Schädigung begann an den
Börsen der Union eine gewaltige Maishausse; die Spekulation
bemächtigte sich des Artikels und in Kürze stand der Termin-
mais mit zirka 70 Cents per Bushel etwa 50 o/o höher als zu
'(Beginn des Jahres. Da nun die Verwendung des Mais im Lande
1. Getreide. 33
loimender war als ein Export, ging das Bestreben der Exporteure
dahin, ihre früher mit Europa getätigten Kontrakte zurüok-
zuhandeln, so daß mit dem Monat August die Ausfuhr voll-
ständig ins Stocken geriet. Auch den europäischen Händlern
waren diese Eückkäufe nicht unwillkommen, da sie inzwischen
an den stärker herauskomtaenden Donauabladungen, besonder^
dem Galfox-Mais, einen Ersatz für die Rückverkäufe nach
Amerika fanden. Inzwischen hatte Argentinien in seinen Ab-
ladungen keine Pause eintreten lassen; es waren aber unter dem
Eindrucke der amerikanischen Steigerung derartig viele speku-
lative Käufe darin getätigt worden, daß trotz des großen An-
gebotes höhere Preise hatten durchgesetzt werden können. Es
zeigte sich aber, daß ebenso wie man die Leistungsfähigkeit
Argentiniens unterschätzt hatte, die Aufnahmefähigkeit Europas
zu hoch taxiert war. Die großen Inlandsernten und die viel-
fach geringe Qualität des Getreides in Deutschland schränkten
den Maiskonsum um so mehr ein, als die Preise dafür relativ
hoch waren, und so sah sich denn die Spekulation genötigt,:
|die Ladungen statt mit Gewinn mit großem Verlust abzustoßen,
sobald sie an der Küste eingetroffen waren oder sich ihr näherten.
Daher bewegte sich das Preisniveau für Mais entgegen Preisrückgang,
den Erwartungen in den letzten Monaten stark abwärts und
erreichte einen seit längerer Zeit unbekannten Tiefstand. Auch
zeigte es sich, daß man den Einfluß des nordamerikanischen Mais-
defizits doch wohl etwas zu hoch veranschlagt hatte. Der Mais-
konsum in den Vereinigten Staaten ist nämlich außerordentlich'
idehnbar, je nach dem Preisniveau des Artikels. Mit der Steige-
rung der Kurse hatte sich die Schweinemast stark verringert
bzw. andere Futtermittel waren an die Stelle des Mais getreten,
so daß die Bestände der alten Kampagne in Amerika größer
sind, als man geglaubt hatte. Auch an die dortige neue Ernte
werden weit geringere Ansprüche gestellt werden, so daß es
nicht ausgeschlossen erscheint, daß wir später doch noch mit
einem wenn auch beschränkten Exportangebot der Vereinigten
Staaten zu rechnen haben werden. — Die neue Ernte am La
Plata ist bisher vom Wetter sehr begünstigt worden, und da
auch die Anbaufläche eine. Zunahme erfahren hat, bewegen
sich die Schätzungen des Ertrages mit zirka 9 Mill. t auf
einem bisher unerreicht hohen Niveau. Im Anschluß daran
zeigte sich im letzten Teil des Jahres ein sehr dringliche^
Angebot von Mais neuer Ernte zur Verladung vom Mai ab,
das zu großen Abschlüssen mit den hiesigen Händlern führte.
Im' Anschluß daran trat auch eine bedeutende Reduktion der
'Forderungen für Ware aus alter Ernte ein, zumal diese mit
den schließlich stärker angebotenen und gut ausfallenden Donau-
abladungen zu konkurrieren hatte.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 3
34 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Die am Berliner Markt von den Konsumenten bezahlten
Locopreise waren in Mark pro Tonne:
Tab. 15.
Berliner Locopreise für Mais (in M. pro t).
Anfang
amerik.
Mixed
runder
1912
1913
1912
1913
Januar ......
^ 181—185
178—182
147—150
Februar
185—188
160—163
184—188
153—156
März .
181—184
148—151
180—184
153-157
April.
179—183
144—148
180—186
152—156
Mai .
190—193
152—154
190—193
156—158
Juni .
185-188
152—155
181—186
153—160
Juli .
178—183
155—160
158—162
158—160
August
—
—
150—154
146-152
September
—
166—170
149—156
148—152
Oktober .
—
168—171
149—153
147—150
November
—
165-169
154—158
144—148
Dezember
—
166—169
149—152
147—150
31. Dezei
mb
er
1. •
T
1 "~~
• p' 1
166—169
1 1 I».- n
147—150
r •
148-151
1 •
Der hiesige Lieferungshandel für Mais gewann auch im
verflossenen Jahre wenig Bedeutung. Die Notierungen, die zum
Teil nur nominell waren, stellten sich per 1000 kg in Mark:
Tab. ir..
Jan. .
Febr. .
März .
April .
Mai .
Juni .
Juli .
Aug. .
Sept. .
Okt. .
Nov. .
Dez. .
Berliner Lieferungspreise für Mais (in M. pro t).
Mailieferung
143.— 148.—
145.— 147.-
142.— 145.—
142.— 148.—
147.— 150.—
144. — 147.50
144. — 147.50
Juli
146.— 148.—
145.— 147.—
September
Oktobei'
Dezember
145 50-147.— 145.50-147.— — —
142.50-146.— 143.50-145.50 — —
142. — 144.— 143.50-145.50 144.— 145.50 145.— 146.—
— 142.75-144.50 144. — 146— 145.— 148.—
— 145.— 149.— 146.— 151.— 148.— 154.—
— — • 141.— 143.— 140.— 146.—
— — — 140 — 145.50
— — — 143. — 145.50
Deutschland importierte an Mais in den Jahren
davon aus
Ver. Staaten
Argentinien
Rußland
Rumänien .
1911
7 434 205
1430 997
1 289 258
2 347 154
1 431 014
1912
11424 592
1 245 725
5 000 701
2 409 162
1 916 093
1913
9 186 450 dz
1716 011 „
5 623 315 „
909 685 „
683 243 ,.
2. Hülsenfrüchte.
AiigemeineB. Die Ernte des Jahres 1912 war in den hauptsächlichsten
Hülsenfruchtarten, Erbsen, Bohnen, Linsen, in fast allen Pro-
duktion sgebieten eine mittlere bis gute gewesen. Wenn trotzdem
in einzelnen Arten und Sorten zu Beginn des Berichtsjahres eine
gewisse Knappheit und damit verbunden ein relativ hohes Preis-
niveau bestand, so lag es zum Teil an den infolge der Mißernte
2. Hülsenfrüchte.
35
1911 nicht genügend aufgefüllten Lagern, zum Teil auch an
den BalkanwirreQ, die einige Produktionsgebiete zwangen, mit
Abgaben recht zurückhaltend zu sein.
Nur kleine gelbe Kochlerbsen, die vorzugsweise vom lalande,
insbesondere von Westpreußen, Posen, auch etwas von Thüringen
und von der Mark bezogen wurden (vom Auslande lieferte Polen
einen erheblichen Teil) konnten einen mäßigen und fast durchweg
unveränderten Preisstand behaupten. Das lag zum Teil daran,
daß der Konsum der kleinen Kochierbsen wegen ihrer geringen.
Kochfähigkeit im Gegensatz zu Victoriaerbsen sehr zurück-
gegangen ist. Kleine Kocherbsen notierten 23 — 25 Mk. für feine
Qualitäten und 21—22 Mk. für Mittelqualität pro 100 kg. Die
neue Ernte brachte eher noch geringere Qualitäten und zwar
fast ausschließlich von Nordrußland an den Markt. Das In-
land ist noch' gar nicht mit Angeboten herausgekommen und in
Polen scheint die Ernte durch Regen stark gelitten zu haben.
Der Preissturz in Viktoriaerbsen, der sich angesichts der
1912 er Rekordernte des Inlandes unaufhaltsam von 38 Mk. bei
Beginn des Jahres 1911 bis auf 28 Mk. am Schlüsse dieses Jahres
vollzog, kam zu Beginn des Berichtsjahres zum Stillstande.
Doch schon im Frühjahre konnte das erneute starke Angebot
nicht aufgenommen werden und die Verkäufer mußten Preis-
konzessionen zugestehen. Gute Qualitäten, die zu einem Preise
von 28 — 29 Mk. einsetzten, gingen bis auf 25 Mk. pro 100 kg
zurück, Mittelqualitäten von 27 Mk. auf 22 Mk. Im Gegensatz
zu kleinen Kocherbsen hat der Konsum in Viktoriaerbsen ihrer
besseren Qualität wegen erheblich zugewonnen. Auch did neue
Ernte des Inlandes war recht groß und übertraf vielleicht noch
diejenige des Jahres 1912, zum mindesten kommt sie ihr gleich.
Dabei ist hervorzuheben, daß wir fast durchweg gute Qualitäten
geerntet haben. Rußland wurde, wie im Jahre 1912, wenig zur
Versorgung herangezogen, denn einerseits Keß die Kochfähigkeit
der russischen Viktoriaerbsen zu wünschen übrig und anderer-
seits war das Geschäft in russischen Erbsen nach hier selten
gewinnbringend. Zu Fabrikationszwecken, bei denen es nicht so
sehr auf die Kochfähigkeit ankommt, wurden allerdings nord-
russische und mehr noch südrussiscihe und rumänische Viktoria-
ferbsen in mittleren Qualitäten gekauft. Diese sind erheblich'
billiger als inländische und notierten 19 — 21 Mk. pro 100 kg.
Selten sind so früh aus der neuen Ernte Viktoriaerbsen an den
Markt gekomlnen wie im Berichtsjahre Erbsen der 1913er Ernte.
Schon Mitte August wurden von Thüringen, etwas später aus
Posen, Viktoriaerbsen angeboten. Die ersten Erbsen in vorzüg-
lichen Qualitäten kosteten noch 30 — 33 Mk., doch schon nach
wenigen Wochen ging der Preis auf 28 Mk., zum Schluß des
Jahres auf 25 Mk. zurück. Aus allen Gegenden, aus Branden-
burg, Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien, Magdeburg,
Kocherbsen
Viktoriaerbsen.
I. Pflanzl. ßohpi-odukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukt o.
Kurz- und
Mitt€lbohnen.
Meckler>bnrg kam dringendes Angebot. Mittlere Qualitäten wur-
den gar m<it beachtet. Zu Ende des Jahres notierten I Viktoria-
erbsen 25—26 Mk, Mittelware 22—24 Mk. pro 100 kg.
Grüne Erbsen. In grünen Erbsen bestand während des ganzen Jahres ein
dringendes Angebot aus Rußland. Die Preise gingen von 28
auf 28 Mk. zurück. Das Inland hatte in dieser Sorte eine quali-
tativ geringe Ernte und kam infolgedessen nieht in Betracht.
Auch die neue Ernte brachte aus Rußland starkes Angebot, doch
konnten sich die Preise behaupten.
Während die Balkankriege auf den Bohnenexport Oester-
reich-Ungams zu Ende 1912 einen bedeutenden Einfluß aus-
übten, befreiten sich die Produzenten zu Beginn des Jahres 1913
allmählich von diesem Einflüsse. Das konnten speziell die un-
garischen Produzenten um so leichter tun, als Ungarn eine Rekord-
ernte zu verzeichnen hatte und in einem Umfange, wie schon
seit Jahren nicht mehr, exportfähig war. Der Preisstand für
Kurz- und Mittelbohnen, der im Januar 31 Mk. betrug, erfuhr
mit g-eringen Unterbrechungen einen Rückgang bis auf 25,50 Mk.
Ipro 100 kg. Ueber die neue Ernte waren die Berichte zuei-st
widersprechend; im allgemeinen nahm man jedoch an, daß der
nasse Sommer das Ergebnis namentlich in bezug auf die Quali-
tä,t und damit die Exportfähigkeit stark beeinträchtigen würde.
Eür die ersten Bohnen aus neuer Ernte wurden daher hohe Preise
bewilligt, bis zu Öl Mk. [pro 100 kg. Bald zeigten aber die
Qualitäten sowie das starke Angebot aus Ungarn und später
auch aus Galizien und Rußland, daß die Ernte in jeder Beziehung
eine gute Mittelernte sei, daß Ungarn sogar wieder eine Rekord-
ernte zu verzeichnen haben müsse. Die Preise gingen sprung-
weise bis auf 23,50 Mk. zurück und schlössen so am Jahresschluß.
Langbohnen und Rundbohnen wurden wiederum in der Haupt-
sache aus Galizien, erstere auch etwas aus Mähren, letztere zum
Teil aus Nordrußland bezogen. Während Rundbohnen ihren
Preisstand von 35 Mk. fast während des ganzen Jahres behaupten
konnten, gingen Langbohnen von 39 auf 29 Mk. zurück. Zurück-
zuführen ist dieser Preissturz mehr auf die geringen Qualitäten
aus der 1912er Ernte und den dadurch zurückgegangenen Konsum
als auf ein etwaiges starkes Angebot, Mit Beginn der neuen
ErntB traten Serbien und noch mehr Rumänien, die vorzügliche
Ernten aufweisen und einen erhebKchen Exportüberschuß haben.
als Abgeber auf. Die Qualitäten Serbiens in Langbohnen, Ru-
mäniens in Lang- und Rundbohnen sind erheblich besser als die-
jenigen Galiziens und wurden um zirka 2 Mk. pro 100 kg höher
bewertet. Am Schluß des Jahres kosteten Langbohnen 31 — 33
Mark, rumänische bis 35 Mk., Rundbohnen 33 — 35 Mk., rumä-
nische bis 36 Mk.
Linsen. Die 1912er Ernte in Linsen war doch wohl größer als man
angenommen hatte. Während noch im Januar für 3/0 Linsen
Lang- und
Rundbohnen.
3. Zwiebeln. 37
25—26 Mk., für 4/0 28—30 Mk., für 5/0 31—33 ME, für 6/0
34—36 Mk., für 7/0 38—40 Mk. bezahlt wurden, stellten sich
die Preise im Frühjahr auf 23 Mk. für 3/0, auf 26 Mk. für>
4/0, auf 29 Mk. für 5/0, auf 33 Mk. für 6/0, auf 35 Mk. für
7/0. Angesichts der guten Aussichten der neuen Ernte mußta
sich der Artikel eine weitere Preisieinbuße gefallen lassen. Das
Bild änderte sich jedoch sofort, als die ersten Resultate aus der
neuen Ernte bekannt wurden. Es zeigte sich, daß die Ernte nicht
nur Quajititativ überschätzt worden war, sondern daß auch die
Qualitäten sehr zu wünschen übrig ließen. Die Linsen zeigten,
viel Rostflecke .und sind allgemein in Farbe schlecht. Groß-
liiörni^ Ware ist wenig geerntet worden. Die Preise hierfür
schnellten um 10 bis 20 Mk. pro 100 kg hinauf; nur kleine
Linsen, Größe 3/0, wurden weniger davon berührt. Am Schluß
des Jahres notierten 3/0 23—26 Mk, 4/0 31—33 Mk., 5/0 35 bis
38 Mk., 6/0 44—48 Mk. und 7/0 50—55 Mk., je nach Farbe und
Qualität.
3. Zwiebeln.
Zu Beginn des Jahres 1913 war der Zwiebelmarkt immer
noch überfüllt infolge der überaus großen Ernte des Vorjahres.
Die Preise erholten sich daher im ersten Vierteljahre, wie es
sonst gewöhnlich geschieht, nicht. Gute Mittelware erzielt©
Preise von 2 bis 2,75 Mk. pro Zentner und große sortiertlei
Ware 3,50 bis 4 Mk. pro Zentner. Der Import von Zwiebeln
aus Rußland und Ungarn kam unter diesen Umständen nicht
in Betracht. Bei Eintreffen neuer ägyptischer Zwieb3ln Ende
März dürften auf dem Lande noch Bestände von alten Zwiebeln
vorhanden gewesen sein. Das Geschäft in ägyptisohen Zwiebeln
hatte selbstverständlich hierunter zu leiden. Die Nachfrage
wurde erst Mitte April reger, doch bUeben die Preise hinter
denen der Vorjahre zurück. Sie waren anfangs April 6,50 Mk.
und gingen dann bald bis auf 5 Mk. herab. Zwischen diesen
beiden Grenzen bewegten sich die Preise dieser Zwiebeln bia
Ende der Saison, d. h. bis Anfang JuH. Die Ernte selbsft fiel
hinsichtlich der Qualität gut, der Quantität nach reichlich
mittel aus.
Die neue hiesige Setzzwiebel aus dem Spreewald und der
Pfalz wurde auch nur zu mäßigen Preisen von zirka 5 Mk. g-e-
handelt. Die Qualität dieser Ware gab oftmals zu Beanstan dün-
gen Veranlassung, da sie bei dem vielen Regen des vorigen Sommers
nicht genügend austrocknen konnte. Die Ernte in Säzwiebeln
war aus demselben Grunde qualitativ schlecht; speziell kam dies
bei längerem Lagern zum Ausdruck. Die Preise waren zuerst
mäßig. Kleiae Ware kostete 3 Mk., große sortierte 4,50 Mk.
pro Zentner. Im November belebte sich der Markt, die Preise
stiegen ziemlich schnell und standen bei Schluß des Jahres auf
6,50 Mk. für Mittelware; große wurden etwas höher bezahlt.
38 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Prühjahrs-
geschäft.
Rotklee.
Weißklee.
Gelbklet
Wnndklee.
Schwedenklee.
4. Landwirtsohaf tliche Sämereien.
Die verregnete Ernte des Herbstes 1912 ließ einen großen
Bedarf in landwirtschaftlichen Sämereien für das Frühjahr 191ü
ei*warten. Der Umsatz entsprach indessen dieser Hoffnung nicht,
denn die hohen Preise veranlaß ten eine starke Einschränkung
des Konsums, wozu sich unter dem Druck der zu Jahresbeginn
herrschenden unsicheren politischen Verhältnisse eine rück-
gängige Konjunktur für viele Artikel gesellte. Eine Räumung
der Läger ließ sich zwaj? für die meisten Sorten durchführen,
teilweise aber nur untey Opfern, und so gestaltete sich das Ge-
schäft wenig nutzbringend für die Lagerinhaber an den Stapel-
plätzen.
Bei dem Mangel an besseren Herkünften wui'den zu steigen-
den Preisen außergewöhnlich große Mengen italienischer und süd-
französischer Hotkleesaat importiert, welche sich durch beson-
ders schöne Qualität auszeichneten. Auch das verregnete, nord-
französische Produkt fand viel Beachtung, je mehr sich die un-
günstigen Berichte über die russische Ernte bewahrheiteten und
der Bezug von Rußland keinen größeren Umfang annehmen konnte.
Die deutsche Ernte war von so minderwertiger Qualität und
kleinem Umfange, daß sie keinen nennenswerten Faktor für den
Markt bildete. Nachdem ferner zweifellos festgestellt war, daß
auch die österreichischen Kronländer völlig versagten, erreich-
ten die Preise im November einen selten hohen Stand. Die oben-
erwähnte Zurückhaltung der Käufer und anhaltendes Angebot
Frankreichs führten dann zu einem Stillstand und später sogar
zu einem vorübergehenden, nicht unerheblichen Rückgang der
Preise.
Der starke Exportbedarf an Weißklee im Herbst 1912 hatte
für diesen Artikel Preisübertreibungen gezeitigt, welche nach
Befriedigung der ausländischen Nachfrage in einem langsamen,
aber stetigen Rückgange ihren Rückschlag fanden. Der inlän-
dische Absatz wurde bei den hohen Preisen stark eingeschränkt.
Es war auch mehr Ware als erwartet in Deutschland geerntet
worden.
Aehnlich lag die Situation bei Gelbklee. i\.uch hier mußten
sich die Inhaber zu Preiskonzessionen entschließen, ohne eine
vollständige Räumung ihrer Läger durchsetzen zu können.
Di© russische Ernte an Wundklee kam erst verspätet an den
Markt und führte unter dem Druck der allgemeinen Tendenz
und bei außergewöhnlich schlechter Nachfrage zu einer rück-
läufigen Preisbewegung.
Weniger in Mitleidenschaft gezogen wurde Schwedenklee,
trotzdem das Ernteresultat in Deutschland besser ausgefallen,
als nach den ersten Berichten anzunehmen war. Besonders die
östlichen Provinzen brachten nennenswerte Posten von teilweise
selten schöner Beschaffenheit heraus. Sowohl das Inland als auch
4. Landwirtschaftliche Sämereien.
39
Inkarnatklee.
Schotenklee.
das Ausland erwiesen sich aber als aufnahmefähig, so daß sich
die Preise unter kleinen Schwankungien bis Saisonschluß be-
haupten konnten.
Die Mißernte Frankreichs in Luzerne vermochte dem über- Luzeme.
reichen Angebot aus Italien keiaen Ausgleich zu bieten, zumal
auch Ungarn und Turkestan als Abgeber des Artikels auftraten
und der Absatz nach überseeischen Gebieten zu wünschen übrig
ließ. Die Preise gingen stark zurück und erreichten zum Saison-
schluß einen außergewöhnlich niedrigen Stand, da sehr erheb-
liche Ueberstände verblieben waren.
Sehr geringe Beachtung fand Inkarnatklee, welcher, von einer
vorübergehenden Anregung abgesehen, während des Prühjahrs-
geschäftes gänzrich vernachlässigt blieb und mangels jeden Ex-
portes nicht geräumt werden konnte.
Die Ernte von deutschem Schotenklee wurde kurz vor dem
Einbringen durch die anhaltenden Regenfälle zum großen Teil
vernichtet, der E>est in Qualität schwer beschädigt. Soweit nicht
noch bessere Partien aus der Ernte 1911 vorhanden waren, mußte
die Nachfrage aus diesen geriagen Qualitäten befriedigt werden.
Gehörnter Schotenklee ergab in Italien eine Durchschnittsernte
und war zu normalen Preisen erhältlich.
Nach mehreren Jahren der Mißernte erreichte Timothee einen Timothee.
normalen Preisstand, infolge einer selten großen Ernte Amerikas
und reichlichen russischen Ertrages ; letzterer bot für den Mangel
an deutscher Saat Ersatz. Bei wesentlich niedrigeren Preisen
beherrschte, im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, die ameri-
kanische Ernte den europäischen Markt.
Die Ernte von englischem und italienischem Haygras hatte Raygras,
zwiai' im Herbst durch Regen gelitten, immerhin war genügend
Material vorhanden, um keine wesentlichen Preisveränderungen
im Laufe der 3aison aufkommen zu lassen. Der Artikel war
sogar zum Frühjahr etwas vorteilhafter erhältlich.
Sehr verlustbringend gestaltete sich das Geschäft in Knaul- Knaulgras,
gras, einem Artikel, der speziell durch die bedeutende Produktion
der Mark Brandenburg für den Berliaer Platz von Wichtigkeit
ist. Infolge wesentlich vergrößerten Anbaues in Deutschland
und Dänemark überwog das Angebot während der Saison die
Nachfrage, und die Lagerinhaber mußten trotz mäßiger Anfangs-
preise mit Verlust verkaufen. Bei diesem Artikel muß von einer
entschiedenen Ueberproduktion gesprochen werden.
Aehnlich lagen die Verhältnisse bei den amerikanischen wiesengräser.
"VViesengräsem, die nach mehrjährigen kleinen Ernten aui^er-
gewöhnlich große Erträge zu verzeichnen hatten. Veranlaßt
durch die im Verhältnis zu den vorhergehenden Jaliren billig
erscheinenden Anfangsforderungen wurden bedeutende Posten
frühzeitig abgeschlossen, welche bei den dauernd rückgängigen
Preisen teilweise recht erhebliche Verluste hinterließen. Dies
40 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodukte.
Futterrüben
Futter-
möhren
und Kohlrüben.
Serradella.
Lupinen.
Wicken.
Peluschken,
Erbsen.
gilt vornehmlich für Wiesenschwingel und Wiesenrispengras. Bei
Fioringras und Platthalmrispengras waren die Rückgänge mäßi-
ger. Schafschwingel, welcher nur knapp geerntet war, war gut
begehrt und konnte zu andauernd steigenden Preisen vollkommen
geräumt werden. Desgleichen herrschte große Knappheit in ge-
meinem Rispengras, die zu Eekordpreisen und vollständiger Räu-
mung dei= Läger führte.
Infolge der hohen Preise, welche Futterrübensamen lq den
vorhergehenden Jahren erzielt hatten, war der Anbau wesentlich
vergrößert worden. Trotz der durch Regen beschädigten Ernte
des Herbstes 1912 genügten die Vorräte der Nachfrage, und die
Preise, speziell der bevorzugten Eokendorfer Runkeln, mußten
sich im Laufe der Saison sogar einen erheblichen Abschlag ge-
fallen lassen.
Auch Futtermöhren und Kohlrüben konnten ihre Anfangs-
notieiningen nicht behaupten.
Sehr schwierig gestaltete sich das Gesdiäft in Serradella,
da bei der anormalen Erntewittenuig die Ergebnisse in den ver-
schiedenen Produktionsgebieten sehr Voneinander abwichen. Die
Konsumenten hielten in Erinnerung an verlustbringende, frühzeitige
Abschlüsse in den vorhergehenden Jahren und unter dem Druck
der. schwierigen Geldverhältnisse mit dem Einkauf möglichst
lange zurück, was eiaen dauernden Preisrückgang zur Folge hatte.
Erst zum Schluß der Saison zeigte es sich, daß die Ernte des
Artikels durchaus nicht so bedeutend gewesen war, um eine der-
artige Baisse zu rechtfertigen. Die Saison schloß vielmehr mit
vollständig geräumten Lagern und zu befestigten Preisen, so
daß: man speziell bei diesem Artikel mit Recht in dem ungünsti-
gen Geschäftsgang den Einfluß der politischen Lage erblicken
kann.
Sehr empfindliche Folgen hatte der regnerische Herbst 1912
auf das Geschäft in Gelblupinen. Die Ernte war so klein wie
selten, und die hierdurch hervorgerufene hohe Preislage hatte
eine starke Einschränkung des Bedarfes zur Folge. Die Notie-
rungen standen denen des vergangenen Notstands jähr es kaum
nach, und 2ru Saisonschluß waren zur Saat geeignete Qualitäten
überhaupt nicht mehr aufzutreiben. — Blaulupinen waren in
einigen von der Witterung begünstigten Distrikten besser geem-
tet worden, was seinen Einfluß auf die Preise nicht verfehlte.
Die Umsätze blieben aber ebenfalls ganz erheblich gegenüber
anderen Jahren zurüök, da auch diese Varietät sich zu Futter-
zwecken noch zu teuer stellte.
Die Nachfrage nach Wicken war nui- sehr gering, und die
Läger konnten trotz einer durch Regen wesentlich verkleinerten
Ernte nicht geräumt ^werden.
In Peluschken und Felderbsen konnte Ersatz für die verregnete
deutsche Ernte aus Rußland beschafft werden.
4. Landwirtschaftliche Sämereien.
41
Infolge einer außerordentlich großen Heuernte war die Nach-
fiage nach Zwischensaaten im Sommer und Herbst sehr unbedeutend
und sie konnte auch durch den in einigen Gegenden Deutsch-
lands wesentlich geringer ausgefallenen zweiten Futtersclmitt
keine Belebung erfahren. Im allgemeinen ist die Ernte der Gräser
und fnihreifenden Kleesaaten als gut zu bezeichnen, während
der Ertrag der später reifenden Sorten von den Kegenfällen im
August ungünstig beeinflußt worden ist.
Die hohen Preise für Weißklee, welche in den letzten Jahren
geherrscht hatten, veraulaßten in Deutschland viele Landwirte,
ihre Kleeschläge zur Samengewinnung stehen zu lassen. Be-
dauerlicherweise kommt der heimische Ertrag in der Regel erst
nach Eintritt des Frostwetters an den Markt, so daß die früh-
zeitigen Abschlüsse auf ausländische Herkunft angewiesen sind.
Sowohl in Böhmen wie in Rußland wurde der Ertrag durch
ungünstige Witterung stark beeinträchtigt, und bei dem gänz-
lichen Fehlen alter Läger konnten die Preise nicht nur hoch
ei'öffnen, sondern andauernd steigen, weil man die Aussichten^
für die Inlandsemte nur als schwach einschätzt.
L'eber ein sehr reichliches Resultat in fast allen Produktions-
gebieten ist bei Gelbklee zu berichten, so daß der Artikel so
billig erhältlich ist, wie seit Jahren nicht. Die Qualitäten sind
größtenteils gut.
Der etwas später reifende Wundklee weist bereits die Spurea
ungünstiger Witterung auf, soweit das östliche Produkt in Fragie
kommt. Das Angebot ist bisher im Vergleich zu anderen Jahren
zwar wenig umfangreich. Es scheint indessen genügend Material
zur Befriedigung des in den letzten Jahren stetig zurückgehen-
den Bedarfes A^orhanden zu sein.
Selten niedrige Preise sind für Schwedenklee infolge einer
Rekordernte Rußlands zu verzeichnen. Das amerikanische Pro-
dukt, das höher gehalten wird, ist hierdurch aus dem europäischen
Markt vorläufig gänzlich ausgeschaltet. Der Absatz der ein-
heimischen Ernte, die normal ausgefallen, aber noch nicht zum
Drusch gelangt ist, wird sich ebenfalls nur zu stark reduzierten
Preisen gegenüber dem Vorjahl^e ermöglichen lassen.
Im Gegensatz zu diesen Artikeln steht der Ernteertrag von
Luzerne hinter demjenigen der letzten Jahre zurück. Das Haupt-
produktionsgebiet, Frankreich, hat zwar eine kleine Mittelem te
eingeheimst. Dagegen haben Ungarn und Italien keinen Export-
überschuß. Die wenig beliebte turkestanische Provenienz, von
der genügend Vorrat vorhanden ist, im Verein mit den reich-
lichen alten Lägern, hat die Preise des Artikels nichtsdestoweniger
auf einem mäßigen Niveau gehalten. Hierzu kommt, daß die
Vereinigten Staaten von Amerika, was seit vielen Jahren nicht
der Fall war, als Abgeber im Markte sind.
Herbst
ges«haft
Weißklee.
Gelbklee.
Wundklee.
Schwedenklee.
Luzema
42 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwiitsch. Rohprodukte.
Rotklee.
Kulturgräser.
Runkelrüben.
Kohlrüben
und
Püttermöhren.
Serradella,
Lupinen.
Bei der wichtigsten Kleeart, Rotklee, liegen die Verhältaisse
recht unklar. Nach der außerordentlich günstigen Entwicklung
der Schläge im Juli/August hat man auf eine Rekordernte nicht
nur in Europa, sondern auch in Amerika gerechnet. Diese Er-
wartungen wurden durch die anhaltenden Regenfälle im August
in den meisten Produktionsgegenden indessen vernichtet oder zum
mindesten stark beeinträchtigt. Am besten hat Frankreich abge-
schnitten, wo allerdings nur der Norden mit einem starken Ernts-
überschuß in Erage kommt. In zweiter Reihe ist England mit
einem selten guten Ergebnis zu erwähnen, während Italien und
Ungarn nicht nur keinen Ueberscliuß geemtet, sondern bereit^
mit dem Import französischer Saat begonnen haben. Die öster-
reichischen Kronländer scheinen wenig mehr als den eigenen Be-
darf eingebracht zu haben. Im Gegensatz zu den ursprünglich
glänzenden Berichten Rußlands ist dort nur eine schwache Mittel-
ernte zu verzeiclinen. Ein reichliöhes Ergebnis in den Vereinigten
Staaten verhindert andererseits einen Abzug dorthin, der in den
letzten Jahren regelmäßig stattgefunden hatte. Die Preise er-
öffneten tmter dem Stande der letzten Jahre.
Die Ernteresultate der Kulturgräser sind, kurz zusammen-
gefaßt, für den alten Erdteil als gut zu bezeichnen, während
Amerika mangelhafte Erträge aufzuweisen hat.
Selten niedrige Preise verzeichaen Raygräser, Knaulgras,
Kammgras, Honiggras. Bei den amerikanischen Sorten wird der
diesjährigu Minderertrag in Timothee, Wiesenrispengras durch
selir große vorjährige Läger aufgehoben, so daß die Preise hier-
für nur eine mäßige Steigerung erfahren haben. Das Fehlen
alter Bestände verursachte bei Fioringras eine starke Hausse.
Auch Wiesenschwingel, w^elcher ursprünglich sehr billig ange-
boten war, wurde infolge einer enttäuschenden Ernte von Amerika
sprungAveise im Preise erhöht, welcher Bewegung sich das von
Jahr zu Jahr stärker ins Gewicht fallende dänische Produkt
bereitwillig anschloß.
Die starke Ausdehnung des Ruakelrübenanbaus, weldie als
normale Erscheinung die hohen Preise der letzten Jahre zur
Folge gehabt haben, zeigte im Verein mit günstiger Witterung
in diesem Herbst einen enormen Ertrag. Die Notierungen sind
dementsprechend, außerordentlich niedrig, so daß für die Produ-
zenten eine Rentabilität ausgeschlossen erschicint, was wiederum
einen Rückgang des Anbaus verursaclien dürfte.
Kohlrüben und Futtermöhren haben Durchschnittsemten er-
geben und sind zu normalen Preisen erhältlich.
Ueber die für den Berliner Platz sehr wichtigen Artikel
Serradella und liupinen ist es schwierig, nach den bisher an den
Markt gekommenen Posten bzw. Berichten ein zuverlässiges
Urteil abzugeben. Die günstigen Emteaussichten für Serradella
wurden erst in letzter Stunde durch die zu starken Nieder-
4. Landwirtschaftliche Sämereien.
schlage beeinträcJitigt, und viek Produktionsgegenden haben an-
geblich in diesem Jahre überhaupt keinen oder doch nur einen
minimalen Ueberschuß, während in anderen Distrikten weniger
die Menge, als die Qualität beschädigt worden ist. Alles in allem
dürfte die von Jahr zu Jahr zunehmende Nachfrage aus der
diesjährigen Ernte befriedigt werden können; alte Läger sind
nirgends mehr vorhanden. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei
Lupinen. Die früher reifende Blaulupine scheint durch die
Witterung besonders gelitten zu haben, während der gelben
Varietät der trockene und warme September noch S3hr zustatten
gekommen ist. Erfreulicherweise bewegen sich für beide Sorten
die Notierungen unter denen des Vorjakres, welche größeren Um-
sätzen hinderlich im "Wege standen, und lassen für diese Saison
ein besseres Greschäft erwarten. Alte Läger sind von l>eiden
Farben kaum vorhanden.
Von den übrigen Hülsenfrüchten sind Wicken, Erbsen und
Peluschkeiv in Deutschland infolge ungünstiger Erntewitterung
nur in mäßigen Mengen und größtenteils beschädigten Qualitäten
geerntet worden, werden aber in ausreichiender Menge aus Ruß-
land zum Ersatz zu beschaffen sein.
W^ie aus Vorstehendem ersichtlich ist, brachte das Jahr 1913
dem Samenhandel im Erühjahr und Herbst gänzlich entgegen-
gesetzte Verhältnisse. Trotz eines mit hohen Preisen im Zu-
sammenhange stehenden, für viele Artikel wesentlich verkleiner-
ten Absatzes schloß die Erühjahrssaison 1912/13 mit geräumten
Lägern. Die diesjährigen großen Ernteerträge der meisten land-
wirtschaftlichen Sämereien lassen zwar bei mäßigen Preisen einen
vergrößerten Absatz für das Frühjahr 1914 erwarten. Vorläufig
macht sich indessen eine allgemeine Zurückhaltung in Konsum 3n-
tenkreisen bemerkbar, deren Ursache ebensosehr in der Markt-
lage, wie in den allgemein wirtschaftlichen und finanziellen Ver-
hältnissen zu suchen sein dürfte.
Tab. 17. Preise der landwirtschaftlichen Sämereien im Jahre 1913.
(In Mark für 50 kg.)
zeit 1913
Neue Ernte
Ende 1913
Europäischer Rotklee
Weißklee
Schwedenklee . . .
Gelbklee
Wundklee . . . .
Franz. Luzerne . .
Deutscher Timothee .
Amerikan. „
Englisches Raygras .
Italienisches „
Serradella
Gelbe Lupinen . . .
83—110
110—150
95—115
50—60
62—80
55—62
26—32
24—28
19—21
20—24
12—15
11-113/4
83—110
90—130
95—115
48-55
62—78
50—60
28—32
24-28
19—21
20—24
13—16
12—123/4
56—83
95—120
58—75
26—34
56—65
53—62
32—35
26—32
151/,— 18
161/;- 19
11—14
8V2-9V,
44 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Hohprodukte.
5. Kartoffeln.
Erstes Quartal. Dio am Ende des Jahres 1912 im Berliner Kartoffelgroß-
handel herrschende feste Tendenz hielt auch im Anfang des Be-
richtsjahres noch an. Im allgemeinen war man der Ansicht,
daß durch den OBVost, der anfangs Oktober 1912 ziemlich plötz-
lich und stark eingesetzt hatte, als noch sehr viele Kartoffeln,
auf dem Felde standen, diese so großen Frostschaden erlitten
haben würden, daß sie schlecht überwintern und im Frühjahr
hohe Preise eintreten würden. In der Tat blieb auch die Ware
in den Monaten Januar und Februar 1913 andauernd knapp, und
die Preise gingen langsam in die Höhe. Dabersche Speisekar-
toffeln, die anfangs Januar im Großhandel mit 6 Mk. pro 100 kg
ab Berliner Bahnhöfen bezahlt wurden, kosteten Ende Januar
und anfangs Februar 7 bis 7,50 Mk. Da die Witterung von
Glitte Februar ab gelinde und zur Verladung geeignet wurde,
und dio Besitzer bei Besichtigung ihrer Mieten merkten, daß die
Kartoffeln sich besser gehalten hatten, als man früher ange-
nommen hatte, so zeigten sie sich zum Verkaufe geneigter als
bisher. Die Zufuhren auf den Berliner Bahnhöfen wurden wesent-
lich größer, und die Preise gingen nunmehr zurück. Anfangs
^lärz kosteten Dabersche Speisekartoffeln nur noch 6 Mk. pro
100 kg, und zu Ende des März wurden sie schon mit 5,50 Mk.
ab Berliner Bahnhöfen verkauft. Im allgemeinen war der Ge-
■ Schäftsgang im Berliner Kartoffelgroßhandel im ersten Quartal
1913 ziemlich lebhaft.
Zweites ^^'^ April setzte sich der Preisrückgang fort, denn es stellte
Quartal. q[q]^ immer deutlicher heraus, daß noch große Vorräte bei den
Besitzern vorhanden waren, die sich gut durch den Winter ge-
halten hatten. Die Zufuhren auf den Berliner Bahnhöfen wurden
täglich größer, und von Mitte bis Ende April kosteten Daber-
sche Speisekartoffeln nur noch 4,75 bis 5 Mk. pro 100 kg ab
Bahnhof. Da in keiner Gegend Deutschlands Bedarf an Kar-
toffeln vorhanden war, so verschlechterte sich das Geschäft
immer mehr; nicht nur war es wenig gewinnbringend, sondern
auch der Umsatz war wesentlich geringer als zur gleichen
Jahreszeit in früheren Jahren. Bis anfangs Juni hielt diese
flaue Geschäftslage an. Inzwischen hatten die Besitzer, in der
Annahme, daß eine Preissteigerung kaum noch zu erwarten sei,
große Mengen Kartoffeln zur Viehftitterung verwendet und an
die Fabriken geliefert. Infolge der Abnahme der Bestände trat
nunmehi' wieder eine Besserung in der Geschäftslage ein. Die
Zufuhren ließen nach, und die Preise gingen wieder in die Höhe.
Ende Juni wurden gute Dabersche Speisekartoffeln mit 7,50 bis
8 Mk. pro 100 kg ab Berliner Bahnhöfen bezahlt. Da die neue
Ernte sich infolge der ungünstigen Witterung um einige Wochen
verzögerte, so herrschte noch bis Mitte Juli größere Nachfrage
nach Kartoffeln alter Ernte.
5. Kartoffeln.
45
Ein ziemlich lebhaftes Geschäft entwickelte sich in italieni-
schen und ungarischen Frührosen-Kartoffeln. Dagegen wurden
Sommer-Maltakartoffeln in Berlin im Berichtsjahre gar nicht
gehandelt, weil Malta eine schlechte Ernte gehabt hatte und so
hohe Preise verlangte, daß der Bezug nach Berlin sich nicht
verlohnte. Im Gegensatz zu Malta hatte Italien eine quanti-
tativ und qualitativ gute Ernte. Infolgedessen waren die Zu-
fuhren von dort sehr bedeutend. Auch in ungarischen Prüh-
rosen-Kartoffeln war eine reichliche Ernte von guter Qualität er-
zielt worden. Diese Ware war frühzeitig gereift, so daß sich
schon von Anfang Juni ab hierin ein lebhaftes Geschäft ent-
wickelte. Die Preise waren verhältnismäßig niedrig. Die Zu-
fuhren waren ziemlich bedeutend und fanden stets gute Aufnahme.
Das dritte Quartal bringt für den Berliner Kartoffelgroß-
handel stets einen schwachen Geschäftsgang, insbesondere dann,
wenn die Kartoffelernte in der Umgegend von Berlin gut aus-
fällt. Da alsdann die Produzenten in der Umgegend von Berlin
ihre Kartoffeln selbst mit ihren Fuhrwerken nach Berlin bringen,
so sind die Bahnzufuhren gering. Der Handel auf den Berliner
Bahnhöfen setzt erst wieder im September lebhafter ein, wenn die
Landwirte in der näheren Umgebung von Berlin ihre Kartoffeln
verkauft haben. Auch im Berichtsjahre wurden von den Land-
wirten große Mengen Kartoffeln mit eigenem Fuhrwerk nach
Berlin geliefert, denn die Ernte war, wie überall im Heiche,
auch in der Umgegend von Berlin gut ausgefallen. Zwar herrschte
von Mai bis Mitte Juni eine empfindliche Trockenheit, die zu
ernsten Besorgnissen über den Ausfall der Kartoffelernte An-
laß gab: aber noch rechtzeitig einsetzender Eegen kam dem
Wachstum der Kartoffeln sehr zustatten. Niemals bisher hatte
das Deutsche Reich eine so reichliche Kartoffelernte aufzuweisen,
wie sie das Berichtsjahr brachte. Da sie überall im Eeiche vor-
züglich ausgefallen ist, so fehlte für die große Ernte der Ab-,
satz. Die Preise erfuhren daher einen starken Rückgang und
stellten sich um etwa ein Drittel niedriger als im Vorjahre.
Da nirgends Mangel an Kartoffeln vorhanden war, so war der
Umsatz dei' Händler wesentlich geringer als sonst und das Ge-
schäft wenig nutzbringend.
Auf den Berliner Bahnhöfen entwickelt sich im vierten
Quaa^tal gewöhnlich ein lebhaftes Geschäft, da in dieser Jahres-
zeit die Wintervorräte gedeckt werden. Im Berichtsjahre war
aber auch dieses Geschäft geringer, und es wurde mit wenig
Nutzen gehandelt. Bis zum Jahresschluß blieb der Geschäfts-
gang in Speisekartoffeln schwach, und da noch große Bestände
bei den Besitzern lagern, ist vorläufig auf eine Besserung nicht
zu rechnen.
Ein lebhaftes Geschäft entwickelte sich in Fabrik-Kartoffeln.
Die Stärkefabriken nahmen zu den niedrigen Preisen viel Ware
Ausländische
Kartoffeln.
Drittes Quartal.
Viertes Quarta].
Fabrik-
kartoffeln
46 I. Pflaiizl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodukte.
Kartoffelernte.
auf, und es ist anzunehmen, daß die laufende Kampagne für sie
recht günstig ist.
Im Anschluß an vorstehenden Geschäftsbericht seien noch
einige statistische Uebersichten angefügt.
Die Kartoffelernte betrug in den letzten drei Jahren in
Tonnen :
Tab. 18. Kartoffelernte in Tonnen :
1
1911
1912
1913
im Deutschen Reiche '
in Prieußen
34 374 225
25 630 203
3 192 441
50 209 466
34 900 598
5 128 336
54 121 146
39 215 298
in der Provinz Brandenburg . .
5 903 577
Berliner Groü-
handelspreise
für Kartoffeln.
Tab. 19.
Die Preise für gute, gesunde und sortierte Speisekartoffeln
stellten sich in Berlin in den letzten drei Jahren im Monats-
durchschnitt für 100 kg ab Bahnhof in Mark:
Monatliche Durchschnittspreise für Kartoffeln in Berlin.
Jan. Febr. ! März i Apr.
Mai I Juni Juli ^ Aug.
Sent.
Okt.
Nov.
Kartoffel- Nach der amtlichen Statistik betrugen die Kartoffelzufuhren
zufuhren nach per Bahn auf sämtlichen Berliner Bahnhöfen in den letzten drei
Berlin perBahn. -^ . m
Jahren in Tonnen:
Tab. 20. Empfang von Kartoffeln auf sämtlichen Berliner Bahnhöfen
während der Jahre 1911 — 1913 (in Tonnen).
1911
1912 !
1913
Anhalt-Dresdener Bahnhof . . .
Görlitzer Bahnhof
4 655
1 777
40 472 •
103 178
120 339
962
4 547
287
6 760
72
706
2 639 i
i
263 i
6 804
2 453
43 217
108 784 1
125 270 1
417
4 391
575
4101
9 ■
935
2122
36 i
495 !
8 464
3 4S^
Hamburg-Lehrter Bahnhof . . .
Nordbahnhof
42 264
106 080
Ostbahnhof
123 250
Potsdamer Bahnhof
Schlesischer Bahnhof
Stettiner Bahnhof
Zentral-Markthalle
766
3 989
553
8 080
Zentral- Viehhof . .
162
Frankfurter Allee
1 273
Moabit
Wedding
Weißensee
2186
20
2 234
Zusammen
1 286 627
299 609
302 754
Die Hauptzufuhren kamen auf den Ost-, Nord- und Ham-
bui^g-Lehrter Bahnhof und betrugen in den einzelnen Monat-en
in Tonnen:
Tab. 21. Zufuhren von Kartoffeln nach den drei Hauptempfangsbahn-
j Jan.
Febr.
März
April
Mai
Ostbahnhof
Nordbahnhof ....
Hamburg-Lehrter
Bahnhof
9.404
7.750
3.129
6.323
6.434
3.842
10.617
8.540
3.379
12.074
9.825
3.318
9.874
7.544
3.001
Dez.
1911
1912
1913
4.50 ■
9.10
6.25
4.67
9.—
6.25
4 58 ;
8.50
5.50
5. —
9.—
5.—
4.75
8.—
5.-
5.67
8.40
11.—
8. -
6.—
8.—
6.-
4.50
6.67
4.50
4-
6.83
4.50
3 80
7.—
4.60
3.80
8.—
7.05
3.80
6. Oelsaaten (Raps und Rübsen).
47
Dio inländische Rekordernte in Kartoffeln kommt in den Ein-
und Ausfiihrzalilen für 1913 noch nicht voll zur Erscheinung,
doch zeigt die Gegenübejnstellung der drei letzten Jahre^ wie
infolge der reichlicheren Ernten von 1912 und 1913 der große
Einfuhrüberschuß im Jahre 1913 stark zurückgegangen ist.
Tab. 22. Ein- und Ausfuhr von Kartoffeln in den letzten d
rei Jahren
(in Tonnen).
Einfuhr
Ausfuhr
li 1911 1912 i 1913
1911 1 1912 1 191.S
Insgesamt 794 366,6
822 310,2
382 058,6
Insgesamt
290 358,1
124 582,4
331 298,7
davon aus'
davon nach
Belgien | 97 049,6
129 745,2
47 031,2
Prankreich
54 160,9
2 925.5
11141.3
Nieder!. 387 499,6
352 296,3
195 211,9
Großbrit. ' 16 490,3
22 591,6
125 606,9
Rußland 218 513,91221096,5! 59 952
Oest.-Üng. [j 41 460,4 25 743,2; 66 027,6
■'
Schweiz !
47 069,2
43 751,4
64 882,6
6. Oelsaaten (Itaps und Rübsen).
Das vorangegangene Jahr hatte in recht flauer Stimmung ge-
schlossen und so eröffnete auch das neue Jahr; Anfang Janaar
forderte man für Ferozepore Eapssaat Abladg. Dez./Jan.
238 Mk., Abladg. Jan./Eebr. und Febr./März 233 Mk. pro t un-
verzollt eif Hamburg, alte Londoner Bedingungen. Auch rumä-
nischer Rübsen auf Dez./Jan. -Verladung wurde mit zirka 235 Mk.
pro t unverzollt cif Hamburg angeboten. Die Fabrikanten zeigten
jedoch wenig Kauflust. Gegen Ende des Monats Januar bis Mitte
Februar trat aber entsprechend dem besseren Konsum in Rüböl
auch für Rapssaaten regere Nachfrage ein, welche noch durch
Nachrichten über "Witterungsschäden, unter denen die gute argen-
tinische Leinsaaternte zu leiden hatte, verstärkt wurde. Es kam
zu ansehnlichen Umsätzen, und Mitte Februar kostete Ferozepore
schwimmend, auf Verladung Jan. /Febr., Febr./März, April/Mai
von indischen Häfen 258 Mk. pro t unverzollt cif Hamburg, alte
Londoner Bedingungen. Dieser kräftigen Aufwärtsbewegung um
mehr als 20 Mk. in nur 6 "Wochen folgte erklärlicherweise eine
gewisse Abspannung; außerdem meldete Argentinien günstiges
Ernte Wetter und bot Leinsaat wesentlich' billiger an. Ende März
forder 1^3 man für schwimmende Ferozepore Rapssaat 245 Mk.,
wogegen spätere Abladungstermine um 5 Mk. pro t niedriger zu
haben waren. Erst als Angebote in Tooria Rapssaat im Markte
erschienen, gestaltete sich der Saathandel wieder lebhafter; man
bewertete diese Qualität, die sich als gut ölhaltig erwies, um
mehrere Mark höher als gewöhnliche Ferozepore.
höfen Berlins während des
Kalenderjahres 1913 (in Tonnen).
Juni j Juli Aug.
Sept. j Okt. Nov. Dez.
Jahr
6.216
4.750
2.341
6.338 9.188
6.190 8.460
2.270 ; 3,106
:
12.250
11.028
4.205
20.593
18.793
8.379
13.600
10.906
2.763
6.773
5.860
2.531
123.250
106.080
42.264
Ein- u. Ausfuhr
von Kartoffeln
nach und aua
dem Reiche.
Erstes Quartal.
48 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Laiidwirtsch. Rohprodukte.
Zweites
Quartal.
Drittes Quartal.
Die Zurückhaltung der Oelkonsumenten und die Stille des
Oelterminmarktes wirkte aber immer wieder lähmend auf dea
Saalhandel ein, so daß selbst Xachriditea, daß die rumänisclie
Rübsenernte nicht gut überwintert habe und daher nur ein kleiner
Ertrag zu erwarten sei, wenig Eindruck machten. Das Geschäft
blieb auch im April sehr still, und die Preisbewegung richtete
sich ganz nach der für Leinsaat, je nachdem die Wetternachrichten
aus Argentinien günstig oder ungünstig lauteten. Da letztere im
allgemeinen überwogen, hatte sich der Preis für Ferozepore Kaps-
saat per April/Mai- und Mai/Juni- Verlaxiung von Indien im Laufe
der Monate April und Mai auf 255 Mk. pro t unverzollt cdf
Hamburg gehoben, während man für Tooria einige Mark mehr
bewilligte. Cawnpore Rapssaat, die man vor mehrerea Jahren
noch der Ferozepore Saat gleichgestellt hatte, wurde Avenig be-
achtet und konnte selbst zu um 12 — 15 Mk. pro t niedrigerem
Preise nicht Unterkommen finden. Ohne besondere Anregungen
verlief auch im Juni und in der ersten Hälfte Juli der Saat-
markt, da die Fabrikanten immer nur das Nötigste kauften;
die Saatpreise boten nur ein recht schwadhes Rendement und
reizten daher nicht sonderKch zu größeren Erwerbungen.
Erst stärkere Ankünfte der schönen Tooria-Rapssaat riefen
in der zweiten, Julihälfte ein lebhafteres Geschäft in dieser Gattung
hervor und steigerten das Aufgeld für schwimmende Ware auf
zirka 10 Mk. pro t, so daß der Preis hierfür auf 272 Mk. pro t
unverzollt cif Hamburg stieg. Aber auch unerfreuliche Xach-
riditen über die rumänische, südrussische und deutsche Ernte,
die durchweg durch Fröste schwer gelitten hatten und bei
feuchtem Wetter eingefahren werden mußten, mahnten die ^lüller
zur Vorsicht und brachten gTößere Abschlüsse in Sommer- und
Herbstverschiffungen von indischer Saat zuwege. Die For-
derungen für deutschen Raps und Rübsen hatten mit zirka 295
Mark pro 1000 kg eingesetzt, und es fanden hierzu und sogar
noch :.u höheren Preisen nicht unbedeutende Abschlüsse nach dem
Rhein und Westfalen statt. Indessien wurden die Müller doch zu-
rückhaltender, als anhaltender Regen während der Erntezeit die
Qualität zu beeinträchtigen drohte. Bald zeigte es sich, daß
die Oelsaaten klamm, dumpfig, schimmlig und daher nicht ver-
sandfähig w^aren. Bestand einerseits bei den Besitzern und
Händlern der Wunsch, solche gefährliche Ware recht schnell ab-
zustoßen, so leimten die Müller andererseits sie ab oder kauften
nur entsprechend billig. Schleswig-Holstein, Medklenburg, Pom-
mern, die Mark Brandenburg und namentlich Schlesien hatten
sehr ungünstiges Erntewetter gehabt, wälirend Ost-, Westpi^ußen
und Posen besser davongekommen waren. Auch in Rumänien
war, wie man befürdhtet hatte, der Ertrag der Ernte nur klein
ausgefallen; die Preise hatten für Rübsen mit zirka 260 Mk.
eingesetzt, waren aber schnell auf 250 Mk. pro t, unverzollt cif
7. rouragehandel (Eauhfutterhandel).
49
Hamburg, Kasse bei Ankunft, zurückgegangen, fanden jedoch erst
später bei 245 und 240 Mk., meist bei rheiniÄchen Mühlen, einige
Beachtung. Mehr Interesse brachte man der russischen Ernte ent-
gegen; als aber die ersten Ankünfte südrussisdien Rapses in
Antwerpen und Hamburg sauer und erhitzt waren, wurde man
ängstlich und wandte sich mehr dem aus Nordrußland beginnen-
den Angebot zu. Waren die nordrussischen Oelsaaten in bezug
auf Reinheit auch nicht einwandfrei, so waren sie doch transport-
fähig und zeitweise preiswert. Das ungemein stille Geschäft in
Rüböl und das völlige Aussetzen des Börsenterminhandels ließen
aber dauernden Erwerbungen größeren Umf anges selten zu ; Tooria^
Rapssaat war im August und September auf 260 Mk. pro t und'
auf Abladung im Jan./Febr. 1914 auf 252 Mk. pro t, unverzollt
cif Hamburg, zurückgegangen.
Im Laufe der Monate Oktober, November und Dezember ver-
lief der Saatmarkt in ruhiger Stimmung, die Preise zeigten nur
geringe Sdiwankungen, und die Fabrikanten kauften meist nur
das Nötigste. Kurz vor Schluß der Binnenschiffahrt entwickelte
sich von Schlesien her noch ein etwas lebhafteres Angebot solcher
Saaten, die seinerzeit feucht geerntet und schwer verkäuflich
wai-en, zu Lager genommen und nun trocken und transportfähig
geworden waren. An diesen Saaten war viel G-eld verloren ge-
gangen. Ende Dezember forderte man für schwimmende Tooria-
Rapssaat 256 .Mk., für Ferozepore Raps Dez./Jan. 253 Mk.,
Jan./Febr. und Febr./März 252 Mk. und für März/April 250
Mark pro t, unverzollt cif Hamburg, alte Londoner Bedingungen.
Von den indischen Häfen Kalkutta, Bombay und Karrachee
wurdeJi im Jahre 1913 nach England und den Häfen des euro-
päischen Festlandes 227 125 t verladen gegenüber 206 025 t im
Jahre 1912, 246 975 t im Jahre 1911 und 373 570 t Lm Jahre
1910. Die Verladungen von Rumänien, Bulgarien und Rußland
betrugen im Jahre 1913 53050 t, im Jahre 1912 42 350 t, im
Jahre 1911 29 245 t, im Jahre 1910 55 850 t.
ViertesQuartal.
Verladungs-
mengen der
ausländischen
Produktions-
gebiete.
7. Fouragehandel (Rauhfutterhandel).
Der Rauhfutterhandel erlangte im Berichtsjahre einen ziem-
lichen Umfang und wurde in der Hauptsache vom Inlande selbst
versorgt; denn die Landwirtschaft, die im Herbst des Vorjahres
ihre Vorräte festgehalten hatte, um nicht wieder bei schlechter
Ernte einem Futtermangel gegenüberzustehen, kam mit reich-
lichem Angebot im Frühling heraus. Das Frühjahr brachte näm-
lich füi' Heu und Stroh gute Aussichten und hohe Erwartungen,
so daß die Landwirtschaft Futtermittel für den Verkauf frei-
bekam. Dies galt besonders für Heu. Stroh war im Vorjahre
besonders viel gewonnen worden, so daß man allgemein mit einem
großen Angebot rechnen konnte. Dieses Angebot wurde aber noch
bei weitem größer als man erwartet hatte, als sich die Folgen
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 4
Allgemeines.
50 I. Pflanzl. Bohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
des Balkankrieges bemerkbar machten. Denn die Industrie hatte
(dorthin nur sehr kleinen Export, wodurch der Bedarf an Papier
sicsh ganz bedeutend verringerte. Die Papierfabriken, die einen
bedeutenden Bedarf an Stroh haben, nahmen die gekauften Stroh-
quantitäten nicht ab; die Läger waren überfüllt, und die Folge
davon war, daß die Strohgroßhändler, die mit dem gepreßten
Stroh nichts anzufangen 'wußten, den Berliner Markt damit über-
schwemmten. Naturgemäß wichen die Preise für Preßstroh
immer mehr, so daß am hiesigen Markt zum Teil zu Preisen
gehandelt wurde, zu denen in normalen Jahren nicht einmal die
Landwirtschaft verkauft. Das Strohgeschäft hatte deshalb be-
deutende Verluste aufzuweisen. Weit bis in den November
hinein herrschte in Deutschland mildes Wetter, so daß die Land-
wirte ihre Feldarbeiten lange ausdehnen konnten. Dadurch'
wurde der Ausdrusch von Getreide verzögert, und das Angebot
überstieg in den beiden letzten Monaten des Jahres nicht die
Kachfrage. Da nicht übermäßig große Quantitäten herankamen,
so blieben die Preise unbeeinflußt. Der Bedarf an Rauhfutter
war im allgemeinen nicht sehr groß, so daß sich das Geschäft nur
träge abwickelte. Die Ernte in Heu ersten Schnittes war bis
auf die Havelniederungen, wo fast nichts gewachsen war, reich-
lich,, da der Mai und Juni günstiges Wetter hatten. Jedoch gegen
Ende Juni setzte eine ziemlich anhaltende Regenperiode ein,
worunter die Qualität der Ware litt. Diese Periode sohlechten
Emtewetters hielt bis Mitte August an und verminderte die
guten Aussichten immer mehr; besonders hat die Qualität des
Strohs und diejenige des Kleeheus darunter gelitten. Als aber
von Ende August ab das Wetter anhaltend trocken war, konnte
noch ein gut gewonnener zweiter Heuschnitt hereingebracht
werden. Beim zweiten Schnitt fielen die Niederungen an der
Wartho und Netze als Lieferanten für Berlin aus, da dort sehr
viel Gras durch Hochwasser verdorben wurde. Vom Ausland ist
in diesem Jahr wieder Sch'weden mit gutem Kleeheu und Ti-
motheeheu am Berliner Markt gewesen, während Holland sehr ge-
ringe Qualitäten Wiesenheu anbot und damit nicht gegen hiesiges
Heu konkurrieren konnte. Das dänische Kleeheu, welches an
den Berliner Markt kam, war zum Teil stark mit Raygras ver-
mischt und daher nicht wie sonst in Qualität vor inländischem
Kleeheu bevorzugt. Mit kleinen Schwankungen hielten sich die
Preise für Heu fast während des ganzen Jahres auf ungefähr
gleicher Höhe, während Stroh und damit auch im Zusammen-
hang Häcksel starke Preisrückgänge zu verzeichnen hatten. In
Iden letzten Tagen des Berichtsjahres machte sich Mangel an
Stroh, Heu und Häcksel bemerkbar, da keine großen Läger
vorhanden waren.
Preis- Ueber die Preisbewegung im Rauhfutterhandel geben wir
die nachstehende Uebersicht, wobei zu bemerken ist, daß die an-
7. Fouragehandel (Eauhfutterhandel). 51
gegebenen Preise sicii durcliweg pro 1000 kg in Waggonladungen
frei Berliner Bahnhöfe verstehen.
Die Preise ffür Kleeheu und Timotheeheu ausländischer Hea.
Herkunft betrugen zu Anfang des Jahres bei starker Zufuhx
und' schwacher Nachfrage 8 bis 8,50 Mk. (9,50 bis 10,50 Mk. im
Vorjahre). AViesenheu kostete 5,20 bis 6 Mk. (7,40 bis 8,40 Mk.
ün Vorjahre). Als die Feldarbeiten begannen, ließ die Zufuhr
in gutem Wiesenheu nach, und seine Preise stiegen, während Klee-
und Timotheeheu weiter zu gleiöhen Preisen angeboten waren.
Pur Wiesenheu mußte 5,40 bis 6,40 Mk. bezahlt werden. Erst
im April wurde das Geschäft in inländischem Heu lebhafter,
und es wurde für gutes Wiesenheu bis 6,50 Mk. bezahlt. Im
Mai zogen die Preise für Wiesenheu weiter an, bis 6,60 Mk.
(8,60 Mk. ina Vorj.). Als Mitte Juni neues Heu ersten Schnittes
an den Markt kam, gingen die Preise für dieses Heu auf 5,20 bis
5,60 Mk. zurück (5,20 bis 5,60 Mk. im Vorj.), jedoch hielt das
Angebot von neuem Heu nicht lange an, denn das Wetter wurde
im Juli sehr ungünstig, so daß das Heu nicht ordentlich ausgeheut
wei^den konnte. Die Preise stellten sich daher im Juli auf 5,20
bis 6 Mk. (5,20 bis 5,60 Mk. im Vorj.). Neues inländisches Klee-
heu, Timotheeheu, wurde mit 6,80 bis 7,60 Mk. (6 bis 6,50
Mark im Vorj.) bezahlt. Das schlechte Wetter hielt bis Mitte
August an, so daß Knappheit ia E.auhf utter eintrat ; jedoch wirkte
dies nicht weiter auf die Preisstellung, da der Bedarf des Kon-
sums zu gering war. Die durch das anhaltend schlechte Wetter
im' Juli und August hervorgerufene Verzögerung der Emtearbei-
ten veranlaßte eiae ziemlich geringe Zufuhr, so daß in inländi-
scher Ware Mangel eintrat, der aber durch die Zufuhr vom
Auslande ausgeglichen werden konnte, so daß die Preise auch
weiter unverändert blieben. Vor dem Eiatritt der Kartoffelernte,
die durch das günstige Herbstwetter sehr gefördert wurde und
sehr große Erträge brachte, kam noch einmal eine größere
.Zufuhr an Heu heran, weil sich inzwischen die Aussichten für
•den zweiten Schnitt ebenfalls günstig gestaltet hatten. Die
Preise waren damals für Wiesenheu 5,40 bis 6,60 Mk. (5 bis
6 Mk. im Vorj.) und für Klee- und Timotheeheu 6,80 bis 8 Mk.
(7 bis 7,50 Mk. im Vorj.). Als die Hauptarbeiten der Kartoffel-
ernte beendet waren, kam Heu wieder in stärkerem Umfange
heran; die Preise hielten sich aber auf gleicher Höhe. Im De-
zember war die Zufuhr an inländischem Heu geringer, da die
Witterung für die Verladung ungünstig war. Die Preise stellten
sich in der zweiten Hälfte des Dezember für Wiesenheu auf
5,40 bis 6,80 Mk. (5,20 bis 6 Mk. im Vorj.^), für Kleeheu auf
6,80 bis 7,80 Mk. (8 bis 8,50 Mk. im Vorj.) und für Timotheeheu
auf 7,40 bis 8,40 Mk. (8 bis 8,50 Mk. im Vorj.).
In Berlin wird im Handel fast nur Üoggenstroh gebraucht, stroh.
wobei man Plegeldruschstroh (Handdrusch), Maschinendruschstroh
4*
52 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
mit Strohband gebundeii, amd Preßstroh, in Quadratb allen mit
Dnalit gebunden, zu unterscheiden bat. Die folgenden Preise sind
für diese Sorten immer in dieser Reihenfolge zu verstehen. —
Flegelstroh war im ganzen Jahre durchweg knapp, da die Land-
wirtsdiaft immer mehr mit Maschinen drisöht und das Stroh
einpreßt. Die Preise waren bei normaler Zufuhr im Januar
4,10 bis 4,50 Mk., 3,40 bis 3,80 Mk., 3,20 bis 3,60 Mk. (5,20 bis
5,60 Mk., 4,80 bis 5,30 MJc., 4 bis 4,20 Mk. im Vorj.). Im Februar
gingen die Preise infolge sehr starker Zufuhr zurück auf 4 bis
4,40 Mk., 3,20 bis 3,60 Mk., 3,10 bis 3,30 Mk. Die Zufuhr in
Flegeln und Maschinenstroh wurde dann geringer, während Preß-
stroh andauernd stark und über Bedarf zugeführt wurde. Diese
starke Zufuhr hielt bis zuj^ neuen Ernte an, und während sich
diei Preise für Flegelstroh und Maschinenstroh auf gleicher Höhe
hielten, ging Preßstroh andauernd zurück. Im Mai kostete Preß-
stroh 2,90 bis 3,10 Mk., im Juni uad Juli nur noch 2,40 bis
2,80 Mk., um nach kurzem Stillstand der Preise im September
den niedrigsten Preis von 2,20 bis 2,50 Mk. zu erreichen. Die
Preise des Vorjahres waren im September für Flegelstroh 4,40
bis 4,80 Mk., für Maschinenstroh 3,60 bis 4 Mk. und für Preß-
stroh 3,20 bis 3,80 Mk. Während der Kartoffelernte erholten
sich die Preise für Preßstroh auf 2,40 bis 2,80 Mk. und hielten
sich auf dieser Höhe bis zum Schlüsse des Berichtsjahres.
HackseL Untei' Häcksel (Pferdehäcksel) wird im Berliner Handel kurz-
gesciinittenes itoggenstroh, staub- und stoppelfrei gesiebt, ver-
standen. Die Preise waren zli Anfang des Jahres bei starker
Zufuhr 4,20 bis 4,70 Mk. (4,80 bis 5,20 Mk. im Vorj.). Im
Februar wurde die Zufuhr immer stärker, so daß die Läger über-
füllt waren und die Ankünfte auf den Bahnhöfen sozusagen zu
jedem Preise verkauft werden mußten. Es wurde bezahlt 3,60 bis
4 ^ik. (4,80 bis 5,20 Mk. im Vorj.). Bei Beginn der Feldarbeiten
kam' weniger Ware heran, aber die Preise waren wenig verändert,
da im Strohhandel rückgängige Konjunktur herrschte. Mit kurzer
Unterbrechung im Mai, wo die Ware knapper war, gingen die
Preise im Juni und Juli auf 3 bis 3,50 Mk., im August sodann
auf 2,80 bis 3,30 Mk. zurück (5,60 bis 6 Mk. und 4,30 bis 4,60
Mark im Vorj.). Wahrend der Kartoffelernte und der Feldarbeiten
wurde Häcksel sehr knapp, so daß die Preise sich erholen konnten
und auf 3,20 bis 3,60 Mk. stiegen (4,30 bis 4,60 Mk. im Vorj.).
Diese Preise blieben unverändert bis zum Ende des Berichtsjahres.
8. Flachs- und Hanfhandel.
Piachs. Infolge der lebhaften Nachfrage nach Flachsgarnen, ins-
besondere für schwere Ware, war auch der Bedarf an itohflaöhs
ßehr groß und der Flachshandel im allgemeinen lebhaft. Die
Preise hielten sich mit nur geringen Schwankimgen auf einem
mittleren Niveau und ließen sowohl Produzenten wie Konsu-
9. Hopfenhandel. 53
menten guten Nutzen. Auch für die neue Saison machte sich Ende
September bereits lebhafte Kauflust bemerkbar. Die guten
Ernteberichte lassen wieder ein lebhaftes), nutzbringendes Gre-
schäft erwarten.
Im Januar des Berichtsjahres kamen bereits kleiae Zu- Hanf,
fuhren russischen Hanfes der neuen Winterei-nte 1912 an den
Markt. Die Qualitäten der Hanfe fielen zwar im allgemdinen
gut aus, entsprachen aber doch nicht den gehegten Erwartungen.
Für prima Mittellagen mit 30o/o Paß zahlte man 81 Mk., für
Malestowker ebenfalls mit 30% Paß 79 Mk., für Karatschewer-
hänfe 75 Mk., und für Streymelhänfe 73 Mk. pro 100 kg, franko
Berlin. Die Preise behaupteten sich bis gegen April und es wurde
in der Zeit viel gekauft. Als dann die englische Marineverwal^
tung ihren Bedarf an russischem Hanf deckte und die noch vor-
handenen Bestände in zweite Hand übergingen, erhöhten sich die
Preise in schnellem Tempo bis auf 3 Mk. pro 100 kg. Diese
Preissteigerung war jedoch nur vorübergehend, denn als im Juli
die neue Sommeremte gehandelt wurde, nahmen die Preise üiren
vorherigen Stand wieder ein. Mit dem neuen Hanf war man sehr
zufrieden, die Faser war hellfarbig, kräftig und geschmeidig.
In der Zeit von August bis Dezember blieb die Marktlage un-
verändert unxd die Absätze waren in allen Gegeliden bedeutend.
9. Hopfen.
Das Geschäft in 1912er Ware entwickelte sich weiter in
ruhigen Bahnen. Die Brauereien haben sich bei mäßigen Preisen
st^rk über Bedarf eingedeckt. Im Frühjahr zogen die Preise
etwas an, weil prima Ware recht selten wurde, und sie hielten
sich fortwährend auf der Höhe, trotzdem die Emteaussichten
damals noch die besten waren. Erst im Sommer, als durch an^
haltendes, ungünstiges Wetter die Hoffnungen sich zu trüben
begannen, fingen die Preise für die ohinehia geringen Lager-
bestände wieder an zu steigen und wiesen schließlich gegen die
Herbstnotierungen eine Spannung von 30 — 40 Mk. auf. Die Be-
richte über die zu erwartende 1913er Ernte gingen in ihren
Sdiätzungen weit auseinander, wenngleich sie alle darin über-
einstimmten, daß ein erheblich geringerer Ertrag als 1912 zu
erwarten sei. Wälirend der Ernte erst wurde man gewahr, daß
das Erträgnis auch noch hinter den Erwartungen der pessimisti-
schen Schätzungen zurückblieb. Naturgemäß stiegen die For-
derungen der Produzenten von Tag zu Tag und sie wurden vom
Handel bewilligt, weil sich dieser baldmöglichst ia den Besitz
der raren prima Qualitäten zu setzen suchte. Die Brauereien, be-
einflußt durch Zeitungsartikel und sonstige Faktoren, uud nicht
zum wenigsten durchs das Bewußtsein, sich im Besitz von weit-
reichenden. Vorräten 1912er Hopfens zu befinden, verhielten sich
bis Mute Oktober abwartend und haben während der haussieren-
54 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
den Tendenz sehr wenig gekauft. Seit ungefähr Mitte Oktober
ist Rulie eingetreten und die Jagd nach guter Ware hat im
Handel nachgelassen. Aber trotzdem sind die Preise nicht nennen.s-
wert gewichen und die Marktumsätze weisen Tag für Tag ganz
ansehnliche Ümsatzziffern auf. Die Produktionsplätze der her-
vorragendsten Provenienzen sind mehr oder weniger geleert, die
beste Ware ist in festen Händen. Allmählich bekehren sich auch
die Brauereien zu der Einsicht, daß mit dem langen Zuwarten,
angesichts des Mangels an prima Ware, nicht viel erreicht
werden kann, und da sich der Handel entgegenkommend zeigt,
ist es bereits zu zahlreichen Abschlüssen größeren Ümfangs ge-
kommen. Immerhin dürfte sich das Geschäft in dieser Kampagne
bis zum Frühjahr hinziehen. Es ist nicht anzunehmen, daß die
Preise so stark nadhlassen werden, wie mancher glaubt. Durch
das Vorrücken der Qualitäten ist fast eher eine Aufwärtsbswe-
gung zu erwarten.
10. Kunst- und Handelsgärtner ei ^).
Topfpflanzenkulturen.
Topfoflanzen- Das Geschäft in Topfpflanzen verlief in den ersten drei
Monaten 1913 befriedigend. Das Pflanzenmaterial, welches in
den Treibereien herangebracht wurde, fand Absatz, besonders
in marktfähiger Ware ; Schau- und größere Kulturpflanzen wai'en,
wie stets, schwer verkäuflich. Größere Blattpflanzen waren wieder
wie in den Vorjahren vernachlässigt, dagegen wurden Farne
reichlich verbraucht. Vor einigen Jahren hatte es den Anschein,
als würden Treibgehölze mehr Aufnahme finden; diese Hoffnung
hat sich aber leider nicht erfüllt. Die Treiberei beschränkte
sich auf die altbewährten Sachen, wie Flieder, Sdineeball, Pininus,
Deutzia usw. Ein neuer Artikel für die Treiberei sind die aus
Frankreich eingeführten Hortensien, welche gern Abnehmer
finden. In krautigen Frühjahrsblühern, wie Cinerarien,
Calceolarien, englischen Pelargonien usw., war das Geschäft leb-
haft; die Pflanzen waren bei dem gelinden Wetter besonders gut
entwickelt. Der Geschäftsgang in Balkon- und Gruppenpflanzen
war gut, die großen Vorräte in den Gärtnereien wurden geräumt,
obgleich höhere Preise nicht zu erzielen waren. Das Bepflanzen
•vlon Baikonen, öffentlichen Plätzen, Straßen, Friedhöfen und
Privatgärten nimmt viel Pflanzenmaterial auf. Hierdurch wird
das Geschäft in jeder Weise g-ünstig beeinflußt. An den dies-
jährigen Jubiläums tagen wurden gleichfalls viele Pflanzen zur
Dekoration verbraucht. Im Juli setzte die G^schäftsstille ein,
die auch bis in den Herbst hiaein nicht weichen wollte. Die
Ursache waren die Balkanwirren, die allgemeine Geldknappheit
und die Lebensmittelteuerung. Auch sonst brachte das Geschäft
1) Bericht der Deutschen Gartenbau- Gesellschaft.
10. Kunst- und Handelsgärtnerei.
55
nicht viel Erfreuliches. — Die Zwiebeltreiberei ließ viel zu
wünschen übrig. Das Fr^ühjahrsgeschäft staute sich an und w^ar
in der kurzen Saison, die das warme Wetter mit sich brachte,
kaum zu bewältigen, doch trat danach eine fast völlige Ruhe
ein und die Ware blieb unverkauft. Eine kleine Abwechslung
brachten für einzelne Geschäfte die Jubiläumsfeiern. Sohnitlr
blumen, besonders Chrysanthemum, waren in so redchlichen Mengen
vorhanden, daß mit einem normalen Absatz nicht zu rechnen
war. Das Herbstgeschäft, besonders in Eriken, brachte Ueber-
raschungen; große Posten mußten — dem Verblühen • nahe —
zu ganz niedrigen Preisen abgesetzt werden; zum Schluß der-
Saison war aber gute Handelsware wieder sehr gefragt.
Abgeschnittene Blumen.
Das verflossene Jahr hatte an Schnittblumen bedeutendere
Mengen gezeitigt als in früheren Jahren. Es ist sowohl an
deutschen Schnittblumen stets Ueberfluß vorhanden gewesen, wie
auch in den Wintermonaten an importierten Schnittblumen des
Auslandes. Die Folge dieser Ueberflutung des deutschen Marktes
waren die niedrigen Preise und das andauernd schleppende Ge-
schäft, da die vielen vorhandenen Mengen nicht gut unter-
zubringen waren. Die importierten Blumen waren bis Ende Mai
KU reichlich vorhanden, sowohl die von der Riviera wie solche
Von Holland, so daß die deutsche Produktion großen Schaden
dadurch erleiden mußte, weil die Preise nicht gehalten werden
konnten, die zur günstigen Fortentwicklung der deutschen Pro-
duktion notwendig sind. Schleuderpreise waren an der Tages-
ordnung. Selbst der für die deutsche Produktion noch günstige
Herbst ließ keine Erholung des Marktes zu, da trotz der" un'-
günstigen Geschäftslage die ausländischen Blumen frühzeitig ein-
trafen und schon in Konkurrenz traten, ehe der Blumenflor in
Deutschland geringer wurde, so daß im allgemeinen das Jahr
als ungünstig zu bezeichnen ist.
Orchideen.
Der Bedarf an Orchideenblumen steigert sich von Jahr zu
Jahr, und es ist oft nicht möglich, der Nachfrage Rechnung zu
tragen. Der Import der Cattleyen, welche neben den Oncidien
am üieisten verlangt werden, wird immer schwieriger. Durch die
Aufnahme, welche die Orchideen in den Vereinigten Staaten ge-
nommen haben, werden zuviel Pf lanzen in den Tropen eingesammelt,
für deren Entwicklung es besser wäre, daß sie noch einig© Jahre
länger dort wüchsen. Die Pflanzen sind daher meistens sehr
schwach und geben infolgedessen in den ersten Jahren keinen
vollen Ertrag. Auch sind die Preise für frische Pflanzen uni
mindestens 30 o/o gestiegen. Es ist trotzdem sehr schwierig, die
geforderten Mengen aus den Tropen zu erhalten. Dies trifft noch
Abgeschnittene
Blumen.
Orchideen.
56 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
mehr auf dies' Oncidien zti, welche ijn letzten Jahre so gut
wie gar nicht zu haben waren. Auch in Rußland ist die Nach-
frage bedeutend größer geworden, was auf den allgemeinen Markt
natürlich Eindruck macht. Es sind in den letzten Jahren be-
deutend mehr Orchideen kultiviert worden; da man aber diese
Pflanzen nicht so leicht vermehren kann wie andere Schnittblumen
und die Anschaffungskosten sehr hoch sind, so wird es darin nicht
so leicht eine Ueberproduktion geben. Der Nachzucht aus Samen
wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und es sind schon
recht schöne Resultate damit erzielt worden. Um dieses Ver-
fahren aber im großen Stile betreiben zu können, bedarf es
erheblicher Mittel; denn um einen vollen Ertrag aus Sämlings-
pflanzen zu erhalten, bedarf es einer sechsjährigen Kultur. Trotz-
dem werden bereits in beträchtlicher Anzahl Orchideensämlings-
pflanzen auf den Markt gebracht, jedoch zieht der Blütner eine
großblumige Stammform der Hybride vor. Der Umsatz in
Orchideenpflanzen steigt nur sehr langsam, da der hohe An-
schaffungswert der Pflanzen das große Publikum davon abhält,
sich größere Bestände zuzulegen; ein weiterer Hinderungsgrund
liegt wohl auch darin, daß die Kultur der Orchideen den wenigsten
Gärtnern bekannt ist.
Baumschul-
artikel.
Blume u-
binderei.
Baumschulartikel.
Das Baumschulengeschäft war im Jahre 1913 zufrieden-
stellend. Allerdings machte sich der allgemeine schlechte Ge-
schäftsgang und Geldmangel etwas fühlbar; langes Ziel und
noch langsamere Eegulierung sind die bekannten ]\lißstände.
Das Prüh Jahrsgeschäft setzte infolge des günstigen Wetters
zeitig und lebhaft ein, hätte sich aber noch viel besser entwickelt,
•wenn nicht vorzeitig die große Wärme eingetreten wäre, die
bald zur Einstellung des Versandes zwang. Obstbäume in allen
Formen und Obststräucher wurden sehr gefragt und einzelne
Gattungen ziemlich geräumt. Zierbäume in Laub- wie in Nadel-
Ihölzerii wurden nur mäßig verlangt. Dagegen fanden Zier-
sträucher, namentlich gewöhnliche billige Sachen, guten Absatz,
desgleichen Heckenpflanzen. Das Geschäft in Alleebäumen war
befriedigend. Rosen blieben infolge des günstigen Winters und
der vorzeitigen Wärme viel unverkauft. Das Herbstgeschäft
entwickelte sich fast in denselben Bahnen wie im Frühjahr, nur
daß nach Ziergehölzen weniger Nachfrage war; sonst aber be-
friedigte es, obgleich es nicht ganz die Höhe des Vorjahres er-
reichte. Infolge des ungünstigen Winters wurden die Versand-
arbeiten sehr gefördert.
Blumenbinderei.
Die Blumenbinderei hat im verflossenen Jahre keinen
größeren Umfang angenommen. Durch die schlechte Konjunktur
10. Kunst- und Handelsgärtnerei. 57
ist diese Branche am meisten in Mitleidenschaft gezognen worden,
und wenn im vorigen Jahre schon über schlechten Geschäftsgang
im allgemeinen geklagt wurde, so fand dies im Berichtsjahre
seine Fortsetzung. Namentlich trug hierzu die übergroße Aus-
dehnung und Zulassung des Straßenhandels bei. In keinem' Jahre
vorher haben so viele Blumengeschäftsinhaber ihre Geschäfte
schließen müssen wie im verflossenen. Ein Lichtblick waren im
vergangenen Jahre die Festdekorationen anläßlich des Regierungs-
jubiläums Seiner Majestät des Deutschen Kaisers. Auch das
Geschäft in Balkondekorationen verlief noch einigermaßen be-
friedigend; eigentliche Bindereien aber wurden nicht in dem
Maße wie früher g^ecfordert, was auf die fortlaufende Preiserhöhung
der Lebensmittel usw. zurückzuführen ist. An Material stand
im gesamten Jahre eine überaus große Auswahl der schönsten und
herrlichsten Blumen, Pflanzen und Früchte zur Verfügung; ganz
besonders gibt sich die deutsche Gärtnerei große Müüe, den
Blumengeschäftsinhaber mit langstieligem und gebrauchsfertigem
Material zu versehen. Das Geschäft in Kränzen und Trauer-;
arrangements blieb in der Anzahl der geforderten Objekte ziem-
lich auf derselben Höhe wie im Vorjahre, jedoch wurden viel-
fach nicht die Preise froherer Jahre angelegt.
Diese Ausführungen finden in folgendem zweiten Bericht
manche Ergänzungen:
Die Geschäftslage ist im Verhältnis zum Vorjahre weseat-
lich ungünstiger geworden. Die eingegangenen Berichte bekunden
übereinstimmend einen Rückgang der Umsätze und zwar nament-
lich im Herbste, zu welcher Zeit man sonst mit einer starklein
Wiederbelebung des im Sommer stillen Geschläftes rechnet. Nament-
lich sind die Umsätze zu Allerheiligen bzw. zum' Totenfeste
ganz erheblich hinter dem Vorjahre zurüdkgeblieben. Die Früh-
jahrssaisoiL und das Balkonpflanzengeschäft waren im allgemeinen
befriedigend, wie sich auch die Preisverhältnisse in normalen
Bahnen bewegten. Die Blumengeschäfte im sogenannten feinen
Westen und in den westlich'en Vororten haben infolge der oft
monatelangen Abwesenheit zahlungsfähiger Kunden, namentlich
in jden Sommermonaten, einen ganz erheblichen Einnahmeausfall
der sich, wie es den Anschein hat, selbst nicht durch einen guten
Umsatz in den Wintermonaten ausgleichen will. Auffallend ist,
daß das Publikum weniger teuere Sachen bestellte als in früheren
Jahren. Die Geschäfte in der Nähe der Friedhöfe klagten auch
im verflossenen Jahre über die Konkurrenz der Friedhofsgä,'rtneir,
welche unter günstigeren Bedingungen produzieren und verkaufen
als die Blumengeschäfte. Die Jubiläumsfestliohkeiten, die Hoch-
zeit im Kaiserhäuse und verschiedene Todesfälle hervorragender
Persönlichkeiten brachten den ersten Geschäften viele und auch
gute Aufträge. Sehr groß ist selbst den ersten Blumengeschäften
der Ausfall, der durch die Konkurrenz des Straßenhandels ent-
58 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
steht. Der Gelegenheitskauf von Blumen ist dadurch in den
Blumengeschäften außerordentlich zurückgegangen. Es tritt iu-
folgedessen mehr und mehr eine Entfremdung des Publikums
von den Blumengeschäften ein. Ein Rückgang im Umsatz in
der Trauerbinderei ist auch infolge der zunehmenden Feuer-
bestattung zu verzeichnen. Eine Besserung könnte erzielt werden,
wenn die Feuerbestattungs-Anstalten der im Publikum vielfach
verbreiteten Ansicht entgegentreten würden, daß bei der Feuer-
bestattung Kranzspenden nicht zulässig sind. Der Weiluiachts^
und Sylvesterumsatz war besser als man erhofft hatte, jedoch
liegen audi Berichte vor, daß die Umsätze das Vorjahr nicht
erreicht haben.
Dekoration.
Dekoration. Das Dekorationsgeschäft hat im Jahre 1913 in gleicher Weise
wie in den Vorjahren wenig Aenderung erfahren. Das .Regierungs-
jubiläum Sr. Majestät des Kaisiers' bot Veranlassung, durch
Schmückung von Häuserfronten, Schaufensterdekorationen und
Festversammlungen die gärtnerischen Pflanzenbestände einmal
wieder voll zur Geltung zu bringen. Der ausnahmsweise günstige
Herbst erleichterte den Austausch der Sommerdekoration gegen
Winterdekoration. Tannen, Koniferen in kleinerer und mittlerer
AVare waren leicht zu beschaffen, während es an höheren mangelte.
Es ist nicht zu leugnen, daß das Bedürfnis des großen Publikums,
sei es aus freudigen oder traurigen Veranlassuilgen, einen Blumen-
und Pflanzenschmuck zu haben, immer größer wird, so daß be-
hauptet werden kann, daß die Dekorationsgärtnerei an Umfang
zugenommen hat. Anders verhält es sich mit den aufgewendeten
Mitteln. Es gehört zu den Seltenheiten, daß Äiittel bewilligt
werden, welche eine künstlerische Aufmachung ermöglichen, der
Preis ist meistens gedrückt. Erfreulich zu bemerken ist, daß von
namhaften Firmen an Stelle der früher üblichen Lorbeerkrone jetzt
mehr Lorbeerpyramiden und insbesondere Palmen Verwendung
finden, welche den Dekorationen mehr Ausdruck verleihen.
Getrocknete
Blumen und
Gräser.
Getrocknete Blumen und Gräser.
Ziergräser und Immortellen sind nicht bloß der Witterung,
sondern hauptsächlich der Mode unterworfen. Mit einem Wort,
beide Artikel in üiren verschiedenen Arten sind unmodern ge-
worden und werden nur wenig begehrt. Alle Neuheiten und Er-
rungei) Schäften auf diesem Gebiete, wie sie in den letzten fünf-
undzwanzig Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckt und an-
gebaut wurden, sind im ersten Dezennium des 20. Jahrhunderts
üacih,' und nach außer Kurs gesetzt worden. Die Damenputzbranclie
hat in diesem Jahre nur HeUchrysum, naturfarbig, und Stippa
penn ata (Federgras), gefärbt, gekauft und verwendet, letzteres
als Ersatz für Eeiherfedem. Für Kranzbindereien wurde Statice
10. Kunst- und Handelsgärtnerei.
59
tatarica und St. siiiuata verlangt. Infolge der sdhlechten Ernte
waren die Vorräte gering; mithin konnten vorjährige Bestände
verwertet werden. Die Preise haben sich nioht geändert. Die
französische Immortelle (Gnaphalium orientalis) wurde trotz des
um ca. 30 o/o gestiegenen Einkaufspreises verlangt und auch ver-
wendet. Der Preis ist zurzeit so hoch wie nie zuvor. Die präpa-
rierten Cycaswedel, ebenso Islandmoos sind bei guter Qualität
noch immer beliebt bei gleichen Preisen wie im Vorjahre. Die
frostfiieie Witterung bis in den Dezember hinein läßt ein Ge-
Bclhäft mit obigen Waren kaum erwarten; importierte frische
Blumen bebierrschen den Berliner Markt.
Samenhandel.
Der Samenbandel war im Jahre 1913 ganz grundverschieden Samenhandel,
von dem in den anderen Jahren. Die Preise waren zum Teil
niedriger als im vergangenen Jahre, doch war die Qualität recht
minderwertig, da die Ernte durdh den nassen Herbst von 1912
sehr gelitten hatte und speziell Astemsamen fast gänzlich un-
keimfäbig waren. Das Geschäft war im allgemeinen in Anbe-
tracht der schlechten Geschäftslage recht mäßig und es wurde
dahier nur das Notwendigste gekauft. Besonders durch die all-
gemeine schlechte Gesohäitslage haben die Gärtnereibesitzer wenig
Umsatz gehabt, und es wurde daher auch in Blumen nur das ge-
kauft, was dringend erforderlich war. Die Außenstände gingen sehr
schleppend ein, und deshalb waren auch die Tagespreise der
Blumen durch den Nichtabsatz sehr gedrückt und niedrig. Die
diesjährige Herbsternte scheint gut gewesen zu sein, und die
Preise in Samen scheinen sehr herunterzugehen.
Landschaftsgärtnerei.
Die Laindschaftsgärtnerei konnte in dem abgelaufenen Be-
richtsjahre auf keinen grünen Zweig kommen. Schuld daran
waren einmal die unglücklichen Bau Verhältnisse, vornehmlich
aber die geradezu beängstigende Formen annehmende Konkurrenz.
Schon zu Beginn des Jahres hatten die Preise einen Tiefstand
erreicht, der kaum noch zu überbieten war und der jeden Gewinn
ausschloß. In Berlin und seinen Vororten gehen heute bereits
50 große und mittelgroße und (über 100 kleinere Firmen dem land-
schafts)gärtinerischen Geschäfte nach, und jeder versucht, den
andern beiseite zu schieben oder, wenn er schon Fuß) gefaßt hat,
nachträglich noch abzudrängen. Die Löhne waren übermäßig
hoch. Hinzu kommt, daß die eigentliche Winterarbeit an sich
nachgelassen hat, weil der Stil, der zurzeit beliebt ist, viel mehr
größere Flächen in den Gärten vorsieht und diese zu bestimmten
Jahreszeiten keine oder doch nur sehr wenig Arbeit machen.
Auch fahren die Architekten fort, selbst Gärten anzulecken und
Landschafts-
gärtnerei.
60 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
die Gärtner naxih Möglichkeit hiervon auszuschließen. Femer
werden die Gartenbesitzer von Staudenzlichtern und Angestellteoi
holländischer Firmen geradezu überlaufen. Diese heimsen dureK
ihre übergroße Rührigkeit und Zähigkeit manche gute Bestellung
ein. Das Baumschulenmaterial ist teurer geworden, da durch
den Bund der Baumschulenbesitzer die Preise auf einer bestimmten
Höhe gehalten werden. Der Sfihutzverband der landschaftsgärt-
nerischen Arbeitnehmer hat sieb als ein gutes Mittel bewährt,
über Schwierigkeiten, besonders bei Streiks, besser als in früheren
Zeiten hinwegzukommen.
Gemüsegärtnerei.
Gemüse- ^^^ Jahr 1913 ist mit seinen extremen Witterun gsverhält-
gärtnerei. nisscu seincu beiden Vorgängern traurigen Angedenkens würdig
an die Seite zu. stellen. Das prächtige Frühjahrswetter mit viel
Sonnenschein von Anfang März ,ab brachte die Pflanzenaussaaten
in den Mistbeeten schnell vorwärts. Gleich nach Ostern konnte
mit den Bestellungsarbeiten begonnen werden. Die Pflanzarbeiten
waren im vollsten Gange, als am 10. April der plötz-
liche Wettersturz eintrat. Soviele geschäftliche Hoffnungen sind
wohl in den letzten 20 Jahren noch nie auf einmal den G^emüse-
gärtnern vernichtet worden wie in diesen bösen IXinf kalten Tagen.
So wurden die ersten Freilandaussaaten und Pflanzen fast völlig
vernichtet. Die zweiten Aussaaten und Pflai^zungen hatten un-
gemein unter der Hitze und Dürre im Monat Mai zu leiden.
Am 10. Juni war starker Sturm, der besonders an Bohnen viel
Schaden anrichtete. Bis zum Herbst war die Witterung trockener,
als sie normalerweise hätte sein müssen. Ein kleiner Trost war
es, daß erst am 10. Okt. der erste Frost eintrat. '
Ueber das Geschäft mit den einzelnen Artikeln läßt sich
folgendes berichten:
Eotkohl: Der Absatz vollzog sich fortgesetzt zu normalen
Preisen.
Wirsingkohl: Vom Sommer ab wurden die Preise durch
Ueberproduktion gedrückt und Wirsingkohl wurde daher sehr
bülig.
Weißkohl wurde am Markt zu guten Preisen flott gekauft.
Blumenkohl hatte unter der Hitze und Dürre im Sommer
besonders zu leiden gehabt. Er gab daher nur eine minder-
wertige Qualität und die Preise waren niedrig.
Kohlrabi: Im Frühjahr waren die Vorräte gering und die
Preise gut; später bis zum Herbst war der Absatz befriedigend
und die Preise waren normal.
Spinat. Winterspinat wurde durch Zufuhr von außerhalb
im Preise sofort stark , herabgedrückt (vom 23. bis 26. April kamen
20 Waggons von auJäerhalb an). Junger Spinat war billig und
im Herbst kaum verkäuflich.
10. Kunst- und Handelsgärtnerei.
61
Salat. Bis Ende Mai beherrschte holländischer Salat den
Berliner Markt, so daß für unsern ersten Salat keine ange-
messenen Preise erzielt werden konnten. Später wmrde guter
Salat, der sehr knapp war, eine ggjize Zeitlang gut bezahlt;
bis zxun Herbst hin waren die Preise dann normal.
Mohrrüben waren bis Ende Juli knapp und wurden gut be-
zahlt; später wurden sie billig und blieben so bis zuletzt.
Suppengrün: In Porree, Sellerie, Petersilienwurzeln war trotz
der Knappheit kein Geschäft; infolgedessen waren die Preise,
niedrig.
Radies ujad Rettig wurden das ganze Jahr über gut gekauft.
Eadies waren im Sommer sogar zeitweise sehr gesucht.
Bohnen erzielten anfangs gute Preise, waren aber dann bis
zum Schluß des Bohnengeschäftes am 10. Okt. billig.
Frühkartoffeln waren im allgemeinen billig.
Zusammenfassend muß gesagt werden, daß das Geschäft
der Gemüsegärtnerei als befriedigend nicht anzusehen ist; die
Ausfälle waren zu groß. Am Jahresschluß war der Geschäfts-
gang sehr still und in allen Artikeln der Absatz sehr gering.
Obstgärtnerei.
In Frühkirschen, Pfirsichen und Aprikosen haben die April-
fröste eine vollständige Fehlemte verursacht. Saure Kirschen und
späte Pflaumen sind dagegen in großen Massen geemtet worden.
Die Kirschen sind zu guten, die Pflaumen nur zu geringen Preisen
verkauft worden. Aepfel und ^Birnen waren nur in ganz ge-
ringen Mengen vorhanden, so daß große Nachfrage und infolge-
dessen ein sehr gutes Geschäft mit hohen Preisen vorhanden
war. Die Früchte waren im Geschmack sowie im Aussehen sehr
gut, dagegen wurde über geringe Haltbarkeit und massenhaftes
Auftreten der Obstmaden geklagt. Auch Fusikladium, das im
Sommer fast gar nicht auftritt, machte sich im Herbst bei vielen
Sorten recht unangenehm bemerkbar, besonders bei London Pep-
ping, so daß die Früchte nur zu niedrigen Preisen verkauft wer-
den konnten. Das Beerenobst, besonders die Johannisbeere, hat
sehr gute Erträge geliefert. Auch der Absatz war gut und es
wurden annehmbare Preise erzielt.
Obstverwertung.
Billig waren bzw. wurden wahrend der Ernte Himbearen,
besonders Waldhimbeeren. Sie kosteten 18—24 Mk. pro Zentner
gegen 25 — 45 Mk. im Jahre 1912.
Auch Johannisbeeren waren verhältnismäßig billig; rote
kosteten 8 — 10 Mk. pro Zentner gegenüber 12—16 Mk. im Jahre
1912.
Auch Birnen und Tomaten waren billig, besonders aber
Pflaumen. Diese kosteten 2 — 6 Mk. pro Zentner gegenüber
5—10 Mk. im Jalire 1912.
Obstgftrtnerei.
Obst-
verwertung.
62 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodukte.
Mittelmäßig im Pneise waren Satierkirs<5hen, ööhwarze Jo-
liaimisbeereii, Heidelbeeren, Stachelbeeren, hoch im Preise standen,
dagegen Erdbeeren. Sie kosteten 18 — 24 Mk. pro Zentner gegen-
über 16 — 22 Mk. im Jahre vorher.
Süßkirschen, Zitronen, Preißelbeeren, Aprikosen, Quitten,
Aepfel kosteten 5 — 8 Mk. pro Zentner gegen 3—5 Mk. im
Jahre 1912,
Bei den Aepfeln wirkte verteueimd die äußerst geringe
Ernte in ganz Deutschland, die zum größten Teil auf die Spät-
fröste, zum Teil anch auf die große vorjährige Ernte 2rurüok-
zuführen war. In Mostäpfeln kann jiian wohl mit Reclit sagen,
daß Frankreich in diesem Jahre den Markt beherrsöht bat. Die
Spätfröste waren wohl auch die iHaiiptursacihe der teuren Erd-
beeren, doch kam bei dieöer Frucht auch, das zu trockene Früh-
jahr zu sehr in Betracht. Himbeeren hatten wohl aucb durch
den Spätfrost gelitten, trotzdem war noch eine gute Ernte zu
verzeichnen. Süßkirschen waren fast völlig >vom Spätfrost iqi
der Blüte vernichtet worden, die Sauerkirschen hatten ihm mehr
oder weniger standgehalten. In Preißelbeeren wUrde ursprüng-
lich eine gute Ernte von Schweden genieldet, schließlich sind
die Preise aber gleich nach den ersten Sendungen zu unerhörter
Höhe gestiegen. Inländische Früchte konnte man zu annehm-
baren Preisen kaufen; besondere Einflüsse machten sich bei den
Preißelbeeren insofern geltend, als sie infolge der guten Halt-
barkeit oft zurückgehalten wurden. Heidelbeeren stiegen auch
juach anfänglich mittleren Notierungen gegen Ende der Ernte
ganz bedeutend. Dagegen gingen die roten Johannisbeeren wäh-
rend der Ernte bedeutend im Preise zurück, so daß man schließ-
lich von niedrigen Preisen reden konnte. Schwarze Johannisi-)
beeren hatten unter Nachtfrösten gelitten. Stachelbeeren waren
im allgemeinen durch den Schaden, den der amerikanische Meltau
anrichtet, knapp und ziemlich teuer. Quitten verzeichneten einen
gänzlichen Ausfall und gingen hoch im Preise bis zu 35 Mk.
Eine gute Ernte war in Hagebutten und Brombeeren vorhanden,
doch werden diese beiden gut zu verwertenden Fruchtarten noch
zu wenig benutzt, was zum Teil darauf zurückzuführen sein
dürfte, daß sie zu wenig im großen gesammelt werden. Die
Nachfrage seitens der Ejonservenfabriken war wieder recht leb-
haft, weil größere Vorräte seit 1911 noöh nicht wieder aufgehäuft
werden konnten.
Halbfabrikate ^^^ Ausland kommt mit Halbfabrikaten nicht bedeutend
^pTodukte^^ auf den Markt. Holland, welches auch mit FrischWare stark
vertreten wax, bot, wie in den Vorjahren, das Fruchtmark von
Johannisbeeren, Erdbeeren und Himbeeren an und drückte auch
zu manchen Zeiten stark auf die Preise; zieht man die nicht un-
erheblichen Fracht- und Zollspesen in Betracht, so waren, wesent-
liche Preisunterschiede gegen inländische Ware nicht festzustellen.
11. Handel mit Obst und Gemüse.
63
Von Spanien wierden Aprikosenmark bzw. ihalbe Früchte seit
Jahren in steigender Menge angeboten. Die Preise waj^n seit
dem vorigten Jahre nicht wesentlich verschieden, pro Zentner
in 10-Pfund-Dosen ca. 23—32 Mk. Es dürfte sich etwa 10-15 IMk.
billiger stellen, als Aprikiosenmark von einheimischen Früchten
kosten würde. Ebenso ist als Halbprodukt, das sich steigender
Beliebtheit erfreut, Ananas ans Hawai zu erwähnen. Diese Eruciht
wird sterilisiert von dort in lO-Pfnnd-Dosen als geraspelte Ware,
in Scheiben- und Zylinderform verschickt und kommt en gros
per Kilogramm auf ca. 0,85 Mk. Serbische und bosnische Pflaumen
wa-ren anfangs kaum vertreten, die neue Ernte ist jedoch reich-
lich ausgefallen, war aber nicht von hervorragender Qualität.
Aimerikanische Obstk'onsierven haben im Preise angezogen und!
schienen knapper als im Vorjahre zu werden. Als Neuheit werden
getrocknete Bananen aus 'Kamerun angeboten, vorläufig aller-
dings gegenüber der frischen Ware in geringer Menge. Doch dürfte
mit Fertigstellung der neuen Bananen -Transportdampfer das An-
gebot bedeutend steigen. Größere Vorräte in Halbprodukten aus
vorhergehenden Jahren wiaren nicht vorhanden, was sich aus
den Mißernten der beiden vergangenen Jahre erklärt. — Die
Preise der fertigen Erzeugnisse waren in diesem Jahre ungefähr
die gleichen wie im Vorjahre. Fabriken, welche im Vorjahre
infolge Mißernte einen Teuerungsaufschlag von 10 — 15 o/o no-
tierten, sind inzwischen davon wieder abgekommen, weil der"
Absatz bisher zurückgeblieben ist, was mit der allgemeinen un-
günstigen Greschäftslage zusammenhängen dürfte.
11. Handel mit Obst und Gemüse.
Das Geschäft in Sommerobst verlief im allgemeineu befriedi- Sommerobst,
gend, namentlich, was das ausländische Obst anlangt. Die in-
ländische Ernte ließ vielfach zu wünschen übrig und reichte nicht
an die des Vorjahres heran; nur die Ernte in Pflaumen war
sehr reichlich.
Die inländische Kirsche nemte, speziell ia den für Berlin Kirschen,
in Frage kommenden Gebieten von Werder und Schlesien, fiel
infolge des ungünstigen Frühjahrswetters sehr schlecht aus, und
das Ergebnis genügte bei weitem nicht für den Berliner Markt;
auch qualitativ ließ die Ware zu wünschen übrig. Italien da-
gegen hatte eine gute Ernte und lieferte große Mengen von
guter Qualität. Infolge des schlechten hiesigen Emteausfalles
dauerten auch die Zufuhren von Italien länger, als dies in nor-
malen Jahren der Fall ist. Französische Kirschen kamen in diesem
Jahre gar nicht an den Markt.
Auch in Erdbeeren war die hiesige Ernte infolge der unbe- Erdbeeren,
ständigen Witterung im Frühjahr sehr gering und befriedigte
auch qualitativ nicht. Einen vollen Ausgleich hierfür boten die
Metzer Erdbeeren, welche dieses Jahr hervorragend schön waren
64 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. A. Landwirtsch. Eohprodiikti
Anderes
Frühobst.
Frühbimen
und Frühapfel.
Aprikosen und
Pfirsiche.
Spätobst,
Aepfel.
Amerikanische
Aepfel.
und auch fast durchweg gesund eintrafen. Holland hatte eben-
falls eine gute Erdbeerernte und sandte große Mengen nach Berlin;
da aber die Preise in Holland sehr hoch waren, so ging an den
Holländer Erdbeeren meistens Geld verloren, denn Berlin konnte
diese hohen Preise nicht aufbringen. Frankreich sandte in diesem
Jakre weniger Erdbeeren; die Ware fiel auch fast durchweg
schlecht aus und brachte daher fast ständig Verluste.
Frühbirnen und Frühäpfel kamen in ziemlich bedeutenden
Mengen an den Markt, namentlich' aus Italien. Die Berliner Ver-
kaufspreise waren während der ganzen Saison befriedigend.
Böhmen, welches sonst riesige Mengen ifach Berlin schickt, hatte
in diesem Jahre eine geringe und verspätete Ernte; auch waren,
die Preise in Böhmen sehr hoch und der Versand nach Berlin
deshalb knapp. Die Zufuhren aus Italien waren demzufolge
größer und dauerten auch länger als in den Vorjahren. Die Preise
hierfür waren im Durchschnitt befriedigend und nur geringen
Schwankungen unterworfen.
Die Zufuhren von Aprikosen und Pfirsichen waren nicht
allzu groß. Frankreich fiel auch für diese Artikel in diesem
Jahre vollständig aus und auch Ungarn lieferte wenig. Die Zu-
fuhren aus Italien entsprachen etwa dem Durchschnitt der Vor-
jahre. Namentlich die italienischen Pfirsiche erzielten infolge
der fehlenden französischen Konkurrenz außergewöhnlich hohe
Preise, zumal sie quaKtativ sehr gut waren.
Infolge der geringen inländischen Ernte mußte auch bei
Spätobst das Ausland mit großen Zufuhren aushelfen, um den
Berliner Bedarf zu decken. Italien hatte eine Mittelernte an
Aepfeln; die Kostpreise wurden jedoch zu sehr in die Höhe
getrieben und ließen kein befriedigendes Geschäft zu. In Oester-
reich hatte Tirol, das die besseren Tafeläpfel liefert, eine gute
lErnte; Steiermark dagegen hatte nur eine schwache Ernte, und
Ungarn, Galizien und Böhmen spielten als Aepfellieferanten
in diesem. Jahre überhaupt keine Rolle. Frankreich hatte in
Aepfeln im Gegensatz zu allen übrigen Obstsorten eine reich-
liche Ernte und lieferte namentlich in den Monaten Oktober
und November ungewöhnlich große Mengen Aepfel; die Kost-
•preise in Frankreich waren vielfach sehr niedrig, doch ließ
auch die Qualität zu wünschen übrig.
Amerikanische Aepfel kamen in der Saison 1913/14 in ge-
ringeren Mengen als sonst an den Markt. Die Ernte fiel dorl;
um 30% Meiner aus und die Preise waren daher in Amerika
zu hoch, um ein größeres Geschäft zu erlauben. Namentlich die
in Kisten verpackten Aepfel aus den Weststaaten fielen sehr
schön aus, stellten sich jedoch zu teuer, um auf den Konsum
einen großen Einfluß auszuüben. Die Faßware fiel vielfach
sehr schlecht aus.
11. Handel mit Obst und Gemüse.
65
Spätbirnen kamen namentlich aus Tirol und Böhmen, doch aus
letzterem Lande nicht in den Mengen wie sonst. Die inländischen
Winterbirnen waren knapp und reichten höchstens bis Weih-
nachten; später kommen nur noch Tiroler und vielleicht noch
französische Birnen in Frage.
Die Marktlage für Weintrauben war fast während der
ganzen Saison günstig; die Ware kam im allgemeinen gesund an
und die Preise waren keinen so starken Schwankungen anter-
worfen wie in den meisten anderen Jahren. Bemerkbar machte
sich vor allem das Fehlen der südfranzösischen Weintrauben.
Die Ernte in Frankreich fiel schlecht aus und es kamen nur ein-
zelne Waggons nach Berlin. Auch in Algier fiel die Ernte etwas
Spätbirnen.
Weintrauben.
Tab. 23.
Einfuhr von frischem Obst und Gemüse (in dz).
1911
Einfuhr
I 1912
1913
1911
Einfuhr
1912 I
1913
\epfel . . .
davon aus
Frankreich . .
Italien ....
)esterr -Ungarn
Belgien ....
•Niederlande . .
/er. Staaten v. Am
Vustral. Bund .
3 067 6151973 326 4 400 414
Tohannis-,
Stachel-, Hei
del-, Preißel
beeren usw.
davon aus
Niederlande .
>esterr. -Ungarn
Schweden . .
""inland . .
Vprikosen,
Pfirsiche
davon aus
talien . . .
'>ankreich
'wetschen .
davon aus
)esten-.- Ungarn
1328 801
536 219
562 514
175 436
178 376
110 548
15 786
li -
42 332
24 870
5 570'
260 618
55 754
356 1811
3117421
285 559i
138191
32 946
197 359
43 080
44 028
51289
37 868
30 791
21600
7 446
2 409 492
687 432
626 158
245116
249 756
112 223
29 883
157 682
44 077
21658
37 760
33 329
38100
32 903
2 422
70 878
65101
464 293
462 186
94 101
84154
Birnen, Quitten
davon aus
Oesterr. -Ungarn
Belgien . . .
Niederlande . .
Italien ....
Erd- und
beeren .
davon aus
Niederlande
Him
Tafeltrauben
davon aus
Italien . .
Frankreich
Spanien
Portugal .
Algerien .
Blumenkohl
davon aus
Niederlande .
Italien . . .
Frankreich .
Bananen
davon aus
Spanien . .
Columbien ,
Jamaika usw.
375 451 1 586 420! 384137
206 056 283 816
73 926 114 377
49 183 118 682
31 820| 22 307
45 596
385192! 350 942
148 149
94 692,
74 873!
15 854
8 015
377 842
171 921
142 531
50 431
133 367
107 813
69 442
18 602
9 899
544 072
196 369
266 875
67 248
304 386
204 726
353 760
207 869
23 661
85 730
159967
96 467
57 035
51686
69 1861 84 384
71828
384 269
221 161
69 844
63 844
11149
6 627
590 999
244 413
285 526
51126
450 508
225 686
122 545
56 714
virschen,
Weichsein
davon aus
talien . . .
Niederlande .
62 5411 97 429
34 378i
8 961
31008
26 293
82 873
41017
26 736
Apfelsinen und
Mandarinen
davon aus
Italien ....
Spanien . . .
1 213 559
1510 27811452 728
215 700 185 261
980 595ll 308 787 1
171 447
264 095
knapper aus; die Einkaufspreise waren infolgedessen ziemlich
hoch, ließen aber trotzdem noch einen Nutzen, da die Ware
durchweg gesund eintraf. Ebenso waren die Preise in Italien
trotz guten Ernteausfalles doch ziemlich hoch, so daß bei ein-
zelnen Sorten «ein Nutzen von vornherein ausgeschlossen war.
Im allgemeinen verlief aber das Geschläft hierin befriedigend.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 5
66
I. Pflanzl. Eohprodukte usw. A. Landwirtsch. Rohprodukte.
Tomaten.
Südfrüchte
Bananen
Ausländisches
Gemüse.
Blaue Trauben, welche anfangs fast ganz fehlten, kamen gegen Ende
der Saison in großen Mengen an den Markt und mußten sehr
billig verkauft werden. Türkische resp. mazedonische Wein-
trauben kamen, wohl infolge der unsicheren Verhältnisse auf
dem Balkan, in diesem Jahre gar niöht an den hiesigen Markt.
Die Zufuhren von spanischen Weintrauben, welche, in Fässer ver-
packt, über Hamburg kommen, waren wieder ganz bedeutend;
auch hierfür waren die Durchsöhnittspreise höher als in anderen
J aliren.
Das Inland liefert von Jahr zu Jahr mehr Tomaten, aber
noch immer spielen diese keine nennenswerte Holle gegnüber
den Zufuhren aus dem Auslande, namentlich aus Italien. Die Zu-
fuhi'en aus letzterem Lande waren auch in diesem Jalire wieder
während der Sommermonate enorm und die Preise daher im allge-
meinen sehr niedrig, nur gegen Ende der Saison gingen sie etwas
in die Höhe. Eranzösische Tomaten fehlten gänzlich. Die im
Spätherbst beginnenden Zufuhren von kanarischen Tomaten waren
ziemlich bedeutend; die auf den Hamburger Auktionen dafür
bezahlten Preise waren meistens sehr hoch.
Die Marktlage für Apfelsinen war während der ganzen
Saison 1913/14 im allgemeinen günstig. Trotz großer Zufuhren
waren die Durchschnittspreise höher als in anderen Jahren. Ent-
gegen den Vorjahren waren große Erüchte knapp und wurden
dementsprecliend höher bezahlt als die kleinen Früchte. Neben
den spanischen und sizilianischen Apfelsinen kommen nament-
lich in der Vorsaison auch die Jaffa- und Jamaikaapfelsinen
in immer größeren Mengen auf den Markt; sie erzielten infolge
ihrer guten Qualität hohe Preise.
Das Zi tr onengeschäft dagegen verlief namentlich im
Sommer ziemlich ungünstig, was sowohl auf das schlechte Wetter
während des Sommers zurückzuführen war als auch auf die ge-
ringe Qualität der Ware. Die Durchschnittspreise waren im
Winter normal, im Sommer dagegen erheblich niedriger als in den
anderen Jahren, so daß die getätigten Abschlüsse verlustbringend
waren.
Die Zufuhren von Mandarinen waren in der Saison
1913/14 ganz erheblich und die Preise im allgemeinen normal.
Die Zufuhren von Bananen waren in diesem Jahre etwas
geringer, weil ein© große Hamburger Bananen-Import-G^esellschaft
ihren Betrieb für einige Jahre einstellen mußte. Die Vei-kaufs-
pi-eisö waren dementsprechend ziemlich hodh und nur geringen
Schwankungen unterworfen.
Die Gemüsesorte, für welche das Ausland die größte Bolle
spielt, ist nach wie vor der Blumenkohl; namentlich die Zu-
fuhren aus Italien in der Saison 1912/13 waren ziemlich gioß
und die Preise starken Schwankungen unterworfen. Im großen
12. Mehl und andere Mühlenfabrikate. 67
und ganzen war das italienisdie Blumenkohlgeschäit verlust-
bringend. Von Frankreich kam weniger Blumenkohl als sonst.
Die Zufuhren aus Holland hielten sich in den normalen Grenziem
und erzielten durchschnittlich zufriedenstellende Preise wie
audi die anderen holländischen Gremüsesorten, die im Frühjahr
an den Markt kommen. Im Sommer und Herbst lieferte auch
Erfurt große Mengen Blumenkohl, welche zu ordentlich liolnen
Preisen abgesetzt wurden.
B. Landwirtschaftliche Fabrikate und Verwandtes.
12. Mehl und andere Mühlenfabrikate.
a) Müllerei. Müllerei
Von der reichlichen Eoggen- und Weizenernte des Jahres Mehi.
1912 war zu Anfang des Jahres 1913 für die Müllerei nicht
viel zu merken, und die Zufuhren hielten sich recht knapp. Wenn
auch Amerika viel Ware abgab, so war man andererseits über
das mangelnde Angebot Rußlands sehr erstaunt. Hierzu trat
ein außerordentlich umfangreicher Export Deutschlands an
Weizen, Boggen, Weizenmehl und besonders von Boggenmehl.
Große Mengen hiervon gingen nach Frankreich, aber auch
Italien und die Balkanländer waren Käufer großer Quantitäten.
Dieser Export dauerte bis tief in den Sommer hinein und war be-
sondeis für die großen Mühlen insofern von Vorteil, als hier-
durch sehr große Posten Mehl dem Markt entzogen wurden
und infolgedessen die Mehlpreise gehalten werden konnten. Die
Qualität des im Jahre 1912 geernteten Getreides war sehr mangel-
haft. Unser Brotgetreide, Boggen sowohl wie Weizen, hatte
unter dem während der Erntezeit gefallenen Begen stark ge-
litten. Es wurde klamm, wuchs vielfach aus und hielt sich'
auf dem Lager schlecht. Hierdurch wurde eine ständige Be-
*arbeitung des Getreides auf den Böden der Mühlen nötig, was
viel Unkosten verursachte und große Verluste an Gewicht mit
sich brachte. Der Klebergehalt war aber verhältnismäßig gut,
und auch die Backfähigkeit war besser, als man erwartet hatte.
Der Mahllohn wäre zufriedenstellender gewesen, wenn nicht die
erwähnte Beschaffenheit des Getreides nicht nur auf den Böden,
sondern auch vor und bei der Vermahlung eine sehr sc'harfe Be-
iiandlung erforderlich gemacht hätte und wenn nicht durch'
den Abgang ein Teil des Mahllohnes absorbiert worden wäre.
Hierzu kam noch, daß die Haltbarkeit des Mehles wegen des
großen Feuchtigkeitsgehaltes stark begrenzt war. Bei der
heißen Witterung im Mai bis Juli, wurde manche Schiffsladung
Mehl teilweise warm und hart und mußte mit großen Kosten
von den Mühlen zurückgenommen oder mit Minderwert ab-
gestoßen werden. Hiervon wurden besonders Posen und Schlesien
5*
68
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwiitsch. Fabrikate.
Kleie.
betroffen, aber auch die anderen Provinzen blieben nicht ver-
schont. Im Juli ließ die Exportnachfrage nach, und stärkere
uingebotö in Weizen drückten auf die Preise in diesem Artikel,
rwiäihrend Koggen knapp war. Letzterer zog daher auch im
Preise etwas an, während Weizen nachgab. — Die unbeständige
Witterung verzögerte auch in diesem Jahre die Ernte, und der
häufige Wechsel von Wärme und starken Regenfällen zur Ernte-
kZeit war in vielen Teilen des Landes füx die Qualität unseres
Brotgetreides äußerst schädlich. Die Eolge hiervon war Aus-
wuchs und Klammheit, und beim Weizen außerdem noch
,.,Brand";; nur ein verhältnislnäßig kleiner Teil der E,oggen-
ernte konnte noch vor Eintritt dieser Witterung gut geborgen
werden. Bessere Weizenmehle waren daher auch sehr begehrt,
';und ßoggenmehl, das eigentümlicherweise in Qualität besser
ausfiel, als man nach dem Ernteausfall angenommen hatte, konnte
wieder in großen Mengen exportiert werden. Der Norden, Finn-
land, Schweden, Norwegen, waren als Käufer iui Markt, aber
audi Südeuropa beteiligte sich wieder an der Abnahme. Dieser
J]xport dauerte bis tief in den Winter hinein, denn die Schiff-
fahrt hatte während des ganzen Jahres günstige Wasserver-
hältnisse und konnte auch bis Jahressschluß aufrechterhalten
werden, ohne daß Flüsse und Kanäle durch Eis geschlossen
wurden. — Die Preise für Brotgetreide und der daraus ge-
wonnenen Produkte bewegten sich von Anfang des Jahres an,
mit wenigen kurzen Erholungen, in sinkender Richtung.
Der Markt in Kleie war während des ganzen Jahres sehr
gedrückt. Durch die für die Wiesen günstige Witterung wurde
schon frühzeitig mit der Grünfütterung des Viehs begonnen.
'Ferner mußte ein großer Teil des gar zu stark ausgewachsenen
.Getreides verfüttert werden, wodurch der Konsum in Kleie
noch mehr herabgemindert wurde. In früheren Jahren traten
wenigstens noch Norwegen und Schweden stets als Käufer auf;
diesmal blieben sie aber aus. Als nun auch noch Rußland und,
nach Einstellung der Feindseligkeiten, auch einige Balkanländer
Kleie zu sehr niedrigen Preisen dringend anboten, waren die
inländischen Mühlen gezwungen, große Posten ihrer Kleie ein-
zulagern. Gegen Ende des Jahres besserte sich die Nachfrage,
wenigstens in Weizenkleie, etwas, aber im allgemeinen war
das Kleiegeschäft für unsere Mühlen während des ganzen Jahres
sehr ungünstig, und die Preise bewegten sich von i^nfang an
nur in fallender Richtung.
WeizeiunehL
Erstes Quartal.
b) Mehlhandel.
Weizenmehl.
Die bis ins neue Jahr offene Schiffahrt hatte uns große Zu-
fuhren, namentlich aus Schlesien, Sachsen und der Niederelbe,
12. Mehl und andere Mühlenfabrikate. 69
gebracht; dementsprechend waren die Weizonmehlbestände am
1. Januar erheblich größer als vor einem Jahre. Wenn sich
das Gesöhäffc auch, wie fast immer im neuen Jahr, zuerst nur
langsam entwickelte, weil infolge früherer großer Käufe die Kund-
schaft auf viele Monate hinaus bis in den Sommer hinein ver
sorgt war, so konnten doch kleine Anregungen das Geschäft zeitr
weiss beleben. Die verhältnismäßig niedrigen Preise für die
vielfach vorhandenen geringeren "Weizen qualitäten ließen eine
Steigerung der Weizenmehlpreise nicht aufkommen, veranlagten
aber doch manchen Händler, gemahnt durch die Erfahrungen
in früheren Jahren, in denen der inländische Weizen im Früh-
jahr aus dem. Lande gezogen war, sich auf viele Monate hinaus
einzudecken, und besonders deshalb, weil es ohne Preisauf sichlag
möglieh war. Daß dabei für die Verkäufer, Müller wie G-roß-
händler, bei den letzt jähr igen, in eüizelnen Gregenden tieilweis3
sehr beschädigten Weizen-Qualitäten sehr große Risiken in Frage
kamen, muß ausdrücklich betont werden. Der Andrang zum Ver-
kauf von Mehl ist hier aber meist sehr groß und die Käufer sind
fast immer im Vorteil, indem sie auf viele Monate hinaus ihren
Bedarf von den bedeutenden Großhändlern und Mühlen decken
können, wodurch natürlich den mittleren und kleineren Mühlen,
die aus verschiedenen Gründen nicht auf weitere Sichten ver-
kaufen, das Greschäft andauernd ungemein erschwert wird. So
wurden im Januar und Februar schon ziemlich große Posten ohne
hohe E/eports sogar bis zur neuen Ernte versehlossien. Besonder^
waren wieder Schlesien und die Provinz Sachsen mit reichlichen
Offerten im Markt, die auch gern aufgenommen wurden. Nennens-
werte Preisschwankungen kamen dabei nicht vor, doch bröckelten
die Preise im ersten Vierteljahr ungefähr eine Mark per Sack ab.
Gegen Ende März ließ das Angebot zwar etwas nach und zweites
die Läger waren etwas gelichtet, wurden aber dann bald durch Quartal.
Massenankünfte, namentlich aus Posen, Schlesien und Sachsen,
wieder überreichlich aufgefüllt. Wegen der Haltbarkeit dieser
Mehle bestanden große Zweifel. Weil schon im Winter hier und
da Bemängelungen einzelner Mehle vorgekommen wareln, wurde
die Furcht vor Warm- und Festwerden bei der schon Ende April
eintretenden intensiven Hitze, angesichts des übergroßen Feuchtig-
keitsgehalts dieses Mehls, immer größer und manche Posit wurde
deshalb sehr billig abgestoßen. Dabei hatten die Händler nicht
einmal die Möglichkeit, für spätere Monate wieder ontsprechiönd
einzukaufen. Man verkaufte die Mehle gewissermaßen nur aus
Angstgefühl, denn für Getreide war die Tendenz fest geworden
und das Ausland hatte seine Preise wesentlich erhöht; Export
war auch' reichlich vorhanden. Gegen Ende April zogen darauf-
hin die Mehlpreise um eine Mark an. Zu lebhafterem Geschäft
kam es aber nicht, denn die Kundschaft war noch sehr stark ver-
sorgt. Den Großmühlen kam es sehr zustatten, daß viele von
70 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
ihnen größere Posten "Weizenmelil nach, dem Kriegsschauplatz
auf dem Balkan, ferner nach Italien und Aegypten verkaufen
konnten. Der Berliner Markt wurde dadurch von manchen sonst
sehr drückenden Mehlofferten befreit, da die betreffenden Mühlen
ZU! sehr guten Preisen verkauft hatten.
Im Mai und besonders im Juni machte sich die verregnete
Ernte des Vorjahres recht empfindlich bemerkbar. Viele Sorten
Mehl wurden mit den Mühlen zurückgehandelt, weil sie sich
absolut nicht hielten; manches Mehl, welches dumpfig und
hart geworden war, brachte den Inhabern große Verluste. Na-
türlich wurde das Geschäft für alle Beteiligten sehr unerquick-
lich. Selbst die sogenannten nordischen Mehle, die teilweise auch
mit inländischen Mehlen gemischt werden, hielten sich nicht;
ganze Kahnladungen Weizenmehl, auch von Schlesien, das bisher
gut geliefert hatte, kamen beschädigt hier an und gingen teil-
weise wieder an die Ablader zurück. Es war bei diesen Ver-
hältnissen nicht zu vermeiden, daß sich die Unternehmungslust
sehr zurückhielt. Für neue Kampagne wurde auch nur wenig"
verschlossen; Schlesien allein machte wohl einige Abschlüsse. Im
allgemeinen hielt man sich etwas reserviert, da einerseits die
Mühlen bei den erreichbaren Mehlpreisen imd den niedriger ge-
wordenen Kleiepreisen keine Vorteile im Vor verkaufe sahen,,
andererseits aber die Händler sich bei den günstigen Ernteaus-
sichten auch Vorsicht auferlegten. Größere Preisbewegungen
kamen nicht vor, und so fehlte die Anregung.
Drittes Quartal. Ini Au^ust änderte sich das Bild gewaltig; die neue AVeizen-
ernte verzögerte sich infolge des eingetretenen Eegenwetters. Die
besprochenen Angstverkäufe und die Hoffnung auf baldige Zu-
fuhren aus der neuen Ernte hatten uns von den alten Beständen
befreit, und nun fehlten die erwarteten Neuzufuhren. Weizen-
mehl in den besseren Marken wurde immer knapper, und so ent-
wickelte sich endlich einmal im Laufe des August für prompte,
wie auch für spätere Lieferung ein sehr flottes Mehlgeschäft,,
da von allen Seiten lebhaft und auf weite Sichten hinaus sehr
viel gekauft wurde, von manchem Händler viel zu viel, und auf
Meinung, was sich in den späteren Monaten bitter rächte.- Die
Knappheit der besseren Weizenmehle dauerte bis in den Sep-
tember hinein an, wogegen die gewöhnlichen Mehle schon An-
fang September reichlicher herankamen und auch bis gegen Ende
des Jahres reichlich vorhanden blieben. Infolge verspäteter Ernte
kamen die schlesischen, sogenannten besseren Mehle erst gegen
Ende September heran, zeigten aber sehr ungenügende Qualität,
da der sohlesische Weizen größtenteils in stark beschädigter Ware
herauskam. Die Mehle gingen aber trotzdem schlank weg, da
der Markt ziemlich ausgehungert war. Im September stockte das
Geschäft, da die Weizenpreise langsam abbröckelten und die Kund-
schaft die gekauften Mehle nur abnehmen wollte und nichts hin-
12. Mehl und andere Miüilenfabrikate. 71
zukaufen konnte. Sie konnte aucli zu den neuen Mehlen noch
kein Vertrauen fassen.
Gegen Ende September und in der ersten Oktoberhälfte er- viertes Quartal,
folgte ein andauernder Preisrückgang für Weizen von fast um
20 Mk. pro Tonne, der natürlich auch ein starkes Sinken der
Mehlpreise bedang, wenngleich sich dieser Rückgang nicht im
Verhältnis zu dem großen Preisrückgang des Weizens bemerk-
bar machte. Das Mehlan^ebot war weg^n der überall vorhan-
denen großen Engagements nicht übermäßig stark; demnach
wurden zu den niedrigen Pi^eisen für spätere Monate größere
Abschlüsse von manchen Händlern getätigt. Jedenfalls gehörte
der Monat Oktober noch mit zu den lebhaften des Jahres. Auch
an einigen Tagen des November bei einer vorübergehenden Steige-
rung der Weizenpreise um 5 bis 6 Mk. pro Tonne war ein leb-
haftes Mehlgesohäft für die Wintermonate, da nach dem vor-
herigen Rückgang der Weizenmehlpreise diese schließlich auf
ein solch niedriges Niveau angelangt waren, wie wir es seit
langen Jahren nicht gehabt haben. Die gewöhnlichen billigeren
Mehle standen verhältnismäßig noch niedriger als die teueren.
Von Mitte November bis Ende Dezember war das Geschäft an-
dauernd recht still und schlecht. AVenn die größeren Mühlen
und Großhändler nicht in den kurzen Perioden der Festigkeit
des Jahres größere Verkäufe abgeschlossen hätten, dann wären
sie diesmal in einer sehr schlimmen Lage. Das Geschäft war
nur in einzelnen kurzen Perioden lebhaft, dann aber auch
sehr lebhaft; sonst bezeichnen die Berichte für Mehl fast an-
dauernd lustlose Tendenz. Die mit wenigen Unterbrechungen
andauernd rückgängige Konjunktur konnte im allgemeinen nicht
zu großen Unternehmungen ermutigen. Die Preise gingen für
gewöhnliche Mehle von 24,50 Mk. bis auf 21,75 Mk. herunter,
und für bessere von 28,75 Mk. bis auf 26,75 Mk., erstere also um
3/4 Mk. mehr als letztere, wobei die billigen Mehle trotzdem
stärker langeboten blieben ,als die besseren, teils wegen der in
diesem Jahre tatsächlich geringeren Qualitäten, teils aber wohl
auch infolge der verhältnismäßig niedrigen Mehlpreise über-
haupt, die zweifellos die Verbraucher für die besseren, dabei doch
billigen Mehle interessieren mußte.
Die neue Ernte brachte manche Ueberraschungen hinsicht-
lich der Qualitäten. Schlesien und der Osten, und auch teilweise
Mecklenburg, Pommern, Posen und Brandenburg hatten manche
sehr schlechte Qualitäten, von denen einzelne zur menschlichen
Nahrung direkt unbrauchbar waren; natürlich waren dement-
sprechend »auch manche Mehle sehr schlecht und kraftlos und
hatten sehr hohen Feuchtigkeitsgehalt. Sachsen und die Elbe
lieferten gute Qualitäten. Auch in diesem Jahre war der Bedarf
an feineren Mehlen größer als der in gewöhnlicheren.
72
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Nachstellend g^ben wir eine Tabelle der niedrigsten und
höchsten Weizenmehl-Notizen in den einzelnen Monaten des Jahres
in Mark pro 100 kg.
Tab. 2i. Preise für Weizenmehl 00 im Jahre 1913 (in M. für 100 kgm. Sack)
Niedrigste
Notizgrenze
Höchste
Notizgrenze
Januar .
Februar
März . .
April
Mai . .
Juni . .
Juli . .
August .
September
Oktober
November
Dezember
24. 24.
23.75—24.
23.50—23.
23.50—24.
24.25-24.
24. 24.
24. 24.
24.25—24.
23.50—24.
22. 23.
21.75—22.
21.75—22
50
25
.75
,50
,50
,25
.50
,50
.25
.50
.25
.25
28.--
27.75-
27.75-
27.75-
28.50-
28.50-
28.75-
28.25-
27.75-
26.75-
27.--
27.--
-28.—
-28.—
-27.75
-28.75
-28.75
-28.75
-28.75
-28.75
-28.25
-27.75
-27.50
-27.50
In den Jahren
.Weizenmehl :
1911 — 1913 betrug Deutschlands Export an
1911
1912
1913
davon nach 1913
der Schweiz 407 532
Finland 387 165
Dänemark 268 777
Niederlande 291 117
1 618 283
1710 311
1 946 656
dz
davon nach 1913
Großbritannien .... 197 765
Türkei 1337
Aegypten 25 199
Griechenland 1
E/Oggenmehl.
Roggen mehi. ^^^ Eoggenmchlbestände waren am Anfang des Jahres normal.
Das Angebot wax im Januar und Februar reichlich, wodurch
die Preise langsam abbröckelten. Besondere Bewegung trat nicht
in Erscheinung, auch hatte die Kundschaft noch große Kontrakte
vom Herbst her laufen, so daß prompte Ware stets nur mit Preis-
konzessionen untergebracht werden konnte. Auch im März war
andauernd großes Angebot auf Alonate hinaus zu zeitweise sehr
gedrückten Preisen, die dann ungefähr eine Mark niedriger als am
Anfang des Jahres standen. Im April war wohl infolge der Feld-
bestellung weniger Angebot, und dann wurde es ganz schwach.
Unsere hauptsächlichen Posener Lieferanten konnten wieder große
Posten Roggenmehl nach dem Norden, Finland und Norwegen,
verkaufen, auch hatten diese Mühlen wie unsere großen Ber-
liner Mühlen reichlichen Absatz nach Südeuropa, so daß hier
naturgemäß geringeres Angebot entstand, was sich auch durch
Anziehen der BxDggenmehlpreise um oa. V2 Mk. stark bemerkbar
machte. Im Mai und Juni war der Verkehr in Roggenmehl an-
dauernd still. Die Berichte gaben fast andauernd lustlose Stim-
mung für Mehl an, und da sich die Emteaussichten für itoggen
ziemlich günstig anließen, so lebte man von der Hand in den
12. Mehl und andere Mühlenfabrikate.
73
Mund, weil man von leichten Böden bei der günstigen AVitterung
schon Mitte Juli neuen Roggen erwartete. Genügende Bestände
waren überdies überall vorhanden, so daß besondere Anregung
zu Käufen nicht gegeben war. Im Gnegensatz zu Weizenmehl hielt
sich Roggenmehl zur allgemeinen Ueberraschiing gut in der
Qualität. Klagen kamen ;nur vereinzelt vor. Der Roggenmehl-
bedarf Groß-Berlins wird ja jetzt auch überhaupt größtenteils
aus Beiiin-Brandenburg selbst gedeckt, so daß die Mehle mit
kurzem Bahntransport und schnellem Umschlag schlanker weg-
gehen und nicht so lange lagern. Das andauernde Ausbleiben
der Offerten der östlichen Mühlen, die große Posten Mehl, die
sonst für den Berliner Markt in Frage kamen, ins Ausland
sandten, machte sich Ende August und Anfang September recht
fühlbar; es setzte hier eine ziemliche Mehlknappheit ein, denn
die durch den anhaltenden Eegen verspätete Weizen- und Hafer-
ernte ließ die Landwirtschaft nicht rechtzeitig zum Dreschen
des Roggens kommen. Die Ex)ggenmehlbestände waren in Er-
wartung einer frühen Roggenernte aufgezehrt, und Nachschub
kam nicht in genügendem Maße heran. Qiegen Ende September
und im Laufe der ersten Oktoberhälfte bröckelten die Preise
langsam unter dem Drucke der großen Weizenfläue ab, und das
Angebot wurde dann stärker. Andauernd blieb die Tendenz nun
recht lustlos, und das allmähliche Nachgeben der Preise ging
bis Ende des Jahres ohne Halten. Wenn wir die Preisgestaltung
des Roggenmehlmarktes in diesem Jahre beobachten, so finden
wir, daß wir von Anfang bis Ende des Jahres ununterbrochen
rückgängige Konjunktur hatten, wobei die Preise ungefähr 2 Mk.
sowohl für feine wie für gewöhnliche Mehle heruntergingen. An-
dauernd war demnach auch die Stimmung, abgesehen von kurzen
vorübergehenden Unterbrechungen, rec'ht lustlos. — Ueber die
Backfähigkeit der diesjährigen Roggenmehle wird vielfach
geklagt.
Die Schwankungen der höchsten Notizgrenzen, die die
billigsten Provinzmehle betreffen, und die höchsten Notizgrenzen
für die teuersten hiesigen Mehle wiaren für Roggenmehl 0 und 1 :
Tab. 25. Preise für billigste und teuerste Koggenmehle im Jahre 1913
Januar .
Februar
März
April
Mai .
Juni.
JuU .
August
September
Oktober .
November
Dezember
(in M. pro dz),
niedrigste Notierung
. 21.10—21.50
. 20..50-21.—
. 20.10—20.50
. 20.10—20.50
. 20.30—20.60
. 20.20—20.50
. 20.20—20.80
. 20.10—20.50
. 19.80—20.10
. 19.10—19.80
. 19. 19.50
. 19.10—19.50
höchste Notierung
23.40—23.60
23. 23.50
22.40—23.—
22.40—22.80
22.90—23.-
22.50—22.90
22.50—23.10
22.50—22.80
21.90—22.20
21.40—21.90
21.20—21.60
21.40—21.60
74 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B, . Landwirtsch. Fabrikate.
Die niedrigsten mid höchsten Preise für Roggenmehl 0 und 1
auf Lieferung waren in jedem Monat des Jahres 1913 in Mark
pro 100 kg:
Tab. 26. Lieferungspreise für Roggenmehl (in M. pro dz).
Mailieferung Juli September Oktober Dezember
Jan. . 21.55—22.05 21.80—21.90 _ _ _
Febr. . 21.35—21.80 21.65—22.- _ _ _
März . 20.80—21.50 20.75—21.85 20.75 — —
April . 20.75—21.15 21.15—21.60 20.75—21.25 — —
Mai . 20.90—21.10 21. 21.55 20.95—21.35 — —
Juni . — 20.70—21.40 20.70—21.10 20.80—20 90 20.80—20.90
Juli . — 20.70—20.90 20.85—21.25 20.85—21.30 20.90—21.35
Aug. . — — 20.50—21.— 20.55—21.05 20.65—21.10
Sept. . 20.75—21.10 — 20.35—20.75 20.35—20.75 20.35—20.80
Okt. . 20.15—20.90 — — 20.35—20.50 19.75—20.50
Nov. . 19.95—20.55 _ _ _ 19.50—20.15
Dez. . 19.95—20.50 — — — 19.85—20.15
Die Ausfuhr Deutschlands an Roggenmehl betrug in den
letzten Jahren, (in dz):
1911 1912 1913
1457 098 1668 630 2 250 800
c) Kleiehan.de 1.
Kleie. Das Jahr setzte in sehr ungünstiger Situation für das Kleie-
geschäft ein. Infolge der großen Ernte von 1912 und besonders
wegen des vielen nassen und schlechten Getreides, das zum Teil
verfüttert werden mußte, war der Absatz in Kleie sehr schwierig
geworden, und diese Lage hat während des ganzen verflossenen
Jahres auf die Tendenz gedrückt. Der Absatz in Kleie war
seit vielen Jahren nicht so gering, wie im Jahre 1913. Ein
Glück war es hierbei noch, daß wenigstens in den ersten Monaten
die Zufuhren vom Auslände verhältnismäßig klein waren und
daß von den [Balkanstaaten infolge der Feindseligkeiten über-
hatipt keine Ware an den Markt kam. Aber trotz alledem
mußte in einzelnen Gegenden schon im Monat April, welcher
sonst für einen Ider besten Absatzmonate gehalten wird, mit
der Einlagerung von Kleie begonnen werden, zumal nicht allein
das Inland, sondern auch Schweden und Norwegen, welche sonst
immer große Abnehmer von Kleie sind, sich nicht aufnahmefällig
zeigten.
Infolge der fruchtbaren Witterung konnte bereits anfangs
Mai in einzelnen Gegenden mit dem Austrieb des Viehes be-
gonnen werden, und infolgedessen verschlech teerte sich die
Situation für Kleie immer weiter, zumal immer große Massen
von verregnetem und ausgewachsenem Getreide vorhanden waren.
Eine vorübergehende Besserung trat ein, als gegen Ende Mai aus
manchen Gegenden über Trockenheit geklagt wurde. Auch der
Absatz im Juni und Juli war noch leidlich, doch schlug die
13. Brotfabrikation.
/o
Tendenz gegen Mitte August, bei Beginn der neuen Ernte, in
eine völlige Lustlosigkeit um und verblieb auch so bis zum
Scbluß des Jahres. Nicht allein unsere inländischen Mühlen
waren dringend Abgeber, sondern auch das Ausland war mit
großen Offerten fortgesetzt im Markt, und namentlich die Bal-
kanstaaten und Rußland verkauften zu jedem eben annehmbaren
Preise, so daß die Händler und Mühlen gezwiingen waren, da
der Konsum völlig stockte, große Quantitäten einzulagern. Am
Schluß des Jahres war der Absatz in Roggenkleie außergewöhn-
lich schlecht, während sich die Tendenz für Weizenkleie besserte,
und diese Besserunig ihat auöh im neuen Jahre angehalten.
Die Notierungen für Kleie aji der Berliner Börse im abge-
laufenen Jahre waren zu Beginn eines jeden Monats:
Tab. 27. Preise für Weizen- undRogrgenkleie im Jahre 1913 (inMark für 100 kg).
Anfang
Weizenkleie Roggenkleie
Anfang
Weizenkleie Roggenkleie
Januar
11.10—11.60 11.25—11.75
1
August
10.60—11.- 10.75—11.20
Februar
11.40—11.90 11.60—12.10
Sept. 1
10.25—10.75; 10.50— IL-
März
11.25—11.75 11.25—11.75
Oktober |
IO.-— 10.50 | 10.25—10.75
April
11.-— 11.50 11. 11.50
Nov.
10. 10.50! 10. 10.50
Mai
a0.90— 11.40 10.90—11.40
Dezemb. i
10. 10.50 1 10. 10.50
Juni
10.90—11.40 i 10.90—11.40
EndeDez.
10.25—10.75 ! 10.10—10.60
Juli
10.40—10.90; 10.65—11.15
Die Einfuhr Deutschlands an Kleie betrug während der letzten
drei Jahre (in dz) :
1911
14 182 234
1912
16 062 501
1913
14 142 564
13. Brotfabrikation.
Das Statistische Amt der Stadt Berlin ermittelt-e durch Um-
frage in 40 Bäckereien folgende Durchsehnitt-spreise für 1 kg
Boggen- und Weizenbrot:
Tab. 28.
Roggenbrotpreise (in Pfennig pro kg).
Jan.
1912 29.70
1913 '29.18
Febr. I März
29.5029.64
29.1229.01
April
29.71
28.94
Mai I Juni \ Juli | Aug. | Sept. | Okt. | Nov. | Dez.
29.91
29.34
29.99 30.3130.15 29.79 29.55 29.43 29.26
29.09 29.09'28.94i29.09'28.55 28.08 28.03
Jahr
29.70
28.87
Biotprei.se.
Die Preise der Brotfabriken sind durchWeg zirka lOo/o pro
kg niedriger anzusetze q.
Tab. 29.
Weizenbrotpreise (in Pfennig pro kg).
1912
1913
Jan. I Febr. März | April ' Mai Juni | Juli
53.26 53.86 54.30
54.09' 54.82'54.33
53.85
54.94
55.2055.01
54.9054.50
55.44
54.62
Aug. Sept.
54.59
53.89
54.75
54.36
Okt. Nov. i Dez. II Jahr
54.43;54.18
53.i7i53.7O
54.66 54.46
55.111! 54.37
Die Bewegung der Mehlpreise war nicht sehr groß und
tendierte zum Schluß nach unten. Die Qualität des vorjährigen
Großbäckerei
76 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Mehles war nicht gut und man setzte berechtigte Hoffnungen
auf eine große und gute neue Ernte. Durch den dauernd
feuchten Sommer wurden aber diese Hoffnungen zunichte ge-
macht. Die Backfähigkeit und die Ausbeute des Mehls sind
gering. In den letzten Monaten wurde über schlechten Brot-
konsum geklagt, der wohl teils durch den niedrigen Preis
der Kartoffeln, teils durch die zunehmende Arbeitslosigkeit her-
vorgerufen ist. Großen Abbruch an der Kundschaft haben alle
Betriebe durch die enorme Ausbreitung der Konsum vereins-
bäx:;kerei erlitten, die mit über 100 Verkaufsstellen ein enges Netz
über Groß-Berlin gezogen hat. Der Konsumverein bietet seinen
Mitgliedern nicht mehr Vorteile, als jeder leistungsfähige Groß-
betrieb der Branche, doch hat er einen großen Zulauf, der sich in
erster Linie durch! die politische Propaganda erklärt. Der Ver-
band der Brotfabrikanten, der in Berlin seit zirka einem Jahre
besteht, hat sich bewährt und auch schon mehrfach erfolg-
reich eingreifen können; u. a. wurden Maßnahmen g&,gen den
Brotumtausch bei der Kundschaft getroffen.
Kleinbäckerei. Den Kleinbäckereien brachte der Preisrückgang der Mehle
keinen besseren Gresehäftsgang, weil die wachsende Arbeitslosig-
keit und die schon erwähnte Konsumvereinsgründung einen schädi-
genden Einfluß ausübten. Im Konkurrenzkampf gegen die Kon-
sumvereinsbäekerei leistete die im vorigen Jahre von dem Zweck-
verband der Bäckermeister Groß-Berlins eiagefühirte Zentral-
Rabattmarke, die über Erwarten sich beim Publikum gut ein-
führte, gute Dienste. Des wenigen Umsatzes und Ver-
dienstes wegen war auch' die Neigung, das eigene Geschäft zu
verkaufen und es mit einem neuen zu versuchen, recht groß. Um
den vielfachen Unlauterkeiten, die bei solchen Vermittlungen
seitens verschiedener Vermittler zutage traten und oft zu ge-
richtlichen Klagen führten, entgegenzuwirken, hat der Zweok-
verband ein sogenanntes Treuhänder-Institut eingerichtet. Durch
dieses sollen den Bäckermeistern palende Bäckereien nach-
gewiesen werden und der Kauf und Verkauf in reeller Weise
stattfinden. Das Institut hat sich gut eingeführt. Zwisclien Mehl-
händlern und Bäckern ist es nach längeren Verhandlungen zur
Festlegung von Verkaufsnormen und Bildung eines Schiedsgerichts
gekommen, was endlich geeignet ist, die vielfachen gerichtlichen
Streitigkeiten auszuschalten. Das große Werk der Einkaufs^
zentrale hat sich auch ferner gut entwidkelt und den Bäcker-
meistern große Vorteile gebracht. Die drückendste Sorge ist vielen
Keller-Bäckereien durch die versöhnlichere Haltung der Re-
gierung in der Gewährung von Dispensen von den Vorschriften
der Polizeiverordnung über die Errichtung der Bäckereien ge-
nommen worden. Dem energischen Vorgehen des Schutz Verbandes
und dem Eingreifen aller bürgerlichen Parteien im Reichstage
ist es zu danken, wenn bei den meisten Bäckereien jetzt der
14. Keks-, Honig- und Lebkuchenfabrikation. 77
Dispens bis zu einem größeren Umbau oder gar dauernd ver-
längert wird. Zli Lohnbewegungen kam 'es im vergangenen Jahre
in Berlin nicht. Wie Berlin, waren auch beinahe alle 15 Vor-
ortsinnungen dem Arbeitgeber-Schutzverband korporativ ]>eige-
treten, so daß für die Zukunft das Bäckergewerbe ruhig'er eiaem
Streik und Boykott en.tgegen&ehen kann als bisher. Die Um-
wandlung der Innungskrankenkassen ist im Gewerbe ohne große
Erschü tteriijngen vor sich gegangen, da hier der Meisterstand
und Gesellenstand Hand in Hand arbeiteten. Ein gleich gutes
Einvernehmen ist von der Verwaltung des Zentralarbeitsnach-
weises zu berichten. Zum bisherigen Terrain für das Erholungs-
und Altenheim in Seegefeld wurde ein ebenso großes zuerworben.
Im neuen Jahre wird mit dem Bau des Altenheims begonnen.
Mehr als 100 000 Mk. sind schon dazu als Bausteine v^on den
Bäxjker-i aufgebracht worden. In diese friedlichen Bestrebungen
wirft die Beratung des Sonntagsruhegesetzes leider einige Auf-
regung, da mit Recht zu befürchten ist, daß auch dem Bäcker-
ge werbe durch Beschränkung der Verkaufszeit am Sonntag der
Verdienst noch mehr eingeengt wird.
14. Keks-, Honig- und Lebkuchenfabrikation.
Der Beschäftigungsgrad innerhalb der Keks-, Biskuits-, Besc^l^^t•tiguup
Waffel-, Honigkuchen- und Lebkuchenindustrie blieb im Jahre "" weie"^''
1913 in manchen Gegenden Deutschlands merklich hinter dem
des Vorjahres zurück, wofür wohl nicht am wenigsten die allge-
meine Geldknappheit und infolge daraus entstandene Einschrä^n-
kungen als Ursachen anzusehen sind. Hauptsächlich machten sich
die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in dem Geschäfts-
gang der Detail geschäfte in den Bäderorten bemerkbar. Das
Publikum drehte sozusagen jeden Groschen ein paarmal um, ehe
es ihn ausgab. Der Umsatz im Detailgeschäft blieb daher gegen
das Vorjahr vielfach zurück. Infolge der Geldknappheit kamen
öfter Zusammenbrüche und Zahlungsschwierigkeiten vor und
es konnten auch die ohnehin langen Zahlungsfristen seitens der
Kundschaft nicht immer innegehalten werden. Diese schleppende
Zahlungsweise, in Verbindung mit den kaum die Herstellungs-
kosten deckenden Verkaufspreisen, drückt stark auf den Industrie-
zweig und verstärkt mehr und mehr das Verlangen nach Her-
stellung von Preisvereinbarungen, wie sie vor Jahren innerhalb
der Keks- und Biskuits-Industrie lange bestanden haben. Ob
"und wann dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird, ist zurzeit
noch nicht abzusehen. Solange aber die Produktion noöh im Lande
Unterkunft findet, wird sich so leicht an diesem Zustand nichts
(ändern. Tritt indes Ueberproduktion ein, für die wegen der zur-
zeit herrschenden Zoll Verhältnisse trotz vorhandener Möglich-
keiten nicht oder doch nur mit Verlust ein Export geschaffen
werden kann, dann werden sich die Fabrikanten wohl oder übel
L Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Arbeiter-
verhältnisse.
Rolimaterial-
preise.
Konkurrenz
des Auslandes.
bereit finden lassen mü&S'en, zu Preisvereiiibarungen zu sichreiten
bzw. die Produktion einzuschränken.
Arbeiterbewegungen größeren Umfanges sind im Berichtsjahre
nicht zum Ausbruch gekommen, dagegen gärt^ es in einigen Be-
trieben des Reiches, in denen der Zentralverband der Bäcker und
Konditoren Einfluß auf die Arbeiterschaft zu gewinnen sucht,
wodurch das bisher gute Verhältnis zwischen dieser und den
Fabriksleitungen getmbt würde.
Die Preise der bei der Fabrikation gebrauchten Ex)hmaterialien
sind im Berichtsjahre zum großen Teil gestiegen; das gilt be-
sonders für Mehl, Eier, Butter und Marzipan. Glücklicherweise
war zu einem kleinen Teile ein Ausgleich in den niedrigeren
Zuckerpreisen vorhanden.
Hin und wieder geklagt wird in den Kreisen der Keks-,
Waffel- und Lebkuchenfabrikanten noch darüber, daß vielfach die
ausländischen, namentlich die englischen, Fabrikate bevorzugt
werden. Es ist bedauerlich, daß das Publikum sich so schwer
zu dem Glauben aufschwingen kann, daß der deutsche Fabrikant
mindestens gleichwertige Erzeugnisse herstellt und auf den
Markt bringt. Hier wird seitens der berufenen Organe noch'
manches zur Aufklärung zu tun sein. Voran geht in lieser Be-
ziehung der Verband der Keks-, Waffel- und Lebkuchenfabri-
kanten, und es ist sehr zu wünschen, daß auch die Korporationen
von Industrie und Handel sich diesem Aufklärungsbeginnen des
Verbandes anschließen. Die seit 1911 auch vom Verband der
Keks-, Waffel- und Lebkuchenfabrikanten angenommene Schreib-
weise ,.Keks" statt der englischen ,,Caces" oder der vielfach so-
gar üblich gewesenen „Kakes" führt sich mehr und mehr ein
und dürfte gewiß recht bald allgemein üblich werden.
15. Rüböl.
Jan.-Febr. Das Berliner Oellager betrug am Anfang des Berichtsjahres
ungefähr 13000 Ztr. Die Oelp reise eröffneten für Lieferung
im Januar mit 65,50 Mk., im Mai mit 62,50 Mk. pro 100 kg
inkl. Barrels frei Berlin, d. h. mit einem Deport von 3 Mk.
pro 100 kg. Das Konsumgeschiäft und auch der Börsenhandel
waren ungemein still. Im Verlaufe des Monats Januar zeigte
sich für Maiöl leichte Kauflust, die diesen Termin etwas stei-
gerte und den Deport Mitte Februar auf IV2 Mk. ermäßigte
Am 12. Febr. bezahlte man Rüböl per Febr. mit 66,70 Mk.,
Mai mit 65 Mk. und Oktober wurde zum ersten Male mit 04,30
Mark pro 100 kg inkl. Barrels frei BerUn gehandelt.
März-April. Im März und April wurde das Geschäft wieder recht klein;
erst im Mai belebte sich der Konsum infolge der geringfügigen
Andienungen und griff flott zu, so daß ziemlich! erhebliche Rück-
käufe von Maiöl vorgenommen werden mußten. Hierdurch ver-
15. Rüböl.
79
schob sich die Preisbildung nicht unwesentlich; von Alitte bis
kurz vor Ende des genannten Monat-s war ein Report von IV2
Mark auf Oktober entstaaden.
Am 29. Mai bezahlte man für Maiöl 67,30 Mk., am 31. nur
noch 6G,50 Mk., während Rüböl per Oktober an beiden Tagen
lunverändert 65,90 Mk. notierte; der Report hatte sich mithin
auf 60 Pf. verkleinert.
AVenngleich das Geschäft im Juni und Juli wieder ganz
still wurde, war die Stimmung für Oel doch behauptet, weil
aus Argentinien ungünstige Witterungsnachrichten vorlagen, wo-
durch der Markt für Leinsaat befestigt wurde. Auch die Be-
richte über die kleine rumänische Rübsenemte, und hohe For-
derungen für indische Rapssaat ließen eine mattere Tendenz nicht
aufkommen. Am 9. Juli wurde ziemlich zum gleiclien Preise
mit Oktober - Rüböl zum ersten Male Rüböl per Dez. mit 67,10
Mark pro 100 kg inkl. Bris, frei Berlin gehandelt; am 2. Aug.
wurden mit 68,20 Mk. für Rüböl per Oktober und mit 68 Mk.
für Rüböl per Dezember die höchsten Preise des Berichtsjahres
erreicht. Aber der Bedarf war doch so mäßig und man kaufte immer
nur das Nächstliegende, so daß die Fabrikanten, welche ziemlich
reichlich Saaten gekauft hatten, ungeduldig wurden und sich
als recht abgabelustig erwiesen, um so mehr, als sich die Speku-
lation von dem Artikel ganz zurückgezogen hatte.
Im August und September wichen die Preise langsam und
sie konnten sich auch im Oktober trotz Aufnahme der Kündi-
gungen nicht bessern; im genannten Monat dürften zirka 8000
Zentner von außerhalb herangezogen und angedient wordeai sein.
Die Nachfrage nach greifbarer Ware war immerhin jetzt mehr
hervorgetreten, so daß, wenn auch ein ruhiges, so doch ein
stetiges Konsumgeschäft einsetzte. Ende Oktober kostete Rüböl
per laufenden Monat 65,40 Mk., per Dez. 65,60 Mk. pro 100 kg
inkl. Bris, frei Berlin. Am 7. Nov. kam pari Dez. die erste
Notiz für Rüböl per Mai mit 64,90 Mk. zustande. Hatte man
an diese Notiz die Hoffnung geknüpft, daß, weil sie niedrig er-
schien, die Unternehmungslust angeregt werden würde, so hatte
man. sich gründlich getäuscht. Das Geschäft an der Börse schlief
in der Folge ein, so daß manchmal eine Woche lang kein Ab-
schluß stattfand und kein Preis notiert wurde.
Im Dezember wurden knapp 1500 Zentner angedient und
aufgenommen, Preisschwankungen waren kaum zu verzeichnen.
Am 9. Dez. wurde für den laufenden Monat die letzte offizielle
Notiz über rohes Rüböl mit 64,80 Mk., am 12. Dez. die letzte
für Mai 1914 mit 65,50 Mk. ermittelt. Der Rest des Monats
verlief in völliger Teilnahmslosigkeit bei matter Grundtendenz.
Ende Dezember dürfte das Berliner Rüböllager zirka 10000 bis
11000 Zentner betragen haben.
Mai.
Juui-Juli
Aug.-Xoveml),
Dezember.
80 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Ländwirtsch. Fabrikate.
16. Kartoffelfabrikate.
Geschäftslage Der Scliluß des Kalenderjahres 1912 hatte bereits erkennen
Ende 1912. Jassen, daß trotz der großen Kartoffelernte die Stärkeproduktion
nur einen mittleren Umfang erreichen würde. Es zeigte sich
immer mehr, daß die östlichen Provinzen, in denen die meisten
Stärkefabriken liegen, keinen wesentlichen Ueberschuß an Kar-
toffeln aufzuweisen hatten, und vor allen Dingen, daß die
Kartoffelfäule in bisher kaum gekanntem Maße um sich griff
und die Vorräte vernichtete. Was noch irgend zu retten war^
war am Anfang der Kampagne den Fabriken angeliefert worden,
dann aber hörten die Zufuhren plötzlich auf. Es kam kaum
noch Bx)hmaterial für die Fabriken an den Markt, so daß bei
Beginn des Berichtsjahres 1913 ein großer Teil der Stärke-
fabriken den Betrieb bereits eingestellt hatte oder nur noch
!kurze Zeit aufrechterhalten konnte. Mit Rücksicht auf die
amtliche Ernteziffer von 50 209 466 t, die eine Rekordernte
für Kartoffeln bedeutete, hatten sich die Verbraucher bei Ein-
deckung ihres Bedarfes Zeit gelassen, während in Händlerkreisen
die durch enorme Fäule gänzlich veränderte Lage frühzeitig
erkannt und daher von ihnen alle an den Markt kommende
Ware aufgenommen wurde. Es bot sich auch im weiteren Ver-
lauf für die Händler ein ergiebiges Feld zu erfolgreicher Be-
tätigung, da infolge des frühen Kampagneschlusses die Angebote
der Fabriken plötzlich aufhörten.
jan.-.sept. i9i:j. Gleich die ersten Wochen des Berichtsjahres brachten eine
scharfe Aufwärtsbewegung der Preise für Kartoffelfabrikate^
da sich ein allgemeines Deckimgsbedürfnis der Verbraucher
geltend machte und auch viele Stärkefabriken in Ueberschätzung
ihrer Produktion weit mehr verkauft hatten, als sie schließlich
zu liefern in der Lage waren. So gelangten die Preise bis
Mitte Februar auf eine unerwartete Höhe, die schon nahezu
einer Mißernte entsprach. Auf das etwas überstürzte Zugreifen
der Deckungsbedürftigen folgte bis Ende März ein ruhiges Ge-
schäft mit abbröckelnden Preisen. Im Frühjahr, als sich heraus-
stellte, daß Kartoffeln für eine Nachkampagne nicht mehr er-
hältlich waren, belebte sich nochmals die Kauflust in Kartoffel-
fabrikaten. Bis Mitte Mai trat demgemäß eine erneute Preis-
bewegung ein, jedoch wurde der Hochstand vom Februar nicht
mehr erreicht. Bei langsam wieder rückgängigen Preisen setzte
nun wieder eine ruhige Geschäftsperiode ein, die bis gegen
Ende Juni andauerte. Um diese Zeit spricht bereits wesentlich
die Beurteilung der neuen Ernte mit. Die Aussichten waren
günstig, was in billigen Angeboten für neue Kampagne seinen
Ausdruck fand. Für alte Ware, die sich in wenigen Händen
befand, konnten sich die Preise bis gegen Mitte August auf
ziemlicher Höhe behaupten. Immer günstiger wurden die Aus-
sichten für neue Ernte, und es zeigte sich nun das Bestreben^
16. Kartoffelfabrikate.
81
die alten Bestände an Kartoffelfabrikaten schnell zu ver-
kaufen. Bei der Zurückkaltung der Verbraucher gelang es
jedoch nicht, die Vorräte zu räumen, obgleich die Forderungen
eine wesentliche Ermäßigung erfuhren.
Außergewöhnlich früh begann diesmal die neue Ernte, und
als bereits Mitte September die erste neue Ware zur Äbliefe-
jTung kam, waren noch viele Läger mit alten Beständen gefüllt,
an denen die Besitzer empfindliche Verluste erlitten. Bis Ende
iSeptember wurden für sofort greifbare Ware noch kleinere
Aufschläge gezahlt. Als dann Anfang Oktober die neue Kam-
pagne überall in vollem Umfange eröffnet war, wurde ein
Tiefstand in den Preisen erreicht, wie wir ihn seit Jahren
nicht gehabt haben. Die Zufuhren an Rohmaterial waren ent-
sprechend der enormen Kartoffelernte sehr beträchtlich, und
die Fabriken nahmen zu dieser Zeit umfangreiche Lieferungs-
käufe in E-ohmaterial vor, um sich eine volle Kampagne zu
sichern. In der zweiten Hälfte des Oktober war ein leichtes
Anziehen zu verzeichnen, das jedoch nicht von langer Dauer
war, so daß wir uns am Jahresschluß wieder auf derselben
Preisbasis befanden, auf der die Kampagne eröffnet hatte. Die
Preisentwicklung des Berichtsjahres zeigt die folgende Preis-
tabelle :
Tab. 30. Monatliche Durchschnittspreise für Kartoffelfabrikate im Jahre 1913.
(100 kg franko Berlin in Mark).
Kartoffelstärke
und -Mehl
Dextrin
42er Kap-Sirup
Rohstärke
Prima Superior
Januar
25.75 26.25
31.50
29.50
13.25
Februar'
28— 28.50
33.75
31.50
14.50
März . .
28.- 28.50
33.75
31.—
14.75
April
27.25 27.75
33.50
31.—
—
Mai . .
27.25 27.75
33.50
31.75
—
Juni . .
26.50 27.—
33.—
31.—
—
Juli . .
26.50 27.—
32 75
31.25
—
August .
26.50 27.—
32.50
31.25
—
September
22.— 22.50
29.—
26.50
—
Oktober
19.25 19.75
25.75
23.—
9.90
November
19.50 20.—
25.75
23.—
9.80
Dezember
19.— 19.50
25.50
22.75
9.60
Neue Kam-
pagne.
Preise.
Der Absatz von Kartoffelfabrikaten war fast ausschließ-
lich auf den Inlandsbedarf angewiesen. Die verbrauchenden
Industrien waren gut beschäftigt und zeigten sich recht auf-
nahmefähig. Auf den Absatz von Gly kosen wirkten allerdings
die verhältnismäßig niedrigen Rübenzuckerpreise nachteilig ein.
Unter Streiks und Aussperrungen hatte die Fabrikation nicht
erheblich zu leiden. Durch den Streik der Hafenarbeiter in
Stettin, der von Anfang September bis Ende November dauerte,
wurden wohl die Verladungsspesen etwas verteuert, jedoch wurde
durch das einmütige Vorgehen der Stettiner Spediteure und
Schiffahrts - Gesellschaften der Verkehr ohne wesentliche
Absatz.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II.
82
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwiitsch. Fabrikate.
Export.
Störungen aufrechterhalten. Auch der niedrige Wasserstand von
Elbe und Rhein behinderte im Herbst nur ganz vorübergehend
den Verkehr. Aussperrungen in den englischen Spinnereien
waren ohne wesentlichen Einfluß auf den Absatz, da ohnehin
das Exportgeschäft auf ein Minimum zusammengeschrumpft
.war. In erster Linie Holland, aber auch Oesterreich und Ruß-
land waren bis Anfang September ständig mit so wesentlich
niedrigeren Preisen am Markt, daß in der Hauptsache nur die
Schlüsse zur Abwicklung kommen konnten, welche am Anfang
der Kampagne 1912 mit Rücksicht auf die erwartete Rekord-
ernte eingegangen waren. Erst mit Beginn der neuen Kampagne
Wurde Deutschland wieder exportfähig, und es sind im August
und September des Berichtsjahres auch wiederum größere Ab-
schlüsse in deutscher Ware nach dem Auslande getätigt worden.
Leider fehlt es bei vielen deutschen Fabriken an der erforder-
lichen Großzügigkeit gegenüber Auslandsaufträgen. Teilweise
sind die Aufträge wohl von Händlerfirmen angenommen worden,
doch schließen diese langfristigen Kontrakte gerade für die
Händler stets ein größeres Risiko ein, da die freie Bewegung
in dem Handel mit Kartoffelfabrikaten durch Verkaufsver-
einigungen der deutschen Stärkefabriken sehr behindert ist. Die
zu erwartende diesjährige große Produktion berechtigt zu der
Hoffnung, daß der Handel für die nächste Zeit zu erfolgreicher
Betätigung Gelegenheit finden wird.
Dio Exportziffern für die hauptsächlichsten Kartoffel-
«fabrikate stellen sich für die letzten drei Jahre wie folgt:
Tab. 31. Export von Kartoffelfabrikaten in den letzten drei Jahren (in dz)
1911
1912
1913
Mehl u. Stärke
462 405
141 339
185 586
Dextrin
130 071
91929
121057
Stärkesirup
und Zucker
28 642
12 689
18 842
Zusammen
621 118
246 010
325 485
Gedarrte
Zichorien.
17. Zichorien und andere Kaffee Surrogate.
Standen die letzten Jahre im Zeichen hoher Preise für Roh-
ware und geringer, kaum ausreichender Ernteerträge, so ist seit
dem Herbst 1912 eine ganz entgegengesetzte Wandlung einge-
treten. Di-e Ergebnisse der Ernte 1912 erwiesen sich als so günstig,
daß die Preise ständig heruntergingen. Für die Fabrikanten, die,
eingedenk der bisherigen Not in Rohware, zu Preisen von 18 Mk.
für 100 kg Zichorienbrocken abgeschlossen hatten und nun auf
ihrer teuren Rohware festsaßen, war diese vollständige Aenderung
der Verhältnisse außerordentlich nachteilig; denn je weniger sie
in der Lage waren, die billig angebotene Rohware aufzunehmen,
um so mehr gingen deren Preise zurück, so daß im Januar/Februar
1913 Käufe zu 13,50 und 13,75 Mk. abgeschlos&en werden könnten.
17. Zichorien und andere Kaffeesurrosrate.
83
Um den Anbau von Zichorien nicht etwa wieder zurückg-ehen zu
lassen, bewilligten die Fabrikanten gleichzeitig für Lieferungen
aus neuer Ernte pro Herbst 1913 15 Mk. pro 100 kg ab Magde-
burg; und das trug dazu bei, die offiziellen Preise für greifbare
Ware bis in den Juli hinein auf 14 Mk. im allgemeinen festzu-
halten. Als dann aber auch die Aussichten für die neue Ernte
wieder sehr günstig wurden und schon im August neue gedarrte
Zichorien für Lieferung Ende September/Oktober mit 13,25 bis
13 Mk. für 100 kg ab Magdeburg angeboten wurden, war auch
für greifbare Ware nicht mehr als 13,50 bis 13 Mk. zu erzielen.
Und im September, lals die Aufgrabungen der neuen Wurzeln
die günstigen Erwartungen bestätigten, wichen die Preise gar
bis auf 12,50 Mk., im Oktober sogar auf 12 Mk. für 100 kg.
Wieder waren die Fabrikanten übel daran, die mit 15 Mk. den
größten Teil ihres Bedarfes hereinnehmen mußten. Gelingt es
den Fabrikanten nicht, durch festes Zusammenhalten hinsichtlich
der Verkaufspreise einer wüsten Schleuderei vorzubeugen, dann
werden sie von neuem Schaden erleiden, nachdem sie in den
letzten Jahren nur mit schweren Opfern arbeiten konnten, weil
die Verkaufspreise mit den enorm hohen Einkaufspreisen für
Rohziohorien nicht in Einklang zu bringen waren..
Nachstehend bringen wir eine Tabelle über die Preisbewegung
im Jahre 1913. Die Preise verstehen sich sämtlich für 100 kg
gedarrte Zichorienbrocken frei ab Magdeburg bzw. für Belgien frei
ab dortiger Versandstation:
Tab. 32. Preise für gedarrte Zichorien im Jahre 1913
(in M. bzw. Frcs. pro 100 kg).
Januar .
Februar .
März . .
April . .
Mai . .
Juni . .
Juli . .
August .
September
Oktober .
November
Dezem^ber
ab Magdeburg
für greifbare, i für Ernte 1913
ab Belgien
für greifbare, | -.. ^ . ,„^„
aus Ernte 1912 für Ernte 1913
13.50
13 50—14.—
14.—
13.75—14.—
14.—
14.—
14. 13.75
14. 13.50
1 13.50—12.50
12.50-12.—
12. 11.50
11.50
15.
14.50
14.50-15.- 1
15.—
15.—
15.
-—14.50
14.
13.75
13.75 !
13.50—13.— i
13.
12.50
13.
- (1914) 1
14-.— 14.25
14. 13.50
13.50—14.25
14. 14.25
13.50—13.75
13. 12.75
13.25—13.—
13.—
13. 12.50
13. 12.25
12.50—12.25
12.50—12.25
15.75
15.50—16.—
15.75—16.—
15.75—16.—
15.—
14.50—14.—
14.25—14.—
14.25-14.—
14. 1350
13.50—13.25
13.50—13.25
13.50—13.25
Bas Geschäft in gedarrten Rüben lag äußerst still und schwer-
fällig, so daß häufig gar keine offiziellen Notierungen zustande
kamen. Die Preise für greifbare Ware schwankten bis zum Juni
zwischen 13,50 bis 13 Mk. frei ab Magdeburg, gingen im Juli
auf 12,50 bis 12 Mk. zurück, und im weiteren Verlaufe waren
dann Rüben zu 12 Mk. dauernd zu kaufen. Für Herbstlieferung
1913 aus neuer Ernte wurden bis Juni 13,50 Mk. bezahlt, im Juli-
Gedarrte
Rüben.
84
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Zichorien-
fabrikate.
Gerösteter
Getreidekaffee
und Malzkaffee.
Au^st 13 Mk. und seit September 12 Mk. für 100 kg frei ab
Magdeburg. Im November ^ing der Preis für gedarrte Rüben
auf 11,50 Mk., gegen Ende dieses Monats auf 11 Mk. herab;
im Dezember blieb er auf 11 Mk. stehen, während gleichzeitig
die Ware auf Lieferung im Herbst 1914 mit 13 Mk. gehandelt
wurde.
Die Verkaufspreise der Zichorienfabrikate sind dank den
Preisvereinbarungen, die zwischen den namhaften Fabrikanten
bestehen, unverändert festgehalten worden und bewahrten die
Fabriken, die zu hohen Preisen Rohware abgeschlossen hatten,
vor gar zu empfindlichen Verlusten. Leider sind nach wie vor
Außenseiter vorhanden, die das Geschäft durch billige Angebote
beunruhigen und, da sie von der Hand in den Mund ihre Rohware
kaufen, bei den jetzt gewichenen Preisen für Rohware den Frieden
ernstlich zu gefährden drohen.
Das Geschäft in geröstetem Getreidekaffee (Malzkaff ee) war für
die Fabrikanten sehr wenig erfreulich und lag sehr ungünstig,
da infolge des Balkankrieges die Zufuhren an Gerste sehr er-
schwert und die Preise Scliwankungen unterworfen waren. Vor-
nehmlich waren die großen Fabriken gegen Ende 1912 und noch
Anfang 1913 gezwungen, wegen der Unsicherheit der Lage große
Mengen Gerste aufzunehmen, damit für alle Fälle ausreichende
Vorräte vorhanden wären. An diesen Abschlüssen erlitten sie
aber großen Schaden, als im Laufe des Jahres 1913 die Preise
immej' weiter zurückgingen. Der Konsum ist nach wie vor sehr
bedeutend und in ständiger Zunahme begriffen.
Spargel.
Schoten.
Bohnen.
Gemüse.
Pilze.
18. Konserviertfei Früohte und Gemüse.
Im Berichtsjahre war die Spargelernte wesentlich besser als
^n Vorjahre. Die von den Fabrikanten festgesetzten Preise für
Stangen- und Bruchspargel, für extrastark bis mittelstark, be-
haupteten sich, während die Preise für Spargel 50/60 und dünn
infolge zu geringer Nachfrage sich ermäßigten.
Die Schotenemte verlief besonders für Kaiserschoten sowie
für extrafeine und feine Erbsen recht günstig. Die Ordres konnten
diesmal voll und ganz ausgeführt werden.
Die Bohnenemte war normal, obwohl aus einzelnen Gegenden
über nicht genügende Anfuhr in gleich guter Qualität berichtet
wurde. In Prinzeß-Bohnen ließ die Ernte quantitativ wie quali-
tativ zu wünschen übrig. Das Auftreten dei^ Blattlaus hat der
Pflanze sehr geschadet.
In Wirsingkohl, Weißkohl, Kohlrabi, Karotten und Spinat
fiel die Ernte reichlich aus. Infolgedessen sind genügend Vor-
räte vorhanden und die Preise dieser Konserven niedrig.
In Morcheln war die Ernte infolge der feuchtwarmen Witte-,
rung gut, so daß sich der Preis auf 1,75 bis 2,25 Mk. für ge-
18. Konservierte Früchte und Gemüse.
85
trodknete Ware und für konservierte Vi Dose auf 1,10 bis
1,50 Mk. stellt. Dagegen war in Steiapilzen eine Mißernte zu
verzeicknen. Auch Pfefferlinge gab es recht wenig, so daß von
den Abschlüssen nur 50 o/o geliefert wurden. Der Preis für Vi Dose
stellte sich auf 0,90 bis 1,10 Mk., für Steinpilze, Vi Dose, auf
1,40 bis 1,75 Mk.
In Preiselbeeren war die Ernte nicht besonders gut; auch
in Schweden, Norwegen und Finland waren infolge der kalten
«Witterung höhere Preise zu zahlen. Der Preis für Rohware war
pro Zentner 22 bis 32 Mk.; für eingekochte mit 50 o/o Zucker
werden 32 bis 36 Mk. gefordert.
Kirschen, Stachelbeeren, Aprikosen, Pfirsiche und Mirabellen
sind in manchen Gegenden in der Blüte erfroren. Einige haben
sich wieder erholt, fund manche haben weniger gelitten. Erd-
beeren gab es reichlicher. In Pflaumen und Birnen war die Ernte
gut. Frische Pflaumen wurden pro Zentner inkl. mit 3 Mk.
verkauft; die Preise sind infolgedessen etwas gefallen.
Gegen Ende des vorigen Jahres machte sich eine Ver-
minderung der Nachfrage nach sauren Gurken bemerkbar, die
fast ungünstig auf die Preise zum Schaden der hiesigen Ein-
leger gewirkt hätte. Die flaue Stimmung, die sich daraus er-
gab, mußte aber zu Beginn des Berichtsjahres einer besseren
weichen, da plötzlich reges Leben in das Geschäft kam. In
Berlin waren noch einigermaßen gefüllte Läger vorhanden,
dagegen bemerkte man, als man draußen im Lande noch Ware
flür Berlin beschaffen wollte, daß dort nicht mehr viel zu
haben war, ja einige Gebiete schon im Frühjahr gänzlich' ge-
räumt hatten. So konnte Berlin seine Ware bei anziehenden
Preisen noch gut unterbringen. Die Preise stiegen nach und
nach noch bis auf 4 Mk. pro Schock und darüber (I. Sorte), und
die Berliner Einleger konnten daher mit der im Juni d. J.
beendeten Kamj)agne wohl zufrieden sein. Den Uebergang von
der alten zur neuen Saison bildeten nun wieder die italienischen
Gurken, die in diesem Jahre nicht so massenhaft wie sonst
eintrafen. Was herankam, wurde von den Einlegern imiaer flott
bei hohen Preisen — 3 bis 4 Mk. pro Schock — aufgekauft;
Neue saure Gurken konnten daher im Juni und Juli nicht
durchweg mit 10 Pfg. pro Stück im Kleinhandel verkauft
werden, da bei einigermaßen angemessenem Nutzen der Ein-
leger nicht unter 5 — 6 Mk. pro Schock an die Detailgeschäfte
verkaufen konnte. Da die italienischen Einlegegurken stets
schnell vergriffen sind, und die Ernte in Italien sich rasch ihrem
Ende zuneigte, so erwartete man mit Ungeduld den Beginn
der Gurkenernte in Liegnitz, Calbe, Lübbenau, Großengottern
»und Naumburg. Der Erntebeginn verzögerte sich durch die
kühle Witterung, und daher setzten die Preise bei der überaus
regen Nachfrage nach Einlegegurken hoch ein. Noch' am 25. Juli
Preifselbeere.
Früchte.
Gurken.
86 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. ß. Landwirtsch. Tabrikate.
kosteten diese franko hier 3,50 Mk. das Schock. Erst nach
diesem Datum fielen die Einkaufspreise bis auf 1,40 Mk, franko
hier während zirka zwei Wochen. Liegnitz hatte die größte
Ernte und mußte und konnte fast ganz Norddeutschland mit
Ware versehen, da einige Produktionsgebiete wie Großengottern,
Calbe, Lübbenau nur minimale Erträge hatten. So kam es,
daß die Einkaufspreise wieder stiegen und nach und nach auf
2,50 Mk. und darüber getrieben wurden, während die Qualität
dabei naturgemäß schon schlechter wurde. Dieser Umstand ver-
anlaßte manchen Einleger, einen Versuch mit ausländischen
Ourken, vorzugsweise wieder mit holländischen, zu machen,
-die anscheinend billiger sein sollten. Diese Ware wird nach
Gewicht eingekauft. Man hatte am Zentner wohl 7 — 8 Schock;
bei einem Durchschnittspreise von 10 Mk. pro Zentner frei
hier stellte sich also das Schock auf ungefähr 1,40 Mk. bis
Berlin. Dieser Preis ist zwar an sich nicht hoch; aber man
(muß berücksichtigen, daß die Ware auch nur klein ausfiel
und sich als Sauergurke schwer verkauft. Jedenfalls werden
die Einleger, die sich von diesem Geschäft fernhielten, klüger
gehandelt haben; denn am Ende des Berichtsjahres konnte man
feststellen, daß in Berlin hauptsächlich die Sauer gurke Lieg-
nitzer oder Calber Provenienz zur Zufriedenheit der Einleger
abgesetzt werden konnte, während die anderen Sorten schwieriger
unterzubringen waren. — Die Preise für gute Sauergurken,
also Ware, von der die Tonne mit 7 — 8 3chock gefüllt ist,
bewegten sich in Berlin zwischen 4 Mk. und 4,75 Mk. pro
Schock, je nach Quantum. Die Haltbarkeit der Gurken ist gut.
Wenn das Frühjahr 1914 nicht schlechter wird, dann ist der
Gurkenhandel auch in dieser Kampagne noch nutzbringend. Der
Konsum ist bei den hohen Preisen nicht so groß wie im Vorjahre.
saaerkohL Anfangs des Jahres war das Geschäft schleppend, und die
Preise für Sauerkraut waren sehr mäßig. Der Nutzen war bei
den hohen Fabrikationsunkosten nur gering; 100 kg Sauerkraut
kosteten 18 Mk. Unter diesen Verhältnissen blieb das Geschäft
flau bis zum April, von wo ab sich die Verkaufspreise um'
1 Mk. pro 100 kg hoben. Ein größerer Umsatz wurde aber
nicht erzielt, da die Witterung sehr milde war und der Konsum
infolgedessen nicht steigen konnte. Es fand aber trotzdem alles,
was vorhanden war, bis Ende der Saison, auch teilweise noch'
'ZU besseren Preisen, Absatz, so daß wohl überall geräumt
worden ist. Die neue Saison, die Mitte Juli beginnt, ließ bei
der großen Trockenheit, welche bis dahin herrschte, hohe Preise
vermuten. Diese hielten auch einige Wochen an. Nachdem
•dann Ende Juli wieder Niederschläge und Feuchtigkeit ein-
traten, erholte sich der AVeißkohl zusehends und infolgedessen
fielen auch die Preise rapid, so daß im August 100 kg Sauer-
kraut mit 26 Mk. abgegeben werden konnten. Es fand auch
19. Zuckor.
87
in diesem Jahre nach Südamerika ein bedeutender Export an
Sauerkohl statt. Die Ursache lag in der dort herrschenden
anhaltenden Dürre. Die Ausfuhr erfolgte weniger aus Berliu
als aus vielen anderen Gegenden Deutschlands, besonders aus;
Magdeburg und der Rheingegend. Man kann die Ausfuhr auf!
gut 120 000 Zentner fertige Ware schätzen. Trotzdem Amerika
diesen großen Posten aus Deutschland entnahm, gingen die
Preise noch zurück, und infolge der schlechten wirtscliaftlichen
Verhältnisse, Arbeitslosigkeit usw., blieben sie niedrig, und der
Umsatz war um 1/3 geringer als in dem Vorjahre. Die AVeiß-
kohlernte war im Berichtsjahre ganz vorzüglich und überall
ist noch derartig großer Vorrat vorhanden, daß eine Steigerung
der Preise vorläufig nicht zu erwarten sein wird. Daher wird
auch in Sauerkraut kaum eine Erhöhung der Preise eintreten
können, und wenn nicht kalte Witterung, die zum Geschäft
unbedingt nötig ist, eintritt, werden die Umsätze im Winter
klein bleiben und die Preise keine Erhöhung erfahren.
Tab. 33. Detailpreise für Rot-, Weiß- und Sauerkohl im Jahre 1913 (inPfeunig.)
Rotkohl
pro Kopf
Weißkohl
pro Kopf
Sauerkohl
pro ^^2 feg
Januar .
Februar .
März . .
April . .
Mai . .
.Juni . .
Juli . .
August .
September
Oktober .
November
Dezember
10—25
10-35
20—35
30-80
40—80
20—30
10—40
5—30
5—30
5-30
5—30
10—25
10-35
20—35
15—50
20—50
10—20
10-25
5—20
5—20
5-20
5-20
5-7V2
•7V2
7Vo-15
15
20—25
15—20
20—30
20-30
15—20
15
15
15
19. Zucker.
Im Vergleich zu den bewegten beiden Vorjahren zeigte die
diesjährige Beriohtsperiode nur mäßige Preisschwankungen. Die
bestimmenden Momente waxen der Ernteausfall Rußlands, die
überraschend große Kuba-Ernte und der stark anwachsende Ver-
brauch. Die Kampagne 1912/13 mit ihrer noch nie erreichten
Welterzeugung schloß mit nicht allzu grollen Beständen. Dabei
ist allerdings zu bemcksichtigen, daß ein Teil des Mehrverbrauchs!
für die Auffüllung der bei Beginn der Kampagne sehr erschöpften
Vorräte der ersten und zweiten Hand nötig wtar. Die politischen
Verhältnisse und die Geldteuerung waren zwar nicht einflußlos,
sie störten laber mehr die Kreise der Spekulation als die des
regulären Handels und !waa:^n deshalb von geringer Bedeutung
für die Preisentwidklung. Die Furcht vor der russischen Kon-
kuiTenz, das Schreckgespenst der Kampagne 1911/12, war infolge
Allgemeine
Lage.
88
I. Pflaiizl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Neue Ernte.
Statistik.
der russischen Mißernte einstweilen gegenstandslos. Rußland
wird ja wohl wieder gute Ernten und eine große Produktion haben,
schon die Schätzungen für 1913/14 weisen darauf hin, aber die
niedrigeren Zuckerpreise werden einerseits den inneren Verbrauch
anregen und andererseits den Reiz, den Export zu forcieren, ver-
ringern. Die Kolonien, namentlich Kuba, sind wohl, schon weil
die veralteten Anbau- und Fabrikationsmethoden immer mehr den
modernsten Einrichtungen Platz machen, noch in aufsteigender
Linie, aber auch hier werden die niedrigen Preise mäßigend wirken.
Die Zollreform der Vereinigten Staaten wird sicher den Zucker-
verbrauch auch sehr vergrößern, dagegen die Entwicklung der
amerikanischen Rübenzuckerindustrie und der Louisiana-Rohr-
zuckererzeugung erschweren. In Europa zeigt Italien 1913/14 eine
recht große Vermehrung des Rübenanbaues, sein Inlandsverbrauch
ist aber wohl auch infolge der sehr hohen Zuckerpreise noch sehr
rückständig. — Alles in allem kann die deutsche Rübenzucker-
industiie für die nächste Zeit keine glänzenden Resultate er-
warten, sie braucht aber nicht zu verzagen. Steigt der Verbrauch
wie bisher,, so wird auch die zu erwartende Mehrerzeugung wohl
untergebracht werden, und ein Ernteausfall in einem der großen
Erzeugungsgebiete kann rasch wieder eine gewisse Knappheit
bringen. Namentlich die Rohrzucker länder, deren Anteil an der
Weltversorgung immer mehr wächst, sind wir Ueberraschungen
Natur und der politischen Verhältnisse besonders ausgesetzt.
Die Schätzungen der Rübenzuckeremten für 1913/14 gingen
bis Mitte Oktober nicht über eine gute Mittelemte hinaus. Die
sommerliche Witterung der zweiten Hälfte Oktober und des ersten
Novemberdrittels hat aber für die noch im Felde stehenden Rüben
das Wachstum so gefördert, daß man quantitativ mit einer Rekord-
ernte rechnen muß. Der Zuckergehalt bleibt hinter dem Vorjahre
noch recht zurück, und es ist zu befürchten, daß dieser Rückstand
sich noch wesentlich vergrößern wird. Die Fabriken konnten,
da der nasse Sommer den Beginn der Rübenernte verzögerte,
erst später als sonst beginnen und werden bei den großen Quanten
in der Mehrzahl nicht wie sonst bis Ende Dezember, sondern wohl
noch bis in die zweite Januarhälfte hinein arbeiten müssen. Die
Rübe ist auch infolge der warmen Witterung weniger haltbar
und starkem Frost gegenüber auch weniger widerstandsfähig.
Der Zuckerhandel hatte in der abgelaufenen Berichtsperiode
sehr wenig Anregung; die Klagen über zu starken Wettbewerb
und zu geringen Verdienst haben sich noch vermehrt.
Die Schätzungen der internationalen statistischen Vereinigung
vom 27. Oktober wurden vom Handel als zu niedrig angesehen
und brachten eine kleine Verflauung, die sich durch das an-
haltend schöne Wetter immer mehr verschärfte.
Die Ergebnisse der Kampagne 1911/12 und 1912/13 und die
Produktionsschätzungen für 1913/14 sind (in dz) folgende:
20. Spiritus.
89
Tab. 34.
Zuckerproduktion (in Doppelzentnern).
1
1911/12
1912/13
Schätzung 1913/14
Deutschland
14 977 000
27 009 000
24 790 000
Oesterreich-Ungarn . .
11456 000
19 016 000
16 982 000
Frankreich
5 060 000
9 609 000
7 384 000
Belgien .......
2 349 000
2 986 000
2 310 000
Holland
2 619 000
3 162 000
2 323 000
Schweden
1 278 000
1 320 000
1 305 000
Rußland
20 460 000
13 745 000
17 390 000
Andere Länder ....
4 340 000
5 838 000
7 201000
Europ. Rübenernten zus.
62 539 OuO
82 b85 ÜOO
79 685 UOO
Rohrzucker ernten . . .
90 711000
92 110 000
99 110 000
Vereinigte Staaten
1
Rübenzucker ....
5 41 1 000
6 240 000
1 6 400 000
158 661 000
181 035 000
185 195 000
F. 0. Licht schätzte am 17. Okt. die europäiscbe Rübenemte
auf 84150000 dz, darunter die deutsche auf 26 500 000 dz. Die
Kuba-Ernte brachte 1912/13 24280000 dz und wird für 1913/14
auf '25 000 000 dz geschätzt.
Die Weltbeständßi am 1. Sept. betrugen nach F. 0. Licht:
1911
9 630 000 dz
1912
11560 000 dz
1913
15 270 000 dz
Die sichtbaren Bestände Deutschlands waren nach F. 0. Licht
in Kohzuckerwert am 1. Sept.:
1911
1 751 200 dz
1912
1 492 600 dz
1913
2 403 000 dz
Tab. 35. Deutschlands Zuckerausfuhr
und Verbrauch (in dz).
1910/11 . .
1911/12 . .
1912/13 . .
Ausfuhr
Verbrauch
11277 300
2 892 700
11427 700
14 227 000
12 469 000
14 642 000
Die Notiz für Ba^is 88^ R fob Hamburg betrug in Hamburg
im Jahre 1913 für den Doppelzentner:
Tab. 36. Zuckerpreise nach Hamburger Notierung (in M. pro 100 kg).
2. Jan. I 1. April | 1. Juli | 1. Aug. | 1. Okt. j 1. Nov. | 12. Nov. [ 1. Dez. | 31. Dez.
18.85 1 20.15 I 18.60 I 18.05 1 18.65 1 19.15 1 18.95 1 18.70 1 18.—
20. Spiritus.
Die Spiritus-Zentrale G. m. b. H. berichtet über das Geschäfts-
jahr vom 16. Sept. 1912 bis 15. Sept. 1913 folgendes:
Im Geschäftsjahre 1912/13 wurden unserem Unternehmen
326,4 Mill. Liter Spiritus zugeführt. Der Absatz an gereinigtem,
ungereinigtem und vollständig vergälltem Branntwein belief sich
Ergebnis.
90 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
auf insgesamt 302,9 Mill. Liter. In den Zahlen für Zufuhr und
Absatz sind die von den Mitg4iedern des Verwertungsverbandes
Deutscher Spiritusfabrikanten für Haus- und Lokalbedarf und
zum eigenen Gebrauoh nach vollständiger Verrgällung verwen-
deten Mengen einbegriffen. Der Verwertungspreis ist auf 54 Mk.
^Vioo Pfg. (54,0056 Mk.) festgestellt, so daß dem zuletzt gezaJil-
ten Absohlagspreise von 53 Mk. eine Nachzahlung von 1 Mk.
^Vioo Pfg- (1,0056 Mk.) folgt.
Das erste Jakr unter der Geltung der Branntweins teuemovelle
vom Jahre 1912 und nach Aufhebung des staatlichen Kontingents
liegt hinter uns. Ein absohließendes Urteil über den Einfluß
der Gesetzesänderungen auf die Lage des Brennereigewerbes er-
schiene verfrüht. Die Lebensbedingungen des Gewerbes haben
eine so tiefgreifende Aenderung erfahren, daß es eines längeren
Zeitraumes bedürfen wird, um ein klares Bild von der Wirkung
der neuen gesetzlichen Zustände zu gewinnen. Für sich be-
trachtet, können die Ergebnisse des abgelaufenen Geschäftsjahres
nicht als befriedigend bezeichnet werden. Zwar wurden die bei
Beginn des Jahres vorherrschenden Besorgnisse über die Gestal-
tung dei^ Spirituserzeugung behoben. Indessen ließ der Absatz zu
wünschen übrig, und es bestehen begründete Zweifel, ob es sich
hierbei nur um eine vorübergehende Erscheinung handelt. Der
Geschäftsgang wai* im allgemeinen ruhig.
Erzeugung. Dio Kartoffelernte des Sommers 1912 war, an Hand der amt-
lichen Statistik für das ganze Reich betrachtet, überaus ergiebig.
Es wird nachgewiesen : bei 3 341 000 ha Anbaufläche ein Ertrag
von 50,2 Mill. t, davon 4,1 o/o erkrankt, gegen 3 321000 ha An-
baufläche mit einem Ertrag von 34,3 Mill. t, davon 1,3 o/o erkrankt
im Jahre 1911 ; 3 296 000 ha Anbaufläche mit einem Ertrag von
43,4 Mill. t, davon 8o/o erkrankt, im Jahre 1910; 3 323 000 ha
Anbaufläche mit einem Ertrag von 46,7 Mill. t, davon 5 o/o er-
krankt, im Jahre 1909.
Dieses Bild verliert aber schon merklich von seinem Glänze,
wenn die ZaJilen für die wichtigsten Spiritusproduktionsgebiete
hera.usgegriffen werden. Während das Durchschnittsergebnis im
Reiche mit 15,45 t vom Hektar sich beträchtlich über das Mittel
der letzten zehn J^re von 13,53 t erhebt, blieb in Westpreußen
und Pommern der Ackei^rtrag hinter dem zehnjährigen Durch-
schnitt zurück. In den anderen Ostprovinzen stand der Mehr-
ertrag zumeist nicht annähemd auf der Höhe der für das Reich
ermittelten Ziffer.
Allgemein aber vollzog sich eine scharfe Trennung zwischen
den amtlichen Erhebungen und der Wirklichkeit durch den Um-
stand, daß zu Anfang Oktober scharfe Fröste eintraten, die den
weitaus größten Teil der Kartoffeln noch im Felde antrafen.
Die nachteiligen Wirkungen dieses Vorganges ließen sich im
20. Spiritus. 91
ersten Augenblickl nicht erkennen und fanden darum auch, in der
amtliclien Statistik noch keine Bewertung; sie wurden auoh in
manchen Interessentenkreisen anfänglich unterschätzt. Bezeich-
nend ist in dieser Beziehung, daß die Preise für Kartoffelstärke
auf die amtlichen Emteziffem hin von Ende September bis Mitte
Oktober einen Rückgang von 2 bis 3 Mk. für den Zentner er-
fuhren. Von der zweiten Hälfte Oktober an trat unter den Kar-
toffelbestäjiden des Ostens eine starke Neigung zur Fäulnis und
eine Minderung des Stärkegehaltes hervor. Daraufhin schlug die
Stimmung' am Stärkemarkte um. Die Preise fingen an zu steigen,
und diese Bewegung verschärfte sich, als bei der Verarbeitung
der Kartoffelmieten Verluste durch Fäulnis bis zu 50 o/o der
Gesamtmenge zutage traten. Die Stärkepreise stiegen von Mitte
Oktober bis Anfang Februar um reichlich 6 Mk. für den Zentner.
Die Wahrnehmung der Frostsohäden erregte auch im Brenne-
reigewerbe eine begreifliche Beunruhigung. Wenn zwar die
Notwendigkeit einer beschleunigten Verwertung der kranken
Kartoffeln dazu drängte, den Betrieb der Brennereien zeitig aufzu-
nehmen und mit aller Tatkraft zu fördern, so ließen sich doch
Zweifel über die Dauer und das Endergebnis der Brennkampagne
nicht abweisen; vielfach trat die Befürchtung auf, daß das
Material im Frühjahr fehlen würde, wozu die andauernd starke
Nachfrage für Kartoffeln, die von den Stärkefabriken ausging,
das ihrige beitrug. Damit bei dieser Sachlage das Brennerei-
gAwerbe nicht durch die wiederholte Herabsetzung unserer Ver-
kaufspreise über den Erlös im laufenden Brenn] ahre beunruhigt
wurde, ließen wir noch im Februar 1913 eine Erhöhung des
seit Beginn des Geschäftsjahres auf 52 Mk. festgesetzten Ab-
söhlagspreises um 1 Mk. auf 53 Mk. eintreten. Es erwies sich,
daß die durch das neue Branntweinsteuergesetz herbeigeführte
Begrenzung der Erzeugung einen starken Zwang auf die Brenne-
reien ausübt, die ihnen verbliebenen Produktionsrechte auch unter
Schwierigkeiten wahrzunehmen. Die Erzeugung des Jalires be-
läuft sich auf 375 Mill. Liter gegen 345 Mill. Liter im ver-
gangenen Jahre und 347 Mill. Liter im Jahre 1910/11. Die Be-
stände haben sich, auf den 30. Sept. berechnet, gegen das Vor-
jahr um 18 Mill. Liter erhöht und nähern sich dem Umfange,
der als Sicherung gegen unerwartete Störungen der Produktion er-
forderlich ist.
Dei' gesamte Trinkverbrauch umfaßte 187 Mill. Liter und hat Absatz,
damit gegen das Vorjahr eine Verminderung um etwa 6,5 Mill.
Liter erlitten. Diese Erscheinung verdient vornehmlich darum
eine nähere Betrachtung, weil der Rückgang des Verbrauches
eintrat, wiewohl die Verkaufspreise im Mittel des Jahres sehr
erheblich unter denjenigen des Vorjahres lagen. Es will danach
erscheinen, als ob dauernde, vielleicht sogar in ihrem Einflüsse
zunehmende Ursachen am Werke sind.
92 I. Pflanzl. Kohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
In erster Eeihe macht sieh noch fortgesetzt die Belastung
des Konsums fühlbar, die aus der Erhöhung der Verbrauchs-
abgabe vom Jahre 1909 und der Aufhebung der Kontingents-
vergütung vom Jahre 1912 hervorging. Die Wirkung wurde
in diesem Jahre durch den Rückschlag in der inländischen
Wir tschaf tskon j unktur verschärft.
Im weiteren ist anhaltend die Neigung vieler Destillateure
izur Herabsetzung des Branntweingehaltes in ihren Erzeug-
nissen bemerkbar. Ist eine Verbilligung auf Kosten der Be-
schaffenheit des Fabrikates schon an sich ein fragwürdiges!
Mittel zur Hebung des Verbrauches, so verfehlt sie in diesem
Falle um so mehr den Zweck, als die Verschlechterung der
Spirituosen vielfach zur völligen Abwendung vom Branntwein-
genusse führt.
Schließlich erhebt das Destillationsgewerbe lebhafte Klagen
über zunehmende behördliche Erschwernisse für den Trink-
absatz. Bestehende Schankerlaubnisse wurden bei einem Wechsel
im Besitz der Schankstätten aufgehoben, neue Schankgenehmi-
gungen nur sehr selten erteilt und häufig an die Bedingung
bestimmter Verkaufspreise geknüpft, die durch ihre Höhe nahezu
einem Verbote des Verbrauches gleichkamen. Hierzu treten ört-
liche polizeiliche Anordnungen über einen frühzeitigen Laden-
schluß an Tagen, an denen sich sonst der hauptsächlichste
Absatz vollzog.
Unter dem Zusammenwirken dieser Umstände, zu denen
sich die allgemeinen, auf Abwendung vom Alkoholgenuß ge-
richteten Bestrebungen gesellen, ist die Lage des Destillations-
gewerbes außerordentlich gedrückt. Man. zögert darum in diesem
Kreise, an Reformen heranzutreten, die eine Gesundung der
Verhältnisse herbeiführen könnten. Für den einzelnen Unter-
nehmer ist es schwer, damit den Anfang zu machen; er kann
durch höhere Aufwendungen für seine Erzeugnisse leicht in
seiner Wettbewerbskraft leiden, solange nicht das gesamte
Destillationsgewerbe in der gleichen Weise vorgeht.
Für gewerbliche Zwecke wurden unter Berücksichtigung
ider zu Beginn und zum Schlüsse des Geschäftsjahres vor-
handenen Vorräte von vollständig vergälltem Branntwein ins-
gesamt 166 Mill. Liter gegen 161 Mill. im Vorjahre verbraucht.
Der Mehrabsatz entfällt im wesentlichen auf vollständig ver-
gällten Branntwein (Brennspiritus).
Die Entwicklung des Brennspiritusverbrauches ist noch
nicht als abgeschlossen anzusehen. Der andauernd befriedigende
Absatz von Brennspiritus-Apparaten und vornehmlich von
Brennspiritus-Lampen, den unsere technische Abteilung zu ver-
zeichnen hat, bekundet, daß sich immer neue Kreise für die
20. Spiritus.
93
Verwendung von Brennspiritus finden. Dadurch wird nicht
allein ein Ersatz für die Beeinträchtigung des Verbrauches
gaschaffen, die aus der Verbreitung von Elektrizität und Gas
hervorgeht; es liegt darin auch die Anwartschaft, dem stärksten
Eivalen, dem Petroleum, noch weiterhin Feld abzugewinnen,
ein Ziel, das allerdings ununterbrochener Anstrengungen bedarf.
Der Verbrauch für unvollständig vergällten Branntwein
zeigt keine nennenswerte Veränderung. Gewisse Schwankungen
des Bedarfes erklären sich aus der wechselnden Geschäftslage
in der chemischen Industrie und aus Aenderun^en ihrer Arbeits-
methoden, wodurch — wie bei der Herstellung von Kunst-
seide — die Verwendung von Spiritus bald zurückgedrängt,
bald bevorzugt wird.
Die deutsche Branntweinausfuhr lag im vergangenen
Jahre vollkommen brach. Eine Aenderung der Verhältnisse
bleibt bei der Lage des inländischen Absatzes, die dem Er-
zeugungsbedürfnisse des Brennereigewerbes bei weitem nicht
gerecht wird, außerordentlich wünschenswert. Die wichtigste Vor-
aussetzung dafür wäre eine Beseitigung der von den Konkurrenz-
ländern Rußland, Oesterreich, Italien und anderen gewährten
Ausfuhrprämien, die den Weltmarktpreis von Spiritus weit
unter die Herstellungskosten drücken. Bleibt das deutsche Er-
zeugnis noch für einen längeren Zeitraum dem Weltmarkte
fern, an den es jetzt schon seit mehreren Jahren nicht mehr
gelangt, so kann es leicht der völligen Entfremdung und Ver-
gessenheit im Auslande verfallen; die Gefahr rückt herauf,
daß der Absatz für deutschen Branntwein nicht mehr zurück-
zugewinnen sein wird, auch wenn dem deutschen Export, sei
es durch Verständigung mit dem Auslande in der Frage der
Ausfuhrprämien, sei es durch Erhöhung der inländischen Aus-
fuhr Vergütung, die benötigten Erleichterungen verschafft
werden.
Der Rückgang des inländischen Trinkverbrauchs und der
Mangel an Absatz nach dem Auslande drückten auf die Be-
schäftigung der unserer Gemeinschaft angeschlossenen Reini-
gungsanstalten, so daß der Prozentsatz des erledigten Sprit-
kontingents merklich unter demjenigen des Vorjahres liegt.
Die Verkaufspreise betrugen zu Beginn des Geschäftsjahres,
solange noch die Nachwirkungen des vorangegangenen Brenn-
jahres nicht behoben waren, 75,50 Mk. für Primasprit in Berlin.
Sobald aus der Entwicklung der Spiritusproduktion im Sep-
tember und Oktober 1912 die ungestörte Befriedigung des Be-
darfes gesichert erschien, begannen wir mit der Herabsetzung
der Verkaufspreise, die in Abschnitten von 6 Mk. im Oktober,
4 Mk. im November 1912 und 3 Mk. im Februar 1913, ina-
gesamt 13 Mk., vollzogen wurde. Der dadurch erreichte Preis
Ausfuhr.
Reinigungs-
anstalten.
Preis-
bewegung
Ausblick aut
94 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
von 62,50 Mk. für Primasprit in Berlin blieb bis zum Schlüsse
des Geschäftsjahres ohne Aenderung. Der Preis für Brenn-
spiritus, der im Vorjahre, wie erinnerlich, von der allgemeinen
Preissteigerung nur zu einem geringen Teil ergriffen wurde,
blieb in diesem Jahre von der Ermäßigung unberührt und
hielt sich während des ganzen Jahres ohne Aenderung.
Die außergewöhnlich reiche Kartoffelernte des Jahres 1913
Geschäftsjahr.' '^^^ nicht zum wenigsten der Umstand, daß bei den Kartoffel-
vorräten vielfach die Neigung zur Fäulnis hervortritt, lassen
voi aussehen, daß die landwirtschaftlichen Brennereien ihre
Produktionsrechte nach Kräften ausnutzen werden. Unter diesen
Umständen ist, wiewohl für das laufende Betriebsjahr nur
96 o/o des Durchschnittsbrandes zugelassen sind, eine den Ab-
satz merklich übersteigende Branntweinerzeugung vorauszusehen.
Die Bestände dürften infolgedessen bis zum Ende des neuen
Jahres einen Umfang erreichen, wie er seit dem Jahre 1902
nicht mehr zu verzeichnen war. Die Aufbewahrung derartig
btarker Vorräte ist einerseits mit sehr beträchtlichen Kosten
verknüpft; auf der anderen Seite liegt darin aber ein wert-
voller Eückhalt für Jahre mit unzureichender Kartoffelernte.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß für die gesamte Branntwein-
industrie nichts schädlicher ist, als ein begründeter Zweifel in
die Befriedigung des Bedarfes. Neben der starken und oft
schroffen Steigerung der Preise übt vor allem die allgemeine
Unsicherheit einen lähmenden Einfluß auf den Geschäftsverkehr
aus. Demgegenüber wird ein reichliches Spirituslager zwar
keinen unbedingten Schutz, doch aber ein gewisses Maß von
Beruhigung bieten und gegebenenfalls die Preisbewegung auch
dadurch mildern, daß die Verwertung der Bestände mutmaßlich
einen Ueberschuß gegen den Buchwert und demgemäß einen
willkommenen Beitrag zum Erlöse bringen dürfte.
Der Abschlagspreis, der sich vom Vorjahre her in der
Höhe von 53 Mk. übertrug, wurde gegen Ende November auf
50 Mk. herabgesetzt. Angesichts der dadurch verringerten An-
sprüche an den Erlös der Brenner konnte den Verbrauchern
eine Erleichterung gewährt werden. Dem Verlangen des Destil-
lationsgewerbes folgend, das aus einer mechanischen Herab-
setzung der Verkaufspreise nur den Anstoß zu erneuten und
verschärften Konkurrenzkämpfen fürchtete, wurde auf der
Grundlage unveränderter Verkaufspreise eine Babattvergütung
eingeführt. Durch Babattvergünstigungen an die Mitglieder
solcher Vereinigungen, die sich tatkräftig einer Förderung des
Destillationsgewerbes und einer Abstellung der vielfach inner-
halb dieses Gewerbes beklagten Mißstände widmen, soll die
Wirksamkeit dieser Organisationen unterstützt und an einer
Verbesserung der allgemeinen Verhältnisse des Gewerbes mit-
gearbeitet werden.
21. Branntwein- und Likörfabrikation.
95
21. Branntwein- und Likörfabrikation.
Wie für frühere Jahre, so ist auch für das Jahr 1913 ein fort-
dauernder Konsumxückgang in Branntwein und Likören zu kon-
statieren, der besonders in den Monaten Juni, Juli und August er-
schreckende Dimensionen angenommen hat. Der Boykott des
Branntweins seitens der Grewerkschaften ist noch immer fühlbar.
Der Konsum alkoholfreier Getränke, die oft von zweifelhafter Her-
kunft und Beschaffenheit sind, hat infolge der fanatischen Ab-
stinenzbewegung zugenommen. Die Kreditfähigkeit der Kund-
schaft in 'den Kreisen der Kestaurateure und Kolon ialwaren-
händler ließ im III. Quartal 1913 viel zu wünschen übrig.
Die Kredite wurden nicht nur voll ausgenutzt, sondern
selbst ' von bisher durchaus potenten Firmen erheblich
überschritten. Im Prozeßwege ist von einem großen Teil der
Gastwirtskundschaft Befriedigung nicht zu erlangen, da das In-
ventar usw. ihren Lieferanten (Brauereien, Billardfabrikanten) ge-
hört. Die Kolonialwarenbranche liegt infolge der wirtschaftlich
schlechten Zeiten und des dadurch bedingten Rückgangs des Kon-
sums der notwendigsten Nahrungsmittel ganz besonders danieder.
Wenn schon der Konsum an Nahrungsmitteln zurückgeht, so muß
derjenige in Gnenußmitteln, wie Likören und sonstigen Spirituosen,
in großem' Maße abnehmen.
Nicht unwesentlich trägt zur schlechten Lage des Spirituosen-
gewerbes die unbegreifliche Preispolitik der Zentrale für Spiritus-
verwertung bei. Der Destillateurstand wird vollständig dadurch
ruiniert, daß man der verminderten Kaufkraft durch Herabsetzung
der Spirituspreise absolut nicht Eechnung trägt. Es ist der VeiTr
dacht geäußert worden, daß dieser alleinige Lieferant von Spiri-
tus seine Kundschaft ruinieren wolle, um sich durch die Fabri-
kation von Branntwein an die Stelle seiner bisherigen Abnehmer
zu setzen. 'Die überall reiche Kartoffelernte, welche die Stärke-
und Stärkezuckerfabrikanten veranlaßt hat, mit ihren Preisen
wesentlich herunterzugehen, hat die Erwartungen der Spiritus-
verarbeitungsgewerbe auf Herabsetzung des Preises ihres Roh-
materials 'nicht erfüllt. Bis zum Oktober des Berichtsjahres, zu
welchem Zeitpunkte sich der Ausfall der Ernte schon übersehen
ließ, ist Tieine Ermäßigung eingetreten.
Die niedrigen Zuckerpreise ermöglichten es, trotz schlechter
J'ruchternte Fruchtsäfte der Ernte 1912 billig zu verkaufen. Die
diesjährige Ernte in Himbeeren war reichlich und hat in Ver-
bindung mit den Zuckerpreisen zu einem weiteren Sinken der
Preise Veranlassung gegeben. Kirschen haben in einem großen
Teil des Landes durch Frost gelitten; der Verkauf von Kirsch-
syrup ließ wenig Nutzen. Der Absatz in diesem Artikel lag in
den letzten Monaten ganz danieder.
Trotz dieser traurigen Verhältnisse der Spirituosenbranche
werden den Gastwirten von Staat und Kommunen Pflichten und
Absatz.
Preispolitik
der Spiritus-
zentrale.
Fruchtsäfte.
Gastwirts-
Gewerbe.
96
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Allgemeines.
Rohmaterialien
und Löhne.
Lasten auferlegt, welche diesen schwer um seine Existenz kämpfen-
den Stand mehr und mehr dem Untergange näher bringen. Die
ungeheure Zahl der leerstehenden Lokale in Berlin spricht, mehr
als alle Worte, für die Kalamität der Branche.
22. Essigf a,brikation.
Der Prei^ des Rohmaterials für die Essigfabrikation, des Spi-
ritus, war seit dem letzten Vierteljahr 1912 etwas niedriger ge-
worden und Ycrblieb auf gleicher Höhe bis Ende 1913, so daß
die Fabriliation des Speiseessigs sich in ruhigen Bahnen besser
entwickeln konnte als vorher. Der Bedarf an Essig war im Früh-
jahr lind Sommer befriedigend; leider war die Einmachezeit, in
der das größte Quantum Essig im Jahre verbraucht wird, in-
folge der nur mittelmä^ßigen Ernte der Gurken nicht zufrieden-
stellend. Der Bedarf an Weinessigen war befriedigend; seine
Herstellung \vird immer weniger lohnend, da die dazu nötigen
Weine Infolge der schlechten Ernten immer knapper und teurer
werden.
• 23. Bierbrauerei.
Das abgelaufene Geschäftsjahr (1. Okt. 1912 bis 30. Sept.
1913) wai* für die Berliner Brauereien im allgemeinen nicht un-
günstig. Das schlechte Wetter in den beiden, für die Brauereien
hauptsächlich in Betraeht kommenden Monaten — Juli und
August — beeinträchtigte zwar den Bierkonsum ; der milde, sonnige
Herbst ließ aber den Bierabsatz wieder bis zur Höhe des Vorjahres,
ja teilweisö sogar darüber hinaus, steigen. Den mäßigen Hopfen-
preisen des Jahres 1912 standen allerdings hohe Preise für Gerste
bei geringerer Ergiebigkeit in Mälzerei und Brauerei gegenüber.
Ungünstig wurde der Geschäftsgang auch beeinflußt durch die
im Berichtsjahre zum Teil wenig befriedigende wirtschaftliche
Lage, besonders durch die infolge der Versteifung des Geldmarktes
lahmgelegte Bautätigkeit, wie auch durch die allgemeine an-
haltende Verteuerung der Lebensmittel. Eine empfindliche ge-
werbliche Störung, zum Teil auch eine neue erhebliche Belastung
bedeutet für die Berliner Brauereien die seit dem 1. April 1913
zur Erhebung gelangende Gemeindebiersteuer. Trotz der
lebhaftesten Vorstellungen der beteiligten Kreise, und ungeachtet
der von einer starken Minderheit in der Stadtverordnetenversamm-
lung geltend gemachten schweren Bedenken ist die Steuerordnung
beschlossen und eingeführt worden. Den Kampf gegen diese Steuer
führt das Berliner Braugewerbe im ordentlichen Gerichts- und
im Verwaltungsstreitverfaliren zugleich im Interesse der ohne-
hin durch Sondersteuem hart bedrückten Betriebe fort. In der
ersten Instanz vor dem Bezirksausschuß ist bekanntlich die Bier-
steuerordnung für rechtsungültig erklärt worden.
Die Gerstenernte des JaJires 1912 blieb infolge der un-
günstigen Witterung während der Erntemonate hinter dem Durch-
23. Bierbrauerei.
97
schnitt dei' Vorjahre zurück, so daß die Preise für gute, ver-
arbeitungsfähige Ware infolge der außerdem geradezu als Preis-
ti'eiberei wirkenden Zujüoklialtung der Gersteneigner rasch zu
ungewöknlioher Hölie am Beginn der Kampagne stieg. Nach all-
mählicher Erkenntnis d-es Irrtums trat im Januar 1913 ein un-
erwarteter Sturz der Grerstenpreise ein, von dem aber die Braue-
reien, die inzwischen zu hohen Preisen ihren Bedarf hatten decken
müssen, meistens keinen entsprechenden Nutzen mehr ziehen
konnten. Auch die Ausbeute der Gerste des Jahres 1912 ließ
vielfach zu wünschen übrig.. Die ^leh rauf Wendungen für Gerste
und Malz konnten bei weitem nicht durch die infolge der günsti-
gen Hopfenernte ^^egen das Vorjahr erheblich niedrige re>n
Preise ausgeglichen ^werden. Die Löhne der Brauereiarbeiter
erfuhren keine Steigerung, da der im Jahre 1910 geschlossene
Tarifvertrag bis» zum 1. April 1914 läuft.
Unter dem Zusammenwirken der erwähnten Momente war es
den besser situierten Brauereien meist möglich, ihren Absatz zu
vergrößern und ein gleich günstiges Ergebnis wie im Vorjahre
zu erzielen. ,' So überschritt der Jahresabsatz der Brauerei Fried-
richshöhe vorm. Patzenhofer zum ersten Male eine Million Hekto-
liter. Die Schloßbrauerei Schöneberg setzte 251 568 hl ab, was
einer Steigerung von 6432 hl gegen das Vorjahr entspricht. Das
finanzielle Erträgnis der Brauereien Groß-Berlins kommt zum
Teil in den zur Ausschüttung gelangten Dividenden der Aktien-
brauereien zum Ausdruck, die sich gegen das Vorjahr wie folgt
stellten :
Rentatilität.
Tab.
Dividenden der Berliner Brauereien.
1912/13 Zu- (+)
oder Ab-
nahme ( — )
gegen 1911/12
%
Bergschloßbrauerei
Bierbrauerei vorm. Hilsebein . . .
Bockbrauerei
Böhmisches Brauhaus A.-G. . . .
Deutsche Bierbrauerei A.-G. . . .
Brauerei Friedrichshain
Friedrichshöhe vorm. Patzenhofer .
Brauerei Königstadt
Löwenbrauerei Hohenschönhausen .
Münchener Brauhaus
Brauerei Pfefferberg
Schloi3brauerei Schöneberg . . .
Schultheissbrauerei A.-G
Spandauerberg-Brauerei ....
Brauerei Ernst Engelhardt Nachf.
Berliner Kindlbrauerei konv. . . .
St.-Pr.. . .
Unionsbrauerei
Victoria-Brauerei
Weißbierbrauerei vorm. Bolle . . .
vorm. C. Landre .
Berl. Jahrb. 1. Handel u. Ind. 1913. II.
o
2
2
14
4
12
7
10
11
15
5
13
14
16
0
6
0
2V2
24
0
6
7
3
2
15
4V2
12
7
10
11
16
5
13
15
17
3
6
0
0
+ 2
+ _1
4-1
+ V2
4-1
4-1
4-1
4-3
-2V2
98
I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Aussichten.
Berliner
Weißbier.
Malz- und
Karamelbier.
Bei sieben der Groß-Berliner Aktienbrauereien trat eine Er-
höhung der» Dividende um % bis 3 o/o gegen das Vorjahr ein; bei
einer Brauerei verringerte sich die Dividende um 2V2O/0, und bei
den übrigen Betrieben Isam die gleiche Dividende zur Verteilung.
Bei drei Aktienbrauereien gingen die Aktionäre leer ans.
Für das neue Geschäftsjahr sind die Aussichten im ganzen
nicht ungünstig. Der größere Ertrag nnd die bessere Ergiebig-
keit dei" diesjährigen Ernte hat die hohen Gersten- und Malz-
preise wieder auf einen normalen Stand zurückgebracht. Die
Hopfenpreise dagegen haben infolge- der geringeren Ernte wieder
stark angezogen, doch dürften für diese höheren Aufwendungen
die noch für Monate reichenden Vorräte der Brauereien an vor-
jälirigem Hopfen einen vollen Ausgleich bieten. Auch die Futter-
mittelpreise sind gegen das Vorjahr wieder etwas zurückgegangen.
Mit Besorgnis blickt das Braugewerbe und der mit ihm eng ver-
knüpfte Gastwirtestand der Novelle zur Reichsgewerbeordnung,
insbesondere der geplanten Aenderung des § 33, des Schank-
Konzessions-Paragraphen, entgegen. Eine nicht zu unterschätzende
Belastung 'wird auch für die Brauereien die im nächsten Jahre
in 'ihrer ersten Rate fällige Wehrsteuer sein.
Pur die Berliner Weißbierindustrie war das abgelaufene Ge-
schäftsjahr infolge des regnerischen Sommers und der herrschenden
Arbeitslosigkeit, namentlich im Baugewerbe, wieder sehr nach-
teilig. Die ungewöhnlich hohen Malz- und WeizenpreLse haben
das Ergebnis ebenfalls ungünstig beeinflußt. Von Jahr zn Jahr
tritt die Tatsache immer mehr in die Erscheinung, daß das Weiß-
biei" nur noch als Sommergetränk Verwendung findet. Der mit
den Arbeiterorganisationen neu abgeschlossene Tarifvertrag, der
für die nächsten drei Jahre gilt, verursacht den Weißbierbraue-
reien größere Ausgaben für Löhne. — Die Aussichten für das
neue Geschäftsjahr sind insofern günstiger, als Gerste und Weizen
weit billiger als im Vorjahre zu haben siad. Anch siud beide
Bohprodukte imi allgemeinen von guter Beschaffenheit und geben
eine reiche Ausbeute. Ausschlaggebend für die weitere Geötal-
tung des Weißbiergeschäfts ist allein das Sommerwetter des neuen
Jahres.
Das Malz- hzw. Karamelbier findet bei den Konsumenten,
immer mehr Anhänger. In mehreren Sommermonaten hat zwar
die wenig günstige Witterung nachteilig auf den Absatz ein-
gewirkt; im allgemeinen war aber eine Absatzsteigerung Zu ver-
zeichnen. Nach wie vor wird darüber geklagt, daß die reellen
Produzenten empfiudlich darunter zu leiden haben, daß ver-
schiedene kleine Unternehmungen zur Herstellung des obergärigen
Süßbieres, um die Verwendung des teuren Zuckers, der zum
Süßen 'des Bieres erforderlich ist, und um die Zahlung der daratif
ruhenden hohen Brausteuerabgabe zu sparen, in gesetzwidriger
Weise Saccharin verwenden und das Bier alsdann zn Schleuderi
23. Bierbrauerei.
99
preisen verkaufen. Die Preise der Rohinaterialien waren im Be-
richtsjahre 'durchgängig normal. Die Bierpreise sind noch ^hr
verschiedenartig. ' Eine Preisvereinbarung zwischen den Brauereien
besteht nicht. Die Berliner Biersteuerordnting, die für Karamel-
bzw. Malzbier eine Abgabe von 10 Pfg. pro Hektoliter vorsieht,
hat auch diesem Zweig der Bierbrauerei eine fühlbare Belastung
gebracht. ' ' ,
Tab. 38. Betriebs- und Produktionsverhältnisse in den Brauereien
Großberlins.
Jahr
Zahl der im
Betriebe
gewesenen
Brauereien
Malzverbrauch
kg
Steuerleistung
Mk.
Untergäriges Bier
(Lagerbier)
1911
1912
1913
23
23
23
78 551 120
79 584 015
82 863 862
15 454 708.50
15 974 535.85
15 921 248.30
Unter- u. obergäriges
Bier
1911
1912
1913
13
12
13
10 998 645
10 746 945
11511050
2 275 778.70
2 320 483.05
2 646 010.36
Weißbier
1911
1912
1913
7
7
6
4 806 190
3 792 265
3 123 710
715 227.25
556 644.40
473 821.20
Weißbier, Braunbier
1911
1912
1913
56
52
52
6 555 618
4 898 375
4 448 160
1 065 513.75
847 075.85
720 034.13
Malzextrakt
1911
1912
1913
2
2
1
54 300
46 920
3 630
7 666.05
7 379.70
499.85
Tab. 39.
Rohstoffpreise für die Brauereien.
Alte
Kampagne
Neue
Kampagne
Schlesische bzw. Oderbrucher und
uckermärkische usw. Gerste . .
Mährische und böhmische Gerste .
Uckermärkischer Brauweizen . .
Schlesischer bzw. sächsischer Brau-
weizen
Bayerischer Hopfen
Böhmischer Hopfen
für 1000 kg
1000 „
1000 „
1000 „
50 „
50 „
164—206
196—208
200—220
167—200
204-222
186—210
260-285
270—295
Tab. 40.
Malzpreise für 100 kg.
Alte Kampagne
Mk.
Neue Kampagne
Mk.
Für böhmisches und mährisches . . .
„ schlesisches, Oderbrucher, ucker-
märkisches und Saale ....
„ märkisches und Posener ....
„ Weizenmalz (schlesisches bzw.
sächsisches und märkisches) .
33—35
27—33
28V2-3IV2
3OV2— 33
27—321/2
26V2-3OV,
7*
100 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Tab. 41.
BerliDS monatliche Ein- und Ausfuhr von Bier in kg = 1,029 1.
Januar Febr. März
April
Mai
Juni I Juli AugTist I Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Zu
Einfuhr:
1911. .
1912. .
1913. .
Ausfuhr :
1911. .
1912. .
1913. .
1495 857
1642195
486132
! 502 055
571 160
1956 755
3 210112
4472 487
3 821 234
3 657 999
4 755 290
3427 788
4655306
3 810314
4 114 664
4633 824
4 222 837
4124168
4 022069
3 718426
4 906 026
4 470 106
4 954 772
4 927124
3496 697
4709 509
3880 668
6 194 677
7 374557
5859 694
4 254895
3 621 877
3683 688
3 702 690 5 048437
3 818 694 4 771 956
4 286316 3 473 218
7 551674 6 344 244
5174155 6 692 874
5 262176|6 805 202
8 708 624
6 899 822
5 140 174
3 97166913119 056
3 6«0 240 14 575 306
3 267 975i4 578 083
5 262934
3 731 633
3549116
6 327 926:4 871 538 5 411 798
3 995 2721 4 413 138i3 536 428
4 772 435 1 4 692 797 1 3 245 693
4020913
3 771 250
3 560925
4 031 649
3 676087
3 619 185
4816
48 32
47 60
63 60
59 26
55 88
Tab. 42. Ein- und Ausfuhr
von Bier auf Berliner Bahnhöfen in kg = 1,029
1.
Einfuhr:
Ausfuhr:
1911 _[ 1912 1913
1911 ! 1912 1 1913
Schlesischer Bahnhof. . .
3 21150o! 1808 000
1810 000
4 45199o! 3 156 400
3 180 000
Hamburg-Lehrter Bahnhof
Görlitzer Bahnhof ....
206 659, 69 241
51002
4 045 730, 3 277 215
3 153 157
257 100
103 870
47 330
5 454 8301 5 407 790
4 171280
Potsdamer Bahnhof . . .
21 029 330
21 674 500
21000 500
6 574 6301 7 528 820
7 335 100
Anhalter Bahnhof ....
22 678 490
23 287 133
22 861581
10 367 1581 9 187 840
9 176 979
Stettiner Bahnhof ....
312 860
225 510
195 480
9 959 7801 8 554 990 7 591040
Ostbahnhof
250 886; 263 743
212 452
20 821 33620 636 467 19 651 735
Nordbahn | 213 810; 891890
1 429 700
1930 660| 1516 870 1573 900
Zusammen
|48 160 635 48 323 887
47 608 045
63 606 114|59 266 392|55 833 191
23. Weinhandel.
Allgemeine
Geschäfslage,
Konkurrenz.
Der Absatz von Wein war auch im Berichtsjahre wieder
sehr schwierig und konnte nur mit großer Mühe auf der früheren
Höhe gehalten werden. Der Umsatz in feinen Stillweinen,
deutschen Schaumweinen, insbesondere aber in französischen
Schaumweinen, ist weiter zurückgegangen. Nach billigen kleinen
Weinen besteht zwar große Nachfrage, aber infolge der letzten
schlechten Ernten fehlt es an billigen Angeboten aus den Wein-
baugebieten. Da der Handel im Interesse der Erhaltung seiner
Kundschaft zu niedrigen Preisen liefern muß, so bringt der
Umsatz in den kleinen Weinen bei Berücksichtigung der Ge-
schäftsunkosten keinen Gewinn, vielleicht sogar Verlust. Un-
günstig beeinflußt wurde der Geschäftsgang ferner durch An-
gebote großer Weinbestände, die aus Konkursen herrührten
und von gewissen Firmen verkauft wurden. Auch die unlautere
Reklame ist im Weinhandel noch nicht verschwunden und er-
schwert dem soliden Handel das Geschäft. Geklagt wird in
Weinhändlerkreisen auch über die Ankündigungen mancher
Winzervereine, die sich gegen gezuckerte Weine richten, obwohl
allgemein bekannt ist, daß Naturweine in den zumeist ver-
langten niedrigen Preislagen überhaupt nicht oder wenigstens
nicht so geliefert werden können, wie sie das Publikum ver-
langt. Die Verdächtigungen der gezuckerten Weine veranlassen
aber das Publikum nicht, einen stechend sauren Naturwein
aus unreifen oder kranken Trauben zu trinken. Es verzichtet
clann lieber auf den Weingenuß überhaupt und wendet sich
anderen Getränken zu. Solche Ankündigungen sind daher kurz-
24. Weinhandel. 101
sichtig und schädigen den Weinbau und Weinhandel, während
es Aufgabe des Kaufmannes ist, seinem Kunden in erster Linie
eine Ware anzubieten, die dessen Wünschen entspricht.
Mußte bisher regelmäßig über die Konkurrenz der Offizier-
und Zivilkasinos berechtigte Klage geführt werden, so drohte
im Berichtsjahre dem Großberliner Weinhandel eine neue Kon-
kurrenz durch den Plan des Magistrats von Neukölln, einen
städtischen Weinhandels- und Weinrestaurations-Betrieb ein-
zurichten. Dieser Plan fand mit Recht nicht nur in Kreisen
des zunächst betroffenen Weinhandels, sondern auch in denen
anderer Geschäftszweige lebhafte Gegnerschaft. Denn es kann
nicht Aufgabe der Kommunen sein, mit den Privatbetrieben in
"Wettbewerb zu treten, wenn diese in der Lage sind, den Bedarf
in angemessener Weise zu befriedigen. Dazu kommt das weitere
Bedenken, daß ein nach kaufmännischen Grundsätzen ver-
walteter städtischer Weinhandelsbetrieb, bei dem also alle Un-
kosten aus dem Gewinn des Unternehmens und nicht aus
anderen städtischen Konten gedeckt werden müssen, mit großen
Weinhandelsfirmen, die den Wein von der Traube an bearbeiten,
nicht erfolgreich konkurrieren kann, und wenn er deren Preise
.unterbieten will, das nur auf Kosten der Steuerzahler tun
kann. Der Plan des Magistrats von Neukölln wurde denn auch
fallen gelassen.
Auf den großen Herbst des Jahres 1911, der nach den zu- Weinernten
tmeist ungünstigen deutschen Weinernten der Jähre 1906 bis weingesetz.
1910 dem Winzer und Weinhändler neue Hoffnungen für die
'Zukunft brachte, folgte die durch Oktoberfröste in ihrer Quali-
tät stark beeinträchtigte, an Ertrag aber leidliche Ernte des ,
Jahras 1912, und im Berichtsjahre eine bis auf wenige nicht
bedeutende Gebiete in Menge und Art sehr mäßige Ernte. In
verschiedenen Weinbaugebieten, so z. B. im Rheingau, war der
Ertrag oft nur ^/is desjenigen von 1911, und das Produkt so
stechend sauer und arm, daß es ohne Zu<jker nicht genießbar
werden kann. Eine dem Weingesetz entsprechende Zuckerung
mit dem Höchstzusatz von ^U der Gesamtmenge genügt
aber nicht, um artige, süffige Weine herzustellen. Die ün-
zuträglichkeit des § 3 des Weingesetzes zeigt sich in diesem
Jahre ganz besonders deutlich. Keinem Menschen, weder dem'
Konsumenten, noch dem Händler, wäre ein Schaden entstanden
aus einer Bestimmung, die das Höchstmaß der Zuckerung eines
Mostes oder Weines nach dem jeweiligen Jahrgange bemessen
hätte, mit einer Grenze — wenn überhaupt eine solche gegeben
werden muß — , die entweder für die versdhiedenen Weinbau-
gebiete, je nach der örtlichen Lage (Rheinpfalz, Mosel), ver-
schieden festgesetzt oder doch soweit gesteckt werden müßte,
daß auch die Produkte aus Jahren wie 1896, 1902, 1912
oder 1913 schmackhaft hergestellt werden können. Dadurch
102 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Weinabsatz.
Wein-
reetauratioDS-
betrieb.
•wären dem Winzer gute Preise und ein sidherer Verkauf auch
in sdilechten Jahren gewährleistet, insbesondere dann, wenn
die Winzervereine die Zuckerung unter ihrer Aufsicht und in
geeigneteren Bäumen vornehmen würden, als es die Keller der
Bauern sind.
Für den Weinhandel sind die heutigen Verhältnisse ebenso
unerträglich wie für den Winzer, der für seinen Lebensunter-
halt einzig und allein auf den Ertrag seiner Weinberge ann
gewiesen ist. Der Weinhandel soll seinen Abnehmern Weine in
niedrigen Preislagen liefern; inländische Erzeugnisse sind aber
nicht zu bekommen, da das Weingesetz es verbietet, sie in
schlechten Jahren so herzustellen, wie sie der Konsument zu
trinken wünscht. Dem Weinhandel bleibt daher nichts anderes
übrig, als aus dem Auslande geeigneten Ersatz zu beziehen,
•wenn er nicht auf sein Geschäft überhaupt verzichten will.
Wenn von manchen Seiten zur Besserung der geschilderten
mißlichen Verhältnisse im Interesse der Winzer eine Zoll-
erhöhung auf Auslands^weine erstrebt wird, so ist demgegen-
über darauf hinzuweisen, daß eine solche Maßnahme voraus-
sichtlich auch zu einer schweren Schädigung des deutschen Wein-
baues führen würde. Es würde dadurch die Einfuhr billiger
Weine unterbunden, und ein großer Teil des Publikums, das
nicht in der Lage ist, hohe Preise für Weine zu zahlen, dem
Weingenuß völlig entfremdet werden.
Auf den Rückgang des Weinabsatzes wirkte neben der
Temperenzbewegung auch die in Verbindung mit der ungünstigen
wirtschaftlichen Lage und den Steuerbelastungen stehende
größere Neigung zum Sparen ein, die in erster Linie bei Genuß-
mitteln in Erscheinung tritt. Li gleicher Richtung wirkte der
in den letzten Jahren hervorgetretene Rückgang der Besucher-
zahl wohlhabender Fremden in Berlin. Der Balkankrieg, die
Ausstellungen in Leipzig und Breslau, die schlechte Saison
in den Ostseebädern und im Gebirge und die noch imlner un-
sichere politische Lage hielt einen großen Teil des Fremdeun
Stroms von Berlin fern und ließ dadurch manches Versand-
gBEchäft für den Berliner Weinhandel nicht zustande kommen.
Im Weinrestaurationsbetrieb machte sich in den Sommer-
monaten ein außergewöhnlicher Rückgang der Erträgnisse be-
imerkbar, so daß viele Geschäfte mit Verlusten arbeiteten. Zum
Teil liegt die Ursache hierfür in den niedrigen Preisen für
Speisen. In keiner Großstadt besteht ein solches Mißverhältnis
zwischen Ein- und Verkaufspreisen wie in Berlin. Bei dem
zurückgehenden Weinkonsum besteht keine Aussicht auf eine
Besserung. Am ungünstigsten liegen die Verhältnisse bei den
Neugründungen, die mit hohen Einrichtungskosten und Mieten
•zu rechnen haben, während ihhen gegenüber die alten Ge-
scSiäfte, die langfristige, günstige Verträge abgeschlossen und
24. Weinhandel.
103
in günstigen Jahren reichliche Inventurabsohreibungen vor-
genommen haben, im Vorteil sind. Der Absatz in Schaum-
weinen ist in den Weinrestaurationsbetrieben, wahrscheinlich'
infolge der schlechteren allgemeinen Wirtschaftslage, weiter
zurückgegangen. Den Weinrestaurationsbetrieben tun auch Ab-
bruch die Kinotheater, die 5-Uhr-Tees in den Hotels, die Verab-
reichung von Speisen in Cafehäusem, die Restaurationsbetriebe der
Warenhäuser, sowie vor allen Dingen die überhand nehmenden
luxuriösen Nachtlokale und die spät schließenden Theater.
Auf Grund der S;tatistik geben wir folgendes Bild des
Weinverkehrs im deutschen Zollgebiet einerseits und in Groß-
Berlin andererseits:
Tab. 43. Einfulir von Wein, Most und Maische in Fässern oder Kesselwagen
(180 a — d, 45 c) aus den Haiiptimportländem (in Doppelzentnern).
Jahr
Frank-
reich
Algier
Italien ' Spanien
Oesterr.- IGriechen-
Ungarn | land
Portugal j Türkei Amerika
Qesamt-
menge
475 545
565 326
23 679
23 615
151000
52 635
656 246
689 217
432 476^ 19 106
156 820!745 197
76 225 122 988
69 193 1 120 074
105 432 1163 101
177 483 53 796
86 540 151 093
61 294 57 283
6 579
107
193
1 743 541
1 657 800
1 740 902
Tab. U. Einfuhr von Schaumwein (181a)
in den letzten drei Jahren (in ^/i Flaschen).
Jahr
Gesamt-Einfuhr
Davon aus Frankreich
1911
1912
1913
1 047 472
1060 511
1 015 864
1 042 109
1 055 308
1 012 299
Tab. 45. Ein- und Ausfuhr von Wein, Most, Trauben, Arrak, Rum, Kognak
in den Jahren 1912 und 1913.
IIP
Artikel
180a
180b
180 c
180d
181b
181a
45 c
178b
179c
180
181b
181a
178 b
179 c
Einfuhr:
Roter Verschnittw ein u. -Most
Wein zur KognakbereitTing
Marsala-, Port-, Madeira weine
Anderer Wein im Faß . .
Stiller Flaschenwein . . .
Schaumwein
Weinmaische
Arrak, Rum, Kognak, u. a.
im Faß
do. in Flaschen . . . ■ .
Insgesamt
Ausfuhr:
Wein u frischer Most im Faß
Stiller Flaschenwein . . .
Schaumwein ......
Arrak, Rum, Kognak, u. a.
im Faß
jdo. in Flaschen . . . . .
Ilnsgesamt
1912
Menge
"Wert in
1000 Mk.
38 906
50 032
33 434
1174 719
7 366
20 545
371 543
17 649
1432
dz
1088
1514
2 274
56 387
1201
6 342
9 801
2 347
306
1 715 626 dz 81 260
81817 dz
94 897 „
26 512 „
4 453
157 935
365 892 dz 30 074
7 169
12 566
3 732
377
6 230
1913
Menge
57 480
41129
36 249
143 438
5 997
19 394
476 717
19 706
1320
dz
Wert in
1000 Mk.
1762
1454
2 864
49 957
990
6 075
12 457
2 995
290
1 801 430 dz I 78 844
95 866
83 804
29 224
5 669
147 911
dz
I 362 474 dz
8 478
11584
4 258
395
6 438
31 153
104 I. Pflanzl. Eohprodukte usw. B. Landwlrtsch. Fabrikate.
Tab. 46. Einfuhr von rotem Verschnittwein und Wein zur Kognakbereitung aus
den einzelnen Ländern (in dz).
Roter Verschnittwein (180 a)
Wein zur Kognakbereitung (180 b)
Jahr
Gesamteinfulir
Davon aus:
Gesamteinfuhr
Davon aus:
Spanien | Frankreich u. Alsrier
Prankreich | Itaüen
1911
1912
1913
41354
38 906
57 480
23 834 1 2 001
24 167 j 6 690
51595 1 2 337
46 290
50 032
41129
12 655
26 911
21202
18 863
4 915
3 725
Tab. 47. Verzollungen in Groß-Berlin und Bestände der Teilungsläger in kg.
Wein im Faß
Wein in Flaschen
Schaumwein
Gesamt-
Es ver-
teilen
in kg
in kg
in kg
menge der
1
1
Bestände
Jahr
Verzollt i ß^!*^^d
Verzollt
wurden
Bestand
Verzollt B^f^^d
in kg in den
Teilungs.
=s.M
wurden
31. Dezbr.
z. Satze
v.48Mk.
31. Dezbr.
wurden 3, %^^^^
lägern am
31. Dezbr.
1909
fehlt
4 074 750
fehlt
302 410
fehlt 7 708
4 384 868
37 23
1910
5 216 616
4 913 721
60 366
162 239
797 733 4 504
5 080 464
21
9
1911
4 492 548
4 876 239
46 220
242 570
302 928 i 7 070
5 125 879
20
9
1912
5 250 704
6 046 585
69 689
213 013
636 535 1 4 988
6 264 648
23
11
1913
4 695 989
6 559 476 ; 86 551 | 212 806
598 788 j 13 508
1 1
6 785 789
40
24
Tab. 48. Gesamtmenge des eisernen Kredites
Großberliner Weinfirmen.
Jahr
1909
1910 i 1911
1912 1 1913
1
kg
1 147 000 1 767 499 1 750 000 1 705 000 ! 1 685 000
Verschnitte unter Zollaufsicht wurden im Jahre 1913 nicht
gemacht.
Tab. 49. Herstellung von Schaumwein im deutschen Zollgebiet (1913: 248 Betriebe)
und in der Provinz Brandenburg (1913: 18 Betriebe),
a) Schaumwein aus Fruchtwein, ohne Zusatz von Traubeuwein.
Rechnungsjahr
1. April bis 31. März
Ohne Flaschengärung
Mit Flaschengärung
Deutsches Zoll-
gebiet
Vi Flasche
hiervon
%
Berlin und Provinz
Brandenburg
Vi Flasche
Deutsches Zoll-
gebiet
Vi Flasche
hiervon
%
Berlin und Provinz
Brandenbur;?
Vi Flasche"
1910—1911
1911—1912
1912—1913
821 521
1 086 951
899 046
13,6
19,2
22,2
112 060
209 047
199 167
85 084
206 581
315 897
19,9
1,3
4,6
16 927
2 634
14 550
b) Schaumwein aus Traubenwein und schaumweinähnliche Getränke.
Ohne Flaschengärung
Mit Flaschengärung
Rechnungsjahr
1. Aprü bis 31. März
Deutsches Zoll-
gebiet
Vi Flasche
hiervon
%
Berlin und Provinz
Brandenburg
Vi Flasche
Deutsches Zoll-
Vi^FhJsche
Berlin und Provinz
haervon Brandenburg
% 1/1 Flasche
1910—1911
1911—1912
1912—1913
311 212
279 661
208 922
44,3
57,1
55,9
137 833
159 691
116 899
11 761 693
13 663 371
12 015 208
2,5 292 128
1,8 ' 242 082
2,4 1 289 639
25. Gastwirtsg-ewerbe.
05
Tab. 50. Zoll- und Steuer-Erträge aus dem Wein-
in Deutschland.
etc. Verkehr
Jahr
Zollerträge von Stillwein
aller Art
Gesamt-
betrag
M.
im Ver-
hältnis
zum ge-
samten
deutsch.
Zoll-
ertrage
%
umge-
reclmet
aufden
Kopfd.
Bevöl-
kerung
Pf.
Steuer- u.
Zoll-Ein-
nahmen von
Schaumwein
im Rech-
nungsjahr
ab 1. IV.
M.
^ . i Zoll- und Steuer-
Gesamt- | Erträge f. d. Staat an
emgangszoUei^Yein, Kognak, Likören
1 •• J- u "• a. in 12 Mon.
ausländische
Edelbrannt-
weine im Be-
triebsjahr
am 1. X.
M.
Gesamt-
betrag
M.
umger.
auf den
Kopf d.
Bevö •
kerung
Pf.
1908
1909
1910
1911
1912
24 570 000
22 599 000
29 646 000
29 486 000
28 730 000
3,6
3,0
3,7
3,4
3.2
39
35
45
45
43
8 839 400
15 742 600
15170 500
15 008 500
13 498 200
13 310 900
5 252 400
7 249 400
5 095 600
46 720 300
43 594 000
52 065 900
49 590 100
74
68
80
75
Tab. 51. Der Verkehr von ausländischem und fremdem Branntwein
erbrachte dem Staat folgende Einnahmen:
Betriebsjahr ab 1. X. | 1907/8
1908/9
1909/10
1910/11
1911/12
Gesamtbetrag IMk. |153 561 6001176 009 400
Umgerechnet aufden
Kopf der Bevölke-
rimg Mk.
2,45
2,77
192 548 900i215 035 500
2,99 3,30
210 472 300
3,19
24. Gastwirtsgewerbe.
Das Gastwirtsgewerbe hat sich im abgelaufenen Jahre in
der unerfreulichsten Weise entwickelt. Der Druck, welchen
die politischen Wirren und Kämpfe auf alle Industrien aus-
geübt haben, mußte sich in ganz besonders fühlbarer Weise in
einem Gewerbe bemerkbar machen, das als eigentliches Verkehrs-
gewerbe die Ausstrahlungen einer wirtschaftlichen Depression
in allererster Eeihe zu empfinden hat. Ganz besonders empfinde
lieh aber wurde es durch die infolge der wirtschaftlichen Misere
einsetzende Arbeitslosigkeit und das vollkommene Danieder-
liegen der Bautätigkeit betroffen.
Das Hotelgewerbe hatte auf das Jubiläumsjahr be-
sondere Hoffnungen gesetzt. Sein Verlauf brachte aber große
Enttäuschungen, da selbst in den wenigen Festwochen keine
übermäßige Inanspruchnahme der Unterkunftsräume der Hotels
zu verzeichnen war, so daß, mit einigen wenigen begünstigteren
Ausnahmen, Dividendenrückgänge unausbleiblich waren. Am
schlimmsten gestalteten sich die Verhältnisse bei den mittleren
lund kleineren Hotels, die neben der sonstigen Ungunst der Zeit
auch noch unter der drückenden Konkurrenz von Privatpensionen
und ähnlichen Erscheinungen zu leiden hatten.
Das Cafehausgewerbe, das sich in den letzten Jahren
eines bemerkenswerten Aufschwunges zu erfreuen hatte, ist
Allgemeine
Uebersicht.
Hotelgewerbe.
Cafehäuser.
106 I. Pflanzl. Ilohpix>diikte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
ebenfalls in seiner Ertragsfäiiigkeit in bemerkenswerter Weise
zuilickgegangen. Diese Unwirtscbaftlichkeit wird nicbt nur ver-
ursacht durch die imm^r mehr anwachsende Konkurrenz, sondern
auch durch den dadurch ausgeübten Zwang, sehr bedeutende
Kapitalien in deren luxuriöse Ausstattung hineinzustecken.
Als eine besonders drückende Last für das Cafehansgewerbe
machen sich die Ansprüche des Publikums an eine gute Musik'
und in Verbindung damit die ungewöhnlich hohen Anforde-
rungen für das Aufführungsrecht durch die Tonsetzergesell^
Schäften bemerkbar. Im übrigen haben auch hier die allgemeinen
schlechten Erwerbsverh'ältnisse wesentliöh zu einer Verringerung
des Besuchs beigetragen.
sa»igeschäft. Das Saalgeschäft hat an dem wirtschaftlichen Nieder-
gang einen ganz besonderen Anteil. Das Vergnügungsgewerbe
lag vollkommen danieder. Mit Ausnahme der für die Lebewelt
und die vermögenden Gesellschaftsklassen veranstalteten Fest-
lichkeiten blieben Besucherzahl und Konsum weit hinter den
früheren Jahren zurück. Dadurch war ein E-ückschlag auf die
von ihnen bisher gezahlten Mieten unausbleiblich'. Ein ganz
besonders harter Schlag war die für dieses Gewerbe am I.April
1913 für Berlin in Kraft getretene Lustbarkeitssteuer, die trotz
ihres ersichtlichen Bemühens, die schwächeren Elemente zu
schonen, dennoch vernichtend für die Ertragsfähigkeit dieser
Unternehmungen war, und deren Außerkraftsetzung im Inter-
esse einer Gesundhaltung dieses ErwerbszWeiges dringend ge-
fordert werden muß.
Schank- Der Schankwirtschaftsbctrieb ist in noch fast
betrieb.^* höherem Maße als die vorgenannten Zweige des Gastwirts-
gewerbes von der Wirkung der Lebensmittelteuerung und der
abflauenden Konjunktur getroffen worden. Durch die große
Arbeitslosigkeit in einzelnen Industriezweigen müssen Tausende
von Arbeitern auf ihre gewohnten Genußmittel verzichten, und
daß dadurch ganz besonders die Existenz der kleineren Wirt-
schaften gefährdet und bedroht ist, kann nicht geleugnet werden.
Ferner hat das Gewerbe auch unter den ungünstigen Verhältn
nissen auf dem Hypothekenmarkt gelitten, wie es überhaupt
unter einem Uebermaß von Steuern und Sondersteuern leidet.
Der Rückgang wird am allerbesten bewiesen durch den Rück-
gang des Bierkonsums im allgemeinen. Nach der amtlichen
Statistik ist der Bierverbrauch innerhalb der Norddeutschen
Brausteuergemeinschaft von 83 Liter auf 78,6 Liter pro Kopf
der Bevölkerung zurückgegangen. Dieser Minderabsatz von
4,4 Liter pro Kopf der Bevölkerung macht sich natürlidh in
den einzelnen und speziell in den kleineren Betrieben besonders
bemerkbar. Auch der Branntweinkonsum hat einen erheblichen
und stetigen Rückgang zu verzeichnen.
26. Tabak und Tabakfabrikate.
107
25. Tabak und Tabakfabrikate,
a) Zigarrenindustrie.
Die Gesckäftslagie im Tabakgewerbe hat im Jahre 1913 nicht
nur keine Besserung, sondern zweifellos eine sehr erhebliche Ver-
schlechterung erfahren. Die Tabakbranche gehört zu denjenigen
Erwerbszweigen, welche die Einwirkung der steuerlichen Aende-
rungen des Jahres 1909 immer noch empfinden und unter den
zurzeit bestehenden, ganz besonders ungünstigen wirtschaftlichen
Verhältnissen in erster Linie zu leiden haben. Die von der Klärung
dei' politischen Lage, besonders von der Beendigung des Balkan-
krieges erwartete Besserung ist nicht eingetreten ; in allen Zweigen
wird mit voller Bereöhtigung über den B-ückgang der Umsätze
und der Wirtschaftlichkeit der Unternehmungen geklagt. Für
die nächste Zukunft erscheint eine irgendwie erhebliche Besserung
ausgeschlossen.
Die ständig :anh altende Verteuerung der notwendigsten
Lebensbedürfnisse, die von Jahr zu Jahr sich mehrenden Lasten
und Steuern, das Daniederliegen ganzer Erwerbszweige, wie des
Baumarktes usw., haben die Kaufkraft und Kaufwilligkeit der
Raucher geschwächt. Die Mindereinnahmen, welche schon im
Jahre 1912 sich bemerkbar gemacht haben, haben sich noch weiter
erheblich gesteigert. Der Verbrauch von Zigarren geht von Jahr
zu Jahr relativ, d. h. mit Büöksicht auf die steigende Bevölke-
rungszahl, zurück. Nach den Feststellungen des Deutschen Tabak-
vereins wurden im Jahre 1908 8,6 Milliarden Zigarren herge-
stellt gegenüber 8,3 Milliarden Zigarren im Jahre 1911. Für das
Jahr 1912 sind derartige Erhebungen nicht angestellt worden.
Nach der Keichsstatistik über die Mengen der verzollten und ver-;
steuerten Rohtabake und nach den Zahlen der Tabakherufsgeniosse ri-
schaft über die versicherungspfliohtigen Arbeiter ist scheinbar
die Produktion im Jahre 1912 und auch im Berichtsjahre gegen
früher gestiegen; dei: größte Anteil hinsichtlich der Rohtabak-
mengen dürfte jedoch auf die Zigarettenindustrie entfallen und
nur der verbleibende geringe Rest auf die Zigarrenfabrikation.
Diese ist jedoch nicht proportional den gestiegenen Mengen an
Rohtabak und der Zahl der versicherungspflichtigen Arbeiter ge-
wachsen. Begründet ist dieses in folgendem: Das Durchschnitts-
gewicht der Zigarren hat seit drei Jahren um rund 10 bis 12 o/o
zugenommen, d. h. es werden mehr größere Zigarren als früher
gefertigt. Hierdurch erklärt es sich, daß trotz des steigenden
Veibrauchs an Rohtabak die Anzahl der gefertigten bzw. ver-
brauchten Zigarren nicht gewachsen ist. — Bezüglich der höher
gewordenen Zahl der versicherungspflichtigen Arbeiter wird be-
merkt, daß bis zum Jahre 1909 etwa 10 000 bis 12000 Personen in
Strafanstalten usw. mit Anfertigung von Zigarren usw. beschäf-
tigt worden sind, welche nicht in den Zahlen der Tabak-Berufs-
Zigarren
Industrie
Allgemeines.
Handel.
108 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwii'tsch. Fabrikate.
genossenschaf t erschienen. Nach Inkrafttreten des neuen Steuer-
gesetzes sind derartige Betriebe ganz erheblich eingeschränkt
bzw. eingestellt worden, und zwar auf Anordnung der höheren
Verwaltungsbehörden, um den freien, versicherungspflichtigen Ar-
beitern nach Möglichkeit Beschäftigung zu gewähren. Hiernach
hat alles in allem eine Ea:höhung der im Tabakgewerbe be-.
schäf tigten Arbeiterzahl, trotz des ständigen, wenn auch geringen
Anwachsens der versicherungspflichtigen Arbeiter, nicht statt-
gefunden. Die in Groß-Berlin immer mehr um sich greifende
Preisschleuderei im Zigarettenhandel mit ihren Nebenerschei-
Jiungen hat dem Zigarrenhandel schWere Schäden zugefügt;,
namentlich leidet der Absatz billiger Zigarren erheblich durch
den Verkauf von Zigaretten, die unter den von den Fabri-
kanten festgesetzten Preisen in das Publikum gelangen. In
Groß-Berlin sind während des letzten Jahres Hunderte von
sogenannten Schleudergeschäften neu entstanden, die den Ver-
kauf in denjenigen Zigarettensorten, welche infolge großer Re-
klame als Marken zu bezeichnen sind, fast vollständig an sich
gerissen haben, zum Schaden der reellen Geschäfte, die zu den
vorgeschriebenen Preisen verkaufen. Alle Bemühungen seitens
der Fachverbände und der zu dem besonderen Zwecke der Unter-
bindung der* Preisschleuderei gegründeten Vereinigungen, den be-
stehenden Krebsschaden zu beseitigen, sind erfolglos geblieben.
Die Zigarette^ verdrängt von Jahr zu Jahr mehr die Zigarre, be-.
sonders in den niedrigen Preislagen. Die Anzalil der Zigarren-
raucher nimmt ständig ab, diejenige der Zigarettenraucher in weit
höherem Maße zu. Die folgenden Zahlen geben ein Bild von dem
Steigen des Zigarettenverbrauches bzw. der Herstellung. An
Zigaretten wurden in Deutschland gefertigt in den Rechnungs-
jahren: 1907: 5694 Mill. Stück; 1908: 6024 Mill. Stück; 1909:
6866 Mm. Stück; 1910: 8361 Mül. Stück; 1911: 9383 Mill. Stück;
1912: '10 995 Mill. Stück. Von 1907 bis 1912, d. h. inner^
halb von sechs Jahren, hat sich die Zigarettenproduktion in
Deutschland fast verdoppelt. Einschließlich der eingeführten aus-
ländischen Zigaretten sind in Deutschland im Jahre 1912 11500
Millionen Zigaretten verbraucht worden, das sind fast 17 o/o mehr
als im Rechnnugs jähre 1911. An diesem Mehrverbrauch hat die
reelle Händlerschaft fast gar keinen Anteil genommen, weil er
fast ausschließlich durch' Schleuderer abgesetzt worden ist.
Der den Restaurationen, Cafes und ähnlichen Betrieben außer-
halb dei" Geschäftszeit der offenen Ladengeschäfte erlaubte Ver-
kauf von Zigarren, Zigaretten usw. blüht fortgesetzt weiter und
tut den Spezialgeschäften erheblichen Abbruch. Ebensosehr
werden die Händler benachteiligt durch die Gepflogenheit der
allei' Orten bestehenden Beamten- und Arbeiterve rein igungen,
ihren Mitgliedern und Freunden die bezogenen Zigarren, Ziga^
retten usw. zum Einkaufspreise abzugeben.
26. Tabak und Tabakfabrikate.
109
Auch das AVeihnachtsgeschäft hat nicht voll befriedigt. Das
ungünstige Wetter der letzten Weihnachtswoche hat zweifellos
dazu beigetragen, daß die Umsätze sich in mäßigen Grenzen be-
wegten und daß nicht einmal die an sich schon bescheidenen
Ziffern von 1912 erreicht wurden.
Im Engrosgeschäft kommt besonders die verschlechterte wirt-
schaftliche Lage der Zigarrenhändler in der Provinz zum Aus-
druck. Neben verkleinerten Umsätzen macht sich die verschlech-
terte Zahlungsweise auffallend bemerkbar. Wechselproteste, Zah-
lungseinstellungen und Konkurse häufen sich.
Das Exportgeschäft ist infolge der Auslandszölle immer
mühevoll gewesen. Der Wettbewerb gegen die Erzeugnisse aus
Ländern mit niedrigen Tabakzöllen ist sehr schwer. Ob eine
Ausfidir von Zigarren nach den Vereinigten Staaten von x\merika
nach Ermäßigung der dortigen Einfuhrzölle möglich sein wird,
läßt sich noch nicht vorhersagen. In der Hauptsache wird die
Tabakbranehe nach wie vor auf den inländischen Verbrauch ange-
wiesen sein.
Von Interesse dürften folgende Angaben sein: Es betrug die
Einfuhr an Zigarren aus Oesterreich-Ungarn im Kalenderjahre
1911 1307 dz, 1912 1480 dz; aus Italien im Kalenderjahre 1911
407 dz, 1912 758 dz; aus Kuba im Kalenderjahre 1911 529 dz.
1912 550 dz, wahrend in demselben Zeitraum der Export naeh
Schweden, d. h. dem Lande, nach welchem die größte Ausfuhr
vorhanden, im Kalenderjahre 1911 nur 781 dz, 1912 873 dz
betrug.
Bezüglich der Zigaretten sei bemerkt, daß die gesamte Ein-
fuhr Deutschlands im Kalenderjahre 1911 6240 dz, 1912 7430 dz
betrug. Hiervon entfallen auf Oesterreich-Ungarn im Kalender-
jahre 1911 4944 dz gegen 5999 dz im Jahre 1912; dagegen betrug
die gesamte Ausfuhr an Zigaretten im Kalenderjahre 1911
1186 dz gegen 1423 dz im Jalire 1912.
Unter dem Rückgang des Zigarrenverbrauchs litt selbstver-
ständlich die Zigarrenfabrikation ganz wesentlich. An vielen
Orten wurden Verkürzungen der Arbeitszeit, auch Entlassungen
von Arbeitern und sogar Betriebseinstellungen wegen Ueber-
füllung der Läger vorgenommen. Besonders ungünstig scheint die
Lage der Zigarrenfabrikation in Westfalen zu sein, während die
Verhältnisse in Süddeutschland teilweise günstiger liegen sollen.
Nach den Angaben ^des „Vorwärts" büßten in der Zeit vom
30. Sept. 1912 bis 31. Juli 1913 die organisierten Hamburger
Tabakarbeiter allein 47 550 Arbeitstage ein. Dieser Verband der
organisierten Tabakarbeiter zählt etwa 2500 Mitglieder ; von
diesen waren zieitweise 400 ohne Beschäftigung. Der „Vorwärts"
schreibt weiter: „Eine solche Arbeitslosigkeit haben die Ham-
burger Tabakarbeiter auch in den schlechtesten Zeiten nicht er-
lebt.'"
Engros-
geschäft.
Export und
Import.
Fabrikation.
110 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
Die Herstellung deutscher Zigarren in höheren Preis-
lagen ist gestiegen, und zwar hauptsädhlich'^w^egen der außerordent-
lidien Verteuerung der Havanna-Importen durch den im Jahre
1909 eingeführten 40proz. Wertzoll. Diese Steigerung steht je-,
doch in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Schaden, welcher
dem Zigarrenhandel durch die Verteuerung der Havanna-Importen
erwachsen ist. , Zweifellos haben in der Zigarrenfabrikation große
Verschiebungen seit der Steuererhöhung im Jahre 1909 stattge-
funden. Alte angesehene und selbst bedeutende Firmen sind zur
rückgegangen, und nur wenige jüngere Unternehmungen haben
einen Aufschwung genommen. Die Wirtschaftlichkeit der Be-
triebe in der Zigarrenfabrikation hat sich mit geringen Ausnahmen
weiter verschlechtert. Nur wenige Betriebe dürften vorhanden sein,
welche mehr als eine normale Verzinsung der Anlagekapitalien
in den letzten Jabren erbracht haben; viele Fabrikanten haben
sicherlich bei normaler Bilanz auf Stellung mit Verlust gearbeitet.
Von größeren Streiks oder Aussperrmaßregeln ist die Zi-
garrenbranche als unmittelbare Folge ihres Daniederliegens ver-
schont geblieben.
Rohtabak. Der Rohtabakmarkt stellte sich im Jahre 1913 etwas gün-
stiger als im Vorjahr.
Sumatra-Tabak : Die Ernte von 1912, welche 1913 in Amst-er-
dam an den Markt kam, war der voraufgegangenen infolge ihrer
vorzüglichen Reife sowohl hinsichtlich ihrer Qualität wie in be-
zug auf die Farben überlegen. Obwohl der Durchschnittserlös
(136 C^nts für 1 Pfund holländisch gegen 142 Cents im Jahre
1912) etwas geringer war, wurden wiederum für Partien, welche
einen hohen Prozentsatz hell oder hellfabler Farben enthielten,
infolge der großen Konkurrenz der deutschen und der zahlreichen
ausländischen Reflektanten sehr hohe Preise bezahlt. Ebenso
stellten sich zu ümblattzwecken geeignete Sortierungen teurer,
während Mitteltabake unter den vorjährigen Notierungen zurück-
blieben. Immerhin war der Preisstand dieses für die deutsche
Fabrikation wichtigsten Deckmaterials zur Erzielung eines an-
gemessenen Nutzens am Fabrikate noch' wesentlich zu hoch.
Java-Tabake haben sowohl quantitativ wie qualitativ nicht
die vorjährige Ernte erreicht. Besonders bei Vorstenlanden warde
über Qualitäts- und Brandmangel geklagt; dagegen fielen Be-
zoeki besser aus. Hell fallende Decktabake erzielten, haupt-
sächlich auf umfangreiche amerikanische Käufe hin, höhere Preise,
wäbrend die deutsche Zigarrenindustrie die für Umblatt- und
Einlagezwecke benötigten Tabake günstiger als im Vorjahre er-
stehen konnte.
Bomeo-Tabak. Die wenig befriedigende Qualität der Ernte
fvon 1912 fand in den erheblich herabgesetzten Preisen ihre an-
gemessene Bewertung.
26. Tabak und Tabakfabrikate. 111
Für die Wichtigkeit der oben genannten drei Tabaksorten,
welche der deutschen Zigarren industrie durch die holländischen
Rohtabakmärkte zugeführt werden, spricht die Tatsache, d'aß die
Herkunft« der Sundainseln etwa 47 o/o der Gesamtrohtabak-
einfuhr nach Deutschland darstellen.
Havanna-Tabake, die in der deutschien Zigarrenindustrie
hauptsachlich für Einlagezwecke Verwendung finden, haben hin-
sichtlich ihrer Qualität die durch die günstigen Vorberichte er-
weckten Erwartungen nicht voll erfüllt; Brand und Qualitäit
haben vielfach enttäuscht. Partien von wirklich guter Qualität
mußten hoch bezahlt werden.
Eelix-Brasil-Tabake werden bei uns fast ausschließlich als
Eiolage verwendet Der deutsche Bedarf an Brasildecke geht,
entsprechend der Geschmacksrichtung der deutschen Konsumen-
ten, welche in steigendem Maße leichte Zigarren bevorzugen,
ständig zurück. Trotz mäßiger QuaKtät hielten sich die Preise
hierfür auf der Höhe des Vorjahres, da diese Tabake besonders
von den Eegien von Oester reich, Ungarn, Frankreich und Spaniea
IQ ganz erheblichen Quantitäten aus dem Markt genommen werden.
Mexico-Tabake gelangten, infolge der anhaltenden politischen
Unruhen, nur in mäßigen Mengen auf den deutschen Markt.
Domingo-Tabake : Von diesem Produkt, welches in Deutsch-
land fast lediglich zu Umblatt- und Einlagezwecken verwertet
wird, ist wenig Brauchbares an den Markt gekommen. Meist
ungesund, mußten die Preise hierfür erhebliche Einbuße erleiden.
Manila-Tabake: Die große Ernte von Manila (295832 dz
im Werte von 16,7 Mill. Mk.) geht in der Hauptsache nach
'Amerika. Die deutsche Einfuhr geht andauernd zurück; in den
ersten zehn Monaten von 1913 betrug sie nur 840 dz gegenüber
1159 dz in der gleichen Zeit von 1912.
Deutsche Tabake: Die 1912er Ernte war groß, der Ausfall
befriedigend, teilweise sogar so gut, daß die Ernte den besten
Jahrgängen zugezählt werden kann; die Preise hierfür stellten
sich trotz des erheblichen Konsumrückganges in den niedrigsten
Preislagen ziemlich hoch. Die neue Ernte, die fast durchweg
zuviel Kegen erhalten hat, verspricht wenig Gutes. Vielfach
haben Hagelschläge großen Schaden zugefügt, so daß der Gre-
samtertrag der 1913er Ernte auf etwa ^/s einer Normalemte ge-
schätzt wird. Die teilweise etwas günstigeren Rohtabakpreise
sind spurlos an der Zigarrenindustrie vorübergegangen. Die
Preise der Fertigfabrikate sind nach wie vor gedrückt und
stehen in keinem Verhältnisse zu den hohen und ständig wechseln-
den Ansprüchen der Konsumenten an Farbe und Qualität. Der
durch die starke Ueberproduktion verschärfte Konkurrenzkampf
läßt leider für die deutsche Zigarrenindustrie, auf welcher, nebein
der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse, die Folgen der
Steuer- und sozialpolitischen Gesetzgebung der letzten Jahre
112 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
doppelt schwer lasten, auch für die nächste Zukunft keine wesent-
lidie Besserung erwarten.
Trust und Als Zweifelsfrei lerwiesen darf angesehen werden, daß der
^ewJgung. amerikanische Tabaktrust, welcher bereits in England und auch
in anderen Staaten, wie Japan usw., festen Fuß gefaßt hat, auf
das eifrigste bemüht ist, auch die Tabakindustrie bzw. den Tabak-
handel Deutschlands in seine Gewalt zu bringen. Vorerst hat er,
soweit äußerlich erkennbar, seiae Bemühungen nur auf die Ziga-
rettenindustrie erstreckt und in dieser Hinsicht in Deutschland
große Erfolge erzielt. Solches ist dem Tabaktrust nur vermöge
seines rücksichtslosen Vorgehens in der Wahl der Kampfes-
mittel und durch seine außerordentliche Kapitalkraft möglich
gewesen. Ueberall treten seine monopolistischen Tendenzen
klar zutage. So ist auch die Preisschleuderei im Zigaretten-
hajidel, deren außerordentlich schädigende Wirkungen hauptsäch-
lich in Groß-Berlin zutage getreten sind, als ein Hilfsmittel des
Tabaktrustes zul erachten, einerseits, um die deutsche Zigaretten-
industrie zu beunruhigen, zu schädigen, und andererseits, um
Uneinigkeit und Verderben in die Reihen der Zigarren- und Zigar
rettenhändler zu tragen. Gelingt es dem Trust, welcher bereits
mehr als 25 o/o der gesamten deutschen Zigarettenproduktion be-
herrschen soll, seine [Miacht durch Angliederung noch weiterer
deutscher Zigarettenfirmen erheblich zu verstärken, dann dürfte
er eine Preispolitik betreiben, die zweifellos zu einer starken
und dauernden Schädigung aller Zigarettenraucher führen wird.
Der Verband zur Abwehr des Tabaktrustes, Sitz Dresden, be-
kämpft die Bestrebungen des Trustes mit Energie und Ausdauer;
das Gleiche tun eine Anzahl maßgebender Verbände des Zigarren-
handels im Deutschen üeiche. Ob der Erfolg den vielseitigen
Bemühungen entsprechen wird, hängt in letzter Linie von dem
Verhalten der Zigarettenraucher selbst, d. h. der Konsumenten,
ab, welche über die ihnen drohenden Gefahren immer noch nicht
hinreichend aufgeklärt worden sind. Hier wäre ein dankbares
Feld für die Handel und Industrie vertretenden Körperschaften,
welche in geeigneter Weise für Aufklärung sorgen müßten.
Schwer geschädigt haben dem gesamten Kampfe die Vorgänge,
welche sich im Innern des „Verbandes zur Abwehr des Tabak-
trustes" in den letzten Monaten abgespielt und dazu beigetragen
haben, daß überall berechtigte Zweifel aufgetaucht sind, welche
von den deutschen Zigarettenfabrikanten als zum Tabaktrust ge-
hörig anzusehen sind. In diesem Kampfe haben leider persönliche
Momente eine große Holle gespielt. Ganz besonders erschwert
wird auch der Kampf gegen den Trust dadurch, daß die gesamte
Händlerschaft von Groß-Berlin in allererster Linie durch die
Preisschleuderei in ihrem Erwerbe so schwer bedrängt und ge-
schädigt wird, daß sie die Gefahren, die ihr durch den Trust
drohen, zurzeit noch hintan stellt, vielleicht auch hintan stellen
26. Tabak und Tabakfabrikate.
113
muß. AVenn die Preisschleuderei, an der leider auch der größte
Teil der sogenannteii „trustfreien Zigarettenfabrikanten'* beteiligt
ist, beseitigt werden könnte, würde der Kampf gegen den Trust
sicherlich von allen Seiten mit größerem Eifer und Erfolg be-
trieben werden können. Alle deutschen Volksschichten und vor
allem auch die Arbeiter, müßten aufgerüttelt werden um gegen
die monopolistischen Bestrebungen des Trustes Front zu machen.
b) Zigarettenindnstrie.
Die Lage der Zigarettenindustrie hat sich im Berichtsjahre
1913 nicht günstiger gestaltet als im Vorjahre, da die beiden
Gefahren, die Preisschleuderei und der Trust, die Erhaltung der
wii'tschaftlichen Selbständigkeit von Handel und Industrie in
Frage stellten. Die Preisschleuderei, die schon seit längerer Zeit
den Gegenstand ernstester Sorge für den Fabrikanten und Händler
bildet, hat im Bei'ichtsjahre einen geradezu verhängnisvollen Um-
fang angenommen. Alle Vorschläge und Versuche seitens der
einzelnen Interessenten und Interessen vereine, hier endlich Wandel
zu schaffen, haben sich bisher nutzlos erwiesen; sie konnten das
stark zunehmende Umsichgreifen der Schleuderei nicht aufhalten.
Daduich, daß die Konsumenten immer mehr dazu übergingen, ihren
Bedarf auf billigerem Wege, also bei Schleuderern, zu decken,
sah sich die solide Händlerschaft genötigt, ebenfalls zu schleu-
dern, zu sogenannten „Muß-Schleuderem" zu werden; andernfalls
drohte ihr die Gefahr, ev. ganz aus dem Handel ausgeschaltet
zu werden. So kam es, daß heute von den in Groß-Berlin bestehen-
den ca. 6000 Zigarren-Einzelgeschäften (Filialen nicht mitgerech-
net) nachweislich mehr als 5000 schleudera. Durch die all- und
gegenseitig einsetzenden Preisunterbietungen bis zum Selbst-
kostenpreis hin und darunter ist es nun sogar dahingekommen,
daß die wirtschaftliche Lage des gesamten Detailhandels in Berlin
äußerst bedrängt geworden ist. Man kann wohl sagen, daß
ca. Töo'o der kleineren und mittleren Händler nicht mehr in
der Lnge sind, sich durch den Verdienst im Geschäft zu er-
nähren. Zigarrenhändler, die jahrzehntelang ihren selbständigen
Erwerb hier gefunden haben, sind in letzter Zeit gezwungen
Worden, einen Nebenberuf zu ergreifen oder gar einem anderen
Beruf sich ganz zuzuwenden, indem sie das Ladengeschäft der
Obhut ihrer Familie, zumeist der Ehefrau, überlassen. Ja, selbst
Groß - Filialisten, die ihren Gewinn zu nicht unbeträchtlichem
Teile aus dem Vertrieb der bekannten Zigarettenmarken ziehen,
sahen sich neuerdings auch veranlaßt, eine Anzahl ihrer Filia-
len eingehen zu lassen, da die hohen Mieten infolge des allzu
geringen Verdienstes nicht mehr aufgebracht werden konnten.
Sind so in Berlin die Zustände im Zigarettenhandel recht miß-
lich, so erscheinen sie noch unerfreulicher dadurch, daß infolge
der hier bisher vergebens geführten Bekämpfung der Preisschleu-
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 8
Zigaretten-
industrie
Preis-
schleuderei.
114 I. Pflanzl. Rohprodukte usw. B. Landwirtsch. Fabrikate.
derei diese auch, in der Provinz Eingang zu finden sucht. Die
ersten Schleuderer in Berlin, deren anfängliche großen Erträg-
nisse sich durch die schnelle Zunahme des Schleuderunwesens
rasch schmälerten, haben sich neuerdings in der Provinz nieder-
zulassen gesucht, so z. B. in Hamburg, Frankfurt a. M., Kiel,
Wilhelmshaven, Frankfurt a. 0., Guben, Magdeburg usw. Wohl
ist es dem einmütigen Vorgehen der Fabrikanten und der Händ-
lei-schaft bisher gelungen, dort der Schleuderei im gerichtlichen
Wege beizukommen, doch scheinen die Aussichten für eine weitere
wirksame Bekämpfung wenig günstig zu sein, denn aus der Ver-
teidigung des Prinzips des freien Wettbewerbs bis zur letzten
Konsequenz kommt das Gnericht oft zu Schlüssen, die im Gegen-
satz zu den direkten Lebensinteressen der Händlerschaft stehen,
indem z. B. der Verkauf von Markenartikeln zu niedrigeren als
den festgesetzten Preisen nur dann als sittenwidrig gilt, sofern
ein direkter Vertragsbruch oder eine direkte Verleitung dazu
nachgewiesen werden kann. -Der Gefahi^ die sich aus solcher
Rechtssprechung ergibt, ist man sich in allen Branchen, die mit
Markenartikeln zu tun haben, bewußt, und so wird denn jetzt
der von verschiedenen ßeiten geäußerte Gedanke lebhaft de-
battiert, durch gesetzliche Maßregelung über den Verkauf mit
Markenartikeln einen weitgehenden Markenschutz einzuführen,
der die traurigen Zustände im Detailhandel nach Ansicht vieler
Interessenten mit einem Schlage beheben würde,
rabaktrust. Hinsichtlich der Lage der Industrie an sich stand das Jahr
im Zeichen erbitterten Kampfes gegen den Jasmatzi-Konzern,
der mit dem britisch-amerikanischen Tabaktrust identisch ist.
Schon im vorigen Jahre wurde bekannt, daß dieser im I^aufe
kürzester Zeit 6 Firmen, darunter Großfirmen, wie Josetti, Bat-
schari, Sulima und Adler & Co. A.-G., durch angemessene Kapital-
beteiligung an sich gebracht hätte und weitere Angliederungen
beabsichtige. Die Produktion dieser Firmen, deren Zugehörig-
keit zum Trust heute feststeht, macht bereits zirka 30o/o der
gesamten Produktion Deutschlands aus; es ist aber auch sehr
leicht möglich, daß auch noch andere Firmen zu dem Trust Ln
irgendwelcher Beziehung stehen; der Nachweis läßt sich nur zu
schwer führen. Im Hinblick auf die hieraus sich ergebende Be-
drängung der deutschen noch unabhängigen Industrie schloß sich
daher eine Anzahl der freien deutschen Fabriken zu einem Ver-
band zusammen (Trust-Abwehr- Verband) und verpflichtete sich
gegenseitig durch Vertrag bei ev. Zahlung einer außerordent-
lich hohen Konventionalstrafe, in keinerlei finanzielle oder ge-
schäftliche Beziehungen zum Trust zu treten. Außerdem setzte
man sich zum Ziel, durch eine sdhnell in die Wege zu leitende,
großzügige Propaganda die Händlerschaft wie die Konsumenten
über die Gefahr aufzuklären, die für sie durch die Knebelung
der deutschen Industrie seitens des Trustes entstehen würde.
26. Tabak und Tabakfabrikate.
115
Diesas energischio Vorgehen entfachte ein'en heftigen Konkurrenz-
kampf. Mit allen Mitteln, z. B. übermäßigen Reklame-Aufwen-
dungen, hohen Eabattsätzen mittels des Zugabesystems', suchte
der Trust seine Marken überall einzuführen und die Händler-
schaft für sich zu gewinnen. Doch es glückte ihm nicht. In
der Provinz sind ihm, dank der Rührigkeit des Abwehrverbandes,
seitens eines großen Teiles der Händlerschaft Schwierigkeiten
bereitet worden, insofern, als diese die Trustwaren dem Publikum
weder anbieten noch im Schaufenster ausstellen. In Berlin hin-
gegen, wo die Branche durch den Kampf gegen die Schleudere!
von dem allgemeinen Interesse stark abgelenkt wird, ist es dem
mit allen möglichen Mitteln arbeitenden Trust gelungen, den Markt
in hohem Maße an sich zu reißen. Hier unterbot er die Verkaufs-
bedingungen der Konkurrenz in jeder Weise, und die Händler-
schaft, der durch die allgemeine Schleuderei nur eine geringe
Verdienstmöglichkeit blieb, verfiel den Anlockungen des Trustes
mit seinen Rabatten und Zugaben. So wurde die Trustfirma Jo-
setti die einzige von den am hiesigen Platze dominierenden Ziga-
rettenfabriken, die iliren Absatz in entsprechender Weise zu
steigern vermochte.
Der Tabakmarkt wurde durch die politischen Verhältnisse
aui dem Balkan naturgemäß stark beeinflußt. Die einzelnen
Tabaksorten sind im Preise außerordentlich: gestiegen und zwar
infolge der durch die Krise veranlaßten lang andauernden Ein-
lagerungen und infolge des Bestrebens der Amerikaner, die vor-
handenen Vorräte soweit als möglich aufzukaufen. Wie sich der
Tabakhandel in Zukunft gestalten wird, läßt sich rioch nicht über-
sehen. Dies ist ganz und gar abhängig davon, welche Anstren-
gungen die neuen Staaten machen werden, um die durch den Krieg
hervorgerufenen schweren Schäden zu heilen. Es ist anzunelimen,
daß die Regierungen von Bulgarien und Griechenland sich be-
mühen werden, schon wiegen des finanziellen Vorteils, mit allen
Mitteln den Wiederanbau des Tabaks in erweitertem Maßstabe
zu fördern. So ist Hoffnung vorhanden, daß nach und nach nor-
male Verhältnisse eintreten.
Im Gregensatz zum Vorjahre haben bedeutende Lohnbewe-
gungen stattgefunden. Alle Arbeiterkategorien, Maschinen- und
Handarbeiter, wurden in ihren Löhnen aufgebessert, so daß die
Industrie nicht unwesentlich damit belastet wurde.
Der Umsatz der im Inlande hergestellten und verkauften
Zigaretten zeigte die normale Steigerung. Der Import von aus-
ländischen Zigarettenmarken ist nicht wesentlich größer ge-
worden. Dem Export stehen die schon im vorjährigen Bericht
erwähnten Hindemisse, besonders die Einfuhrzölle oder Monopole
fremder Staaten, entgegen, so daß es zu einer größeren Steigerung
des Exportes nicht kommen konnte.
8*
Rohtabak-
raaikt.
Arbeitsmarkt.
Umsatz.
116 1. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
C. Kolonialwaren.
27. Kaffee.
Allgemeines. Der Kaffeehandel war im Berichtsjahr schweren Erschütte-
ruiigea ausgesetzt. Alles das, was Brasilien, namentlich aber der
von einer rücksichtslosen Spekulantengruppe unterstützte Staat
Sao Paulo in den Jahren 1910 und 1911 aufgebaut und 1912
zu behaupten vermocht hatte, stürzte im Berichtsjahr wieder
in sich zusammen. Schuld an diesem plötzlichen und schnellen
»Zusammenbruch waren die übertriebenen Forderungen des Pro-
duktionslandes und die Ueberspekulation. Die Ende 1912 erreich-
ten Preise von mehr als 70 sh Kostfracht füi^ Superior sollten
immer noch nicht zur Gewährleistung einer Rentabilität der Plan-
tagen genügen, obwohl in den Jahren des völligen Danieder-
liegens und zu Beginn der Valorisation, als die Regierung von
Sao Paulo sich infolge der außerordentlich gedrückten Preise
zum Eingreifen veranlaßt sah, eine Preisbasis von zirka 45 sh
für Superior - Kostfracht als ausreichend bezeichnet war. Nach
den voi Santos ausgehenden Nachrichten waren die Produktions-
kosten besonders durch die infolge der schwierigen Arbeiter-
verhältnisse nötig gewordene Aufbesserung der Löhne usw. in
den letzten Jahren derartig gestiegen, daß erst eine Preisbasis
von zirka 100 Eres. bzw. 80 Pf. eine angemessene Rentabilität
der Plantagen gew^äh rleisten sollte. Die auch von Oj^timisten
nicht erträumte Preissteigerung des Artikels hatte den Leuten
den Ueberblick über die ganze Bewegung entzogen. Man glaubte,.
unter allen Umständen die Preise forcieren zu müssen, und ließ
sich dabei nicht von der Vernunft leiten. Derartige Ueber-
treibungen mußten in wälde Spekulationen ausarten und eincs-
Tages zui' Katastrophe führen. Man hatte diese aller-
dings schon w^esentlich früher erwartet, da man nicht glaubte^
daß die Brasilianer in der Lage wären, die erreichte Preisbasis
von zirka 70 Pf. längere Zeit aufrechtzuerhalten. Da ihnen
dies wider Erwarten w^ährend der Dauer eines Jahres gelang,
hatte sich der Konsum vielfach mit den gegebenen Verhältnissen
vertraut gemacht. Aber er leistete trotzdem den teuren Preisen,,
die ihm absolut keinen Nutzen ließen, in der Weise AViderstand^
daß er bei seinen Einkäufen äußerste Vorsicht w^alten ließ und
sich nur auf kurze Zeit versorgte. Die Detailpreise waren seiner-
zeit der großen Steigerung nur mit Mühe und Not und lange
nicht in dem Maße, wie die Eorderungen Brasiliens in die Hohe
gingen, gefolgt, sondern fanden selbst mit ihrer mäßigen Er-
höhung erst nach längerer Zeit und dann auch nur widerAvillig
beim Konsum Aufnahme. So lange noch in einigen wenigen
Händea sich etwas billigere Kaffees befanden, wurde im Detail
billig weiter verkauft, so daß fast allgemein die Ladenpreise
gedrückt blieben. Ein großer Teil der offenen Konsumgeschäfte
27. Kaffee.
117
stand daher vor dem Ruin. Von selten des Publikums wurden
iii immer größerem Umfange Surrogate in Gebrauch genommen;
daher mangelnder und schlechter Abzug für Kaffee. Diese Punkte
haben, zusammen mit der ungesunden und über alle Maßen enga-
gierten Spekulation den Anstoß zum Zusammenbruch gegeben.
Es erscheint unerklärlich, daß ein Konsum- und Weltartikel, wie
Kaffee, der ein fast unentbehrliches Genußmittel ist und in allen
Bevölkerungsschichten weitesten Eingang gefunden hat, in der-
artig kurzer Zeit Preisschwankungen von 70 Pf. auf 44 Pf.
Hamburger Börsennotierung unterworfen sein kann, die sich'
durch nichts rechtfertigen lassen. Die Reaktion folgte allerdings
auf dem Fuße, und vom August ab wurden die Preise wieder
getrieben.
Am 1. Januar 1913 betrug der sichtbare Weltvorrat 13 437 000
Sack gegen 13 566 000 Sack am gleichen Tage des Jahres 1912.
Der Rückgang war also nicht so erheblich wie im Jahr vorher,
wo er zirka 600 000 Sack betragen hatte. Bis zum 30. Juni
1913 ging dieser Stock auf 10 275 000 Sack zurück, so daß sich
der dem Handel zur Verfügung stehende Kaffee inkl. des Valori-
sationsstocks um über 3 000 000 Sack verringerte. Gerade in dieser
Zeit w^ar der Preisrückgang von zirka 25 Pf. zu verzeichnen.
Man motivierte den Rückgang in den guten Aussichten für die
Ernte 1913/14, die einen erheblichen Ueberschuß der Produktion
über den Konsum ergeben sollte. Von Juli an, als Brasilien diese
anfangs als groß bezeichnete Ernte nun tatsächlich verkaufen
mußte, änderte sich das Bild wiederum. Die bis dahin 12 bis
13000 000 Sack betragenden Sclxätzungen wurden bedeutend er-
mäßigt und sogar auf nur 8 bis 9 000000 Sack angegeben, so daß
die Preise vom August ab innerhalb ganz kurzer Zeit von 44 Pf.
bis auf Vs'ieder über 60 Pf. stiegen. Damit war der Höhepunkt
aber auch wieder erreicht; namentlich unter dem Druck der
großen Zufuhren mußten die Preise wieder zurückgehen. Die
Hoffnung, daß die Santoszufuhren nun eadlich abfallen würden,
erfüllte sich nicht. Im Gegenteil, sie blieben verhältnismäßig
groß, und die ersten sechs Monate von Juli bis inkl. Dezember
ergaben zusammen 8 674 000 Sack. Es herrschte allgemein Ge-
schäftslosigkeit. Lange Zeit schwankten die Preise zwischen
51 und 52 Pf. Erst die letzten Tage im Dezember nahmen eine
ausgesprochen flaue Haltung an, so daß die Terminnotierung
für den Monat März bis auf 48V4 zurückging.
Im Januar wurden, wie regelmäßig in den früheren Jahren,
von dem Valorisations-Komitee dem Handel 300000 Sack zur Ver-
fügung gestellt, die an den größeren Hafenplätzen zum Verkauf
gelangten. In X(3w York war der ganze Valorisationsvorrat von
931 000 Sack verkauft worden. Die Regierung hatte natürlich
ein große.s Interesse, diese Kaffees nicht unter Wert zu verkaufen ;
sie erzielte- auch noch sehr gute Preise, zumal der Markt von allen
Weltvorrat.
Verkäufe des
Valorisations-
Komitees,
118 I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
Seiten durch spekulative Stützungskäufe gehalten wurde. Kaum
waren jedoch diese yalorisationskaffees untergebracht, als die
Baisse ihren Weg begann und zu dem oben angeführten derartig
großen Preissturz führte, so daß an den Seeplätzen und im In-
land große Summen verloren gingen imd zahlreiche größere
Firmen zur Zahlungseinstellung gezwungen wurden. Waren Ende
1912 ca. 69 bis 70 sh für Superior-Kostfracht von den brasilianischen
Exporteuren gefordert worden, so konnte man im billigsten
Augenblick — im August — gleiche Qualitäten ungefähr mit
49 sh kaufen. Die Inlandpreise konnten zu Anfang der Be-
wegung nicht ganz ebenso i^eduziert werden, da die Verluste an
den im Besitz des Handels befindlichen Kaffees sonst zu groß
gewesen wären. Von ßeiten der Detaillisten wurde dem Preis-
rückgajig in der Weise und insofern Rechnung getragen, als für
die sich vor allen Dingen herausbildende, gangbarste Preislage
von 1,60 Mk. pro Pfund eine bedeutend bessere Qualität geliefert
wurde. Infolge des reichlichen Ausfalls der Ernte in den zentral-
tunerikanischen Kaffees war der Handel in der Lage, die blauen
Kaffees für die genannte Preislage zu verwerten, da diese einen
Rückgang von ca. 16 bis 17 Pfg. in der Zeit vom März bis Juli
aufzuweisen hatten. Für 1,60 Mk. Verkauf wurde ein in jeder
Beziehung guter und einwandfreier zentralamerikanischer Kaffee
geliefert. Die durch diese Qualitätsverschiebung hervorgerufene
außerordentlich starke Nachfrage nach blauen zentralamerikani-
schen Kaffees bewirkte natürlich recht bald wieder einen Wech-
sel ihrer Werte. Dem starken Preisrückgang folgte in kurzer
Zeit wieder eine Aufwärtsbewegung, die die Preise bald wieder
auf den früheren und teilweise sogar noch etwas höheren Stand
braxjhte. Hatten im Juli und August wirklich brauchbare
zentral amerikanische Kaffees ca. 68/69 Pfg-, teilweise sogar nur
63 bis 65 Pfg. gekostet, so betrug-en die Forderungen im Sep-
tember bereits für gleiche Qualitäten wieder über 80 Pfg. Ende
Oktober kosteten wirklich brauchbare zentralamerikanische
Kaffees 86 bis 88 Pfg., d. h. noch mehr, als zu Anfang des Jahres.
Solche Bewertung dieser Kaffees steht in besonders scharfem
Gegensatz zum Terminmarkt. Denn Anfang des Jahres kosteten
feine blaue Kaffeea 85 bis 87 Pfg. bei einer Terminnotierung
von 68 Pfg., wälirend im Oktober die gleichen Preise bei einer
Terminnotierung von nur 57 Pfg. gefordert wurden. Waren die
Schwankungen des Terminmarktes also vor allen Dingen auf
Spekulationen und Uebertreibungen zurückzuführen, so ist die
Preissteigerung in den zentralamerikanischen Provenienzen dem
Eingreifen des Konsums selbst zuzuschreiben.
Preist. Während der rückläufigen Konjunktur war es für den Im-
porteur schwer, Bezüge zu machen, da er sich immer mit dem
Gedanken vertraut machen mußte, daß im Augenblick, wo die
27. Kaffee.
119
Ware im Hafenplatz greifbar wurde und er sie also weiter ver-
kaufen konnte, ei^ vor einer vollständig veränderten Preisbasis
stehe, die sämtliche Kalkulationen illusorisch macht. Zwar war
Aussicht vorhanden, daß auf der allmählich erreichten niedrigen
Preisbasis sich sowohl für den Dietaillisten als auch für den
Grossisten ein rentables Geschäft entwickeln würde, wie es zur
Gesundung der ganzen Branche unumgänglich notwendig ist.
Während all der Haussejahre ist an dem Artikel nichts verdient
worden, weil es nicht möglich war, wie schon verschiedentlich
dargelegt, die Detailpreise den hohen Forderungen des Welt-
marktpreises anzupassen; und wenn auch der Preissturz im ersten
halben Jahre natürlich noch bedeutend größere Wunden ge-
schlagen hat, so hatte man doch im Sommer, als der Tiefstand
von 44 Pfg. erreicht war, auf eine längere Periode günstig bleiben-
der Preise und auf ein besser werdendes Geschäft rechnen
zu dürfen geglaubt. Die Hoffnung erfüllte sich aber nicht. Denn
fortwährend im Herbst hereinkommende schlechte Nachrichten
über die Ernte 1914/15 beeinflußten die Preise entsprechend den
Terminmärkten, so daß Ende Oktober gute, gangbare Santos-
ware ca. 8 Pfg". höher im Preise stand als im August und Sep-
tember.
Hierdurch wurde die Kauflust des Konsums ungünstig be-
einflußt. Dieser schränkte sich naturgemäß wieder ein. Die letzte
der folgenden Statistiken zeigt, welchen Einfluß die hohen Kaffee-
preise in den letzten Jahren auf den Konsum gehabt haben.
Danach hat er seit 1911 um über 180000 dz labgenommen. Da außer-
dem bei den größeren Zufuhren auch das Angebot wieder reich-
licher wurde, gaben die Preise für effektive Brasilware eben-
falls nach. Der Tiefstand der Preise, wie er in den Monaten
August und September zu verzeichnen war, wurde jedoch nicht
erreicht.
Tab. 52.
Hamburger Kaffeepreise.
Amtliche Notierungen in good average Santos.
Die Preise schwankten (V2 kg in Pfg.) :
Statistjlf.
im Januar zwischen
. . 68
67
68
663/4
., Februar
. . 67
65
62
6II/2
n März
• • 6IV4
60
571/2
601/,
„ April
. . 6OV2
56
561/2
57
,. Mai
. 563/,
S8V2
561/2
551/2
„ Juni
. 55
51
481/4
491/2
„ JuU
. 491/2
46
441/4
483/4
n August
. 48
46
461/2
48I/2
„ September „
• 471/4
461/4
4Q
51
„ Oktober
. 531/2
56
581/2
551/2
„ November „
. 553/,
541/4
51
52
„ De/.ember „
• 513/4
521/2
503/,
4''
120
I.
Pflanzliclie Eohprodukte usw.
C. KolonialAvaren.
Tab. 63. Zufuhren in Santos
und Rio
(in 1000 Sack).
lyii
1912
1913
Santos 1 Rio
Santos
Rio
Santos
Rio
Januar . . .
234
194
396
135
409
181
Februar
134
126
279
144
259
161
März .
122
105
310
185
182
181
April
85
71
310
155
121
127
Mai . .
97
88
225
103
143
145
Juni . .
218
136
1 290
146
321
195
Juli . .
'! 796
248
1 672
219
847
169
August .
11 1415
300
i 1212
256
1745
284
September
2 034
348
1484
397
1850
357
Oktober .
1981
324
! 1663
425
1710
447
November
1280
236
1 164
350
1334
409
Dezember
ll 697 j 167
955
258
1 188
269
Zus. Jan./Dez
9 093
2 443
8 960
2 773
10109
2 905
Tab. 54.
Sichtbare Weltvorräte (in 1000 Sack zu 60 kg)
1911
1912
1913
1. Januar .
1. Februar .
1. März . .
1. Aprü . .
1. Mai . .
1. Juni . .
1. Juli . .
1. August .
1. September
1. Oktober .
1. November
1. Dezember
14 106
13 655
13 333
12910
12 605
11912
11085
10 877
11451
12 383
13 122
13 420
13 566
13 167
12 589
12 244
11813
11390
10 965
11035
11 438
12 151
12 682
12 861
13 437
12 690
11980
11 632
11047
10 565
10 275
10 482
11 484
12 181
12 770
13 141
Tab. 55. Ablieferungen in Europa und Nordamerika in den Jahren 1910
und 1911 in 1000 Sack.
1
1911
1912
191B
in Europa
in Nord-
amerika
in Europa
in Nord-
amerika
in Europa j
in Nord-
amerika
Januar . . .
685
701
948
543
1 139 '
694
Februar . .
694
461
903
598
864
598
März . . .
686
395
926
644
i 822
501
April . . .
615
417
1002
701
829
549
Mai ... .
971
457
913
501
895
504
Juni ....
1025
554
663
520
1 857
486
Juli ....
870
488
744
437
76 +
479
August . . .
882
515
699
515
944
541
September
1089
641
1 887
559
1 034
665
Oktober . .
1 178
648
1 1116
654
1 129
743
November
958
540
i 1010
677
1 008
670
Dezember . .
733
416
i 664
473
790
617
28. Tee. 121
Tab. 56. Einfuhr von Rohkaffee nach Deutschland (in Doppelzentnern).
19U
1912
1913
Januar
Februar
' 258 600
149 400
96 000
103 000
124 200
130 200
253 200
195 000
127 800
138 600
129 000
117 600
251 032
157 456
113 204
123 564
126 508
126 279
215 970
96 605
100 458
127 884
129 665
111 888
245 249
147 838
März
April
110 723
121 652
Mai
134 527
Juni
Juli
August . . . ;
124 209
132 007
123 886
September \
114 751
Oktober
132 031
November
Dezember . .
131387
122 876
Jahr !
28.
1 823 400
Tee.
1 680 506
1 641 236
Im Berichtsjahr hatte der Teehandel unter den Einwirkimgen
von mancherlei Schwierigkeiten zu leiden. Die ungünstigen politi-
schen Verhältnisse nach dem Balkankrieg und die hierdurch hervor-
gerufene schlechte wirtschaftliche Lage in vielen Ländern, ver-
bunden mit einem ungewöhnlich hohen Geldstand, sowie kleinere
Einten in den Produktionsl ändern machten sicii im Teehandol
äußerst fühlbar. Die Gresamtproduktion der teebauenden Länder
bezifferte sich im Jahre 1913 auf ca. 752 Mill. Pfd., denen im
Jahre 191:^ ein Gresamterträgnis von oa. 738 ^lill. Pfd. englisch
gegenüberstand. Von diesem Gesamtquantum erntete Indien
allein ca. 265 Mill. Pfd. oder ein Drittel der Weltemte in Tee.
Trotz dieser kleinen Erhöhung für 1913 konnte die Ernte dem
Bedarf nicht vollkommen genügen. Die natürliche Folge war,
daß die Preise zu Ende des J^^hres eine bedeutende Steigerung
erfuhren. Größere Anstrengungen der Pflanzer und 'reeinter-
eshcnten haben kein günstigeres Ergebnis erreichen können, da
\iele Gebiete unter abnormen Wettereinflüssen, besonders im
FriÜijahr und im Sommer unter großer, längere Zeit anhaltender
Dürre, zu leiden hatten. Dies gilt besonders für Indien und Java.
In Java konnten im Berichtsjahr zum erstenmal die Zufuhren
aus den verschiedenen Distrikten nicht die Nachfrage befrie-
digen, und letztere stand zum Angebot nicht mehr im gleichen
^^ rhältnis wie früher. Obgleich in Indien bei den forcierten An-
strengungen der Tee-Kompagnien ein Mehrquantum von zirka
5 Millionen gegen das Vorjahr erzielt wurde, so bedeutet doch
diese geringe Mehrproduktion gegenüber der stetigen Zunahme
des AVeltkonsüms in Tee, an dem England allein mit ca. 10 Mill.
Pfund pro Jahr beteiligt ist, sehr wenig. Ceylon konnte dieselbe
Produktionshöhe erreichen. Allerdings dürfte dort mit einer
Steigerung der Prodnlvtion für die nächsten Jahre wohl kaum
zu rechnen sein, da dieses Land den Höhepunkt seiner Produktions-
fähigkeit erreicht zu haben scheint. Geg-en die Mehrproluktion
Allsrenieiiies.
122
]. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
Indiens blieb China bedeutend zurück. Man schätzt den Ausfall
auf ca. 300 000 halbe Kisten. Daß dieser ^roße Ausfall bisher
wenig bei der Preisbildung in Erscheinung trat, ist in der Haupt-
sache darauf zurückzuführen, daß noch erhebliche Vorräte der
Ernte 1912/13 in den Ablagerungshäfen lagerten. Immerhin
werden jetzt zu Beginn des neuen Jahres bei der lebhafteren
Nachfrage 'die Preise auch für diese Gattung von Tee anziehen. Es
ist aber damit zu rechnen, daß China-Tees nicht den Preisstand
der indischen Tees erreichen werden, da die Chinesen im nächsten
Jahr eine größere Ernte auf den Markt bringen und diese den
Ausgleich gegen den vorherigen Emteausfall wettmachen dürfte.
Diese ungiinstigen Einflüsse konnten nicht verhindern, daß der
Konsum in allen Ländern, auch Deutschland, wiederum eine
Steigerung erfuhr. Es ist dies darauf zurückzuführen, daß der
Artikel Tee immer mehr und mehr als ein einwandfreies gesundes
Getränk den Menschen zum Bedürfnis geworden ist.
Geschäftsgang. Das Geschäft bewegte sich in der ersten Hälfte des Berichts-
jahres in mäßigen Bahnen und wollte sich auch beim Eintreffen
der neuen Ernte nicht lebhafter gestalten. Die Importeure hatten
im vorigen Jahr ihre Lager zu sehr ianfgefüllt. Bei Ankunft der
neuen Ernte waren daher noch erhebliche Vorräte in den Import-
häfen vorhanden, die die Kauflust abschwächten.
Die Ernte war kleiner als im Jahr 1912; doch deckte das
Angebot bei der geringen Kauflust vollkommen die Nachfrage.
Die Qualitäten waren befriedigend, und auch die billigen Sorten
zeigten gute Werte bei nicht zu hohen Preisen.
Die kleinere Ernte in Poochow-Tee ist zum größten Teil
darauf zurückzuführen, daß die Chinesen weniger produzierten,,
um bessere Preise zu erzielen, da sie in den Vorjahren bei den
forcierten Ernten unter großen Verlusten zu leiden hatten. Die
besseren politischen Verhältnisse vermehrten die eigene Auf-
nahmefähigkeit Chiuas. Größere Posten fanden daher guten
Absatz nach dem Norden Chinas und der Mongx)lei. Diesen Faktor
werden sich die Chinesen in den nächsten Jahren zunutze
machen ; es bleibt abzuwarten, welche Folgen hieraus für den
Exporthandel sich ergeben werden. Im letzten Jahr hatte diese
Tatsache keinen Einfluß für den europäischen Handel, da, wie
schon erwähnt, bedeutend kleinere Mengen als in den vorhergehen-
den Jahren nach dem Kontinent abgeladen wurden.
?5ou«hong. Die feinen Qualitäten von Souohong zeigten im letzten Jahr
gute Werte und gutes Blatt. Die mittleren Sorten fielen etwas
zu roh im Blatt aus und hatten zu hohen Grusg-^ehalt. Das Angebot
von true Souchong war recht klein, dagegen kamen von tarry
Souchong genügende Quantitäten auf den Markt. Feine Souchongs
mit Oolong-flavour fehlten fast ganz, da der Export hierin nach
Amerika durch die neuen amerikanischen G-esetze lahmgelegt ist.
Hingegen brachten Panjong- und Chingchow- Souchongs eine große.
China-Tee.
Foochow-Tee.
28. Tee.
123
recht gute Auswahl. Billige Souchongs ließ'en zu wünschen übrig.
Die Preise notierten im allgemeinen um ca. 8 o/o höher, als im
Jahr 1912, doch ist dies auf den höheren Wechselkurs zurück-
zuführen.
Zirka 62 000 halbe Kisten von Congou wurden weniger als im congou.
Jahre 1912 auf den Markt gebracht. Packlums und Panjongs
zeigten durchweg ein gutes Blatt und waren auch in der Tasse
sehr gut. Pecoo-Congous in niedriger und mittlerer Preislage
stellten sich relativ sehr billig und [zeigten gute Werte. Die Preise
hielten sich ungefähr auf gleicher Höhe wie im Vorjalir.
Für Pecoo-Blüten lag eine recht lebhafte Nachfrage von Pecco-Biüten.
Seiten Rui31ands vor, das fast die ganze Ernte aufnimmt, während
der Absatz nach den anderen Ländern von Jahr zu Jalir kleiner
wird. Feinste Blütenware, sogenannte Schlangen-Peccos, zeigten
gute Werte und wurden hohe Preise gezahlt, da die Ernte nur
klein hierin war. Desgleichen zeigten mittlere und untere Pecoos
gute Werte, und gute Preise konnten erzielt werden.
Für Hankow-Tee war die Nachfrage bei Eröffnung des Hankow-Tee
Marktes besonders von selten Rußlands sehr stark, imd die Preise
notierten ca. 12 o/o höher als im vorhergehenden Jahr bei einer
kleineren Ernte. Der Gresamtausfall ist gerade in Hankow-Tee
enorm und betrug annähernd 200000 halbe Kisten gegenüber dei-
Saison 1912. Besonders Tee der ersten Ernte wurde sehr schnell
abgesetzt ttnd in erster Linie von Rußland zu erhöhten Preisen
aus dem Markt genommen. Auch die zweite und dritte Ernte fand
bei dem kleinen Angebot schlanken Absatz und dürfte sich noch
zu Anfang dieses Jahres ein gewisser Mangel gerade in Hankow-
Tees für Europa bemerkbar machen. Die Qualitäten fielen sehr
gut laus, besonders Kintucks und Keemuns zeichneten sich durch
ein sehr feines Flavour aus. Auch das Blatt konnte befriedigend
genannt werden. Dasselbe gilt von besseren und mittleren
Ningchows, die einen guten Aufguß zeigten. Mittlere und geringe
Monings waren recht brauchbar. Die Zufuhren waren kleiner
als im Vorjahr, doch genügten sie noch der Naclifrag-e. Die Preise
waren im Durchschnitt ea. 12 o/o höher als im Vorjahr.
Der Export nach Nordafrika von grünen Tees zeigte in dem Grauer Tee
Berichtsjahr eine stetige Zunahme, trotz der höheren Notierungen
auf dem Markte in Shanghai, so daß bereits in den letzten Monaten
des Jahres ein Mangel sich bemerkbar machte. Feine Chang-Mee
zeigten eine außergewöhnlich gute Qualität, ebenso Gunpowders ;
in mittleren Foong-Mee und Sow-Mee waren die Zufuhren nur
gering und erzielten gute Preise, die etwa 20 o/o höher als im
Vorjahr sich berechneten.
Den großen Preissturz, den der indische Tee infolge der indischer Tee
forcierten Produktion im Jahre 1912 durchmachte, hat die Saison
1913 trotz einer weiteren, wenn auch beschränkten Produktions-
Erhöhung durch die große Nachfrage und Aufnahmefähigkeit.
124 T. Pflanzliche Eohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
deren der indische Tee auf dem Weltmarkte sich erfreut, wieder
wettgemacht ; zudem ist auch der Konsum in Indien selbst unter
der indischen Bevölkerung durch die Propaganda der Pflanzer-
gesellschaften im AA'achsen bagriffen. Genaue Angaben hierüber
fehlen zurzeit noch, doch wird der Verbrauch auf reichlich
30 Mill. Pfd englisch geschätzt. Im Gegensatz zu den China-
Tees, die einen bedeutenden Ausfall an Export nach dem Kontinent
zu verzeichnen hatten, hatte der indische Tee allein, trotz der
schlechten politischen ^''erhältnissie, eine Zunahme im Export zu
verzeichnen. Der Mehrexport nach Deutsichland wird auf zirka
10 oo geschätzt. Es machte sich im letzten Jahr ftüilbar, daß der
indische Tee sich mehr Eingang in Deutschland verschafft. Unter
diesen Umständen schraubten sich natürlich die Preise für in-
disches Prodiikt langsam in die Höhe. Ueber die Qualität ist nur
^nstiges zu berichten. Mittel-Pecoo und Pecco-*Souchong fielen
befriedigend aus. Orange-Peccos mit gelben Spitzen waren wäh-
rend der Saison besonders gefragt und njotierten 10 o/o höher als
letztes Jahr, feinste Gattung-en hielten sich auf gleicher Höhe.
Für Deutschland kommen besonders Darjeelings- und Travanoore-
Tees in Betracht, -die sich auch in England großer Beliebtjheit
erfreuen und bei höheren Preisen schlanken Absatz fanden. Man
rechnet schon heute für das nächste Jahr mit einer weiteren,
erhöhten Produktionssteigerung, die wieder den Ausgleich zwischen
Angebot und Nachfrage bewirken dürfte. Voraussetzung ist hier-
bei jedoch, daß die Arbeiterfrage, die sich in Indien zurzeit zu
einer Kalamität herauswächst, befriedigend gelöst werden kann.
Ceylon-Tee. Wie bereits erwähnt, scheint in Ceylon die Produktion an Tee
ihren Höhepunkt erreicht zu haben, da die umfangreichen Gummi-
anpflanzimgen einer weiteren Entwicklung der l'eeproduktion ein
Ziel setzen. 1913 schätzte man das für Teeanpflanzungen in Frage
kommende Areal auf ca. 400 000 acres. Es vergrößerte sich in den
letzten Jahren um nur ca. 1 o/o, so daß in der Tat wohl mit
nennenswerten Mehrquanten kaum zu rechnen ist. Besonders
kommen die hochgelegenen Distrikte kaum noch für neue An-
;;flan Zungen in Frage. Die i!^ achfrage nach Peeco und Pecco-
Souchong war eine sehr lebhafte bei ca. 15 o/o höheren Preisen.
Orange-Pecoo erfreuto sich weiter wachsender Nachfrage und
erzielte ebenfalls ca. 10 «o höhere Preise als im Vorjahr. Die
geringeren Qualitäten ließen zu wünschen übrig und erreichten
nicht den Standard der indisehen Tees für gleiche Gattungen.
lava-Tee. Zum erstcnmale seit einer Reihe von Jahren ist das Ernte-
ergebnis auf Java gegen die Vorjahre zurückgegangen. Dies ist
in der Hauptsache den ungünstigen Witterungsverhältnissen zu-
zuschreiben. Es wurden a.ber fast durchschnittlich tadellose
Qualitäten abgeladen, die guto Preise erzielten. Im letzten Jahr
ist auf Sumarta zum erstenmal mit der Anlage von Teeplantagen
begonnen worden. Es bleibt abzuwarten, ob der Boden für die
29, Kakao und Kakao waren, Zuck er waren.
125
Einrichtungen der FaJitoreien geeignet ist und genügend Arbeits-
kräft-e vorhanden sind, um eine Konkurrenz mit dem indischen
Tee aufzunehmen. In letzter Zeit wird auch von den Pflanzern
auf Java und Sumatra, für diese Tees auf dem Kontinent Reklame
gemacht, um die Nachfrage für diese Gattungen zu steigern.
Ohne Frage sind die Aussichten für Java- und Sumatra-Tees
nicht ungünstig, um so mehr, als die Auktionen der letzten Monate
in Holland imgewöhnlich hoch verliefen und die Xotierungen ein
gleichem Preisniveau mit den indischen und Ceylon-Tees bereits
erreicht haben.
Tab. 57.
Einfuhr von Tee nach Deutschland (in dz).
1911
1912
1913
Im ganzen ...
davon aus China
ins Brit. -Indien . ,
„ Niederl. -Indien
„ Ceylon . . ,
38 124
22 006
5 167
5 955
3 549
41384
24 039
5 522
5 804
4 043
42 903
22 8d4
5 910
7 394
4 556
29. Kakao und Kakao waren, Zuckerwaren.
Erster Bericht.
Das Jahr 1913 hat für die Kakao- und Schokoladen-Industrie
keine IJ eberraschungen gebracht. Wenn auch die Preisbewegung
auf dem Markte für Rohkakao als steigend betrachtet werden
muß, so schufen andererseits die rückgängigen Zuckerpreise
wieder einen Ausgleich. Im übrigen haben die Preise für Roh-
kakao seit Dezember wieder eine weichende Tendenz einge-
nommen. Eine Erhöhung der Preise für die Fertigfabrikate wurde
nur in geringem Umfange notwendig. Für eine Preiserhöhung
können nur Konsumfabrikate in Betracht kommen. Bei den
Maikenartikeln ist insofern eine Preiserhöhung fast unmöglich
gemacht, als die Detailpreise allgemein feststehend sind und der
Händler sich bis aufs äußerste gegen eine Verringerung seines
Verdienstes sträuben würde. Der Absatz war im allgemeinen gut,
ist aber am Schlüsse des Jahres weniger lebhaft gewesen. Die
Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern waren gut.
Die Ausfuhr der Artikel wird zum Teil sehr erschwert durch
die Zoll Vergünstigung, die England in seinen Kolonialgebieten
genießt; dennoch ist eine Steigerung des Exporthandels wahr-
zunehmen. Die Tarifermäßigung von seiten Amerikas wird für
die Branche keine allzugroße Bedeutung haben. Kartelle,
Syndikate usw. bestehen in dem Industriezweige nicht.
Zweiter Bericht.
Die Kakao- und Schokolade-Industrie kann im Berichtsjahre
auf keine "befriedigenden Erfolge zurückblicken. Bohkakao, I^^kao-
butter, Mandeln und (Nüsse usw. sind im Preise gegen das Vor-
Erster Bericl.
Zweite 1
Bericht
Allgemoiut
Lage
126 I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
Jahr bedeutend gestie^n, lund wenn auch die Zuckerpreisie normal
waren, so konnte dennoch an den Fertigfabrikaten nur wenig ver-
dient werden.
Absatzveriuiit- Der Absatz in Kakao- und Schokoladenwaren war im allgc-
"*^^*'' meinen schlechter als im Vorjahre, und wenn einige große Fa-
briken trotzdem erhöhte Umsätze aufweisen können, so konnten
sie nur durch Vergrößerung der Betriebe und niedrige Preise bzw.
Unterpreise erzielt werden. Die durch' die Ejriegsunruhen und
große Geldknappheit verschlechterte Konjunktur ist als Ursaöhe
des schleppenden Absatzes anzusehen. Auch das' Exportgeschäft
ließ viel zu wünschen übrig.
Roh- Die Preise von Eohkakao waren trotz einer größeren Welt-
ernte von zirka 15 000 t im Berichtsjahre im Durchschnitt um
zirka 15 Mk. für 100 kg höher als 1912. In Deutschland wurden
1913 zirka 4 Mill. kg Kakaobohnen weniger verarbeitet, d. h.
verzehrt, als im Vorjahre. Es wurde an Kakao eingeführt und
verzollt (also verarbeitet) 1912: 55 085 t, 1913: 51053 t.
Die Durchschnittspreise für Rohkakao waren für 100 kg
ab Hamburg unverzollt:
Tab. 58. Preise von Rohkakao.
II 1912 I 1913~^
Akkra '; 105,33 I 119,40
Bahia, sup i 112,08 ! 124,70
Ariba !l 114,17 1 138,34
Kakaobutter. Die Marktlage in Kakaobutter war das gaaze Jahr über
äußerst fest. Die Preise für verzollte Butter hielten sich stets
auf 290 bis 300 Mk. pro 100 kg. Die Nachfrage .war in Deutsch-
land größer als das Angebot, denn mancher Fabrikant, der früher
selbst Verkäufer war, tritt jetzt als Käufer auf. Der Konsum '\n
kakaobutterreichen Schokoladen nimmt von Jahr zu Jahr zu,
während der Absatz in Kakaopulver stockt. Also auf der einen
Seite ein großer Butter verbrauch, auf der anderen geringerer
Absatz für Kakaopulver, den Hauptbestandteil der Kakaobohne.
Hierin kann nur ein Ausgleich durch eine großzügige Propa-
ganda für Kakaopulver geschaffen werden. Das Publikum
(auch die Behörden) müssen immer wieder darauf aufmerksam
gema^'ht werden, daß Kakao ein gesundes, dabei wohlschmeokendeg
und billiges Getränk ist.
An Kakaobutter hat Deutschland eingeführt 1912 617 dz,
1913 941 dz; ausgeführt 1912 36 426 dz, 1913 19 593 dz.
Zucker, Nüsse, Zuckcr war infolge der vorjährigen itekordemte billig, da-
gegen hatten Mandeln und Nüsse infolge von Mißernte und des
immer größer werdenden .Bedarfs einen bisher noch nie dage-
wesenen Preisstand erreicht. Bari-Mandeln kosteten 1913 zirka
100 Mk. und Nüsse zirka 40 Mk. pro 100 kg mehr als 1912.
29. Kakao und Kakaowaren, Zuckerwaren.
127
Der Export von Kalvao- und Schjokoladewaren war 1913
etwas geringer als 1912. Die Einfuhjr von Schokolade aus 'der
Schweiz hat leider wieder zugenommen, obwohl unsere heimische
Industrie an Qualität unbestreitbar gleich Gutes liefert. Die
Einfuhr von Kakaopulver aus Holland war etwas geringer als
im Vorjahre.
Tab. 59. Außenhandel mit Schokolade und Schokoladeersatzstoffen.
Jahr
Einfuhr
i insgesamt ] davon aus der Schweiz
Ausfuhr
1911 ....
1912 ....
1913 ....
16 864
' 19 291
19 452
15 478
17 500
17 259
4 686
8 387
9 567
Tab. 60.
Außenhandel mit Kakao pulv er (in dz).
Jahr
! insgesamt
E
i n
fuhr
1 davon a. d. Niederlanden
Ausfuhr
1911 ....
1912 ....
1913 ....
70^3
j 7533
! 7479
6979
7410
7363
7 589
13 199
11 190
Ein- und
Ausfuhr.
Zu gröi^eren Diff eirenzen zwischen Arbeitgebern und -nehmern
kam es im Berichtsjahre in keinem Berliner Betriebe, und das
gegenseitige Verhältnis war daher als gut zu bezeichnen. Sowohl
an gelernten als ungelernten Arbeitnehmern war das ganze Jahr
Ueberangebot vorhanden.
Verhältnisse
zwischen
Arbeitgeber
und Arbeit-
nehmer.
Dritter Bericht.
(Zucke rwaren.)
Die geschäftlichen Verhältnisse haben sich in der Zucker-
warenindustrie im Jahre 1913 weiter ungünstig zugespitzt. Der
Umsatz ist tiberall zurückgegangen. Der schlechte Geschäftsgang,
der auf allen geschäftlichen G-ebieten vorhanden sein dürfte, ist
in der teuren Geldlage und Knappheit, in dem Daniederliegen des
Baumarktes und in der allgemeinen Arbeitslosigkeit zu suchen.
Bankinstitute nehmen für Kredite an Industrie-Unternehmen 7
bis lOo/o Zinsen. Die teuren Geldverhältnisse, die immer größer
werdenden sozialen Abgaben der Industriebetriebe zwingen den
Unternehmer, möglichst die Zahl des Personals einzuschränken.
Die Folge davon ist Arbeitslosigkeit. Besserung ist erst zu er-
warten, wenn die Geldverhältnisse günstiger werden. Hoffent-
lich wird, nachdem Millionen für die Privatbeamten-Versiche-
rung aufgespeichert Worden sind, das Geld für den Industrie-
und Hypothekenmarkt 'wieder flüssiger.
Von einer Lohnbewegung blieb die Branche im Berichts-
jahre bewahrt, da die Arbeitgeber aus freien Stücken weitere
Zugeständnisse zur Verbesserung der Lage gemacht haben und
die organisierte Arbeiterschaft ,nicht in der Lage war, Bedin-
gungen zu diktieren.
Dritter Bericht.
Zuckerwaren.
Allgemeines.
Arbeiter-
verhältnisse.
128 I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
30. Reis.
Weltmarkt. Wenn im vorjährigen Bericht gesagt war, daß mit Eück-
sicht auf verschiedene Umstände, trotz der verhältnismäßig gut^^n
Ernteaussichten, dennoch mit hohen Preisen im kommenden Jahre
zu rechnen sein dürfte, so hat sich diese Vermutung teilweise
leider als irrig herausgestellt. Der Artikel Reis hat im ver-
flossenen Jahre ebenso wie viele andere Artikel unter der Un-
gunst der Verhältnisse zu leiden gehabt, und er hat den ^lühlen
wie den Händlern im allgemeinen nicht allzuviel Freude be-
reitet. Die. Notierungen für Rohreis haben 1913 wider Erwarten
einen beträchtlichen Rückgang aufzuweisen gehabt. Ende 1912
forderten die Versehiffer für neuen Rangoon- und Bassein-Roh-
reis noch 9 sh 3 d, und sie zeigten sich dabei im großen ganzen
noch so abwartend und zurückhaltend, daß es den europäischen
^fühlen als durchaus günstig und angemessen erschien, als sie
Anfang 1913 einen großen Teil ihres Bedarfs zu ca. 9 sh ein-
decken konnten. Dennoch erwiesen sich diese Ankäufe im weite-
ren Verlauf des Jahi^es als wesentlich zu teuer. Man hatte all-
gemein angenommen, daß der Bedarf Japans, infolge des Ernte-
ausfalls dort, ganz besonders aber die kleine Ernte in Vorder-
indien, Grund genug dafür sein würde, daß sich die Preise in
Buxmah mindestens auf einer Basis von ca. 9 sh halten müßten ; denn
man rechnete mit Sicherheit darauf, daß der Osten selbst große
Quantitäten Reis für sich in Anspruch nehmen würde; es war
aber nicht berücksichtigt worden, daß Japan in der Lage war,
einen großen Teil seines Bedarfes in Saigon, wo die Ernte recht
gut war, einzudecken, und ferner, daß auch die Ernte in Burmah
sich als "wesentlich größer herausstellte, als man ursprünglich
angenommen hatte. Sie war ca. 325 000 t größer, als man sie
geschätzt hatte. Die Polge dieser Umstände war, daß die Preise
für Rohreis im Laufe des Jahres einen nicht unbedeutenden Rück-
gang erfuhren. Sie erreichten mit 7 sh 6 d den tiefsten Stand
im Monat August. Zu diesem billigen Preise sind einigte La-
dungen nach Europa verkauft worden. Später konnten die Ko-
tierungen sich zwar wieder etwas erholen, doch zeigte der Kon-
tinent keine Kauflust mehr, teils weil einerseits die ungekläi'te
politische Lage, anderemeits der teure G-eldstand die Unterneh-
mungslust beeinträchtigten; teils auch, weil man mit ziemliclier
Bestimmtheit darauf rechnen konnte, daß die späteren Liefe-
rungen, wie so häufig, von geringerer Qualität sein würden.
Hamburger Das Geschäft auf dem Hamburger Markt war im allgemeinen,
mit nui' wenigen Unterbixichmigen, schleppend und bewegte sich
in den engsten Grenzen. Der Markt war, je nachdem .Vngebot oder
Nachfrage vorlagen, fortwälirenden Schwankungen unterworfen,
besonders in der zweiten Hälfte des Jalires. Die Preisschwan-
kungen bewegten sich aber, mit Ausnahme von Siamreis, für
fast sämtliche Provenienzen in engen Grenzen, und die Saison
30. Eeis.
129
verlief fast ganz ohne irgendwelche nennenswerte Erscheinungen.
Die Vorräte am Hamburger Platz waren Ende 1913 wesentlich,
kleiner als zur gleichen Zeit im Vorjahre, und eine etwas leb-
haftere Nachfrage dürfte genügen, um sie bis zum Eintreffen der
neuen Ernte vollständig zu räumen.
Der Reisimport nach dem Kontinent betrug im Jahre 1913:
1 428 974 t gegen 1 318 342 t im Jahre 1912 und 1 312 056 t im
Jahre 1911.
Der Import von Rohreis in Hamburg betrug nach Abzug der
zur Durchfuhr gelangten Quantitäten :
Import nach
dem Kontinent.
Hamburger
Reis-Einfuhr.
1910
3 212 803
1911
3 100 417
1912
3 620 121
1913
3 152 605 Säcke
Wenn in früheren Jahren sich zum Frühjahr hin die Lager-
bestände meistens so ßtark gelichtet hatten, daß man mit Un-
geduld auf die ersten Ankünf te aus der neuen Ernte wartete, so war
das im Berichtsjahre bei weitem nicht der Fall. Die schlechte
Qualität des Jahrganges 1912 und die dennoch verhältnismäßig
sehr hohen Preise hatten nicht nur den Reisverbrauch ziemlich
beeinträchtigt, sondern auch einige Mühlen und manchen Speku-
lanten veranlaßt, relativ gute Partien vom Markte zurückzuhal-
ten, in der Erwartung, daß späterhin noch höhere Preise für ein-
wandfreien weißen Iteis bezahlt werden würden. So kam eins
zum andern: schleppender Konsum und dringender werdendes
Angebot. Die Lagerbestände waren noch nicht verbraucht, als
die ersten Ankünf te [aus der neuen Ernte im Frühjahr 1913
eintrafen.
Die Qualität von diesen beiden Provenienzen war im allge-
meinen recht gut. Nur die späteren Ladungen von Rangoon- wie
von Basseinreis fielen etwas gelber aus. Eangoon Ol - Siebung
sdhwankte im Laufe des Jahres von 13,25 Mk. bis 14 Mk. und
notierte Ende 1913 13,75 Mk. ; bessere, vollere Qualität ca. 1,50
Mark teurer. Basseinreis 00-Siebung wurde im Monat Mai, im
billigsten Moment, zu ca. 14,50 Mk. gehandelt, stieg aber im
weiteren Verlauf des Jahres um ca. 1 Mk. Der heutige Preis
für 000-Siebun^ beträgt ca. 16,25 Mk.
Der neue Patnareis war zwar nicht von so blendender Schön-
heit wie im Jahre zuvor, besonders war das Korn nicht so voll
und so groß, aber dennoch war die Qualität schön zu nennen.
Der Patnareis war recht teuer; für 000-Siebung mußten im
höchsten Moment ca. 22,50 Mk. gefordert werden. Geringere
Siebungen waren dagegen ziemlich vernachlässigt und kosteten
Ende 1913 ca. 18,50 Mk., während in den Sommermonaten bis
19,50 Mk. dafür gefordert werden mußten.
Die Einfuhr von Siampatnareis war im letzten Jahre
recht groß, und die Preise waren, im Einklang mit den stark
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. ' 9
Geschälter
Reis im
Berliner
Großhandel.
Rangoon- und
Bassein-Reis.
Patna- und
Siampatna-
Reis.
130
I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
Moulmaiu- und
Arracan-Reis.
Larong-,
Saigon- und
Japanreis.
Bruchreis.
Javareis und
Garo) inareis.
Aussichten für
die neue Reis-
ernte.
g)6*wiclienen Preisen in Bangkok, im Laufe der Saison einem
starken Rückgang unterworfen. Während zu Beginn der Saison
0-Siebung oa. 17,50 Mk. kostete, ging der Preis später auf
oa. 14,50 Mk. herunter.
Obwohl die Qualität von Moulmain- und Arracan-Reis sehr
gut ausgefallen war, fanden diese beideto Provenienzen am hiesigen
Platze wie gewöhnlich wenig Beachtung. Moulmain-00-Siebung
kostete anfänglich ca. 14,50 Mk., besserte sich später auf zirka
16 Mk., mußte dann aber wieder wegen mangelnder Nachfrage
bis auf ca. 15,25 Mk. zurückgehen. Für 000-Siebung wird am
Schluß des Jahres 16,75 Mk. gefordert.
Larrong-, Saigon- und Japanreis wurden im Berichtsjahre auf
dem hiesigen Platze fast gar nicht gehandelt. Die Nachfrage nach
Bruchreis war im letzten Jahre nicht sehr lebhaft, die Preise
gingen stetig zurück. Während grober Bruchreis auf Lieferung
aus dei' neuen Ernte ca. 14 Mk. erzielte, betrug die Notierung
Ende Dezember nur ca. 12,25 Mk.
Die Qualität des neuen Javareis war einwandfrei schön.
Schon Ende 1912 hatten die holländischen Reismühlen infolge
günstiger Einkäufe ihre Notierungen um zirka 50 Pfg. pro
50 kg ermäßigen können. Diese Preise zeigten im Laufe des
Berichtsjahres wenig Sch'wankungen, und waren sie auch in
den Monaten Mai bis August durch die allgemein rückgängige
Koiijunktur auf dem Reismarkte etwas in Mitleidenschaft ge-
zogen, so konnten sie sich doch' im Laufe der späteren Saison
wieder entsprechend aufbessern. Der Konsum von Javareis War
am Berliner Platze recht gut. Reichlich in demselben Maße,
wie der Verbrauch von Rangoon- und Basseinreis hier ab-
genommen hat, dürfte der Verbrauch von Javareis zugenommen
haben. Man kann daraus ^vohl den Schluß ziehen, daß die
lAnsprüche an die Lebenshaltung auch in den minder wohl-
habenden Schichten der Bevölkerung im Aufsteigen begriffen
sind. Carolinareis konnte zwar 1913 nicht nach Europa
importiert werden, weil die Ernte recht ungünstig gewesen war,
der neue Carolinareis hatte fast durchweg gelbes Korn, viel-
fach war er auch mit Geruch behaftet — , aber die Vorräte aus
der alten Ernte, die sich' die holländischen Mühlen gesidhert und
eingelagert hatten, genügten bis zum Jahresende, um den Ber-
liner Bedarf von dieser edelsten aller Reissorten zu decken.
Wenn man sich ein Bild davon machen will, wie die neue
Ernte sein und wie der Markt 1914 möglicherweise verlaufen
wird, so ist zunächst folgendes zu beachten: Für Japan be-
trägt die Sehätzung zirka 6 667 000 t gegen 6 974 465 t Ergebnis
im vorigen Jahr. Für Slam beträgt die Schätzung* zirka 1000000
Tonnen gegen 1000 000 t Ergebnis im vorigen Jahr. In Saigon
ist eine sehr große Ernte zu erwarten, man schätzt sie auf zirka
30. Reis. 131
1 400 000 t gegen 1 140 000 t im VorjaK'r. Die Reisernto in Vorder-
indiea soll wiederum um zirka 2 000000 t kleiner als im Vor-
jahr ausgefallen sein. Da die vorjährige Ernte um zirka 4000 000
Tonnen kleiner als im Jahre 1912 war, so ergibt sich ein Fehl-
betrag von zirka 6 000 000 t gegen ein normales Jahr. Die Ernte-
Schätzung für Burmah beträgt zirka 2 700 000 t gegen zirka
5 610000 t Sdiatzung und 2 934 000 t effektives Ergebnis im
Vorjahre. Wie aus diesen Schätzungen hervorgeht, dürfte mit
großen Ernten in Saigon, Burmah und Bangkok zu rechnen sein,
hingegen mii. einem beträchtlichen Ausfall in Japan und in Vorder-
indien. Japan hat im letzten Jahre zirka 400 000 t fremden Reis
importiert. Man nimmt an, daß dieses Land 1914 mindestens
700 000 t importieren muß. Ferner darf man nicht unbeachtet
lassen, daß Vorderindien auch im kommenden Jahre wieder zeitr
weilig als großer Käufer an den Märkten des Ostens auftreten
wird; man ist allgemein der Ansicht, daß das Plus der Ernten
in Burmah, Saigon und Bangkok kaum annähernd ausreichen wird,
um den kommenden Bedarf in Vorderindien zu decken. Schon
heute sollen Anzeichen vorliegen, daß die kleinste Nachfrage für
Vorderindien genügt, um die Verschiffer in Burmah zu erregen
und zurückhaltend za machen! Auch sollen tatsächlich schon
•einige Aufträge für Vorderindien in letzter Zeit zur Aus-
führung gebracht sein. Der Kontinent, der sich lange den Offerten
der Verschiffer gegenüber ablehnend verhalten hatte, hat zum
Schluß des Jahres trotz der ungeklärten Lage sich dennoch ent-
schlossen, größere Ankäufe in Bassein- und Eangoon-E,ohreisi vor-
zunehlnen, und zwar zu zirka 7 sh. 9 d. Die bisherigen Ver-
käufe sollen zirka 200 000 t betragen. Es läßt sichj siehr schwer
sagen, ob in den näöhsten Monaten eine aufsteigende Konjunktur
für Reis zu gewärtigen ist, da man die wirtsioh'aftliche De-
pression, die sich überall geltend macht, nicht aus dem Auge
verlieren darf, und es auch heute noch nidht abzusehen ist, wann
•sich eine allgemeine Besserung im Geschäftsleben einstellen wird.
— Wenn man aber alles in Betracht zieht, ,muß man doch
sagen, daß ein Preis vion 7 shj 9 d für Eohreis nicht als zu hodh
angesehen werden kann und daß eine regere Nachfrage von
Japan und von Vorderindien unter allen Umständen ein Anziehen
der Rohreisnotierungen zur Folge haben dürfte. Auf Lieferung
aus neuer Ernte haben einige wenige Umsätze in gieschälter Ware
stattgefunden. Doch waren sie angesichts der äußersten Zurück-
haltung der Käufer erheblich kleiner als in früheren Jahren.
Tab. 61. Deutsche Einfuhr von Rohreis (in Doppelzentnern).
Jahr [I Insgesamt | Dayon aus Britisch-Indien
1911 i 1 531 551 I 1 332 093
1912 I 1004 504 872 578
1913 j 1 634 430 1 543 539
132
I. Pflanzliche Rohprodukte usw. 0. Kolonialwaren,
Südfrüchte.
Apfelsinen.
Citronen.
Tab. 62. Deutschlands Außenhandel mit poliertem Reis (in Doppelzentnern).
Jahr
Einfuhr
Ausfuhr
1911
1912
1913 1
2 659 093
3 188 984
3 141458
2 069 120
1 732 100
1843 346
31. Südfrüchte und Dörrobst.
Ende November 1912 setzte der Handel mit Mnrcia- und
Valencia-Apfelsinen ein. Die Preise waren zu Anfang erheb-
lich niedriger alä im Vorjahre. Auch brachten die reichlichen.
Zufuhren in Hamburg im Monat Dezember einen ziemlich gleich-
mäßigen Markt. Im Januar 1913 zogen die Preise für 714 er um
oa. 2 bis 3 Mk. ,aii, und der Konsum erstreckte sich mehr auf
420 er. Später, als auch die Preise hierfür anzogen, konnte wieder
ein Ausgleich in der Nachfrage beider Sorten hergestellt werden.
420 er large und 1064 er large wurden ebenfalls mehr als sonst
begehrt. Im April nahmen die Preise für 714 er infolge Knappheit,
der kleinen Früchte (wieder eine steigende Richtung ein und
blieben bis zum Schluß der Saison teuer. Im Berichtsjahr machte-
sich wieder größere (Niachfrage in besseren Sorten spanischer
Apfelsinen bemerkbar. Auch über die Haltbarkeit ließ sich
keine Klage führen. iNur feine, ausgewählte Früchte, welche^
an und für sich schon empfindlich sind, zeigten öfter reich-
lichen Verderb. Bei Blut-Orangen bestand wieder bessere Nach-
frage in Murcia und Valencia der verschiedenen Größen. Diese-
waren nicht übermäßig teuer, und es gelangten gute Sorten auf
den Markt. Weniger groß blieb die Nachfrage in besten Messina-
Blut- Orangen (markierte Ware), bei denen sehr oft die Qualität
in keinem Verhältnis zu den dafür geforderten Preisen stand..
Ebenfalls fanden Sanguini (Halbblut) • nicht die Beachtung wie
sonst. In hellen Messina-Apfelsinen war das Geschäft so schlecht
wie selten zuvor, da kaum gute Ware auf den Markt kam.
Hecht ungünstig gestaltete sich der Handel mit Zitronen im
Berichtsjahr. Die Preise blieben von Anfang an stets gleichmäßig
hoch, und der Konsum war nicht annähernd so groß wie sonst.
Wo im Juni und Anfang Juli des Vorjahres gute 300 er und 360 er
Früchte zu 9 bis 12 Mk. zu verkaufen waren, mußten diese im.
Berichtsjahre um die gleiche Zeit mit 15 bis 18 Mk. gehandelt
werden. Die Preise ließen für die Folge zwar etwas nach, aber
das Geschäft blieb schleppend. Im Juli/September, wo fast aus-
schließlich Vertelli-Zitronen auf den Markt gelangen, und mit
denen sonst ein dankbares Geschäft — schon der Haltbarkeit
wegen — zu verzeichnen war, hat es große Verluste gegeben.
Es fehlte die andauernde Hitze, und der Konsum blieb daher sehr
beschränkt. Später, im Oktober, als über die Haltbarkeit nicht,
mehr sehr geklagt werden brauchte, sind die Preise für gute,
klare 300 er so hoch gewesen, daß hier am Platze vorzugsweise
360 er verlangt wurden. Zwar waren diese in klarschaliger, feiner
31. Südfrüchte und Dörrobst. 133
"Ware auch nicht billig, aber es drängte alles, veranlaßt durch
das sohlechte Geschäft, auf geringe Qualitäten hin. Der Handel
mit Malaga-Zitronen, die nie g^ern gekauft werden, bot nichts be-
osonders Erwähnenswertes. Die Preise standen fast auf gleicher
Höhe wie im Vor jähre. Die Zufuhren trafen jedoch 14 Tage
:später als sonst ein. Ebenso spät wie Malaga- trafen die ersten
Siraensa-Zitronen via; Triest hier ein, und zwar erst Anfang No-
vember. Der Grund dafür lag darin, daß niemand infolge des
schlechten Geschäftes zuerst die hohen Preise bewilligen wollte,
lieber Hamburg bezogene Messina-Herbst-Zitronen setzten eben-
falls teurer als sonst ein, doch ließen die Preisie später etwas
nach. Große Zitronen 150 er, 200er und 300 er wurden reichlich
zugeführt ; in 360 er machte sich ein Mangel an Ware bemerkbar.
In Mandeln machte sich schon bei Beginn des JaJires eine Mandeln,
große Knappheit bemerkbar. Die Hoffnung, daß die Preise für
diesen Artikel nach Weihnachten nachgeben würden, erfüllte sich
ebensowenig wie in den Vorjahren. Infolge der hohen Preise
wurde stets nur das Nötigste gekauft, was fortgesetzte Treibereien
zur Folge hatte. Kurante Mandeln waa^en stets nach Ankunft
geräumt. Der Konsum war ungewöhnlich schlecht versorgt und
bewilligte schlank die Aufschläge. Im April traten besonders
in Italien starke Frostschäden und Stüi^me auf, und die Preise für
Mandeln erreichten eine nie gekannte Höhe. Da Italien infolge
der vorauszusehenden Mißernte fast unerschwingliche Forderungen
stellte, trat Spanien als Hauptprovenienz in den Vordergrund.
Provence-Mandeln und nordafrikanische Mandeln waren ebenfalls
stark begehrt. Spanien bot große Auswahl in schönen bruchfreien
süßen und bitteren Qualitäten. Da man allgemein annalim, daß
der Konsum infolge der Hohen Preise nachlassen würde, wurde
seitens des Handels wenig im voraus gekauft, so daß das Mandel-
geschäft im Berichtsjahr trotz der ständig steigenden Preise wenig
Nutzen einbrachte. Als Hauptkonsumenten treten immer mehr
die großen Konfitürenfabriken hervor, während seitens der
früheren hauptsächlichen Verbraucher, der Bäckereien, immer
mehr Mandelersatzstoffe bevorzugt werden.
Die Preise für gew.älilte süße Bari-Mandeln betrugen im
-Jahre 1913 für alte und neue Ernte in Berlin verzollt pro 50 kg
in Ballen brutto für netto im
Ware aus Ernte 1912 Ware aus Ernte 1913
Januar 104 M. — M.
Februar 107 „ — „
März 109 „ — „
April 117 „ — „
Mai 132 „ — „
Juni 134 „ — „
Juli 136 „ — „
August 1 38 „ —
September .... 142 „ —
Oktober 145 „
November .... 148 „
Dezember .... 156 „
134
I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
Sultaninen.
Rosinen.
Die Vorräte in Sultaninen aus der Ernte 1912 waren schoÄ
zu Beginn des Berichtsjahres infolge guten Abzuges sehr gelichtete
Das Geschäft war das ganze Jahr hLuduroh als normal zu be-
zeichnen. Im Juli war die Auswahl namentlich in feineren Sorte»,
gering. E/Cgengüsse hatten nachteiligen Einfluß auf die Qualität
der netien Ernte, besonders in Smyma, so daß im Oktober Offerten
für helle Sultaninen ganz zurückgezogen oder sehr bedeutend
erhöht wurden. Im Dezember erfolgte ein starker Preissturz.
Die Durchschnittspreise stellten ^ich im Jahre 1913 für alte und
neue Ernte in Berlin verzollt pro 50 kg für Kiup Karaburnu SuK
tanas, entstielt und gereinigt, in Kisten:
Kiup Vourla Sultaninen:
Ware aus Ernte 1912 Ware aus Ernte 1918
Januar 65, — M. — M.
Februar 65, — „ —
März 63, — „ —
April 64, — „ —
Mai 62,— \ — „
Juni 60, — „ —
Juli 58,— „ — „
August 57, — „ —
September — „ 53, — „
Oktober — „ 57,— „
November — „ 57, — „
Dezember — „ 50,- — „
Die diesjährige Rosinenemte fiel besser aus als man in Anbe^
tracht der Trockenheit "und der Kriegsfolgen annehmen konnte^
Die Nachfrage nach Eosinen läßt ständig weiter nach. Es werden,
faßt nur noch Suitanas gefragt. Die Preise in Berlin waren
im Jahre 1913 für alte und neue Ernte folgende für 50 kg^
verzollt, Kiup Karaburnu Eleme in Kisten
Kiup Karaburnu Elem^-Rosinen :
Ware aus Ernte 1912 Ware aus Ernte 1913
Januar 48, — M. — M.
Februar 47, — „ —
März 46, — „ —
April 47,— „ — „
Mai 45,— „ —
Juni 43,— „ — l
Juli 42,— „ — ,
Au^st 41, — „ — „
September — „ 43, — „
Oktober — „ 44,— „
November — „ 43, — „
Dezember — ^ 45. — „
Dörrobst Amerikanische Riugäpfel hatten bis in den Sommer hinein
Aepfei. bei verhältnismäßig niedrigen Preisen, 34 bis 40 Mk. pro 50 kg-
frei Berlin, verzollt, starken Absatz. Große Posten wurden dann
in die Kühlhäuser gelegt und fanden bis zur neuen Ernte gute
Verwendung. Die Geschäfte auf Lieferung von neuer Ernte be-
gannen im Mai. Es vnirden etwa 34 Mk. Kost und Fracht Hamburg-
32. Speiseöl.
135
per Oktober/November giezaJilt. Die Käufer hielten sich zunächst
sehr zurück, weil Berichte über große Mengen, die in Eishäusern
lagern sollten, auf den Markt drückten. Zur Zeit der effektiven
Lieferung im November stiegen »die Preise bis auf etwa 42 Mk.,,
der Nachfrage konnte kaum genügt werden. Die Qualität der
neuen Eingäpfel war sehr mittelmäßig.
Kalifornische Birnen 1912 er Ernte wurden Anfang des Be- Bimen.
richtsjahres viel gekauft, doch fehlte es bald an einer hellen Ware,
und die Preise gingen in die Höhe. Die neue Ernte stellte sich als
klein heraus, feine Marken waren schon im November in Kali-
fornien lausverkanft.
Die alten Klagen liber die mangelhafte Dörrung der serbischen Pflaumen.
Pflaumen, soweit diese in Säcken zum Versand kamen, wurden
wieder f a^t bei jeder Lieferung laut. Alle Vorstellungen bei Be-
hörden und Privaten blieben fruchtlos; die serbische Qualitäts-
kontrolle versagte vollständig. Unter diesen Umständen machte
das Pflaumengeschäft keine Freude, und es wurde erwogen, ob
man nicht künftig auf den Bezug serbischer Saokpflaumen ganz
verzichten wolle. Bosnien liefert bessere Ware, namentlich waren
die doppelt etüvierten und entsteinten Pflaumen in Kisten-
packUngen von recht guter Beschaffenheit. Die Preise waren
weichend, nur großstückige Frucht wurde fester gehalten. Von
Frankreich wurde der hohen Forderungen wegen im Berichtsjahre
nichts bezogen, dagegen wurde kalifornische Ware 1912 er Ernte
bis in den Herbst hinein regelmäßig gehandelt. Die neuen kali-
fornischen Pflaumen wurden erst Ende des Berichtsjahres erwartet.
Die Ernte war klein, und die Preise auf Lieferung namentlich
von großer Ware zogen stetig an. Neben Santa-Clara-Pflaumen
wurden neuerdings Oregon^Pflaumen italienischer Abstammung
bezogen. Diese Pflaumen sind groß, schmecken etwas säuerlich
und haben viele Liebhaber gefunden ; ihre Haltbarkeit läßt aber
zu wünschen übrig'. Die Preise sind etwaß niedriger als die der
echten kalifornischen Pflaumen.
Kalifornien hatte im Berichtsjahre eine Mißernte, die Qualität Aprikosen,
war im ganzen befriedigend, nur fehlte esi an ganz feiner fancy
und extra fancy Ware. Die Preise waren so hoch, ca. 68 bis 80 Mk.
pro 50 kg, verzollt frei Berlin, daß sich der Konsum sehr
zurückhielt.
Ebenso war es mit Prünellen, die sich auf ca. 68 Mk. per PrüneUen.
50 kg, verzollt frei Berlin, stellten und deren Beschaffenheit üud
Haltbarkeit recht gering war.
32. SpeiseöL
Die Olivenernte ergab in den Mittelmeerländem ein befrie-
digendes Eesultat, sowohl was Menge, als auch was die Qualität
der Oliven anbelangte. Es wurden für Berlin hauptsächlich die
feineren Olivenspeisieöjle dier Hiviera ^kauft, daneben auch mitt-
Olivenspeiseö
(Provenceöl).
136
I. Pflanzliche Rohprodukte usw. C. Kolonialwaren.
lere Qualitäten aus Bari. Der Preis für feinstes extra Viergie-
Olivenspeiseöl schwankte zwischen 73 Mk. und 76 Mk. pro 50 kg,
ab italienischer Station; mittlere Qualitäten notierten zwischen
63 Mk. und 66 Mk. pro 50 kg. Die neue Ernte veö-spricht ein
gutes Resultat, und man erwartet etwas niedrigere Preise. Das
Geschäft verlief im Berichtsjahre ziemlich normal. Die feinsten
Qualitäten behaupteten ihre Geltung.
ErdußnöL Erdnußöl erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit und gilt
mehr und mehr als vollwertiger Ersatz für Olivenöl, dem gegen-
über es außerdem den Vorzug erheblich größerer Billigkeit hat.
Spezialfirmen haben seit geraumer Zeit wesentlich dazu bei-
getragen, deutsches Erdnußöl in weiten Kreisen bekannt zu machen
und dadurch mittelbar unseren Kolonien genützt, wo Erdnüsse in
großem Umfange angebaut werden.
Sesamöi. Scsamöl, ebenfalls ein hochfeines Speiseöl, findet mehr in Süd-
deutschland Beachtung. Für den großen Konsum werden jetzt
vielfach Mischöle an den Markt gebracht Unter den verschiedensten
Bezeichnungen und von oft zweifelhafter Güte. Dadurch wird
das Geschäft in ^uten Qualitäten oft empfindlich geschädigt,
da Käufer leicht geneigt sind, in erster Linie billig zu kaufen,
selbst wenn die Ware auch gering ist.
In den verarbeitenden Industrien war der Verbrauch an Speise-
ölen schwächer als im Vorjahre, da die Butter- und Schmalzpreise
niedrig waren, wodurch der Bedarf nicht die vorjährige Höhe
erreichen konnte.
33. Gewürzhandel.
Allgemeines. In fast allen Gewürzen zeigte das Jahr 1913 einen ruhigen
Handel ; die Preise (der meisten Artikel bröckelten ab, die Speku-
lation hielt sich diesem Grebiete vollständig fern, und es fand
nur ein Bedarfs geschäft statt.
Pfeffer. Die Vorräte an Pfeffer sind immer noch groß, besiondors
hat Havre einen bedeutenden Vorrat von ca. 10 000 t, auch (Lon-
don hat großes Lager. Hierdurch wurde verhindert, daß sich
der Artikel aufbessern konnte. Bei jeder Anregung, welche die
Pfeffemotierungen von Indien brachten, trat sofort das Angebot
der europäischen Terminbörsen dringend hervor, so daß eine
Besserung der Preise stets im Keime erstickt wurde. Dabei waren
die Ernten in Indien kleiner als in früheren Jahren, und die
Tendenz an den Exporthäfen blieb durchaus fest. Die Preise
für schwarzen Singapore-Pfeffer setzten zu Anfang des Jahres
mit 52 Mk. pro 50 kg cif Hamburg ein und ermäßigten sich
bei schleppendem Geschäft nach und nach bis ai;f 47 Mk. Die
Abladungen von Indien zeigten meist zufriedenstellende Qualität,
ab und zu wurde über dumpfige Ware Klage geführt. Weißer
Singapore-Pfeffer ließ oft in Qualität zu wünschen übrig, die
33. Gewürzhandel.
137
Abladungen von Indien haben sieh von Jahr zu Jahr verschlech-
tert; weißer Singapore-Pfeffer ist recht iinb-eliebt geworden. Die
Preise schwankten zwischen 81 und 78 Mk. pro 50 kg cif Ham-
burg. Die Qualität des weißen Java-(Muntok-)Pfeffers fiel im
allgemeinen g-ut aus imd die AVare wurde gern gekauft. Zeit-
weise machte sich Mangel an greifbarer "Ware geltend; besonders
in den Herbstmonaten wurde ein ziemliches Aufgeld für sofort
lieferbaren Mujitok-Pfeffer bezahlt. Die Preise notierten von
85 Mk. bis 89 Mk. pro 50 kg cif Hamburg. Die übrigen; Pf effer-
sorten, wie schwarzer Lampong-Pfeffer, weißer ^iam- und weißer
Penang-Pfeffer kamen für den Berliner Markt weniger in Be-
tracht, die Preise dieser Qualitäten, folgten den Notierungen der
Hauptsorten.
Zanzibar-Nelken setzten Anfang des Jahres 1913 hoch ein
und notierten ungefähr 95 Mk. pro 50 kg cif Hamburg. Dieser
Preis h,ielt sich bis in die Sommermonate, dann kamen Nach-
richten von Zanzibar über eine ungewöhnlich große Ernte und
die Preise 'gingen langsam zurück. Als sich im Herbst heraus-
stellte, daß die Ernte ca. 175 000 Ballen betragen würde, gegen
30 000 Ballen im Jahre 1912, fielen die Preise für Nelken weiter
rapide und erreichten im November den niedrigsten Stand von
55 Mk. pro 50 kg cif Hamburg. Bei dieser außerordentlich billigen
Notiz zeigte sich von allen Seiten starke Kauflust, so daß die
Preise im Dezeniber auf 59 Mk. steigen koointen. Die Qualität
der Zanzibar-Neiken war gut, und der billige Preis dürfte den
Konsum aufbessern. Nach einer großen Ernte ist mit ziemlicher
Sicherheit für 1914 auf ein kleineres Erträgnis zu rechnen, weil
die Bäume erschöpft sind und wenig Blütenansätze zeigen sollen.
Die Preise für Jamaika-Piment hielten sich das ganze Be-
richtsjahr hindurch auf der niedrigen Preisbasis von ca. ,18 Mk.
pro 50 "kg cif Hamburg. Der Konsum dieses G-ewürzeS geht
anscheinend zurück. Der außerordentlich billige Preis dürfte kaum
die Kultur auf Jamaika noch lohnen lassen. Die Qualität der
Jamaika-Abladungen ließ viel zu wünschen übrig und gab zu
vielfachen Bemängelungen Anlaß. Die Plantagenbesitzer geben
sich hex den unlohnenden Preisen anscheinend wenig M.ühe, eine
einwandfreie Qualität für den Export fertigzustellen.
Die Preise für Cassia lignea blieben im Jahre 1913 ziem-
lich unverändert und bewegten sich zwischen 30 Mk. und 32 Mk.
pro 50 kg cif Hamburg.
Das Geschäft in Kaneel war schleppend, die Preise gingen
zurück, es wurde nur für den nötigsten Bedarf gekauft, ziumal
die Preisbasis immer noch hoch ist. Amerika, namentlich Mexiko,
haben dieses Jahr wenig Kaneel von Ceylon importiert.
Die Ernte in Ingwer fiel gut aus, und die Preise ^wurden
nichtig. Feiner geschälter Kochin-Ingwer, Sortiment B, notierte
von 64 — 44 Mk. pro 50 kg cif Hamburg.
Weißer Java-
(Muntok)-
Pfeffer
Nelken.
Piment.
Cassia lign
Kaneel.
Ingwer.
138
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Macisnüsse. Macisnüsse verharrten auf einer niedrigen Preisbasis. Gegen
Ende des Jahres konnten die Preise etwas aliziehen, weil in
Lf^msterdam ein Terminmarkt für dieses Gewürz eingerichtet
wurde und Käufer reichlich vorhanden waren. Macis blute hatte
omten Konsum bei ziemlich hohen stabilen Preisen.
o
Kardamom. Das Ernteergebnis in Kardamom war größer, als erwartet
wurde, und die Preise mußten sich einen starken Rückgang ge-
fallen lassen. Ceylon Kardamom notierte noch im Januar 500 Mk.
pro 50 kg cif Hamburg, um dann bis 425 Mk'. zurückzugehen.
Einwirkung der
Ernteverhält-
nisse auf die
Viehhaltung.
II. Tierische Rohproduicte und Fabriicate.
34. Vieh.
Wie im vorigen Jahnesbeirieht dargetan Wurde, stand die
Versorgung decr Bevölkerung mit Schlachtvieh und Fleisch im!
Jahre 1912 noch Unter der Nachwirkung der äußerst ungüttstigec
Futtermittel ernte des Jahres 1911. Auch im Jahre 1913 machte
sich diese Nachwirkung trotz der guten Ernte des Jahres 1912
und der ebenfalls guten Ernte des Jahres 1913 noeh mehr
bemerkbar, als man hätte annehmen sollen. Die Ernte hatte
gebracht :
Tab. 63.
Ernteerträge an Futtermitteln (in
Tonnen).
Jahr
Sommergerste
Kartoffeln
i
Wiesenheu
1910
1911
1912
2 902 938
3 159 915
3 481974
43 468 395
34 374 225
50 209 466
28 250115
19 975 324
27 681 860
Stand den Viehzüchtern und Mastern hiemach vom Herbst
1912 an eine bedeutende Futtermienge zur Verfügung, so ge^
nügte sie doch nicht, die verminderten Bestände an Bindern,
Kjälbern und Schafen zu ergänzen und zugleich die nötige
iMenge Schlachtvieh für den Fleischkonsum zu liefern. Um
diesen einigermaßen zu befriedigen, wurden die Rinder viel-
mehr unter dem Einfluß hoher Verkaufspreise vielfach in un-
reifem Zustande zum' Schlachten verkauft und dafür wieder
Kälber zrur Aufzucht aufgestellt.
Am ehesten hätte erwaxtet werden können, daß sioli die
Schweinezucht, gestützt auf die reiche 1912er Ernte an Gerste
und Kartoffeln, auf ihre frühere Höhe erheben würde, und
man hat wohl ziemlich' sicher gehofft, daß dies schon im
Frühjahr 1913 eintreten Und das' fehlende Fleisch der anderen
Tierarten in ausreichendem Maße durch \Schweinefleisch' ersetzt
werden wiirde. Aber auch diese Hoffnung ging nur zu einem
sehr geringen Teile in Erfüllung, indem zwar im zweiten Viertel-
34. Vieh.
139
jalire lein etwas reiöhliclheres Angebot 'an Soh weinen erfolgt©,
das auch von einem merkbaren Preisnachlaß begleitet war; aber
bereits mit Beginn des dritten 'Vierteljahres verminderte sich
das Angebot wieder 'unter Steigerung der Preise.
Eine Erklärung für (diese iatiffallende Erscheinung dürfte
in der verminderten Einfuhr ausländischer Gerste zu finden sein,
die lauf die Schweinehaltung des Deutschen Reiches einen so
erheblichen Einfluß gewonnen hat tmid deren verminderte Ein-
fuhr den einheimischen Gertstenpreis bis zur Jahresmitte sehr
hoch hielt. Recht ungünstig haben auf die Schweinezucht auch
die weitverbreiteten und sich im Laufe des Berichtsjahres' immer
mehr ;ausdehnenden ansteckenden Sohweinekrankheiten gewirkt,
die in nicht wenigen landwirtschaftlichen Gehöften zur gänz-
lichen Einstellung der Ferkelzucht und der Schweinemast gCn
führt haben dürfte, weil sie sich unter diesen Verhiältnissen
als unrentabel erwiesen.
Im Deutßichen B;eichie betrug der Viehbestand:
Tab. 64.
Viehbestand des Deutschen Kelches
Jahr
Rindvieh |
Schafe 1
Schweine
1904
1907
1912
19 331 568 i
20 630 544 i
20 158 738 1
7 907 173
7 703 710
5 787 848
18 920 666
22 146 532
21 885 073
in Preußen, in dem alljiährlidh eine Viehzählung stattfindet
Tab. 65. Viehbestand Preußens.
Jahr
Rindvieh |
Schafe
Schweine
1908
12 089 072
5 260 238
13 422 373
1909
11763161
4 975 632
14162 367
1910
11 592 521 !
4 632 069
16 491559
1911
11688 234 i
4 372 489
17 244 855
1912
11 856 106 i
4 107 377
15 452 951
Dia die Bevölkerung des' Reiches in den letzten 10 Jahren
jährlich um rund 1,4 o/o und die des preußischen Staates um
1,5 o/o zugenommen hat, &o geht aus den vorstehenden Zahlen
hervor, daß die Entwidkltuig der Viehzucht mit der der Be-
völkerung niöht mitgekommen, sondern erheblich hinter ihr
zurückgeblieben ist. Denn, übertrifft die Zunahme der Schweine-
zucht laudli ©twaß die Zunahme der Bevölkerun,g, so ist die der
Rinder- und Sdhafztucht doch so jsehr zurückgeblieben, daß ein
Ausgleich nicht stattfindet. Hinsichtlich des' Jiindviehes i;st
das um &o bedauerlicher, lals ©9 nicht nur Fleisch, sondern auch
Ihochwertige Molkereiprodukte, Felle usw. liefert. Immerhin
dürfte angesichts der befriedigenden Weltgetreidoemte ;und der
gleichfalls befriedigenden einheimischen Ernte des Berichtsjahres
zu Beginn des Jahres 1914 ein Mehrangebot von Vieh, besonders)
von Schweinen, und ein Nachlassen der Preise zu erwarten sein.
Viehstatistik.
140
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Viehseuchen.
Preis-
feststellungs-
lind
Fütteruiigs-
ordnung.
Zufuhr zumBer-
liner Schlacht-
viehmarkt.
Ausfuhr
nach anderen
Märkten.
Viehpreise.
Außer den Schweineseuchen haben andere Viehseuchen nicht
störend auf den Viehhandel eingewirkt, so daß sich eine ver-
mehrte Vieheinfuhr aus dem Auslande, aus Dänemark, Schweden,
Oesterreich, Holland und der Schweiz entwickeln konnte. Ueber
den hiesigen Markt wurde w|ährend der Berichtszeit keine
veterinärpolizeiliche Ausfuhrsperre verhängt.
Als das Gesetz vom 8. Febr. 1909 und die auf Grund des-
selben erlassene Preisfeststellxmgsordnujig beim Markthandel mit
Schlachtvieh für den hiesigen Viehhof am 1. Juni 1909 in Krafl
trat, war der HaupteiQwand der Fleischer gegen den dadurch
eingeführten teilweisen Wiegezwang für die lebenden Tiere der,
daß dieser den Handel nach Lebendgewicht begünstigen, den nach
Stück allmählich verdrängen und damit die Fleischer infolge
der einsetzenden übermäßigen Fütterung des Handelsviehes benach-
teiligen werde. Die Befürchtungen der Fleischer sind denn auch
im Laufe von drei bis vier Jahren nach und nach, eingetreten.
Während früher Rinder und Schafe auf dem Viehhofe nur aus-
nahmsweise eine mäßige Beigabe von Kraftfutter erhielten und
hauptsächlich mit Heu und Wasser versorgt wurden, gingen
die Verkäufer mit der Zunahme des Verkaufs nach Lebend-
gewicht immer mehr dazu über, das Kraftfutter (Gerstenschrot
und Kleie) als Hauptfutter zu verabreichen, weil es auf längere
Zeit das Lebendgewicht der Tiere erhöhte als das Rauhfutter.
Dazu kam noch, daß das Kraftfutter, trocken verabreicht,
größeren Durst erzeugte, der aber durch Verabreichung von
Wasser möglichst erst vor Marktbeginn ausreichend gestillt wurde.
Schließlich wurde die Sache durch Erlaß neuer Fütterungsbe-
stimmungen vom 4. März d. J. in geordnet© Bahnen zu leiten ver-
sucht. Diese Bestimmungen erwiesen sich aber nicht als aus-
reichend für den beabsichtigten Zweck, und es folgte unter dem
21. Juli 1913 eine neue Fütterungsordnung, die sich jedoch eben-
falls nicht als ausreichend erwies, die übermäßige Verabreichung
von Kraftfutter an Binder und Schafe zu verhindern. Im Gegen-
teil wurde sie so weit getrieben, daß nicht selten Tiere -an Ver-
dauungsstörungen erkrankten oder sogar eingingen. Die weitere
Folge war der Erlaß einer dritten Fütterungsoirdaung, welche am
14. Nov. 1913 erschien.
Die Zufuhren zum Berliner Schlachtviehmarkte waren um
8648 Binder, 95 632 Schweine, 11796 Kälber und 4594 Schafe
geringer als im Jahre 1912.
Die Ausfuhr lebender Tiere nach anderen Orten betrug-
7473 Binder, 13 088 Schweine, 1603 Kälber und 17 592 Schweine
mehr als ün Jahre 1912.
Die seit länger als einem Jahrzehnt mehr oder weniger ge-
stiegenen Viehpreise erreichten mit Ausnahme der Schweine
bester Qualität den höchsten bisher gekannten Stand. Die Preis-
34. Vieh.
141
erhöhnjigen betrugen gegenüber dem JaJire 1912 für 50 kg
Schlachtgewiclit :
ür
Rinder bester Qualität .
. . 0,14
geringer „
Schweine „ „
Kälber bester „
. . 3,63
. . 2,30
. . . 6,33
n
„ geringer „
Lämmer bester „
Schafe
. . 8,07
. . 5,26
. . 6,82
geringer
. . . 7,12
Mk.
Die 1912 eingetretene Vieh- und Fleischteuerung ging im
laufenden Jahre also nicht zurück, sondern stieg sogar noch. Eine
Preisermäßigung trat nur für Schweine bester Qualität, und zwar
um 1,18 Mk., ein.
Der Stadt Berlia ist auch im Berichtsjahre die ministerielle
Genehmigung zur Fleischeinfuhr aus Rußland bis zum 1. Ja-
nuar 1914 erteilt worden. Es beteiligten sich am Bezüge wieder
mehrere Vorortgemeinden, doch war der Erfolg nicht so grtoß
wie im Vorjahre, weil infolge Konjunkturrückganges in der
Industrie wenig Kauflust für russisches Fleisch vorhanden und
auch die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung stark ge-
sunken war.
üeber den Auftrieb von Schlachtvieh auf dem Berliner Markt,
die Schlachtungen im hiesigen Schlachthof, die Ausfuhr lebenden
Viehes und die Preisbewegungen geben die folgenden Tabellen
näheren Aufschluß.
Einfuhr.
Tab. 66.
Auftrieb
von Schlachtvieh
am Berliner Markt.
i
1909
1910
1911
1912
1913
I. 1 IL i m. 1 IV.
Vierteljahr ^^•
Rinder .
Schweine
Kälber .
Schafe .
262 516
1 285 054
211610
632 758
240 071
1333 910
197 828
628 951
222 992
1 485 ^06
196 428
551413
201 624
1 500 484
183 129
570 510
58 712
342 608
44 815
136 833
55 593
367 530
51038
148 976
37 700
328 882
39 336
170 235
40 971
365 832
36 144
109 872
192 976
1 404 852
171 333
565 916
Tab. 67.
Schlachtungen im Berliner Schlachthof.
1909
1910
1911
1912
1913
II. I m.
Vierteljahr
IV.
Zus.
Rinder
Schweine
Kälber
Schafe .
158 184
1 088 954
173 026
516 867
148 463 138 286
1 150 720 1 302 683
163 121 159 398
525 076 508 446
114 064 26 382
1 286 8521 284 545
145 752| 33 329
499 323 119 271
23 934
308 182
38 077
118 320
22 437
277 020
30 624
137 986
25 190
308 385
30 323
101 560
97 943
1 178 132
132 353
477 137
Tab. 68.
Ausfuh
r lebend
en Schlachtviehs
vom Berliner Markt.
1909
1910 1911
1912
in die
Umgegend
Berlins
1913
indieübrige
Provinz
Brandenbg.
darüber
hinaus
Zus.
Rinder . . .
Schweine . .
Kälber . . .
Schafe . . .
104 332
196 100
38 584
115 891
91608
183 190
34 707
103 875
84 706
183 223
37 030
42 967
87 560
213 632
37 377
71 187
52 275
105 691
18 957
12 748
4 879
101 930
8 061
29 272
37 879
19 099
11962
46 759
95 033
226 720
38 980
88 779
142
n. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Tab. 69. Preisbewegung am Berliner Viehmarkt.
(Preise in Mark für 100 Pfund Schlachtgewicht, bei Schweinen für 100 Pfund Lebendgewicht mit 20 o/o Tara.)
Rinder
Schweine
Kälber
Hammel
Lämmer
1912 1 1913
1912 i 1913
1912 1 1913
1912 1 1913 1
1912 1 191S
Durchschnittspreis
«i
.»j
.»»•
*i
^
^
-*i
*{
*5
*i
00
^
^
1
1
'S
1
1
1
•i
1
X!
A
^
A
A
!a
A
^
A A
a
.a
A
Januar . . .
87.50
90.50169.-
61.22 82.75 75.25
112.—
120.38
73.50
72.80
84.86
65.14
80.80
94.5
Februar
86.—
89.7569.—
63.— 80.13 72.38
104.—
116.25
75.88
71.—
85.67
71.—
82.—
95.3
März .
88.40
89.-i67.80
69.44!78.33|70.22
109.78
118.67 76.44
74.—
88.29
73.14
83.33
98.-
April .
88.75
89.5067.—
73.50
71.5663.67
115.75
119.11 65.—
78.17
88.—
73.20
88.67
98.-
Mai .
89.75
89.8065.40
72.11
68.8962.56
113.56
120.89 78.44
83.—
88.—
76.—
92.—
96.8
Juni .
92.—
91.7567.75
71.78
68.3861.88
105.—
110.88170.75
88.—
91.14
75.29
98.29
97.7
Juli .
!94.-
92.5069.75
175.56
76.33169.44
103.33;110.22
78.—
85.50
86.75
61.88
99.—
96.5
August
195.—
92.60l66.40
183.89
77.89i71.89
111.331113.67
81.67
84.86
86.33
65.—
97.14
97.-
September
93.7593.50168.—
185.88
75.75
69.33
112.75 114.63
80.63
87.—
87.—
69.—
98.67
96.-
Oktober .
91.25 91.75168.—
185.22
75.22
69.—
113.56120.11
83.67
80.67
90 67
64.67
92.40
98.3
November
93.80j92.20 68.40
85.89i73.—
66.—
116 33 122.44
76.33
86.—
91.-
68.20
96.—
99.6
Dezember
92.50191.50 66.—
84.13J69.25
6175
119.13:125.13
78.38
83.67
88.80
68.20
93.33
96.8
Jahres-
durchschnitt
91.0691.20
67.71
75.97
74.79
67.78
1
111.37117.70
76.56
81.22
88.04 69.23
91.80
97.0
1911. . . .
84.17'
58.91
105.55i
74.—
82 85
1910. . . .
82.78i
68.04
107.19
77.31
83.10
1909
• •
• •
76.78
69.84
94.74
72.05
76.36
35. Wild und Geflügel.
Die Wildzufiihren des Jahres 1913 liaben diejenigen des Vor-
jahres bei weitem übertroffen, dementsprechend sind auch die
Preise ^urüokgegangen. Trotzdem: ist der E-ückgang* der Preise
aber nicht so bedeutend, als man es hätte eigentlich hiemach
und in Anbetracht der sinkenden Fleischpreise erwarten siollen.
So betraf der Rückgang der Preise bei Hasen z. B. nur 16 Pfg.,
Tab. 70.
Monatliche Durchschnittspreise von Wild und Geflügel
Reh-
wüd
Rot-
wild
Dam-
wild
Wild-
schwei-
ne
Frisch-
linge
Hasen
Ka-
ninchen
Alte
Reb-
hühner
Junge
Reb-
hühner
Pfd.
Pfd.
Pfd.
Pfd.
Pfd.
Stück
Stück
stück
stück
Januar .
73
56
56
48
68
421
109
_
_
Februar
—
58
59
48
62
447
107
—
—
März .
82
64
63
53
65
448
110
—
—
April .
73
66
68
59
64
—
90
—
—
Mai. .
77
65
64
46
54
—
77
—
Juni .
74
60
61
41
—
—
68
—
Juli. .
81
66
68
50
58
—
81
—
—
August
69
57
56
48
—
—
79
90
132
September
86
54
60
49
—
—
86
91
133
Oktober .
88
48
58
49
58
380
86
89
127
November
66
49
58
44
58
377
83
80
110
Dezember
73
45
46
43
56
369
88
67
108
Jahresmittel
1913 . . .
77
57
60
48
60
407
89
83
122
gegen 1
?12
— 7
— 3
— 2
— 5
— 3
— 16
— 2
— 13
—
35. Wild.
J43
trotzdem die Felle im vorigen Jahre tun durchsclinittlicli: 80 Pfg.
höher bewertet wurden. Hochwild und Wildschweine sind durch-
schnittlich im Preise um 4 Pfg. pro Pfund zurückgegangen.
Ziemlich bedeutend ist der Rückgang bei den Fasanenhähnen,
die 21 Pf'g. im Preise nachließen, was darauf zurückzuführen
ist, daß im Berichtsjahre die Qualitä^t der Fasanen durchWeg
igeringer war. Die Tiere müssen sämtlich unter Nahrungsmangel
gelitten haben. Rebhühner wurden um 13 Pfg. niedriger bewertet.
Im zahmen Geflügel wiesen lebende Enten eine Preissteigerung
von 15 Pfg. auf, während die geschlachteten Enten um 33 Pfg.
geringer bewertet wurden. Lebende sowohl wie geschlachtete
Hühner haben um ca. 7 Pfg. im Preise nachgelassen.
Qnter Tabelle 70 geben wir die Durchschnittspreise, die in
den einzelnen Monaten in dem Jahre 1913 erreicht wurden, an.
Einem anderen Berichte entnehmen wir folgende ergänzende
Ausführungen :
Im Januar und Februar 1913 wurden die im Dezember 1912
eingelagerten "Wildbestände zu guten Preisen sehr bald geräumt.
Sehr groß war im Berichtsjahre die Zufuhr in russischen Hasel-
hühnern. Die Tiere waren infolge des milden Winters ^'ziemlich' feist
und wurden im Großhandel pro Stück mit 1,10 — 1,20 Mk. gehandelt.
Schneewild und Birkwild kam weniger reichlich auf den Markt.
Im Mai begannen die Zuf^ihren in Rehwild, die in diesem Jahre
besonders reichlich ausfielen. Der Durchschnitt^reis betrug
0,65 ^k. pro V2 kg. Im Juli, August und September erzielten
die wenigen Stücke Rotwild recht gute Preise. Der Durch-
schnittspreis w^ar wieder 0,45 — 0,60 Mk. pro V2 kg. Die Zufuhr
in Rebhühnern war in diesem Jahre reichlicher als im Jahre 1912.
Es wurden junge Hühner mit 1,10 — 1,20 Mk., alte mit 0,80 bis
0,90 Mk. im Großhandel bezahlt. Die Fasanenzufuh'r war geringer
als im Jahre 1912, die Preise waren infolgedessen auch höher.
im Jahre 1913 in Berlin (in Pf. für ein Pfund oder Stück).
Fa-
/\ Geschl.
QeschL
Geschl.
Geschl.
Leb.
Leb.
Leb.
Rasse-
sanen-
hähne
sanen-
hennen
Hühner
Enten
Gänse
Puten
alte
Hühner
junge
Hühner
Enten
geflügel
dt. Zucht
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
Stück
273
171
238
300
64
81
213
112
207
380
304
195
218
300
97
90
205
123
230
364
313
200
228
300
—
84
239
147
300
400
266
225
211
295
98
65
233
110
212
393
200
225
212
303
90
70
213
83
175
368
270
274
71
—
190"
81
190
312
194
222
63
—
195
78
179
—
—
—
250
214
66
—
216
102
173
340
316
220
234
247
65
—
222
118
175
295
245
156
222
290
68
_
218
121
205
440
235
151
211
308
68
—
213
125
216
490
292
169
213
290
69
83
207
138
388
—
272
190
223
279
74
79
214
113
221
378
— 21
— 10
— 6
— 33
— 1
0
-7
+ 2
+ 15
— 60
144 n. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Besonders im Dezember fin^n Fasanen an, knapp zu werden.
Junge Hähne wurden im Großhandel mit 2,50—2,75 Mk., alte
mit 2—2,25 Mk., Hennen mit 1,60—2 Mk. bezahlt. Die Hasen-
preise erreichten im Berichtsjahre nicht die Höhe wie 1912.
Schuld daran waren nicht die reichlichen großen Zufuhren,
sondern die niedrigen Preise für Hasenfelle. Der Fellpreis be-
trug im Jahre 1912 1,25 Mk., 1913 nur 0,50 Mk. pro Stück.
Zum Schluß des Jahres 1913 blieben nur geringe Bestände Wild
und Wildgeflügel im Kühlhaus lagern. Der Wildhandei kann, mit
dem Jahre 1913 zufrieden sein.
Die Herstellung von Gänseartikeln setzte 1913 erst
später als sonst ein. Während in normalen Jahren die
Einfuhr der Gänse Anfang August beginnt, war dies im
Jahre 1913 erst Ende August der Fall, und die Einfuhr
dehnte sich bis Ende September aus. Dies war für den
Fabrikanten äußerst peinlich, da in der ersten Zeit jeder nach
Ware drängt. Die Preise setzten gleich hoch ein, da die
Nachfrage ziemlich rege war. Dieser Zustand hielt auch
während der ganzen Saison an. Die Abschlußpreise gingen
Ende November um 5 Pfg. zurück. Vorrat an Fabrikaten
war überhaupt nicht vorhanden, es wurde alles sofort versandt.
Die Vorräte an Brüsten waren bald vergriffen, so daß die
Saison schon vor Weihnachten zu Ende ging. Die Preise für
igepökelte imd geräucherte Gänseartikel betrugen ab Pommern
je nach Qualität: für Gänsebrüste ohne Knochen 1,85 — 2,05 Mk.
per 1/2 kg, füx Gänsebrüste mit Knochen 1,80 — 2 Mk. per 1/2 kg,
für Gänsefett 1 — 1,20 Mk. per V2 kg und für GänsepökelfleLseh
0,75—0,80 Mk. per 1/2 kg.
36. Milchhandel.
Das Jahr 1913 brachte dem Milchhandel wieder ein sehr
schleohtAs Geschäft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse legten den
Konsumenten äußerste Einschränkung auf, so daß selbst einis
der notwendigsten Nahrungsöiittel — Milch — darunter zu leiden
hatte. Die Witterungsverhältnisse waren laußerdem für den Ver-
kauf recht ungünstig, so daß ein sehr starker Konsumrückgang
zu bemerken war. Milch war bis September mehr als genügend
am Markt; kurz vor dem 1. Okt., zu welcher Zeit sonst die
isogenannte „Herbstknappheit" einsetzt, bestand diesmal eine
regelrechte Milohschwemme. Einen Einfluß auf den Einkaufs-
preis konnte dieser Milchüberfluß nicht mehr ausüben, da die
Verträge, welche in den tmeisten Fällen von Oktober zu Oktober
abgeschlossen werden, bereits verlängert waren, 'und zwar zu
denselben Preisen, teilweise zu noch etwas höheren, weil ein
so großer Milchüberfluß nicht vorauszusehen war. Die Schleuder-
konkurrenz macht sich deshalb mehr als je bemerkbar und findet
beim Publikum, welches infolge der schlechten wirtschaftlichen
37. Butter. 145
Verhältnisse nicht immer auf gute Ware, sondern liauptsiäolilich
auf Billigkeit sein Augenmerk richtet, üeider Anklang. Die«
ist um s'o unverständlicher, weil bei einem so wichtigen Nahrungs-
mittel, wie die Milch, nur das Beste gut genug sein sollte. Da
die Aussichten auf Besserung der wirtschaftliclien Verhältnisse
für die nächste Zeit nur ©ehr gering sind, geht der Milchhandel
keiner günstigen Zukunft entgegen.
37. B U 1 1 e r. Aügemeine
Uebersicht
Der Butterhandel war im Jahre 1913 besonders schwierig Qualitäten,
infolge der vielen abfallenden und abschmecJkenden Qualitäten,
die dem Berliner Maa^kt zugeführt wurden. Dies war nicht nur
in denjenigen Monaten der Fall, in denen infolge des Futter-
wechsels stets die Qualitäten zu wünschen übrig lassen, siondem,
vom Anfang bis zum Schluß des Jahres konnte ein bedeutender
Teil der inländischen Prodiiktion nicht als la Qualität bezeichnet
werden. Das Ausland, in der Hauptsache Dänemark und Holland,
zeigte, wie immer, für idie Butterproduktion ein ganz besonderes
Interesse und ist immer mehr bestrebt, dem hiesigen Markte eine
Ware zuzuführen, die stets als erstklassig bezeichnet werden kann.
An die deutschen Molkereien mußte sehr oft die Mahnung ge-
richtet werden, für ein besseres Produkt Sorge zu tragen, aber
die meisten inländischen Molkereien haben in der Qualität nicht
das erreicht, was das Ausland geliefert hat. Die Fütterung muß
bei vielen deutschen Molkereien ungleichmäßig und schlecht sein,
denn sonst hätte unmöglich so viel ölige und sauere Butter dem
Markte zugeführt werden können, wie es der Fall gewesen ist.
Auch bezüglich des Wassergehaltes der Butter paßt sich das Aus-
land mehr den gesetzlichen Vorschriften an. Dem hiesigen Markte
wurde von deutschen Molkereien vielfach Butter mit über 16 o/o
Wasser geliefert. Selbst auf die Verpackung legt das Ausland
größeren Wert und trägt dem Wunsche der Konsumenten mehr
Rechnung. W^ünschen die inländischen Molkereien ihr Produkt
nicht als Butter zweiter Klasse bewertet zu sehen, so müssen die
fast überall bestehenden Fütterungsvorschriften mit aller Strenge
durchgeführt werden. Zum Bezüge von feinster Butter mußte
das Ausland mehr herangezogen werden, als angesichts der großen
Inlandsproduktion von 1913 nötig gewesen wäre.
Der Konsum war durchweg schwach; das Geschäft verlief Kojj^sum
fast immer ruhig, was vielfach .auf die schlecht-en wirtschaft-
lichen Verhältnisse zurückzuführen ist. Trotzdem war der Preis-
stand hoch, da aus oben angeführten Gründen die hiesige No-
tierung fast immer nach dem Einkauf ausländischer Butter fest-
gesetzt werden mußte. Das Jahr 1912 schloß mit einer No-
tierung \^n 132 Mk., und während sonst im Januar die Preise
gewöhnlich einen Rückgang erfahren, hielten sie sich auf dem-
selben Niveau während des ganzen Monats. In der zweiten
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 10
lind Preise.
146 n. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Februarwoche stieg die Notierung- auf 134 Mk. und bei der
letzten Notierung dieses Monats um weitere 2 ^It. auf 136 Mk.
Im Februar gab die Provinz mehr Aufträge nach Berlin, denn
Hamburg notierte während des gaazen Februar 147 Mk'. Im
März konnten sich die Preise fa^t während des ganzen Monats
auf 136 Mk. behaupten ; nur am Schlüsse trat eine Abschwächung
ein, und die Notiz wurde auf 132 Mk. gesetzt und fiel im April
wiederholt infolge größerer Zufuhren, so daß Ultimo April
123 Mk. notiert wurde. Die Monate Mai und Juni bringen ge-
wöhnlich die größte Produktion, und die Folge hiervon ist, daß
in diesen Monaten die Notiz am niedrigsten ist. Die Preise fielen
im Mai von 120 Mk'. auf 115 Mk. und, während sonst im Juni
die Preise gewöhnlich noch weiter weichen, konnten sie sich in
diesem Monat auf 115 Mk. behaupten; so blieben sie den Juli
hindurch bis zum 9. Aug. Im Laufe dieses Monats trat eine Stei-
gerung ein und am Schlüsse wurden 121 Mk. notiert. Im Sep-
tember erhöhte sich die Notiz infolge Abnahme der Produktion
auf 132 Mk. und wurde am 8. Okt. noehmals umi 2 Mk. auf
134 Mk, heraufgesetzt. Am Schlüsse des Novembers konnte noch-
mals eine Erhöhung von 2 Mk. auf 136 Mk. vorgenommen
werden, nach Weihnachten fiel dann die Notiz auf 132 Mk.
Das Ausland notierte während des ganzen Jahres sehr hoch.
Die Bezüge, namentlich von Holland, waren im Sommfer und
Herbst recht bedeutend ; auch Von Dänemark und Schweden wurden
erhebliche Posten importiert. Die sibirische Butter ist für den
hiesigen Markt unentbehrlich geworden, ihre Qualität hat sich,
weiter verbessert.
Im folgenden geben wir über den Geschäftsgang in den
einzelnen Monaten eine eingehendere Darstellung:
Januar. Die Notierung für feinste Butter wurde am Schlüsse des
vergangenen Jahres von 136 Mk. auf 132 Mk., also um' 4 Mk.,
ermäßigt Bei diesem Preise war das Geschäft zu Anfang des
Jahres in allen Qualitäten ruhig; feinste Butter wurde genügend
geliefert und für II. Sorten war wenig Nachfrage vorhanden.
Die Provinz bot, anstatt Aufträge zu geben, dringend zu
niedrigeren Preisen an, namentlich Sachsen und Süddeutscliland.
Gegen Mitte des Monats trat eine leichte Besserung ein. Die Zu-
fuhren von wirklich feinster Butter konnten .geräumt werden,
und die Preise behaupteten sich daher. Der größere Teil der Ein--
lieferungen bestand aus abfallenden und abschmeckenden Qua-
litäten, die auf den Markt drückten und nur schwer Abnehmer
fanden. So verlief das Geschäft bis zum Schlüsse des Monatsi;
die Notierung wurde auf 132 Mk. gehalten. Vom Ausland lau beten
die Berichte stets ruhig, von England sogar flau. In Holland
waren die Preise so hoch, daßi es für den deutschen Markt
nicht in Betracht kam. Ganz im Gegensatz zfu dem Geschäft
in inländischer Butter war die Nachfrage nach sibirischer Butter
3V. Butter. 147
stet^ sehr gut. AYährend des ganzen Monats wurden die Zufuhren
von feinster AVare, die teils nur klein waren, schlank geräumt;
€s wurden hierfür Preise von 127 — 129 Mk. erzielt. Auch II. Qua-
litäten und gestandene sibirische Butter waren lebhaft begehrt.
Landbutter wurde nur wenig zugeführt. Die Einlieferungen
fanden schlanken Absatz, und zum Schlüsse des Monats war die
Nachfrage recht gut.
Mit Beginn des neuen Monats befestigte sich die Stimmung Februar,
wesentlich. Nach allen Qualitäten trat eine lebhafte Nachfrage
«in, auch II. Sorten waren zu besseren Preisen lebhaft begehrt.
Die Notierung wurde um 2 Mk. auf 134 Mk. erhöht. Hamburg
meldete einen festen Markt bei. steigenden Preisen. Die Notierung
wurde dort bereits Ende Januar um 2 Mk. und im Februar u!m
7 Mk heraufgesetzt, so daß Plamburg schließlich 147 Mk. notierte
und fast das Niveau vom Februar 1912 erreicht wurde. In Berlin
trat nach der Steigerung der Preise anfangs eine leichte Ab-
schwächung ein. Die Zufuhren von Mecklenburg und Pommern
waren normal, von Ost- und AVestpreußen dageg^en schwach und
l)estanden aus diesen Provinzen meistens aus absclimeckenden
Qualitäten. Das Platzgeschäft war zwar noch schwach und die
Einlieferungen hätten kaum untergebracht werden können, wenn
■faicht die Provinz als Käufer aufgetreten wäre, indem man,
infolge der hohen Hamburger Notierungen und Forderungen,
keine Aufträge nach dort legte. Hierdurch konnten einige Be-
züge feinster Butter vom Auslande gemacht werden und zwar
von Dänemark und Schweden ; Holland gab schon seit "Wochen
keine Rechnung mehr. Durcli die am Schlüsse des Monats ein-
getretene kalte Witterung wurden die Zuftihren kleiner, das
Ausland zeigte eine steigende Tendenz, und da infolge weiterer
guter Provinzaufträge Käufe von feinster Butter in Dänemark
zu höheren Preisen gemacht werden mußten, war man zu einer
weiteren Steigerung der Notiz um; 2 Mk. gezwungen. Der Monat
Februar schloß bei 136 Mk. mit einer festen Stimmung. Sibirische
Butter erzielte auch in diesem Monat gute Nachfrage; die Zu-
führen fanden zu Preisen bis 132 Mk. schlank Abnehmer. GroXk
Kjiappheit herrschte in billigeren Sorten, da die Läger immer
mehr geräumt wurden. In Landbutter waren die Zufuhren an-
haltend sehr klein, bei den gestiegenen Preisen war die Nach-
frage schwächer. Die Preise waren 105 — 110 Mk. und blieben
«omit bedeutend hinter denjenigen vom vergangenen Jahre zurück.
Nach der freundlichen Situation im Butterhandel ajn Schlüsse März
des Monats Februar konnte man auch im März! ein gutes Geschäft
■erw^arten, docli trat ein solches für feinste Butter nicht ein,
vielmehr wurde das Geschäft recht schleppend. Besser beachtet
waren nur geringe und billige Sorten. Die Produktion der maß-
gebenden Provinzen war normal. Auch in Hamburg verlief das
10*
148 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Geschäft ruhig; man hielt aber dort trotzdem die Notierung' un-
verändert hoch, und diesem Umstände war es zu danken, daß
die Provinz noch regelmäßig Aufträge nach Berlin gab, die
{Zufuhren fast untergebracht wurden und die Notiz sich be-
haupten konnte. Kopenhagen hatte auch die Forderung so weit
erhöht, daß Bezüge von dort^ keinen Gewinn ergaben, dagegen
offerierte Holland zu passenden Preisen, aber die holländische
Butter genügt im Monat März den Berliner Ansprüchen als-
„ff ein" nicht und kam daher nicht in Frage. Die Aussichten
auf ein gutes Ostergeschäft waren nur schwach. Erst in den
letzten Tagen vor dem Fest gestaltete sich der Absatz lebhafter,
sodaß die Läger geräumt werden konnten. Nach dem Feste fehlte
es an der nötigen Kauflust, die Provinz beorderte nichts, das
Ausland bot billiger an, und die Notiz wurde am Schluß) des
Berichtsmonats auf 132 Mk., also um 4 Mk., ermäßigt. Nach
sibirischer Butter bestand auch im März stets gute Naehfrage.
Im Anfang wurde noch bis 131 Mk. gezahlt, doch mußten di^
Preise auf 128 Mk. und schließlich auf 122 Mk. nachgebeni^
sodaß sie den Importeuren Verluste brachten. Landbutter wurde
auch im Berichtsmonat wenig zugeführt und fand am Schluß
wenig Beachtung.
April. Der Quartalswechsel hatte einen recht ungünstigen Einfluß
auf das Geschäft ausgeübt, die Kaufkraft gemindert, die Pro-
duktion hatte bedeutend zugenommen und das Geschäft litt
weiter unter den matten Berichten vom In- und Auslande. In
Erwartung niedrigerer Preise waren die Käufer sehr zurück-
haltend, und unter dieser Situation wurde die Notiz wiederholt
ermäßigt, so am Mittwoch, den 9. April, auf 125 Mk. Eine
wesentliche Besserung trat aber nicht eiu. Viele Klagen wurden
darüber geführt, daß der größere Teil der Zufuhren aus ab-
fallender, unhaltbarer Ware bestand, besonders bei Lieferungen
aus Ost- und Westpreußen, welche Provinzen infolge des vor-
herigen nassen Herbstes nur ein schlechtes Futter erzielt hatten.
Dänemark gab wegen seiner höheren Notiz keine Rechnung, auch
Holland kam nicht in Betracht, da die holländische Butter noch
nicht fein ausfiel. Die Zufuhren inländischer Butter von wirk-
lich feinster Beschaffenheit genügten auch dem Bedarf. Zur
Belebung des Geschäfts wurde dann am Schlüsse des Monats eine
nochmalige Ermäßigung von 2 Mk. auf 123 Mk. vorgenommen.
Auch in sibirischer Butter war das Geschäft ruhiger, das An-
gebot dringender geworden. Die Preise brachten den Importeuren
weitere Verluste; feinste Ware wurde mit 119 Mk. gehandelt, und
die Preise gingen schließlich auf 113 Mk. zurück. Der Absatz
der sibirischen Butter wurde durch die vielen inländischen ab-
weichenden Qualitäten erschwert. In Landbutter waren die Ein-
lieferungen zwar klein, die Preise mußten aber infolge der all-
gemeinen Situation nachgeben; die Nachfrage war am Schlüsse
37. Butter. 149
des Monats so schwach geworden, daß selbst die kleinen Zu-
fuhren nicht untergebracht werden konnten.
iSI^ach dem Rückgang der Preise im Monat April hatte die >iai.
Stimmung sich gebessert, aber eine regere Kauflust trat erst
«in, nachdem zu noch niedrigeren Preisen offeriert wurde. Die
Produktion hatte weiter zugenommen, die Zufuhren waren sehr
^roß, doch bestanden sie allerdings vielfach aus abfallenden,
abschmeckende Qualitäten, die den Markt ungünstig beein-
flußten und dringend zu jedem Preise angeboten wurden. Am
3. Mai wurde die Notiz auf 120 Mk., also um 3 Mk.,, ermäßigt;
«s war dies eine Woche vor Pfingsten, und dieser Rückgang
'<der Notierung hat wesentlich zur Erhöhung des Konsums bei-
getragen. Das Pfingstgeschäft war daher so rege wie selten.
Nicht nur feinste Butter, sondern auch zweite und abfallende
Sorten waren dringend begehrt. Trotz der größeren Einliefe-
rungen konnten bedeutende Posten feinster Butter aus Dänemark,
Schweden und Holland bezogen werden. Die Provinz gab reich-
lich Aufträge, so daß zu Pfingsten die Läger vollständig ge-
räumt wurden. Nach dem Feste war das Geschäft wiederum
recht ruhig; die Zufuhren waren groß, es wurde viel Ueber^
gangsbutter, sogenannte Blendlingsbutter, geliefert, die zu
räumen jeder Händler bestrebt war. Die Notiz wurde am
17. Mai um 5 Mk. auf 115 Mk. herabgesetzt. Die Stimmung
wurde hierdurch etwas befestigt, aber infolge der reichlichen
Zufuhren, besonders an unhaltbaren Qualitäten, trat zum
Schlüsse des Berichtsmonats eine Abschwächung ein. Vom Aus-
lande konnte, wie bereits gesagt, bis Pfingsten feinst^e Butter
bezogen werden. Holland lieferte auch bessere Qualitäten, so
daß der Import von dort wieder aufgenomlnen wurde. Infolge
^es Rückganges der Preise nach dem Feste in Berlin gab dann
der Bezug aus dem Auslande keinen Gewinn mehr. Auch in
sibirischer Butter war das Geschäft ruhig, nur feinste Zieh-
butter war begehrt und für diese wurde Anfang Mai bis 112 Mk.
bewilligt. Infolge des regen Pfingstgeschäftes trat dann all-
gemein für sibirische Butter eine bessere Nachfrage ein, und
die Zufuhren wurden auch hierin geräumt. Am Schlüsse des
!Monais war der Absatz schwächer; nur solche Butter, die
sich als Ziehbutter eignete, wurde mit 109 — 111 Mk. gekauft.
Im Juni verlief das Geschäft vom Anfang bis zum Schluß juni.
ruhig bei einer stets unveränderten Notierung von 115 Mk.
für la -Qualitäten. Der Monat Juni bringt uns stets die größte
Produktion, so war es auch in diesem Jahre. Aber es wurde
ullgemein Klage darüber geführt, daß die Einlieferungen un^
haltbar und abschmeckend waren. Die schlechten Qualitäten
drückten auf den Markt, erschwerten das Geschäft und blieben
während des ganzen Monats dringend zu unregelmäßigen Preisen
-angeboten. Nur zu Anfang des Monats litt die Butter durch
150 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
die große Hitze; sie kam hierdurch in sehr weichem Zustande
an. Später trat kühlere Witterung ein, aber sie brachte un&
keine besseren Qualitäten. Der Konsum war im Verhältnis
zur Produktion nur schwach; feinste Butter konnte jedoch ge-
räumt werden, um so mehr, als zu Spekulationsz1;\^ecken größere
Posten in die Kühlhäuser (gestellt (wurden. Die Provinz Jberiöhtete
stets ruhig und gab fast keine Aufträge. Das Ausland war im
iMonat Juni fest; die Forderungen von dort, auch von Holland,
gaben keine Rechnung; nur am Schlüsse konnte etwas,
holländische Butter bezogen werden. In sibirischer Butter war
die Nachfrage nur schwach. Während zum Beginn des Monats.
Jdie Einlieferungen noch untergebracht werden konnten, war
es in der zweiten Hälfte des Juni nicht immer möglich. Weiße
Waie wurde mit 106 — 108 Mk. gehandelt, für Grasbutter wurde
112 Mk. gefordert.
Juli. Im Juli verlief das Geschäft wie im vorhergehenden Monat;
der Mcnatswechsel brachte keine Belebung des Marktes. Die
Tendenz war stets ruhig, Konsum und Absatz blieben sch'wach.
Die Zufuhren waren etwas kleiner geworden infolge der
inzwischen eingetretenen Erntearbeiten sowie des Bedarfs in
den Sommerfrischen und Bädern, aber die Einlieferungen von.
feinster Butter genügten dem schwachen Bedarf. Von Mecklen-
burg und Pommern wurde weniger geliefert, dagegen machte
sich in Ost- und Westpreußen eine größere Produktion bemerk-
bar. Die seit längerer Zeit auftretenden Klagen über schlechte
Qualitäten wollten nicht verstummen; im Gegenteil, mehr denn
je wurden solche geliefert und sie drückten auf den Markt,
verhinderten jede Belebung des Geschäftes und konnten selbst
'zu den niedrigsten Preisen nicht untergebracht werden. Die
große Produktion in den Monaten Juni und Juli hätte wohl
einen weiteren Rückgang der Notierung als gerechtfertigt er-
scheinen lassen, um den 1,^0 -Mk. -Ausstich einzuführen und
das Publikum für den Artikel Butter mehr zu interessieren,
aber infolge des Umstandes, daß dem Berliner Markte nicht
nur von den bekannten Produktionsländern so viel abschmeckende
Ware, sondern auch aus anderen Teilen des Reiches Butter,
aber immer nur von geringerer Beschaffenheit, zugeführt wurde,
konnte sich die Notierung auf 115 Mk., also unverändert, be-
haupten. Das Provinzgeschäft war im Berichtsmonat nur
schwach, es liefen nur wenig Aufträge ein. Vom Auslande
lauteten die Berichte ebenfalls ruhig. Das Geschäft in sibirischer
Butter war im Lau^3 des Monats still, ungünstig beeinflußt
durch die viele abschmeckende inländische Butter. Bezahlt wurde
für sibirische Butter 106 — 109 Mk. In Landbutter war das
Geschäft sehr schwach.
Augu&t. Im August "war zu Anfang eine wesentliche Besserung^
des Geschäfts nicht bemerkbar. Der Konsum fing nur langsam
37. Butter. ' 151
an, sich zu heben, die Produktion zeigte eine kleine Abnahme,
und die Zufuhren wurden durch den Eigenbedarf auf dem
Lande schwächer. Wirklich feinste reinschmeckende Butter kam
weniger an den Markt und konnte geräumt werden; es wurde
leider immer noch ungemein viel abschmeckende AVare geliefert,
die vergeblich dringend und billig angeboten wurde. Mit dem
Schluß der Schulferien besserte sich der Konsum, und wenn
die inländische Produktion sämtlich als feinste Butter hätte
Verwendung finden können, wäre sie für den Bedarf ausreichend
gewesen. Durch die vielen schlechten Qualitäten wurde man
auf das Ausland verwiesen und mußte Bezüge in feinster Butter
von Holland zu höheren Preisen machen. Dänemark kam wegen
zu hoher Forderungen nicht in Betracht. Die Folge war, daß
die Notierung am 13. Aug. um 3 Mk. und am 20. Aug. untei'f
derselben Situation um weitere 3 Mk. auf 121 Mk. erhöht'
wurde. Nach den Steigerungen trat eine leichte Absehwächung
ein, feinste Butter fand aber schlanken Absatz; namentlich
dadurch, daß die Provinz mehr Aufträge nach Berlin gab.
'Ha'mburg hatte seine Notiz wiederholt gesteigert und stellte
Forderungen, zu denen die Provinz nicht kaufen konnte. Das
Ausland war im Berichtsmonat fest; nur von Holland wurden
Bezüge gemacht. In sibirischer Butter war das Geschäft für
feinste Qualitäten während des ganzen Monats recht gut, und
es wurden Preise von 110 — 112 Mk. bezahlt. Zweite Qualitäten,
die viel geliefert werden — es kam viel staffige Ware an — ,
wurden dringend angeboten. In Landbutter fanden kaum Um-
sätze statt.
Mit Beginn des Monats September brach eine freundlichere September
Stimmung durch. Infolge der bisherigen heißen Witterung
wurdo viel saure, ölige Butter geliefert und nur wenig Butter
von feinster Qualität. Die Provinz gab weiter gute Aufträge,
allerdings nur für la -Ware, und da diese vom Inlande spär-
lich einging, mußte man allerfeinste, trotz höherer Forderung,
von Holland beziehen. Diese feste Tendenz hielt fast während
des ganzen Monats an. Feinste inländische Butter blieb knapp,
die Zufuhren bestanden immer wieder zum größten Teil aus
abschmeckenden, sauren, fischigen, öligen Qualitäten und waren
nui' schwer und zu unregelmäßigen Preisen verkäuflich. Däne-
mark stellte so hohe Forderungen, daß Bezüge von dort nicht
gemacht werden konnten, und so war man auf Holland an-
gewiesen, welches von Woche zu Woche seine Preise erhöhte.
Bei dieser regen Nachfrage nach la - Qualitäten wurde die
iNotierung am 10. Sept. auf 125 Mk., am 17. Sept. auf 130 Mk.
und am 24. Sept. auf 132 Mk. erhöht. Es war dies eine Steige-
rung in einem Monat um 11 Mk. Auch Haüiburg lag fest
und hatte eine Erhöhung der Notierungen von 126 Mk. bis zum
Schluß des Monats auf 140 Mk. eintreten lassen. Infol^ge
152 n. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
dieser rapiden Steigerungen hatte aber der Konsum abgenommen ;
die Provinz beorderte wenig oder nichts mehr. Die kleinen
Zufuhren feinster Butter ließen sich allerdings noch räumen^
wenn auch die Detaillisten ihre Käufe einschränkten, um bei
dem jetzigen Preisniveau die Kühlhausbutter unterzubringen,
.unter diesen Umständen blieb die eingehende abschmeckende
Butter unverkäuflich. Das Ausland hatte feste Tendenz. Von
sibirischer Butter waren feinste Qualitäten zu Preisen von
112 — 115 Mk. rege begehrt; es wurde aber viel abschmeckende,
meist staffige Ware geliefert. Für Landbutter war wenig
Begehr.
Oktober. Der Verlauf des Geschäftes im Oktober hat leider nicht
dem Erwarten, die man sonst an diesen Monat knüpft, ent-
sprochen. Das Geschäft begann ruhig und verlief so während
des ganzen Monats. Der Oktober bringt uns gewöhnlich
eine kleine Produktion, und damit eine rege Nachfrage,
aber in diesem Jahr war die Produktion ziemlich groß,
•dagegen der Absatz schleppend. Immer wieder muß hervor-
gehoben werden, daß der größte Teil der Einlieferungen aus
abfallender Butter bestand, besonders, als mit der Rübenernte
begonnen und Eübenblätter stark gefüttert wurden. Die wenig
eingehende feinste Butter ließ sich ziemlich räumen, dagegen
waren die vielen abschmeckenden Qualitäten, die selbst von
Molkereien geliefert wurden, von denen man sonst nur Ja -Ware
kennt, nicht unterzubringen. Unter diesen Umständen war man
für feinste Butter wiederum auf den Bezug von Holland an-
gewiesen, und, um hierbei einigermaßen Rechnung zu finden,
wurde die Notiz am 8. Okt. um 2 Mk- auf 134 Mk. erhöht.
War der Konsum schon schwach, .so konnte natürlich diese
Steigerung nicht zur Besserung des Geschäftes beitragen. In
früh er en Jahren wurde gewöhnlich' schon im Oktober feinste
Butter mit 1,50 Mk. pro Pfund von Detaillisten verkauft, in
diesem Jahre blieb der 1,40 -Mk. -Ausstich der maßgebende.
Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse machten sich stark
bemerkbar. Ohne jede Anregung verlief dann das Geschäft
matt bis zum Schluß des Berichtsmonats bei einer Notiz von
134 Mk. Die Provinz beorderte nur wenig und dann auch nur
feinste Butter. Hinsichtlich des Auslandes ist zu erwähnen,
idaß Dänemark und Schweden bei hohen Forderungen keine
Rechnung gaben. Holland blieb für Berlin allein die Bezugs-
quelle für feinste Butter. Sibirische Butter war im Oktober
für reinschmeckende Qualitäten recht begehrt; die Zufuhren
waren hierin klein und es kam viel staffige Ware an. Bezahlt
wurde für feinste sibirische Butter zu Anfang 114 — 115 Mk.,
zum Schluß des Beriehtsmonats 118 — 119 Mk. In Landbutter
war kein Geschäft, die kleinen Zufuhren waren fast unver-
käuflicli.
37. Butter.
153
In der ersten Hälfte des Monats November fand in (den November.
Marktlage gegen den Monat Oktober keine Aendenmg statt.
Das Geschäft blieb ruhig, feinste Butter wurde genügend zu-
geführt und die Preise konnten sich behaupten. Abfallende Qua-
litäten wurden viel geliefert und dringend ajiqreboten. Auch in
der Provinz verlief das Geschäft ruhig und Aufträge von dort
gingen nur spärlich ein. Gegen Mitte des Berichtsmonatsi besserte
sich alsdann rlie Situation, nachdem man mit der Einstallung
des Viehes be.rronnen hatte. Die Produktion \vurde kleiner und
nach feinsten Qualitäten machte sich eine gute Nachfrage bemerk-
bar. Die Zufuhren hierin reichten aber nicht immer für den
Bedarf aus und es mußten größere Posten ausländischer Butter
bezogen werden, und zwar aus Dänemark und teils auch aus
Schweden. In derselben freundlichen Haltung verlief das Ge-
schäft bis zum Schlüsse des Monats. Feinste inländische Butter
blieb knapp und wurde schlank trotz etwas höherer Forderungen
geräumt, und da auch das Ausland seine Preise gesteigert hatte,
wurde die Notiz trotz des Ultimo umi 2 Mk. höher, auf 136 Mk.,
gesetzt. Auch zweite Qualitäten, die noch immer viel geliefert
wurden, fanden mehr Beachtung. Von der Provinz waren die
Aufträge nur klein und erstreckten sich dann auch nur au,f
feinste Butter. Vom Ausland lauteten die Berichte anfangs eben-
falls schwach und, so wie in Berlin, trat auch; dort langsam eine
Besserung ein; die Preise wurden, wie hier, am Schlüsse de-s
Monats erhöht. In sibirischer Butter bestand im November für
feinste Qualitäten ein reger Begehr; die Preise erhökten sich
von Anfang des Monats von 120 Mk. bis zum Schlüsse auf 127
bis 128 Mk. Auch II. Qualitäten sibirischer Butter wurden
schließlich mehr gekauft. In Landbutter war das Geschäft an-
haltend ruhig, die Zufuhren waren klein.
Im Dezember bewegte sich das Geschäft nach, der im -ver- Dezember,
gangenen Monat eingetretenen Erhöhung der Notiz auf 136 Mk.
in recht ruhigen Bahnen. Feinste Butter konnte zwar zu un-
veränderten Preisen geräumt werden, um so mehr, als der Bezug
feinster Qualitäten vom Auslande wegen zu hoher Forderungen
fast unmöglich war; aber es fehlte die rechte Kauflust. Ab-
fallende Butter wurde auch im Dezember viel gelief^ert, fand
aber infolge der hohen Preise für sibirische Butter mehr Be-
achtung und ließ sich besser räumen. In der dritten Dezember-
woche besserte sich die Stimmung für sämtliche Qualitäten
Butter anläßlich des herannahenden Weihnachtsfestes, imd in
der Festwoche selbst war die Nachfrage nacli feinster Butter
sehr lebhaft. Es konnten größere Bezüge vom Auslande gemacht
werden, uud auch für II. uud III. Qualitäten war eiu regier;
Begehr. Nach den Feiertagen war das Geschäft wiederum sehr
ruhig; die Notiz wurde sofort nach dem Feste auf 134 Mk. heraV
gesetzt und alsdann um weitere 2 V.k. ermäßigt, so daß| das
154
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Jahr 1913 mit einer Notiz von 132 Mk. schloß. Die Provinz gab
im Berichtsmonat nur wenig Aufträge und trat auch zum^ Weüi-
nachtsfeste nicht als besonders großer Käufer auf. Vom Aus-
lande lauteten die Berichte im Dezember ziemlich fest und die
Preise waren hoch. Nach sibirischer Butter bestand eine rege
Nachfrage, besonders nach feinsten Qualitäten. Die Forderungen
wurden gegen den November noch erhöht. Schließlich wurden
130 — 132 Mk. erzielt; für II. frische Qualitäten wurden bis
120 Mk. bezahlt. In Landbutter fand fast kein Umsatz statt;
die Einlieferungen waren unbedeutend.
Tab« 71.
]
Berliner Butternotierungen für ]
a Qualiti
Januar
Februar
März 1
April 1
Mai
Juni
1
Notiz
Notiz
1
Notiz
(Ml
Notiz
1
Notiz
1
Notiz
4.
130—132
1.
130—132
1.
134—136
2.
128—130
3.
118—120
4.
113—11
8.
128-130-132
5.
130-132-134
5.
134—136
5.
126—128
7.
118—120
7.
113—11
11.
130-132
8.
132—134
8.
134—136
9.
123—125
10.
118—120
11.
113—11
15.
130—132
12.
132-134
12.
134—136
12.
123—125
14.
118—120
14.
113—11
18.
130—132
15.
132—134
15.
134—136
16.
123—125
17.
113—115
18.
113—11
22.
130—132
19.
132—134
19.
134-136
19.
123—125
21.
113—115
21.
113—11
25.
130—132
22.
132—134
22.
134—136
23.
121—123
24.
113—115
25.
113—11
29.
130-132
26.
134—136
26.
130-132
26.
121—123
28.
113—115
28.
113—11
1
29.
130-132
30.
121—123
31.
113—115
Tab. 72.
Monatsdurchschnittspreise der höchsten Ja Qualität in Berlin und Hamburg
im Jahre 1913 (Mark für 50 kg).
Jan
Febr. März
April
Mai
Juni
Juli I Aug. I Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Berlin . . . | 132.—
Hamburg . j| 137.50
134.— 135.11
146.25142.25
125.44
125.75
117.22
118.20
115.—
115.-
115.-118.33 127.-
115.-122.-134.75
133.55
140.—
134.22
140.—
135.33
140.—
Tab. 73 Jahres durchschnittspr eise der höchsten la Qualität.
(Berlin und Hamburg in Mark und Kopenhagen in Kronen für 50 kg).
Städte
1907
1908
1909
1910
1911
1912 I 1913
Berlin . . .
Hamburg . .
Kopenhagen .
118.80
119.58
96.80
124.25
124.28
101.85
122.47
121.52
99.21
124.80 129.48
130.25 136.07
100.— 104.50
133.29 126.85
136.79 131.28
108.— 106.20
Tab. 74.
Deutschlands Butterimport (in Doppelzentnern).
— — =—
losgesamt
Aus
Dänemark
Aus Oesterr.-
üngarn
Ans den
Niederlanden
Aus
Rußland
1911
1912
1913
560 734
555 530
542 394
76 556
54 979
21546
15 088
14 198
95 44
134 601
182 313
184 548
298 276
257 631
299 217
Krster Bericht.
Amerikan
Schmalz.
38. Handel mit Schmalz.
Erster Bericht.
Der Schmalzhandel stand im Jahre 1913 im Zeichen mäßigen
Bedarfs und großer Zurückhalt-mg des Zwischenhandels und der
Detailktindschaft. Die große amerikanische Maisernte im Jahre
38. Handel mit Schmalz.
155
1912 gab zu spekulativen Meinungskäufen keinen Anreiz und
ida der Konsum von Schweineschmalz auch nicht sehr groß war,
so hielt die Detailkundschaft — vielleicht auch infolge der im
Jahre 1912 gemachten schlechten Erfahrungen — mit Lieferungs-
Ahschlüssen sehr zurück und kaufte nur nach Bedarf. Das kon-
sumierende Publikum wird durch die große R-eklamo der Kunst-
speisefettfabrikanten veranlaßt, Ersatzfette — wie Margarine
und Pflanzenfette — dem wirtschaftlich und gesundheitlich wert-
volleren Schweineschmalz gegenüber zu bevorzugen. Der Detaillist
bringt auch deshalb dem Artikel Schweineschmalz weniger In-
Jahre 1913 (Mark für 50 kg).
Juli
August 1
September
Oktober
November
Dezember
Notiz
Notiz
1
Notiz
Eh
Notiz
1
Notiz
Notiz
113—115
2.
113 — 115
3.
119—121
1.
130-132
1.
130-132-134
3.
134—136
113-115
6.
113-115
6.
119—121
4.
130—132
5.
132-134
6.
134—136
113—115
9.
113—115
10.
123-125
8.
132—134
8.
132—134
10.
134—136
113-115
13.
116-118
13.
123—125
11.
132—134
12.
132—134
13.
134—136
113—115
16.
116—118
17.
128—130
15.
130-132-134
15.
132—134
17.
134—136
113—115
20.
119—121
20.
128—130
18.
132—134
18
132—134
20.
134—136
113—115
23.
119-121
24.
130—132
22.
132—134
22.
132—134
24.
134—136
113—115
27.
119—121
27.
130—132
25.
130-132-134
26.
132—134
27.
132—134
113-115
30.
119—121
29.
130-132-134
29.
134—136
31.
130-132
teresse entgegen, da ihm dessen Vertrieb im Vergleich mit dem
der Speisefette bestenfalls einen ganz unbedeutenden Nutzen, bei
Lieferungsabschlüssen aber zum großen Teil erheblidhen Kon-
junkturverlust zufügt. Diese Erkenntnis brachte, so unerfreu-
lich die Ursachen auch sind, dem Zwischenhandel ein gesunderes
Geschäft, dessen Gewinn klein und unzulänglich blieb. Durch
das weitere Vordringen der amerikanischen Trustgesellschaften
in Stadt und Land ist, zum Nachteil der deutschen Importeure,
die Konkurrenz der noch selbständigen amerikanischen Packers
gegenüber dem Trust bereits vollständig ausgeschaltet. Hier-
durch werden dem hiesigen Großhandel einstweilen nur die
Großkonsumenten entzogen, aber vielleicht wird der Trust sich
eines Tages auch den Detailhandel unterjochen. Diesen Vor-
gängen müßte auch regierungsseitig mehr Beachtung ge-
schenkt, und es müßten Maßnahmen getroffen werden, die
die inländische Schweinezucht dun^h freie Einfuh'r von Futter-
mitteln zwecks reichlicherer Fettgewinnung im Inlande
iördern. Trotz der großen vorjährigen amerikanischen Mais-
ernte blieben die Preise für amerikanisches Schweineschmalz
verhältnismäßig hoch. Anfang Januar notierte Steamlard
9,521/2 S = 48,25 Mk. pro 50 kg, erste Kosten, cif Hamburg,
stieg bis Anfang Juli auf 55,75 Mk. in kleinen Kurven
langsam an und erreichte Mitte Juli seinen Höchststand von
11,871/2 ^ = 59,50 Mk. Seit dieser Zeit erfolgte ein steter lang-
156
n. Tierische Roliprodukte und Fabrikate.
Deutsches
Rohschmalz.
Dänisches und
skandinav.
Schmalz.
Bratenschmalz.
Schmilz-
Vorräte.
samer Eückgang, welcher Mitte Oktober mit 10,27V2 S = 52 Mk.
seinen Tiefstand erreichte, um dann wieder langsam bis ,Aiitte
Novembei auf 10,871/2 $ = 54,50 Mk. anzusteigen. Ende
Dezember notierte Steamlard 10,571/2 S = 53,75 Mk. Es gelang
den Packers, den Markt zu halten, da die amerikanischen
Schweinebestände permanent durch Schweineseuchen gefährdet sind
und man den Bestand auf ungefähr 30 o/o unter normal einschätzt.
Die Haussebestrebungen der Packers fanden im Juli durch die
ungiinstigen Ernteaussichten der neuen Maiskampagne eine weitere
Stütze, doch ließ auch diese keinen dauernden Erfolg aufkommen.
Das Durchschnittsgewicht der in den amerikanischen Schlacht-
häusern verarbeiteten Schweine war im ersten Semester normal
und stieg von 225 Ibs im Januar auf 244 Ibs im Juli. Dann
ging es aber scharf zurück und betrug Mitte November nur
205 Ibs. Ende Dezember betrug das Durchschnittsgewicht der
Schweine 208 Ibs. Diese unzulängliche Mästung ist jedenfalls
eine Eolge ungenügender Futter verrate, da selbst bei dem augen-
blicklichen Wertstand von Mais die Schweinezucht bei der-
zeitigen Marktpreisen von 71/2 — 81/2 $ für 100 Ibs Lebendgewicht
für den Farmer rentabel ist.
Die deutsche Schweinezucht befindet sich in aufsteigender
Richtung; die allgemein reichliche Kartoffel- und Puttermittel-
ernte wird zu guter Vollmast Gelegenheit geben. Einer weiteren
Aufwärtsbewegung der Schmalzpreise ständen somit die natür-
lichen Verhältnisse für die nächste Zeit entgegen.
Dänisches und skandinavisches Schmalz gewinnt in Deutsch-
land immer weiteren Absatz und, da die Verhältnisse dort ebenso
günstig wie in Deutsehland liegen, dürfte der deutsche Bedarf
auch von dorther reichlicher versorgt werden.
Bratenschmalz zeigte unveränderten Absatz bei geringem Fa-
brikationsgewinn.
Tab. 75. Weltvorräte an amerikanischem Schmalz.
Jahr
I Jan.
Febr.
März
April
M^i
Jutii
Juli
Aug. I Sept. I Okt.
Nov.
1911
1912
1913
124 934 111653
226 000 294 500
184 140 175 576
144 546
331 000
198 361
192 236
351000
214 370
323 300
190 0751204 624
271 262 361 064
338 7001411900
267 969 355 061
393 6:^3 328 076 282 446
452 23l!362 500 276 500
387 893^378 393 331 818
207 573:
196 000
234 509
Auftrieb
von Schweinen.
Der Auftrieb von Schweinen betrug an den westlichen Haupt-
plätzen während der Saison (November/Oktober) in den Jahren
ir09fl0
16,616
WlO/ll
22,043
1911/12
26,575
1912/13
25,241 (in 1000 Stück)
ZweiterBericht
Geschäftsgang.
-Zweiter Bericht.
Das Bericihtsjahr muß im allgemeinen als sehr ruhig be-
zeichnet wterden, derl spektilative Einschlag fehlte vollständig
und damit auch 90 ziemlidh jede zeitweise Belebung des Ge-
38. Handel mit Schmalz. 157
Schaftes, wie sie die "Benutztmg von Konjunkturen bzw. Gewinn-
möglich keiten mit sich bringt. Bestimmend hierfür waren ein-
mal die ungewöhnlichen, tuLklaren politischen Verhältnisse und
der wenig flüssige Greldmarkt lind .andererseits das allgemeine
Mißtrauen in die Berechtigung der Wertlage des Artikels. Die
vorzügliche amerikanische Ernte des Vorjahrs zeitigte in den.
breitesten Kreisen Hoffnungen auf niedrigere Preise, die sich nicht
nur nicht verwirklichten, sondern sich im Laufe des Jahres ins
direkte Gegenteil verwandelten. Der Zwischenhandel hielt sich
andauernd von langfristigen Kontrakten fern, und das Geschäft
wickelte sich infolgedessen vorzugsweise in greifbarer Ware oder
kürzeren Sichten ab. Es war für den Zwischenliandel durch den
JFortfall eines größeren Konjunkturrisikos also ziemlich gesund,
wenn es auch nur bescheidenen Nutzen ließ. Die Folge davon
war allerdings, daß größere Vorräte in Deutschland fast die
ganze Zeit über fehlten tmd greifbare Ware oft mit einem Auf-
gelde bezahlt werden mußte, das zeitweise, besonders im' Januar,
recht erheblich war. Die Preise hatten anfangs Januar ihren
niedrigsten Stand, gingen bis Mitte Februar da;. 6 Mk. pro Zentner
höher und wiesen sodann nicht beträchtliche Schwankungen bis
Ende Juni auf, wo sie jiochmals stärker anzogen Und Mitto
Juli nach einem weiteren Gewinn von ca. 4 Mk. pro Zentner
ihren höchsten Stand erreichten. Von da ab trat ein allmählicher
Rückgang von ea. 6 Mk. pro Zentner ein, so daß der Wertstand
gegen Anfang Januar um üa. 4 Mk. pro Zentner höher liegt.
Der Absatz war in den ersten beiden Monaten recht günstig und
überstieg den früherer Jahre erheblich, ließ dann aber bis Ende
Jimi gegen das Vorjahr bemerkenswert nach und konnte sich
auch später nicht ganz lauf der vorjährigen Höhe behaupten.
Zum Teil dürfte die außerordentlich günstige diesjährige Stein-
obsternte eine Erklärung für den sommerlichen und herbstlicihen
Konsumrückgang bieten, aber auch der durchschnittlich schlechte
Beschäftigungsgrad der Industriebevölkerung, wie das gänzliche
Diarniederliegen des Bauhandwerks führten zu Einschränkungen
des Verbrauchs. Wirtschaftliche Krisen, welche die industrielle und
gewerbliche Arbeiterschaft treffen, kennzeichnen sich im Schmalz-
verbrauch immer, da der Artikel seinen Absatz vorzugsweise
in diesen Kreisen hat. Die Rentabilität der Preise ließ auch in
diesem Jahr, dank der scharfen Konkurrenz, viel zu wünschen
übrig, um so mehr, als die Arbeiterlöhne infolge der allgemein
verteuerten Lebensverhältnisse wiederum höher stiegen. /Wienn'
sidi auch im zweiten Halbjahr das Bestreben nach besserem;
Nutzen bemerkbar machte, so steht dem doch immer die Rück-
sichtnahme auf den größtenteils schon in amerikanischen Händen
liegenden direkten Vertrieb des amerikanischen raffinierten
Schmalzes gegenüber; dadurch werden dem Verdienst sowieso
schon enge Grenzen gezogen.
158 11. Tierische Eohprodukte und Fabrikate.
Einfuhr. Die Einfuhr von Schweineschmalz vom Auslände nach
Deutschland betrug im Jahre:
1912 1061216 dz
1913 1073 869 „
39. Kunstspeisefett.
Die Vorbeding'ungen für ein flottes Geschäft waren im Be-
richtsjahre giegeben, da Schmalz -das ganze Jahr hindurch einen
hohen Preisstand beibehielt und auch Pflanzenfette fKokosnuß-
butter und Palmbutter) ihrer hohen Werte halber nicht konsum-
ablenkend zu wirken schienen. In den ersten Monaten schienen
sich diese Erwaxtiingen auch zu verwirklichen, aber schon vom
Frühjahr an ließ der Absatz ohne direkt erkennbare Ursachen
nach und ist auch im weiteren Verlaufe nicht über einen guten
Durchschnitt hinausgekommen. In erster Linie sind, die besseren,
teueren Qualitäten an diesem Rückgange beteiligt, und als Er-
klärung hierfür kann nur die Annahme dienen, daß die Ge-
s'chmacksrichtimg der hierfür in Betracht kommenden Kreise sich
der allgemein gestiegenen Ansprüche an die Lebenshaltung ent-
sprechend mehr anderen teueren Produkten, wie Schmalz, Mar-
g^arine Und Pflanzienbutter, zugewendet hat. Die Rohmaterial-
versorgung war größtenteils nicht mit Schwierigkeiten verknüpft,
und die Preise waren dadurch, daß die Spekulation weniger als
in früheren Jahren ihre Hand im Spiele hatte, stetiger ; es fielen
die ungesunden, sprungweisen Wertveränderungen der Vorjahre
fort. Einzelne Rohmaterialien, wie z. B. Talge, waren ^^eitweise
bei knappem Ainjgebot lebhafter [gefragt Und bedangen etwas
höhere Preise. Im allgemeinen war der Markt durchVeg
fest tmd steigender Richtung; die Preise für Kunstspeisefette
standen am Ende des Berichtsjahres je nach Qualität um 1 Mk.
bis 2 Mk. pro Zentn^er höher als am Anfang. Der Konkurrenz-
kampf nahm im ersten Halbjahr ziemlich scharfe Formen an,
wurde aber im weiteren Verlaufe erträglicher, sio daß durch-
schnittlich diesmal ein etwas besserer .Nutzen erzielt wurde.
Leider waren die langfristigen Lieferungsverkäufe, für die dem
Lieferanten Gegendeckung höchstens zu einem Teile möglich ist,
immer noch nicht aUs der Welt zu bringen. Beunruhigung brachte
die Ueberführung flüssiger Oele und Fette in konsistente Form
{Härtungsverfahren), die bei weiterer Vervtollkommnung vielleicht
geeignet sein, könnte, einen Umschwung hinsichtlich der zur Ver-
•wiendung kommenden Rohmaterialien hervorzurufen. Vorläufig
tsind diese Härtungsprodukte allerdings noch nicht für Genuß-
zwecke brauchbar, und es steht wohl auch dahin, ob nicht seitens
des Reichsgesundheitsamtes Beanstandungen gegen deren Ver-
'w'endung erhoben oder wenigstens gewisse .Qualitätsgarantien
g'efordert werden.
40. Margarine und Pflanzenbutter.
159
40. Margarine und Pflanzenbutter,
a) Margarine.
Erster Bericht.
Der Verlauf des Jahres 1913 enttäuschte die Margarine-
Industrie. Der Konsum hielt sich zwar zu Beginn des Jahres
in normalen Grenzen, er ließ dann aber, als die Natu rhu tberpneis^i
stark herabgesetzt werden mußten, auf der ganzen Linie er-
heblich nach und wurde im Herbst, als die Preise für* Natur-
butter wieder anziehen und eine ziemliche Höhe erreichen konnten,
durch eine vorzügliche Obsternte erneut stark beeinträchtigt.
Namentlich in Mittel- und Norddeutschland ergab sich speziell
in Pflaumen eine überreiche Ernte, und es bewahrheitete sich
wieder, daß ein gutes Obstjahr in der Regel ein Ungunst igesi
Jahr für den Konsum von Fetten zu sein pflegt. Infolge dieser
für das Geschäft nachteiligen Umstände dürften fast alle Fa-
briken über Absatzmangel zu klagen gehabt haben, und die
Gesamtproduktion an Margarine im Jahre 1913 dürfte nicht
unerheblich geringer gewesen sein als im Vorjahr. Eine be-
deutende Itohmaterialteuerung erschwerte während des größten
Teils des Jahres die Kalkulation außerordentlich. Tierische Fette
wurden bis in den Sommer hinein sehr hoch bewertet, gaben dann
aber zum Herbst hin nach und bewegten sich zum Schluß in
normaler Preislage. Dagegen haben Pflanzenfette fast ohne Unter-
brechung nur Preiserhöhungen erfahren und einen bisher noch
nie dagewesenen Wertstand erreicht. Feine Butteröle mußten
gleichfalls von .Monat zu Monat höher bezahlt werden ; sie haben
auch, als die Abladungen aus neuer Ernte herankamen, nur wenig
von ihren hohen Preisen eingebüßt.
Die Vertriebsunkosten für den Artikel Margarine sind weiter
dauernd im Steigen begriffen, desgleichen die Betriebskosten, die
Löhne mußten erhöht werden, die Beamten Versicherung kommt
hinzu. Aus alledem erhellt, daß die Gesamtlage der Margarine-
Industrie im Jahre 1913 durchaus nicht günstig war, für
manche kleineren Werke aber sogar kritisch gewesen ist. Auch'
weiterhin richtet sich der Gesclimack der Margarine verbrauchen-
den Kreise, welche sich ständig erw^eitem, zum überwiegenlen
Teil auf die Fabrikate aus allerfeinsten tierischen Eohstoffen
und, soweit mittlere Preislagen in Betracht komtaien, auf Mischun-
gen aus tierischen und Pflanzenfetten. Reine Pflanzenbutter-
Margarine hat den Höhepunkt ihres Verbrauchs längst über-
schritten. Der Absatz dieser Ware hat wohl besonders infolge
der zumeist beschränkten Haltbarkeit bedeutend nachgelassen und
eiae Reihe von Fabrikanten, die sich sonst ausschließlich auf
die Produktion pflanzlicher Margarine beschränkten, hat sich
in diesem Herbst veranlaßt gesehen, um ihren Absatz wieder zu
fördern, nunmehr auch Ware aus tierischen Fetten herzustellen.
a) Margarine.
Erster Beriebt.
Absatz.
Vertriebs-
kosten.
160
11. Tierische Eohprodukte und Fabrikate.
Eine naturgemäße Folge aller dieser Verhältnisse ist der immer
schwerere und schärfere Konkurrenzkampf in der Margarine-
Industrie, welcher auch alle schüchternen Versuche zu einer Preis-
erhöhung nahezu illusorisch machte. Nur wo noch ganz gedrückte
Preise bestanden und bei Pflanzenbutter-Margarine ließen sich
bescheidene, indes ganz unzulängliche Erfolge in dieser Rich-
tung erzielen. Auch im Herbst 1913 trat wieder die recht un-
erfreuliche Erscheinung zutage, daß der Zwischenhandel unter
der langen Transportdauer der Stückgüter zu leiden hatte. Die
Fabrikanten werden dadurch ebenfalls hart betroffen, weil der
Zwischenhandel von ihnen infolgedessen immer mehr die Liefe-
rung der Ware als Eilgut ohne Berechnung der Mehrfracht auch
für das Winterhalbjahr verlangt. Bei dem scharfen Kampf der
Fabrikanten um die Erhaltung ihrer Absatzgebiete bleibt ihnen
leider auch nichts übrig, als sich diesen Anforderungen zu fügen,
wodurch die Rentabilität der Werke für das Winterhalbjahr
weiter geschmälert wird. Die Margarine-Industrie muß daher
immer und w^ieder fordern, daß die ihr für das Sommerhalbjahr
gewährte Vergünstigung a.uch auf die sechs kühleren Monate
des Jahres ausgedehnt werden möchte; in zweierlei Art würde
damit Gutes gewirkt, es würde dem Konsum dazu verhelfen, ab-
solut frischeste AVare zu erhalten, und es würde auch den Fa-
Ibrikanten die jetzige schwierige Lage erleichtert werden. Im
ganzen genommen hat die Margarine- Industrie wohl eins der
ungünstigsten Jahre seit ihrem Bestehen hinter sich, und auch
für die nächste Zukunft zeigen sich nur wenige Anzeichen für
eine Besserung der Lage.
ZweiterBericht.
Absatz-
verhältnisse.
Zweiter Bericht.
Die Absatzverhältnisse für Margarine können im großen
,imd ganzen als befriedigend bezeichnet werden, wenn im Be-
richtsjahre auch nicht die außerordentlich lebhafte Steigerung
des Verbrauchs vorhanden war, wie sie in den letzten Jahren
in die Erscheinung trat. — Das erste Halbjahr brachte zwar
ein flottes Geschäft, wohingegen im zweiten Semester eine
Stockung in die Absatzverhältnisse eintrat, die im allgemeinen
darauf zurückzuführen ist, daß durch die außerordentlich!
igünstigen Futterverhältnisse im Berichtsjahre eine erheblich ge-
^steigerte Butterproduktion und infolgedessen ein starkes An-
gebot namentlich in billiger Landbutter vorhanden war. Die
vermehrte Butterproduktion machte sich ebenfalls für das Spät-
jahr noch in einem starken Angebot von Standware bemerkbar.
Auch die günstige Obsternte, namentlich in Pflaumen, wirkte
hemmend auf den Verbrauch in Margarine. Was die Konkurrenz
ausländischer Produkte betrifft, so ist es bezeichnend, daß bei
der gesteigerten inländischen Butterproduktion vom Ausland
noch ungefähr das gleiche Quantum wie im vergangenen Jahre
40. Margarine und Pflanzenbutter.
161
eingeführt wurde, was aucli in ungefähr dem gleichen Maße
bei Schmalz der Fall ist.
Die für die Margarinefabrikation benötigten animalischen
Rohprodukte haben eine wesentliche Aenderung in der seit
Jahren behaupteten hohen Preisstellung nicht erfahren, dagegen
verfolgten die Notierungen für vegetabilische Fette infolge des
stetig steigenden Bedarfs eine andauernde Aufwärtsbewegung
und erreichten in diesem Jahre eine vorher nicht gekannte
Höhe. Dieser Umstand dürfte auch die Veranlassung gewesen
sein, daß verschiedene Fabriken in der Zwischenzeit dazu über-
gingen, den weitaus größten Teil ihres Bedarfs in Rohware,
namentlich in Pflanzenfetten, in Deutschland selbst herzustellen,
,und auf diesem Gebiet konnte eine außerordentlich hohe
Leistungsfähigkeit sowohl hinsichtlich Qualität als Quantität
erreicht werden.
Die Verkaufspreise für das fertige Produkt bewegten sich
im allgemeinen auf derselben Basis wie im Jahre 1912. Für
Pflanzen-Margarine mußte infolge der erwähnten anhaltend
hohen Notierungen für Pflanzenfett eine Aufbesserung der Preise
angestrebt werden, um eine gleichmäßig gute Lieferung zu
ermöglichen.
Li einigen Betrieben entstanden Schwierigkeiten mit den
Arbeitern auf Grund der Bestrebungen der in Frage kommenden
Organisationen, auch in dieser Industrie Tarifverträge erstmals
zur Durchführung zu bringen. Wo in einzelnen Fällen mit
Arbeitseinstellungen zu rechnen war, konnten diese nach kurzer
Zeit wieder beseitigt werden. Die betreffenden Organisationen
dürften jetzt mit dem größten Teil der Margarinefabriken Lohn-
tarife zum Abschluß gebracht haben.
Die- in der Branche üblichen Verkaufsbedingungen haben
gegenüber früher eine Abweichung nicht erfahren und konnten
auch trotz der durch die allgemeinen Verhältnisse verschlechter-
ten Gesamtlage im großen und ganzen eingehalten werden.
Der Wettbewerb, namentlich unter den Groß-Detaillisten, ge-
staltet sich immer schärfer und zeitigt Erscheinungen, die un-
bedingt schädigend wirken müssen. Die Gewiährung hoher
Jlabattc und das Angebot von Zugaben aller Art, die Ver-
anstaltung von Ausnahmetagen und Anpreisung sonstiger Ver-
günstigungen usw. sind Auswüchse gegenseitiger Konkurrenz,
die überall zu beobachten sind. Auf der anderen Seite ist mehr
und mehr die Beobachtung zu machen, daß auf allen Gebieten
auch seitens der Detaillisten Zusammenschlüsse erfolgen, um
die aus dem gemeinschaftlichen Einkauf resultierenden Vorteile
zu genießen, insbesondere auch mit Rücksicht auf die immer
stärker werdende Konkurrenz der Konsumvereine. Für Butter
besteht die Vergünstigung, daß sie, soweit Einzelsendungen in
Berl. Jahrb. t Handel u. Ind. I9ia H. 11
Rohprodukte.
Verkaufspreise.
Arbeiter-
verhältnisse
Verkaufs-
bedingungen
162 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Betracht kommen, das ganze Jahr hindurch per Eilgut unter
Anrechnung der gewöhnlichen Fracht expediert wird. Nach
langen Bemühungen ist vor ungefähr zwei Jahren dieselbe Ver-
günstigung auch der Margarine, wenigstens für die Sommer-
monate, zugebilligt worden. Eine Gleichstellung der Margarine
mit Naturbutter, und zwar unter Ausdehnung auf ganze
•Waggonladungen, wäre dringend erwünscht, schon mit Rück-
sicht darauf, daß in den Herbst- und Wintermonaten erhebliche
Stockungen im Güterverkehr vorkommen, die Transportverzöge-
rungen im Gefolge haben, welche seitens der Abnehmer doppelt
unangenehm empfunden werden.
b) Pflanzenbutter.
b) Pflanzen- Während Pflanzenfette im Jahre 1912 einen verhältnis-
mäßig günstigeren Markt trafen als 1911, war im Jahre
1913 das Gegenteil der Fall. Durch die bisher nicht da-
gewesenen hohen Rohmaterialpreise wurde die Nachfrage
bedeutend verringert. Zurzeit werden bei weitem kleinere
-Umsätze erzielt, als vor zwei bis drei Jahren. Der
Schmalzmarkt stand im Berichtsjahre im Zeichen zwar hoher,
aber doch verständlicher Preise, während Pflanzenfette der-
artig gestiegen sind, daß sie sich zeitweise den Sch'malz-
preisen allzusehr näherten. Die Konsumenten zogen daher vor,
das ausgiebigere Schmalz zu kaufen, welches sich speziell für
[Bäckeieizwecke kaum oder nur wenig höher stellt als Pflanzen-
fette bei ihrer heutigen Preislage. Der Verbrauch an reinen
Pflanzenfetten ist also ganz bedeutend gesunken, die Margarine-
Industrie konnte auch nicht so viel aufnehmen wie in früheren
Jahren, und die Fabriken sind infolgedessen meistenteils recht
schwach beschäftigt gewesen. *Der Rohmaterialmarkt scheint
ganz in die Hände der Spekulation geraten zu sein, die stark
genug war, trotz erheblicher Zuführen an Rohmaterial, die
hohen Preise ohne sonderliche Abschwächung durchzuhalten.
Die hohen Rohstoffpreise werden darauf zurückgeführt, daß
in Amerika großer Konsum besteht, zu dessen Deckung deutsche
Fabiikate herangezogen und von den deutschen Mühlen lohnend
exportiert wurden. Die Preise des fertigen Fabrikats ließen
sich mlei stenteils mit denen der Rohware gar nicht in Ein-
klang bringen. Von einem Nutzen kann in der Pflanzenfett-
Industrie im Jahre 1913 nur in ganz bescheidenem Maße ge-
sprochen werden. Die Witterung war dem empfindlichen Artikel
igünstig, so daß die Fabrikanten in diesem Jahre vor den
durch Hitze verursachten Verlusten zum größten Teil verschont
blieben. Die Bewegung der Rohmaterialpreise, die tatsächlich
eine Rekordhöhe erreicht haben, zeigt nachfolgende Zusammen-
stellung:
41. Honig.
163
Tab. 76. Preise für Kokosöl und Palmkernöl (in Mark für 100 kg
ausschl. Faß).
31.1.
28.2.|31. 3. 1 30.4.1 31.5.1 30. 6.
31.7.
31.8.
30.9.
31.10.
30.11.
31.12
Kokosöl
1912
78
77
80
83V,
81V,
80V,
77V.
80V,
82
83
83
84
1913
89
90
92
90
91
93
loovo
102
101
98
97Vo
" —
Palmkernöl
1912
70
70
72V,
74V,
71V,
71V.
71V,
74V,
76Vo
75
77
77
1913
80
80
87
83
84
89
94V2
91
9OV2
9OV2
9IV2
—
41. Honig.
Im Jahre 1913 war das Geschäft in ausländischem Honig,
wie bei den meisten Nahrungsmitteln, sehr still, obschon Deutsch-
land eine schlechte Honigernte hatte. Die Preise waren für
die meisten Sorten überseeischen Honigs wegen schlechten Ab-!
Satzes sehr gedrückt, und die Läger konnten nur schwer ge-j
räumi werden. In Italien und Kalifornien war die Honigernt^
idurch Regen usw. größtenteils vernichtet, so daß von dort
nur wenig Angebote vorlagen. Es wurden deshalb für kleine
Posten prima Ware noch nie dagewesene hohe Preise verlangt,
fanden aber deshalb in Deutschland fast gar keinen Absatz.,
Dagegen wurden große Posten russische und ungarische Honige
angeboten^ welche in Qualität die meisten besseren und feinsten
deutschen Schleuderhonige übertrafen. Diese Honige konnten
!bei Preisen von 50 — 65 Mk. pro Zentner unverzollt leider ebeun
falk keine Abnehmer finden, weil sich diese zuzüglich des,
Einfuhrzolls von 20 Mk. pro Zentner zu teuer stellten. Ueber-
haupt scheint die Bienenzucht jetzt in diesen Ländern — und
zwar ohne staatlichen Schutz — schon bedeutend weiter fortn
geschritten zu sein als in Deutschland. Als Grund hierfür
ist allerdings auch das unbeständige Klima in Deutschland]
anzusehen. Denn man kann in Deutschland nur alle vier Jahre
auf eine mittlere Honigernte rechnen. Diese kann aber nicht
den zehnten Teil des Bedarfes decken. Dennoch versuchen in
letzter Zeit die deutschen Bienenzüchter und Agrarier immer
wieder durch die verschiedensten geheimen Treibereien, den Eiui
fuhrzoll noch ganz bedeutend zu erhöhen, außerdem den Dekla-.
rationszwang über Herkunft der Honige einzuführen, um hier-
durch die ganze Einfuhr dieser edlen und billigeren aus-
ländischen Honigsorten vollständig zu unterbinden. Der Grund
hierfür ist das Bestreben, für ihr eigenes Produkt auf diese
leichte Art und Weise den doppelten Preis zu erzielen. Die
Tropenländer haben bei ihrer wunderbaren Flora bekanntlich'
zwei Honigernten und können deshalb ihr Produkt billiger an
den Markt bringen. Durch Broschüren, Zeitungsartikel usw.
der Bienenzuchtvereine wird dem großen Publikum der aus-
ländische Honig zu Unrecht als unsauber, verfälscht, verdorben
und minderwertig hingestellt.
11*
Ausländischer
Honig.
164
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Deutscher
Heidehonig.
Deutscher
Schleuder-
honig.
Verhältnis
zwischen
Honig-
großhändlern
und Imkern.
Kunsthonig.
In deutschem Heidehonig war im Berichtsjahre die Ernte
wegen des kalten und nassen Sommers resp. Herbstes nur mittel-
mäßig: die Qualität war durchschnittlich normal. Rohhonig
war unter 50 Mk. pro Zentner nicht zu kaufen.
In deutschem Schleuderhonig war die Ernte sehr geringe
und dem Großhandel lagen nur wenig Angebote zu hohen
Preisen vor.
Das unerquickliche Verhältnis zwischen den Honiggroß-
händlern und den Imkern hat auch im Berichtsjahre sich nicht
gebessert.
Der Kunsthonighandel lag wegen der diesjährigen guten
Pflaumen ernte sehr danieder. Pflaumenmus war billiger und
wurde deshalb vorgezogen, obsohon die Preise für Kunsthonig
auch sehr gedrückt waren. Diese niedrigen Preise haben sich
viele Kunsthonigfabriken selbst zuzusdhreiben, weil in den
letzten Jahren meist nur eine billige, minderwertige Ware
fabriziert wurde, die den Konsumenten nicht zusagt, im Gegen-
satz zu früheren Jahren, in denen die bessere Ware zu guten:
Preisen großen und leichten Absatz fand.
Erster Bericht.
Allgemeines.
Schweizerkäse.
West-
preußischer
Scnweizerkäse.
42. Käse.
Erster Bericht.
Der Käsehandel litt im Jahre 1913 unter niedrigen Preisen^
welche durch die günstige Futterernte bedingt wurden, während
in der zweiten Hälfte des Jahres der Absatz durch die verschlech-
terte wirtschaftliche Lage ungünstig beeinflußt wurde.
Die Schweiz, welche mit der Herabsetzung der Preise lange
zögerte, setzte plötzlich im J^li und Auglist den Preis um;
ca. 10 Mk. pro 100 kg herunter. Dadurch wurden die Umsätze
erhöht, so daß die Schlußmonate des Jahres einen etwas größeren
Import gestatteten. Bayerischer Schweizerkäse zeigte in den
ersten sieben Monaten des Jahres keine Preisveränderung gegen
1912, jedoch bröckelten die Preise im August, September um
ca. 10 Mk. pro 100 feg ab, so daß sich dieser Käse, wenn auch
Unter erschwerten Verhältnissen, wieder zum 1-Mk.-Detailaus-
sclmitt eignete. Dadurch wurde der Konsum gehoben, zum Nach-
teil des westpreußischen Schweizerkiäses und des echten Emmen-
thaler Käses.
Die Produktion in westpreußischem Schweizerfcäse ist nicht
mehr so groß, als sie in früheren Jahren war. Aus diesem Grunde
war die Produktion des Jahres 1912 schon frühzeitig' aufgebraucht,
so daß dieser Artikel nur in den ersten drei Monaten des B^
rieh ts Jahres für den Konsum in Betracht kam. Die Preise waren
gegen 1912 unverändert. Für das neue Produkt, Sommerproduktion
1913, wurden fast die gleichen Preise von den Produzenten ver-
langt wie für die Produktion von 1912. Die Käufer zeigten kein
42. Käse.
165
Interesse für diesen Artikel, da er zu teuer war. Man kann von
einem schleppenden Geschäft in westpreußischem Schweizerkäse
sprechen. Die Umsätze waren in den letzten Monaten des Jahres
ganz minimal und wurden nur mit Gewalt und zu Verlustpreisen
seitens der Händler getätigt.
Die ersten fünf Mionate des Berichtsjahres brachten noch TUsiter Käse,
die alten Preise Von 1912 ; jedoch waren die Monate Mai, Juni
schleppend im Absatz, und die Produzenten waren gezi'wungen,
die Preise erheblich herunterzusetzen, so daß mit einem Preis-
abschlag von ca. 20 Mk. pro 100 kg gerechnet wurde. Da-
durch war die Möglichkeit geschaffen, den 80-Pfg. -Detailausschnitt
für allerbeste Ware wieder einzuführen. Aus diesem Grunde hatte
die vergrößerte Produktion gute Aufnahme im Markt gefunden,
ßo daß man am Schlüsse des Jahres auch noch in der Lage
war, den 80-Pfg. -Detailausschnitt zu halten. Man kann in diesem
Artikel von einem normalen Geschäft sprechen.
Holländerkäse zeigte für die ersten neun Monate unveränderte HoiiändeiKäse.
Preise. Dieser Artikel ist mehr ein Delikatessenartikel geworden,
der infolge des erhöhten Ausschnittpreises weniger konsumiert
wird. In den letzten zwei Monaten verlangte Holland stetis
höhere Preise. Dadurch ist der Konsum weiter zurückgegangen,
so daß man zum Schlüsse des Jahres nur von einem kleinen Ge-
schäft berichten kann.
Edamerkäse hat sich sehr goit eingeführt, ist beim Publikum Edamer Käse,
beliebt und konnte längere Zeit in guter Qualität zum 1-Mk.-
Detailausstich gegeben werden. In den letzten Monaten trat
auch für diesen Artikel eine Preiserhöhung ein, so daß die
Verkaufspreise erhöht werden mußten; der Konsum blieb aber
der gleiche, so daß man zum Jahresschluß von einem zufrieden-
stellenden Geschäft in diesem Artikel berichten kann.
Die ersten sieben Monate brachten für Limburgerkäse einen Limburger
Preisabschlag von ca. 15 Mk. pro 100 kg. Der Handel enti- ^^^'*^"
wickelte sich günstig. Für August und September versuchten
die Produzenten einen Preisaufschlag von ca. 16 Mk. pro 100 kg
durchzusetzen. Man zahlte diese Preise nur ungern, und der Konsum
ging dann plötzlich derartig zurück, daß das Geschäft vom Sep-
tember ab sehr danieder lag und man schließlich in kurzer Zeit
Preisrückgänge von ca. 25 Mk. pro 100 kg feststellen konnte,
welche jedoch nicht imstande waren, das Geschäft zu beleben,
da die Abnehmer kein Interesse mehr für diesen Artikel hatten;
denn die Qualität der Limburgerkäse hat sich in den letzten
Jahren ganz erheblioh verschlechtert, d. h. die Käse sind jetzt
geschmacklos, trocken und gleichen fast dem gewöhnlichen
Quadratkäse.
Der erste Monat brachte noch die vorjährigen hohen Preise, Romatour,
und der Konsum wurde dadurch ungünstig beeinflußt. In den
folgenden vier Monaten gingen die Preise um ca. 10 Mk. pro
166
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
100 'kg zurück, und das Geschäft hat sich dann günstig abge-
wickelt Für die nächsten zwei Alonate wurden aber von den
Produzenten wieder erheblich höhere Preise durchgedrückt, wo-
durch der Konsum ungünstig beeinflußt wurde. Man ^var daher
gezwungen, für die letzten drei Monate des Jahres wieder Preis-
abschläge vorzunehmen, so daß der Dezember gegen den Januar
eine Preisdifferenz von 28 Mk .pro 100 kg nach unten ergab,
Der Konsum war mittelmiäßig. Am Schlüsse des Jahres waren
keine großen Läger vorhanden.
Quadratkäse. Quadratkäsc ist mehr für den Konsum der großen Arbeiter-
masse bestimmt, und der Konsum war infolge der schlechten wirt-
schaftlichen Lage für die letzten vier Monate des Jahres immer
schwächer geworden, so daß im Dezember eine Deroute in dieseui
Artikel war, die so geringe Preise gebracht hat, daß der Pro-
duzent bei weitem nicht seine Rechnung finden konnte und die
Ware mit großen Verlustpreisen abgegeben werden mußte. Trotz-
dem ist der Konsujn gering geblieben, so daß man in diesem Ar-
tikel nur von einem ganz schlechten Geschäft berichten kaun.
Quarkkäse. Quarkkäßc hatte in den ersten Monaten noch ziemlich zu-
friedenstellende Preise, jedoch war der Absatz nicht so wie im
Jahre 1912. Die letzten vier Monate brachten ein sehr stilles
Geschäft, dadurch wurde der Preis für das Hohmaterial so stark
heruntergedrückt, wie man es selten erlebt hat. Es wurden die
Preise auch für das fertige Produkt infolge des schlechten Ab-
satzes sehr heruntergesetzt, so daß man am Schlüsse des Jahres
nur Von ganz niedrigen Preisen berichten kann, die nur einen
ganz kleinen Absatz ermöglichten, da auch in diesem Artikel
die Kaufkraft des Arbeiterpublikums fehlte.
ZweiterBericht. Zweiter Bericht.
AUgemeines. Während in den letzten beiden Jahren von allen Seiten über
Futtermangel, Viehseuchen und geringere !Milchproduktion Klage
geführt wurde, ist vom' Jahre 1913 das Gegenteil zu berichten.
Die Futteremte ist durchweg groß ausgefallen, in Schlesien und
in den süddeutschen Staaten beinahe zu reichlich, so daß in
diesen Gegenden zeitweise eine Ueberproduktion in Milch in die
Erscheinung trat. Infolge Daniederliegens des Baug-ewerbes und
der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen fand
eine Einschränkung des Konsums in Käse statt, und es konnte
daher nicht ausbleiben, daß die bisherigen hohen Preise eine erheb-
liche Einbuße erlitten. Der Eückgang machte sich gleich zu An-
fang des neuen Jahres bemerkbar, und wenn auch etwa im Mai/ Juni
eine leichte Besserung eintrat, so war die Abschwächung im
letzten Drittel des Jahres für fast alle Gattungen um so größer.
Die Differenz zwischen den Notierungen zu Anfang und zu
Ende des Jahres betrug je nadh der Gattung 10 — 40 o/o. Durch
die anhaltende rückgängige Konjunktur wurde natürlich der
42. Käse.
167
Nutzen beeinträchtig; doch stieg auf der anderen Seite, ver-
anlaßt durch die billigen Preise, allmählich wieder der Umsatz.
Unter der Ungunst der wirtschaftlichen Lage und den hohen
Notierungen litt vornehmlich der Absatz des Schweizerkäses,
und zwar gleichermaßen das inländische wie das importiertfe
Schweizer Produkt. Im Mai/Juni erhielt der ^larkt plötzlich
eine andere Physiognomie. T)3ls Ausland trat mit ungewöhnlich
niedrigen Forderungen für das Winterprodukt hervor und gab
damit das Zeichen für einen allgemeinen Rückgang. Die Allgäuer
wie die westpreußischen Schweizerkäse büßten dadurch ebenfalls
beträchtlich im Preise ein, fanden dann aber einen besseren
Absatz. Die Notierungen zu Anfang und zu Ende 1913 differierten
bei echtem Eminen thaler um zirka 20 Mk'., bei bayerischem
Emmenthaler und westpreußischem. Schweizerkäse um etwa 10 Mk.
bei 100 kg.
In Tilsiterkäse war der Absatz bis zum Herbst befriedigend,
teilweise sogar flott. Im September/Oktober ging dann der
Konsum in auffälliger Weise zurück und veranlaßte einen be-
trächtlichen Rückgang der Preise. Die Differenz belief sieh auf
zirka loOo.
In Weichkiäse, und zwar in allererster Linie in Limburger
und Romatour, vollzog sich das Geschäft im Berichtsjahre nicht
glatt und brachte besonders dem Engros-Handel empfindliche
Verluste. Der fortwährende Rückgang in den ersten Monaten
wurde im kühlen Juni und August durch eine Aufwärtsbewegung
unterbrochen, im Herbst aber, wo sonst programimäßig die Kon-
junktur einzusetzen pflegt, gingen die Preise Igeg^en alle Erwartung!
stark zurück. Diese Erscheinung dauerte bis zum Schlüsse des
Jahres und führte zuweilen Preisstürze mit sich, wie sie um
diese Jahreszeit in Limburger usw. kaum jemals dagewesen sind.
Bei einem so wohlfeilen Nahrungsmittel fäJlt das bei den miß-
lichen Erwerbs Verhältnissen des w^eniger bemittelten Publikums
und den anderen teueren Lebensmitteln weit mehr auf und findet
nur teilweise seine Aufklärung in der Ueberproduktion. Eine
jgute Durchschnitts wäre in Limburger notierte Ende dieses
Jahres 25—28 Mk. gegen 42—45 Mk. Ende 1912.
In den übrigen Gattungen, wie Backsteinkäse, Quarkkäse, hat
der Absatz bei normalen Preisen den Erwartungen nicht ent-
sprochen. Eine Belebung des Geschäfts konnte auch eine er-
hebliche Preisreduktion, die übrigens ein zu reichliches Angebot
bedingte, nicht herbeiführen. Einen wesentlichen höheren Ver-
brauch hatte der hiesige Platz in Weichkäse nach französischer
Art zu verzeichnen. Das heimische Produkt in seiner jetzigen
Vollendung ist auf dem besten Wege, das französische Fabrikat
zu ersetzen, um so mehr, als es bei g-leicher Güte erhe^blilch
billiger ist.
Schweizerkäse.
Tilsiter Käse.
Weichkäse.
Uebi-ige
Käsegattungen.
168
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
HoUanderKäse. Der echte Holländerkäse hat im Gegensatz zu allen anderen
Grattungen eine nennenswerte Preissteigerung orfahran. Zwar
ist er besonders in Berlin vielfach durch den Tilsiter verdrängt,
wird aber trotzdem noch in großen Posten importiert.
Allgemeines
Inländische
Eier.
Sttd-
russische usw.
Qualitäten.
43. Eier.
Die Wareneingänge des JaJires 1912 waren ein wenig größer
als die des Vorjahres. Die Preise boten kein einheitliches Bild.
Der Durchschnittspreis aller Sorten hat sich um 12,1 Pfg. gegen
1912 ermäßigt, war aber mit 4,324 Mk. für das Schock no-dh
immer recht hoch.
Vollfrische inländische Eier kamen auch im Berichtsjahre,
weil die an den Großhandelsmarkt gelangenden Quantitäten viel
zu gering waren, nicht zur Notiz. Ebensowenig wurden zweit<3
^rten notiert. Solche waren zwar namentlich bei den süd-
russischen Sendungen im Hochsomlmier und Herbst bei jeder Ladung
vorhanden, immerhin aber waren die Eingänge dieser Qualität
an den einzelnen Markttagen keine so erheblichen, daß eine be-
sondere Notiz dafür von den Interessenten beansprucht wurde.
Abweichende Ware gelangte nur einmal ini Mai mit 3 Mk. zur
Notiz. Wenn im Vorjahre das Fehlen der Notierungen für zweite
und abweichende Sorten als durch im allgemeinen gute und
gesunde Qualitäten bezeichnet werden konnte. so kann
dies für das Jahr 1913 nicht mit derselben Gewißheit gesagt
werden. Die Beschaffenheit der W^are ließ zu manchen Perioden,
namentlich in der Üebergangszeit vom Sommer zum Herbst, recht
viel zu wünschen übrig.
Vollfrische ausländische Eier wurden erst in der zweiten
Hälfte des Berichtsjahres notiert und zwar im
Juli August September Oktober November Dezember
4,133 4,291 4,522 5.556 5,95 5,783 M.
das ist gegen die gleichen Monate des Vorjahres
Juli August September Oktober November Dezember
+ 27.2 0 +4,7 + 30.3 -f 23,8 + 2,3 Pf.
Der Durchschnittspreis dieser Qualität stellte sich auf 5,039 Mk.,
d. i. 20,4 Pfg. teurer für das Schock als 1912, und lag diesmal
wieder trotz der hohen Preise, welche auch für normale Sorten
bezahlt wurden, um 82,3 Pfg. über dem Mittelpreise der letzteren,
eine Spannung, welche als eine gewohnte zu bezeichnen ist.
Die Durchschnittsnotierungen für südrussische, bessere und
geringere galizische, ungarische und ähnliche Qualitäten waren
die folgenden:
Jan. Febr. März April Mai Juui Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
4,606 4,293 3,869 3,356 3,489 3,622 3,919 4,034 4,175 4,847 5,169 5,219 M.
das ist gegen das Vorjahr höher (-j-) oder geringer ( — )
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
-68,3 -174,6 -8,1 -36,9 +1,8 +12.8 +28,6 -0,8 -6,1 +15,3 -1,1 +3,1 Pf.
43. Eier. 169
Bemerkenswert sind die sehr erheblidien Preisabschläg^e g'egon
die Preise im Januar und Februar 1912, die damals die Preise
von 191]. fast um die gleiche Differenz überstiegen. Der Durch-
schnittspreis dieser die Grundlage des Handels bildenden Qua-
litäten hat sich auf 4,216 Mk., d. h'. um 19,6 Pfg. niedrij^er;
als 1912, gestellt. Immerhin ist auch dieser Preis noch' als hoch
zu betrachten. Aussortierte, kleine u. dgl. Sorten waren etwas
weniger begehrt als in früheren Jahren und hatten deshalb mit
alleiniger Ausnahme des Monats Juli nur Preisabschläge gegen
1912 zu verzeichnen.
Diesielben notierten im
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
3,711 3,494 3,381 2,925 3,047 3,172 3,472 3,537 3,575 3,987 3,906 3,75 M.
das ist im Verhältnis ztim Vorjahre
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
-12,8 -145,2 -7,2 -31,4 -11 -15 -f32,8 -12,7 -22,4 -2,1 -20,3 -39,1 Pf.
Der D'urchschnittspreis stellte sich auf 3,496 Mk., d. h. 21,4 Pfg.
weniger als 1912. ^
Atich im Berichtsjahre sind rwieder recht ansehnliche Mengen Konservierte
Eier konserviert wtorden, obscihon !die .Prühjahrseinstandsp reise
recht hoch waren. Die Spekulation läßt sich dadurch anschei-
nend aber nicht mehr 'bedenklich machen und hätte dafür diesmal
vielleicht viel Lehrgeld zahlen müssten, wenn ihr nicht gerade
im gefahrdrohenden Mjoment ein ganz .unvorhergesehener Um-
stand zugute gekominen wäre. Dies war das plötzliche Auf-
treten Amerikas als Käufer ia London und an den deutschen
Hauptplätzen — Berlin und Hamburg — und auch in den für
iungeren Markt im Spätherbst namentlich in Betracht kommen-
di>ii Produktionsgegenden, insonderheit in Galizien. Der neue
amerikanische Tarif hat den Zoll atif Eier, der sdhwer ins Ge-
wicht fiel, zlir Aufhebung gebracht und ungünstige Witterungsi-
\ierhältnisi9e hatten die Produktion der Vereinigten Staaten selbsit
sowie in denjenigen Ländern, die isie bisher bei Mehrbedarf zu-
meist mit Eiern versiorgten, derartig eingeschränkt, daß die
(amerikanischen Pirmen sich genötigt sahen, neue Bezugsiquellen
iaufzusiichen. Auf dieöe Weise Vurden im Spätherbsit bereitsi
'ziemlieh deutlich zutage tretende Anzeichen schärferer Preis-
rückgänge vermieden, die Preise für frische Ware konnten sich
gut behaupten und zogen die der Kuhlhaus'- und Kalkeier nach
sich, zumal Amerika weniger frisiche als namentlich Kalkeier
aufnahm. Ob man mit diesem Lande in Zukunft als mit einem
ständigen Käufer ajn europäischen Markte wird rechnen können,
läßt sich nicht absehen, da das ganz von der Stärke der eigenen
Produktion, und in erster Reihe auch derjenigen von Kanada ab-
hängt, das es bisher in großem Maßstabe mit versorgt hat. Neben-
170
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Kühlhauseier.
Kalkeier.
Bahn-Einfuhr
und Ausfuhr.
Verbrauch
Berlins.
bei kajii in früheren Jahren bei außer gewöhnliohem Bedarf \ on
europäischen Eiern für Amerika nur Irland in Beta:aoht.
Auß 1912 waren beine Vorräte von Kühlhauseiem übrig ge-
blieben. Solche kamen daher erst im Oktober des Berichtsjahres
zur Notiz und zwar mit y4,646 Mk. Im November notierten sie
4,672 und im Dezember 4,787. Im Oktober 1912 waren Kühlhaus-
eier noch nidht im Handel. Gegen November bedeutet der vor-
stehend verzeichnete Preis eine Minderung vK>n 11,9 und geg-en
Dezember eiae solche von 5 Pf g. pro Schock. Der Durchschnitts-
preis war. 4,701 Mk.
Die nicht wesentlidhlen Bestände, welche an Kalkeiern aus
1912 übrig geblieben wairen, wurden im Januar mit 4,168 Mk.,
d. h. 17,4 Pfg. höher als 1912, und die Lagerungen aus dem Be-
richtsjahre selbst wurden im Oktober mit 4,186 Mk., im No-
vember mit 4,169 und im Dezember mit 4,154 Mk. bezahlt.
Das sind gegen 1912 Preisminderungen um 12,6, 27,2 und o8,o t*lg.,
trotz des vorstehend Igeschilderten erhebliehen Eingreifens \k)Yi
Alnerika. Der Durchschnittspreis der letzten drei Mionate des
Jahres war für diesen Artikel 4,169 Mk. gegen 4,425 Mk. im
Vorjahre, d. h. um 25,6 Pfg. niedriger. Audh in diesem Jahre
also hat sich der Abstand |z wischen Kühlhauseiern und Kalk-
eiern auf der üblichen Grenze von ca. 50 Pfg. pro Schock bewegt.
Die Bestände, die am Schlüsse des Jahres an konservierten Eiern
blieben, waren unter den igeschilderten Umständen nur gering.
Auf den lq Berlia 'müjidenden Bahnen wurden 1913 43 270 421
Kilogranar- = 11538 779 Schock gegen 11418 589 Schock, d. h.
120190 Schoök miehr als 1912 eingeführt. Der Wert der Einfuhr
stellte sich, zum Gesamtpreise aller amtlich notierten Sorten be-
rechnet, welöher 4324 Mk. Var, auf 49 893 680 Mk. gegen 50 755 628
Mark, d. h. 861 948 Mk. weniger als im Vorjahre. Ausgeführt
wurden 3 875 440 kg = 1033 450 Schock gegen 876173 Scliock
bzw. 157 277 Schjock mehr laJs im Vorjahre. Der Wert der Aus-
fuhr stellte sich auf 4 468 637 Mk. gegen 3 894 588 Mk., d. h.
574 049 Mk. mehr als 1912. Die Mehrausfuhr dieses Jahres
gegen das Vorjahr ist wohl ausschließlich auf die amerikanischen
Bezüge zurückzuführen. Berlin hat solchergestalt zum ersten
Male seit einer längeren Heihe von Jahren wieder einen nennens-
•weopten Transitverkehr aufzuweisen gehabt.
Der Verbrauch Groß-Berlins selbst betrug 39 394 981 kg
gleich 10 505 329 Schock gegen 10 542 416 Schock, d. h. 37177
Schock weniger als 1912, und stellte zum Durchschnittspreise
von 4324 Mk. einen Wert von 45 425 043 Mk. dar gegen
46 861039 Mk. bzw. 1435 996 Mk. weniger als im Vorjahre.
Die wichtigsten Ziffern der Statistik des Berliner Eier-
großhandels enthalten die folgenden Ziffern über Preise, Zu-
fuhr, Ausfuhr und Konsum Berlins.
44. Speck.
171
Durchschnittspreise für frische, d. h. nicht konservierte Eier von normaler Größe
im Berliner Großhandel (in Pfennig für ein Schock).
ur
Januar
Febr. ! März | Aprü
Mai
Juni
Juli
August Sept. j Oktob.
Nov.
Dez.
Jahres-
Durchschn.
)9
r531.7
518.8
414.8
372.9
317.6
337.0
337.4
339.4
372.2 401.0
468.5 462.2
393.8
0
357.3
367.0
337.9
307.1
304.3
315.6
323.8
330.5
399.0 454.6
472.3 456.6
368.8
1
454.6
480.8
370.2
330.2
329.4
329.4
336.8
379.2
406.2 424.4
432.3 ! 455.8
394.1
2
528.9
603.9
395.0
372.5
347.1
349.4
363.3
404.2
423.4 469.4
518,0 518.8
441.2
3
460.6
429.3
386.9
335.6
348.9
362.2
391.9
403.4
417.5 484.7
516,9
521.9 1
421.6
Tab. 8
Berlins Einfuhr, Ausfuhr und Konsum von Eiern in
Jahren 1909—1913.
den
Jahr
Einfuhr
Schock
Ausfuhr
Schock
Konsum
Schock
£Z^: 1 Wert der
'treJs ^^^^^
Mark Mark
"Wert des
Konsums
Mark
1909
1910
1911
1912
1913
11 146 152
11 143 117
11418 485
11418 589
11538 779
643 130
779 835
977 423
826 173
1 033 450
10 503 022
10 463 282
10 441 062
10 542 416
10 505 329
3,938
3,682
3,900
4,445
4,324
43 893 546
41 397 157
44 532 091
50 755 628
49 893 680
41 360 900
38 525 805
40 720 141
46 861039
45 425 043
44. Speck. .
Die Fleisohnot im Jahre 1912 machte im Berichtsjahre,
besonders auf dem Schweinemarkte, einer kleinen Erleichterung
Platz. Geht man aber den Ursachen auf den Grund, so sind
diese nicht in einer vergrößerten Schweinezucht, sondern in einem
infolge der allgemeinen schlechten wirtschaftlidhen Verhältnisse
eingeschränkten Fleischkonsum und in den seitens der Eegierung
den Kommunen und Wohlfahrtsanstalten gemachten Einfuhr-
er leicht er im gen geschlachteten Viehs zu suchen. Am Berliner
Viehhof sind im Jahre 1913 an 91 Markttagen 1 399 657 Schweine
gegen 1493 783 im Vorjahre aufgetrieben worden, was der Stück-
zahl nach eine Verringerung von ungefähr 7 o/o bedeutet. Trotz-
dem war die Tendenz eine weichende. Es notierten am Berliner
Viehhof prima Schweine Anfang Januar 1913 83 — 84 Mk. für
100 Pfund Schlachtgewicht, um dann langsam weichend Anfang
Juni ihren Tiefstand von 64 — 66 Mk. zu erreichen. Im Laufe
des Monats Juni befestigten sich die Schweinepreise bis auf
70 — 71 Mk., und sie setzten die Steigerung bis Anfang August
in schärferem Tempo bis auf 79 — 80 Mk. fort. Seit dieser Zeit
ist die Tendenz langsam weichend, und prima SdhWeine kostet/cn
Ende Dezember 67—68 Mk.
Die Fabrikation und der Handel mit Speck hatten im ganzen
Jahre einen schweren Stand. Im ersten Semester, welches insa
besondere der Aufspeicherung von Vorräten in Bauchspeck dient,
konnte eine rentable Eindeckung nicht erfolgen. Bei guter Be-.
schäftigung der Industrie ist frisches Schweinebauchfleisch zu-
gunsten anderer Fleisch teile wie Karbonade, Kamm, Schinken
usw. im Fleischhandel von den Schweinefleisch konsumierenden
Volksklassen weniger begehrt und zu niedrigeren Preisen für dir
Schweine-
preise.
Speckmarkt.
Erstes
Halbjahr.
172 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
SpeckfahrLkation erhältlich. In diesem Jahre kleinen Verdienstes)
war aber frisches Bauühfleisch, weil billiger als andere Fleisch-
teil'e, für den Küchenbedarf sehr begehrt, und für diesen Artikel
mul3ten infolgedessen auch von der Speckfabrikation höhere Preise
bewilligt werden. Die Nachfrage nach gesalzenem Bauch- und
Rückenspeck war während dieser ganzen Zeit gering. Dem vor-
handenen Bedarf brachte der Hamburger Markt dauernd Offerten
entgegen, die weit unter hiesigem Einstand lagen. Lieferungs-
abschlüsse in Speck waren zu angemessenen Preisen nicht zu
ermöglichen, und bis in den Mai hinein blieben die hiesigen Vor-
räte gering. Erst im Mai und Juni wurde das Salzgeschäft bei
mäßigen Preisen für frische Bäuche und Rücken lebhafter, und
da allseitig das Bestreben herrsehte, die Läger etwas aufzufüllen,
hoben sich die Einstandspreise für Bäuche vorzeitig schnell, um
im Juli den ungewöhnlich hohen Stand von 75 Mk. zu erreichen.
War das Geschäft in gesalzenem Speck bis dahin leblos, so setzte
jetzt plötzlich eine große Nachfrage nach sämtlichen Sorten Speck
für den zu erwartenden Bedarf der Herbstmonate ein. Die kleinen
Speckvorräte sowie die stark angestiegenen Preise für frische
Bäuche und Rücken einerseits, andrerseits die schlechten Erfah-
ruQgen de«; Vorjahres mit Lieierungskäufen machten die Speck-
fabrikanten vorsichtig und mit Verkäufen zurückhaltend, so daß
diese manche gute Verkaufsgelegenheit verpaßten. Die Hoff-
nungen auf gesteigerten Herbstbedarf waren aber trügerisch. Der
erwartete große Konsum T>lieb aus, so daß die Preise für gesalzenen
10/16er Bauchspeck von Ende Juli mit 85 Mk. und gesalzenen
18/24er Rückenspeck init 75 Mk., während der Hauptbedarfszeit
im Oktober auf 75 Mk. bzw. 68 Mk. als Folge eines ungewöhnlich
kleinen Bedarfs zurückgingen.
Preise. Die Preise der beiden Standardsorten, 10/15er gesalzene Bäuche
und 18/24er gesalzene Rücken, im hiesigen Großhandel waren
folgende :
Tab. 79. Berliner Großhandelspreise für Speck i. J. 1913 (in Mk. für 50 kg).
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
Bäuche 80 76 78 76 68 66 70—75 80—85 75 72 75 66
Rücken 77 74 75 72 66 64 66 72 70 68 68 62
Unter solchen Umständen lag für den Import von Speck kein
Interesse vor, znmal die Auslandspreise wegen des hohen Ein-
gangszolles keinen Nutzen ließen. Vereinzelte Lieferungskäufe
von amerikanischem Rückenspeck (short fat backs), welche im
Frühjahr aul' Basis 52 Mk. pro 50 kg, erste Kosten, cif Ham-
burg, auf die Sommermonate getätigt wurden und auf 74 Mk. ein-
standen, erzielten wenig Nachfrage und brachten Verlust.
Mittel zur Theoretische Untersuchungen allein vermögen die Schweine-
derpISe?^ preise nicht zu beeinflussen. Günstige Verkehrs- und Transport-
verhältnisse und eine große Konkurrenz sind die einzigen Fak-
45. Därme. 173
toren, welche dem Konsum das vorhandene Produkt zu mäßigen
Preisen zuführen. Sind die allgemeinen Erwerbsverhältnisse
günstig, so werden auch höhere Fleisdhpreise leichter über-
*wuiiden. Die Zeiten der einfachen Lebensgewohnheiten und einer
anspruchslosen Lebensführung, besonders in der Küche, haben
erhöhten Ansprüchen an Speise und Ttank Platz gemacht und
den Bedarf in hochwertigen Fleischteilen des Schlachtviehs ge-
steigert. Hält die Viehproduktion mit dem Konsum nicht gleichen
Schritt, so werden Beratungen allein zur Verbilligung der Fleisch-
nahrung nicht beitragen. Größere heimische Schweineprodiiktion
muß die Richtlinie Deutschlands bleiben. Die Industrialisierung
der Schweinezucht bei zollfreier Einfuhr von Futtermitteln würde
diese Bestrebungen am wirksamsten fördern. Die ungünstigen
Verhältnisse, mangelhafter Verdienst und ungenügende Fleisch-
produktion fördern die moderne Nahrungsmittelindustrie unwirt-
schaftlicher Surrogate, welche durch eine große Eeklame und
verteuernde, dem Auge gefällige Verpackung in den Verkehr
gebracht w^erden. Der Kochunterricht in den Schulen sollte es
sich angelegen sein lassen, dem Küchenzettel die Verwendung von
Hülsenfrüchten — Graupen, Grützen, Griesen — , E^üben, Ge-
müsen und Knollengewächsen, welche Deutschland reichlich pro-
duziert, sowie von tierischem Fett (Schweine, Rind und Hammel)
zwecks Herstellung kräftiger, schmackhafter und preiswerter
Mahlzeiten einzureihen. Hiermit wäre der Allgemeinheit jetzt
und zukünftig, besonders aber in Zeiten geringen Verdienstes,
gedient.
45. Därme.
Auch im abgelaufenen Jahr war die Lage des Darmmarktes Allgemeines,
ungünstig und der Geschäftsgang wenig befriedigend, weil die
Viehknappheit und die hierdurch bedingte Fleischteuerung des
Jahres 1912 im Berichtsjahre weiter anhielt. Die von der Staats-
regierung zugelassene Fleischeinfuhr aus Holland und Rußland
konnte einen Einfluß auf die Preisgestaltung nicht ausüben,
denn sie war infolge der harten Bestimmungen des Fleisch-
beschaugesetzes und der bedingten Eüifuhrerlaubnis nur gering.
Da Därme ausschließlich für die Herstellung von Wurst Ver-
iwendung finden, die Wurstindustrie jedoch wegen der zu hohen
Fleisdhpreise nun schon seit einigen Jahren danieder liegt, so
gestaltete sich der Darmhandel recht schwierig. Auch der
^Konsum an Wurst ist zurückgegangen, nicht zuletzt durch die
ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, da das große Publikum
sich Einschränkungen in der Lebenshaltung auferlegen mußte.
Viele Zahlungseinstellungen bei AVurstfabrikanten und Darm-
händiern waren die Folgen. Dauerwurst wurde wenig hergestellt,
und die Därme, welche hierzu verwendet werden und sonst sehr
begehrt waren, mußten im Preise zurückgehen. Wenn auch diese
Preisrückgänge an sich nicht allzu bedeutend waren, so bewirkte
174
IL Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Gesalzene
Därme.
Rmderdärme.
Schweins-
därme.
Schafdärme.
dieses einerseiis der große Verbrauch im Auslande, andererseits
die geringere Einfuhr aus Argentinien, woselbst die Schlachtungen
ganz erheblich zurückgegangen sind. Da auch die Schlachtungen
in anderen Ländern gegen das Vorjahr zurückblieben, waren
die Einkaufspreise im Darmhandel allgemein hoch.
Gesalzene nordamerikanische Mitteldärme büßten im Laufe
des Jahres 12 o/o ein, hingegen konnten südamerikanische Mittel-
därme ihre Preise behaupten, weil diese Qualität sehr in Auf-
nahme gekommen ist und infolge der geringen Schlachtungen
die Abladungen sofort Aufnahme fanden. Die Preise für andere
Provenienzen gaben nur wenig nach', enge Sorten waren ver-
nachlässigt. — Kranzdärme guter Qualitjät waren stets gefragt
und erzielten allgemein höhere Preise; neben den engeren Sorten
war extra weite Ware besonders gesucht. — Die vorjährige
Knappheit in Binderbutten hielt weiter an, und die gegenwärtigen
Preise müssen als recht hodh bezeichnet werden. Da die Reichs-
behörde die Wiedereinfuhr von Schweinemagen, welche für manche
AVurstsorten als Eröatz für Butten dienen könnten, abgelehnt
hat, ist die große Nachfrage erklärlich, zumal Nordamerika, das
iHauptproduktionsland, fast alle Butten sielhst verbraucht. —
Goldsehlägerhäutchen wurden zu hohen Preisen In guter Qualität
stets verlangt, weil sie namentlich in großen Mengen für die
Herstellung der lenkbaren Luftschiffe benötigt werden.
h\ gekratzten Schweinsdärmen war das Gesehäft ungünstig.
Zwar behaupteten amerikanische Pfundschweinsdärme in enger
Sortierung die vorjährigen Preise, weil hierin die Zufuhren nur
klein sind. Mittelweite und weite Sortierungen waren indessen
verna^chlässigt. Vor allem aber bewirkte die Ueberproduktion
chinesischer Schweinsdärme, welche wegen ihrer zähen Darm-
wandung nicht im gleichen Maße wie früher gekauft werden,
einen wenn auch kleinen Preisrückgang für deutsche und dänische
Ware. Die Preise für Schweinsdärme mit Bändel und solche
mit Fett waren im Gegensatz zu fmheren Jahren g-edrückt, und
der Absatz war infolgedessen schleppend. — Krausedärme lagen
unverändert und waren im Sommer vernachlässigt. — Fettenden
konnten sich im Preise nicht erholen, da sie für Ex^hwurst nicht
im gleichen Maße wie früher verwendet werden. — Weite Naoh-
enden waren gesucht.
Jii sortierten Saitlingen lag das Geschjäft unverändert.
Engere AVare war besonders gefragt, weil die Würstchen-Fabri-
kanten gezwungen sind, diejenigen Würstchen, welche zu be-
stimmten Preisen und pro Stück verkauft werden, in kleinerem
Gewidhrxi herzustellen; daher war im Inlande die weitere Ware
reichlicher angeboten. Für Original-Saitlinge herrschte im Groß-
handel feste Tendenz; denn der Export nach Amerika in extra
weiter Ware lag unverändert günstig. — Hammelbutten und
-kappen waren Värhrend des ganzen Jahres lebhaft gefragt und
45. Därme.
175
erzielten nocli nie dagewesene Preise, namentlich in weiter Ware,
da solche als Ersatz für kleine Einderbutten gebraucht wird.
Trockene Mitteldärme, welche ausschließlich für Hausschlach-
tunged verwendet werden, waren nur in weiter Ware begehjrt,
die Preise hierfür zogen etwas an, weil sich nur wenige Fabri-
kanten infolge der hohen Preise für das ExDhmaterial mit der
HeTstellung dieses Artikels befassen. — Reöht gut lag das Ge-
schäft in allea Sortierungen trockener Kranzdärme, namentlich
durch die Nachfrage des Auslandes. Die Preise zogen daher um
ca. 10 o/o an. — Auch getrocknete E-inder- und Hammelbutten
waren knapp und wurden schlank zu guten Preisen aus dem
Markt genommen.
Von Blasen waren nam'cntlich Rindblasen begehrt, da Nord-
amerika diesen Artikel fast gar nicht mehr exportiert und auch
Rußland ihn mehr und mehr im eigenen Lande gebraucht Das
Angebot genügte daher bei weitem nicht der Nadhfrage, das
gleiche ist über Kalbs- und Schweinsblasen sowie über Schlünde
za beridhten. Die Preise zogen um ca. 10 o/o an.
Auch die Preise für Kälbermagen sind um ca. 10 o/o ge-
stiegen. di:3 Eingänge wurden stets von der Käselab-Industrie so-
gleich aufgenommen. Deutsche Kälbermagen wurden an Zahl
weniger zubereitet, weil es rentabler war, sio zum Gekröse zu
verwenden.
Die Notierungen für Pansen und Schwarten waren unge-
heuer hoch und standen in keinem Verhältnis zu ihrem Nährwert.
Der Leberhandel bot das übliche Bild; in der kälteren
Jahreszeit herrschte besondere Knappheit, und die Preise waren
so hoch, daß sie der Wurstindustrie keine Rechnung ließen.
Die Einfuhr war bis Ende September um 3 o/o geringer als
im Vorjahre, die Ausfuhr hingegen um 41/2 o/o höher; diese Zahlen
beziehen sich jedoch nur auf das Gewicht der Sendungen, da die
AVerte bei der Ein- und Ausfuhr nur geschätzt werden.
Da die vom Reichstage angenommene Resolution Ablaß und
Genossen — wonacli selbständig leicht zu untersuchende Organe
(Lebern und Zungen) die Ausnalime zum. § 12 des Fleischbeschau-
gesetzes gleich Schinken, Speck und Därmen bilden sollten —
eine Gesetzesänderung bisher niöht herbeigeführt hat, so baten
Jdie Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin und auch der
Deutsche Fleischer -Verband den Herrn Reichskanzler unter
eingehenden Begründungen um die bezügliche Gesetzes-
Aendeiung. Die Verhältnisse sind tatsächlich unhaltbar ge-
w^orden. Der Wurstindustrie wäre mit einer erleichterten Leber-
einfuhr sehr gedient ; die Angelegenheit ist indessen in hohem
Maße auch eine volkswirtschaftliche, deshalb ist es wünschens-
wert, daß die Reichsregierung sich den berechtigten Wünschen
des Parlamentes und der Interessenten nicht weiter verschließt,
Trockene
Därme.
Rinderdäime.
Schlünde
und Blasen.
Kälbermagen.
Pansen
und Seh fr arten.
Lebern.
Ein-
und Ausfuhr.
Verschiedenes.
176
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
vielmehr nach, den Anträgen der genannten Körperschaften eine
Abstellung der herrschenden Mißstände ehestens herbeiführt.
Frische Fische.
Witterungs-
einflfisse.
KleinhandeL
Aale.
46. Fische und Schaltiere,
a) Frische Fische.
Wie im Jahre 1912, so wurde auch im Jahre 1913 das
Fischgeschäft von den schlechten Witterungsverhältnissen un-
günstig beeinflußt. Nach einer kurzen Kälteperiode im Januar
setzte bald milderes, wenn auch keineswegs warmes und zeit-
weise sehr stürmisches Wetter ein, was eine ergiebige Ausbeute
der Eisfischerei in den letzten Wintermonaten nicht zuließ.
Auch im Frühjahr folgte einigen warmen Tagen, während
welcher plötzlich stärkere Zufuhren an den Markt kamen, ein
erheblicher Temperatursturz, der bis zum Mai anhielt und aus-
reichende Fänge in der Wildfischerei vollkommen unterband.
INTicht allein die Wildfischerei, sondern auch' die Teichwirt-
schaft hatte unter der Ungunst des kalten Wetters im Frühjahre
zu leiden. Die überwiegend naßkalten Sommermonate fügten
weitere Schäden vornehiü.lich der Teich^rtsdhaft zu, und die
folgenden warmen Herbstwochen konnten die schädigenden Ein-
flüsse des Sommerwetters und des kalten Frühjahres nicht
wieder wettmachen. Die während des kühlen Sommerwetters
ungenügende Gewichtszunahlne konnte selbst die reichliche
Nahiungsannahme in den warmen Herbstwochen nicht voll
ersetzen. Das Ergebnis der geschilderten W^itterungseinflüsse
auf die Teichwirtschaft spiegelt sich wider in dem um durch-
schnittlich 25 o/o geringeren Zuwachs der Teichfische und einem
oftmals beträchtlichen Ausfall an der Stückzahl der Satzfische.
Gerade für die begehrtesten Fischarten zeitigte die häufig
durchaus ungenügende Zufuhr recht hohe Preise, was, zumal
sich die flaue und zurückhaltende Geldlage des Weltmarktes
auch im Fischgeschäft hemmend fühlbar machte, einen flotten
Handel nicht aufkommen ließ.
Der Kleinhandel stand unter dem Druck hoher Einkaufs-
preise und eines unverhältnismäßig geringen Nutzens an dem
.Wiederverkauf. Dies gilt sowohl für Süßwasserfische als auch
für Seefische, und zwar für erstere in verschärftem Maße.
Infolge der an allen Plätzen einsetzenden Propaganda für den
geefischkonsum gestaltete sich der Absatz der Seefische für
den Kleinhandel immerhin noch gewinnbringender als der Ver-
kauf der Süßwasserfische, und demzufolge gelangte der Seefisch
schon mehrfach in bevorzugter Weise zum Angebot. Ueber
Markt- und Preislage einzelner Fischarten ist im besonderen
kurz folgendes zu erwähnen:
Bei den allgemein geringen Zufuhren zu Beginn des Jahres
muß als bemerkenswert eine reichlichere Zufuhr in unsortierten
46. Fische und Schaltiere.
177
uiid mittleren Aalen verzeichnet werden. Diese Eingänge wurden
zu guten Mittelpreisen abgesetzt. Starke Aale, welche fast
während des ganzen Jahres knapp eingingen, waren zeitweise
sehr begehrt und wurden außerordentlich hoch bezahlt. Mittel-
aale waren besonders im Mai bei hohen Preisen sehr gesuöht.
Die Aalpreise gingen erst während der kalten Regentage in
der ersten Hälfte des Monats August besonders für unsortierte
und kleinere Fische zurück, und die Preise besserten sich nament-
lich für mittlere und starke Aale, da größere Zufuhren in
dänischen und schwedischen Aalen fast gänzlich fehlten, in
■den Herbstmonaten auf und blieben bis Jahresschluß unver-
ändert hohe.
Hechte, in deren Laichperiode die Karwoche fiel, gaben
erst nach dem Osterfeste auf kurze Zeit, infolge durchweg
stärkerer Zufuhren, im Preise nach. Gegen Ende April, un-
mittelbar vor den jüdischen Feiertagen, zogen die Hechtpreise
'bei reger Nachfrage wieder an und blieben bis in den Spätherbst
fliinein recht befriedigend, teilweise sogar sehr hoch. Im
November gingen die Preise namentlich für unsortierte und
größere Hechte bei stärkeren Zufuhren und ruhigem Geschäfts-
gänge zurück, und in dieser Zeit waren nur kleine, sogenannte
Bratheöhte begehrt und gut bewertet.
Zander einheimischen Ursprunges wurden im allgemeinen
mäßig zugeführt, und namentlich in der Karwoche und vor
den jüdischen Feiertagen konnte der in diesen Fischen vor-
handene Bedarf nicht annähernd gedeckt werden. Die Preise
hielten sich mit geringen Schwankungen in mittlerer Höhe. Im
Herbst gingen sehr reichliche Zufuhren in kleinen Haffzandern
ein, die zu sehr billigen Preisen gehandelt wurden.
Weißfische wurden besonders in den bevorzugten Größen
fast während des ganzen Jahres nur mäßig zugeführt, und zu
recht befriedigenden, teilweise sogar recht hohen Preisen ab-
gesetzt. Ein Preisabschlag trat nur vorübergehend bei stärkerer
Anfuhr unmittelbar nach Ostern ein. Seht erheblich gingen die
Preise für Plötzen in der Laichperiode zurück, und blieben bis
.Mitte Mai niedrig. Sehr gut, teilweise sogar hodh bewertet
wurden gutlebende Barse und Karauschen, welche sich immer
mehr den Berliner Markt erobern. Bleie wurden namentlich'
in größeren Fischen und unmittelbar vor dem Silvestergeschäft
auch in kleineren Fischen zu recht annehmbaren Preisen ge-i
handelt. Hierbei sei noch erwähnt, daß neben Bleien auch
Plötzen in der Silvesterwoche am Berliner Markt sehr begehrt
sind. In der irrigen Annahme, daß Plötzen ebenso im Weih'-/
nachtsverkehr sehr gefragt sein würden, wurde der Markt zu
dieser Zeit bereits außerordentlich mit Plötzen belegt, was in
den letzten Tagen vor dem Weihnaohtsfest einen Preissturz
«erl. Jahrb. f. Hanrlel u. Ind. 1913. II. 12
Hechte.
Zander
Weißfische.
178 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
für Plötzen zur Folge hatte. — Quappen kamen wiederum
nur in sehr geringen Quanten an den Berliner Markt und wurden
bei Vorkommen sehr gut bezahlt.
Teichfische. Wie schon oben erwähnt, zeigte sich die nachteilige Wirkung
der ungünstigen Witterung für die Teichwirtschaften in einem
um durchschnittlich 25 o/o geringeren Abwuchs und einem er-
heblicheren Ausfall bei der Stückzahl der Satzfische. — Forellen,
vom Auslande reichlich eingeführt, wurden zu festen Preisen
gehandelt. — Schleie gingen in den ersten Monaten, nament-
lich in unsortierten Größen, reichlicher ein und wurden zu
festen, bei nachgebender Zufuhr anziehenden Preisen gehandelt.
Portionsschleie blieben anfangs knapp, und wurden mit geringen
Abweichungen fast zu allen Zeiten im Kauf bevorzugt. Im
allgemeinen war die Preislage für Schleie in dem Berichtsjahre
eine durchweg günstigere als im Vorjahre. Besonders begehrt
und hoch bewertet wurden Schleie während der Frühjahrs- und
ersten Sommermonate, sodann auch vorübergehend im Herbst.
insbes-Karpfen. Karpfen standen, da nur kleine Restbestände aus der vor-
jlährigen Saison verblieben waren, zu Beginn des Jahres in
geringen Quanten zum Verkauf, und wurden bei reger Nach-
frage hoch bezahlt. Bemerkenswert war die wider Erwarten in
der Karwoche einsetzende reichlichere Zufuhr in Spiegel- und
Schuppenkarpfen in allen Größen, die bei der äußerst knappen
"Zufuhr in allen übrigen Fischarten zu festen Preisen flott ab-
gesetzt werden konnte. Nach dem Osterfeste blieben Karpfen
bis zum Einsetzen der Frühabfischungen knapp, und kleinere
Eingänge aus Wildgewässern wurden hoch bewertet. Die bereits
Ende Juli einsetzenden Zufuhren in Frühkarpfen brachten hohe
Preise Die günstige Preislage hielt sich bis Ende August, wo
infolge stärkerer Anfuhren die Preise etwas zurückgingen. Ein
erheblicherer Preisabschlag trat erst bei den allgemein ein-
setzenden Abfischungen und den demzufolge den Bedarf über-
steigenden Zufuhren Anfang Oktober ein, und die Karpfen-
preise besserten sich dann bis zum Einsetzen der Hochsaison
nicht mehr wesentlich auf. Noch immer verfügen einige Teich-
wirtschaften mit recht beachtenswerten Produktionen nicht über
ausreichende Hälteranlagen, um die Karpfen nach den Ab-
fischungen stapeln und der Nachfrage entsprechend zu einer
günstigen Konjunktur verwerten zu können. Gerade von diesen
Teichwirtschaften werden die Produktionen zu einer Zeit, da
der Markt, wie z. B. während der Wild- und Geflügelhochsaison
im Oktober und November, für Fische am wenigsten aufnahme-
fähig ist, zum Verkauf gebracht. Von Mitte Dezember ab
wurden Karpfen in größeren Quanten, wenn auch nicht über-
reichlich, zugeführt. Der Weihnachtsbedarf konnte am hiesigen
Platze ohne Schwierigkeiten gedeckt werden. Auch den An-
forderungen zu Silvester konnte im allgemeinen genügt werden,
46. Fische und Schaltiere. 179
da infolge des an den beiden letzten Tagen des alten Jahres
herrschenden außerordentlich starken Schneefalles sowohl der
Straßen-, als auch der Gelegenheitshandel mit Karpfen beinahe
ganz ausgeschaltet bzw. nur auf ein ganz Geringes beschränkt
war. Wäre letzteres nicht der Fall gewesen, so würde wohl
mit einem Mangel an Fischen zu rechnen gewesen sein. Immer-
hin knapp waren Karpfen mittlerer Größe und kleine Karpfen,
während, ähnlich dem Vorjahre, wiederum große Fische, ent-
gegen der anfänglich allgemein gehegten Befürchtung, gerade
zu Silvester vollauf zur Verfügung standen. Die Preise im
Großhandel waren sowohl zu Weihnachten als auch zu Silvester
durchschnittlich hoch, und ganz besonders am 30. und 31. Dez.
wurden kleine Fische verhältnismäßig über Wert bezahlt. — Im
Kleinhandel, welcher sich bei den hohen Einkaufspreisen nur
vorsichtig eingedeckt hatte, verlief das Geschäft ruhig, wozu
einerseits die hohen Preise, andererseits die Ungunst der Witte-
rung beitrug. Der seßhafte Kleinhandel war insofern günstiger
daran, als die freie Konkurrenz fehlte, und er konnte dem-
zufolge im allgemeinen seine, wie vorerwähnt, nicht überreich-
lichen Bestände glatt räumen. — In toten Karpfen herrschte
bei nur sehr geringer Zufuhr aus Rußland und dem gänzlichen
Fehlen rumänischer Fische, großer Mangel, so daß die nicht
allzu reichlichen Bestände einheimischer toter Karpfen selten
hoch bewertet wurden und im Preise kaum hinter den lebenden
Fischen zurückstanden. — Das in der städtischen Fischauktion
zu Berlin in der Saison vom August bis einschließlich Dezember
1913 umgesetzte Quantum Karpfen belief sich auf 3276 Zentner.
Die Preise für die marktgängigsten Sortierungen waren in der
Weihnachts- bzw. Neujahrswoche in Mark pro 50 kg folgende:
Lebende Spiegelkarpfen, 20— 30 er 90—103
„ „ 30— 40er 86—97
40— 50er 85—94
50— 100er 90—94
Lebende Schuppenkarpfen, 20— 30er 90—99
30— 40er 89—92
40- 50er 82-87
50— 100er 79—87
Lebende Spiegel- und Schuppenkarpfen gemischt, 20 — 30er . . 95 — 98
„ 30— 40er . . 86—96
„ „ „ ,40— 50er . . 86—93
50- 100er . . 79—92
Die monatlichen Umsätze lebender Karpfen stellten sich
wie folgt:
im August und September 1913 auf . . 588 Zentner
„ Oktober 1913 auf 515
„ November 1913 auf 411
„ Dezember 1913 auf ♦ 1762
Zusammen 3276 Zentner
Auf Auslandsware entfielen von den obigen Quanten ins-
gesamt 270 Zentner.
12*
180
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Seefische.
Ausländische
Zander.
Lachse.
Krebse.
Der Handel mit Seefischen spielte sich mit geringen Schwan-
kungen im Eahmen des Vorjahres ab. Auch der Seefischhandel
ist vollkommen abhängig von der jeweiligen Witterungslage,
indem stürmisches Wetter den Fang zeitweise vollkommen unter-
bindet und ein plötzliches Emporschnellen der Preise bewirkt.
Es regeln sich demzufolge, besonders auch in Seefischen, die
Preise vollkommen nach Angebot und Nachfrage. Infolge der
stürmischen Witterung zu Beginn des Berichtsjahres und der
Früh Jahrsstürme gingen Seefische zeitweise sehr knapp ein, und
der vorhandene Bedarf konnte trotz günstigster Preislage nicht
gddeckt werden. Die an den Markt kommenden Qualitäten waren
durchweg gut, und nur vorübergehend machte sich, bei knappen
Fängen u. d während der Sommermonate, ein Mangel an erst-
klassigen Fischen bemerkbar. Besonders begehrt waren wiederum
Schellfische, Kabliau, Rotzungen und kleine Schollen (Flundern).
Schellfische in erstklassiger Qualität waren fast das ganze Jahr
hindurch knapp und erzielten zeitweise recht günstige Preise.
Seefische erfreuen sich Dank der zielbewußten Propaganda
unter den Konsumenten zunehmender Beliebtheit, zum Vorteile
unserer gesamten Hochseefischerei. — Die wertvolleren Seefisch-
arten blieben im Preise nach wie vor hoch, was besonders für
bevorzugte Größen und erstklassige Qualitäten gilt. Vorüber-
gehend reichlich eingehende kleine Steinbutten wurden ihrer
nicht begehrten Größe wegen zu recht wohlfeilen Preisen ge-
handelt. — Die gewöhnlicheren Seefischarten waren wiederum
fast durchweg in kleineren und kleinen Größen am reichlichsten
vorhanden.
Russische und auch gefrorene persische Zander gingen erst
in den letzten Monaten des Berichtsjahres in reichlicheren
jyi engen, jedoch zum Teil nicht in den gewohnten guten 'Quali-
täten, ein. Russische Zander in la - Qualitäten .und bevorzugten
Größen wurden gut bezahlt, mindere Qualitäten waren indessen
selbst bei wohlfeilen Preisen sch'wer abzusetzen.
In gefrorenen Lachsen beherrschten Steelhead- und Amur-
lachse den Markt, während Silverside und Puget-Soundlachse
weniger reichlich angeboten wurden. Steelhead- und Amurlachse
gelangten vorwiegend in wenig gesuchten Größen und häufig
auch IIa - Qualitäten an den Markt, und mußten bei schwacher
Nachfrage und schleppendem Geschäftsgange zeitweise zu sehr
niedrigen Preisen abgesetzt werden. Einheimische frische Lachse,
wie auch solche aus Norwegen und Schweden, gingen nur zeit-
weise reichlicher ein und wurden namentlich in den gesuchten
Größen recht hoch bewertet.
Im Krebsgeschäft war zu Beginn der Hochsaison Anfang-
Mai infolge des kühlen Wetters der Bedarf nicht erheblich
und die Preise demzufolge nur mittlere. Vor dem Pfingstfest
.trat eine rege Nachfrage ein, die hohe Preise zeitigte. In
46. Fische und Schaltiere.
181
großen Krebsen konnte der vorhandene Bedarf während der
Hochsaison im Mai und Juni nicht annähernd gedeckt werden.
In den übrigen Größen war die Zufuhr sowohl in Edel- als
auch galizischen Krebsen (Sumpfkrebsen) ausreichend. Galizisdhe
Krebse wui'den besonders in den Wintermonaten reichlicher als
sonst zugeführt.
Der Jahresumsatz in lebenden und toten Fischen durch die
Fisehauktion in der städtischen Zentralmarkthalle belief sich'
auf zirka 37 868 Zentner. Von diesem Umsatz kommen auf
lebende Flußfische zirka 14 341 Zentner, auf tote Fluß- und
Seefische zirka 23 527 Zentner. Zu bemerken ist, daß mindere
Qualitäten sowie korb- bzw. kistenweise verkaufte Fische in
vorstehenden Umsatzziffern nicht enthalten sind.
Die monatlichen Durchschnittpreise ergibt die nachstehende
Tabelle:
Umsätze.
Tab.
MonatHche Durchschnittspreise für Fische im Jahre 1913 (pro 50 kg in Mark).
Jan. I Febr. j März [ April 1 Mai
Juni
Juli I Aug. j Sept. I Okt.
Nov. Dez.
Hechte ....
n groß . .
Schleie. . . .
Karpfen, grofs .
„ mittel
,. klein .
., unsortiert
Aale, groß . .
„ mittel . .
„ klein . .
„ unsortiert
Zander . . .
Plötzen . .
Barse . . .
Bleie . . .
Bunte Fische
Roddow . .
Aland . . .
Quappen . .
Karauschen .
113,0
95,1
101,1
92,0
81,0
79,5
86,0
101,1
100,5
98,2
133,7
50,8
87,0
56,2
54,9
54,1
63,5
59,1
99,6
a)
108,7
70,9
114,1
87,9
89,0
88,0
90,3
117,0
112,0
95,3
100,3
137,7
49,0
90,8
62,6
77,0
66,1
65,9
93,8
Lebende Flußfische.
108,9
77,4
124,1
94,0
90,3
83,7
94,0
146,5
136,2
107,0
115,0
138,2
48,3
93,4
60,2
51,8
56,3
57,2
70,3
109,7
97,5
66,6
128,0
92,0
91,3
92,5
81,0
118,1
120,1
102,3
114,3
134,8
40,0
82,6
55,1
41,4
48,9
50,4
58,0
92,4
113,4
118,6
115,2
115,3
115,8
102,4
66,5
76,8
85,8
84,7
75,2
73,5
125,8
109,2
120,2
139,5
129,2
117,4
96,0
80,0
—
94,0
92,1
85,6
96,3
109,8
112,0
101,8
83,6
77,4
—
—
—
96,7
80,9
75,8
100,0
91,0
112,5
100,3
86,0
79,0
113,7
121,4
136,9
123,9
104,2
129,5
124,1
120,3
126,2
114,5
104,3
116,6
86,7
76,6
72,4
73,7
70,7
71,0
106,9
98,0
95,5
94,0
89,4
91,9
127,7
129,2
140,5
126,5
118,3
112,3
47,0
54,0
65,5
62,0
58,1
50,3
86,2
88,1
93,5
91,4
86,2
76,8
52,8
65,9
68,9
70,5
58,7
49,0
49,6
59,8
67,1
56,4
50,8
54,5
60,5
78,3
79,4
75,6
63,5
35,2
57,6
75,5
83,8
78,0
66,7
55,2
60,0
—
—
—
—
—
89,6
90,4
88,9
101,2
92,1
86,0
88,4
62,9
105,8
89,0
80,7
75,0
79,3
132,8
121,3
102,0
101,8
115,0
49,2
80,8
47,9
43,7
54,8
57,3
64,5
85,7
92,9
64,0
111,6
93,2
85,1
81,2
86,0
118,7
119,9
94,0
106,5
46,0
80,0
57,6
44,0
56,7
60,5
67,7
82,5
b) Tote F
lußfi
sehe
Hechte
80,9
73,6
81,3
65,8
60,8
75,5
80,2
73,6
67,7
63,7
58,5
Zander . .
118,8
114,8
114,8
101,8
96,7
97,7
108,0
104,8
86,2
73,9
80,3
Schleie . .
: 84,0
77,6
74,2
67,3
75,6
67,0
75,8
83,5
70,2
64,7
54,3
Aland . . .
—
46,0
30,0
32,8
54,0
34,3
—
46,4
27,5
32,0
47,0
Barse . . .
52,6
47,8
53,2
43,1
31,9
42,8
49,6
46,0
39,8
38,8
44,V
Bleie . . .
39,3
37,8
38,7
42,7
28,4
30,5
37,0
36,6
19,5
30,4
29,1
Bunte Fische
24,1
22,8
29,8
19,8
22,4
26,7
23,0
28,0
18,4
18,2
24,1
Aale . . .
96,3
93,2
124,7
102,6
85,6
84,1
94,8
90,2
78,3
73,3
84.0
Karpfen . .
65,6
63,6
58,4
42,7
47,1
43,0
69,3
65,6
53,8
48,1
50,2
Maränen . .
—
—
29,0
31,0
28,0
40,0
40,0
30,3
31,7
30,0
„ groß
—
—
—
—
—
54,0
44,3
50,3
Karauschen .
63,0
—
50,0
41,0
51,7
42,4
45,1
50,2
42,1
3b,0
43,0
Quappen . .
45,4
50,3
47,5
43,2
53,0
52,0
—
—
42,6
40,7
Kaulbars . .
33,0
29,8
26,8
—
—
—
32,0
29,5
—
13,b
—
Plötzen . .
30,0
26,8
25,3
19,8
23,0
27,0
27,0
27,0
24,5
24,5
23,7
62,8
80,6
59,0
39,5
45,7
34,8
20,9
76,4
64,8
33,3
47,0
43,6
35,0
24,1
182
U. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Jan. I Febr. j März j April ; Mai j Juni j Juli Aug. j Sept. : Okt. Nov. Dez
crse
efisc
he.
Lachs
1313.3
196.8
178,4
156,3
168,4
142,6
172,8
152^9
175,4
186,7 1
„ gefroren IIa .
j 70,5
64,0
70,0
59,3
60,5
56,1
60,0
66,0
61,7
57,0!
Laehsforellen . . .
171,0
198,4
186,5
144,3 164,0
—
165,0
120,0
120,3
131.7
Seezungen .
150,4
151,3
167,0
130,0 116,1
150,0
160,0
154,0
183,0
179,3
Steinbutten
109,7
167,8
165,3
109,1
93,6
73,6
86,5
97,7
98,3
95,5
Schollen .
1 43,3
33,7
31,6
29,0
30,5
—
42,4
40,1
34,9
29,4
Schellfische
i 33,3
29,5
37,5
27,5
29,0
—
28,0
—
25,0
28.0
Kabliau .
I 23,1
19,6
21,5
17,5
14,8
17,4
16.7
19,6
18,6
Dorsch . .
1 18,1
14,4
16,4
8,8
—
—
—
15,6
8,0
9,8
Heilbutton
83,8
74,3
88,0
58,5
62,9
64,0
47,0
58,6
67,5
60,8
Flundern .
22,7
17,3
16,4
12,7
14,9
14,7
16,1
14,3
18,5
20,2
Lemanten
71,0
54,5
43,3
31,8
39,3
48,0
40,8
29,1
39,0
Rotzungen
64,2
57,5
65,3
29,6
21,2
27,4
29,1
37,6
28,0
32,4
Kleist . .
62,0
—
—
49,7
53,7
40,0
— .
43;0
—
51,5
Zander, russischer .
85,2
70,7
76,6
—
65,0
67,0
82,7
64,5
53,9
Stör . . .
—
162,0
—
—
—
—
—
—
1
1 122,0
53,6
132,4
179,5
102,9
26,3
40,5
19,2
10,2
62,8
23,0
40,8
57,0
70,5
Heringe.
Erster Bericht.
Bestände.
b) Heringejt
Erster Bericht.
Der Heringsfang im Jahre 1912 war recht ungünstig ge-
wesen und ergab einen Ausfall bei den deutschen Gesellschaften
von 89 089 t, bei den holländischen Fischereien von 109 252 t,
beim norwegischen Fett- und Sloc-Hering von 200 322 t gegen
das Vorjahr. Wenn nun auch der Fang in Schottland, Yar-
mouth und Lawestoft ein Plus von 186 249 t gegen 1911 auf-
wies, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß sich in
schottischen Heringen ein äußerst reges Geschäft entwickelt
hatte, und am Anfang des Berichtsjahres in brauchbaren Sorten
für den hiesigen Markt nur Kleinigkeiten in Hamburg und
»Stettin auf Lager waren. Die nachstehenden Zahlen lassen
erkennen, daß die Läger an beiden Plätzen zusammen einen
Mindeibestand von 25 794 t gegen das Vorjahr aufwiesen.
Es waren am 31. Dez. vorhanden:
1910
in Stettin . . 73 971
in Hamburg . 5 836
1911 1912
72 340 46 804 To.
5 668 5 410 „
zusammen 79 807
78 008
52 214 To.
Trotz der hohen Preise und der nicht immer gleichmäßig
guten Qualitäten, besonders auch in deutschen Heringen, welche
hier am Platze mit Vorliebe gekauft werden, entwickelte sich
das Geschäft am Anfang des Berichtsjahres in recht reger
Weise.
Die hiesigen Händler konnten ihre Vorräte sämtlich räumen,
teilweise reichten diese bis zum Schluß der Saison kaum aus.
Die Preise für deutsche und holländische Heringe waren
folgende •
46. Fische und Schal tiere. 183
Jan./Febr. März/April Mai/Juni Preise.
Superior . M. 58—60 p. To. 60 p. To. 60 p. To.
Sortiert . . „ 55—56 „ 56—57 „ 55—56
Prima. . . „ 50—52 „ 50—52 „ 50—52
Kleine . . „ 44—46 „ 45—46 „ 46—47 „
So klein die Läger in Vollheringen zu Anfang des Berichts-
jahres gewesen sind, so reichlich groß erwiesen sie sich in kon-
serviertem Matjes. Trotz der normalen Zufuhren in Hamburg
»und Stettin während der Saison sind sehr hohe Preise für
Downingsbay und Castlebay bezahlt worden. Dies ist in der
Hauptsache der Grund gewesen, daß sich die Ware sch'wer ab-
setzen ließ. Es kam noch hinzu, daß einige Spekulanten den
Fehler begingen, sich mit zu früh gefangener Ware für das
Kühlhaus einzudecken, da sie den hohen Preis für den Juni-
fisch nicht bewilligen wollten. Die erhofften Nachfragen in
;Matjas blieben aus, und daher mußte er teilweise mit Verlust
verkauft werden. Besonders schwer gestaltete sich das Ge-
schäft in feinem Castlebay, da diese zwar sehr fein in Qualität
waren, aber in der Größe nicht genügten und der dafür ge-
forderte Preis dem Detailhandel keinen nennenswerten Nutzen
brachte. Feine Shetlands -Matjes, welche gut in der Größe
fielen, fanden bessere Beachtung. Folgende Preise wurden für
die einzelnen Sorten bezahlt:
Downingsbay large M. 140 — 150 per 2/2 To.
Castlebay large „ 130—140
Shetlands large „ 96—110
„ medium „ 84 — 90
Am 15. April wurden in Hamburg die ersten neuen Matjes
zugeführt, doch war die Qualität derartig miserabel, daß nur
Kleinigkeiten davon verkauft wurden, die auch nur bestimmten
Zwecken dienten. Für den hiesigen Platz genügte die Qualität
erst im zweiten Drittel des Monats Mai^ und zWar konnten zuerst
nur Downingsbay large und medium gehandelt werden, da
Castlebay und Shetlands noch zu grün waren. Anfang Juni
besserte sich die Qualität der Castlebaj, und auch dieser wurde
nunmehr gekauft. Shetlands -Matjes waren erst Mitte Juni
besser und bedangen dann aber auch gleich einen ziemlich,
hohen Preis, da inzwischen wieder für Downingsbay large
Preise von 110 — 125 Mk. pro ^Z, Tonne transito bezahlt wurden.
Auch Castlebay wurde in feiner Qualität recht gut bezahlt.
Bemerkenswert ist, daß sich in der zweiten Hälfte Juni Ge-
legenheit bot, extra großfallende Partien Castlebaj^-, Loch-
boisdale- und Shetlands-Matjes zu kaufen, wovon erstere beide
Sorten al» Ersatz für die viel zu hoch bezahlten Downingsbay
large dienen konnten. Im allgemeinen war die Qualität ^er
Downingsbay und Castlebay einzelner Partien hervorragend
184 II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
schöiij die der Shetlands im. großen mid ganzen mittelmäßig.
Die Preise dafür waren folgende:
Am Anfang der Saison:
Downingsbaj large M. 84 — 100 per -/2 To.
medium. . . . „ 72-90
Castlebay large „ 80—92
Shetlands large „ 68—82
„ medium „62 — 68
Am Schluß der Saison:
Downingsbay large M. 130—134 per ^/^ To.
„ medium . . . . „ 96 — 116 „
Castlebay u. Lochboisdale large „ 110 — 124
med. . n 78—90
Shetlands large „ 82—90
„ medium „ 70—84 „
Bereits Mitte Juni trafen die ersten Zufuhren in Schotten-
heringen sowohl in Hamburg wie auch Stettin ein. Die Qualität
war zu Anfang derartig gering, daß die Ware für den hiesigen
Platz noch nicht verwendet werden konnte. Sofern der Shet-
lands- und auch Ostküstenhering fett und zart ist, wird er bis zum
reichlichen Milch- und Rogenansatz als Matjes gesalzen, welches
sich bis Anfang Juli erstreckt. Um diese Zeit gelangten schon
einzelne recht gute Partien Shetlandsheringe zur Besichtigung,
doch wurden dafür Preise bezahlt, welche denen der Matjes-
heringe nicht viel nachstanden. Der Grund dafür lag in den
andauernd schlechten Fängen sowohl in Shetland, Orkney als
auch an der Ostküste. (Der Ausfall im Fang betrug schon bis
zum 5. Juli 240 496 t gegen 1912.) Diese Situation änderte
sich auch den ganzen Sommer hindurch nicht. Sehr oft war
es schwer, selbst zu den übersjpannt hohen Preisen passende
Ware zu erhalten. Im August wurde der Fang teilweise etwas
'besser, und die Preise mußten eine Kleinigkeit weichen. In
schottischen Trademarken war starke Nachfrage und öfter nichts
Gutes zu. bekommen. Crown large, CroWn fuUs und Crown
brand - Matfulls waren Ende des Monats zirka 3 Mk. billiger,
doch wurden ungestempelte, gute Partien eher etwas teurer
als Anfang August bezahlt. Der Grund dafür lag darin, daß
alles, was einigermaßen sich dazu eignete, für gestempelte Ware
Verwendung fand. Gestempelt wurden bis zum 6. Sept. zirka
222 996 t gegen 158 040 t in 1912. Das Geschäft wurde in der
Folge etwas schleppend, da in der zweiten Hälfte September
deutsche Heringe viel preiswerter als schottische Heringe zu
kaufen waren und letztere dadurch vernachlässigt wurden. Die
preise gaben infolgedessen erheblich nach. Wo Anfang Sep-
tember noch Crown fulls mit 46V2 Mk. pro Tonne trs. bezahlt
46. Fische und Schaltiere. 185
wurde, war dieser nach dem 20. Sept. mit 41 Mk. trs. zu kaufen.
iEnde des Monats trat eine Besserung der Nachfrage ein, was
»wieder ein sofortiges Anziehen der Preise herbeiführte. Bis'
(Mitte Oktober hielten sich die Preise auf gleichmäi^iger Höhe,
doch übte von diesem Zeitpunkt ab der Yarmouth - Fang einen
Wesentlichen Einfluß aus und mußten ein Nachlassen der Preise
bewirken. Im Verlaufe von vier Wochen hatte sich infolge
stillen Geschäftes nichts im Markt geändert, und in der zweiten
iHälfte November zogen die Preise wieder an, da der Fang sich
überall wesentlich verschlechterte. Der Ausfall im Fang gegen
das Vorjahr betrug bis zum 1. Nov. 246 349 t.
Der Yarmouth-Fang setzte gegen 1912 recht spät ein. Wo
bis Ende September des Vorjahres schon 60 000 bis 70 000 t
gesalzen waren, blieb er im Berichtsjahre bis Anfang Oktober
ohne nennenswerte Resultate. Er besserte sich aber gegen Mitte
Oktober ganz wesentlich und konnte teilweise, begünstigt durch
das schöne Wetter, als ein großer bezeichnet werden. Die Preise
für Yarmouthheringe blieben aber ziemlich gleichmäßig hoch,
da große Verkäufe nach dem Osten stattfanden.
Das Gesamtergebnis des Fanges betrug 1913 in Schottland
1 545 000 t, in Yarmouth und Lowestoft 1 400 000 t.
Die Preise für die einzelnen Sorten und Größen betrugen
(in Mark für die Tonne) :
Schott, large falls . . .
fulls
„ matfuUs . . . .
„ crown lai-c^e fulls
fuUs . .
„ crbrd. matfulls .
„ n malties
„ „ Spents
Juli Aug-. Sept. Okt. Nov./Dez
60—62 58—60 56—53 55—53
56—58 54—56 54—50 52—50
52—56 50—52 50—48 50—48 48—50
64—60 60—55 56—54 52—54
61—58 58—52 54—52 52—54
57—54 54—50 52—50 52
52—50 50—48 48—47 47—48
46—45 45—44 43—44
Früher als sonst schickten die deutschen Gesellschaften Deutsche
ihre Fahrzeuge auf die Reise, und schon in der zweiten Hälfte ^ ^^
Juni kehrten einige Dampflogger zurück. Der Ertrag des Fanges
bestand bis Ende Juli fast nur aus Matjes, womit sich in
diesem Jahre ein recht gutes Geschäft bot, denn der nicht sehr
heiße Sommer brachte keine Verluste, und der Fisch ist be-
isonders fett und zart gewesen. Erst im August wurden hier am'
Platze Vollheringe gehandelt, die in Qualität besonders schön
waren. Im Vergleich zum schottischen Hering konnten die
Preise nicht als überspannt hoch bezeichnet werden, wie sie
sbnsT zu Anfang zu sein pflegen, da die Fischereien gute
•Resultate durchweg zu verzeichnen hatten. Es entwickelte sich
von vornherein ein lebhaftes Geschäft, und zeitweise genügte
das Angebot nicht der Nachfrage. In der zweiten Hälfte
'August trat vielfach eine Knappheit in Ware ein, denn einzelne
Fischereien verkauften in der Erwartung der großen Ankünfte
Holländer.
186 n. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
und verloren öfter die Uebersioht. Um diese Zeit zogen auch
die Preise etwas an. Der andauernd gute Fang und der ab-
flauende Markt im September ließen die Preise etwas sinken,
fund konnten speziell Superior und Sortierte reoht preiswert
.gehandelt werden. Nur in Prima und Kleinen blieb stets gute
Nachfrage, und die Preise hielten sich dafür in gleichmäßiger
flöhe. In der ersten Hälfte Oktober trat wiederum öfter eine
Knappheit in Loco-Ware ein, doch wurden durch reichliche
•Ankünfte in der zweiten Hälfte Oktober wieder preiswerte
Offerten von den Fischerei-Gesellschaften gemacht. Bis Mitte
November ließen die Preise für Superior und Sortierte ständig
etwas nach, da viel große Heringe vorhanden waren. Es konnten
diese Größen öfter zu denselben Preisen bezogen werden wie
Prima. Der notorisch gute Fang zeigte nicht immer eine große
Kauflust, und die Spekulanten blieben in Erwartung eines er-
heblichen Preisrückganges. Der rege Absatz bei den Fischerei-
Gesellschaften täuschte aber die Erwartung vieler, und man
vermutet, daß große Spekulationskäufe nicht gemacht wurden.
Das günstige Herbstwetter kam der Fischerei sehr zustatten,
und es konnten von verschiedenen Gesellsehaften einige Dampf-
logger sechs Reisen machen. Die Fischerei wurde mit 262 Fahr-
zeugen gegen 283 Fahrzeuge in 1912 betrieben und ergab bis
zum 6. Nov. einen Fang mit 912 Schiffen von 396 355 Kantjes
gegen 821 Schiffe von 251583 Kantjes in 1912. Trotz der
verminderten Flotte (durch Ausscheiden der Fischerei - A.-G.
Weser - Elsfleth und Einziehen einzelner, nicht mehr seetüchtiger
Schiffe) konnte also bis zum genannten Zeitpunkt schon ein
Plus von 144 772 Kantjes gegen das Vorjahr verzeichnet werden.
Eine Aenderung in dem Geschäftsbetriebe der meisten deutschen
Gesellschaften trat insofern ein, als sie. einen Zusammenschluß
herbeiführten und unter dem Namen: Deutsche Heringshandeis-
Gesellschaft m. b. H., Bremen, eine Zentrale errichteten, welche
den alleinigen Verkauf der von diesen Gesellschaften gefangenen
Heringe übernahm. Nach Angabe der D. H. G. soll der Zweck
fin der Hauptsache darin liegen, eine Stabilität des Marktes
herbeizuführen, ferner einen Ausgleich im Angebot zu schaffen.
Sie umfaßt sieben deutsche Gesellschaften. Nicht beteil isrt an
der D.H.G. sind: Emder Heringsfischerei A.-G., Emden, mit
ihren beiden Tochtergesellschaften; Bremen-Vegesacker Fischerei-
Ges., Vegesack, und Glückstädter Fischerei - A.-G., Glückstadt.
Der Fang ergab gegen das Vorjahr ein Plus von 111 407 t, und
zwar wurden gesalzen:
1913 !9r2 1911
3 396 745 t 2 282 675 t 3 173 565 t
Die holländische Fischerei hatte ebenfalls durchweg gute
Erfolge zu verzeichnen, und die Preise bewegten sich fast in
46. Fische und Schaltiere.
187
den gleiciien Bahnen wie bei den Deutschen. Im November,
um die Zeit, als bei den deutschen Fischereien Prima knapp
wurde, war bei einigen holländischen Gesellschaften dieser um
einige Mark billiger zu kaufen, unter Berücksichtigung des
Zolles von 3 Mk. Doch in der zweiten Hälfte November gingen
sie mit ihren Forderungen wieder in die Höhe. Bei gleichen
Preisen, selbst wenn die Differenz nur 1 — IV2 Mk. beträgt,',
fwird dem deutschen Hering der Vorzug gegeben, da nicht alle
holländischen Fischereien zuverlässig liefern. In den letzten
Jahren bestand auch bei den hiesigen Detaillisten nicht mehr
großes Interesse für holländische Heringe. Bis zum 5. Nov.
sind 650 663 t gegen 25 723 t in 1912 gefangen worden. Am
Schluß der Fischerei betrug das Ergebnis in:
1913
1912
1911
-ic/X'j ±ai^ ia±i
784 863 t gegen 529 335 t gegen 638 487 t
Die Preise stellten sich für deutschen und holländischen
Hering folgendermaßen pro Tonne:
Superior
Sortierte
Prima .
Kleine .
Maatjes .
Juli
43-45
August
58—60
56—58
50—52
46-48
44—45
September
58—56
56—54
50—48
48—40
Oktober
52—50
50—48
48—46
46—44
Nov./Dez.
48—46
48—46
44—43
43—42
Zweiter Bericht.
Daö Jahr 1912 endigte mit sehr hohen Preisen für alle Sorten
Heringe, und auch zu Beginn des Jahres 1913 trat in dieser Hin-
sicht keine Aenderung ein, da die Ultimo 1912 aufgenommenen
Jahresbestände an den verschiedenen Importplätzen sehr kkin
waren und kaum zur Deckung des Früh Jahrsbedarfes ausreichen
konnten. Dies traf in erster Linie für deutsch© Heringe zu, die in
Berlin besonders bevorzugt werden. Dem Absatz in Salzhering
schien durch die ziemlich bedeutenden Zufuhren von Frischhering
etwas Abbruch gemacht zu sein, doch trat dieses bei den sehr
hohen Preisen für den Artikel weniger in Erscheinung. Es konnten
sogar die alten Bestände im Frühjahr zu anziehenden Preisen
geräumt werden. Vollhering wurde in den Monaten April, Mai
und auch im Juni so knapp, daß selbst die abfallenden Sorten
schlanken Absatz fanden. Das Geschäft in konserviertem Matjes-
hering (aus den Kühlhauslägern) entsprach nicht den Erwar-
tungen; denn die ziemlich bedeutenden Bestände konnten nur zu
verlustbringenden Preisen geräumt werden. An dem schlechten
Abzug trugen aber auch die vielen minderwertigen Partien von
frühgefangener Ware schuld. Man erwartete infolge der
schlechten Qualitäten der konservierten Matjesheringe mit Un-
geduld die ersten Zufuhren neuer Matjesheringe, die gegen Ende
Mai, Anfang Jrnii in Berlin eintrafen. Die Qualität dieser ersten
ZweiterBericht.
Allgemeines.
188 11. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Matjeshering-e war erheblich besser als die der gleichen Zeit des
Vorjahres, und es entwickelte sich sofort ein sehr g-utes Greschäft
bei nicht allzu teuren Preisen. Als dann gegen Ende Juni auch die
ersten Zufuhren neuer schottischer Heringe eii^trafen, war der
Mai-kt von alten Heringen fast ganz geräumt. Die Folge war, daß
sich auch in neuen schottischen Heringen gleich ein überaus
lebhaftes Geschäft entwickelte. Leider waren die Preise an den
Fangstationen schon derartig hoch, daß dieselben mit allen Trans-
port und Zollkosten bis Berlin kaum noch dem Detaillisten und
Händler einen Nutzen ließen. Die Qualität der neuen schottischen
Heringe befriedigte zu Anfang nicht, doch änderte sich dies sehr
bald, nachdem von der Ostküste Schottlands ganz vorzügliche
Qualitäten hereinkamen. Die Preise hielten sich aber auch für
schottische Heringe bis in den Winter hinein auf einer außerordent-
lichen Höhe, so daß das G-eschäft in schottiscben Heringen bald
ganz nachließ und die billigeren und beliebteren deutschen Heringe
wieder den Berliner Markt beherrschten.
*^^'^*j®^- Die ersten deutschen lleringe (sogenannte Matjes) wurden
Anfang Juli an den Fangstationen der deutschen Reedereien greif-
bar. Auch die Qualität dieser war auffallenderu^eise wie bei den
schottischen Heringen zunächst gering; da aber alte Heringe
fehlten, gingen auch diese Heringe schnell in den Konsum über.
Ende Juli wiesen dann aber die deutschen Matjes eine selten schöne
Qualität auf, die den Absatz und Konsum sehr förderte. Das Ge-
schäft von Ende Juli ab war in deutschen Matjes ganz bedeutend,
und dieser Artikel fand bis in die späten Herbstmonate hinein bei
den Konsumenten dauernd Interesse. Bemerkenswert ist, daß die
Preise für den deutschen Matjes in dem verflossenen Jahre voll
behauptet iDÜeben und selbst durch den dann später eintreffenden
Vollhering in keiner Weise beeinflußt wurden. Die ersten neuen
deutschen Vollheringe wurden Ende Juli in Berlin angeboten
und waren ebenfalls von vorzüglicher Qualität; das sich dann
hierin entwickelnde Geschäft war durchaus normal, obgleich
die Preise für diese ersten deutschen Vollheringe übertrieben
hoch genannt werden müssen. Es Wurden zum Beispiel für prima
deutsche Vollheringe (dem sogen. Mittelhering 8/850 Stück pro
Tonne) Mitte August Preise bis 43 Mk. zollfrei ab Stationen bezahlt.
Dies entsprach einem Preise von 46 Mk. franko Berlin, also einem
Verkaufspreise von 48 bis 50 Mk. und darüber. Solche Preise sind
selbst für erste Ware zu hoch. Es trat dann auch bald eine starke
Herabsetzung der Preise ein, um so mehr, da auch die ersten hollän-
dischen Vollheringe dem deutschen llering bereits Konkurrenz
machten. Allerdings hielten sich diese hohen Preise noch den
ganzen Monat August hindurch und erst Anfang September trat
ein erheblicher Rückschlag ein. — Im allgemeinen hielten sich dann
aber die Preise für deutsche Heringe sowohl wie auch für die
anderen Sorten, da der Konsum recht bedeutend war und dem
46. Fische und Schaltiere.
189
deuiFchen Hering kaum eine Konkurrenz entstand; denn der
Schottenhering war viel za teuer und kam für den Berliner Markt
kaum in Frage. Auch der holländische Hering erreichte bald eine
Preishöhe, die den deutschen Vollhering konkurrenzlos machte.
Für den Berliner Markt hat der deutsche Hering noch nach wie vor
wegen seiner reellen Sortierung und Behandlung den Vorzug.
Allerdings trafen im Jahre 1913 auch schon von Holland ver-
scliiodene Abladungen ein, die sich durch gaaiz vorzügliche Sor«
tierung, Behandlung und Qualität auszeichneten.
Sieben Fischereien an der Weser und Ems haben sich zu einer
Verkaufsgesellschaft zusammengeschlossen. Diese sieben Fische^
reien repräsentieren die Hälfte der deutschen Fangflotte. Dieser
Zusaanmenschluß hatte zur Folge, daß die vereinigten Ileedereien
gewissermaßen eine Kontrolle über die Verkäufe gemeinsam aus-
übten und also in der Lage waren, je nach der Zufuhr und Nach-
frage die Preise zu regulieren. Für den Handel mit deutschen
Heringen ist dieser Zusammenschluß in einer Hinsicht als durch-
aus berechtigt zu bezeichnen ; denn bekanntlich haben die deutschen
Fischereien infolge einer äußerst scharfen Konkurrenz in den
vorhergehenden Jahren mit großen Verlusten gearbeitet; man darf
aber auch wiederum bei einem solchen Zusammenschluß nicht
vergessen, daß der Artikel Hering eine beliebte und billige Nah-
rung gerade der ärmeren Bevölkerung ist und bleiben soll, und
daß ein derartiger Zusanunenschluß die Preise leicht auf einer
Höhe erhalten oder treiben kann, die den Artikel Hering nicht
mein- als billiges Nahrungsmittel erscheinen lassen und infolge
einer solchen Verteuerung dem Artikel Konsumenten entwöhnen
und anderen billigeren Nahrungsmitteln zuführen, z. B. der von
Jahi- zu Jahr zunehmenden Fischindustrie und dem Konsum in
Seefischen.
In den Monaten September/Oktober, in den siogenannten Haupt-
konsum-Monaten für Heringe, war das Geschäft sehr lebhaft.
Dia'^e Nachfrage wurde durch die große Kartoffelernte und billigen
Kartoffelpreise erhöht. Im November trat dann die alle Jahre m
Erscheinung tretende Abflauung im 'Geschäft ein, die dann in
den Monat Dezember hinein anhielt. Daß die Preise in diesen
Monaten auch eine rückgängige Konjunktur annehmen, findet
seine Begründung in der Rekordfischerei an den englischen Statio-
nen Yarmouth und Lowestoft. Man erwartete allgemein von
diesem Ausfall der Fischerei ganz billige Heringspreise, doch
traten diese wider Erwarten nicht ein. Das FangTesultat hatte
nur eine vorübergehende Abflauung der Preise zur Folge, und
deutsche Heringe konnten sogar zum Schluß des Jahres 1913 und
Beginn des Jahres 1914 von den Reedereien zu Preisen geräumt
werden, wie sie in dem Monat September notierten. Auch die
holländischen Heringe erholten sich bald, nachdem das Pang-
resultat; der englischen Fischerei auch in diesen Sorten eine Ab-
Zusammen-
schluß von
fischereien.
Gdschäftsgan;
fassuiig.
190 U. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
Schwächung hervorgerufen hatte. Es stellt sich von Jahr zu Jahr
mehr heraus, daß, so ergiebig die Fischerei an den englischen
Stationen Yarmouth und Lowestoft sein mag, sie doch kaum noch
für den deutschen Konsum von einschneidender Bedeutung ist.
Der sogenannte Yarmouthhering wird mehr und mehr ein Spezial-
artikel für die russischen Märkte.
Zusammen- Bas Jahr 1913 kann für den Berliner Platz im Artikel Hering
als durchaus normal bezeichnet werden. Wie schon bemerkt,
kam für den Konsum in den Sommermonaten Juni, Juli, August
der schottische Hering neben dem deutschen in Frage. Für den
Eest des Jahres fast ausschließlich der deutsche Hering. Die
Preiskonstellation der verschiedenen Sorten ist hierbei allerdings
für dieseb Jahr nicht außer acht zu lassen; denn der scliottische
Hering kam für den größten Teil des Jahres wegen seiner hohen
Preise nicht in Frage, und auch der holländische Hering stellte sich
vorübergehend im Beznge teurer wie der deutsche. Sollte aber
der Zusammenschluß der deutschen Fischereien für die Zukunft
die Preise auf einer Höhe halten, die nicht mehr den Fangresultaten
und der Nachfrage Rechnung trägt, so wäre zu wünschen, daß die
holländischen Abladungen mit größerer Sorgfalt als bisheo? erfüllt
werden, um dem deutschen Hering eine Konkurrenz zu bieten.
Ganz billige Heringspreise, wie in früheren Jahren, mögen für
die Entwicklung des Geschäftes nicht gerade von Vorteil sein, es
ist aber auch andererseits für den Artikel Hering als ungesund zu
bezeichnen, wenn dafür Preise bezahlt werden, wie es in den letzten
Jahren 1912/13 der Fall war. In Berlin liegt der Verkauf der
Salzheringe ausschließlich in den Händen der Händler, die nicht
mit allzu reichen Mitteln ihr Gewerbe betreiben. Für diese spielt
es eine große Ex)lle, ob sie die Tonne Hering mit 45 bis 50 Mk.
und sogai' darüber bezahlen oder mit ca. 40 Mk. Gerade für diese
Händler sind deshalb auch die beiden letzten Jahre nicht gewinn-
bringend gewesen, und viele konnten nur notdürftig ihren eigenen
Unterhalt aus dem Verkauf der Heringe erwerben. In einzelnen
Teilen Berlins, N, NO, O, und der in der Nähe liegenden Vororte
hatten die Händler sehr unter der großen Arbeitslosigkeit zu
leiden. Es fehlte in diesen Bezirken gerade an kaufkräftigen
Konsumenten, und es machten sich bei den Gewerbetreibenden
in diesen Gegenden ganz erhebliche Mindereinnahmen und dem-
zufolge auch Minderverdienste bemerkbar. Auch der Engros-
handel muß heute bei der Höhe der Preise mit geringerem Nutzen
arbeiten, dafür aber größere Kapitalien bereitstellen; denn in den
letzten beiden Jahren konnte beinahe als Durchs chnittseink auf s^^
preis 38 bis 40 Mk. und sogar darüber zugrunde gelegt werden,
während in früheren Jahren vorübergehend wenigstens Preise
von 30 bis 35 Mk. gebräuchlich waren. Die Höhe der Preise wird
vielfach irrtümlicherweise der Spekulation zugeschrieben, doch
trifft dies nur in ganz bescheidenem Maße zu. Bei den diesjährigen
46. Fische und Schaltiere. 191
Preisen war der Hering wirklich nicht mehr spekulationsfähig.
Der Hauptgrund für die hohen Preise dürfte in dem zunehmenden
Konsum • zu suchen sein, dem besonders in Rußland ungeahnte
Grenzen geöffnet werden, und zwar durch jährlich zunehmende
ganz bedeutende Eisenbahnwege. Die russischen Märkte können
heute für den Artikel Hering als tonangebend bezeichnet werden,
denn der russische Käufer spielt an den Stationen, besonders in
Schottland, seit einigen Jahren die erste Bx)lle.
c) Sardinen. Sardinen.
Der Sardinenfang an der spanisch-portugiesischen Küste Spanien,
zeigte im Berichtsjahre fast genau dasselbe Bild wie im Vorjahre, Portugal,
also wiederum ein trauriges, abgesehen von einem kleinen spa-
nischen Küstenstrich, der einen verhältnismäßig regelmäßigen
und guten Fang ergab. An den Hauptfangplätzen hat der Fang*
gerade in den Hauptmonaten, Juli, August, September, so gut
wie ganz gefehlt. Hin und wieder wurden an ein paar Tagen
Sardinen gefangen, die aber leider durchweg entweder zu groß
oder zu klein waren. Die richtige Mittelgröße hat, genau wie im
Vorjahre, fast ganz gefehlt. Die für die frischen Fische bezahlten
Preise waren infolgedessen wiederum ganz außerordentlich hoch,
"und zwar nicht nur für die mittelgroßen Fische, sondern auch
für die weniger gesuchten zu großen oder zu kleinen Fische. Das
Vorjahr brachte ganz spät noch — gewissermaßen nach Schluß
der Saison — etwas Fischfang in den von der Knappheit beh
sonders heimgesuchten Gegenden, und damit wenigstens einen
kleinen Ausgleich für den großen Ausfall während der Haupt-
fangszeit. Auch dieser Ausgleich fehlte im Berichtsjahre, so
daß das Gesamtergebnis noch ganz bedeutend hinter demjenigen
des ohnehin schon sehr knappen Vorjahres zurückblieb. Am
Schluß des vorjährigen Berichtes wurde zum Ausdruck gebracht,
daß selbst bei einem reichen Fischfang in diesem Jahre ein
Zurückgehen der Preise für die frühere Basis als ausgeschlossen
zu betrachten sei. Dies hat sich durchweg bestätigt; denn das
gegenwärtige Jahr setzte mit wesentlich höheren Preisen als das
Vorjahr ein, aber selbst diese erhöhten Preise mußten natürlich
infolge des oben geschilderten Verlaufs des Fischfanges eine
weitere erhebliche Erhöhung erfahren. Dies machte sich wiederum
ganz besonders bei den größeren Dosenformen bemerkbar, >ind
eine weitere Steigerung wird kaum ausbleiben, da auf größere Zu-
fuhren nicht mehr zu rechnen ist und die jetzigen Bestände zur
Befriedigung des Bedarfes bis zum Beginn des nächstjährigen
Fischfanges bestimmt nicht ausreichen. Die zum Schluß des Vor-
jahres bezahlten hohen Preise für die kleinen Dosenformen sind
(infolge der nach der Saison unerwartet eingetroffenen Posteji
etwas zurückgegangen und haben sich seitdem für einige Formate
192
II. Tierische Rohprodukte und Fabrikate.
so gut wie gar nicht, für andere Formate aber wesentlich ba-
festigt.
Frankreich. Die Sardinenfischerei in Frankreich hat nach ihren Anfäugen
alle Zeichen für einen wenig günstigen Fang giehabt, und diese
Voraussagiing der Fischer hat sich leider vollständig bewahr-
heitet. Der Fang war während der ganzen Zeit unregelmäßig;
zufällig erfolgreiche Arbeitstage wechselten ab mit einer Periode
schlechten Fischfanges, und. niemals zuvor weiß man sich eines
solchen Oktober-Monats zu erinnern, in dem überhaupt kein Fang
war. Es wurden zwei verschiedene Fischgrößen, sehr große und
sehr kleine, gefangen, der gute Mittelfisch ist immer selten
gewesen.
Infolge dieser ungünstigen Resultate und der vollständigen
Erschöpfung alter Vorräte nalimen die Preise eine steigende
Richtung an, um so mehr, als der Begehr nach Ware an)-
haltend so bedeutend ist, daß derselbe auch nicht annähernd be-
friedigt werden konnte. Im ganzen haben die französischen
Sardinenpreise seit Beginn der Saison dreimal eine Erhöhung
erfahren. Das erstemal erhöhten sich die Preise um :
M. 10,-
7-
5,-
per 100/1
100/2
100/4
100/8 Dosen
das zweitemal erhöhten sich die Preise um weitere:
M. 10,-
4.—
3 —
per 100/1
100/2
100/4
100/8 Dosen.
Astrachaner
" Malossol-
Hausen-Kaviar.
Auch im Berichtsjahre haben einige französische Sardinen-
Fabrikanten schon von Anfang an ilire Kontrakte nur teilweise
erfüllt. Da der Fischfang nach eingegangenen Mitteilungen in
Fraukreich jetzt definitiv beendet ist, so ist also auf eine
Besserung der allgemeiaen Lage des Sardiaenmarktes nicht zu
rechnen, im Gegenteil, dieselbe wird sich bis zum Beginn des
nächsten Fanges wohl noch verschärfen. Es wurde im letzten
Bericht zlim Ausdruck gebracht, daß die französische Sardinen.-
saison im vergangenen Jahre wohl als die schlechteste seit Jahren
zu bezeichnen sei. Die gegenwärtige Saison hat sich aber leider
als noch ungünstiger erwiesen, nur mit dem Unterschiede, daJJ
das Geschäft durch die höheren Preise nicht ungünstig beeinflußt
worden ist, da man sich von vornherein nicht der Hoffnung auf
wesentlich billigere Preise hingegeben hatte.
d) Kaviar.
Der Verbrauch an Kaviar im allgemeinen und an Hausen-
Malossol im besonderen ging im Berichtsjahr etwas zurück, eines-
teils wohl infolge der Geldknappheit und des dadurch bedingten
schlechteren Geschäftsganges, andererseits wegen des infolge ge-
46. Fische und Schaltiere.
193
ringerer FäJige sich ergebenden hohen Freies, welcher für Winter-
ware von Januar bis April 48 Mk. für das Kilo Kaiser-Malosisol
betrug gegen 43 — 44 Mk. im Vorjahr, Die Prühjahrsfänge waren
ebenfalls nicht sehr reichlich, so daß' der Preis für beste Sommer-
ware eine Erhöhimg bis zu 45 Mk. gegen 39 — 42 Mk. in 1912
erfuhr. Dabei war die Qualität keineswegs bes-onders gut, ein
Umstand, der dem sehr milden Winter zuzuschreiben sein dürfte.
Die Preise von September bis Dezember hielten sich aui 46
bis 47 Mk., gingen aber gegen Ende des Jahres wesentlich zurück,
weil die anhaltend warme Witterung in den Fanggebieten ein
längeres Fischen zuließ und infolgedessen große Mengen Kaviax
auf den Markt kamen, ohne daß Nachfrage dafür vorhanden ge-
wesen wäre. Die Qualität aus den Herbs-tfängen war im großen
ganzen gut.
Auch im Jahre 1913 war die Nachfrage nach Stör-Kavia^J
seitens der Kundschaft wieder größer als nach Hausen-Kaviar.
Die Ware war von ganz vorzüglicher Beschaffenheit während
der Monate Januar bis April. Die Sommerware dagegen ließ zu
wünschen übrig, und auch wäiirend der Herbstmonate bis zum
Ende des Jahres wurde mit geringen Ausnahmen nicht die schöne,
gleichmäßige Qualität, wie solche in vorhergehenden Jahren ge-
liefert wurde, erreicht. Die unbeständige, zum Teil nasse, ofü
ungewöhnlich warme Witterung beeinflußte die Güte dieser
zarten, empfindlichen Ware ungünstig. Die Preise für beste
E-ybinsker Kaiser-Ware schwankten im Januar bis April zwischen
48 — 50 Mk. ab russischer Grenze ohne Zoll; für Sommerwar»ö
zwischen 30 — 36 Mk. für das Kilogramm. Während bis dahin
höhere Herbstpreise bezahlt werden mußten als im Vorjahr,
setzten diese niedriger ein und zwar mit 38 Mk. gegen 44 Mk. in
1912, um bis zu 44 Mk. zu steigen und bis gegen Ende des Jahres
auf 39 Mk. wieder zurückzugehen. Dieser Rückgang wurde haupt-
sächlich durch das vorher erwähnte Eintreffen der größeren
Mengen Hausen-Kaviar lauf den Märkten in Petersburg, Moskau,
Warschau und Berlin veranlaßt.
Kleinkörniger
Astrachaner
Stör- Kaviar.
e) Krebse.
Das Krebsgeschäft nahm im großen imd ganzen im Berichts-
jahre einen ähnlichen Verlauf wie im vergangenen Jahre, eher
noch einen ungünstigeren. Die Einkaufspreise sind weiter in die
Höhe gegangen, da in Rußland, welches während der Saison
den größten Teil des Bedarfes deckt, die Beschaffung der Ware
mit immer größeren Schwierigkeiten und Unkosten verknüpft
ist und Rußland neuerdings durch den geringen Fang stark als
Selbstkäufer in Betracht kommt. Die Verkaufspreise können mit
den sehr hohen Einkauisp reisen nicht entsprechend standhalten,
denn wenn auch für einige selten große Exemplare, sogenannte
Luxuskrebse, ein recht hoaer Preis erzielt wird, so legt doch'
Berl. Jahrb. 1. Elandel u. Ind. 1913. II. 13
Krebse.
194
11. Tierische Rohpix)dukte und Fabrikate.
Krebs-
konserven.
das kaufende Publikum und die Restaurateure und Händler-Kund-
schaft im allgemeinen nur einen bestimmten Preis an und schränkt
lieber den 'Bezug ein, wenn die Preise eine gewisse Höhe übe|r-
schreiten. Die Qualität der russischen Edelkrebse ist fraglos
zurückgegangen. Die aus deutschen Gewässern auf den Markt
kommenden Krebse sind durch höhere Pachten, teurere Pänger-
löhne usw. ^gleichfalls ganz wesentlich im Preise gestiegen, auch
wird die Situation seitens derjenigen deutschen Fischer, die größere
Ware zu liefern in der Lag^ sind, scharf ausgenutzt. Die weiß-
füßigen Stachelkrebse, k>genannte galizische Krebse, haben immer
mehr Eingang gefunden, in den letzten Jahren sogar bei einem Teil
der heueren Privatkuixdschaft. Auch diese Krebse haben eine
ganz bedeutende Preiserhöhung erfahren und zu manchen Zeiten,
beinahe den Preis der Edelware erreicht. Durch das anhaltende
warme Herbstwetter konnte der Fang ununterbrochen ausgeübt
werden, so daß große Quantitäten für den Winter aufgesetzt
wurden. An vielen Stellen sind die vorrätigen Krebse jedoch
durch zu ^frühzeitiges Einsetzen und die hohe Wassertemperatur
hälterkrank geworden und mußten bereits jetzt so schnell als
möglich geräumt werden.
Das Geschäft in Krebskonserven ist unverändert geblieben
und die Nachfrage nach ihnen weiter rege. ( »
Hummern.
Austern-
gewinnung
f) Hummer.
Entgegen einzelnen durch die Tageszeitungen geg-'angenen
-Berichten — wovon einzelne sogar von einem „Rekord- Huminer-
Jahr" sprachen — waren Hummern während des Berichtsjahres
nicht sehr reichlich vorhanden, namentlich war die gangbarste
Größe von 1 Pfund das Stück oft kaum aufziutreiben. pie
Qualität ließ ebenfalls sehr zu wünschen übrig. Die Hummern
waren mager, hohlschWänzig und das Fleisch nicht wie in früheren
Jahren fest 'und gehaltreich. Der Verbrauch war wiederum größer
ials im Vorjahre. Die Preise stellten sich für das Pfund 'ab
Dänemark folgendermaßen :
Januar Februar März April Mai Juni
M. 2,60—2,70 2,70—2.80 2,80—2,85 2,85 2,85—2,20 1,90—2,10
Juli August September Oktober November Dezember
M. 2,10— 2,20 2,35—2,60 2,55—1,95 1,95-2,30 2,35—2,55 2,55—2,65
g) Austern.
Die in Deutschland gangbaren Sorten, englische, holländische,
Holsteiner und Helgoländer Austern waren sowohl im ersten
Vierteljahr 1913 als auch zur Herbst- und Wintersaison in ge-
nügenden Mengen vorhanden. Der Verbrauch im Anfang des
Jahres war ungefähr der gleiche w^ie in den VorjaJiren, dagegen
war die Nachfrage im Herbst infolge des langanhaltenden warmen
Wetters geringer.
47. Baumaterialien.
195
Gut? und Beschaffenheit der englischen Austern waren im
:allgemeinen befriedigend. "W^ährend der Monate Januar, Februar
xmd März konnte eine ganz vorzügliche weiße und fette War©
geliefert werden. Die Preise hielten sich wie zu Beginn der
Herbstsaison 1912 auf 50 Mk. für die Vs t = 300 Stück bester
'Qualität. Dagegen war der im allgemeinen sehr kühle Sommer
•dem Wachstum der für das Herbstgeschäft benötigten Austern
nicht sehr förderlich und verzögerte ihre Entwicklung", so daß
Burnham, Colchester und Pyefleet Xatives erst im Laufe des
Oktober in guter Qualität geliefert werden konnten. Die Herbat-
preise waren niedriger als diejenigen zu Anfang des Jahres und
hielten sich auf 40 — 45 Mk. für die
300 Stück bestei'
Ware.
Der ^^erbrauch der holländischen Austern war auch im Be-
richtsjahre wieder sehr stark. Die Zufuhren waren stets reichlich;
•die Qualität war gut, die Auster im allgemeinen weiß, fett und
fest im Fleisch. Die Prei&e hielten sich wie im Vorjahre zwischen
<3ö — 8d Mk. für das Tausend ab Fischereien in Holland je nach
Gewicht und Sorte.
Di(i sich immer größerer Beliebtheit erfreuende Auster der
Königlich Preußischen Austernfischerei-Pachtung in List auf Sylt
kam während der Monate Januar bis März in sehr schöner, im
Herbst in ganz hervorragend schöner Ware auf den Markt. Leider
scheinen Stürme und die Ungunst der Witterung die Vorräte sehr
vermindert zu haben, so daß schon vor Weihnachten der Versand
bis auf weiteres eingestellt werden mußte. Der Preis war wie
im Vorjahre 11 Mk. für das Hundert großer Ware» ab Fischerei.,
Für Back- und Kochzwecke waren Helgoländer Austern von
g-uter Beschaffenheit und reichlich vorhanden und zu den früheren
Preisen von 8—12 Mk. für das Hundert zu haben.
Englische
Austern.
Holländische
Austern.
Holsteiner
Austern.
Nordsee-
(sogenannte
Helgoländer)
Austern).
IM. Industrie der Steine und Erden.
47. Baumaterialien,
a) Ziegelsteine.
Das Jahr 1912 hatte das Ziegeleigewerbe auf einen Tief-
stand gebracht, wie er seit langen Jahren nicht erreicht war,
und man hegte die Hoffnung, daß mit deon Jahre 1913 eine wenn
auch nur geringe Besserung eintreten würde. Es kam hinzu,
daß die Produktion des Jahres 1912 durch Stillegung einer Anzahl
größerer Ziegeleien verringert worden war, um die Produktion
mehr dem Konsum anzupassen, und daß für dieses Jahr die
Außerbetriebsetzung noch weiterer Werke beschlossen und durch-
geführt wurde. Die politische Spannung und die allgemeine Wirt-
schaftslage legten den Geldgebern weiter Zurückhaltung auf und
13*
a) Ziegelsteine.
Ziegel-
fabrikation.
196
m. Industrie der Steine und Erden.
/iegelhandel.
Hinter-
mauerungs-
steine.
die Unmöglichkeit, Hj^potheken bzw. Bargelder zu bekommen^
setzten dem Baugewerbe mehr und mehr Schranken und ver-
minderten die Bautätigkeit weiter. Die dadurch bewirkte geringe
'Aufnahmefähigkeit des Baumarktes drückte andererseits auf den
Preis der aus den früheren Jahren an den Markt kommenden "Ware,,
und bei der Geringfügigkeit des Bedarfs nahmen die nicht kar-
tellierten "Werke mit ihren Steinen einen großen Teil des Konsums,
für sich vorweg. Dazu kam, daß die mit dem Märkischen Ziegelei-
besitzerverband in Interessengemeinschaft stehenden Kalksand-
steinwerke sich freimachten und nun auch ihrerseits mit der
ganzen Produktion auf den M,arkt drückten. Dies veranlaßte
die Mauerstein verbände, die Preise herabzuestzen, um die Kon-
kurrenz der vorerwähnten Lieferanten zu beseitigen. Auch wurden
gleichzeitig angesichts der Unmöglichkeit, die statutarisch fest-
geset-zten Abnahmequoten unterzubringen, diese herabgesetzt. Da.
hiermit den Gesellschaftern das Recht zustand, ihre Verträge-
zu kündigen, und dieselben hiervon Gebrauch machten, war die
(\^ereinigung der Märkischen Ziegeleibesitzer gezwungen, am
1. Okt. in Liquidation zu treten. So ist es den Ziegel eibesitz ern
trotz der großen Opfer, die sie brachten, indem sie ihre Betriebe
stillegten und die Steine zu Preisen auf den Markt warfen, die
weit unter den Herstellungskosten lagen, nicht gelungen, ihre
Ware abzusetzen. Auch dieses Jahr schließt daher mit Ergebnissen
ab, die den geringer Bemittelten unter ihnen die weitere Existenz-
möglichkeit genommen, aber auch den wirtschaftlich stärkeren
Produzenten schwere Verluste 2nigefügt haben.
Was nun die Aussichten für das kommende Jahr anbelangt^
so scheiat es, als ob Anzeichen für eine geringe Besserung vor-
handen wären. Die Steifheit des Geldmarktes hat etwas nachge-
lassen. Die leerstehenden Wohnungen haben sich verringert und
nach kleinen Wohnungen zeigt sich bereits eine größere Nach-
frage. Bevor jedoch nicht die Belastung des Grundbesitzes durch'
Staat und Gemeinden wieder auf ein erträgliches Maß zurück-
gebracht ist und den HypothekendarleLhem eine unbedingte
Sicherheit durch die Gesetzgebung gewährleistet wird, dürfte
sich das Baugeschäft nicht wieder beleben.
Die seit mehreren Jahren andauernde trostlose Lage im
Mauersteiahandel resp. im Baugewerbe hat in diesem Jahre noch
eine weitere Verschlechterung erfahren. Eine ganze Anzahl von
Ziegeleien hatte gar nicht gearbeitet und von den in Betrieb be-
findlichen Werken wurde vielfach nur mit halber Kraft ge-
arbeitet, da noch enorme Bestände von fertigen Steinen aus der
1912er Produktion, teilweise sogar noch aus 1911 auf den Ziegeleien
lagerten. Im größten Ziegeleibezirk Zehdenick lagerten allein
ca. 275—300 Mill. fertige Steine, so daß nur 6—7 Betriebe in
diesem Jahre arbeiteten, deren Absatzgebiet vornehmlich in der
Provinz, weniger in Berlin, war. Die Zehdenicker Vereinigung
47. Baumaterialien.
197
sowie der IMärkische Ziegeleibesitz'er-Bund hatten wenig Absatz,
2"umal die freien Ziegeleien zusamimen mit den Kalksandstein-
fabriken den größten Teil des Groß-Berliner Bedarfes decken
konnten; es konnten daher die festgesetzten Hätidlerpreise von
20,25 Mk. pro Mille per Wasser und 21,50 Mk. pro Mille per
Bahn rnii- so lange gehalten werden, als die Händler laut Vertrag
verpflichtet waren, nur ausschließlich von den beiden Vereinigun-
.gen Steine zu beziehen. Am 15. Mai des Berichtsjahres hörte diese
Verpflichtung für die Händler auf und sofort fielen die Preise
ganz erheblich. Wassersteine ^^nlrden mit 19 Mk., Bahnsteine mit
'120 Mk. pro Mille angeboten; Anfang Juni er. wichen die Preiset
weiter um ca. 1 Mk. pro Mille. Die Verkaufsvereinigungen^
wollten nicht müßig zusehen, wie die freien Werke ihre Waren
absetzten und beschlossen, mit Kampfpreisen vorzugehen, um
•die nichtkartellierten Werke 2rur Einstellung der Fabrikationi
bzw. der Verkaufstätigkeit zu zwingen und ihre eigenen alten
Bestände zu verringern. Die Preise fielen auf 16,50 — 17 Mk.
pro Mille frei Ufer Berlin, einzjelne Posten sollen sogar noch
billiger verkauft worden sein.
Anfangs hoffte man auf eine Besserung der Marktlage
im Herbst durch die sofort in Angriff zu nehmenden um-,
fangreichen Kasemenbauten auf Grund der Militärvorlage in
Berlin, Spandau, Lankwitz, Döberitz, Königs Wusterhausen usw.,
^Is auch durch die seitens der Stadt Berlin in Angriff (zu
nehmenden großen Schulneubauprojekte usw. zur Steuerung der
Ai'beitslosigkeit. Eine Besserung der Preise ist jedoch nicht ein-
.^e treten ; ob eine solche im Frühjahr zu erwarten ist, hängt davon
ab, wie weit sich bis dahin die jetzigen Bestände vermindert
haben.
So lange nicht die private Bautätigkeit, die allein von
billigem Gelde abhängt, mehr in Gang kommt, ist wohl auf ein
lebhafteres, besseres Geschärft nicht zu rechnen, zumal die Industrie
sich jetzt auch Beschränkungen auferlegt.
Verblendsteine haben ebenfalls im ganzen wenig Absatz ge-
funden. Weiße Glasuren und schlesische Verblendsteine sind reich-
lich angeboten. Die Werke sind zu Preisnachlässen bereit, wenn
größere Anfragen an sie herantreten. Eine rühmliche Ausnahme
machen die Bathenower Verblendsteine. Diese Industrie ist gut
beschäftigt gewesen, und da sie nicht übermäßig produziert hat,
konnte sie stets Absatz zu guten Preisen finden. Es war sogar
im ganzen Jahre eine Knappheit an geeignetem Material zu, kon-
statieren. Der scheinbare Gegensatz dieses Berichtes gegenüber
der allgemeinen Marktlage des Baugeschäfts erklärt sich damit,
-daß erstens eine Ajnzahl von Ziegeleien dieser Kategorie im vorigen
Jahre ihren Betrieb eingestellt hatte und daß zweitens die Ha-
thenower Ziegeleien guten Absatz nach anderen Plätzen, wie
H[annover, Hamburg usw., gefunden haben.
Verblend-
steine.
Rathenower
Verblend-
steine.
198
III. Industrie der Steine und Erden.
Hartbrand-
steine.
I)) Kalksand-
steine.
Allgemeines
Absatz und
Preise.
Der Absatz in Hartbrandsteinen lag ebenfalls sehr danieder^
haben aber besonders mit der Konkurrenz des Betonbaus zu.
kämpfen.
b) Kalksandsteine.
Dieselben Verhältnisse, die das Geschäft in der Ziegelei-
branchc ungünstig beeinflußten, wirkten auch auf das Geschäft,
in Verblend-, Hartbrand-, Rathenower- und Kalksandsteinen und
gebrannten Steinen schädigend ein. Ein Zusammenschluß der"
Kalksandsteinfabriken mit den Ziegeleien mußte aufgegeben
weiden, da er aus den oben genannten Gründen nicht die er-
hofften Ergebnisse brachte. Infolgedessen war in der zweiten
Hälfte des Jahres der Preis um 15 — 20 o/o niedriger. Aber auch
zu diesem Preise konnte nur wenig abgesetzt werden. Obgleich
sämtliche Ziegeleien und Kalksandsteinwerke sich in ihrer
Pnoduktion erheblich eingeschränkt hatten, sind die Bestände-
am Schluß des Berichtsjahres noch sehr erhebliche und das An-
gebot ein sehr großes. Etwas lebhafter setzte die Nachfrage am
Schluß des Jahres allerdings ein durch die Inangriffnahme
größerer Militär- und städtischer Bauten. Da diese Bauten aber
auch nur langsam fortschreiten, sind sie auf den Absatz dieses.
Jahres noch ohne wesentlichen Einfluß geblieben. Der Bedarf
an Mauersteinen für Spekulationsbauten bleibt nach wie vor sehr
gering.
Der Absatz und die damit zusammenhängende Erzeugung ist
auf Vs eines Durchschnitt« jähr es heruntergegangen. Ein großer
Teil der kleineren Kalksandsteinfabrilien liegt seit Mitte des.
Jahres vollständig still. Die Preise für die Rohstoffe blieben.
Tab. 81.
Steinpreise (in Mark
I. Quartal
1912 I 1913
Hintermauerungsziegel I. Klasse
desgleichen per Bahn bezoo^en
(Hintermauerungsziegel II. Kl. sind 1 M. billiger)
Hintermauerungsklinker I. Klasse
Brettziegel von der Oder
Hartbrand ziegel vom Freienwalder Kanal und
von der Oder
Klinker
Birkenwerder Klinker
Rathenower Hand Strichziegel
„ zu Rohbauten
« Maschinenziegel la Verblender
II
„ Dachziegel
Poröse Vollziegel
„ Lochziegel ...
Chamotteziegel
Lausitzer gelbe Verblender
Berliner Kalksandsteine
21,25—23
22—25
23,75—30
l 25—30
20-35
46—65
35—40
38—43
44—52
35—45
30—42
26,50-30
I 24—30
I 80—110
I 50—60
1 19—22.50
20,75—24,50"
21,50—24.50*
23—28
24,50—36
25—40
36—65
36—48
40—50
44—55
38—48
30—40
27—33
24,50-28
80-110»
50—60
19—23
47. Baumaterialien.
199
dieselben, nur wiederum mit Ausnahme der Kohlen, die sich im
Jahre 1913 abermals im Preise erhöht haben. Der Wettbewerib
zwischen Ziegeln und Kalksandsteinen war friedlicher Art.
Das Verhältnis zu den Arbeitern war ein gutes. Die Zah-
lungsverhäjtnisse sind schlecht. Die Zahl der Konkurse und
Zahlungseinstellungen unverändert groß. Die Bestrebungen, das
Auskunftswesen zu verbessern, sind nur wenig von Erfolg be-
gleitet. Die gegebenen Auskünfte gestatten in den seltenste^.
Fällen genügende Einblicke in die Verhältnisse des Kreditsuchers.
c) Zementfabrikation und Handel.
Alle am Berliner Markt interessierten Fabriken verkaufen!
ihre Erzeugnisse in Berlin und Umgebung durch die Zementr
zentrale Berlin G. m. b. H. Im Jahre 1913 ist es gelunge/ii)^
die außerhalb dieser Vereinigung stehenden Eisenportland-
Zementfabriken mit der Zementzentrale zu kartellieren, so daß
jetzt durch diese Verkaufsstelle der gesamte Zementkonsum in
Berlin bis auf einen kaum in Betracht komjmenden Außenseiter
kontrolliert wird.
Während schon im Jahre 1912 der Zementkonsum in
Berlin einen Eückgang um ca. 500 000 Faß (d. i. etwa Vö des
Gesamtkonsums des Vorjahres) erfahren hatte, ist im laufenden
Jahre die Abnahme noch um weitere 50 000 Faß PortJand-Zement
zurückgegangen. Der Schaden, den die Zementindustrie durch'
die Stagnation der Bautätigkeit erleidet, kann durch die großen
kommunalen Bauten, die sich hauptsächlich auf die Untergrund-
bahn beschränken, nicht ausgeglichen werden. Die Zement-
fabriken waren aus diesem Grunde schon von der Mitte des Jahres
Arbeiter- und
Zahlungs-
verhältnisse.
c) Zement-
fabrikation.
Konsum.
für 1000 Stück).
II. Quartal
III. Quartal
IV. Q
uartal
1912 i 1913
1912 1
1913
1912
1 1913
20,25-23.50
20—24,50
20.25—22,50
18—21,75
20,25—23,50
17—21
21—24
21-24.50
21,25-23.50
19—22,50
21,25—24
18,25-22
23,75—29
21,50—28
23,50—29
21—28
22—28
19—25,50
26—30
24-36
24,50—30
25-30
23-32
24—30
23,75-45
24—36
23,75-36
23—36
23—38
22,75—36
36—60
35—60
36- 65
35—60
36—65
34—60
35-43
35—48
36—43
35-48 :
36—45
34—48
38-48 1 39—50
38-60
38-50
38,50—50
38—48
38-52 1 45—51
40—50
46—52 i
42—55
46—52
36—45
40-48
38—45
40—46 1
38—50
39—48
27,50—42
25—40
27,50—40
28—40 1
27—40
30-40
27—30
27,50—33
25,50—30
27-32 !
27—33
27—32
24-30
24,50-30
24—30
24-30 1
22,25—30
24-30
80-150
80—160
80-150
75-160 I
80—110
75—160
45—60
46—65
45—60
45-65 1
43—60
45—71
19-22
18—22
17,50—22
17—19,50^
18—23
16-19,50
200
III. Indus tri© der Steine und Erden.
Preise.
Export.
Arbeiter-
Verhältnisse.
ZemeuthandeL
ab gezwungen, bedeutende Teile ihrer Betriebe vollkommen still-
ztilegen.
Die Verkaufspreise waren befriedigende und hielten sich
auf der Höhe des Vorjahres. Die drohende Grefahr, daß durch die
Errichtung einer neuen Fabrik in Rüdersdorf, von der wir im
vorjährigen Bericht eingehend Mitteilung machten, die endlich
erreichte Einigung der am Berliner Markt beteiligten Fabräken
zerstört werden könne, ist vorläufig dadurch beseitigt worden,
daß durch erhebliche pekuniäre Opfer ein Aufschub in der Er-
richtung des neuen Werkes erzielt worden ist. Immerhin bleibt
die Gefahr bestehen, und es ist zweifelhaft, ob noch größere
Quantitäten von Portlandzement in Berlin untergebracht werden
können, da die Produktionsfähigkeit der beiden in Rüdersdorf
vorhandenen Fabriken bereits um öQo/o größer ist als der gesamte
Berliner Konsum.
Die Aufnahmefähigkeit der Provinz hat nicht den enormen
Rückgang erfahren wie das Berliner Geschäft. Die verhältnis-
mäßig hohen Produktionskosten der Berliner Werke und die
teuren Bahnfrachten begrenzen aber den Aktionsradius diesen
Werke, und es werden daher in der Provinz nur verhältnismäßig
geringe Mengen Portlandzement abgesetzt.
Das Exportgeschäft hielt sich in demselben Rahmen wie im
Vorjahre. Die ungünstigen ZoUverhältnis&e, die für Zement in
allen Ländern ohne Ausnahme hohe Zölle vorsehen, während
nach Deutschland Zement zollfrei eingeführt wird, wirken
hemmend auf das Exportgeschäft ein und der Inlandsmarkt wird
durch ausländische Konkurrenz schwer geschädigt. Es ist ein
unbedingtes Erfordernis, daß die Regierung bei neuen Zoll Ver-
handlungen hier Wandel schaffe und einen gerechten Ausgleich
herbeiführe, denn eine mächtige deutsche Industrie ist durch die
bestehenden Zustände schwer gefährdet.
Die Arbeiterverhältnisse waren infolge geringer Be-
schäftigung erträgliche, Streiks oder sonstige Schwierigkeiten
mit den Arbeitern sind im Berichtsjahre nicht vorgekommen.
Aus einem anderen Bericht entnehmen wir noch' folgende
Ausführungen :
Da die Fabriken resp. deren Zentralverkaufsstelle aber dem
Handel wenig entgegenkommen, namentlich den Händlern das Ge-
schäft mit Großabnehmern ganz ujimöglich machen, so hatte
der Zement h an del als solcher keinen Vorteil. Die Zement-
händler versuchten daher vielfach, für sich ein Geschäft zu
ermöglichen, indem sie Zemente aus Werken beziehen, welche
dem Ringe nicht angeschlossen sind. Ein bekannter Groß-
industrieller hat in der Nähe von Berlin mit dem Bau einer
neuen großen Zementfabrik begonnen. Um diese Konkurrenz,
welche die gesamte 2^mentindustrie mit ihrer zweifellos vor-
handenen Ueberproduktion scJiwer schädigen würde, unwirksam
47. Baumaterialien.
201
zu machen, haben die zusamimeng^eschlossenen Zementfabriken
.unter großen Opfern bewirkt, daß der Betreffende den Bau der
[Fabrik auf mehrere Jahre hinausgeschoben hat. Es hat daiher
den Anschein, als ob es den vereinigten Fabriken gelingen würde,
auch' für das Jahr 1914 ihren Zusammenschluß aufrechtzuer-
halten
d) Mörtelfabrikation.
Schon im vK)r jährigen Bericht wurde angedeutet, daß die
Aussichten der Berliner Mörtelindustrie für das Jahr 1913 un-
günstig sein würden. Diese Befürchtungen sind durch dije Tat-
sachen noch übertroffen worden. Der Absatz ist auch weiter
gegen das Vorjahr wieder ganz erheblich zurückgegangten, und
wohl kein Werk wird das laufende Jahr ohne Verlust abschließen.
AVie alle am Baugewerbe interessierten Industrien hatte auch
die Mörtelfabrikation unter der Depression am Baumarkt schwer
zu leiden Die Erträgnisse der Mörtelindustrie sind durch den
^geringen Absatz und die dadurch bedingte gieringere Arbeits-
leistung der zahlreichen eigenen Grespanne wesentlich zurück-
gegangen. In den Arbeiterverhältnissen sind Aenderungen nicht
eingetreten. Die "Wirkungen des mit den Kutschern geschlossenen
Tarifvertrages können sich erst zeigen, wenn eine Belebung des
Geschäftes eintritt. Die Befürchtungen für das Jahr 1914 über
einen weiteren Rückgang des Absatzes scheinen sich jedoch nicht
zu erfüllen.
d) Mörtel-
fabrikation.
e) Gipsindustrie. e) Gips.
Die bereits im Jahre 1912 gehegten Befürchtungen, daß der Absatz.
Absatz an Gips im Jahre 1913 weiter abflauen würde, haben sich
leider bewahrheitet. Die Bautätigkeit in Großberlin hat, was
AVohnhausbauten anbetrifft, fast ganz nachgelassen, so daß Ab-
satz Verhältnisse eintraten, wie sie seit Jahrzehnten nicht ge-
wesen sind. Unter diesen Umständen gingen die an und für sich
schon schlechten Preise noch weiter zurück, so daß die Harzer
AVerke wohl kaum die Selbstkosten erzielt haben dürften. Auch
die weitere Steigerung der Kohlenpreise machte sich belastend
für die Gipsfabrikation bemerkbar, ebenso auch infolge des ge^
ringen Absatzes die schlechte Ausnutzung der Fabrikanlagen und
ungünstige Verwendung der Arbeiter. Sofern nicht bald bessere
Verhältnisse auf dem Baumarkte eintreten, dürfte es den Fabri-
kanten sehr schwer werden, die dauernd wachsenden sozialen
Lasten für die Angestelltenversicherung usw. zu tragen.
An einen Zusammenschluß der Fabrikanten ist bei der Konvention,
schlechten Geschäftslage kaum zu denken, da sich jeder Fabrikaut
zu ungewöhnlichen Zugeständnissen bequemen müßte. Nach den
bisherigen Erfahrungen wird wohl die Möglichkeit eines Zu-
sammenschlusses erst dann gegeben sein, wenn ein großer Teil
der Gipswerke vor dem geschäftlichen Ruin steht.
202
III. Industrie der Steine und Erden.
Straßenbau-
materialien.
Pflastersteine.
Bordschwellen-
handel
in Berlin.
Lieferungen.
Der Handel von Gips in Säcken mit Mindergewicht bestand
aucli im Jahre 1913. Wenn auch einzelne Firmen, die sich mit
diesem Handel befaßten, teilweise durch Aufgabe des Geschäfts,
teilweise durch Zusammenbrechen infolge der ungünstigen Ge-
schäftslage, von der Bildfläche verschwanden, so tauchten doch
neue Firmen auf, die in dieser unfairen Handlungsweise für sich
einen Vorteil erblickten. Auch diese Firmen dürften nicht lange
.bestehen, jedoch wird nach wie vor der reelle Händler hierdurch
erheblich geschädigt. Der Absatz an Gips und Gipsdielen für
Großberlin belief sich im Jahre 1913 auf ca. 7000 Waggons, von
denen ca. 4500 Waggons die Sperenberger Gipswerke und den
Rest die. Harzer Werke lieferten. In Anbetracht der trostlosen
Lage des Baumarktes ist wohl kaum ein Fabrikant von Verlusten
mehr odei weniger verschont geblieben.
f) Straßenbaumaterialien.
Im Berichtsjahre war die Nachfrage sowohl nach besser
bearbeiteten als auch nach geringeren Eeihenpflastersteinen in-
ländischer und schwedischer Herkunft geringer als im Vorjahre.
Als Ursache war die allgemein ungünstige Geschäftslage und
insbesondere die des Baumarktes, und der Umstand, daß viel-
fach für bereits bestehende und neue Straßenzüge dem Asphalt
der Vorzug gegeben wurde. Die Folge war ein Nachlassen der
Verkaufspreise, und die in diesen enthaltenen Gewinnaufschläge
wurden teils durch höhere See- und Flußfrachten, teils durch
Bewilligung höherer Löhne an die Steinhauer aufgezehrt. Auch
in diesem Jahre waren die Inlandsbrüche voll beschäftigt und
Riicht in der Lage, den an sie herangetretenen Anforderungen in
vollem Umfange und rechtzeitig zu genügen, was zur Folge hatte,
daß in verschiedenen Fällen seitens deutscher Steinbruchbesitzer
Anfragen an schwedische Bruchbetriebe geriehtet worden sind»
Der Absatz aus nordischen Betrieben naöh Uebersee und nach
dem europäischen Auslande war im Berichtsjahr recht gering, was!
Mehrkosten.
Der Absatz an Bordschwellen aus nordischen Betrieben
nach Großberlin war außerordentlich gering und erfolgte nur zu
sehr mäßigen Preisen. Der hohe Zoll auf Bordschwellen, dagegen
die Frachtermäßigungen auf preußischen und sächsischen Bahnen
für Inlandsmaterial ermöglichten es den Inlandsbetrieben, solche
Materialien zu guten Preisen in Großberlin und billiger abzusetzien^
als dies den nordischen Betrieben möglich ist.
Es ist zu bedauern, daß nur sehr wenige Verwaltungs-
stellen sich dazu verstehen können, ihren Materialbedarf für
das nächste Jahr schon im Herbst auszuschreiben und zur Liefe-
rung zu vergeben. Im anderen Falle wären sämtliche Stein-
brüche in der Lage, während der Wintermonate die Steine
schlagen zu lassen, und könnten dann wenigstens einen größeren
47. Baumaterialien.
203
Teil ihrer Steinarbeiter über die für die Steinindustrie schlech-
testen Monate hinaus beschäftigen. Jetzt werden wegen Mangel
an Aufträgen, da die gesamte Bautätigkeit im AYinter längere
oder kürzere Zeit ruhen muß, häufig größere i^rbeiter-,
entlassungen zur Notwendigkeit. Da fast jede Stadt aus nur
selten stichhaltigen Gründen ihr eigenes Profil für ^Bordschwellen
hat, so ist ein Arbeiten auf Vorrat in diesem Artikel nicht
angängig. Die Ausschreibungen der Städte finden erst nach
Aufstellung ihrer Etats, meist im ersten Viertel des neuen
Jahres, statt, und die Lieferungen erfolgen dann im Sommer.
Hierdurch sind die nordischen Betriebe und diejenigen Inlands-
betriebe, die AVasserverfrachtungen haben, nicht in der Lage,
die jeweils billigen See- bzw. Flußfrachten im Frühjahr aus'-i
zunützen, vielmehr müssen die häufig erheblich höheren Sommer-
frachten bei Abgabe der Preise berücksichtigt werden.
Das Berichtsjahr hat trotz mancher ungünstigen Momente
eine ziemlich befriedigende Beschäftigung im Alphaltgeschäft
ergeben. Es sind wieder ziemlich bedeutende Straßenflächen
mit Asphalt ausgeführt worden. Neben dem Stampfasphalt,
der nur auf verkehrsreichen Straßen Anwendung finden
kann, sind in einigen Städten Straßenzüge mit geringerem
Verkehr mit hydraulisch gepreßten Stampf asphaltplatten mehr-
fach befestigt worden. Bedauerlich ist nur, daß die Preise
für diese Arbeitsausführungen sich noch immer nicht ge-
bessert haben, sie sind vielmehr infolge der scharfen Kon-»
kurrenz teilweise noch zurückgegangen. Namentlich ist hervor-
zuheben, daß es nicht gelungen ist, die Herstellung des;
Unterbetons für die Stampfasphaltstraßen im Einklang mit
den hohen syndizierten Zementpresien zu bringen.
Einzelne Städte haben sich dem Vorgehen der großen Städte
angeschlossen, und bei den Stampfasphalt-Arbeiten von dem
iSubmissionsverfahren abgesehen, diese Arbeiten vielmehr be-
kannten leistungsfähigen Firmen nach abgeschlossenen Verträgen
übei geben und somit den scharfen "Wettbewerb ausgeschaltet.
In diesen Fällen sind leidliche Preise erzielt worden. Die
Straßenbefestigung in Stampfasphalt oder in hydraulisch ge-
preßten Platten bei den Terrain-Gesellschaften sind als wenig
befriedigend und nicht lohnend zu bezeichnen.
Die Arbeitsausführungen in Gußasphalt — abgesehen
\^on der Verwendung für Gußasphaltstraßen, die nur in be-
scheidenem Umfange ausgeführt sein dürften — sind infolge
des Daniederliegens des Hochbau-Geschäftes, bei dem Befesti-
gungen Von Durchfahrten, Höfen, Trottoiren, Isolierungen us'w.
hauptsächlich für Gußasphalt in Frage kommen, gegenüber dem
letzten Jahre außerordentlich scharf zurückgegangen, und die
'Erw^artungen, Welche man nach Beendigung der politischen
Wirren für diese Branche hegte, sind nicht in Erfüllung ge-
Asphalt.
Stampf aspha lt.
Gufsasphalt,
2 04 ni. Industrie der Steine und Erden.
gangen, vielmehr hat sich der Baugeld- und Hypothekenmarkt
noch weiter verschlechtert, so daß in vielen Bezirken die Bau-
tätigkeit vollständig stockte. Sofern einige größere Arbeiten in
Gußasphalt ausgeboten wurden, war das Angebot so außer-
ordentlich groß, daß die Arbeiten nur zu Preisen hereingeholt
werden konnten, die mitunter kaum die Selbstkosten deckten.
Auch in der Provinz ist die Bautätigkeit teilweise als
eine sehr geringe zu bezeichnen, was den Absatz dieser Artikel
beeinträchtigt.
Asphalt INach einem anderen Bericht sind in Berlin und seiner
Umgebung im Berichtsjahre zirka 272 000 qm (gegen zirka
356 000 qm im Jahre 1912) Fahrdämme mit Stampfasphalt
und zirka 44 000 qm (gegen zirka 83 000 qm' im Jahre 1912)
Pahi dämme mit Gußasphalt befestigt worden, wozu zirka
30 000 t Asphalt zu den Stampfasphaltbelägen und zirka
2500 t zu den Gußasphaltbelägen erforderlich waren. Etwa
i/io der Menge des Stampfasphaltes, also zirka 3000 t, stammen
aus deutschen Gruben, zirka 27 000 t aus Herkommen in Italien,
Prankreich, Schweiz. Die Ausführung der Arbeiten wurde durch
zehn einheimische und zwei englische Firmen bewirkt.
Auf der ganzen Linie prägt sich deutlich die allgemeine
schlechte Geschäftslage aus. — In allen Orten, die hier in
Frage kommen, ist man offensichtlich bemüht, für Straßen-
ausführungen möglichst wenig Mittel aufzuwenden. Fast überall
ist der Umfang der ausgeführten Arbeiten geringer geworden
als im Vorjahr. So z. B. sind in Berlin nur 51 000 (72 000) qm,
in Charlottenburg 14 000 (33 000) qm, in Wilmersdorf 32 000
(89 000) qm Stampfasphaltstraßen ausgeführt worden. Nur in
wenigen Orten ist die Arbeitsausdehnung größer geworden, so
in Neukölln 40 000 (22 000) qm, Weißensee 13 000 (4000) qm.
In diesen beiden Orten hat man erst später angefangen, Asphalt-
straßen zu bauen und ist damit noch nicht so weit, um Ein-
schränkungen eintreten lassen zu können. Hier liegt also sozu-
sagen ein Zwang für die Verwaltung vor. Auch die Flächen
der Gußasphaltarbeiten sind, wie die zu Eingang dieses' er-
wähnten Zahlen zeigen, seit dem vorigen Jahr ganz erheblich',
fast bis auf die Hälfte, zurückgegangen.
Die Preise, welche für Asphaltarbeiten gezahlt werden,
sind so gering, daß bei gewissenhafter Ausführung ein Ver-
dienst nicht mehr zu erzielen ist.
g) Kies und g) Kics Und Sand.
Sand. 0/
^gg Im Jahre 1913 hat das Kiesgeschaft einen Tiefstand erreicht,
wie er seit vielen Jahren im Groß-Berliner Baumarkte nicht mehr
gewesen ist. Die allgemeine Notlage im Baugeschäft, und das Fehlen
derjenigen besonderen Bauten, welche speziell Beton in größeren
Massen zu verwenden pflegen, wie z. 1B. Umbauten von Ge-
47. Baumaterialien.
205
schlaf tshäusern, Neubauten von Fabrikanlagen usw., beeinträch-
tigten diese Branche. Die Untergrundbahnbauten waren zum
Teil fertiggestellt, zum Teil die neuen Linien noch nicht so
w^eit in der Bauentwicklung begriffen, daß sie wesentliche
Mengen an Kies gebraucht hätten. Obwohl sich die in unserem
vorjährigen Berichte bereits angedeutete Vereinigung der Kies-
interessenten gebildet hat, ist sie nicht imstande gewesen, auf
die Preisgestaltung irgendwelchen Einfluß auszuüben, sondern
die Preise sind noch unter das Niveau des vorigen Jahres
heruntergegangen. Es ist auch nicht anzunehmen, daß die Ver-
einigung in ihrer heutigen Zusammensetzung jemals in der
Lage sein wird, irgendwelchen maßgebenden Einfluß auf das
allgemeine Kiesgeschäft zu gewinnen.
Die Plußbaggereien haben naturgemäß unter den geringen
Absatzmöglichkeiten ebenso gelitten wie die Grubenkiese. Für
[das nächste Jahr werden die Flußbaggereien nach den bis-i
herigen Absichten der Regierung überhaupt für den Berliner;
Baumarkt fortfallen, da auf der Elbe nur ein Bagger bleibt,
der im wesentlichen für Hamburg in Betracht kommt, während
auf der Oder und Neiße die Baggerungen wahrscheinlich ganz
eingestellt werden. Die "Wasserverhältnisse waren für die Fluß-
baggerungen in diesem Jahre durchweg günstig, so daß auch'
die Schiffahrt sich glatt hat abwickeln können.
Ein großes neues Kieswerk ist in der Nähe von Alt-Buch-
horst während des Jahres 1913 derartig ausgebaut worden, daß
es für das nächste Jahr in seiner fast unbeschränkten Leistungs-
fähigkeit den zu erwartenden Ausfall an Flußkies reichlich;
(wird ersetzen können. — Durch seine günstige Lage sowohl als
auch durch die gute Beschaffenheit des Kieses wird das neue
Werk Wahrscheinlich im nächsten Jahre einen wesentlichen Ein-
fluß auf das allgemeine Kiesgesöhäft ausüben.
Fluß-
baggerkies.
Grubenkies.
h) Beton und Eisenbeton.
Auch die Betonindustrie hatte unter dem Daniederliegen der
privaten Bautätigkeit zu leiden. Für Behörden war dagegen im
Tiefbau wie im Hochbau leidlich gute Beschäftigung vorhanden,
und die Heeresverstärkung hat auch eine größere Anzahl Militär-
bauten in den Vororten von Berlin veranlaßt. Daß durch die herr-
schenden niedrigen Preise die Baufirmen zur allergrößten Spar-
samkeit gezwungen werden, kann nur nachteilig auf die Sicher-
heit der Ausführungen wirken, weil gerade auf diesem Arbeits-
gebiete eine ganz besondere Gewissenhaftigkeit und Zuverlässig-
keit am Platze ist. Die Tarifverträge mit den Arbeitnehmern
konnten — wie im allgemeinen Baugewerbe — nach längeren
Verhandlungen erneuert werden. Mit dem 1. Aug. 1913 ist
eine allgemeine Lohnerhöhung von 2 Pfg. für die Stunde ein-
getreten, und eine weitere gleiche i^rhöhung ist für die Zeit vom
h) Beton und
Eisenbeton.
206 ni. Industrie der Steine und Erden.
1. Okt. 1914 bis 31. März 1916 zugestanden worden. Der
Preis für 'Zement hat gegen das Vorjahr keine nennenswerte
Veränderung erfahren; für das Jahr 1914 hat dagegen die
Berliner Zementzentrale eine Erhöhung von 0,35 Mk. für das
jPaß = 170 kg netto festgesetzt, und dadurch den Abnehmern
die Entschädigung auferlegt, die in Höhe von 500 000 Mk. jähr-
lich mit einem Großunternehmer dafür festgesetzt ist, daß dieser
auf dem Rittergute Eüdersdorf bis zum Jahre 1916 keine neue
^ementfabrik baut. Der Ankauf dieser Besitzungen in Eüders-
dorf gegen Zahlung von zirka 81/2 Mill. Mk., der von den
Berliner Fabriken mit Unterstützung der auswärtigen Verbände
geplant war, ist im letzten Augenblick an dem Widerstand einer
Firma gescheitert. Da das Rheinisch* -Westfiäliscihe Zement-t
Syndikat nach langwierigen Verhandlungen neu zustande zu
kommen scheint, so ist ein freier Wettbewerb auf dem Zement-
markte in Deutschland einstweilen ziemlich ausgeschlossen, und
die Zementfabriken sind in der Lage, die Preise zu diktieren.
Daß die hohen Zementpreise der Verwendung von Beton und
Eisenbeton vielfach hinderlich' sind, braucht nicht weiter er-
läutert zu werden. In Groß-Berlin sind die Eisenbetondecken
durch die Steineisendecken fast vollständig verdrängt worden,
weil Deckensteine sehr billig verkauft "werden.
48. 0 f enf abr ik a t io n.
Absatz. Das Berichtsjahr wich in keiner Weise von dem vorherigen
ab. Die Lage in diesem Gewerbezweige ist nach wie vor ^überaus
traurig, der Absatz der gering^en Bautätigkeit wegien minimal,
und die Preise sind gedrückt. Eine Anzahl Fabriken sind in
iKonkurs geraten, andere haben den Betrieb eingestellt. Die
Einführung des zweiten Teiles des Gesetzes zum Schutze der
Bauhandwerker wird von dem Berichterstatter für notwendig
gehalten, denn die Verluste ,am Baumarkt gefährden die meisten
Interessenten ernstlich. Selbst wenn die Bautätigkeit infolge
der Einführung des zweiten Teiles des Gesetzes sich noch ver-
ringern sollte, so wäre doch die Möglichkeit großer Verluste zum
größten Teil beseitigt. Mangels einer geeigneten Organisation
der Bauinteressenten und Handwerker ist es unmöglich, den Stand-
punkt dieser Kreise öffentlich wirksam zur Geltung zu bringen.
Als Vertretung ihrer Gesamtinteresisien ist der Schutzverein der
Berliner Bauinteressenten anzusehen, dessen Stellungnahme je-
doch' die Bauhandwerker nicht immer vollauf befriedigt. Arbeits-
einstellungen haben in diesem Jahre seitens der Arbeitnehmer nicht
stattgefunden, da infolge der trostlosen Lage das Angebot an
Arbeitskräften ungemein groß war. Tarifänderungen sind nicht
vorgekommen, wohl aber boten sich Arbeitskräfte unter den
Tarifpreisen an. Der in früheren Jahren erfolgte Zusammen-
schluß aller Ofenfabriken Deutschlands hat es natürlich auch
49. Chamo ttewaren; 207
nicht vermocht, die Zustände auf dem Baumarkt zu ändern oder
aber einen größeren Absatz zu erzielen, da Preisunterbietungien
seitens schwachf'undierter Fabriken nicht verhindert werden konn-
ten. Das Yerkaufssyndikat der Vel teuer Ofenfabriken ist in die
Brüche gegangen. Die Preise der Rohmaterialien haben sich un-
gefähr auf der gleichen Höhe gehalten wie im vorigen Berichts-
jahr, so daß die Herstellun^gskosten für alle Fabrikate auch
ungefähr dieselben geblieben sind. Nach dem Auslande sind zwar
einige wesentliche Geschäfte zustande gekommen, jedoch haben
diese wenigen Geschäfte kaum großen Einfluß auf die Lage
imseres Oewerbezweiges ausigeübt.
49. Chamottewaren.
Der Rückgang der Baukonjunktur hat auch die Chamotte-
fabrikation sehr beeinträchtigt. Während im Vorjahre der Ab-
satz an Chamotteprodukteii für das Baugewerbe etwa noch 25 o/o
(des normalen Absatzes betrug, ist der Bedarf in diesem Artikel
im Berichtsjahre so weit zurückgegangen, daß der Umsatz auf
etwa 10 bis 150/0 des Umsatzes der Vorjahre einzusehätzen ist. —
Leider darf in absehbarer Zeit eine Besserung nicht erwartet
v^erden.
Die Industrie als Käuferin von Qualitätsware, welche den
zuverlässigeren Teil des Absatzgebietes repräjsientiert, ist im Ab-
flauen begriffen; die Neubauten von Feuerungs- und Ofenanlagen
sind daher nicht so zahlreich g'-ewesen, wie zurzeit der Hoch-
konjunktur. Die Chamottewerke Sachsens, Söhlesiens und Rhein-
land-AVestfalens, welche Jahre hindurch stark beschäftigt waren
und meist längere als sonst übliche Lieferfristen verlangen mußten,
waren im Berichtsjahre zum Teil nicht ausreichend beschäftigt.
Ein Rückgang der Preise hat sich indessen nicht bemerkbar ge-
macht. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, daß die stetig steigen-
den Erstehungskosten der Chamo tteprodukte einem Nachlassen
der Preise entgegenwirkten.
In Berlin hat sich die Minderbeschäftigung der Chamotte-
werke durch ein stärkeres Angebot bemerkbar gemadht, ohne in-
dessen auf die Preisbildung zu wirken, abgesehen von zahl-
reicli'en geringen, nicht als Qualitätsware anzusprechenden Fabri-
kaleii, welche zu, Sdhleuderpr eisen angeboten werden. Da ein
weiteres Nachgeben der Allgemeinkonjunktur nicht aus-
geschlossen erscheint, wird das Ergebnis des Berichtsjahres,
welches dem des Vorjahres naehstand, kein erfreuliches sein;
die Zukunft wird kaum eine Besserung des Umsatzes bringen.
Das Gesamtergebnis des hiesigen Handels ist recht un-
erfieulich. Auf die Erzielung eines nennenswerten Gewinnes
Avird man wohl allgemein verzichten müssen. Nur die Besserung
des Hypothekenmarktes kann Hilfe bringen.
208 ni. Industrie der Steine und Erden.
PorzeUan. 50. Porzellan und Steingut.
Fabrikation. Die Kgl. Porzellan^anufaktur in Berlin berichtet folgen-i
des: Die Geschäftslage der Königlichen Porzellan-Manufaktur
war das ganze Jahr hindurch außerordentlich günstig. Der Ab-
satz war auf allen Gebieten unserer Fabrikate — weiße und be-
malte Tafelgeschirre, Kunstgegenstände und öhemisch-technischö
Geräte — in stetigem Steigea, so daß zur Befriedigung der drin-
gendsten Nachfrage der Bau eines großen Rundofens in eingriff
genommen werden mußte. Soweit vorauszusehen, wird auch nach
dessen Vollendung noch' auf lange Zeit hinaus die ganze Pro-
duktionskraft der Manufaktur zur Erledigung vorliegender und
eingehender Aufträge in Anspruch genommen werden und an
die wünschenswerte Ergänzung der Lagervorräte, die notwendig
wäre, um die Kundschaft rascher zu bedienen, wird noch nicht
g'edacht werden können.
Die Manufaktur vollendete im September 1913 das 150. Jahr
ihres Bestehens als Staatsinstitut, und aus diesem Anlasse wurde
im. hiesigen Kunstgewerbemuseum eine umfassende Ausstellung
ihrer Erzeugnisse aus allen Zeitabschnitten veranstaltet und durch
Se. Majestät den Kaiser am 20 Okt. eröffnet.
Einem anderen Bericht über die Fabrikation und den Handel
mit Porzellan entnehmen wir folgende Ausflührungen:
Diejenigen Faktoren, die bereits im letzten Viertel des Jahres
1912 den Gesdijäftsgang ungünstig beeinflußt haben, machten sich
auch während des ganzen Berichtsjahres fühlbar. Die politische
Lage, die groß© Geldknappheit, die noch immer recht merkliche
Lebensmittel teuerung setzten die Kaufkraft herab. Das "Weih-
nachtsgeschäft war trotz des ungünstigen "Wetters besser, als
man es erwartet hatte; jedoch erreichten die Umsätze im allge-
meinen nicht die Höhe derjenigen der Jahre 1911 und 1912.
Außerdem waren die Aufwendungen für Propaganda wesent-
lich höher und, soweit die Detailgeschäfte nicht die Barzahlung
rein durchgeführt hatten, mußten sie mehr als in <ien Vor-
jahren kreditieren. In dem Artikel machte sich diese Geschäfts-
lage besonders dadurch bemerkbar, daß ganz teure Service und
Einzelstücke wenig gekauft wurden, dagegen war die Nach-
frage nach den mittleren Preislagen im Rahüien des geschilderten
Geschäftsganges lebhaft.
Trotz des schleppenden Geschäftsganges in den Detailgeschäf-
ten konnten diejenigen Porzellanfabriken, die bessere Qualitäten
fabrizieren, das ganze Jahr über ziemlich ohne Einschränkungen
arbeiten. In den letzten Monaten mußten sogar einige Fabriken
mit üeberstunden arbeiten. Dagegen war der Geschäftsgang in
den Fabriken, die billigere Waren fabrizieren, nicht mehr so
günstig wie in den Vorjahren. Hierzu trug auch der Umstand
öO. Porzellan und Steingut.
209
bei, daß viele AVarenhäuser und Grossisten den Revers der Por-
zellankonvention nicht untersclirieben hatten und dalier von den
Mitgliedern der Konvention keine AVare erhielten. Die außer-
halb der Konvention stehenden Porzellanfabriken, die ausscliließ-
lich mittlere und billigere AVaren herstellen, waren aus dem
gleichen Grunde gut beschäftigt, so daß einige von ihnen SDgar
wesentliche Vergrößerungen vornehmen konnten. Innerhalb der
Konvention sind im Laufe des Jahres keine wesentlichen Aen-
derungen eingetreten, jedoch wird von denjenigen Mitgliedern
<ler Konvention, welche früher viel an "Warenhäuser lieferten,
daran gearbeitet, den Konflikt zu beseitigen, und auf der anderen
Seite empfinden auch viele AVarenhäuser und Grossisten, die
ihre Sortimente nicht im vollen Umfange aufrechterhalten können,
den Konflikt als sehr geschäftsstörend, so daß für das Jahr
1914 eine Aenderung in dieser Beziehung nicht als ausgeschlossen
erscheiner. kann. Zum Teil wurden die Porzellanfabriken, die
Mitglieder der Konvention sind, für den erwähnten Ausfall durch
eine Steigerung des Exportgeschäftes entschädigt. Wenn die Her-
absetzung des Tarifes für die Vereinigten Staaten für Porzellan
auch nur sehr gering war, so hat doch schon die Beendigung
der Unsicherheit zur Belebung des Geschäftes wesentlich bei-
getragen
Ueber den Geschäftsgang in den Fabriken von Luxusporzellan
läßt sich nicht leicht ein zusammenfassendes Urteil abgeben.
Eine Anzahl von Fabriken, die besonders gute Neuheiten heraus-
gebracht oder für den Export große Aufträge zu liefern hatten,
Avaren gut beschäftigt, während andere Fabriken ihre Betriebe
nur in beschränkter Weise aufrechterhalten konnten. Jedenfalls
kann der Geschäftsgang im allgemeinen nicht als ein guter be-
zeichnet werden. Dagegen hatten die Staatsmanufakturen, deren
Marken vom Publikum bevorzugt werden, sehr stark zu tun,
so daß sie den Ansprüchen bei weitem nicht genügen konnten.
Auch die Kopenhagener Porzellanfabriken machten wieder ein
gutes Geschäft. Große Streiks waren in der gesamten Industrie
nicht zu verzeichnen, kleinere Konflikte konnten beigelegt
werden.
Ueber die Geschmacksrichtung in Gebrauchsgeschirren läßt
sich wenig neues sagen. Auch im Berichtsjahre waren einfache,
höchstens durch Rippen und andere einfache Verzierungen unter-
brochene Flächen am beliebtesten. Die größeren Körper der Service
wurden noch immer in ovalen Formen bevorzugt. Banddekore und
breitere Kanten in kräftig nebeneinandergesetztena Farben wurden
am meisten gebracht. In Luxusporzellan wurden billigere Artikel
in Kopenhagener Art weniger gekauft. Für bessere Nippes wurden
kräftige auf Glasurdekore in der Manier von Alt-Meißen bevor-i
zugt. Die Zahlungsweise hat sich gegen das Vorjahr eher ver-
scJilechtert, jedoch waren die Zahlungseinstellungen im Zwischen-
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 14
Lusus-
Porzella».
Gebrauchs-
porzellan.
210
51. Glas und Glaswaren.
SteiBgut waren,
Majoliken und
Terrakotten.
Stemzeug
Glaswaren.
handel nur gering. Von größeren ist nur die einer süddeutschen
Firma zu erwähnen.
In Steingut waren nur die Fabriken, die bessere Artikel her-
stellen, das ganze Jahr über befriedigend heschäftigt, die Fabriken
von sogenanntem Feinsteingut, die ihre Spezialitäten haben, sogar
jgut. Die Steingutkonvention, die trotz ihrer Ueorganisation keine
merkliche Einwirkung auf Preise usw. entfalten konnte, gab im
Frühjahr üiren Mitgliedern die Preise völlig frei, so daß sie
tatsächlich völlig unwirksam wurde. Gegen Ende des Jahres
kündigte ein Mitglied der Steingutkonvention den G-esellschafts-
vertrag, so daß, wenn keine Reorganisation auf neuer Grund-
lage erfolgt, diese Konvention, die während ihres langjährigen
Bestehens nur eine sehr geringe Tätigkeit entfaltet hat, Ende
1914 zu bestehen aufhören wird. Das Geschäft der Hartsteingut-
Spülwarenfabriken litt imter der Ungunst des Baumarktes in
erheblicher "Weise, so daß auch hier der Geschäftsgang viel zu
wünschen übrig blieb. — Das Geschäft in Majoliken war nicht
[bedeutend, dagegen wurden die rheinischen Terrakotten, die teils
Nachbildungen klassischer, italienischer Arbeiten, teils moderne
Formen brachten, gut gekauft.
In Steinzeug Avurden die besten Qualitäten gut gekauft. Auch
in technischen und hauswirtschaftlichen Artikeln war der Umsatz
ein befriedigender. Auch in diesen Industrien war im allgemeinen
das Verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitern ein be-
friedigendes. Von andauernden großen Streiks und Aussperrungen
war nichts zu berichten. Hier und da führten freilich die von den
Unternehmern infolge des ungünstigen Geschäftsgauges gemachten
Versuche, die Arbeitslöhne auf den früheren Stand herabzusetzen,
zu Konflikten, die aber immer beigelegt werden konnten.
51. Glas und Glaswaren.
In billigen Glaswaren und Beleuchtungsglas war der
Geschäftsgang befriedigend. Gegen Ende des Jahres führten
die Beleuchtungsglashütten sogar einen Preisaufschlag ein. Für
Preßglas brachte das neue Eichgesetz, das am 1. Okt. in Kraft
trat, eine außerordentlich starke Erhöhung des Geschäftsganges.
Im übrigen wurde hier aber wieder über Preisunterbietungen, die
besonders durch die Reklame verkaufe der Warenhäuser herbei-
geführt wurden, lebhaft Klage geführt. In Kelchglas war das
Geschäft kein besonders gutes, so daß in den eigentlichem
Konsumartikelfabriken, die besonders in AVestdeutschland liegen,
kein erheblicher Nutzen geblieben sein dürfte. Dagegen war
das Geschäft in schwergeschliffenem Bleikristall auch im Be-
richtsjahre wieder ein lebhaftes, wenn auch hier und da ein Nach-
lassen der Nachfrage berichtet wird. Neben den ausländischen
^larken sind im Berichtsjahre auch einige deutsche Erzeugnisse
'gut verkauft worden. Zu den teuren Kunstgläsem traten als
51. Glas und Glaswaren.
211
l^euheit im Berichtsjalire Kunstg'läser nach Entwürfen der Haidaer
T'achschule, die bei hohen Preisen Anklang fanden. Da der all-
.gemeine schlechte Geschäftsgang sich auch für diese feinen
Kristallartikel bemerkbar machte, so konnten die Lieferanten
ihren Verpflichtungen besser als in den Vorjahren nachkommen
^ind einen Teil der rückständigen Aufträge ausliefern.
Wenn sich die allgemeinen Verhältnisse auf dem deutschen
<jreldmarkt bessern, so dürften auch für die keramische und Glas-
brauche im Jahre 1914 günstigere Verhältnisse zu erwarten
«ein, da im allgemeinen die Vorliebe des kaufenden Publikums
für diese Artikel eher im Steigen als im Abnehüien begriffen ^
«ein scheint und auch die Fabrikanten ihre Anstrengungen, schöne
und. bra.uchbare Erzeugnisse herzustellen, immer mehr steigern.
YAr wünschen wäre nur, daß in der Herstellung von Neuheiten
^in langsames Tempo eingeschlagen würde, da durch die Schaffung
von allznvielen Neuheiten, die natürlich nur zum geringsten Teil
wirklich gut sein können, die Produktion verteuert tind das
Oeschäft für den Zwischenhandel in unnötiger AVeise kompliziert
w^ird. Für die durchaus notwendige Reform in dieser Beziehung
wäre es von größter Wichtigkeit, daß in Leipzig nicht mehr wie
bisher zwei Messen, sondern nur eine Messe stattfinden würde,
da die Fabrikanten naturgemäß glauben, zu jeder Messe Neuheiten
bringen zu müssen, und so anstelle der früher üblichen einmaligen
Musterung im Jahre jetzt eine zweimalige getreten ist. Von vielen
Einkäufern im Reich und im Auslande würde ein Ausbau der
Berliner Musterläger unter Fabrikregie den Messen und
«dem Agenturbetrieb, bei weitem vorgezogen werden, jedoch
ist hieran kaum zu denken, da von selten der Berliner Be-
-hcrden dieser Frage bisher noch' nicht die geringste Aufmerk-
samkeit geschenkt worden ist, während die Leipziger alles mög-
liche für die Erhaltung der beiden Mustermessen tun, die der
^tadt jährlich viele Millionen einbringen.
Der Handel mit Tisch- und Trinkgläsern war auch in
diesem Jahre lohnend. Auswärtige und deutsche Hütten brachten
neue Muster, wodurch ein noch besserer Umsatz erzielt wurde,
^Is im Vorjahre. Etwas störend berührten die ziemlich hohen
Preissteigerungen der englischen Glashütten. Arbeitsein-
stellungen traten nicht ein.
In der Flaschenfabrikation waren im ersten Halbjahre des
Berichtsjahres die Absatzverhältnisse günstig, und es konnte
eine ziemlich erhebliche Steigerung gegenüber dem gleichen Zeit-
räume des Vorjahres verzeichnet werden. Durch die dann ein-
getretene kühle Sommerwitterung erfolgte ein starker Rück-
gang des Absatzes und es wurde außerdem die Nachfrage nach
diesen Fabrikaten durch die allgemeine wirtschaftliche Lage
ungünstig beeinflußt. Besonders im Exportgeschäft hat sich
dieser Rückgang bemerkbar gemacht.
Aussichten.
Tisch- und
Trinkgläser.
Flaschen-
fabrikation.
212
III. Industrie der Steine und Erden.
Sowohl die Preise für Kohlen und liohmaterialien als auch
die Arbeitslöhne haben im Berichtsjahre eine weitere Erhöhung
erfahren. In den Arbeiterverhältnissen sind Störungen nicht
vorgekommen.
Spiegelglas Durch den Bau der neuen Spiegelglasfabrik „Girresheim" hat
von Beginn des Jahres 1913 an eine nicht zu leugnende Unsicherheit
in der gesamten Spiegelbranche geherrscht. Sowohl das Internatio-
nale Spiegelglas-Syndikat als auch die Lagerhalter- Vereinigung
ivaren nicht in der Lage, zu ersehen, wann die Erzeugnisse der
neuen Hütte auf den Markt kommen würden. Es kam hinzu, daß
die Hütte die Händler nicht über den Weg aufklärte, den sie ein-
zuschlagen gedachte. Die großen Handlungen hielten deshalb schon
bei Beginn des Jahres mit dem Einkauf zurück. Das Einschränken
wurde forciert, bis die Hütten im Herbst den Händlern Baisse-
garantie, erst bis Ende Dezember, dann bis Ende Januar, anboten.
Jetzt wurde zwar gekauft, aber immer noch mäßig. Das Miß-
trauen und die Furcht vor einem plötzlichen Preissturz war durch
die kurzbemessene Baissegarantie nicht behoben. Sich für Ja-
nuar einzudecken, barg eine große G-efahr. So flaute bereits
Mitte November der Einkauf wieder ab, um im Dezember gänzlich
stillzustehen. Die Händler lebten von der Hand in den Mund und
zerschnitten ihr gesamtes Lager. Die Lage war also am Ende des
Jahres genau so wie am Anfang. Die Verluste müssen auf beiden
Seiten sehr erheblich sein. Der Absatz ist zweifellos im Jahre
1913 zurückgegangen. Der Grund hierzu ist die allgemeine be-
kannte schlechte Baulage. Der Kundschaft der Glashandlungen,
also den Glasermeistern, geht es kläglich. In einzelnen Teilen
Deutschlands haben die Spiegelglashandlungen teils' durch
die Lagerhalter-Vereinigung, teils durch den Schutzverband es
möglich machen können, die Preise im Absatz hoch zu halten,
wodurch sie sich vor noch' größeren Verlusten einigermaßen
geschützt haben. Die Bezugsbedingungen sind, wie oben er-
wähnt, trotz der neuen Hütte die gleichen geblieben. Auch
die Absatzbedingungen sind in einigen Bezirken Deutschlands
die gleichen geblieben. In denjenigen der neuen Hütte wird
wegen der freigegebenen Bezirke zu jedem Preis verkauft,
also auch zum Einkaufspreise.
Arbeiter- Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
sind im Spiegelglashandel durchweg gute. Es kommt aber
in Betracht, daß die Händler wohl meist Arbeiter haben, die sie
selbst angelernt haben. Organisierte Glaser, die in der Hauptsache
in Großglasereien angestellt sind, und auch nur dort Streiks
inszenieren, sind in der Regel in großer Anzahl in den Glashand-
lungen nicht vorhanden.
Export. Das Auslandsgeschäft ist unseres Erachtens für den deutschen
Handel wohl so gut wie aussichtslos. Das Internationale Hütten-
Syndikat, mit dem Sitz in Brüssel, wacht ängstlich darüber, daß
52. Kohle.
213
ihm kein Auftrag entgeht. Immerhin wäre auch für den Handel
in Rußland ein Geschäft möglich, wenn die Zölle nicht so hoch
wären. Für den deutschen Handel ist dieser Verzicht auf den
ausländischen Handel um so bedauerlicher, wenn man die Tatsache
in Betracht zieht, daß das deutsche Hütten-Syndikat, also der
Verein deutscher Spiegelglasfabriken, zu mehr als 80 o/o auslän-
discher Besitz ist.
IV. Montanindustrie.
52. Kohle.
Wenn sich auch in einzelnen Zweigen der kohlenverbrauchen-
den heimischen Industrie im zweiten Semester des Berichtsjahres
ein Nachlassen des Bedarfes bemerkbar machte, so hat doch dieser
Umstand den Geschäftsgang im Kohlenhandel nur wenig zu be-
einflussen vermocht. Wie im Vorjahre kam aber auch diesmal
der Nutzen aus der günstigen Konjunktur nicht dem Handel,
sondern fast nur den Gruben zugute.
Die Schiffahrt auf der Oder litt bei Beginn der Verladungen
auf dem Wasserwege unter einem allgemeinen Streik der Boots-
ieute und der Maschinisten, so daß ein regelrechter Betrieb erst
nach langwierigen Verhandlungen zustande kam. Die Frachten-
raten setzten für Kohlen mit 5,70 Mk. für die Tonne ab Kcsel, mit
5,10 M^k. ab Breslau nach Berlin-Oberspree, also in derselben
Höhe wie im Vorjahre, ein und unterlagen während der Dauer
der Saison nur unbedeutenden Schwankungen nach oben, während
sidhl bei Schluß der Saison eine mäßige Abschwächung auf 5,10
Mark für die Tonne ab Kosel bzw. 2,60 Mk. für die Tonne ab
Breslau einstellte. Der Wasserstand blieb im großen ganzen
ziemlich normal; nur kurze Zeiten hindurch trat Hochwasser
bzw. Niedrigwasser ein. Auf der Elbe waren während des
größten Teils' des Jahres die Frachten mäßig. Bei Eintritt niedri-
geren Wassers zogen sie jedoch im Oktober scharf an.
Die Gestellung der Eisenbahnwagen erfolgte prompt in der
geforderten Anzahl. Selbst die im günstig belegenen Gruben
wurden, abgesehen von vereinzelten, aber nur ganz geringen Aus-
fällen, ausreichend mit AVagen versehen.
In den letzten vier Jahren betrug die Kohleneinfuhr nach
Berlin und seinen Vororten in Tonnen:
'^^^- ^-- Kohlenzufuhr nach Berlin (in Tonnen).
1910 1911 1912 1913
Englische Steinkohlen
1416 680 1411944
467 662 414 585
10 735! 39 002
1835 675 1628 555
258 385 275 598
22 157| 26 234
1720 706! 1904 866
6 985| 18 393
1 426 404 1 653 802
Westfälische „ ...
478 758 i 531 122
Sächsische „ ...
69 309 i 22 953
Oberschlesische „ ...
Niederschlesische Steinkohlen
Böhmische Braunkohlen . .
Braunkohlen -Briketts . . .
Inländische Braunkohlen
2 516 248
335 376
25 580
2 141 945
17 185
1 982 803
347 363
24 299
2 144 103
13 234
« Zusamm
en
5 738 985 5 719 177
1 7 010 805
6 719 679
Allgemeines.
Scluffahrt.
Wageu-
geatellung.
Kohleneinfuhr
nach Berlin.
214
IV. Montanindustrie.
Englische
Steinkohlen.
Erster Bericht.
Dai? JaJu: 1910 zeigte gegen das Vorjahr einen Rückgang-
um 411879 t oder 6,67 o/o, das Jakr 1911 einen solchen um
19 808 t oder Vs^/o, während das Jahr 1912 mit einer Zunahme
rsron 1 291 628 t oder 22,14 o/o abschloß. Das Jahr 1913 brachte
dagegen wieder einen Eückgang um 291 126 t oder um 2,4 o/o.
Die Einfuhr englischer Steinkohlen nach Berlin und seinen
Vororten zeigt die folgende Tabelle :
Tab. 83. Berlins Zufuhr an englischer Steinkohle (in Tonnen).
1912
1913
gegen 1912
I. Quartal
II. r,
III.
IV.
74 255
372 063
637 991
342 095
200 994
547 184
555 137
350 487
+ 126 739
+ 175 121
— 82 854
+ 8 392
Zusammen 1
1 426 404
1 653 802
+ 227 398
Die Einfuhr hat sich also gegen 1912 um 227 398 t oder
zirka 16 o/o vermehrt.
Die Preise auf den beiden hauptsächlichsten Kohlenmärkten
in NewCastle und Cardiff waren zu Beginn des Jahres bis um
6 sh höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres; die Differenz
gegen 1911 betrug noch um 1 bis 2 sh mehr. Im einzelnen gibt
die folgende Tabelle die ziu Beginn der letzten Jahre gezahlten
Preise an:
Tab. 84. Preise auf den
englischen Kohlenmärkten 1912 und 1913 (sh pro t).
Zu Beginn 1912
Zu Beginn 1913
In Newcastle:
Steamkohlen . . .
. . . .
12/-
14/- -15/6
SmaUs
7/-
11/— 12/-
Gaskohlen ....
.
12/9
14;-— 15/-
In Cardiff:
Steamkohlen . . .
,
16/— 17/-
18/6—19/-
Smalls
9/.
12/ — 15/-
Diese Preise erfuliren bis Mitte Mai eine weitere Steigerung-
um IV2 sh, die zum Teil a,uf den Streik in Oberschlesien zurück-
zuführen war. Gegen Ende Mai trat eine, wenn auch nicht er-
liebliche Abschwächung der Preise ein, die zum Teil durch ver-
schiedene große Streiks auf den Werken der Abnehmer in Mittel-
[England und durch einen nur kurz dauernden Streik der Boots-
leute an der Tyne verursacht wurde. Die Preise für Industrie-
kohlen konnten ihren Höchstpreis vom Mai nicht wieder er-
reichen. Gaskohlen dagegen blieben bis zum Jahresschluß sehr
gefragt :Und ohne Preisab Schwächung. Eine lebhafte Anregung
erfuhr der englische Kohlenmarkt in der zweiten Hälfte des Jahres
52. Kohle. 215
durch sehr umfangreiche Bestellungen für russische Haien. Diesem
Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daJ3 der englische Kohlen-
markt sich noch nach Beginn des Kon junktunnick ganges sehr
großer Lebhaftigkeit erfreute und daß die Preise im Berichtsjahre
keinen wesentlichen Rückgang erfahren haben. In welchem Um- '^
fange ein Preisrückgang für das Jahr 1914 zu erwarten sei,
darüber waren am Jahresschluß die Meinungen sehr geteilt. Die
Produzenten behaupteten jedenfalls, daß infolge der neuen Ver-
sicherungsgesetze und der erheblich gestiegenen Löhne — in Wales
stiegen die Löhne im JaJire 1913 auf ßO^/o über den Standard
gegen 11 o/o im Jahre 1896 — die Preise keineswegs wieder
auf den Tiefstand wie vor dem Streik zurückkommen können.
Trotzdem rechnete man am Jahresschluß damit, daß sich die
Preise im Jahre 1914 um 1 bis 2 sh unter den letztjährigen
Marktpreisen bewegen würden. Die gesamte Ausfuhr Englands
(mit Ausnahme von Bunkerkohlen) betrug im Jahre :
1912 .... 67 035 848 t im Werte von £ 34 462 000
1913 . . . . 76 687 241 t „ „ „ „ 44 709 000
Zunahme 9 651 393 t im Werte von £ 10 247 000
Der durchschnittliche Wert der 1913 ausgeführten Kohlen
betrug daher 14 sh pro t gegen 12, 71/2 sh pro t im Vorjahr, war
also um l',4V2 sh höher. Die Seefracht von der Tjme nach Ham-
burg bewegte sich im Jahre 1913 zwischen Vd und 4 sh.
Die vorjährige feste Haltung des englischen Kohlenmarktes hat zweiter Berieht
auch im Berichtsjahre angedauert. Im April und Mai war nament-
lidh für gute Durham-Gaskohlen eine weitere Preissteigerung zu
verzeichnen. Auch in den landeren Gebieten Großbritanniens war
der Markt ständig fest. Gleichwohl wurden zeitweise von Ham-
burger Importeuren; welche Mengen schottischer Nuß-, und Erbs-
kohlen abzunehmen hatten, die in Hamburg nicht zu plazieren
waren, Konsignationsladungen naeh Berlin gebracht, die dann
Preise zeitigten, bei denen die Kosten der Fracht von Hamburg /
nach Berlin verloren gingen. Die Preise für Anthrazitkohlen
blieben ebenfalls fest. Im Berliner Großhandel wurden durch-,
weg um eine ^Maxk für die Tonne höhere Preise als im Vor- '
jähre gezahlt.
Bei der AVürdigung der Ziffer der Berliner Zufuhr an eng-
lischen Kohlen ist zu berücksichtigen, daß in ihnen erhebliche!
Mengen enthalten sind, welche aus dem vorigen Jahre nach-
zuliefern waren. Wenn \die Zufuhr an oberschlesischen Kohlen
gegenüber der des .Vorjahres zurückblieb, so ist dies dadurch
zu erklären, daß die vorjährige Ziffer als eine durch den eng-
lischen Streik hervorgerufene Rekordziffer angesehen werden
muß. Die Einfuhr ,an oberschlesischen Kohlen war in der Zeit
vom 1. Jan. bis 31. Okt. des Berichtsjahres bereits größer als
VVeatf »lisch e
Steinkohlen.
216
IV. Montanindustrie.
die Gesamtzufuhr, des Jahres 1911, so daß das Berichtsjahr auch
für oberschlesische Kohlen im Vergleich zu den Vorjahren —
ausgenommen 1912 — ,eine erhebliche Mehreinfuhr aufwies.
Die Einfuhr westfälischer Steinkohlen nach Berlin und seinen
Vororten betrug in Tonnen:
Tab. 85. Berlins Zufuhr an westfälischer Steinkohle (in Tonnen).
1912 t ^9^3 1 Se^en 1912
I. Quartal
IL „ ....
IIL „
IV. .,
135 816 152 615 +16 799
133 508 117 347 i —16 161
97 395 1 133 492 +36 097
112 039 ! 127 668 1 -H5 629
Zusammen
478 758 531122 +52 364
Sächsische
Steinkohlen.
Die Einfuhr hat sich also gegen 1912 um 52 364 t oder 11 o/o
(vermehrt. Die günstige Marktlage des Jahres 1912 hielt auch
wiährend der ersten Hälfte des Berichtsjahres an. Besonders im
ersten Viertel 1913 war die Nachfrage nach Kohlen außerordentlich
lebhaft, so daß die Produktionsgebiete nur mit Anspannung aller
Kräfte den Anforderungen nachkommen konnten. AVestfälischo
Kohlen profitierten von dieser günstigen Lage, entsprechend ihrem
Anteil am Berliner Kohlenmarkt; es wurden bei Nsuabschlüssen
für das Berichtsjahr wiederum erhöhte Preise erzielt. Auch die
abgesetzten Mengen erfuhren eine Zunahme, obwohl in der zwei-
ten Hälfte des Jahres die Knappheit auf dem Markte mehr und
mehr nachließ. Die Wasserfrachten blieben während des Sommers
ziemlich günstig, erhöhten (sich jedoch im Herbst infolge des
niedrigen Wasserstande^ der Elbe und der Havel derart, daß der
Bezug westfälischen Materials auf dem Wasserwege ziemlich aus-
geschaltet wurde. Man war fast ausschließlich auf den teuren
Bahnweg angewiesen, was naturgemäß die Ziffer der abgesetzten
Mengen ungünstig beeinflußt hat. Der alljährlich im Herbst
einsetzende Wagenmangel trat Wenig in Erscheinung. Störun-
gen in der Versorgung der Verbraucher waren nicht zu beob-
achten. Westfälischer Sclimelz k o k s war andauernd stark ge-
fragt. Der Bedarf der Eisen- und Metallgießereien blieb groß
und verminderte sich erst in der zweiten Hälfte des Jahres. Zen-
tralheizungskoks wurde während des Winters lebhaft begehrt,
da in Gaskoks weder Bestände noch sonst greifbare Mengen vor-
handen waren. Die Versandziffem haben gegen das Vorjahr eine
beträchtliche Steigerung erfahren, und auch in den Verkaufspreisen
trat am 1. April eine allgemeine Erhöhung um 1,50 Mk. bis 2 Mk.
für die Tonne ein. Der Gesamtmehrabsatz gegen 1912 beträgt un-
gefähr 150/0.
Die Einfulir sächsischer Steinkohlen nach Berlin und seinen
Vororten betrug in Tonnen:
52. Kohle. 217
Tab.
86. Berlins
Zufuhr an
sächsischer Steinkohle (in
Tonnen).
L
1912
1913
gegen 19 1 2
T
Quartal . .
j
23 216
13 431
22 250
10412
7 841
6 794
3 943
4 375
15 375
II.
TU
. . .
— 6 637
18 307
TV
6 037
Zusammen 69 309 22 953 ! —46 356
Die Einfuhr ist um 46 356 t oder 70 o/o zurückgegangen. Die
vorjährige Steigerung war, wie in dem letzten Bericht erwähnt,
lediglich eine Folge des englischen Bergarheiterausstandes vom!
Jahre 1912.
Die Einfuhr oberschlesischer Steinkohlen nach Berlin und Oberschies.
T^ , 1 , • m Steinkohlen.
seinen Vororten betrug m Tonnen:
Tab. 87. Berlins Zufuhr an oberschlesischer Steinkohle (in Tonnen).
1912
1913
gegea 1912
I. Quartal
! 596 005
318 709
— 277 296
II. ,
! 716 525
420 443
— 296 082
in. „
' 619 322
657 866
! + 38 544
tv. .
; 584 396
583 785
1 4- 1 309
Zusammen li 2 516 248 1^82 303 —533 445
Die Einfuhr hat sich somit um nicht weniger als 533 445 toder
21 o/o verringert. Das Berichtsjahr hat sich für die Einfuhr ober-
schlesischer Kohlen in den zwei ersten Quartalen sehr ungünstig
gestaltet. Im ersten Quartal verhinderte der Schifferstreik die
Verlaxiungen auf dem AVasserwege, so daß die an demselben be-
legenen und auf diese Bezugsweis-e angewiesenen Industrien ge-
nötigt waren; ihren Bedarf zum großen Teil in englischer Kohle
zu decken. Im zweiten Quartal trat zu dem ersteren Streik
der BergaTbeiterausstand in Oberschlesien hinzu, der mit dem
21. April einsetzte und erst am 16. Mai sein Ende fand. Der durch
diese Störungen hervorgerufene Ausfall war naturgemäß in den
letzten beiden Quartalen des Berichtsjakres nicht wieder einzu-
holen; doch zeigen die Einfuhrziffem eine kräftige Erholung
und gleichzeitig eine nicht unwesentliche Abschwächung im Be-
züge des konkurrierenden englischen Produktes. Die Preisgestal-
tung für oberschlesische Kohlen war im Berichtsjahre für die
Grubenverwaltungen äußerst günstig. Der sonst mit dem
1. April eintretende Sommerabschlag kam in Fortfall, die Winter-
preise blieben also bestehen, während mit dem 1. September ein
erneuter Winteraufschlag in der normalen Höhe hinzukam. Die
nicht zu befriedigenden Anforderungen an den oberschlesisohen
Kohlenmarkt veranlaßte die Konvention, die Förderung ohne jede
Beschränkung freizugeben, so daß das Jahr 1913 auch bezüglich
der Produktionsmengej fals |ein Rekord jähr zu bezeichnen ist.
Leider profitierte der Handel hiervon weniger; die Besserung
218
rv. Montanindustrie.
ZweiterBericht.
Niederschles.
Steinkohlen.
Erster Bericht.
kam, wie schon am Eingang des Berichtes erwähnt, wieder fast
allein den Gruben zugute.
Während im vorigen Jahre der große englische Bergarbeiter-
streik einschneidend auch auf den Berliner Markt einwirkte, hatten
wir in diesem Jahre mit einem Streik der Bergarbeiter in Ober-
schlesien zu rechnen. Derselbe dauerte vom 19. April bis zum
17. Mai und bedingte einen Ausfall in der Förderung von I3/4 Mill.
Tonnen. Dieser Ausfall wurde jedoch bald wieder durch volle
Ausnutzung der Produktionsfähigkeit der Gruben wettgemacht,
wobei den oberschlesischen Gruben außerordentlich zustatten ge?
kommen ist, daß die Oderschiffahrt mit nur kleinen Unterbrechun-
gen während des ganzen Jahres ohne Störungen blieb. Der
Kohlenhandel ist aber nicht nur durch den Streik in Oberschlesien,
sondern weiter auch durch den Generalstreik in Belgien, den Dock-
arb eiterstreik in England, den Streik der Bootsleute auf den
deutschen Wasserstraßen' tind femer durch die Balkanwirren fort-
gesetzt in Spannung gehalten worden. Die weichende Konjunk-
tur in der Eisenindustrie hatte, wenigstens am Berliner ^larkte,
vorerst noch wenig Einfluß.
Die Einfuhr niederschlesischer Steinkohlen nach Berlin und
seinen Vororten betrug in Tonnen:
Tab. 88. Berlins Zufuhr an niederschlesischer Steinkohle (in Tonnen).
1912
1913
gegen 1912
I. Quartal
n.
in.
IV.
108 630
71083
79 370
76 293
83 695
38 753
92 314
87 901
— 24 935
+ 12 670
-+- 12 944
-f 11 608
Zusammen |
335 376
347 663
+ 12 287
Die Einfuhr hat Isich somit gegen 1912 ,u!m 12 287 t oder zirka
32/3 ^/o erhöht. Das niederschlesische Revier nahm ebenso wie die
anderen Kohlenbezirke lebhaften Anteil an der günstigen Kon-
junktur und war in der Lage, seine Produkte zu höheren Preisen ab-
zusetzen. Die Versandziffern haben in den verschiedenen Kohlen-
bzw. Koksgattungen durchweg eine Erhöhung erfahren, wozu
neben der gesteigerten J^achfrage wesentlich der Umstand bei-
trug, daß ein Wagenmangel in dem sonst gekannten Umfange
nicht zu verzeichnen war, wenn auch vorübergehend der An-
forderung vonj Fahrzeugen nicht voll entsprochen werden konnte.
Flammkohlen fanden guten Absatz. Es konnten nicht nur
die laufenden Schlüsse erneuert, sondern auch Verbraucher gefun-
den werden, welche von englischen und oberschlesischen Kohlen
zu niederschlesischen übergingen. Sch!miedekohlen waren
während des ganzen jJahres ihrer vorzüglichen Eigenschaften
wegen stark gefragt. Steinkohlenbriketts wurden ebenso
lebhai+ begehrt und waren zeitweilig sehr knapp. Der Ueber-
52. Kohle.
219
gang G^Qi" Gaskoksverbraucher zur Verwendung von Schmelz-
koks nimmt zu. Schmelzkoks waren bei guten Preisen an-i
dauerrd knapp. Die Wasserladung wickelte sich, infolge der
sehr günstigen Schiffahrtsverhältnisse durchweg glatt ab.
Die Berliner Marktverhältnisse haben sich für das nieder-
schlesische Eevier, im allgemeinen nicht verändert. Was den Ab-;
satz der einzelnen Produkte anbetrifft, so konnten in Industrie^,
und Flammkohlen die bisherigen Geschäfte erneuert werden. Gas-
kohlen wurden glatt abgesetzt; der Versand nach dem Berliner
Bezirk hat etw^as zugenommen. Schmiedekohlen waren andauernd
sehr gefragt nnd konnten mit erhöhten Preisen verkauft werden.
Das Gleiche gilt für Steinkohlenbriketts, die zeitweise recht knapp
waren. Das Geschäft in Schmelzkoks hat sich befriedigend ge-
staltet und sich bei erhöhten Preisen in bezug auf den Umfang
im Rahmen des Vorjahres gehalten. Die Schiffahrt war während
di&s Berichtsjahres ziemlich regelmäßig und konnte während der
ganzen Schiffahrtsperiode aufrechterhalten werden. Preilidhl
waren die Frachten zeitweise recht hoch. Im übrigen konnte die
Wasserverladung von Schmelzkoks in diesem Jahre nur in be-
schränktem Umfange vor sich gehen, da durch die anhaltende
Knappheit in Schmelzkoks und infolge des Fehlens sämtlicher
Bestände die Produktion durch den gleichhiäßigen Bahnversand
vollauf in Anspinich genommen war.
Die Einfuhr böhmischer Braunkohlen nach Berlin und seinen
Vororten betrug in Tonnen:
Zweit erBericht.
Böhmische
Braunkohlen.
Tab. 89. Berlins Zufuhr an böhmischer Braunkohle (in Tonnen).
II 1912
1913
1 gegen 1912
I.
Quarta]
6 772
5 414
_
1358
IL
5 588
5 563
! —
25
III.
5 842
6 657
1 H-
815
IV.
w
7 378
6 665
713
Zusammen
25 580
24 299
— 1281
Die Einfuhr hat sich somit gegen 1912 um 1281 t oder zirka
5,30/0 vermindert.
Die Einfuhr! von Braunkiohlenbriketts nach Berlin und seinen
Vororten betrug in Tonnen:
Braunkohlen-
briketts.
Erster Bericht.
Tab. 90. Berlins Zufuhr an Braunkohlenbriketts (in Tonnen).
1912
1913
gegen 1912
I. Quartal
II. „
m. „
IV. n
549 652
430 565
564 923
596 805
556 491
444 918
608 755
533 939
+ 6 839
-h 14 353
4- 43 832
— 62 866
Zusammen
2 141 945
2 144 103
+ 2 158
220
IV. Montanindustrie.
ZweiterBericht.
Inländische
Braunkohlen.
Die Einfuhr hat sich somit gegen 1912 nur um 2158 t ver-
größert. Im Berichtsjahr hat die Einfuhr also weitaus nicht in
dem !Maße zugenommen wie im Jahre 1912. Die Ursache hiervon
ist in der außergewöhnlichen milden Witterung des Winters zu
suchen, durch welche die Nachfrage in Salonware eine wesentliche
Einschränkung erfahren hat. Wenn sich trotzdem gegen das Vor-
jahr immerhin noch ein kleines Plus von 2158 t ergibt, so ist
dieses lediglich darauf zurückzuführen, daß infolge der unauß-
gese tzten Bemüh ung-en sowohl seitens des Syndikats wie auch
der Handelsgroßfirmen das Industriebrikett in Verbraucherkreisen
immer mehr Anklang findet. Die Einfuhr an Industriebriketts
betrug im Jahre 1913 schätzungsweise 674 300 t. Unbestellte
Sendungen in Salonware, wie sie in den Vorjahren mehrfach
vorgekommen sind, haben sich im gegenwärtigen Berichtsjahr
nicht wiederholt.
Infolge der Auflösujig des mitteldeutschen Braunkohlen-
brikettsyndikates haben die bisher in demselben vereinigten
Werke, da es ihnen infolge der riesigen Produktionssteigerung an
Absatzmöglichkeiten in ihrem natürlichen Absatzgebiete fehlte,
einen Teil ihrer Produktion auf den Berliner Markt geworfen und
hier eine große Beunruhigung hervorgerufen. Wenngleich die
mitteldeutschen Qualitäten wegen verschiedener Eigenschaften,
beispielsweise wegen hohen Schwefelgehaltes, sich für den Berliner
Markt wenig eignen, so ist es ihnen doch gelungen, sich bei der
Industrie durch außergewöhnlich niedrige Preise Eingang zu
verschaffen, zumal die Niederlausitzer Werke sich mit Rücksicht
auf die besseren Eigenschaften ihrer Marken nur schwer zu Er-
mäßigungen der Preise verstehen könnten. Nicht unerAvähnt sei,
daß die Bergbau-A.-G. Ilse aus dem Syndikat lausgetreten ist, weil
sie sich in ihrer Ausdehnung und Entwicklungsmöglichkeit
behindert fühlte.
Die Einfuhr inländischer Braunkohlen nach Berlin und soinen
Vororten betrug in Tonnen:
Tab. 91. Berlins Zufuhr an inländischer B
raunkohle (in
Ton
nen).
1912 1
1913
gegen 1912
I. Quartal
II. .,
III. „
IV.
4 837
3 776
3 189
5 383
4 581
2 931
2 731
2 991
1
!
— 256
— 845
— 1458
— 2 392
Zusammen
i 17 185 1
13 234
I
— 3 951
Koks.
Erster Bericht.
Die Einfuhr hat sich somit gegen 1912 wiederum verringert
und i:war um 3951 t oder zirka 23 o/o.
Zu Ende des Geschäftsjahres 1912/13 machte sich für die
Gasanstalten ein Mangel an Gaskohlen bemerkbar. Infolge der
hohen Preise, welche für diese Kohlensorte gefordert wurden,
1
52. Kohle.
221
gingen einzelne Gasanstalten dazu über, den erzeugten Gaskoks
teilweise zur Wassergasbereitung zu verwenden. Damit wurden
erhebliche Quantitäten dem Markte entzogen, und es entstand
eine Knappheit, welche eine Preissteigerung für Gaskoks hervor-
rief. Es kommt hinzu, daß einzelne Gasanstalten infolge erhöhter
ßeklaxme für Gaskoks einen steigenden Absatz bei den Ortsver-
brauchern erzielten und geringere Mengen als bisher zur Abgabe
nach auswärts frei hatten. Infolgedessen war die Marktlage für
Gaskoks mit Beginn des Gneschäftsjahres 1913/14 sehr angespannt,
und aus diesem Grunde sowie weil die Gaskohlen weiterhin im
Preise gestiegen wai-en, forderten die Gaswerke erheblich höhere
Preise für 1913/14, als sie für 1912/13 erzielt hatten. Der Gaskoks
wurde bis zu 60 und 70 Alk. pro 10 t im Preise gesteigert. Trotz-
dem hat die Nachfrage nicht nachgelassen, wohl weil in den ver-
besserten Anlagen der Gasanstalten zurzeit ein Koks produziert
wird, der an Güte dem Zechenkoks kaum nachsteht. Trotz der
Sommermonate kamen deswegen die Gaswerke bisher nicht zu
Vorräten.
Die Aussichten für Gaskoks waren zu Beginn und im Ver-
lauf des ganzen Jahres bis in die letzten Wochen hinein als
sehr günstig zu bezeichnen, da die Anstalten zu keinen Be-
ständen kommen konnten und ihre Produktion und zwar mit
um 4 Mk. für die Tonne höherem Preise wie im Vorjahre ver-
kauft hatten. Es war daher im allgemeinen eine große Knapp-
heit vorhanden. Infolgedessen hat der Handel auch ziemlich viel
ausv;ärtigen Koks herangezogen, um für den Winter gesichert
zu sein. Da aber winterliches Wetter bis zum Jahresschluß
ausblieb, schlug die Stimmung in das Gegenteil um, eine Er-
scheinung, die nicht zu verwundern ist, denn der Koksabsatz
hängt mehr als der jedes anderen Materials von der Witterung
ab. In Schmelzkoks hat das Rheinisch- Westfälische Syndikat
seinen Mitgliedern eine erhebliche Produktionseinschränkung
auferlegen müssen.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß das Publikum mehr und
mehr zu der für den Detailvertrieb bestehenden Koks-Konvention
Vertrauen faßt, zumal da die von dieser Konvention einge-
richtete und streng durchgeführte Kontrolle hinsichtlich reeller
Eieferung sich bestens bewährt und das Publikum vor Schaden
schützt.
Der Winter 1912/13 war in seinem Verlauf im allgemeinen
milde. Zwar brachte der Januar zwei kurze Kälteperioden und
belebte dadurch den Geschäftsgang. Sonst herrschte aber fast
nur in den Näöhten Frost, während am Tage gelindere Tempe-
raturen überwogen. Trotz der im ganzen wenig winterlichen
AVitterung machte sich im Januar beim Einsetzen des Frostes
ein Mangel an Gaskoks bemerkbar. Vorräte waren auf den An-
stalten nicht vorhanden, und da auch die englische Gasanstalt
ZweiterBerichL
Detailgeschält
222
rV. Montanindustrie.
Detailhandels-
preise
ihren Abnehmern die Schluß quantitäten um 13 o/o kürzte, trat
für den Händler ein erheblicher Ausfall ein. Um seine einge-
gan^nen Verbindlichkeiten decken zu können, war er zur Be-
willigung wesentlich höherer Preise genötigt. Unter diesen Ver-
hältnissen verblieben ihm nur geringe Quantitäten zur freien
Verfügung, so daß die eingetretene Preissteigerung nicht ausge-
nutzt werden konnte. Auch in Briketts waren erstklassige
GMarken im Januar knapp. In der zweiten Hälfte des März
herrschte bereits ein derart warmes Wetter, daß das Heize q ein-
gestellt werden konnte. Zwar trat in der zweiten Monatshälfte
de.s April ein Rückschlag ein, doch blieb die dadurch veranlaßte
Wiederaufnahme des Heizens auf nur zirka 14 Tage beschränkt.
Die Sommermonate waren sehr still, der Bedarf an Brennmaterial
verringeri sich immer mehr, je weitere Kreise zur Benutzung
von Gaskochern während der warmen Jahreszeit übergehen. Auch
die zur Hebung des Absatzes in der stillsten Zeit für die Mo-
nate Mai, Juni und Juü für einzelne Artikel, insbesondere für
Briketts, eingeführten Ausnahmepreise fanden zur Eindeekung
des Winterbedarfes wenig Beachtung, sondern wurden in auf-
fällig geringem Grade benutzt. Erst im September, in welchem
zur Mitte des Monats die Winterpreise in Kraft traten, war ein
etwas regeres Geschäft zu verzeichnen. Alles in allem ließ der
Geschäftsgang zu wünschen übri^. Dieser Umstand ist auöh
wohl mit als Ursache dafür anzusehen, daß die Bedingungen
der im Januar verlängerten Koks-, Steinkohlen- und Brikett-
Konventionen trotz teil weiser Verschärfung nicht immer ein-
gehalten und die festgesetzten Preise häufig- unterboten warden.
Die Preise stellten sich im Detailgeschäft für einen. Zentner
frei Keller je nach Quantum:
Tab. 92. Berliner Kohlenpreise im Detailhandol (in Mark p. Ztr. frei Keller).
Oberschlesische Steinkohlen,
Stück. Würfel, Nuß I . .
Nuß II
Böhmische Braunkohlen . .
Englischer Anthracit . . .
Salonbriketts
Industriebriketts
Sommer 1913
Winter 1913
M. 1,70 .
M. 1.75
» 1,60 i
„ 1.65
. 1,65
« 1,70
„ 2,60 i
. 2,65
r. l,lfi 1
„ 1,23
„ 1.05 '
. 1,10
Deutsche
Gesamt-
produktion.
Die gesamte deutsche Produktion an Stein- und Braunkohlen,
Koks, Briketts und Naßpreßsteinen betrug in den letzten Jahren :
Tab. 9:i. Kohlenproduktion im Deutschen Reiche (in 1000 t).
■||
1911 1
1912
1913
Steinkohlen , .
160 742
177 095
191 511
Braunkohlen
■ ,i
73 517
82 340
87 116
Koks
!l
25 405
29 141
32 168
Briketts und Naßpreßsteine .
• il
21 828
24 392
27 241
53. Eoheisen und Fertigeisen.
223
Die GesamtemfTihr an Steinkohleai und Braunkohlen nach
Deutschland weist für die gleichen Jahre folgende Ziffern auf:
Tab. 94.
Deutschlands Kohleneinfuhr (in 1000 t).
1911
1912
1913
Steinkohlen .
Braunkohlen
10 914
7 069
10 380
7 266
10 540
6 987
Die deutsche Gresamt ausfuhr an Stein- und Braunkohlen be-
lief sich auf:
Außenhandel.
Tab. 95.
Deutschlands Kohlenausfuhr (in 1000 t).
i 1911
1912
1913
Steinkohlen .
Braunkohlen
1!
27 412
58
31145
57
35 574
60
Hiernach ergibt sich für Deutschland ein Eigenverbrauch (d. h.
Produktion -\- Einfuhr — Ausfuhr) an Steinkohlen und Braun-
kohlen (in 1000 t) :
Tab. 96. Kohlenverbrauch im Deutschen Reiche (in 1000 t)
•
il 1911
1912
1913
Steinkohlen 144 247
Braunkohlen 80 528
156 332
89 545
167 477
94 043
53. Eoheisen und Fertigeisen.
1. Roheisen.
Nach den Ausweisen ides Vereins deutscher Eisen- und Stahl-
industrieller hatte die deutscbe Boheisenproduktion in den ein-
zelnen Monaten der letzten drei Jahre folgenden Umfang :
Tab. 97. Monatsziffern der deutschen Roheisenproduktion
in Tonnen.
1911
1912
1913
Januar
1320 712
1 385 493
1609 714
Februar
1 173 137
1 337 134
1492 511
März
1 322 142
1 446 143
1 628 190
April
1 285 396
1 451 404
1 587 300
Mai
1312 255
1 492 157
1 641 646
Juni
1 262 997
1 452 657
1 608 305
JuH
1 290 106
1 505 360
1647 718
August
1 284 302
1 526 831
1 038 824
September
1 250 702
1518 623
1 589 197
Oktober
1 334 941
1 633 539
1 651 447
November
1313 896
1 537 205
1 587 288
Dezember
1 377 637
1 566 025
1 609 680
Die Statistik des Vereins ergibt ftir die genannten drei Jahre
eine JahresTproduktion von:
1911
1912
in Tonnen
1913
15 534 223
17 868 909
19 291920
Eigen-
verbrauch.
Roheisen-
Produktions-
statistik.
224
IV. Montanindustrie.
Krster Bericht.
Handel.
Dem Jahresbericht der Eirma S. Elkaii & Co. in Hamburg
entnehmen wir folgendes :
Die Hoffnung auf eine ungeschwächte Aufwärtsentwicklung
der Eisienindustrie, mit der das Jahr 1912 ausklang, hat rieh
nicht erfüllt. Tetire Geldsätze beeinträchtigten die Unter-
nehmungslust, insbesondere m der Bautätigkeit, und das gesamte
Gesdiäftsleben wurdie duröh politisidhe Beunruhigungen, insbe-
sondere durch die Balkanwirren, immer von neuem aus dem Gleich-
gewicht gebracht.
Auf dem deutselien l^oheisenmarkte traten, dank der Ein-
sicht des Roheisen v^erbandes, der im März bis 1917 verläiig-ert
wurde, die Preisschwankung'en nicht so in die Erscheinung wie
im Ausland. Der iWarrantsmarkt — das vBarometer für alle
Eisen markte — zeigte dagegen Scli wankungen von kaum je vor-
her dagewesenem Umfange. Der Preis fü.r Middlesbro- Warrants,
der im JaJire 1912 von 48/8 bereits auf 67/- hinaufgegangen war,
stieg bis Ende Mai weiter auf 70/6, um dann rapide am 10. Juni
Tab 98.
Deutsche Roheisenpreise im Jahre 1913
I Januar
Februar
März
April
Mai
"West- und
Süddeutschland
Hematite )
Gießerei 1 i ab Werk
Gießerei 3 J
Luxemburger 3
ab Luxemburg
Nord-, Mittel- und
Ostdeutschland
Hematite | frachtfrei
Gießerei 1 > Ver-
Gießerei 3 J brauchsort
Luxemburger 3
ab Luxemburg
8IV2
771/2
741/2
63-65.-
86i/o-87Vo
321/^-831/2
79\/2-80i/2
6OI/2-62.-
8IV2
771/0
741/2
68-70.-
66V2-87'2
821/2-831/2
791/2-8OI/2
651/2-67.-
861/, 861/0
821/2 : 821/;
791/2 791/2
68-70.
68-70.
911/2-921/2 91V0-921/2
871/2-881/2 871/2-88I/2
841/0-851/2 841/2-851/0
86I/0
821/;
791/2
68-70.—
917,-921/,
871/0-881/2
84i/;.85i/2
651/2-67.- 1651/2-67.- i 651/2-6'
Tab. 99.
Durchschnittspreise von M. N. Warrants
i
Januar
Februar ] März
Aprü
Mai
Juni
1911 . . i
1912 . .
1913 . .
55.8
55.6
72.2
55.OV2 54.-
55 1 56.8
68.6 i 70.6
52,71/2
59.3
72.7
52.2
59.11
73.8
52.4
61.4
63.10
Tab. 100.
Durchschnittspreise von Warrants
Januar
Februar i
März
AprU 1 Mai
Juni
1911 . .
1912 . .
1913 . .
4971/2
49.6
1 66.-
49.- 1
49.2 i
62.71/2 1
47.11
50.10
64.5
46.71/2 46.1
53.2 53.11
66.6 1 67.4
46.4
54.9
55.6
53. Roheisen und Fertigeisen.
225
auf 55/4 imd bis zum 21. Niov. auf 48/6 zurückzug^eihein.
Von da an zeigte siöh »eine leiohte Erholung, so daß das Jahr
mit einem Preise von 50/6 schloß. Der internationale ßoheisen-
handel stand unter dem Zeichen dieser beispiellosen Elrschüitte-
rungen. Für die gesunde Lage des Geschäfts spricht es, daß selbst
der überraschende Zusaanmenbruch des ersten englischen Hoh-
eisenhauses, dessen Folgen anfangs unübersehbar und unheilbair
erschienen, schnell verschmerzt wurden.
Die Bx>heisenprodüktion in Deutschland einschl. Luxemburg
bezifferte sich auf 19 291 920 t gegen 17 852 571 t im Jahre 1912,
davon wurden 1912 1055 611 t, dagegen 1913 oa. 300000 t ex-
portiert. Großbritannien produzierte 9100 000 t im Jahre 1912
und oa. 10 000 000 t im Jahre 1913, davon im Middlesbro-Distrikt
3 357 708 t im Jahre 1912 (bei zweimonatlichem Streik) gegen
ca. 3 500 000 t im Jahre 1913.
Die öffentlichen Läger in Middlesbro — die einzige siclit-
bare Eeserve der Welt — sind von 536 634 t Ende 1911 auf
241835 t Ende 1912 und 139 799 t Ende 1913 zurückgegangen.
Produktion.
Vorräte,
Aussichten
(Syndikatspreise in Mark für 1000 kg).
Juni
86V2
82V2
79V2
3-70.—
91V2-92S'.
Juli
August September , Oktober 1 November Dezember
8IV2
771/2
74V2
63-65.—
861/2-871/2
871/2-881/2 i 831/2-841/2
841/2-851/2 ! 8OV2-821/2
I
651/2-67.- I 6OI/2-62.-
8 11/2
771/2
741/2
63-65.—
8I1/2
771/2
741/2
63-6J
8II/2
771/2
74V,
63-65.-
8IV2
771/2
741/2
63-65.—
8IV2
771/2
741/2
63-65.-
in Anpassung an den Auslandsmarkt von 87^/2 bis ca. 80.—
831/2-84 V2 i 831/2-841/2 I 831/2-84V2 ! 831/2-841/2 i 831/2-841/2
801/2-821/2 s 8O1/2-821/2 I 8OI/0-821/0 8O1/2-821/2 i 8O1/2-821/2
: ! ■ ", i
in Anpassung an den Auslandsmarkt von 62.— bis ca. 55.—
f. a. B. Glasgow (Pfd. Sterl. für 1 t).
Juli
August September i Oktober
November Dezember
Durchschnitts-
preis
52.91/0 53.11/2
63 3 67.51/2
64.6 62.80
52.7
72.6
60.11
52.41/2
72.6
58.4
53.21/4
73.6
55.5
55.4
73.3
55.11
53.5
64.2
64.11
fob. M i d d 1 e s b r 0 (Pfd. Sterl. für 1 t).
1 j
Juli 1 August ^ September 1 Oktober
November
Dezember
Durchschnitts
preis
46.91/2
57.5
55.3V2
i 1
47.2 , 46.61/2 1 46.4
61.6 66.2 66.5
55.- 1 54.11 52.2
47.2
67.5
49.31/2
49.5
67.2
49.11
47.5
58.1
58.3
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II.
15
22(.
IV. Montanindustrie.
Roheisen
preise.
ZweiterBericht.
Geschäftsgang.
Preise.
Nichtsdestoweniger hat sich die Zahl der im Middlesbro-
Distrikt in Betrieb befindlichen Hochöfen von 89 im Vorjahre,
auf 74 vermindert, weil es anscheinend den Fabrikanten bei dem
tteuren Stande des Brennmaterials immer schwerer wird, ihre
Rechnung in Einklang mit den Tagespreisen zu bringen. Dieses
Mahnzeichen sollte in der deutschen Kohlenindustrie nicht un-
beachtet bleiben, auf deren Weitsicht die Fortentwicklung und
Exportkraft des heimischen Eisen- und Stahlhandels nicht zum
wenigsten angewiesen ist. Denn ebenso wie Amerika unter dem
Druck seiner 1913 (auf schätzungsweise 31100 000 t angewach-
senen Eoheisenproduktion. im GLf,a|ufe des zweiten Halbjabrs zu
erheblichen ProduktionseinsclLränkungen übergegangen ist, ohne
nennenswerte Preisaufbesserungen zu erzielen, so dürfte sich auch
auf den europäischen <Boheisenniärkten nur langsam die Neu-
belebung fühlbar machen, die von der Erleichterung des Geld-
marktes erwartet wird.
Aus dem Jahresbericht der Firma S. Elkan & Co. bringen
wir ferner auf Seite 224 und 225 mehrere Tabellen der deutschen
und der englischen Roheisenpreise.
Eine Berliner Firma berichtet uns über das Geschäft in
Gießereiroheisen :
Die Beschäftigung der Eisengießereien war bis gegen Ende
des dritten Quartals im allgemeinen sehr reichlich, so daß die
^itens des Eoheisenverbandes dem deutschen Markt zur Ver-
fiügtiQg gestellten Miengen Gießereiroheisen leicht Aufnahme
fanden. Die Gießereien beeilten sich, sobald der Roheisenverband
den Verkauf für Lieferungen bis Jahresende freigegeben hatte,
ihre Abschlüsse anzumelden, und die Abrufe hielten sich hm
zum September im gix>ßen ganzen im Rahmen der abgeschlossenen
Mengen. Im Herbst setzte jedoch lallgemein eine erhebliche Ab-
schwächung der Konjunktur ein, die sidh auch im Boheisengeschäft
durch bedeutend verminderte Abrufe fühlbar machte. Der Ver-
sand des Eoheisenverbandes ging im November a>uf ca. 8 2 o/o, im
Dezember sogar auf Ida. 78 o/o der Beteiligungsziffern zurück.
Im Oktober gab der Roheisen verband den Verkauf für das erste Se-
mester 1914 frei. Doch zeigte sich die Kundschaft trotz der
Preisermäßigungen, zu denen der Verband sich entschlossen
hatte, sehr zurückhaltend, iso daß bis zum Jahresende nur ver-
hältnismäßig wenig neue Abschlüsse zustande kamen. Vielfach
hatten die Eisengießereien infolge des Minderverbrauches auch
mit erheblichen Rückständen aus den |ür das zweite Semester
1913 allzu reichlich! getätigten Abschlüssen ,zu rechnen, und
manche Gießerei ist mit so großen alten Abnahmeverpflichtungen
ins Jahr 1914 hinüberg-egangen, daß für den Bedarf für das
erste Quartal 1914 genügend gesorgt war.
Die vom Roheisenverband festgesetzten Preise stellten sich
für Berlin wie folgt:
53. Roheisen und Fertigeisen. 227
Tab. 101. Berliner Roheisen preise (in Mark für IQQQkg, frei Waggon Berlin).
II I. Semester 1913jir.Semesterl913| I. Semester 1914
Hemalite- Roheisen
Gießerei-Roheisen Nr. I . . .
Gießerei- Roheisen Nr. III . .
Luxemburger Roheisen Nr. III
86 50
86.50 '
83 50
82 50
83.50
80 50
79.50
80.50
74,50
75.—
76.—
69.—
Wie aus dieser Zusammenstellung ersiditlich, hat sich der
Boheisienverband zu erheblichen Preisermäßigungen für Ab-
schlüsse für das erste Semester 1914 verstehen müssen. Er hat
dabei lq erster Linie der drohenden Konkurrenz Englands Jttech-
nung getragen. Middlesbro-Roheisen No. 3, das im Mai seiaen
höchsten Stand mit 70/- sh fob Middlesbro erreicht hatte, ging
stetig im Preise zurück und erreichte im November einen Preis
von 48/6 sh, womit sich nacli langer Zeit wiederum die MögHchkeit
bot, englisches Roheisen trotz des hohen Eingangszolles mit Vor-
teil an den deutschen Markt zu bringen. Diese Situation kam
besonders den Gießereien in den deutschen Küstengebieten zu-
statten, denen der Iloh eisen verband besondere Preisvergünstigun-
gen einräumen mußte, um sich des englischen Wettbewerbes
zu erwehren.
AYenn der Roheisenverband somit auch der fremden Kon-
kurrenz gegenüber das Nötigste getan hat, so hat er nach An-
sicht der deutschen Verbraucher doch nicht der allgemeinen ver-
schlechterten Geschäftslage genügend Reclinung getragen. Auch
manche andere von der Kundschaft als Härten empfundene Maß-
nahmen des Verbandes boten Anlaß zu Klagen und führten dazu,
daß gegen Jahresende lebhafte Bestrebungen zur Gründung eines
Verbandes der Eisengießereien in Fluß kamen, der dem Roheisen-
verband gegenüber die Interessen der Verbraucher erfolgreicher^
vertreten siollte, als es dem Einzelnen möglich war. In Berlin
tvturde der „Gießereiverband'' gegründet, dem eine erheblich«
AnzaJil bedeutender Werke beitrat. Es ist dem Roheisen verband
nachzurühmen, daß seine Preispolitik wahrend der Zeit der Hoch-
konjunktur recht vorsichtig wao:, so daß Ausschreitungen ver-
mieden wurden. Eine Haltung des Verbandes, die auch in schlech-
teren Zeiten sich den Ausgleich der Gegensätze zur Aufgabe
macht, würde nach allen Seiten Nutzen stiften.
2. Walzeisen.
Die deutsche Eisen- und Stahlindustrie hatte auch im Be-
richtsjahre wiederum eine Zunahme der Produktion zu verzeichnen,
und es wäre bei der starken wirtschaftlichen Entwicklung Deutsch-
lands gewiß auch möglich gewesen, diese erhöhte Produktion
voll abzusetzen, wenn nicht die politischen Beunruhigungen das
Geschäftsleben gestört hä.tten. Die Hoffnungen, daß der Friedens-
•Schluß im Orient eine Klärung der politischen Verhältnisse und
15*
Politik
des Roheiseu
Verbandes
Allgemeine
Entwicklung
des Walzeisen-
marktes.
228
IV. Montanindustrie.
Verbands-
bestrebungen.
Auslands-
markt.
Stabeisen.
damit auch ein erneutes i^uf leben der wirtschaftlichen Tätigkeit
zur Folge haben werde, haben sich als trügerisch erwiesen. Da-
zu kam die von Tag zu Tag zunehmende Versteifung des Geld-
marktes und die hierdurch hervorgerufenen Maßnahmen der
Banken, die eine bisher unbekajinte Einschränkung des Kredites-
vornahmen. Der Eisenmarkt, der zu Anfang des Jahres infolge
der noch vorhandenen mehrmonatlichen Beschäftigung der Werke
eine gewisse Widerstandsfähigkeit zeigte, ließ deshalb bald eine
sehr bemerkbare Erschlaffung erkennen, besonders als die Werke
in dem Bestreben, sich für später Arbeit zu sichern, mit billigeren
Preisen • herauskamen und als auch diese Preisermäßigung
sich als unwirksam zur Auftragsbeschaffung erwiesen hatte. Der
Großhandel, an den von seinen Abnehmern immer höhere An-
forderungen hinsichtlich der Kreditgewährung gestellt wurden,
beschränkte sich bei seinen Käufen auf ein Mindestmaß, weil
er angesichts der Lage des Geldmarkts und der unsicheren po-
litischen Lage seiner Kundschaft gegenüber darauf Bedacht
nehmen mußte, die Außenstände nicht allzusehr anwachsen
zu lassen. Unter diesen Umständen sanken die Preise der nicht-
syndizierten Eisen- und Stahlerzeugnisse im Verlaufe des Berichts-
jahres auf einen Stand herab, der gegenüber dem Beginn des
Jahres einen ungefähren Preisabschlag von 30 o/o ergab.
Die Folge waren erneute Verhandlungen der Werke zwecks
Bildung eines Stabeisensyndikats. Es schien auch, als ob die
mehrmonatigen Beratungen einen Erfolg haben würden. Des-
halb waren die Werke bestrebt, ihre Produktion nach Möglich-
keit zu erhöhen, um sich hohe Beteiligungsziffem zu sichern. Ala
dann die Verhandlungen Ende Juli wegen zu hoher Quoten«
forderungen einzelner Werke scheiterten, führte das Bestreben
der Werke, sich für ihre erhöhte Produktion Absatz zu ver-
schaffen, mit Notwendigkeit zu weiteren Preiskonzessionen.
Die gleichen Verhältnisse wie auf dem Inlandmarkt traten
auch im Auslandsgeschäft in die Erscheinung; auch hier war eine
andauernde Rückwärtsbewegung der Preise festzustellen. Belgien,
das ganz besonders auf den Export angewiesen ist, kam immer
aufs neue mit Unterbietungen auf den Markt. Die deutschen
Werke waren dadurch genötigt, zu folgen, um sich ihren Ab-
satz im Auslande auch fernerhin zu sichern. Auch die unauf-
hörlichen Unruhen am Balkan und in Ostasien brachten das Ex-
portgeschäft mehr und mehr zum Stocken. Die Preise sankeiv
unter diesen Verhältnissen auf einen Tiefstand, der keinen Nutzen
mehr ließ.
Der Artikel Stabeisen, der den weitaus ersten Platz unter den-
Fertigprodukten der deutschen Eisenindustrie einnimmt, hatte in
erster Linie unter der Ungunst der vorstehend geschilderten Ver-
hältnisse zu leiden. Der Inlandskonsum blieb gegenüber dem Vor-
jahre merklich zurück. Angesichts der erhöhten Produktion der
53. Roheisen und Fertigeisen. 229
«deutschen Walzeisenwerke wird es auch weiterhin ihr Bestreben sein
müssen, für ihre Mehrerzeugnng den nötigen Absatz im Auslande
zu suchen. Es ist erfreulicherweise zu konstatieren, daß esi mög-
lich war, im Berichtsjahre die deutsche Ausfuhr auf etwa
1 Mill. t zu bringen. Die Preise für Flußstabeisen bewegten
.sich auf dem Inlandmarkte in absteigender Richtung von 125 Mk.
ab Oberhansen und 115 Mk. ab Saar werk zu Beginn des Jahres
bis auf 97 Mk. ab Oberhausen und. 90 Mk. ab Saarwerk zu
Ende des Jahres, und auf dem Exportmarkte von 120 Mk. bis
116 Mk. fob. Seehafen zu Beginn des Jahres bis auf 92 Mk.
bis 89 Mk. am Jahresende. Die Berliner Lagerp reise stellten
:3ich zu Beginn des Jahres für Flußstabeisen auf 175 Mk., für
Schweißeisen auf 195 Mk., für Grobbleche auf 185 Mk. und für
Feinbleche auf 200 Mk. für 1 t gegenüber 135 bzw. 160 bzw.
155 bzw. 165 Mk. am Ende des Jahres.
Unter dem Drucke der Wirren auf dem Balkan hat die Eisen- Feinbleche;
vcrzinktG
ausfuhr und im besonderen der Export von verzinkten Eisen- Bleche,
blechen nach den Donaustaaten fast gänzlich nachgelassen. Die
Preise sind daher im Laufe des Jahres, insbesondere im III. Quar-
tal, im Auslands- wie im Inlandsgeschäft auf einen Tiefstand
gesunken, wie er seit langen Jahren nicht zu verzeichnen war,
so daß die Erzeugung nur mit erheblichen Verlusten möglich
war. Wenn auch die Syndikate, welche den Werken die Roh-
und die Halbstoffe und Kohlen liefern, Preisermäßigungen und
Aus fuhr er leichterungen vornahmen, so kamen diese Maßregeln
■doch erheblich zu spät und erfolgten in so unzureichender AVeise,
'daß der weiterverarbeitenden Industrie, die im Gegensatz zur
Schwerindustrie auch in der vorangegangenen Zeit keine Hoch-
konjunktur zu verzeichnen hatte, empfindliche Wunden geschlagen
wurden. Infolge der politischen Unsicherheit wurde von allen
Seiten nur der nötigste Bedarf gedeckt. Die Läger wurden aufs
•äußerste verringert, so daß den Werken nur die Wahl blieb, Be-
triebseinschränkungen vorzunehmen oder die Erzeugnisse zu
Schleuderpreisen auf den Markt zu werfen. Der Eisenhandel hat
sich, begünstigt durch diese fast nie dagewesenen Einkaufsmög-
lichkeiten, mit großen Kosten weit in das Jahr 1914 hinein,
zum Teil sogar für das ganze Jahr 1914 versorgt. Die Käufe er-
reichten einen solchen Umfang, daß kaum eine reguläre Abnahlne
zu erwarten ist.
Die Ausfuhr nach dem europäischen Auslandsmarkt war,
nicht zum. geringsten durch gute Welternten begünstigt, in quan-
titativer Hinsicht größtenteils befriedigend; die Einkäufer haben
den größten Nutzen aus der Preislage gezogen. Am Schlüsse des
Jahres zeigen sich einige erfreulichere Momente. Aussichtsvolle
Kartellverhandlungen in mehreren Branchen erzeugten eine ge-
wisse Beruhigung in weiten Kreisen. Das Inlandsgeschäft wies
infolge des milden Winters quantitativ und auch hinsichtlich
230 iV. Montanindustrie.
der Preise eine Besserung auf, so daß die Hoffnung berechtigt
erschien, daß der Tiefstand überwunden sei, sofern die Flüssig-
keit des Geldstandes weitere Fortschritte macht.
Röhren. Der Rückgang in der allgemeinen Konjunktur, welche das.
Jahr 1913 Sennzeichnet, fiel mit einer Erhöhung der Produktion
der deutschen Ex3hrenwerke infolge Erweiterung mehrerer Be-
triebe zusammen. Hierdurch entstand ein fühlbarer Arbeits bedarf,
welchem der Absatz im Inlande, insbesondere auch infolge des-
Daniederliegens der Bautätigkeit, nicht nachzukommen vermochte.
Die im Vorjahre erfolgte Verständigung der Bohren werke bezüg-
lich einer Preiskonvention für das Inland konnte unter diesen
Umständen nicht standhalten und \vurde im Juni aufgehoben.
'Auch eine Verkaufsgemeinschaft von vier großen rheinischen
Böhrenwerken, welche geschaffen wurde, um wenigstens die Preise
für Gasröhren vor einem noch schlimmeren Bückgang, als bereite-
eingetreten war, zu schützen, konnte sich unter solchen Umständen
nicht bewähren und löste sich im Herbst wieder auf. Im Herbst
haben die Preise für Gasröhren und Siederöhren ihren tiefsten
Stand erreicht. Erstere wurden mit Babattsätzen von 83 bis
85o/o, letztere mit Babattsätzen von 76V2 — 84 o/o für die üblichea
Abstufungen der Dimensionen gehandelt. Diese Preise waren für
die Werke durchweg verlustbringend, um so mehr, als sich Boh-
eisen, Kohle und Löhne ziemlich auf dem in der Hochkonjunktur
erreichten Preisstande hielten. Auch Eisenschrott, das Bohmaterial
für den erforderlichen Siemens-Martinstahl, ging im Preise nicht
im Verhältnis zu den Fertigfabrikaten zurück. Unter dem
Druck dieser ungünstigen Verhältnisse fanden sich sämtliche deu1>
sehen Werke im November wieder in einer vorläufieren Preis-
konvention zusammen, welche die Bildung eines Syndikats an-
strebt. Ob bei den hestehenden Schwierigkeiten, die Ansprüche
der einzelnen Gruppen zu befriedigen, diese Verhandlung'^n Erfolg
haben werden, war beim Jahresschluß noch nicht zu übersehen.
Der Absatz nach dem Ausland war verhältnismäßig lebhaft.
Die Qualität des deutschen Materials wird auch auf neuen
Märkten, von denen seither ausschließlich englisches oder
amerikanisches Böhrenmaterial bezogen wurde, immer mehr an-
erkannt.
Weißblech. Das Berichtsjahr begann mit einem Standardpreis für eng-
lisches Weißblech von 15/3 £ für die Kiste I C, 20 x 28 Zoll,
56 Tafeln. 108 Ibs. Ende Januar betrug der Preis 14/9, Ende
Februar 14/ — ; er blieb dann stetig bis Mai, zeigte im Juni
einen Bückgang um 6 d, im Juli einen weiteren solchen um
41/2 d. Der Dezember schloß mit einem Preis von 17/9 für die
gleiche Standardkiste. Die englischen Weißblech^reise sind
demnach in dem Berichtsjahr um annähernd 6 Mk. für
die Doppelkiste von 112 Tafeln des in Deutschland am
•meisten gebrauchten Formats gefallen. Von Januar bis De-
54. Alteisen. 231
ziember war also ein Preissturz von annähernd 17 o/o zu ver-
zeichnen. Weii3blech-Stahlknüppel kosteten Anfang Januar 1913
6 i£ 2 sh 6 d, Ende Dezember 1913 4 £ 11 sh 3 d die Tonne.
Zinn kostete Anfang Januar 1913 229 £, Ende Dezember 1913
dagegen nur 170 £. Dieser Preissturz hat bei allen Weiß-
blechinteressenten, welche Lager besaJäen, außerordentliche Ver-
luste verursacht. Nur wenige Baissespekulanten unter den
Händlern dürften mit diesem Preissturz zufrieden gewesen
sein. Die Ursache des Preissturzes lag in der Haupt-
sache in den durch den lang anhaltenden Balkankrieg ver-
ursachten schwierigen politischen Verhältnissen. Diejenigen
englischen Weißblechwerke, welche in der Hauptsache für den
Balkanmarkt lieferten, warfen sich in Eimangelung von Auf-
trägen von dorther auf andere Märkte. So entstand eine
Ueberproduktion, welche die Werke in eine überaus schwierige
Lage versetzte. Der Gesamtexport Englands betrug 1913:
-194 921 t = ca. 9 898 000 Kisten gegen 481 123 t = 9 622 200
Kisten im Vorjahre. Die Kiste ist angenommen mit 56 Tafeln
im Foimat 510X715 mm. Demnach ist der Export um zirka
14 000 t oder 220 000 Kisten gestiegen. Diese erhöhte Export-
ziffer rührt daher, daß nach den Vereinigten Staaten von
Amerika in dem oben erwähnten Zeitraum 1913: 21516 t, da-
gegen 1912 nur 2135 t exportiert worden sind. Ein erhöhter
Export fand ferner nach Eußland, China, Hongkong, Japan,
Argentinien und British Ost-Indien statt. Ein erhebliches
Minus zu verzeichnen ist im Export nach Deutschland, Bel-
gien, Frankreich und Rumänien. Deutschlands Einfuhr betrug
im Jahre 1913: 421407 dz im Werte von 12 642 000 Mk. gegen
482116 dz im Werte von 14 463 000 Mk. im Vorjahre. Fast
die gesamte Einfuhr kam aus Großbritannien. Die Leistungs-
fiähigkei"*^^ der deutschen Werke hat sich auch im Berichtsjahr
erheblich gesteigert. Die Zeit dürfte nicht mehr fern sein,
in der die deutschen Werke in der Lage sind, den ganzen deut-
schen Konsum zu decken. Dem deutschen Weißblechsyndikat'
sind im vorigen Jahr die „Vereinigten Stahlwerke van der
Zypen" in Wissen a. d. Sieg und das Weißblechwerk von Capito
& Klein in Benrath a. Rh. beigetreten, so daß nunmehr sämt-
liche in Deutschland Weißblech produzierenden Werke der Ver-
kaufsor^anisation des Weißblech-Verkaufscomptoirs in Köln
am Rhein angegliedert sind. Bei der Einfuhr ist zu berück-
sichtigen, daß von 421 407 dz 99 605 dz in den deutschen Ver-
edlungsverkehr gelangt sind. Im Jahre 1912 betrug die Menge
der im Veredlungsverkehr eingeführten Weißbleche 71 876 dz.
54. Alteisen.
Das Alteisen geschäf t war bis zum April und Mai des Be-
richtsjahres außerordentlich lebhaft, weil einerseits die Hütten-
232
IV. Montanindustrie.
werke große Mengen Schmelzmateri^al für ihre Martinöfen be-
zogen, andererseits bei der Industrie ein großer Entfjall in Eisen-
fl^bfällen vorh.;anden war, solange ihre Beschäftigung günstig
war. Vom Mai ab erlitt im Einklang mit den allgemeinen Preis-
rückgängen im Eisengeschäft auch der Alteisenm^arkt eine er-
h,ebliche Einbuße. Wenn die Preise für Alteisen nicht in dem
Maße zurückgegangen sind, wie diejenigen für Fertigfabrikate,
so ist dies darauf zurückzuführen, daß die im Osten und in
Mitteldeutschland bestehenden Syndik;ate die früheren erheb-
lrch,en Preisschwankungen unmöglich machten. Die Alteisen-
preise waren zur Zeit der günstigen Situation auf dem Eisen-
markte bei weitem nicht so wie früher gestiegen, wesh'alb natur-
gemäß auch der Preisrückgang nicht so intensiv in die Er-
scheinung treten konnte. Im letzten Quartal waren die Anforde-
rungen der Alteisen verbrauchenden Werke derartig gering,
daß es dem Handel nicht möglich war, die auf den Markt kom-
menden Mengen unterzubringen, so daß das Preisniveau erheb-
lich gedrückt wurde. Im Gußbrucheisen geschäft sind die
Preise ebenfalls zurückgegangen, obwohl der Verbrauch groß
war; da. das Roheisensyndikat die Preise für Roheisen nicht
in dem erwarteten Umfange ermäßigt hat, setzen die Gieße-
reien mehr Brucheisen zu, als es sonst der Fall gewesen ist,
so daß es nirgends zu größeren Beständen in Gußbrucheisen
gekommen ist. Der im ersten und teilweise noch im zweiten
Quartal stattgefundene Export von Alteisen speziell nach
Oesterreich-Ungarn hat im weiteren Verlaufe des Berichts-
jahres fast vollständig aufgehört, weil auch dort die Geschäfts-
lage eine wesentliche xlbschwächung erfahren hat.
Erster Bericht.
Welt-
m;oduktion und
Weltverbrauch
an Kupfer.
55. Kupfer, Blei, Zink, Zinn.
Erster Bericht.
Die endgültigen Zahlen für die Produktion und den Verbrauch
von Kupfer im Jahre 1913 liegen bei Erscheinen dieses Berichts
noch nicht vor. Der Firma Aron Hirsch & Sohn in Halbcrstadt
und Berlin verdanken wir jedoch provisorische Ziffern, welche
ein ungefähres Bild von den Verhältnissen des Kupfermarktes
zu geben geeignet sind.
Die Weltproduktion von Kupfer, welche in den beiden
Vorjahren erhebliche Fortsc^hritte gemacht hatte, ist hiernach
im Berichtsjahre auf dem Stande vom Jahre 1912 verblieben.
Die Produktion der Vereinigten Staaten und Spaniens sowie
besonders diejenige Mexikos blieben hinter der des Vorjahres
zurück, woran in den Vereinigten Staaten und Spanien große
Streiks, in Mexiko politische Unruhen die Schuld trugen. In
den meisten übrigen Ländern hat dagegen die Produktion zu-
genommen, so daß die Ausfälle fast ausQ:e,2:lichen wurden.
55. Kupfer, Blei, Zink, Zinn.
233
Tab. 102. Weltproduktion von Kupfer (in engl, tons
zu 2240 Ibs)
1911
1912
1913
Deutschland . . .
Rußland ....
Schweden-Norwegen
Spanien und Portugal
Vereinigte Staaten
Mexiko .
Kanada .
Chile . .
Peru . .
Australien
Japan
Andere Länder
Weltproduktion
30 500
30 800
31000
. '! 25 500
33 000
34 000
9 500
10 000
11000
1
55 000
58 000
53 000
487 300
555 000
546 000
54 050
72 000
52 000
24 000
34 700
34 000
29 600
37 000
39 000
26 000
27 400
27 500
.
44 600
45 500
46 000
1 55 000
65 000
72 000
1 28 370
39 000
42 500
869 370
1 007 000
997 000
Tab. las. Weltverbrauch von Kupfer (in engl, tons
zu 2240 Ibs).
1911 1
1912
1913
Europa
640 000
665 000
—
Deutschland . . •
235 000
254 000
270 000
Frankreich . . . •
106 000
106 000
118 000
England
159 000
150 000
145 000
Oesterreich-Ungam
41 000
52 000
50 000
Italien
41000
35 000
32 000
Nordamerika ....
317 000 !
366 000
343 000
Weltverbrauch . .
V85 000 '
1 057 000
1 049 000
Auch der Weltverbraudh von Kupfer hielt sich ungefähr
auf dei' Höhe des Vorjahres. Die Zunahme des deutschen Ver-
brauches war geringer als in den beiden vorangegangenen Jahren.
Der nordamerikanische Konsum blieb hinter dem des Vorjahres
nicht unbeträchtlich zurück. Das gleiche gilt von dem eng-
lischen Konsum, der schon 1912 gegen 1911 zurückgeblieben war.
L'ab. 104 Weltverbrauch und Weltproduktion von Kupfer (in tons engl zu 2240 Ibs).
jj 1906 1 1907
1908 j 1909 j 1910 1
1911 : 1912 1 1913
Weltverbrauch . . .
Weltproduktion . . .
. 1 787 564 698 026
. ,1 741 654! 702 044
748 330
746 585
833739! 932 000
834 940 856 600
985 000
869 370
1057000 1049 000
1007000 997 000
Mehrverbrauch ( — ) u.
Mehrproduktion (-|-)
—45 910 + 4 018
— 1755
+ 1 201 —75 400 -
-115 630
!
-50C00-52 000
Eine Gegenüberstellung des Weltverbrauches und der Welt-
produktion zeigt, daß auch im Jahre 1913 der Weltverbrauch
die Welterzeugung übertraf. Wenn die vorstehende Tabelle
diese Tatsache für die Mehrzahl aller Jahre ausweist, so liegt
die Erklärung dafür darin, daß der Konsum nicht ausschließlich
auf das von der Produktionsstatistik allein erfaßte neue
Kupfer, sondern auch auf Altmetalle zurückzugreifen vermag.
Sodani: ist die an sich auffällige Erscheinung auch dadurch
234
IV. Montanindustrie.
Deutsche
Kupferstatistik.
Tab. 105.
ZU erklären, daß die Statistik einzelner Länder die Einfuhr
von Kupfer und Kupferfabrikaten nicht getrennt angibt, wäh-
rend die betreffenden Exportländer die Kupferfabrikate in der
Ausfuhr gesondert aufführen, so daß das in Fabrikaten steckende
Kupfer in einem Lande berücksichtigt, im anderen aber vernach-
lässigt wird.
Ausführlichere statistische Angaben besitzen wir über Pro-
duktion und Konsum in Amerilra und Deutschland und über die
sichtbaren Vorräte Frankreichs und Englands.
Deutscher Kupferverbrauch (in metrisch. To.).
1909
1910
1911 1 1912 1 1913
Einfuhr
187 826t
16 436t
211522 t
18 614 t
224 621t 242462 t | 268 000
Ausfuhr
19 114 t 20839 t . 19 000
Einfuhrüberschuß
Produktion .
171390t
23 509 t
192 908 t
28 860 t
204 845 t 221623 1 ! 249 000
3 1 000 1 36 000 t (K^Bchätzt) i 3 1 000(ee
Verfügbares Kupfer ; 194 899t
Vorräte in Hamburg bei Jahresschluß ji 450t
221 768 t
9 500 t
235 845 1
2 900 t
257623 t
10518t
280 000
3 900
Deutscher Verbrauch ' 194 449t
212 268 t 238 245 t i 268 Uli
= 208 8261 =234985 ti=263957t
276 100
=271 750 tV
Tab. 106. Deutschlands Außenhandel in Rohkupfer (in metrisch. To.).
1911
1912
1913
Einfuhr
Davon aus Verein. Staaten .
Australien . . .
Belgien ....
Ausfuhr
Davon nach Oesterr.-Ungarn .
191 590
171 768
7 968
3 258
6 914
5 073
200 608
177 614
10 010
4 436
7 854
5 969
225 392
194 638
26 582
5 523
7 208
4 671
Amerikanische
Statistik.
Die Ziffer des deutschen Kupferverbrauchs wird dadurch
errechnet, daß von der Summe von Einfuhr und Produktion
die Ausfuhr abgerechnet wird und daß ferner die Vorräte im
Hamburger Freihafengebiet berücksichtigt werden. Nicht mög-
lich ist es dagegen, die Läger bei Händlern und Produzenten
in Deutschland zu berücksichtigen, deren zu Beginn und Ende
eines Jahres oft recht verschiedene Größe für die richtige Er-
fassung des Jahresverbrauchs von großer Bedeutung wäre. Nach
den Berechnungen von Aron Hirsch & Sohn hat Deutschland im
Jahre 1913 276 100 t verbraucht. Dies bedeutet gegenüber dem
Vorjahre einen verhältnism^äßig kleinen Zuwachs.
Das wichtigste Material zur Beobachtung der statistisöhen
Lage des Kupfers bilden die Veröffentlichungen der amerika-
nischen Kupferproduzentenvereinigung, die wir schon im ersten
Bande des Jahrbuchs (Tabelle 131) gegeben haben, an dieser
Stelle jedoch noch einmal abdrucken zu müssen glauben.
55. Kupfer, Blei, Zink, Ziüii.
9^.
öo
"ab. 107.
Amerikanische Kupferstatistik in metr. Tonnen.
(Nach den Ausweisen der Copper Producer's Association.)
Jan
Febr. \ März | April
Mai
Juni
Juli , Aug. i Sept. ; Okt. j Nov.
Dez.
Jahr
911 52 480
912 54132
913 65 082
49 818
52 634
59 398
911
912
913
911
912
913
19 087122 916
28 279|25 505
29 579 27 069
24135
36 364
27 390
20 462
28 644
32 735
a) Produktion.
59 209 53 5631 57 590! 56 498
57 015
61804
56 911157 488 55 482
61 387! 64 1021 55 276
50 879
62 216
62 630
56 924j 52 431 1 53 640i 50 747 55 746|
0571 63 545, 65 9561 61 098
59 708! 59 604: 63 082 60 822
649 52&
65 025f 717 559'
63 0461 735 952
b) Inländischer Konsum.
29 9741 23 772, 29 277; 27 967 25 847i 27 187
30 612 31 5311 32 978; 30 003 32 248 35 708
35 244' 35 453' 36 799 31 OöO 26 719^ 33 409
c) Export.
26 799
26 662
34 739
28182128 113 32 415
24 155 31 519
38 962 30 974
27 874
30 875
33 966i 31 686
27 271|31972
35 598 33 231
26 996; 29 061
28 786138150
30 317 30 922
23 0541 27 254
27 336i 21 601
33 152 30 906
30 8631 29 93211 321 879
31 466! 26 532j! 371 798
22 072 9 952! 348 071
30 413135 9431
11 55 353 64 611171051173 487
12 1 40 577 30 065 28 5501 28 290
13 47 770 55 883! 55 477147 298
d) Vorräte am 1. des Monats.
75 0961 75 296j 71 4121 62 4781 60 529| 63 910
29 514122 505 201101 22 807
34 270 30 647! 23 9971 24 311
21184128 607
17 3791 13 515
25 359
31783
61235
34 812
14 791
29 808
33 3591
342 422^
338 565.
394 20T
50 7061 31. Dez.
39 085
21739
1913
41447
Die Produktion, deren Ziffern sich in den letzten Monaten
des vcrigei- Jahres wesentlich erhöhten, hat im Berichtsjahre
nicht denjenigen Umfang gezeigt, den man erwartete; die Eekord-
zahlen des Vorjahres wurden nicht erreicht. In einzelnen
Monaten, insbesondere im Juni, blieb die Produktion sogar
außerordentlich niedrig. Der Grund hierfür lag, wie erwähnt,
in Streikbewegungen in verschiedenen Kupferproduktionsgebieten
der Vereinigten Staaten. Da. aber die vorjährigen Ziffern die
Steigeiung der Leistungsfähigkeit der Produzenten gezeigt
haben, wurde den zeitweilig geringeren diesjährigen Ziffern
der Pioduktion keine allzu große Bedeutung beigemessen. Der
amerikanische Konsum hat sich im Berichtsjahre anfangs ähn-
lich wie im Vorjahre entwickelt. Der Novemberkonsum jedoch
blieb hinter dem Durchschnitt der übrigen Monatsziffern außer-
ordentlich scharf zurück, und der Dezember verbrauch zeigte
einen ganz außergewöhnlich geringen Umfang. Die Export-
ziffern waren in fast allen Monaten als hoch zu bezeichnen.
AVähiend im vorigen Jahre nur dreimal der Export 30 000 t
überschritt, geschah dies im Berichtsjahre fast regelmäßig. Die
guten Exportziffern und die langsame Entwicklung der Pro-,
duktion hatten bis Oktober einen Rückgang der amerikanischen
Vorräte zur Folge. Während km 1. Jan. 47 770 t vorhanden
\^aren. eine Ziffer, die bis Februar noch erheblich anstieg,^
sanken die Vorräte bis zum Oktober bis auf 13 515 t. Dann
freilich setzte eine Zunahme ein, welche die Vorräte am Jahres-
schluß wieder auf 41 447 t steigen ließ.
Neben der amerikanischen Statistik besitzen wir die von
dem englischen Metallhause Merton aufgestellte Statistik der
Europäiscb«
Vorräte.
236
IV. Montanindustrie.
Vorräte in England und Frankreich einschließlich der von Chile
und Australien als schwimmend gemeldeten Verschiffungen, die
wir gleichfalls schon im ersten Bande des Jahrbuches gebracht
haben.
Tab. 108. Vorräte in England und Frankreich einschließlich der von Chile und
Australien als schwimmend gemeldeten Verschiffungen am JVJonatsende (in tons zu 2240 Ibs.;.
Jan. j Febr. | März | April | Mai | Juni
Juli
Aug.
Sept. I Okt. I Nov.
Dez.
ii I I I I
1910 iill0 808i 113 455' 111 432|ll0 2071106 815
1911 ;! 83 193' 82 387 i 82 267! 78 068! 72 613
1912 " 55 570 1 51 507 i 50 175 49 771 44 588
1913 43 101 ! 44 673 45 074 43 828 40 187
103 9571 99 239i 97 506
70 172! 68 025j 66 914
41 5931 44 996| 45 636
38 196 30 627134 045
93 961
67 340
44 208
27 819
88 422j 86 250
61836; 58 682
43 300' 40 716
25 827 26 757
83 797
57 283
40 359
.29 520
Preise.
Hiernach stiegen die europäischen Vorräte von Januar bis
März von 43 101 auf 45 074 t. Alsdann ging die Ziffer bis
Ende Oktober auf 25 827 t herab. Nunmehr setzte auch hier
eine Steigerung ein, die die europäischen Vorräte bis Ende»
Dezember auf 29 520 t anschwellen ließ.
Im folgenden geben wir die Monatsdurchschnittspreise der
Berliner Börse für Standardkupfer im Jahre 1913. Um Ziffern
zu haben, die für eine längere Reihe von Jahren Vergleiche
gestatten, geben wir ferner die Londoner Monatsdurchschnitts-
preisc füi die Jahre 1911 bis 1913.
Tab. 109. Berliner Monatsdurchschnittspreise für Standard-Kupfer (in Mark für lOO kg).
Jan.
Febr.
März
Aprü Mai ' Juni
Juli
Aug. I Sept. Okt.
Nov.
Dez.
Standard-Kupfer.
144,870 131,227 ] 132,340 | 136,990 | 138,348 130,930 | 129,253 138,475 146,921 147,795 ' 138,424 \ 132,603
Tab. 110.
Durchschnittsnotierungen für Standard- und Best-Selected-Kupfer (nach dem
Londoner Public Ledger, in £ per ton zu 2240 Ibs.)
Jan.
Febr. , März i Aprü | Mai
Juni
Juli I August I Set^t. I Okt.
Not.
Standard 1911 55.142
1912 62.88
1913 171.9233
Best-Selectedl911 ij 59.34
191211 67.28
1913!! 78.083
55.17
63.02 !
65.619i
58.176'
67.—
71.813
54.16454.32
66.02 1 70.40
65.438i68.242
58.79 |57.131
69.88 74.66
70.813i7425
54.87
72.52
68.938
58 22
77.05
75.028
56.99
56.156 56.76 55.71 i 55.52
78.34 76.69
65.223 64.294
59.1891 60.44
83.16 81.55
71.188 69.722
78.85
69 300
60 310
83 44
78.87 76.53
73.264! 73.473
58.172: 58.176
83 56 182.03
57.83 i 61
77.— ! 75
68.438> 65
60.194 65
82.33 81
74.194 78.806! 78.917 73.625 70
KuDfer-
geschäft.
Einem Spezialbericht der Firma Aron Hirsch & Sohn
über die Metalle Kupfer*, Zinn, Zink und Blei entnehmen
wir folgendes: Die Bechäftigung der kupferverbrauchenden
Industrien in Europa war fast während der ganzen Berichts-
periode sehr gut, insbesondere wegen des großen Bedarfes der
Schiffbauindustrie, der Munitionsbranche und vor allen Dingen
der Elektrizitätswerke. Diese ,gute Beschäftigung hielt fast
während der ganzen Zeit an. Lediglich in der Messingindustrie
wurde, so weit Stapelaii^ikel in Frage kamen, die Beschäftigung
im letzten Vierteljahre weniger gut; insbesondere wurde in dieser
55. Kupfer, Blei, Zink, Zinn.
237
Industrie über den langsameren Eingang von neuen Aufträgen
Klage geführt. Die Herstellung von Kupfer in Amerika hatte
unter der Ungunst der politischen und wirtschaftlichen Lage
sehr zu leiden. Zunächst beschränkten die Unruhen in Mexiko die
Zufuhren von Rohmaterial stark, dann aber hatten infolge von
langandauemden Streiks im G'ebiete der oberen Seen die dortigen
Hütten eine erhebliche Minderproduktion aufzuweisen.
In Zinn waren die Preisschwankungen nocli viel erheblicher
als in Kupfer. Wie im Vorjahre machten sich auf diesem viel
engeren Markte spekulative Einflüsse stark bemerkbar, was die
Verbraucher außerordentlich unangenehm empfanden, die schon
seit langer Zeit nicht mehr in so großzügiger Weise wie fiiiher,
sondern nur das allernötigste zu kaufen pflegen. Zinn notierte
am 2. Jan. in London 228,15/— £ bis 229,5/— £ für die
englische Tonne und schloß am 31. Dez. mit 169,10/ — £.
Der höchste Stand wurde am 30. April mit 231,10/— £ bis
232 —/— £ erreicht.
Zini>.
lab. 111.
Durchschnittspreise für Zinn (£ per ton engl.).
Jan. ! Febr. | März | April
Mai
Juni
Jiüi
Aug.
Sept. I Okt. I NoY. I Dez.
1911 !l87 941]189.5
1912 il90-03 il97.—
182.5021 193.152
194.16 1202.38
197.766l207.855 193.139 190.420
209.22 207.42 202.29 208 09
1913 11228,352 220.888 213 592 224 710I224.714!204.452|183.848 188.950
180.928! 187.36
223.89 :228,53
193.381 185.0111181.— 1171.940
jl95.264|203.335
|227.83 I226.8Q
Inbezug' auf die statistische Lage des Zinnmarktes haben
sich die Verhältnisse gegen Beginn des Jahres nicht sehr wesent
lieh verschoben. Der amerikanische Konsum — und Amerika
komlnt ja für den Verbrauch von Zinn für die Weißblech-
fabiikation ganz besonders stark in Frage — hat sich in der
Berichtsperiode etwas schwächer gezeigt, während der Verbrauch
in Europa etwa gleich geblieben sein dürfte, wenngleich vorüber-
gehend infolge der sehr hohen Preise eine B^ihle von Weiß-
blechfabriken in Wales ihre Produktion einschränkte oder ganz
einstellte.
Tab. 112 Deutscher Außenhandel in Zinn (in Tonnen zu 1000 kg).
II 1911
1912
1913
Einfuhr
14 500
8 209
15 550
7 254
14 261
Üavon aus Niederländ -Indien .
6 384
Australien ....
1111
1519
1661
Großbritannien . .
1524
1644
1697
Niederlande ....
787
1033
569
Ausfuhr. ...
7 606
1777
6 368
1304
6 437
Davon nach Verein. Staaten . .
1041
Zink notierte am 2. Jan. in London 26, — / — £ bis 26,5/ — £
für die englische Tonne — die höchste Notierung der Berichts-
periode — und schloß am 31. Dez. mit 21,9/16 £. Die niedrigste
Notierung wurde im Oktober mit 2O1/4 erreicht.
Zink
238
rv. Montanindustrie.
Tab. lia
Durchschnittspreise für Zink {£ per ton engl.)
Jan.
Febr.
März April | Mai
Juni
Juli
Aug. Sept. j Okt. j Nov
Dez.
1911 I 23.836 23.191 22.9591 23.6841 24.504
1912 ij 26.49 ! 26.32 j 25.99 j 25.44 125.56
1913 jl 25.955: 25.213| 24.566| 25.177| 24.515
24.478 24.693
25.59 I 25.65
21.991! 20.557
26.556 27.628 27.241! 26.656i 26.677
26.06 26.80 ' 27.29 j 26.71 26.02
20.698 21.1901 20.638 20.7161 21.323
Bas Geschäft in Zink, das außerordentlich lebhaft begann,
hat im Laufe des Jahres wiederholt zu wünschen übrig-gelassen
Der Konsum nahm mäßig zu, aber auch die Produktion hat eine
Steigerung erfahren, so daß die Vorräte der sämtlich im Inter-
nationalen Zinksyndikat vereinigten europäischen Werke gegen
Ende August eine Höhe erreicht hatten, die nach den Bestimmun-
gen des Verbandes eine Einschränkung der Produktion herbei
führte Diese Produktionseinschränkung beziffertiC sich auf etwa
8 0/0 einer Viermonatsproduktion. Da zugleich mit dem Eintritt
dieser Einschränkiing eine lebhaftere Nachfrage nach Zink ein-
setzte, so haben die Bestände im Laufe der letzten Monate ganz
erheblich abgenommen und sind auf ein Niveau herabgesunken,
das als normal zu bezeichnen ist. Die gesamten Bestände an Zink
auf den europäischen Hütten dürften Ende Oktober etwa 45 000 t
betragen haben.
Blei.
Tab. 114. Deutscher Außenhandel in Zink
(in Tonnen).
■
1911
i 1912
1913
Einfuhr . .
48 410
30 688
79 621
24 488
25 364
13 687
54 838
31032
100 284
38 403
28 878
13 681
55 964
Davon aus Belgien
Ausfuhr
29 032
105 107
Davon nach Großbritannien . .
Oesterreich -Ungarn
Rußland
42 506
24 492
18 853
Tab. 115.
Blei wurde am 2. Jan. in London mit 17,17/6 £ bis 17,18/9 £
für die englische Tonne notiert und schloß am 31. Dez. mit
I8V2 £. Die Höchstnotierung wurde am 19. Juni mit 19,12/6 £
bis 21,10/ — £, die niedrigste Notiz am 7. März mit 15,7/6 £
erreicht.
Durchschnittspreise für Blei (jt per ton enel.).
1911
1912
1913
Jap. I Febr. | März | April | Mai | Juni j Juli | August | Sept. | Okt | Nov.
10.032! 13.096 13.144 12.9211 12.957
15 56 j 15.69 ' 15.98 ' 16 33 I 16.51
17.059 16.422 15.984 17.4+2. 18.714
13.2691 13.546) 14.0661 14.756! 15.3051 15.772
17.58 I 18.43 i 19.28 ' 21 45 1 20.40 ! 18.23
19 534 19 390; 19.763 19.742i 19 472 18.682
Dez
15.666
18 08
17.432
Der Bleimarkt war ganz erheblichen Schwankungen aus-
gesetzt und starken spekulativen Einflüssen unterworfen. Die
hohen Preise hatten die Wirkung, daß sich die Verbraucher mit
ihren Einkäufen sehr zurückliielten. Das außergewöhnlich hohe
Preisniveau von Blei während der Berichtszeit war einerseits
55. Kupfer, Blei, Zink, Zinn.
239
durch den sehr guten VerbraueJi hervorgerufen, dann aber auch
durch eine erhebliche Einschränkung in den Zufuhren. Infolge
von Unruhen waren die Zufuhren von Mexilco sehr gering, zeit-
weise blieben sie sogar ganz aus. Ferner waren Streiks in Spanien
und im australischen ßrokenhilldistrikt zu verzeichnen, die die
Zufuhren von Blei ebenfalls vombergehend beschränkt haben.
Die als Verbraucher in Frage kommenden Industrien waren fast
durchweg ausgezeichnet beschäftigt, insbesondere hatten die Kabel-
fabriken dauernd zu tun, während die Unternehmungen, die sich
mit der Herstellung von Bleitabrikaten für Bauzwecke befassen,
allgemein klagten, daß die daniederliegende Bautätigkeit ihre Be-
schäftigung erheblich beeinträchtigte. Das Syndikat für Blei-
fabrikate, das aufgelöst war, wurde nach langen Verhandlungen
wieder geschlossen und vereinigt fast alle in Deutschland be-
stehenden Werke.
Tab. 116. Deutscher Außenhandel in Blei (in metrisch. Tonnen).
1911
1912
1913
Einfuhr . .
Davon aus Spanien
Verein. Staaten . .
Belgien
Australien ....
Ausfuhr
Davon nach Oesterreich-Ungarn
Rußland
Schweiz
100 540
11788
35 843
33 798
6 697
32 067
13 063
6 767
93 585
24 370
22 928
33 165
4 103
38 122
18 150
6 468
83 781
42 793
16 273
13 973
2 893
41369
14 661
7 487
Zweiter Bericht.
Ueber die Verhältnisse auf dem Metailmarkte wird uns
ferner von einem hiesigen Hüttenwerk folgendes berichtet:
Der in unserem vorjährigen Bericht schon angedeutete Rück-
gang der Konjunktur hat sich im Berichtsjahre mehr und mehr
bemerkbar gemacht, so daß am Jahresschluß kein Zweifel mehr
darüber bestand, daß die Hochkonjunktur überschritten ist und
die Industrie sich in einer Zeit der Depression befindet.
Die Preisschwankungen in Kupfer wurden weniger durch
Angebot und Nachfrage, als durch die Spekulation sowie durch
die Depression auf den Effektenmärkten bedingt. Trotz des
Niedergangs der Konjunktur war während des größten Teils
des Jalires die Produktion geringer als der Konsum, so daß sich
die Warenbestände verringerten und Mitte November auf einem
Niveau angekommen waren, die zu Bedenken für die Versorgung
Veranlassung gaben. In den beiden letzten Monaten erst fand
wieder eine Zunahme der zusammengeschmolzienen Vorräte statt.
Es geht aus der ganzen Lage hervor, daß der Konsum nicht
so labgenommen hat, wie jnan erwartete, während die vielen Streiks,
die sowohl in Amerika als auch in Spanien (bei der Rio-Tinto-
ZweiterBericht.
Allgeiueines.
Kupfer
240
rv. Montanindustrie.
Blei.
Zinn.
Antimon.
Gesellschait) vorkamen, die Produktion erheblich einschränkten.
Die Produktion des Gatanga-Gebietes hat nicht die Ausdehnung
angenommen, die die Gesellschaft voraussagte.
Zink. Die Zinkpreise sind der allgemeinen Konjunktur und dem
Nachlassen des Bedarfs, besonders für Zwecke des Baugewerbes,
entsprechend von (dem Syaidikat allmählich heruntergesetzt worden.
Der Preis betrug zu Anfang des Jahres ca. 26V2 £ pro Tonne und
ist allmählich auf 2OV2 £ gefallen.
Die Verhältnisse auf dem Bleimarkt waren, wie im vorigen
Jahr, fast ausschließlich durch die Lage in Mexiko bedingt.
Aus diesem Lande ist auch in diesem Jahre so gut wie gar
kein Bleierz oder Blei exportiert worden, so daß fast wälirend
des ganzen Jahres eine Knappheit an promptem Blei Herrschte.
Es hatte dieses Metall daher bis zum Jahresschluß einen ver-
hältnismäßig iTohen Preis. Auf eine dauernde Ermäßigung ist
nur dann zu rechnen, wenn Mexiko wieder in die Reihe der pro-
duzierenden Länder eintritt.
Die Preisschwankungen in Zinn sind mehr durch die Spe-
kulation als durch Angebot und Nachfrage hervorgerufen worden.
Die Lage des Artikels war am Jahresschluß ebenso unklar wie
die von Kupfer.
Dias nach dem vorigen Berichte geplante Syndikat für Anti-
monhütten ist wiederum nicht 2rtLstaiide gekommen. Infolgedessen
sind auch für Antimon die Preise erheblich zurückgegangen;
sie standen am Jahresschluß wieder auf dem seit einigen Jahren
als normal zu betrachtenden Stand von zirka 50 Mk. für 100 kg.
In -der deutschen Metallindustrie machte sich der Konjunktur-
rückgang schon zu Anfang des Jahres, besonders in der Klein-
industrie, bemerkbar; er hat teilweise zu erheblichen Betriebs-
einschi'äJikungen geführt. In der Großindustrie, besonders in der
Elektrizitätsindustrie, ist zweifellos der Rückgang der Konjunktur
nicht in demselben Maße in die Erscheinung getreten. In der
ersten Zeit war es dieser Industrie sogar erwünscht, daß sie nicht
mehr, wie in den vorangegangenen Monaten, im Rückstande mit
ihren Lieferungen war. In späterer Zeit machte sich aber ein
unangenehmes Nachlassen der Aufträge für große Maschinen-
aggregate usw. fühlbar.
Infolge der rückgängigen Konjunktur ist während des
ganzen Jahres ein überaus großes Angebot von Arbeitskräften
vorhanden gewesen, so daß eine Auswahl in einem Maße vor«
banden war wie seit mehreren Jahren nicht. Die Schiffahrts-
verhältnisse waren fast das ganze Jahr über normal bis auf den
November, in dem, entgegen aller Erfahrung, der AVasserweg
Hamburg-Berlin durch niedrigen Wasserstand behindert war.
Dritter Bericht. Uebcr das Geschäft in Walzzink entnehmen wir einem dritten
Berichte :
Lage der Metall-
verarbeitenden
l [Industrien.
Arbeitsmarkt
und Verkehrs-
verhältnisse.
56. Altmetalle und Messingabfälle.
241
Das Berichts jähr wies unter dem Einfluß der allgemeineD
rückgängigen Konjunktur einen allmählichen, aber starken
Preisrückgang für Walzzink auf. Der Berliner Markt zeigte
infolge der stetig zunehmenden Stagnation im Baugewerbe
eine geringe Aufnahmefähigkeit. Die finanzielle Schwädie
vieler Berliner Bauhandwerker erschwerte durch das damit
verbundene Eisiko das Geschäft bedeutend. Ein Außen-
seiter versuchte im Laufe des Jahres das Absatzgebiet der
Berliner Zinkblechhändler zu beunruhigen, und zwar mit
Zinkblechen ausländischen Fabrikats. Da die Qualität dieser
Blqche jedoch den hiesigen Ansprüchen nicht genügte, machte sich
diese Konkurrenz nur in geringem Maße fühlbar. Der Verbrauch
von Zinkblech in der graphischen und elektrotechnischen Industrie
war auch im Berichtsjahre befriedigend.
56. Altmetalle und Met a Hab fälle.
Um einen richtigen Maßstab für die Marktgestaltung der
mit Kupfer legierten Altmetalle zu erhalten, ist ein Hinweis auf
die statistischen Verhältnisse und auf die Preisbewegung des roten
Metalls wünschenswert. Der Weltkupferkonsum war im ersten Se-5
mester 1913 größer als in irgendeinem vorhergehenden Jahre, wäh-
rend die Produktion durch Streiks in Amerika, Australien und Spa-
nien abgeschwächt war. Die Weltbestände nahmen daher erheblich
ab. Deutschlands Industrie blühte zunächst trotz deö Balkan-
krieges ungeschwächt fort, brachte viel Metallabfälle an den
Markt und nahm andererseits jedes Angebot willig auf.
Infolge der Zurückhaltung der Byohkupferproduktion war
naturgemäß die Nachfrage nach Altkupfer besonders lebhaft,
so daß sich die Preise hierfür oft nicht weit von denjenigen für
das Rohmetall entfernt hielten. IMr die Preisbewegungen diesem
Artikels waren indessen häufig die äußeren Verhältnisse wirk-
samer als Nachfrage und Angebot. Völlige Zurückhaltung der
durch schlechte politische Nachrichten und die Gefahren der Geld-
teuerung abgeschreckten Konsumenten wechselten mit stürmischer
Nachfrage zur Deckung des dringendsten Bedarfs, so daß die Preise
starke Schwankungen zeigten. Im zXveiten Halbjahr trat ein
Niedei*gang der Konjunktur ein, der sich in einer starken Ent^
Wertung der Preise, die ihren Tiefstand im Dezember erreichten,
äußerte.
Die Messingwerke litten infolge schwacher Beschäftigung
der Lampenwaren- und Schraubenfabriken unter dem Konjunktur^
rückgang am meisten. Deshalb ließ in der letzten Jahreshälfte
in Messing der Entfall an Abfällen und Spähnen nach, während
die Nachfrage hierfür gut blieb. Diese Messingmaterialienj
wurden deshalb höher als im (sonstigen Dttrchsohnitt der Jahre
bezahlt und näherten sich mehr als früher den Standardkupfer-
notierungen,
Zinkblech.
Allgemeines.
Altkupfer.
Messin gabfäll fc
Messingspäne.
ßerl. Jahrb. f. ELandel u. Ind. 1913. II.
16
242
IV. Montanindustrie.
Rotguli.
Altblei
Altzink.
Preistabelle.
Bei Maschinenrotguß und Blookrotguß lagen die Verhältnisse
umgekehrt. Ein reichliches Angebot fand keine gentoinde Auf-
nahme, da die OBnonz^egießereien von den Maschinenfabriken niöht
genüigend beschäftigt wlirden. Auch wsur der in Zeiten guter
amerikanischer Konjunktur früher lebhafte Export im Jahre 1913
nur gering. Die Preise entsj)r.a]öhen nicht dem richtigen Legierungs-
preisverhältnis tvlon K'ulptfeir und Zinn. Gesuchter und besser
bezahlt waren Botgußspäne, deren Zufuhr aber oft knapp "wiar.
(Dem Gieschäft in Altblei, K^abelblei und umges'chmolzenem
Blei kamen die hohen Notierungen von Hüttenblei, die durch das
Stilliegen der mexikanischen jBergwerke und Hütten einerseits
und durch die (Bleikonvention andererseits verursaöht wurden,
sehr zustatten. Die VerWertung dieser Altmetalle fand ohne
Schwierigkeit und zu jgünstigen Preisen statt.
In Altzink waren die Zufuhren infolge der geringen
Bautätigkeit mäßig, die Nachfrage dagegen sehr groß, da die
Schmelzereien Altzink zlim Umschmelzen in Bemelted-Zink, der
einen großen Absatz 'wahrend des ganzen Jahres fand, lebhaft
begehrten. Die Preisbewertung war dementsprechend insbesondere
auch für Neuzinkbleohabfälle sehr gut.
Die nachstehende Preistabelle gibt einen vergleichenden
Ueberblick darüber, wie sich die Preise der vom Bohkupferpreise
beeinflußten Altmetalle zu den Standardkupfemotierungen wäh-
rend des Jahres verhalten haben.
Tab. 117.
Preise für Standardkupfer
1 Januar
Februar
März April | Mai
Durchschnitt v. Stan-
■
dard-Kupfer London 145.30
132.55
132.20
137.85
139.25
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Anf. Ende
Anf.
Ende
Anf.
Ende
Anf.
Ende
Anf. 1 Ende
Stand-Notizen £ p t. 75.10 69.10 67.-
64.-
66.15
66.10
68.—
67.15
68.5 |68.—
Schwerkupfer . .
145
135
135
129
135
129 137
132
134
137
Kupferdraht . .
bß 146
137
140
133
140
133! 138
133
137
139
Feuerbuchskupfer
M
150
148
142
137
142
137
142
137
142
145
Leichtkupfer . .
R
135
130
130
124
128
122
130
124
125
131
Messinghülsen . .
113
104
103
98
103
99
106
102
100
107
Schwermessing .
93
90
90
98
88
84
89
85
87
91
Messingabfälle . .
<^
111
102
101
96
101
97
104
100
98
105
Messingspäne . .
86
78
77
73
79
73
82
76
82
85
Blockmessing . .
102
96
92
90
92
90
96
95
94
97
Alter Rotguß . .
128
123
120
117
118
116
122
120
120
124
Rotgußblöcke 90%
125
120
118
117
116
115
119
118
118
120
Aussichien.
Am Jahresi^chlusse stand der Metallmarkt noch unter der
idurch die Geldteuerung iverursachten Depression. Seitdem aber
Gneld seither bei fallendem Zinsfuß reichlicher angeboten 'wird
und hierdurch das Wirtsdiaftsleben Mon einem schweren Drucke
befreit ist, kann man erwarten, daß mit der Rückkehr z:\x nor-
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
243
analen Verhältnissen eine Neubelebung der Industrie eintritt und
daß sich beslonders die Tätigkeit ;auf dem Baumarkte bessert.
^ür den Altmetallhandel (würden sich hieraus erhöhte Gesehäfts-
jnögiichkeiten und gute [Ergebnisse erhoffen lassien.
V. Metallverarbeitung.
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen,
Maschinen^ und Lokomotivenbau.
1. Eisengießerei.
Erster Bericht.
Der Verlauf des am 30. Juni beendeten Greschäftsjahres der
l)erichtenden Firma hat nicht ganz den Erwartungen entsprochen.
Die Eöhrengießerei hatte zwar einen nicht unbedeutenden Mehr-
umsatz gegenüber dem Vorjahr aufzuweisen, doch konnte ein
nennenswerter Ertrag nicht erzielt werden, da einerseits die
wichtigsten Bohmaterialien wie Roheisen und Koks erhebliche
Preissteigerungen erfahren haben, andererseits infolge der Kon-
kurrenz die Verkaufspreise den höheren Grestehungskosten nicht
folgen konnten und d^aher nur bescheidenen Nutzen ließen. Für
die allgemeine Gießerei, welche Bohrformstücke, Maschinenguß,
Erster Bericht.
Geschäftsgang.
und
Altmetalle
Juni i Juli j August September
Oktober
November j Dezember
131.80
129.90
140.—
148.-
148.40
138.25
131.90
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Monats-
Anf. Ende
Anf.
Ende
Anf. Ende
Anf. 1 Ende
Anf. 1 Ende
Anf.
Ende
Anf.
Ende
66.5 63.15
63.15
66.10
67.10170.15
71.15172.-174.10174.—
71.10
67.10
65.10
65.10
132 1 126 123
128
130
135 i 137
143
137 140
140
127
128
125
135^ 128
124
130
132
138 i 140
144
140
143
140
130
130
137
140
135
133
136
140
144 1 142
146
145
148
144
135
133
140
130
122
116
120
124
131 130
132
130
132
126
120
122
118
100
94
94
97
97
103! 102
107
102
105
104
98
98
94
86
84
82
84
86
90
88
91
88
90
90
87
86
83
98
92
92
95
95
101
100
105
100
103
102
96
96
92
78
75
74
78
80
83
84
87
83
85
81
77
80
75
96
92
90
92
96
99
100
103
96
98
98
95
94
88
122
117
114
117
119
125
125
126
124
125
120
118
116
112
119
115
114
116
120
124
122
124
119
120
118
116
115
111
Spezialguß usw. herstellt, waren die Preise auskömmlicher und
uuch die Beschäftigung befriedigend, so daß hier ein besseres
Erträgnis als im Vorjahre erreicht werden könnte. Die Maschinen-
fabrik der Berichterstatterin war während des ganzen Jahres voll
beschäftio-t und hat einen wesentlich höheren Umsatz al^ im Vor-
16*
244
V. Metallverarbeitung.
Roheisen-
Versorgung.
jähre zu verzeichnen, was liauptsächlich auf große Ablieferungen in
Schlousenbauaj-beiten zurückzuführen war. Der Betriebsgewinn
entsprach jedoch nicht dem gestiegenen Absatz, da diese Arbeiten
im Submissionsverfahren nur zu sehr niedrigen Preisen herein-
genommen werden konnten und infolge der Preissteigerung der
Rohmaterialien und Löhne sowie hoher Montagekosten sich un-
günstiger abgerechnet haben, als erwartet worden war. — 'In
der zweiten Hälfte des Jahreß 1913 machte sich, entsprechend
der Ungunst der Verhältnisse sowohl in der Eisengießerei wie in
der Maschinenfabrikation eine größere Zurückhaltung in Kon^
sumentenkreisen bemerkbar, die bis in das neue Jahr liinein
angehalten hat.
Der Roheisenmarkt war das ganze Jahr über fest. Es wurden
mehrfach nicht unerhebliche Preiserhöliungen vorgenommen. Der
Roheisenverband, welcher sämtliche deutsche Hochofenwerke um-
faßt, hat hierbei insofern auf die Gießereien wenig Rück-
sicht genommen, als er diesen nicht nur die Preise, sondern
auch die zu liefernden Roheisenmarken diktierte. Außerdem
machen die Hochofenwerke, welche durch den Roheisenzoll einen
hohen Schutz genießen, durch ihre angeschlossenen Gießereien den
reinen Gießereien die schärfste Konkurrenz.
Z weite rBericht.
Geschäftsgang.
Roheisen-
Syndikat
Zweiter Bericht.
Während die Eisengießereien in der ersten Hälfte des Jahres
wohl durchweg gut, zum Teil sehr gut beschäftigt waren, wurde
es in der zweiten Hälfte des Jahres schwieriger, Aufträge herein-
zuholen; vielfach mußten Preiskonzessionen gemacht werden, um
dies überhaupt zu ermöglichen. Im letzten Vierteljahr war e&
einer Reihe von Gießereien nicht möglich, ihren alten Arbeiter-
stamm voll zu beschäftigen, so daß sie genötigt war, einzelne Ar-
beiter feiern zu lassen. Die Löhne waren während des ganzen
Jahres unverändert hoch, und soweit nicht noch Lieferungsverträge
für Roheisen aus den Vorjahren ausgenutzt werden konnten^
mußten die von dem Roheisensyndikat diktierten, stark erhöhten
Preise (Hämatite 83,50 Mk. ; Roheisen I 80,50 Mk. ; Roheisen III
74,50 Mk. ; Luxemburg 69 Mk. für die Tonne frei Fabrikhof Berlin)
gezahlt werden. Hierdurch wurde der Gewinn in der zweiten
Hälfte d,es Jahres vielfach sehr stark eingeschränkt. Das Roh-
eisensyndikat hat zwar gewisse Preisvergütungen für Ausfuhrgut
angeboten, indessen sind diese Vergütungen an so umständlich zu
erfüllende Bedingungen geknüpft, daß nach Ansicht des Bericht-
erstatters nicht eine einzige Gießerei davon Gebrauch gemacht haben
dürfte. Man dürfe wohl sagen, daß diese Vergütungen nur angeboten
werden, um in der Oeffentlichkeit den Anschein zu erwecken, daß
die Syndikatspreise nicht in voller Höhe zur Anwendung gelangen.
Die Preisermäßigungen, welche das Roheisensyndikat für das erste
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
245
Semester 1914 angekündigt hat, trügen auch nicht entfernt dem
Rückgang der Konjunktur Rechnung; infolgedessen sei gegen
Ende des Jahres 1913 zwischen allen in Betracht kommenden Eisien-
^ießereien westlich der Weser ein Verband zustande gekommen,
dessen wichtigste Aufgabe es ist, das Roheisensyndikat zu einer
angemessenen Herabsetzung der Preise zu veranlassen. Die Be-
ziehungen zwischen Arbeitgebern tmd Arbeitern waren während
•des ganzen Jahres zufriedenstellend. Streiks sind nur ganz ver-
<einzelt und aus besonderen Anlässen vorgekommen.
2. Baukonstruktionen und Verwandtes.
Erster Bericht.
Die Eisenkonstruktionsbranche war in der ersten Hälfte
des Jahres 1913 gut, jedoch infolge des großen Wettbewerbes
Inur zu gedrückten Preisen beschäftigt. Der Auftragseingang'
ließ aber im zweiten Semester aus verschiedenen Gründen nach.
Der Balkankrieg, welcher zujiächst nur eine geringe Einwirkung
auszuüben schien, hat späterhin doch dazu gefHihrt, daß größere
Projekte zurückgestellt wurden. Als weitere Ursache für die
wenig günstige Entwickelung muß die Fortdauer der schon im
Vorjahre bestehenden Geldteuerung und die von allen Geld-
instituten geübte Krediteinschränkung angesehen werden, welche
überall die Unternehmungslust stark eindämmte. Der teure Geld-
ßtand und die nur bei großen Opfern mögliche Hypotheken-
beschaffung hat während des ganzen Jahres den Grundstücks-
und Baumarkt ungünstig beeinflußt, so daß das Baugeschäft, und
damit besonders auch der Absatz von Baueisen, sehr beeinträch-
tigt wurde. Als gegen Mitte des Jahres der überseeische Bedarf
nachließ, zeigte es sich, daß die Walzeisen und Röhren pro-
duzierenden Werke, welche in den letzten Jahren zu wesentlicheti
Vergrößerungen geschritten waren, die Absatzmöglichkeit über-
schätzt hatten. Die infolge der erhöhten Produktion überschüssigen
Mengen ließen die Bestrebungen zu einem Zusammenschluß der
Werke scheitern und veranlaßten einen Preisdruck, der emp-
findliche Wirkungen nicht nur für die Werke, sondern auch
für die lagerhaltenden Händler zur Folge hatte.
Die zurückgegangenen Eisenpreise dürften f|ür die Folge
Behörden sowohl als auch Privatunternehmer zur Ausführung
der in den letzten Monaten zurückgestellten Pläne anregen, zu-
mal, wenn sich die Lage auf dem Geldmarkt bessert.
Die Materialpreise stellten sich Anfang Dezember für die
Tonne frei Berlin für Stabeisen auf 108 Mk. gegen 142 Mk. im
Vorjahre, für Universaleisen auf 116 Mk. gegen 145 Mk. im
Vorjahre, für Grobbleche auf 116 Mk. gegen 150 Mk. im Vor^
jähre, für Formeisen auf 132,50 Mk. gegen 142,50 Mk. im'
Vorjahre.
Bau-
konstruktionen
und
Verwandtes.
Erster Bericht.
Geschäftsgang.
Aussichten.
Preise.
246
V. Metallverarbeitung.
Arbeits-
verhältnisse.
ZweiterBericht.
Geschäftsgang.
Arbeiter-
verhältnisse.
Dritter Bericht.
Geschäftsgang.
Submissionen.
Bis auf geringfügige Differenzen, welche sofort beigelegt
werden konnten, sind Stt*eiks oder sonstige Lohinstreitigkeitett
mit den Arbeitern im Berichtsjabre in der Eisenkonstrnktions-
brauche nicht vorgekommen.
Zweiter Bericht.
"Während die Eisenkons tniktionsbranche mit einem verhältnis-
mäßig hohen Auftragsbestände in das Berichtsjahr eintrat und
man die Erwartung hegte, daß sich die im Vorjahre loegonnene,.
wenn auch geringe Besserung in den Preisen fortsetzen werde^
machte sich bald ein starkes Abflauen der Tätigkeit auf dem
Baumarkte bemerkbar, was natürlich bei dem bestehenden großen
Arbeitsbedürfnis der Konstruktionswerkstätten einen verschärften
Wettbewerb und damit eine fortdauernde Verschlechterung der
Preise zur Folge hatte. Die bestehenden Interessenverbände und
Syndikate waren diesen Erscheinungen gegenüber machtlos, um
so mehr, als schwierige Zeiten in der Regel eine große Vereins-
müdigkeit auslösen, eine Erscheinung, die ja bei den Syndikats-
verhandlungen der Stabeisenhändler- und der Trägervereinigungen,
von neuem ihre Bestätigung fand. Angesichts der geschilderten
Sachlage mußten sich die Werkstätten entschließen, Arbeiten
auch zu verlustbringenden Preisen hereinzunehmen, um nicht
zu Einschränkungen der Betriebe schreiten zu müssen. Freilich!
mußte man sich vielfach zum Scblusse des Jahres auch zu dieser
Maßnahme verstehen, weil die andauernde Verschlechterung der
Geschäftslage einen anderen Ausweg nicht bot.
Streiks haben nicht stattgefunden. Es hat wohl hierbei
auch die Erkenntnis auf Seiten der Arbeiter mitgewirkt, daß-
Streiks unter den schwierigen Verhältnissen des Berichtsjahres-
keine Aussicht auf irgendeinen Erfolg böten.
Dritter Bericht.
Das Wirtschaftsjahr 1913 muß nicht allein hinsichtlich der
Beschäftigung, sondern auch hinsichtlich der erzielten Preise in
der Eisenkonstruktionsbranche und im Brückenbau als überaus
ungünstig bezeichnet werden. Diese mißliche Lage wurde durch
den allgemeinen Niedergang der Konjunktur, insbesondere jedoch
durch die Stagnation auf dem Berliner Baumarkt hervorgerufen.
Der Umsatz in Eisenkonstruktionen dürfte für den Baumarkt nur
ca. 60 — 750/0 des vorjährigen erreicht haben. Der Rückgang in
der Beschäftigung ist femer durch den verminderten Bedarf der-
Behörden zu erklären; der Rückgang dürfte sich, soweit die öffent-
lichen Ausschreibungen einen Ueberblick gestatten, ungefäjir
gleichmäßig auf die Staats- und Kommunalbehörden erstrecken..
Der Mangel an Beschäftigung drückte natürlich auch die Preise»
und besonders bei öffentlichen Submissionen wurden Preise ge-
foidert, die nicht einmal die Gestehungskosten deckten. Aus
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
247
diesem Grunde haben verschiedene Firmen es für richtiger ge-
halten, sich an öffentlichen Ausschreibungen weniger als sonst
zu beteiligen.
Die Aussichten für die nächste Zukunft waren am Jahres-
schluß noch wenig günstig. Es djürfte erst dann eine Besserung
zu erwarten sein, wenn eine regere Tätigkeit auf dem Berliner
Baumarkt eingetreten ist und nachdem einige Neulinge in der
Eisenkonstruktionsbranche die Erfahrung gemacht haben werden^
daß man für eine gelieferte Arbeit wenigstens die Selbstkosten
bezahlt erhalten muß, wenn man nicht zugrunde gehen will.
Vierter Bericht.
Die Verhältnisse im Eisenkonstruktionsbau sind im wesent-
lichen dieselben geblieben wie im Vorjahr. Doch ist die Bau-
tätigkeit noch weiter zurückgegangen, und die Umsätze und
[Preise haben .sich hierdurch weiterhin verringert. Die Be^
schäftigiing war deshalb bei allen FirmeD sehr schlecht, so daß
noch nicht einmal die Umsätze des Jahres 1912 erreicht werden
kbnnten. Auch im Jahre 1913 kam es infolge des vorhandenen
Arbeitsmangels bei fast allen Firmen zu einem schweren Kon-
kurrenzkampf, so daß Preisangebote für Eisenkonstruktionen weit
unter dem Selbstkostenpreise häufig vorkamen.
Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
waren im abgelaufenen Jahre ungetrübt. Die Arbeitszeit betrug
wie bisher 54 Stunden wöchentlich, Lohnerhöhungen haben nicht
stattgefunden.
Fünfter Bericht.
Zu Beginn des Jahres war die geschäftliche Lage im Eisenr
konstruktionsgewerbe sehr still. Die Preise, die erzielt wurden,
waren äußerst gedrückt. Die Einkaufspreise für Stabeisen und
Bleche hielten sich jedoch, ja gingen noch etwas in die Höhe.
Die Einbringung der Wehrvorlage gab Hoffnung auf eine
bessere Beschäftigung der Industrie. Infolge der späten Ver-,
abschiedung der Vorlage konnten aber nur noch die allerdring^
liebsten Aufträge verg-'eben werden. Die Arbeit häufte sich
dann während der Sommermonate auf einen so kurzen Zeitrau,m,
daß Nachtarbeit zu Hilfe genommen werden mußte, damit die
Lieferungen pünktlich ausgefjührt werden konnten. Die Preise,
die für die Arbeiten erzielt wurden, waren infolge der großen
Konkurrenz und infolge der großen Aufnahmefähigkeit des
Marktes sehr schlecht, zumal da die Einkaufspreise für Stab-
eisen und Bleche gerade in jener Zeit von Tag zu Tag fielein.
Infolge des allgemeinen Konjunkturrückganges hielt sich der
Bedarf zurück, und die Beschäftigung ließ wesentlich nach. Zu
Beginn des Oktober warfen die Kündigung der Berliaer Stab-
Aussichten.
Vierter Bericht.
Geschäftsgang.
Arbeiter-
Verhältnisse.
FtinfterBericht.
Wehrbeitrag.
eisenveremigung
schon schlechten
und der Kamj)f gegen einige Outsider die
Preise in der Eisenkonstruktionsbranche noch!
248
V. Metallverarbeitung.
Kruppprozeß.
Arbeits-
verhältnisse.
weiter zurück. Die Balkanwirren wurden nicht so schnell, wie
man annahm, beendet. Nach dem Friedensschluß wurde der
Balkanmarkt von so vielen Seiten bearbeitet, daß die Preise für
Liefeiung nach dem Balkan ebenfalls sehr gedrückte waren.
Was den Krupp-Prozeß betrifft, so teilt die berichtende
Firma nicht die Ansicht, daß er eine Schädigung der Industrie
infolge einer Verschärfung der bureaukratischen Formen bedeuten
müsse. Sie hofft, daß er eine Stählung des Verantwortungs-
bewußtseins der Staatsbeamten bedeuten wird und daß mündliche
Verhandlungen, ohne die das gesamte Geschäftsleben stocken
würde, in Zukunft erleichtert und nicht erschwert werden.
Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
waren im Berichtsjahre gut. Doch steht die Berichte rstatiterin
nach wie vor auf dem Standpunkte, daß ein Arbeitswilligejn-
schutzgesetz als wirksames Mittel gegen den Terrorismus der
Sozialdemokratie durchaus notwendig sei.
Sechster
Bericht.
Sechster Bericht.
Die seit dem Jahre 1911 konstatierte Besserung in der
Beschäftigimg der Berliner Eisenkonstruktionswerkstätten hatte
im Anfang des Jahres 1913 anscheinend ihren Höhepunkt erreicht.
In der zweiten Jahreshälfte war ein deutliches Abflauen in dei^
Beschäftigung zu bemerken, welches nur in geringem Maße mit
Üer üblichen Abnahme der Berliner Bautätigkeit im Winter zu-
sammenhing. Daß die nngünstige Marktlage auch bei den Provinz-
firmen mehr lind mehr fühlbar war, ging daraus hervor, daß
die Beteiligung sämtlicher Firmen bei den öffentlichen Aus-
schreibungen der Staatsbahn und der Städte außerordentlich' rege
war und daß hierbei Preise gefordert Wurden, welche eine Deckung
der Unkosten nicht ermöglichten. Die Preise sind also ttärker
gefallen als die Einkaufspreise für das Eohmaterial, für Stab-
eisen und Formeisen. Diese Materialien waren infolge des ge-
ringer gewordenen Auftragbestandes der Hüttenwerke wieder
binnen normaler Lieferzeiten erhältlich.
Für die nach wie vor äußerst geringe Nachfrage nach' Kon-
struktionen für den Berliner Baumarkt boten die zahlreichen
Ausschreibungen der Staatsbahn, der Militärbehörden und der
Städte reichlich Ersatz. Da bei dieser Kundschaft, sowohl in
•Groß-Berlin als außerhalb, im neuen Jahre infolge der zu
erledigenden Bauprogramme noch großer Bedarf vorliegt, so
ist anzimehmen, daß die Beschäftigung schon im Laufe des
Jahres 1914 wieder besser werden wird.
Siebenter
Bericht.
Geschäftsgang.
Siebenter Bericht.
Ueber den Gasanstaltsbau wird uns berichtet:
Der Gasanstaltsbau hat im Berichtsjahre ungünstiger ge-
arbeitet als im Vorjahre, doch konnte die berichtende Firma
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
249
ihre Fabrikate zu auskömmlichen Preisen unterbringen. Der
Bedarf im Inlande ließ erheblich nach, zum Teil infolge des
Einflusses der Konkurrenz der Koksofengas-Versorgungen, zum
Teil infolge Einführung von früherem Ladenschluß, zum Teil
infolge anderer Umstände, die die Maximalabgabe der Gaswerke
beeinflußten. Neben der Verringerung des Bedarfs im Inlande
trug ein Rückgang des ausländischen Bedarfs dazu bei, daß das
Berichtsjahr einen erhebliühen Rückgang im Absätze aufwies.
Die Absatzverhältnisse wären wesentlich günstiger gewesen,
wenn der Geldmarkt leichter gewesen wäre, denn alle Städte
und Gemeinden, welche im Besitz von Gasanstalten sind, und
auch viele Gesellschaften und Privatbesitzer mußten ihre Neu-
anschaffungen auf das AUernotwendigste beschränken, weil die
erforderlichen Baugelder nicht günstig zu beschaffen waren.
Der Einfluß der Elektrizität macht sich in dem Gasfach' wenig
bemerkbar, weil der Ausfall in der Abgabe von Gas für Leucht-
zwecke durch den Verbrauch von Gas für Heiz- und Kochf^
zwecke ausgeglichen 'wird.
Die fallenden Preise für die Halbfabrikate ermöglichten
auch niedrigere Preise für die Fertigfabrikate. Die letzteren
•wurden durch eine lebhafte Konkurrenz erheblieh' gedrückt. Mit
Rücksicht auf die deshalb für einige Fabrikate nötig gewordenen
billigen Verkaufspreise mußte eine Verbilligung der Fabrikate
durch Verbesserung der Fabrikationseinrichtungen angestrebt
werden.
In den Ausfuhrbedingungen hat sich im Berichtsjahre nichts
geändert. Die Höhe der Zoll- und Frachtauslagen zwingt die
Gasanstaltsbaufirmen, bei Lieferungen ins Ausland den größten
Teil der Aufträge durch Lieferanten des betreffenden Landes
ausführen zu lassen; dies gilt ganz besonders für Lieferungen
nach Rußland und Italien. Die Ermäßigung einiger Sätze des
Zolltarifs der Vereinigten Staaten blieb ohne Einfluß.
Die Beiträge für die neue Angestellten Versicherung in Ver-
bindung mit den fortwährend gesteigerten Ausgaben für Arbeiter-
unterstützungen und für die staatlichen Versicherungen gegen
In^^alidität, Krankheit, Unfall usw. bilden eine bedeutende Be-
lastung der Industrie, so daß es immer schwerer wird, in den-,
jenigen Ländern lohnende Aufträge hereinzuholen, in denen eine
einigermaßen leistungsfähige Konkurrenz vorhanden ist.
Preise.
Export.
Soziale Lasten.
3. Triebwerke.
Die guten Absatzverhältnisse des Jahres 1912 dauerten auch
ian größten Teile des Berichtsjahres fort. Nur in den letzten
Monaten erfolgte ein nicht unbeträchtlicher Rückschlag. Es be-
stehen noch in verschiedenen Branchen Neubaubedürfnisse für
den Transmissionsbau, doch zögerte man w-egen des teuren Geldes
mit der Verwirklichung der Projekte. Die Preise für Stab- und
Triebwerksbau.
Geschäfts gang.
250
V. Metallverarbeitung.
Roheisen-
syndikat.
Export.
Arbeits-
verhältnisse.
Konstruktionseisen sind erheblich gewichen, aber Kohle, Koksi
und Roheisen aller Art blieben so hoch im Preise, daß sie eine
dem KonjniLkturrückgang Rechnung- tragende Verbilligimg der
Anlagen nicht ermöglichten. Die Rohoisenp reise besonders wiu^-
den vom Syndikat noch fast auf der Höhe des Vorjahres
gehalten. Die Stabeisen- und Konstruktionseisenwerke haben den
Verhältnissen durch starke Preisherabsetzungen sofort richtig
Rechnung getragen und damit anregend auf den Bedarf eingewirkt,
so daß sie auch in ganz kurzer Zeit wieder mit Preiserhöhungen
werden vorgehen können. Das Roheisen- Syndikat soll^ um seine
deutschen Preise hochhalten zu können und sich trotzdem den
•nötigen Absatz zu sichern, nach England exportiert und dort
um zwei bis drei Schillinge für die Tonne billiger verkauft
haben, als in England der Marktpreis für Roheisen stand. Eng-
lisches Roheisen wurde Anfang 1914 auf 71 Mk. für die Tonne,
fracht- und zollfrei jeder Empfangsstation an der Elbe gelegener
Gießereien, angeboten, während das Sj^ndikat 76,50 Mk. forderte.
Zwar gewährt das Syndikat, je nach Bezugsmenge, Rabatte von
0,50 bis zu 1,50 Mk. für die Tonne und vergütet ferner auch auf
ein in der Fertigware exportiertes Roheisen 6,25 Mk. für die
Tonne. Hierbei wird aber verlangt, daß für exportiertes Roh-
eisen genau nachgewiesen wird, wohin es gegangen ist und
welcher Art es war. Ja es müssen förmlich Export- und Geschäfts-
geheimnisse preisgegeben werden, um zu der geringen Vergünsti-
gung zu gelangen. Uebrigens macht die Vergünstigung bei den
nicht stark exportierenden Firmen, auf den Gesamtwert des be-
zogenen Roheisens berechnet, nur Pfennige aus.
Der Export wird immer schwieriger, da die Konkurrenz im
Ausland große Fortschritte macht. Der Zoll für Triebwerke
macht in den meisten Ländern soviel aus, wie die einheimischen
Werke für das fertige Fabrikat fordern. Hoffentlich bringen die
nächsten Zollverträge hierin Wandel, damit ein so bedeutender
Exportartikel, wie Triebwerke (Transmissionen) es sein könnten,
nicht ganz ausgeschaltet wird. Im wirtschaftlichen Ausschuß
zur Vorbereitung handelspolitischer Maßnahmen müßten Leiter
erster Unternehmungen jedes Industriezweiges sitzen, damit die
Interessen jeder Branche richtig gewahrt und gefördert werden.
Fachleute aus dem allgemeinen Maschinenbau können nicht als
Kenner des Transmissionsbaus gelten.
Streiks sind im Berichtsjahre nicht vorgekbmmen, obwohl die
Besetzung, wenigstens im ersten Semester, noch sehr gut war. —
Die vielen großen Ausgaben auf sozialem Gebiete beeinflussen die
Preisbildung für die Fabrikate sehr empfindlich. Ein weiteres
Beschreiten dieser Bahn, etwa durch Schaffung einer Arbeitslosen-
versicherung usw., würde die Lage auch der besten Unternehmun-
gen weiter Verschlechtem und kleinere Unternehmungen dem
Ruin zuführen.
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
251
4. Hebewerkzeuge.
Erster Bericht.
Das vergangene Jahrj stand unter dem Zeichen eines durcJi
die Balkanwirren hervorgerufenen wirtschaftlichen Niederganges.
Die Umsätze in der Aufzugsbranche haben nachgelassen, und
Iwenn dies auch bei der berichtenden Firma nicht in so
sehr erheblichem Maße geschehen ist, weil sich ihr Arbeitsfeld
nicht nur auf Berlin und das übrige Deutsehland, sondern auf
ganz Europa und selbst andere Weltteile erstreckt, so hatten
doch die übrigen Firmen der Branche schWer unter der Un-
gunst der Zeiten zu leiden. Eine ausländische Konkurrenzfirma
suchte auch im Berichtsjahre mit Schleuderpreisen den deutschen
und europäischen Markt zu erobern. Sie dürfte hiermit auch
so lange und insoweit gewisse Erfolge haben, als sie ihre
Fabrikate zu niedrigen Preisen anbietet. Eine andere aus-
ländische Firma, die den deutschen Älarkt auch schon seit langen
Jahren pflegt, hat geglaubt, dieser Schleuderei ebenfalls mit
Schleuderei begegnen zu müssen. So hatte die deutsche Aufzngs-
industrie nicht nur gegen die Ungunst der allgemeinen wirtschaft-
lichen Lage anzukämpfen, sondern insbesondere auch noch gegen
ausländische Konkurrenten, die den Markt verdarben.
Im Kranbau war der Umsatz ziemlich befriedigend. Obwohl
auch hier die Preisstellung nicht als besonders gewinnbringend
bezeichnet werden kann, so war in diesem Fabrikationszrweig'
doch' nicht mit den gleichen ungünstigen Verhältnissen zu rechnen
wie im Aufzugsbau.
Am Jabresschluß war noch nicht abzusehen, ob man mit
besseren Hoffnungen in die Zukunft blicken durfte. Die An-
zeichen, die zu solcher Hoffnung anregten, waren noch zu gering-
fügig und vielleicht auch nur zufällig. Ein Zusammenschluß
in der Aufzugsbranche, welcher seit einigen Jahren angestrebt
wird, ist angesichts der ausländischen Schleuderkonkürrenz wenig
wahrscheinlich.
Zweiter Bericht.
Der Absatz der berichtenden Firma dürfte im Berichtsjahre
dem vorjährigen bisher größten Absatz kaum oder nur um ein
Geringes nachgestanden haben. Aber die Preise für die Massen-
artikel — Flaschenzüge für Handbetrieb u. dgl. — sind infolge der
sinkenden Konjunktur und durch die Konkurrenz geringwertiger
Fabrikate auf einen kaum erträglichen Stand gedrückt worden.
Es ist bedauerlich, daß die Verbraucher bei einem für die Sicherheit
der Arbeiter so wichtigen Artikel selbst bei ganz geringem Preis-
unterschiede vielfach mit minderwertigen Fabrikaten vorlieb
nehmen. Die Abteilung für elektrische Hebezeuge und Krane war
am Jahresschluß für längere Zeit mit Arbeit versehen. Das Ver-
hältnis zu den durchweg ausgewählten Arbeitern war bei der Be-
Eister Bericht
Aufzüge.
Kräne.
Aussichten.
ZweiterBericht.
252
V. Metallverarbeitung.
richterstatterin auch im Berichtsjahre gut. Vollbezahlte Ferien-
tage und namhafte Weihnachtsgratifikation für jeden Arbeiter bei
guten Löhnen finden merkbar Anerkennung.
Dritter Bericht.
Gesamt-
tendenz.
Preis-
verhältnisse.
Produktion
und Umsatz.
Verkehr mit
dem 'Auslande.
Dritter Bericht.
Die Menge der eingegangenen Aufträge hielt sich in gleicher
Höhe wie im Vorjahre, so daß eine befriedigende Beschäftigung
vorlag. Die vorhandenen Betriebsmittel genügten für die Aus-
führung der eingegangenen Aufträge, so daß eine Vermehrung des
x4.rbeitspersonals nicht stattfand. Die Baukrise ist bis jetzit immer
noch nicht überwunden und dürfte voraussichtlich nicht eher be-
endet werden, als bis eine Besserung in der Geldbeschaffung ein-
tritt. Die Grundstücksbesitzer können zweite Hypotheken kaum
erlangen und haben teilweise Schwierigkeiten selbst bei Unter-
bringung erster Hypotheken. Ein weiterer Grund für die an-
haltende Dauer der Baukrise ist, daß die Baugrundstücke durch
die Wertzuwachssteiier außerordentlich verteuert werden und da-
durch der Verkauf verhindert wird. Eine Gesundung der Bau-
branche ist durch die Einführung des zweiten Teiles des G^esetzes
zur Sicherung der Bauforderungen kaum zu erwarten. Nach wie
vor gingen gute Aufträge für Behörden und Private aus dem Reiche
ein, so daß der durch die Berliner Baukrise entstehende Ausfall
vollkommen ausgeglichen wurde.
Die Preise der Rohmaterialien waren, was Walzeisen an-
belangt, etwas niedriger wie im Vorjahre, während die Eotguß-
und Kupferpreise gegenüber dem Vorjahre stiegen. Eine
Steigerung der Verkaufspreise konnte jedoch nicht stattfinden.
Eine Ueberproduktion hat bei der . berichtenden Firma nicht
stattgefunden. Die eingegangenen Aufträge beschäftigten die in
der Abteilung angestellten Arbeitskräfte vollauf, so daß Vorräte
nicht angehäuft zu werden brauchten. Die Konkurrenz in der Auf-
zugsbranche ist dauernd äußerst scharf und wird insbesondere
dui'ch die ausländischen Konktirrenzwerke wie die amerikanische
Otis-Gesellschaft, die Firma Stigler, Act.-Ges. in Mailand und
die Firma Schindler & Co. ia Luzern erschwert. Diese Firmen
unterhalten in Berlin Filialen bzw. Vertretungen. Selbst von
ersten Baufirmen werden für gute und bessere Qualitätwaren keine
besseren Preise gezahlt, sondern die billigeren Konkurrenzpreise
vorgezogen.
Der Verkehr mit dem Ausland wird durch die hohen Ein-
fuhrzölle in den meisten Auslandsstaaten ganz erheblich erschwert.
Besonders gilt dies für Frankreich und Oesterreich, welche ihre
eigenen Spezialwerke durch hohe Einfuhrzölle gegen das Ausland
schützen. Die ausländischen Konklirrenzwerke, insbesondere die
Firma Stigler Act.-Ges. in Mailand, können ihre Aufzugstoaschinen
infolge der äußerst niedrigen Arbeitslöline in Italien und des
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
253
nicht allzu hohen Einfuhrzolls billiger als die Berliner Spezial-
werke bauen.
Das Angebot der Arbeitskräfte genügte dem Bedarf. Streiks
und Aussperrungen fanden im Berichtsjahre nicht statt. In ab-
sehbarer Zeit sind voraussichtlich keine Ar heiter ausstände zu er-
warten. Da jedoch keine Tarifverträge abgeschlossen sind, ist
hierfür keine Sicherheit vorhanden. Die Löhne sind gegen das
Vorjahr um ein Geringes gestiegen.
Eine Besserung der Zahlungs Verhältnisse im Baugewerbe ist
gegen das Vorjahr nicht eingetreten. Sie haben sich sogar infolge
von Zahlungseinstellungen größerer Baugeschäfte zum Teil noch
verschlechtert. Die Banken haben die Kredite für Bauten aufs
äußerste beschränkt, was vielfach den Bauunternehmern die Eortr
führung" und den Beginn von Neubauten unmöglich machte. Die
Schwierigkeit der Hypothekenbeschaffung führte vielfach zu
Subhastationen bereits fertiger Bauten, wobei erhebliche Eor-
derungeiL von Bauhandwerkern ausfielen. Die Bestrebungen vieler
Gemeinden, den Grundstücksbesitzern billige zweite Hypotheken
zu beschaffen, dürfte eine Besserung in diesen Verhältnissen herbei-
führen.
Vierter Bericht.
Per allmähliche Aufschwung, den die Maschinenindustrie in
den letzten Jahren zeigte, ist im vorjährigen Bericht durch eine
Tabelle dargestellt, welche die steigenden Eisenpreise in den
Jahren von 1909 bis Ende 1912 zeigte. Während die einzelnen
Jahre bis Anfang 1912 ein ganz allmähliches Anziehen der Preise
zeigten, stiegen diese im Jahre 1913 ganz erheblich, und zwar für
Eisen für 100 kg um 2 Mk. und für Bleche für 100 kg ujn
1,50 Mk. Diese Höchstpreise erhielten sich bis Mitte 1913, ob-
wohl sich schon vorher ein Nachlassen des Geschäftes bereits
bemerkbar gemacht hatte. Nunmehr folgte ein Niedergang der
Preise bis zu einer Notierung, die teilweise noch unter der-
jenigen von 1909 lag. Gegen Ende des Jahres 1913 trat wieder
eine kleine Erhöhung der Preise ein. Ein genaueres Bild der
Preisbewegung ergibt die nachstehende Tabelle:
Arbeit smarkt.
Kiedit-
verhältnisse-
Yierter Bericht.
Konjunktur,
Preise.
Tab. 1 18. Preise der Rohmaterialien im Aufzugsbau (in Mark für 100 kg
Es kostete
im Jahre
1909
1910
1911
1912
bis
1. Juni
ab
1. Juni
:
ab
l.Aug
L913
ab
1. Okt.
ab
I6.0kt.
abl.Xov.
bis zum
31. Dez.
Flußeisen . .
Schweißeisen .
Feinbleche . .
Grobbleche . .
Maschinenguß,
durchschnittl.
14.—
16.-
16.50
15.-
22.50
14.50
16.50
17.—
15.50
23.-
•15.—
17.-
18.-
16.50
23.-
15.50
17.50
18.50
17.-
24.50
17.50
19.50
20.-
18.50
24.50
16.50
18.50
19.-
17.50
24.50
15.50
17.50
18.-
16.50
24.50
14.—
16.—
16.50
15.—
24.50
12.-
16.—
15.-
14.—
24.50
13.50
16.—
16.50
15.50
24.50
Der plötzliche schnelle Niedergang findet zu einem großen
Teil seine Erklärung in den Balkanwirren, die infolge des gegen-
254
V. Metallverarbeitung.
Export.
Arbeiter-
verhältnisse.
seitig^n Mißtrauens der Gfroßmächte auf das allgemeine Wirtr
schaftsieben erheblich einwirkten und sowohl die Produzenten
wie die Konsumenten zu großer Vorsicht aufforderten. Dazu
kam das Vorhandensein erheblidher Bestände, die zunächst unter-
zubringen waren. Aufträge von Eegierungs- und Staatsbehörden
gingen etwas lebhafter als im Vorjahr ein; da sie aber meist
im Submissionswege vergeben wurden, mußten sie zu sehr ge-
drückten Preisen angenommen werden.
Der Export im Jahre 1913 dürfte sich etwa auf der Höhe
desjenigen vom Jahre 1912 bewegen. Das Geschäft mit Mexiko^
das nicht unerheblich war, hat infolge des Bürgerkrieges völlig
ausgesetzt. Die Hoffnungen, die auf den Friedensschluß auf dem
Balkan gesetzt wurden, teilt die Berichterstatterin nicht, da sich
die Länder von den ihnen auferlegten Opfern nur langsam er-
holen können.
Die neue Krankenkassengesetzgebung hat der Industrie neue
Lasten gebracht, die in Verbindung mit denen der Angestellten-
versicherung sehr beträchtlich ins Gewicht fallen. Die Arbeits-
löhne bewegten sich auch im Berichtsjahre in aufsteigender Linie;
ebenso erhielt sich die Arbeiterzahl auf gleicher Höhe. Die Auf-
tragsbestände sind aber wesentlich zurückgegangen, und eine Be-
lebung des Geschäftes ist sehr zu wünschen, um Arbeiter ent-
lassungen aus dem Wege zu gehen.
Allgemeiner
Maschinenbau.
Gesanit-
tendenz.
Preise
Land-
wirtschaftliche
Maschinen. •
Erster Bericht.
Umsatz
und Preise.
5. Allgemeiner Maschinenbau.
Während das Vorjahr für den allgemeinen Maschinenbau
ganz im Zeichen der Hochkonjunktur stand, ließ im Frühjahr
1913 der Geschäftsgang nach. Gegen das Ende des Jahres flaute
das Geschäft vollkommen ab. Die Aussichten für die nächste
Zukunft sind sehr schwer zu beurteilen, da sie von unvorher-
zusehenden Umständen abhängen. Die Aufträge für den Schleusen-
bau dürften nachlassen, da die Kanalvorlagen zum größeren Teil
erledigt sind und die neuen beabsichtigten Vorlagen noch nicht
dem Landtag vorgelegt wurden.
(Die Preise sind für Itohstoffe im Anfang des Jahres ein
wenig gestiegen, während sie in der zweiten Hälfte des Jahres
nachließen; die Preise der Fertigwaren gaben von Mitte 1913
ab nach.
6. Landwirtschaftliche Maschinen.
Erster Bericht.
J>as Geschäft in landwirtschaftlichen Maschinen hat im Be-
richtsjahre dem Umsatz nach einen weiteren Aufschwung er-
lebt; dies gilt für das Inland wie für den Export, der aller-
dings stellenweise unter den politischen Beunruhigungen etwas
gelitten hat, besonders was den Export nach dem Balkan, dem
Orient, Rußland und Frankreich anlangt. Ob der erzielte Nutzen
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
255
Steigerung der
Selbstkosten.
ebenso gestiegen ist wie der Umsatz, ist zum mindesten frag-
lich. Zwar wurde im September des Vorjahres von 33 deutschen,
7 Österreich-ungarischen und 5 englischen Fabriken für Dampf-
und Motordreschmaschinen nebst Zubehör, Strohpressen und den
dazugehörigen Lokomobilen und fahrbaren Motoren eine Öproz.
Preiserhöhung beschlossen. Im November des Vorjahres wurde
ferner eine gleiche Erhöhung der Preise für andere Maschinen
und Geräte verabredet. Doch sind diese Preiserhöhungen nicht
A'on allen Beteiligten durchgeführt worden. Im Oktober des Be-
richtsjahres wurden die Preisvereinbarungen auf ein weiteres
Jahr verlängert. Zu Preisrednktionen, sei es in Form von Er-
mäßigungen der Bruttopreise, sei es von Erhöhung von Rabatt-
sätzen wurden Fabrikanten und Händler landwirtschaftlicher Ma-
schinen vielfach durch die Konkurrenz des Auslandes gezwungen,
die nicht nur im Export, sondern im eigenen Lande selbst fühlbar
wurde. Die außerordentliche Vermehrung der Einfuhr von Pflügen
für Kraftbetrieb, von Mähmaschinen aus Kanada und den Ver-
einigter. Staaten sowie Dreschmaschinen aus Großbritannien, von
verschiedenen Maschinen aus Oesterreich-Ungarn und von Milch-
separatoren aus Schweden und Belgien bestätigt von neuem die
Notwendigkeit eines ausreichenden Zollschiitzes.
Ferner wurde der erzielte Nutzen durch eine weitere Steige-
rung der Selbstkosten wesentlich geschmälert. Diese ist durch
die steigenden Holzpreise, durch den Wehrbeitrag und die An-
gestelltenversicherung verursacht, für welche die Preisermäßigun-
gen für einzelne Rohmaterialien, die in der zweiten Hälfte des
Jahres einsetzten, keineswegs einen Ausgleich gewährten, zumal
da die Preise für Kohle und Roheisen durch die Syndikate auf
einer künstlichen Höhe gehalten werden konnten. Die Fabrikation,
besonders aber der Handel in Maschinen werden ferner durch
die Gepflogenheit der Gewährung der höchsten Rabattsätze an
die Konsumenten durch die landwirtschaftlichen Genossenschaften
nach wie vor schwer geschädigt.
Zweiter Bericht.
Im Jahre 1913 ist das Geschäft in landwirtschaftlichen Ma- Geschäftsgang,
schinen und Geräten in eine neue schwere Krisis geraten, deren
Ende noch nicht abzusehen ist. Zwar waren die Ernten in den
hauptsächlichsten Absatzländern im ganzen noch mittelgut; die
durch die Preissteigerung der Fabrikations- und Betriebs-
materialien bewirkten Preiserhöhungen auf die Fertigfabrikate
schränkten aber die Kauflust erheblich ein. Femer beeinträch-
tigten der Balkankrieg, die europäische Kriegsgefahr und (die
Geldknappheit das Geschäft, so daß im Juli mit Arbeitsiein-
schränkungen begonnen werden mußte. Die Stockungen im Ab-
satz hatten vielfach ein Ueberangebot an Fabrikaten zu Schleuder-
preisen zur Folge.
ZweiterBericht.
256
V. Metallverarbeitung.
Preise. Obwohl die Preise für Stabeisen, Schrauben usw. wieder ge-
fallen sind, können doch die Fabrikanten im allgemeinen vor-
läufig nicht von ihren Teuerungszuschlägen abgehen, da viel-
fach noch Abschlüsse zu hohen Preisen laufen und viele
Materialien wie Kohle, Koks, Holz usw. eher noch teurer ge-
worden sind. Dazu sind durch die Angestelltenversicherung usw.
neue soziale Lasten getreten. Diese Belastungen, untergraben
immer mehr die durch billige Preise erworbene Stellung der In-
dustrie auf dem Weltmarkt.
Export. Da die Polgen des Balkankrieges noch schwer auf den be-
troffenen Ländern, Kumänien, Türkei, Bulgarien, Serbien,
Griechenland lasten, ist auf eine Wiederbelebung des Exportes
in kürzerer Zeit nicht zu rechnen. Uebrigens besagen die Export-
ziffem allein wenig, wenn, nicht festgestellt ist, unter welchen
Umständen und mit welchem Gewinn dieser Export erfolgt. Der
Export nach Frankreich ist im Berichtsjahre durch den Boykott
deutscher Waren stark behindert gewesen, erschien aber am Jahres-
schluß für die Zukunft wieder möglich. Die hohen SchutzzlÖlle
in Kußland haben die Stellung der deutschen Industrie gegen-
über der schon sehr erstarkten russischen Industrie weiter ge-
schwächt.
Werkzeug-
maschinen und
Werkzeuge.
Erster Bericht.
ZweiterBericht.
7. Werkzeugmaschinen- und Werkzeugfabrikation.
Erster Bericht.
Im ersten Drittel des Jahres war die Nachfrage nach Werk-
zeugmaschinen außerordentlich stark, in den letzten zwei Dritteln
des Jahres hat sie dagegen langsam nachgelassen, und insbesondere
im Dezember ist sie beträchtlich zurückgegangen. Immerhin war
die Beschäftigung während des ganzen Jahres sehr gut, da der
aus dem Vorjahre und aus dem ersten Drittel des Jahres vor-
liegende Auftragsbestand zunächst erledigt werden mußte. Nen-
nenswerte Vorräte an Werkzeugmaschinen waren zu Ende des
Jahres nicht vorhanden. Bemerkenswert ist, daß ein Bückgang
des Bedarfs ausschließlich im Inlande zu verzeichnen war; 'das
Ausland hat unverändert Aufträge geschickt. Die Preise für
Stahl haben sich nicht erhöht, während für Eisenguß in der
ersten Hälfte des Jahres höhere Preise angelegt werden mußten.
Nennenswerte Aussperrungen oder Streiks sind während des ganzen
Jahres nicht zu verzeichnen gewesen; die Löhne sind unverändert
geblieben, auch nachdem die Aufträge zurückgegangen waren.
Zweiter Bericht.
Die starke Beschäftigung des Jahres 1912 hielt im Werk-
zeugmaschinenbau auch im Jahre 1913 an, verstärkte sich sogar
zum Teil noch. Es mußte vielfach mit Ueberstunden, teilweise
sogar mit doppelter Schicht gearbeitet werden. In den letzten
Monaten des Jahres machte sich ein starkes Nachlassen der An-
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
257
fragen und Aufträge der kleinen Privatkundschaft bemerkbar,
was jedoch durch anderweitige größere Aufträge ausgeglichen
wurde.
Das Verhältnis mit den Arbeitern war gut; die Löhne sind
ständig gestiegen. Streiks haben nicht stattgefimden. Das Ver-
hältnis der Preise von Ex)hstoffen und fertigen Fabrikaten blieb
das gleiche wie in den Vorjahren. Ein Export nach den Vereinigten
Staaten ist der hohen Zölle wegen für Werkzeugmaschinen auch
nach dem Erlaß eines neuen Zolltarifs noch nicht möglich.
8. Lokomotiv- und Bahnbau.
Einem Berichte der Firma A. Borsig, Tegel bei Berlin, ent-
nehmen wir folgendes:
Die Geschäftslage war im Berichtsjahr für den Lokomotiven-
bau im allgemeinen günstig. Sie hat jedoch gegen Ende des 'Jahres
eine Abschwächung gezeigt, die einmal auf die Folgen des er-
neuten Ausbruchs der Balkanwirren zurückzuführen ist, der eine
allgemeine Unsicherheit zur Folge hatte, und femer auf den die
Kauflust einschränkenden hohen Greldstand. Sodann ist durch
eine Steigerung der Produktion der Wettbewerb außerordentlich
vergrößert worden, wodurch diej Preise sehr gedrückt sind. Außer-
dem wird durch die mit dem Export verbundene lange Kredit-
gewährung dem Inland viel Geld entzogen. Infolge der im
Laufe des Jahres eingetretenen Abschwächung der Kon-,
junktur wird voraussichtlich der Geldstand günstiger werden.
Ferner ist, wenn es den geldbedürftigen Staaten, vor allen
den Balkanstaaten, gelingt, neue Mittel aufzubringen, der
Eingang erheblicher Aufträge und somit eine Besserung der
Konjunktur zu erwarten. Im Inlandsmarkt ist als Folge
der in der Hauptsache guten Getreide- und Kartoffelernte,
die neue Geldmittel bringt und die Kauflust anregen wird, eine
Belebung des Geschäfts zu erwarten. Bei einer Besserung der
Lage des Geldmarktes wird auch mit einer Belebung des Baur
marktes zu rechnen sein.
Die Preise der Bohstoffe sind im allgemeinen zurückgegangen.
Es deuteten jedoch schon am Jahresschlüsse verschiedene Anzeichen
darauf hin, daß der Tiefstand erreicht sei und mit einer Preis-
besserung gerechnet werden müsse. Insbesondere sind die Preise
für Eisen und Kupfer hei*unter gegangen, indessen weisen sie
trotzdem eine feste Tendenz auf, die u. a. zum Teil in der
Preispolitik der Syndikate begründet liegt, welche auch in Zeiten
niedergehender Konjunktur eine Beständigkeit der Preise an-
streben. Die Preise für Fabrikate sind infolge der erhöhten Pro-
duktion vieler "Werke, die einen gesteigerten Wettbewerb zur
Folge hatte, gesunken. Da der Auftragsbestand allmählich auf-
gearbeitet wurde, lag ein erhöhtes Bestreben vor, sich möglichst
Berl. Jahrb. f. Handel u Ind. 1913 II. 17
Lokomotivbau
Geschäftslage.
Preise.
258
V. Metallverarbeitung.
Produktions-
ver-
besserungen.
Export.
Feld-,
Industrie-
und Klein-
bahnen.
Inland.
Export.
viel Arbeit zu sichern, worauf es zurückzuführen ist, daß teil-
weise die Preise unter die Selbstkosten sanken.
Um einigermaßen einen Ausgleich für den Niedergang "der
Verkaufspreise zu schaffen, sind seitens der Fabrikanten erheb-
liche Neubauten und Neuerungen ausgeführt woirden, einerseits um
Fabrikationsvorteile und eine Ermäßigung der Selbstkosten durch
Normalisierung der Fabrikate und Einführung einer Massen-
fabrikation zu erreichen und andrerseits um dadurch überhaupt
eine allgemein gesteigerte Konkurrenzfähigkeit zu erzielen.
Im Exportgeschäft ist im Verkehr mit Frankreich insofern
eine Erschwerung eingetreten, als jetzt die innere Verpackung
mitgewogen und mitverzollt wird; ferner besteht die Vorschrift,
daß die Ware den Vermerk: „Importe d'Allemagne" tragen muß.
Ueber Feld-, Industrie- und Kleinbahnen wird uns berichtet:
Las Jahr 1913 ist wie das Vorjahr für den Feld-, Industrie-
und Kleinbahtibau recht günstig verlaufen. Eine rege Bautätig-
keit, speziell für Eisenbahnbau- und Kanal-Arbeiten, brachte
einen ziemlich großen Bedarf mit sich; ferner verlief auch das
Geschäft in landwirtschaftlichen Bahnen günstig. Der Bedarf der
Industrie war rege, ließ jedoch gegen Ende des Jahres nacli. Die
Preise waren im allgemeinen gedrückt.
Das Exportgeschiäft hat sich im allgemeinen in normalen
Bahnen bewegt. Das europäische Auslandsgeschäft war teilweise
recht lebhaft, z. B. das mit Bußland, wo eine rege öffentliche
Bautätigkeit eingesetzt hat. Dagegen hat das Balkan-Geschäft,
das während des Krieges vollständig brach gelegen hatte, nach
dessen Beendigung nur an ganz vereinzelten Stellen neue Be-
lebung gezeigt. Infolge der Schwierigkeiten bei der xlnleihe-
besehaffung und beim Export der Landeserzeugnisse ist das
Agio in einzelnen dieser Länder dermaßen gestiegen, daß die
Kauflust der Industrie völlig erlahmt ist. In Aegypten haben sich
die Hoffnungen auf eine normale Entwicklung des Geschäftes
nicht erfüllt. Die Baumwollernte hat den Erwartungen nicht
entsp röche Q. Das von der Regie rung eingeführte, an sich zweifel-
los sehr gute 5-Feddan-Gesetz hat zunächst die " Kauffähigkeit
der kleinen Grundbesitzer unterbunden, da es ihnen die Erlangung
von Krediten unmöglich macht. Das Geschäft mit Südafrika
■war mäßig. In China hemmte die politische Lage jede Ent-
wicklung des Geschäftes, während in Japan der Absatz anfäng-
lich gunstig, in der zweiten Jahreshälfte infolge der Geldknapp-
heit jedoch unbefriedigend war. Das indische Geschäft hat sich
in ruhigen Grenzen gehalten und unter der Finanzkrisis in Bom-
bay wenig gelitten. Die als Kundschaft besonders in Betracht
kommende Kohlenindustrie hat vorteilhaft gearbeitet, da große
Verträge zu günstigen Preisen vorgetätigt waren, doch machen
sich jetzt auch schon Anzeichen eines Rückganges auf dem Kohlen-
markt bemerkbar. Das südamerikanische Geschäft war ziemlich
57. Eisengießer«!, Baukonstruktionen usw.
259
sdhwach; es machte sich im allgemeinen ein Geldmangel s-ehr
bemerkbar. In Mexiko war infolge der politischen Lage jede
Verkaiifsmöglichkeit unterbunden.
9. Fabrikation von Spezialmaschinen.
Der Gesamtumsatz in Textilveredlungsmasöhinen für Baum-
wolle und Leinen ist im Geschäftsjahr 1912/13 etwas zurück-
gegangen. Die Erklärung hierfür liegt in dem allgemeinen Da-
niederliegen des Geschäfts, sipeziell in der Textilbranche, wo-
durch sich auch der Bedarf an Maschinen verringerte.
Die meisten Kohstoffe haben keine wesentlichen Preisände-
rungen gegen das Vorjahr erfahren. Doch sind sie im allge-
meinen etwas zurückgegangen: Gießerei-Bx)heisen je nach Quali-
tät um 1 bis 2 o/o, Messingguß um 5 o/o, E/otguß' um 8 o/o, Schmiede-
eisen UQd schmiedeeiserne Bleche um 3 bis 5 o/o, Messingbleche
um 5 f'/o, Kupferbleche um 4 o/o, während Zinn um ca. 2°/o ge-
stiegen ist; technische Gummiwaren und Walzenbezüge sowie
Blei haben keine Preisänderung erfahren. Die Preise der fer-
tigen Fabrikate sind im Berichtsjahre zurückgegangen, da die
Konkurrenz in der Branche sehr scharf ist.
Der Verkehr mit dem Auslande ist annähernd der gleiche
geblieben ; er beträgt ca. 70 o/o des gesamten Umsatzes. Durch
die hohen Zollsätze ist die Lieferung von Maschinen nach Frank-
reich wesentlich erschwert. Der Export von Textilmaschinen nach
Amerika und die Lieferung nach' Oesterreich haben sich eben-
falls durch die hohen Zollsätze bedeutend verringert. Der Um-
satz nach den Balkanländem, Serbien und Bulgarien lag infolge
des dort herrschenden Geldmangels vollständig danieder. Auch
der Absatz nach Mexiko hat durch die politische Lage sehr ge-
litten.
Das Angebot von Arbeitskräften war in ausreichendem Maße
vorhanden. Streiks und Aussperrungen sind nicht vorgekommen.
Die Löhne blieben im letzten Jahre fast auf gleicher Höhe.
In dea Zahlungsverhältnissen ist im letzten Geschäftsjahr
keine Besserung, eher eine Verschlechterung zu konstatieren; die
Kundschaft verlangt in vielen Fällen sehr lange, oft über mehrere
Jahre hinaus ausgedehnte Ziele.
Das Jahr 1913 gestaltete sich im Geschäft mit Veredel (ings-
maschinen für Wolle und Halbwolle ungünstiger als das Vor-
jahr und wies vor allem bedeutend geringere Umsätze auf. Der
Mangel an Nachfrage für textilindustrielle Erzeugnisse hat aach
die Nachfrage nach Textilmaschinen vermindert. Der ßalkankrieg
hat den Absatz nach den Balkanstaaten, der sich In den letzten
Jahren günstig entwickelte, vollständig stillgelegt, xluch das
Geschäft nach den an diesem Kriege in erster Linie interessierten
Ländern wie B;Ußland und Oesterrerdh hat erheblich nachgelassen.
Die Aussichten für das Jahr 1914 scheinen etwas günstiger zu
17*
Fabrikation
von Spezial-
maschinen.
Textil-
veredlungs-
maschinen für
Baumwolle
und Leinen.
Veredlungs-
maschinen für
Wolle
vmd Halbwolle
260
V. Metallverarbeitung.
Nähmaschinen
Stick-
maschinen.
Brauerei-
maschinen.
sein; docli haben sich die Lagerbes tände bei den meisten Unter-
neh.mungen derart gehäuft, daß am Jahresende ein normaler Be-
trieb nodh nicht möglich war.
In Nähmaschinen konnte der Umsatz des Vorjahres wiederum
erreicht werden, und zwar wiederum durch nachdrückliche Pflege
des Exports nach den außerdeutschen Ländern Europas und
nach Uebersee. Allerdings mußte hierbei auf die durch die
Balkap kriege geschaffene unsichere Lage sowie auch auf die
scho^ seit längerer Zeit ungünstigen Verhältnisse in einem
großen Teile Südamerikas Rücksicht genomtnen werden. Der
auf das Inland entfallende Teil des Absatzes erforderte die
seit Jahren notwendigen scharfen Abwehrmaßregeln gegen die
amerikanische Konkurrenz. Im Interesse dei- deutschen Industrie
wäre zu wünschen, daß der Standpunkt einzelner maßgebender
behördlicher Stellen, die das einheimische Fabrikat bevorzugen,
eine weitere Beachtung fände, zumal da die deutschen Maschinen
(den amerikanischen weder in der Güte, noch in der Preis-
würdigkeit nachstehen. Dies ist um so wünschenswerter, als
es, obwohl die Vereinigten Staaten von Amerika den Artikel
Nähmaschinen auf die Freiliste gesetzt haben, doch recht zweifel-
haft bleibt, ob die deutsche Nähmaschine in Nordamerika jemals
einen wesentlichen Absatz finden wird. Der fast die gesamten
deutschen Nähmaschinenfabriken umfassende Fachverein hat
auch im Jahre 1913 mehrfach Gelegenheit nehmen müssen, dafür
einzutreten, daß in - außerdeutschen Absatzgebieten eine Ver-
besserung der Zollverhältnisse vorgenommen oder wenigstens
beabsichtigte Verschlechterungen vermieden würden. — Die
Preise für Nähmaschinen sind im wesentlichen gegenüber dem
Vorjahre unverändert geblieben; es hat jedoch' besonderer An-
strengungen bedurft, um die im Jahre 1912 allgemein durch-
geführte kleine Preiserhöhung aufrecht zu erhalten. Anderer-
seits hat sich ein nennenswertes Nachlassen der Preise für
Rohstoffe nicht feststellen lassen.
Wie im Vorjahre so hatte auch im Berichtsjahre die Kurbel-
stickmaschinenbranche unter dem Einfluß der ungünstigen pDli-
tischen Verhältnisse, namentlich infolge des Balkankrieges, sehr
zu leiden. Der Umsatz blieb gegen 1912 noch um ein ßeträoht-
licihes zuiüök. Die Hauptabsatzgebiete der berichtenden Firma
waren Rußland, England und einige Staaten von Südamerika.
Infolge der politischen Wirren und des andauernd versteiften
Geldmarktes, sowie des durchweg verregneten Sommers ist der
Absatz in Brauereimaschinen und Geräten, sowie in Mälzerei-
und Kellereimasdhüien im Jahre 1913 wesentlich zurückgegangen.
Di-a Ausfuhrziffern in diesen Fabrikaten sind von 101 638 dz im
Jalire 1912 auf 85 515 dz gefallen. Die Etnfuhrziffem sind
ebenfalls und zwar von 1582 dz im Jahre 1912 auf 1006 zurück-
gegangen. Die Statistik führt aber außer Brauerei- and Mälze-
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
261
reimascliiiien in der gleiclien Rubrik auch noch. Brennerei- und
Masdliiinen der Zucker Industrie auf. Von der Einfuhr des Jahres
1912 (1582 dz) entfielen auf die Vereinigten Staaten von Amerika
allein 500 dz, weldhie größtenteils Maschinen für die Zucker-
industrie darstellen. In Wirklichkeit verringert sich also die
Einfiüir von Brauereimaschinen und -Geräten, sowie von Mälzerei-
und Kellereimaschinen von Jahr zu Jahr stärker, als dies der
unübersichtlichen Statistik wegen zahlenmäßig festzustellen ist.
Der Geschiäftsgang in Bierdruökapparaten und Armaturen
war im Berichtsjahre kein allgemein befriedigender. Die Ursache
hierfür ist in der ungünstigen Lage des Baumarktes sowie ia der
allgemein schlechten Konjunktur zu suchen. Eine andauerndem
Hausse auf dem Metallmarkte zwang zu Preiserhöhungen bzw.
zui' Erhebung von Teuerungsaufschlägen, die indessen doch nicht in
solcher Höhe vorgenommen werden konnten, daß die tatsächlichen
Mehraufwendungen für die Materialien gedeckt wurden, sodaß
von guten Preisen nicht wohl gesproöhen werden konnte. Das
Exportgeschäft ist nicht bedeutend, hat jedoch einen kleinen Auf-
schwung erfahren.
Die gegen Ende des Vorjahres eingetretenen politischen ün«
ruhen und die damit verbundene allgemeine Zurückhaltung und di^
Krisis auf dem Baumarkte wirkten auf die deutsche Geschäfts-
lage in Säge- und Plolzbearbeitungsmaschinen recht ungünstig.
Wenn auch die Nachfrage nicht sofort nachließ, waren doch Auf-
träge nur sehr schwierig hereinzuholen und die erzielten Preise
nicht günstig, Im Laufe des Berichtsjahres verschlechterten sich
die Preise noch' zusehends, da infolge der geringen Kauflust Läiger
von Maschinen entstanden, die zum Unterbieten der Preise
führten. Nach wie vor wurde über eine zu weitgehende Kredit-
gewährung geklagt. Die damit verbundenen Zins Verluste schmä^
lern einerseits den kaum nennenswerten Verdienst des Fabrikan-
ten, anderseits erfordert die Abwicklung dieser Ges'ehäfte auch
Zeit und Kosten. Die Bezugspreise der Rohmaterialien und Halb-
fabrikate paßten sich im Durchschnitt denen des letzten Jahres an.
Der Exporthandel blieb auf gleicher Höhe wie im letzten Jahre.
Der Absatz in Maschinen für die Zündholzfabrikation blieb
in Deutschland gering; die Ursache dafür ist darin zu suchen,
daß der Absatz in Zündhölzern auch im vergangenen Jahre in
Deutschland weiter zurückgegangen ist, und zwar deshalb, weil
die Zündholzersatzmittel von der Zündwarensteuer befreit sind,
während auf den Zündhölzern eine Steuer von beinahe 200 o/o vom
Wert ruht. Die hierdurch begünstigte Konkurrenz der Zünd-
holzersatzmittel hat bewirkt, daß das seit drei Jahren auf 45 o/o
der möglichen Produktion festgesetzte Zwangskontingent der
Zündholzfabriken wieder zu hoch ist und die Zündhol^;-
fabrikanten d€shalb beim Bundesrat um eine weitere Herabsetzung
des Kontingents auf 40 o/o vorstellig geworden sind. Natürlich ist
Bierdruck-
Apparate.
Säge- und Holz«
bearbeitungs-
maschinell.
Maschinen für
die Zündholz-
fabrikation.
262
V. Metallverarbeitung.
Maschinen für
die Holzstift-
abrikation.
Maschinen für
Furnier-
faljrikation.
Bäckerei-
maschinen
Brücken-
waagen.
unter diesea Umständen der Bedarf der deutsdien Zündholz-
industrie aa neuen Masoliinen sehr mäßig. Der Absatz im Aus-
land ist gleich geblieben, in Bußland hat er sich etwas gehoben,
so daß der Gesamtumsatz im Berichtsjahr ungefähr der gleiche
wie im Vorjahr gewesen ist. Die Preise vermochten sich immer
noch nicht za bessern, da bei den wenigen größeren Aufträgen,
die vergeben wurden, die Konkurrenz außerordentlicli stark war.
In Maschinen für die Holzstiftfabrikation ruhte das Ge-
schäft in Deutschland vollständig, da die immer mehr überhand-
nehmende Herstellung von Schuhwaren auf maschinellem W<ige>
die Handarbeit immer weiter verdrängt. In Rußland war im
Berichtsjahre einige Nachfrage nach diesen Maschinen, so daß
sidi auch hierin ein normales Geschäft entwickelt bat.
In Maschinen zur Furnierfabrikation, im besonderen in Ein-
richtungen für Sperrholzplatten, ist die Nachfrage Rußlands recht
erheblich; auch die Aussichten für das nächste Geschäftsjahr
sind für diese Maschinen nicht ungünstig.
In der Industrie der Bäckereimaschinen ist das Berichts-,
jähr, wie nicht anders zu erwarten war, noch hinter dem Jahri
1912 zurückgeblieben. Das Vorjahr hatte durch den beginnen-
den Konjunkturrückgang den Interessenten die Lust zu Neu-
etablierungen vollkommen genommen, und die alte Stammkunde
Schaft war sehr zurückhaltend. Größere Firmen außerhalb
Berlins verkauften noch dazu ihre Erzeugnisse zu jedem nur
denkbaren Preis, nur um den alten Stamm Arbeiter zu erhalten.
Hierdurch sanken natürlich die Preise. Dabei mußten einige
große Firmen ihren Betrieb einstellen. Neukonstruktionen
wurden nicht herausgebracht, da die Konjunktur hierzu zu
schiecht war. Das Ausland blieb dagegen, ebenso wie 1912,
reger Abnehmer. Die Rohmaterialienpreise stiegen zu Anfang
des Jahres, sind aber im letzten Halbjahr noch stärker gefallen.
Die Arbeitslöhne sind dieselben geblieben; Uneinigkeiten mit
den Arbeitern sind nicht vorgekommen.
Da^ Jahr 1913 ließ sich für die Berliner Wagenindustrie
recht gut an. Besonders günstig war der Absatz in Fuhrwerks-
Wagen, und zwar sowohl für die Industrie als für die Land-
wirtschaft, Die Preise für Waggonwagen waren gedrückt,,
Während für alle übrigen Fabrikate, so besonders für hölzerne
Dezimalwagen, durchweg normale Preise erzielt werden konnten.
Diese günstige Lage hielt bis Mitte Juli an. Von da ab wurde
|die Nachfrage nach Wagen aller Art geringer. Einige Fabriken
fwurden gezwungen, die Arbeitszeit zeitweilig zu verringern.
Da die Lage auf dem Baumarkte sehr schlecht ist und auch'
für das nächste Jahr eine Besserung der Verhältnisse am
Baumarkte kaum zu erwarten ist, so ist mit einem besseren
Absatz in Fuhrwerks- und sonstigen schweren Bodenwagen für
Industriegebäude usw. für das Jahr 1914 kaum zu rechnen.
57. Eisengießerei, Baukonstruktionen usw.
263
Das Geschäft in Typensetzmaschinen wurde von der Kon-i
junktur nicht beeinflußt; es war während des ganzen Jahresi
gleichmäßig gut. Die Setzmaschine gehört heute derart zum'
normalen Inventar der Druckereien, daß ein gleichmäßiger Ab-,
satz garantiert zu sein scheint. Insbesondere war auch der
Export während des ganzen Jahres befriedigend.
Der Gesamtumsatz für das Jahr 1913 hat den des Jahres
1912 ü(berschritten. Ein höherer monatlicher Umsatz wurde
namentlich in den Monaten Januar sowie Juni bis Ende Sep-i
t^mber erzielt. Im letzten Monat flaute der Bedarf ab,
doch sind noch reichliche Bestellungen aus dem Jahr 1913
ins neue Geschäftsjahr übernommen worden. Die Rohstoffpreise
hielten sich durchweg auf der Höhe des vorigen Jahres. Die
Preise der Fertigware waren sehr gedrückt. Der Umsatz mit
dem Auslande ist gestiegen. Infolge der hohen Zölle ist das
Geschäft mit Frankreich weiter zurückgegangen; auch mit
,0 esterreich -Ungarn ist der Verkehr infolge der hohen Zoll-
sätze sehr gering. In den Ueberseeländern nimmt dagegen der
Absatz stetig zu. Der Absatz nach dem Balkan ruhte infolge
des Krieges im letzten Jahr vollständig, während in den Vor-
jahren ein befriedigender Absatz, namentlich nach Rumänien,,
möglich war. Im europäischen Ausland ist mit der Konkurrenz!
Amerikas nicht zu rechnen. Dagegen ist im überseeischen Aus^
land der Einfluß Amerikas bisweilen stark fühlbar, namentn
lieh in Südamerika. Die Zahlungsbedingungen sind ungünstiger
geworden, indem längere Zahlungstermine angenommen werden
mußten. Namentlich in der Kaliindustrie sind nur Aufträge
zu erlangen, wenn außergewöhnlich lange Zahlungsfristen be-
willigt werden. Die Aussichten für die Zukunft lassen sich'
nidht klar übersehen, jedoch ist mit einer Verminderung des'
Geschäftes zu rechnen. Da jedoch noch große unerledigte Auf-
träge aus dem Jahre 1913 vorhanden sind, so ist eine gute^
Beschäftigung für die ersten Monate des kommenden Jahresi
gesichert.
Dem Geschäftsbericht der Berliner Maschinenbau - A.-G.
vorm. L. Schwartzkopff entnehmen wir folgendes:
Der Gesamtwert der Ende Oktober 1913 vorliegenden Auf-
träge beläuft sich einschließlich der aus dem Vorjahre über-
nommenen, unerledigt gebliebenen Bestellungen und einschließe
lieh des aus einer bereits stattgehabten Ausschreibung der
Preußischen Staatsbahn-Verwaltung demnächst zu erwartenden
Auftrages auf rund 31 Mill. Mk. gegen rund 26 Mill. Mk. im Vor-
jahre. Ueber die Aussichten für das laufende Gesichäftsjahr glauben
wir, uns wie folgt äußern zu können : Unsere Lokomotiv-»,
b aun Abteilung ist erfreulicherweise besser als im Vorjahre
beschäftigt, da die Preußische Staatsbahn-Verwaltung den üm^
fang ihrer Bestellungen erhöht hat. Das Auslandsgeschäft hat
Typen-
Setzmaschinen.
Pumpen
undBergwerkB-
maschinen.
Verschiedenes.
264
V. Metallverarbeitung.
leider noch, keine Besserung erfahren; die Beendigung des jBalkan-
krieges läßt indessen einen Umschwung erhoffen. Für unsere
Kriegsmaterial- Abteilung haben wir infolge reichliclier
Aufträge seitens der Deutschen Reichs-Marine sowie des Aus-
landes volle Beschäftigung über das laufende Geschäftsjahr
hinaus. Dias Geschäft in Setzmaschinen, F lausche n-
maschinen und Druckluftgrubenbahnen geht unver-
ändert gut, desgleidhen im allgemeinen Maschinenbau. Die
Ablieferungen in den ersten vier Monaten des laufendea
Geschäftsjahres, Juli bis Oktober 1913, haben diejenigen der
gleichen Zeit des Vorjahres nicht unwesentlich überschritten.
58. E 1 e k t r i z i t ä t s i n d u s t r i e.
Erster Bericht.
Allgemeines.
Finanzielles.
Erster Bericht.
Dem Bericht der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft für
das Geschäftsjahr vom 1. Juli 1912 bis 30. Juni 1913 entnehtnen
wir folgende Ausführungen:
In der dreißigjährigen Geschichte der AEG hat das Be-
richtsjahr die besten bisher erreichten Resultate, insbesondere
auch an Umsätzen und Aufträgen, erbracht und bewiesen, 'daß
unsere Industrie den anhaltenden politischen Beunruhigungen
des letzten Jahres ausreichenden AYiderstand leisten konnte.
Eine mäßige Verlangsamung des Tempos würde die Erträg-
nisse unserer Arbeit vermutlich nicht gefährden, wohl aber
die Ueberspannung der Produktion mildern und zugleich um-
fassendere Verbesserungen der Fabrikationsmethoden erleichtern.
iBisher aber ist eine Abnahme des Beschäftigungsgrades bei uns
kaum wahrzunehmen, weil die fortschreitende Elektrifizierung
lin Europa, besonders im Russischen Reich, sowie außerhalb
Europas große Umsätze bringt. In Deutschland hat die Strom-
versorgung weiter Landesgebiete einen neuen Anstoß erfahren
durch die wachsende Erkenntnis, daß die Krafterzeugung an
den Fundorten kalorischer und hydraulischer Energie zentrali-
siert werden muß. Große Einheiten, bei denen Maschinen-
leistungen von mehr als 20 000 KW nicht mehr zu den Selten-
heiten gehören, und Leitungsnetze bis zu 100 000 Volt führen
zu einer steigenden Verbilligung der Betriebskraft.
Die wachsenden Aufgaben forderten eine Verbreiterung
unserer finanziellen Grundlage. Laut Beschluß der General-
versammlung vom 3. Dez. 1912 wurde das Grundkapital um
25 Mill. Mk. unter Zuführung von 27 304 483,15 Mk. an den
tordentliohen Reservefonds erhöht. Im April 1913 sind 30 Mill.
Mark Teilschuldverschreibungen begeben worden. Die Kapitals-
erhöhung ermöglicht uns auch die Beteiligung an der
Finanzierung der Schnellbahn Gesundbrunnen — Neukölln, für
Idie ein Kapital von rund 90 Mill. Mk., teils in Aktien, teils
58. Elektrizitätsindustrie.
265
in Sdiuldverschreibungen — letztere untrer Garantie der Stadt
Berlin — in Aussieht genommen ist. Unser derzeitiges Bank-
guthaben beträgt rund 77 Mill. Mk.
Vorbildlich für sehr große und moderne Stromerzeugungs-
anlagen soll das Werk werden, das wir im Braunkohlenrevier
Bitterfeld auszuführen beabsichtigen. Gemeinsam mit befreun-
ideten Instituten haben wir uns mächtige Kohlenlager gesichert,
um für den Umkreis von Groß-Berlin außerordentlich billige
'Energie bereitstellen zu können. Ob und in welcher Form die
Versorgung des Weichbildes von Berlin hierbei in Betracht
kommt, wird von dem Ergebnis der zwischen der Stadtverwal-
tung und den Berliner Elektricitäts-Werken sohwebenden Ver-
handlungen abhängen.
Die Ablieferung in den Fabriken für Großmaschinen, Hoch-
spannungsapparate, elektrische Lokomotiven und Kleinmotoren
ist gestiegen. Es wurden abgeliefert:
Elektrizitäts-
iverk Bitterfeld.
Maschinen-
fabrik.
Maschinen und Transformatoren
mit einer Leistunsr in KW . .
191011 1911112 1912/13
92186 118 205 122 452
1 756 001 1 861 344 1 973 987
Als Spezialmaschinen sind u. a. neu aufgenommen worden
Jlochfrequenzmaschinen für sehr hohe Periodenzahl und
Leistungen, ferner Unterseebootmotoren mit günstiger Eaum^
und Gewichtsausnutzung.
Die befriedigende Beschäftigung der Turbinenfabrik ist aus
folgender Zusammenstellung ersichtlich :
Turbinen-
fabrik.
Leistung in KW
1910/11
294 017
1911/12
489 942
1912J13
559 908
Von größten Einheiten wurden geliefert ein Turbodynamo
von 20 000 KVA, drei Turbodynamos von 15 500 KVA und
vier Turbodynamos von 11 500 KVA. Das Geschäft in Kom-i
pressoren und Gebläsen, Kesselspeisepumpen und Luftpumpen
für Sohiffszwecke hat sich zufriedenstellend weiter entwickelt.
Unsere Lizenznehmer in Deutschland, Rußland und Oesterreich-i
Ungarn sind stark beschäftigt und haben insgesamt über 100
ßchiffe mit mehr als 2 Mill. Pferdestärken teils geliefert, teils
in Auftrag.
Die Bogenlampenfabrikation hat durch die Verbesserung
der sehr ökonomischen Metalldrahtlampe Einbuße erlitten,
wählend die von Zählern und elektrischen Uhren, namentlich^
von Arbeiterkontrolluhren, gute Fortschritte machte. Allgemeine
tiVnerkennung hat das in Gußeisen gekapselte Installations'n
material für schwere Betriebe gefunden. Kleinste Motoren haben
sich in steigendem Maße neue Anwendungsgebiete erobert.
Apparate -
fabrik.
266
V. Metallverarbeitung.
Fabriken
Hennigsdorf.
Fabriken
Frankfurt a. M.
Kabelwerk
Oberspree.
GlOhlampen-
fabrik.
Dis Porzellanfabrik war namentlich für Hochspannungs-
zwecke beschäftigt und erforderte Vergrößerungen. Auch die
iHeizapparatefabrik mußte erheblich erweitert werden. Die
AEG -Doppeldecker sind von der Heeresverwaltung als feld-
dienstfähig anerkannt und probeweise in mehreren Exemplaren
bestellt worden. Auf dem Flugplatz in Nieder-Neuendorf werden
Offiziere als Militärflieger ausgebildet.
Im April dieses Jahres wurde etwa die Hälfte des bisher von
uns benutzten Fabrikareals in Frankfurt a. M. verkauft. In
der Stellwerkabteilung wurden elektrische Signalapparate mit
gutem Erfolge entwickelt, und es stehen Bestellungen dafür in
Aussicht, da die gebräuchlichen mechanischen Stellwerke bei der
Vergrößerung der Eisenbahnfahrgeschwindigkeit kaum noch aus-
reichen. In erfreulichem Fortschritt ist auch die Scheinwerfer-
abteilung, hauptsächlich für den Bedarf von Armee und Marine.
Im Kabelwerk waren sämtliche Betriebe ausreichend be-
schäftigt» In der Bleikabelfabrik herrscht fortgesetzt steigende
Nachfrage nach Kabeln für hohe Spannung. Die Vervollkommnung
der Fabrikationsmethoden gestattet es, Spannungen über 50 000
Volt zu bewältigen. Der fortschreitende Ersatz oberirdischer Tele-
phonleitungen durch Kabel veranlaßte uns, mit anderen Firmen
die Rechte auf Fabrikation eines Relais zu erwerben, das für
die Ausdehnung der Telephonie auf große Entfernungen von Be-
deutung zu werden verspricht. Der Preisstand der isolierten
Drähte und Isolierrohre hat sich gebessert, während auf den
Messingmarkt ein schärferer Wettbewerb drückte. Die Vergröße-
rungen unseres Messingpreßwerkes kamen in diesem Jahre voll
zur Geltung, und die Umsätze in den Spezialfabrikaten des Werkes
stiegen wesentlicli. Der Kupferbedarf erreichte mit 33 SOO t seine
höchste Ziffer. Die Hartgummifabrik erhielt auch aus der
chemischen Industrie umfangreiche Aufträge.
Der Glülilampenfabrik gelang ein Fortschritt von epoche-
machender Bedeutung und Tragweite: die Herstellung hoch-
kerziger Lampen mit einer Oekonomie von nur 1/2 Watt bei einer
Nutzbrenndauer von 800' Stunden. Vorläufig werden Lampen mit
Lichtstärken von 600 bis 3000 Kerzen hergestellt. Der Absatz
von Normallampen stieg um 50o/o. Eine erhebliche Ermäßigung
der Herstellungskosten ist nicht allein diesem Umstand, sondern
auch der Einführung arbeitsparender Maschinen zu danken. Mit
dem Anwachsen der Nachfrage nach Metalldrahtlampen ging
der Absatz von Kohlefadenlampen zurück; diese Lichtquelle wird,
nachdem sie bei einer allmählichen Verringerung des ursprüng-
lichen Stromverbrauches von 8 Watt auf 3 Watt pro Kerze
ihren höchsten Nutzeffekt erreicht hatte, bald der Vergangenheit
angehören. Der Beschluß zur Auflösung der seit zehn Jahren
gut funktionierenden Verkaufsstelle Vereinigter Glühlampen-
fabriken war die Folge dieser Entwicklung. Den Anregungen
58. Elektrizitätsindustrie.
267
zur Bildung einer Kionvention für Metalldrahtlampen näherzu-
treten, mußten wir uns versagen. Abgesehen davon, daß; die Zoll-
verhältnisse gegenüber der Einfuhr vom Ausland und der Stand
der Patentfrage einen Zusammenschluß nicht ratsam erscheinen
lassen, würde er ohne Zweifel die noch keineswegs! abgeschlossene
technische Ausgestaltung der Lampen hemmen.
Mit Eücksicht auf den steigenden Geschäftsumfang wurde
die G. m. b. H. Neue Automobil-Gesellschaft in eine Aktien-
gesellschaft mit einem Kapital von 7 000 000 Mk. umgewandelt,
während der weitere Kapitalbedarf von rund 10 000 000 Mk. als
Darlehn gegen angemessene Verzinsung bei uns gedeckt wird,
bis wir den Zeitpunkt für eine weiter.e Finanztransaktion für
geeignet halten. Der Absatz erhöhte sich um ein Drittel und
gestattet bei vorsichtiger Bilanzierung die Verteilung einer Di-
vidende von 6 o/o. Unter den Fabrikaten begegnet besonders ein
neuer Typ von Omnibussen reger Nachfrage.
Die Elektrifizierung der Eisen- und Stahlwerke beschäftigte
unsere Fabriken ld reichem Maße. Der Kampf zwischen Groß-
gasmotor und Dampfturbine als Hauptkrafterzeuger zeitigt
Dynamomaschinen von stets wachsenden Leistungen. Generatoren
fvon 6000 Pferdestärken und darüber für Gasantrieb werden
laufend ausgeführt. Immerhin bleiben diese bisher erreichten
Größen hinter den Leistungen unserer Turbodynamos wesent-
lich zurück. Von uns erstellte Hüttenzentralen, die ausschließ-
lich Dampfturbinen für die Erzeugung der elektrischen Kraft
benutzen, zeichnen sich außer durch gute "Wärmeökonomie auch
durch Einfachheit, gesteigerte Betriebssicherheit und billige An-
schaffung aus. Für den Antrieb von Walzwerken jeder Art ist
der Elektromotor als praktisches Betriebsmittel allgemein an-
erkannt. "Wir fertigten bisher Walzantriebe mit einer Gesamt-'
leistung von 760 000 PS, darunter 23 für Revers ierstraßea. Im
Bergwesen fanden unsere Erzeugnisse gesteigerten Absatz durch
weitere Einstellung der rotierenden Kompressoren, die teils durch
Elektrizität, teils durch Dampfturbinen angetrieben werden. Cha-
rakteristisch für das Hebezeugmaschinengeschäft sind die stets
wachsenden Hubleistungen; Krane und Verladevorrichtungen mit
300-PS-Hubmotoren siad keine Seltenheit. Wir nähern uns hier
amerikanischen Verhältnissen, während hinsichtlich, selbsttätiger
Bewegungs- und Sicherheitsvorrichtungen der Vorsprung auf
unserer Seite ist. An 214 verschiedene Gaswerke lieferten wir
bisher Anlagen für Transport und Verarbeitung der Kohle mit
einer Gesamtmotorleistung von 35 000 PS.
Von den reichlich vorliegenden Aufträgen auf elektrische
Kraftstationen und Erweiterungen nennen wir die für Chemnitz
mit 12 500 KW, Charlottenburg 6000 KAV, Barcelona 12 000 KW,
BaJiu 15 000 KW, Straßburg 8000 KW, Amsterdam 8000 KW,
für din Kraftstationen der Bergwerksdirektion Saarbrücken
Neue
Automobil-
Gesellschaft
Licht- und
Kraftanlagen.
Elektrizitäts-
werke.
268
V. Metallverarbeitung.
Elektrische
Bahnen.
Statistisches.
10 000 KW und für die des Rheinischen Elektrizitätswerkes im
Braunkohlenrevier mit 16 000 KW, femer die elektrischen Ein-
richtungen des zweiten Ausbaues des Wasserkraftwerkes Laufen-
burg mit 12 000 KWi und die des Wasserkraftwerkes San Dal-
mazzo-Gaudarena mit 28 000 KAV. In den Kraftwerken der
Victoria Falls and Transvaal Power Co. kommen vier weitere
Turbodynamos mit 48 000 KW Gesamtleistung und drei weitere
Dampf-Turbokompressoren von je 7500 KW durch uns zur Auf-
stellung.
Das Geschäft im Bau von Straßenbahnen und Kleinbahnen
hat sich befriedigend entwickelt. Die Nachfrage nach Wagen-
ausrüstungen für Bahnen mit höherer Gleichstromspannung
nimmt zu. Von den vorliegenden Aufträgen sind besonders hervor-
zuheben: die Ueberlandbahnen Merseburg — Mücheln, Maastricht —
Vaals und Gotha — Friedrichsroda. Für die Schnellbahnen in
Hamburg und Buenos Aires sind uns auch in diesem Geschäftls-
jahr größere Aufträge zugefallen. Der Bau der Schnellbahn
Gesundbrunnen — Neukölln wird jetzt in Angriff genommen. Für
die Elektrifizierung der Stadtbahn und ihrer Zubringerlinien
wurden der Preußischen Eisenbahnverwaltung die Mittel vom
Landtag bewilligt; größere Aufträge können nicht sofort er-
wartet werden, da die Frage nach der Art der Stromversorgung
noch nicht völlig geklärt ist. Die Ausrüstung eines Probezuges
für die Stadtbahn ist in Arbeit. Die Ausdehnung) des elektrischen
Betriebes auf sämtliche Linien der London Brighton and South
Ooast Railway Co. brachte uns einen sehr bedeutenden Auftrag
auf Triebwagen-Ausrüstungen nach dem Einphasen-System. Eine
Anzahl Triebwagen sind uns auch für Lauban-Königszelt in
Auftrag gegeben. Femer haben wir 27 elektrische Lokomotiven
zu liefern. Unsere Straßenbahnbetriebe erbrachten steigende Er-
träge.
Die Gesamtleistung der abgelieferten Maschinen einschl.
Turbodynamos und Transformatoren belief sich auf 2 533 895 KW.
Die Zahl der Kontokorrent-Kunden wuchs auf 215 464.
ZweiterBericht.
AllgemeineB.
Zweiter Bericht.
Von den Firmen Siemens & Halske A.-G. und Siemens-
Schuckertwerke G.m.b.H. gehen uns folgende Mitteilungen zu:
Das Geschäftsjahr umfaßt die Periode vom 1. Aug. 1912
bis 31. Juli 1913. In diese Periode fiel der Ausbrudh der kriege-
rischen Verwicklungen auf dem Balkan. Wenn auch der Kriegs-
schauplatz auf Gebiete beschränkt blieb, die für die Entfaltung
unserer Tätigkeit nicht von größerer Bedeutung sind, so ver-
minderte sich doch unter den Beunruhigungen, die der Verlauf
der Ereignisse mit sich brachte, die Unternehmungslust in
Deutschland und im Auslande. Li der Starkstromindustrie machte
sich daher mit Beginn des Frühjahrs eine Abschwächung des bisher
58. Elektrizitätsindustrie.
269
so lebhaften Begehrs bemerkbar, die bis in das neue Gresdiäfts-
jahr hinein angedauert hat, am Jahresende aber wieder eine
Wendung zum besseren zeigte. Die Ergebnisse des Geschäfts-
jahres sind bei beiden Firmen als befriedigend zu bezeichnen.
Die aufsteigende Linie, die der Greschäftsgang während der voran-
gegangenen Jahre zeigte, hat auch in der Berichtsperiode ihre
Fortsetzxmg gefunden.
Die Anzahl der Angestellten im Konzern der beiden Gresell-
schaften ist von 77 000 im Vorjahre auf 81 235 Personen zu Ende
des abgelaufenen Geschäftsjahres gestiegen. Die in unseren deut-
schen Betrieben im Geschäftsjahre 1912/13 gezahlten Gehältei
und Löhne belaufen sich auf 109 764 000 Mk. ausschließlich der
Gratifikationen, die sich mit den freiwilligen und gesetzlichen
Leistungen zugunsten von Beamten und Arbeitern auf 8 430 301
Mark stellten. Die am 1. Jan. 1913 in Wirkung getretene
Versicherung der Angestellten umfaßt rund 11 000 Personen ;
der gesetzliche Aufwand der Firmen dafür beträgt jährlich rund
900000 Mark.
Die Siemens-Schuckertwerke brachten aus ihren deutschen
AVerken im Berichtsjahre 132 800 Stück Maschinen, Motoren und
Transformatoren mit einer Gesamtleistung von 2 991 272 kW
(= 4 064 228 PS) ;zur Ablieferung. Sehr rege gestaltete ßidh wieder
unsere Tätigkeit auf dem Gebiete der einheitlichen Versorgung
großer Länderstrecken mit elektrischer Energie. AVenn auch die
Technik in dieser Beziehung noch manche Aufgabe zu lösen
hat, so wird die weitere Entwicklung doch wesentlich davon ab-
hängen, in welcher Weise Staat, Gemeinden und Private zu-
sammenwirken werden. Das Sonderinteresse der elektrischen In-
dustrie wird befriedigt sein, wenn bei diesem Zusammenwirken
eine weitere gesunde Entwicklung stattfindet.
Für die Ausdehnung des elektrischen Betriebes auf den Voll-
bahnen ist es von Bedeutung, daß der preußische Landtag im
Prinzip seine Einführung auf der Berliner Städte und Ringbahn
zugestimmt und eiaen Teil der dafür erforderlichen Mittel be-
willigt hat. Für die hierfür in Aussicht genommenen weiteren
Versuche ist uns die elektrische Ausrüstung zu einem Probe-
ztuge bestellt worden. Eine größere Anzahl von Lokomotiven
für Vollbahnbetriebe befindet sich in unseren Werkstätten in
Arbeit. Daneben waren wir mit Aufträgen versehen für die
Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin und Hamburg, sowie
für zahlreiche Straßenbahnbetriebe, Hütten- und Grubenbahnen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat die Anwendung
elektrischer Antriebe und Einrichtungen in der Industrie weitere
Fortschritte gemacht. Mit der Ausbreitung der Verwendung
elektrischen Stromes für Licht- und Kraftzwecke hat auch die
Nachfrage nach elektrischen Bedarfsartikeln bedeutend zuge-
Starkstrom.
Elektrisierung
der
Eisenbahnen.
IndnstrieUer
Konsum.
270
V. Metallverarbeitung.
Export.
Steigerung
der Leistungs-
einheiten.
Glühlampen-
fabrik.
Bogenlampen.
nominell und die weitere Ausbildung der Massenfabrikation ge-
fördert.
Von den überseeischen Märkten ist zu berichten, daß unsere
Ausfuhi- erheblich zugenommen hat trotz der politischen und
wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen verscliiedene der über-
seeischen Gebiete sich befanden. Besonders erwähnenswert ist da-
bei der Auftrag, den uns die Chile Exploration Company für eine
100 OOOvoltige Kraftübertragung von Tocopilla nach Chu-
quicamata im Werte von 12 Mill. Mk. erteilt hat.
In den größeren Leistungseinheiten, die bislang nur vereinzelt
bestellt wurden, hat sich die Nachfrage inzwischen vervielfacht;
so sind uns beispielsweise Drehstrom-Turbogeneratoren mit Einzel-
leistungen von 21500 kVA mehrfach, von 10 000—15 000 kVA in
jgroßerer Zahl, von wassergekühlten Transformatoren solche von
je 23 500 kVA, 10 000 kVA bei 110 000 Volt Spannung und
12 000 kVA bei 50 000 Volt Spannung in Auftrag gegeben wor-
den. An selbstkühlenden Transformatoren haben wir Typen bis
5000 kVA Einzelleistung in Arbeit; Transformatoren dieser
Größe sind bisher von anderer Seite noch nicht geliefert worden.
Das Glühlampenwerk hat im abgelaufenen Jahre eine nicht
unerhebliche Steigerung der Produktion erreicht; dabei haben
sieh Verschiebungen in der Herstellung von Wotan-, Tantal-
tmd Kohlefadenlampen zugunsten der Wotanlampe (Wolfram-
drahtlampe) vollzogen. Das Gesamtergebnis war nicht so günstig
wie zur Zeit der Vorherrschaft der Tantallampe, weil seitdem
die Preise für die Glühlampen jeder Art von Jahr zu Jahr
ständig gewichen sind. Auf der anderen Seite sind erhebliche
Vereinfachungen und Verbesserungen bei der Herstellung der
[Wotanlampe erzielt worden. Auf " Grund vertraglicher Ab-
machungen mit der amerikanischen General Electric Company,
betreffend den Austausch von Metallglühlampenpatenten, wurde
die Fabrikation einer neuen, von dieser Gesellschaft angegebenen
Metalldrahtlampe aufgenommen, die bei einem Energieverbrauch
von 1/2 Watt pro Kerze vorläiufig nur für größere Lichtstärken
anwendbar ist.
Das Streben nach gesteigerter Lichtausbeute für die gegebene
Stromeinheit hat aach auf dem Gebiete der Bogenlampen zu
nennenswerten Fortschritten geführt; hierzu hat die in mancher-
lei Abstufungen hergestellte Effektlampenkohle wesentlich bei-
getragen. Der Strombedarf ist bei den günstigsten Lampenkohlen
auf unter 0,2 Watt pro Kerze herabgedrückt. In dem Wettlauf
zwischen Bogenlicht- und Gltihlichtbeleuchtung ist die Bogen-
lampe durch die Leuchtmittelsteuer wesentlich stärker belastet
als die anderen Leuchtmittel, was um so schwerer ins Gre wicht
fällt, als verschiedene ausländische Staaten, insbesondere die Ver-
einigten Staaten von Nordamerika, für Flammbogenlampenkohlen
durch den neuen Zolltarif ihren Zollsatz in außerordentlicher
58. Elektrizitätsindustrie.
271
Weise erhöht haben und dabei diesen Zollsatz nicht nur auf
den einfachien Marktwert der Kohlenstifte, sondern auf den um
die deutsche Leuchtmittelsteuer erhöhten Marktwert berechnen.
Unsere Söhwachstromwerkstätten haben im abgelaufenen Ge-
schäftsjahre Erweiterungen erfahren und werden auch demnächst
wieder weitere Neuanlagen erfordern. Die Schwachstromtechnik
ist naturgemäß in bezug auf Menge und Grewicht der Fabrikate
nicht so umfangreich wie das Starkstromgeschäft, aber die letzten
Jahre haben auch hier eine beträchtliche Ausdehnung und auf
manchei Gebieten eine niöht vorausgesehene Entwicklung gezeigt.
Dieser Aufsdiwung der Schwachstromtechnik hat später einge-
setzt als derjenige der Starkstromtechnik, die zeitweilig die
Kräfte vorzugsweise in Anspruch genomnien hat. Die neuere Ent-
wicklung auf dem Gebiete der Telegraphie, der Telephonie, des
Signal Wesens, der Elektromedizin und der elektrischen Instru-
mente läßt aber erkennen, daß auch' auf diesem Gebiete neue Ridh-
tungen zum Dnrchbruch gekommen sind, die zu reicher tech-
nischer Nenarbeit Gelegenheit geboten haben.
Die Einführung der automatischen und halbautomatisöhen
Fernsprechzentralen machte gute Fortschritte. Die Anlagen
haben sich in allen Fällen aufs beste bewährt und zu großer Zu-
friedenheit der Interessenten gearbeitet, wenn auch die üeber-
leitung in die neue Betriebsform hin und wieder mit Schwierig-
keiten verknüpft war. Das öOpaarige Femsprechkabel nach dem
Pupin-System zwischen Berlin und Magdeburg, das uns von der
Beichspostver waltung in Auftrag gegeben war, ist mit gutem
Erfolge vollendet und seine Verlängerung in Ausführung be-
griffen. Auch vom Auslande liegen Aufträge auf interurbäne
Fernsprechkabel vor. Infolge eines Abkommens über gegen-
seitigen Austausch' der Patente auf dem Gebiete der Telephon-
zentralen sind wir auch zu der Firma Telephon- Apparate G. Zwie-
tusch & Co., G. m. b. H. in Berlin-Charlottenburg in Beziehungen
getreten und haben Anteile dieser Gesellschaft übernommen.
Unsere Schnelltelegraphie erfreut sich wachsender Beliebt-
heit bei den in- und ausländischen Telegraphenverwaltungen.
Auf dem Gebiete der Instrumente und der elektromedi-
zin ischen Apparate haben wir eine Anzahl von Neuerungen auf
den Markt gebracht, die Anerkennung fanden.
Das Blockwerk war wiederum auf allen seinen Gebieten
reichlich beschäftigt. Die Anwendung der elektrischen Kraft auf
die Bewegung von Weichen und Signalen macht immer weitere
Fortfiehritte. —
Im Be ri eil ts jähre sind unsere Fabriken von Streikbewegungen
verscliont geblieben. In verschiedenen deutschen Städten ver-
suchten jedoch die Monteure wieder, mit Unterstützung des Metall-
arbeiterverbandes den Abschluß von Tarifverträgen herbei-
zuführen, ohne daß es ihnen jedoch gelungen wäre, einen Erfolg
Schwachstrom.
Telephonie
Telegraphie.
Elekt^omediz^
Apparate.
Eisenbahn-
üignal- und
Sicherun crs-
Arbeiter-
verhältnisse.
272
V*. Metallverarbeitunor,
Rohmaterial.
Verkehrs-
angelegen-
heiten.
ZU erzielen. Im übrigen ist auch für das Berichtsjahr ein Steigen
der Stundenverdienste bei sinkender Arbeitszeit zu verzeidinen.
Besondere Schwierigkeiten in der Beschaffung der für unsere
Fabrikation benötigten Bohmaterialien sind im Berichtsjahre nicht
aufgetreten. Auch die Entwicklung der Preise war normal.
Die Aenderungen in den spanischen und rumänischen
Zolltarifen, die innerhalb des Geschäftsjahres in Wirksamkeit
traten, haben unseren Export nach Spanien und Rumänien nicht
ungünstig beeinflußt. Unangenehm fühlbar machten sich dagegen
die Auslegungen, die die französischen Zollbehörden den
Ausführungsbestimmungen zum Zollgesetz über die Einfuhr
deutsche? Fabrikate nach Frankreich sowie für die Durchfuhx
gaben. Üeber den Entwurf des neuen Zolltarifes für die Nieder-
lande ist noch kein gesetzlicher Beschluß gefaßt. In Italien
ist eine erhebliche Besserung in bezug auf die Abwicklung der
Verzollungen eingetreten. Die Türkei hat die in Aussicht ge-
nommene Zollerhöhung von 11 auf 15 o/o vom Werte noich nicht
zur Duichführung bringen können. Der in Nordamerika im
Oktober in Kraft getretene neue Zolltarif hat, wie erwähnt,
eine erhebliche Erhöhimg des Zolles auf Kohlenstifte gebracht,
Bodaß unser Export in diesem ilrtikel nach Nordamerika da-
durch schwer geschädigt worden ist. Im übrigen brachte der
neue Zolltarif für den größten Teil unserer Fabrikate eine Re-
duktion des Wertzolls; eine Erweiterung unserer geskiiäftlichen
Betätigung in Nordamerika ist dadurch aber kaum zu erwarten.
Vom Frachtenmarkte ist zu berichten, daß im kontinentalen
Verkehr wesentliche Frachtveränderungen nicht eingetreten sind.
Die Bemühungen, günstige Det^arifierungen für den Verkehr nach
Frankreich und Spanien zu erlangen, befinden sich noch in der
Schwebe. Für die überseeischen Transporte st-and der Frachten-
markt im Zeichen der Hochkonjunktur.
Dritter Bericht. Dritter Bericht.
^^'S^trie^"" ^^^ Deutschen Telephonwerke G. m. b. H. zu Berlin berichten
über die Lage der Schwachstromindustrie folgendes:
Der Beschäftigungsgrad wax im abgelaufenen Jahre gut.
Die erzielten Preise waren jedoch noch immer gedrückt und
widerlegen die in der Presse öfter aufgetauchten Nachrichten
über eine angebliche Syndizierung der Telephonindustrie. Streiks
waren nicht zu verzeichnen. Von größeren, im Auftrage der
Reichspost ausgeführten Arbeiten sind die Erweiterungsbauten
der Fernsprechämter in Wilmersdorf, sowie die Neubauten der
Berliner Aemter Königstadt und Alexanderplatz, sowie die
Aemter Hansa und Römer in Frankfurt a. M. zu erwähnen. Die
neuen Fernsprechämter für Berlin und Frankfurt werden Anfang
1914 in Betrieb genommen. Neu bestellt wurden Fernsprech-
ämter in Karlsruhe, Wilhelmshafen sowie zwei neue Aemter
58. Elektrizitätsindustrie.
273
in Berlin (Lindenstraße und Eberswalder Straße). Unser auto-
matisches Telephonsysteini haben wir weiter ausgebildet ; wir haben
auch bereits einige automatische Telephonzentralen mit gutem
Erfolg in Betrieb gesetzt. Ein von uns etwa vor 2 Jahren neu
aufgenommener Artikel Wechselstrom^Gleichst^om-Umformer, ein
Apparat, welcher zur Entnahme von Gleichstrom aus Wechsel-
stromnetzen dient, hat sich inzwischen gut bewährt und sich im
größeren Maßstabe eingeführt.
Vierter Bericht.
Im Zusammenhang mit der allgemein mckläufigen Konjunk-
tur ist der Geschäftsgang auch im Akkumulatorenbau in den letzten
Monaten des Berichtsjahres ruhiger geworden. Der Preis des
Bleis, des hauptsächlichsten Kohmaterials, hielt sich andauernd
auf einer außergewöhnlichen Höhe. Diesem Umstände konnte
jedoch in den Verkaufspreisen einigermaßen, wenn auch nicht
in vollem Umfange, Kechnung getragen w^erden. Im Export-
geschäft sind nennenswerte Aenderungen nicht eingetreten. Der
Auftragseingang war etwa der gleichö, wie im Vorjahr. Die
Balkanwirren haben nur bei der Zweigniederlassung der Bericht-
erstatterin in Wien und bei den in den Balkanländern befind-
lichen selbständigen Tochtergesellschaften eiaen ungünstigen Ein-
fluß ausgeübt. —
Einem ferneren Berichte entnehmen wir folgendes: Die Be-
scüiäftigung war in der Akkumulatorenbranche äußerst lebhaft,
auch waren die erzielten Preise zum Teil befriedigend. Infolge
des niedrigen Kabelzolles macht sich aber die ausländische Kon-
kurrenz im wachsenden Maße durch Preisunterbietungen be-
merkbar. Sie ist dazu umsomehr in der Lage, da sie zum Teil
in üirem eigenen Lande durch Prohibitivzölle vor fremder Kon-
kurrenz ge-schützt ist.
Fünfter Bericht.
Für die Elektrizitätsiadustrie ist das Jahr 1913 eine Zeit
weiteren Aufschwunges und reger Beschäftigung gewesen. Erst
gegen Schluß des Jahres war die steigende Kurve der Konjunktur
weniger steil als im Anfang.
Die Versorgung großer Gebiete von Kraftwerken aus, die
in der Nähe von Kohlengruben oder anderen ausgiebigen Energie-
quellen liegen, hat zwar die Gründung vieler kleiaer Werke
aufgehalten, jedoch der Elektrizitätsiadustrie erst Gelegenheit
zum Bau sehr großer und wirtschaftlich arbeitender Maschiaen-
einheiten von mehr als 20000 KW gegeben, die Herabsetzung;
der Stromkosten erlaubt und in jeder Beziehung befruchtend ge-
wirkt. Die Notwendigkeit zur elektrischen Femübertragung
führte zum Bau von Kabeln bis äu 60000 Volt, nachdem erst
vor kurzem die Fortleitung des Stromes durch Kabel mit 30000
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 18
Vierter Bericht.
Akku-
mulatoren.
FünfterBericht
Kraftzentralen.
274
V. Metallverarbeitung,
Elektrischer
Antaieb
in der Industrie.
Beleuchtung^
Wesen.
Elektrische:»
Bahnwesen.
Schwachstrom-
industrie.
Rohmaterial-
preise.
Kartelle.
Volt die HödLstleistung gewesen war. Transformatoren von bis-
her imbekannter Leistungsfähigkeit wurden gebaut, und indirekt
wurde auch die Industrie der Großgasmaschinen und Dampftur-
binen zum Bau immer größerer Antriebsmotoren angespornt. Auch
das Ausland hatte den Nutzen der Zentralisation der elektrischen
Kraftquellen erkannt und, zum Teil mit Hilfe der deutschen
Elektrizitätsiadustrie, Großzentralen in Betrieb gesetzt oder pro-
jektiert.
Mit dem "Wachsen der Werke stieg auch die Aufnahme-
fähigkeit des Marktes. In der Industrie ist der elektromotorische
Antrieb fast durchgeführt. Walzwerke jeder Art brauchen große
Elektromotoren. Der Gruppenantrieb wurde immer mehr durch
den Einzelantrieb ersetzt, kleinste Motoren in Feiniadustrie und
Handwerk verlangt.
Für die Anwendung der elektrischen Beleuchtung war die Ein-
führung der Halbwatt-Glühlampe von größter Bedeutung; sie
setzte für Lampen von über 600 Kerzen die Stromkosten um
die Hälfte herab und wird wieder der Bogenlampenindustrie den
Antrieb zu neuen Verbesserungen geben.
Wenn auch der Bau von Straßenbahnen in größeren Städten
im wesentlichen durchgeführt ist, gewährten doch der Ersatz und
die Erweiterung der Bahneinrichtungen und besonders der Ueber-
gang zu hoher Gleichstromspannung der Industrie reiche Be-
schäftigung. Für die Elektrifizierung der Vollbahnen ist die Be-
willigung des Umbaues der Berliner Stadtbahn von Wichtigkeit.
Untergrundbahnen wurden nicht nur in Berlin, sondern auch in
großen Städten des Auslandes, z. B. Buenos Aires, eröffnet und
in Angriff genommen.
Die Schwachstromindustrie hatte infolge der Ausbreitung
des Fernsprechverkehrs in Deutschland und durch den Export ge-
nügend zu tun. Versuche zur Hebung des iaterurbanen und inter-
nationalen Telephonverkehrs mittels Relais und besonderer Kabel-
leitungen sind gut gelungen.
Das weitere Sinken der Gummipreise und die Schwankungen
der Kupfer- und Eisenpreise haben keinen wesentlichen Eiafluß
auf die Herstellung der Fertigfabrikate gehabt. Durch wesent-
liche Differenzen 'zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wurde
die deutsche Elektrizitätsindustrie nicht gestört.
Im Kartellwesen der Elektrizitätsindustrie ist die Auflösttng
der Verkaufsstelle vereinigter Glühlampenfabriken zu erw,ähnen.
Die Vereinigungen der Fabrikanten für isolierte Drähte und die
für Isolierrohre richteten im Berichtejahre Verkaufsstellen ein.
Sechster
Bericht.
B. E. W.
Sechster Bericht.
Dem Jahresbericht der Berliaer Elektrizitätewerke über das
Geschältejahr vom 1. Juli 1912 bis 30. Juni 1913 entnehmen wir
folgendes:
58. Elektrizitätsindustrie.
275
Die Stadtgemeinde hat von ihrer Befugnis zur Kündigung des
bestehenden Vertrages Grebrauch gemacht, indem sie uns davon
Kenntnis gab, daß die Anlagen der BEW zum 1. Oktober 1915
in ihr Eigentum übergehen sollen. Diese Kündigung war zur
formellen Wahrung der vertragsmäßig der Stadt eingeräumten
Befugnisse erforderlich ; indessen nehmen die Verhandlungen über
Verlängerung des Vertrages ihren Fortgang, und man ist weiter
bestrebt, eine Basis für eine Verständigung zu finden. Eine solche
wäre für die Gesellschaft wertvoll, wenn ihr der Betrieb der
AVerke auf eine längere Reihe von Jahren zugesichert würde, tind
die Gesellschaft könnte hierfür gewisse Opfer bringen. Sollten die
Verhandlungen an 'den Ansprüchen der Stadtgemeinde scheitern,
so würde das der Gesellschaft füi* Ueberlassung der Werke zu-
fallende belangreiche Kapital sie in die Lage setzen, ihre Tätig-
keit neuen gewinnbringenden Unternehmungen zuzuwenden, die
seit Jahren vorbereitet wurden. Um eine weitgehende Herab-
setzung der Tarife in Zukunft zu ermöglichen, glauben wir,
die Verlegung der Stromerzeugung an die Fundstelle des Heiz-
materials vorbereiten zu müssen, und haben uns zu diesem Zweck
Braunkohlenvorkommen in der Nähe von Bitterfeld in einem Um-
fang gesichert, der nicht häufig in einer Hand vereinigt war.
Das abgelaufene Geschäftsjahr hat eine befriedigende Weiter-
entwicklung des Unternehmens gezeitigt. Die Steigerung des
Stromkonsums ist in der Hauptsache dem Verbrauch der Groß-
abnehmer zu danken, die in Anbetracht der niedrigen Preise immer
mehr zu der Ueberzeugung gelangen, daß der Anschluß an ein
großes Elektrizitätswerk Vorteile gegenüber der Selbsterzeugung
bietet. Wir haben grundlegende Aenderungen der Bestimmungen
und Tarifsätze für die Stromentnahme vorbereitet, bei der Un-
gewißheit indessen, ob die Verteilung der Elektrizität unserer Ge-
sellschaft in ZuJiunft verbleiben wird, ihr Inkrafttreten aufge-
schoben. Der Gleichwert der Anschlüsse ist bei einer Erhöhung der
Abnehmerzahl von 36 909 auf 43 816 um 28 781 KW = 12,7o/o auf
255 721 KW gestiegen. Hiervon werden mit Niederspannung ver-
sorgt 93 514 KW für Beleuchtung und 131 662 KW für Kraft-
zwecke; mit Hochspannung wurden Abnehmer mit einem An-
schluß von 30 545 KW bedient. Der Zuwachs der Anschlüsse
betrug gegen das Vorjahr: an Glühlampen 201872, an Bogen-
lampen 960, an Motoren 4714, an Apparaten 570 und an Kilowatt
28 781. Am 30. Juni 1913 waren insgesamt 1 763 309 Glühlampen,
45 755 Bogenlampen, 40 033 Motoren und 7338 Apparate ange-
schlossen. Es waren im ganzen 255 721 KW, 43 816 Abnehmer und
50 647 Hausanschlüsse angeschlossen. In der vorstehenden Auf-
stellung sind für öffentliche Beleuchtung 2981 Glühlampen und
1026 Bogenlampen enthalten. Die Versuche mit langbrennenden
Bogenlampen haben zu günstigen Ergebnissen geführt. Einen
bedeutenden Fortschritt in der öffentlichen Beleuchtung stellt die
18*
Verhandlungen
der B.E.W.
mit der
Stadt Berlin.
Zunahme
der Anschlüsse
276
V. Metallverarbeitung.
Stromabgabe,
Verwendungs-
zweck.
neue hochkerzige Metalldralitlainpe in Aussicht, die die Hälfte
des Stromes der bisherigen gleichartigen Lampen konsumiert.
Nutzbar abgegeben wurden einschließlich des Selbstver-
brauchs: 58 678 495 Kwstd. für Licht, 80 828199 Kwstd. für Kraft,
72 251 754 Kwstd. für Bahnen und 40 337 345 Kwstd. als Hoch-
sp annungsstrom, zusammen 252 095 793 Kwstd.
Die in den letzten 10 Jahren nutzbar abgegebene Energie
in Kilowattstunden ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich :
Tab. 119.
Stromabgabe der Berliner Elektrizitätswerke 1903 — 1912 in Kwstd.
Stromabgabe für 1903/04
1904/05
1905/06
1906/07
1907/08
1908/09 1 1909/10
1910/11
1911/12
191
Privatbeleuchtung .
Oeffentl. Beleucht.
einschl. Bahnhöfe).
Gewerbl. Anlagen .
Akkumiilatoren-
anlagen
Hochsp annungstarif
Straßenbahnen . .
Selbst- r Licht.
Terbrauch \ Kraft .
16 727 266
2 016 797
30326 974
3 245878
45166449
658 288
359 752
20 139 869
2 318525
36 687 516
3 798 969
47 287 808
809 123
630 972
24 817 983
2 808339
43 049 036
4 522 829
50 952 760
893322
1 059 579
28 524790
3376513
48902 247
5 088 784
63196 218
956 711
2 876 553
31655185
3 902 525
53 687 519
5 468 928
55901607
830 562
3 '68 809
31881236| 34385164
4089 6421 4 704176
54 834 6571 62124384
6 212 757 j 6 262 502
- 1 2069540
55 323 564; 59 220993
11t »7 6:^41 1043178
443S135! 4631001
39 405 627
6 170 197
67 777 2(»
5644 582
9 817 72C
64 406 442
999 653
4 911519
42626365
5 516496
69 779436
5 021621
23 609 959
69 846 104
1199 289
5 872 342
461.
61
74 2
51
40 ä
72 2
12
66
Insgesamt
98 501404
111572 782
128103 848
142 921816
155 115 135
157 887 625! 174 430 937 198 031 743 1223 371 6I2I252 0
Die höchste gleichzeitige Beanspruchung betrug 107 150 KW
(i. V. 94 570 KW). Die allein im Weichbild von Berlin installier-
ten 33 027 Elektromotoren stellen eine Leistung von 112 294 PS
dar. Von diesen dienen für:
Tab. 120. Statistik der Elektromotoren im Weichbilde von Berlin.
Anzahl PS
1. Metallbearbeituncr 6 513 21664
2. Aufzüge 4430 29121
S.Holzbearbeitung : . 3 572 11946
4. Pressen 3 365 9 080
5. Ventilatoren 3 290 1 400
6. Fleischereibetrieb 1 851 6 174
7. Nähmaschinen 1 206 1 055
8. Spül- und Waschmaschinen ... 880 2 108
9. Pumpen 752 3 815
10. Papierbearbeitung 671 1 922
11. Schleif- und Poliermaschinen . . . 500 1 611
12 Tuchschneidemaschinen 478 344
13. Lederbearbeitung 319 1 119
14. Spulmaschinen 288 624
15. Antrieb von Dynamos 218 31 86
16 Kaffeemühlen und Röstmaschinen . 145 274
17. Hutbügelmaschinen 47 139
18. Galvanoplastik 42 104
19. diverse Zwecke . . 4 460 16 608
Zusammen . . . 33 027 112 294
Am Ende des Geschäftsjahres waren 45 isolierte Akkumtila-
torenanlagen in Tätigkeit. Der Stromabsatz für Elektromobile
hat ebenfalls erheblich zugenommen. Außer für Droschken sind
neuerdings auch für Privatelektromobile Ladestellen eingerichtet
worden, deren Anzahl immer mehr zunimmt.
i
59. Boots- und Schiffbau.
277
Der in Berlin erzielte Verkaufspreis für Elektrizität stellte
sicK — nach Abzug der Abgabe an die Gemeinde — für die
Kilowattstunde auf durchschnittlich 14,45 Pfg. gegen 14,75 Pfg.
im A^orjahr. Die Ermäßigung resultiert auch dieses Mal aus
den billigeren Sätzen für Hochspannungs- und Bahnstrom.
Bei einer Häuserfront von 608 km im Berliner iWeichbild
weisen die verlegten Kabel eine Länge von insgesamt 8306 km
auf, von denen 4972 km für Licht und Kraft, 532 km für Straßen-
bahn, 1856 km für Hochspannungsanlagen und der Rest für Tele-
phon und Prüfdrahtnetze dienen.
Dem Elektrizitätswerk Südwest waren angeschlossen: am
30. Sept. 1912 576 878 Glühlampen, 5142 Bogenlampen und Mo-
toren mit znsaminen 15 512 PS, am 30. Sept. 1913 dagegen 688 103
Glühlampen, 5080 Bogenlampen lind Motoren mit zusammen
16 522 PS. Nutzbar abgegeben wurden vom 1. Jan. bis 30. Sept.
1912 20 585 616 KW-Stunden, dagegen vom 1. Jan. bis 30. Sept.
1913 21664 967 KW-Stunden.
Li der folgenden Tabelle geben wir eine monatliche Ueber-
sicht über den Groß-Berliner Stromverbrauch der letzten zwei
Jahre.
Preise
Kabelnetz.
Elektrizitäts-
werk Südwest.
Stromabgabe
in Groß-Berlin.
121. Stromabgabe der Elektrizitätswerke Groß-Berlins (einschl. Selbstverbrauch Id Kwstd.).
Jan.
Febr.
März
April
Mai
I Juni
Juli
August
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Jahr
Berliner Etektricitäts -Werke.
19837602
32 914 251
J5021Ö64
1938138
2158024
2490 577
2 725 3801
3022 619
31174091
621915'
648 147
1068 945
18 OÖS 406 17 123 901
20 465 326 20 135 773
21 812 278
1 705 346
2 032 631
2 192 708
2 334 030
2 696 365
2 839 988
512 8411
599 643
8:32 1881
22 140 364
15 5413^4
18 109 40i
19 745 822
15 270 828
16 738 694
18 242 829
14 015 487
19 489 289
L4 257 616
16 82)776 16 674 975
18 902 383
15 320334
17 909 426
19 644 542
16589 705
19 518 625
19 426 61020949 332121 643 890208044995
22 743 858
20 513 480 23 131 934
Charlottenburger Elektrizitäts -Werke.
1585 5721 1408 7731 1200 934! 1211990| 1211991
1851386! 15H1877i 1441548 1277 018 1277 019
2 031814| 1903 1921 1596 5531 1494 46S| 1494 469
1241624; 1556015! 1795 8571
1 532 235 1 752 280| 2 1(»8 96S|
1585 9171 1879 773; 2 194 002!
2 242 37
2 459 934
2 644 607
484 371
629 636
1 090 779
Elektrizitätswerk Südwest Afet.-Qes. in Berlin -Wilmersdorf.
1 8^5 535| 1 945 3971 2 2 14 89S 2 467 724
1 926 412! 2 133 9S2 2 ;ö90 559 2 697 674
2045 831] 2 264 859; 2 515 078 2 953367
Berliner Vororts-Elektrizitäts -Werke, Zentrale Steerlitz»).
447 3261 408 761! 346 970: 329 4571 380 2151 416 7541 457040
2 069 800; 1960 7701 1828070
2 291282 2 2219S1 2013073
2 335 647 2 254 672| 2 03o513
541381!
861 0481
505 833
770 218|
5.53 942
726 713!
573 131
766 975'
604 899
813 951
621689 8833 57
912173! 1083 879
23 871930
25 863 178
2175 495
2 373 782
2 573888
2727071
3 041 866
3 424474
513 8161
925 498
1151650
24924 833!
25739186
2 164 771'
2 519 115;
2 661597
29391581
3 332 003
3896 249J
547 7961
1 053 333^
1290 712
240827 872
260246849
19 196 535
21905 883
24 148 958
27320210
30 217 750
32 428695
5 467 269
8 151 019
11 429 235
•) Die Zentrale Friedenau derselben Firma gab im Jahre 1913 ab: 1820 330 Kwstd.
„ am Teltowkanal „ „ „ .. ,. „ ,. 2 919 145
59. Boots- und Schiffbau.
Der Beschäftigungsgrad im Berichtsjahre war im allgemeinen
mäßig. Infolge des vorjährigen schlechten Sommers sind Be-
stellungen auf Passagierfahrzeuge nur in geringer Zahl ein-
gegangen. Der Bau von Dienstfahrzeugen für Behörden war eben-
falls weniger umfangreich als früher. Auch die Aufträge zum
Bau von Fahrzeugen für Privatzwecke sind gegen früher ganz
erheblich zurückgegangen, wohl hauptsächlich infolge der allge-
meinen ungünstigen Wirtschaftslage. Die hiesigen Werften haben
sehr unter der auswärtigen Konkurrenz zu leiden, da hier wesent-
lich höhere Löhne gezahlt werden als z. B. an der Weser und
Boots-
md Schi£Fbau.
278
V. Metallverarbeitung.
am Ehein. "Wenn sich auch die hiesige Arbeit im allgemeinein
eines guten Rufes erfreut und daher besser bezahlt wird, so isli
es doch in den meisten Fällen schwierig, hierdurch die große
Differenz in den Lohnverhältnissen auszugleichen. Da auch im
Jahre 1913 der Sommer verhältnismäßig schlecht war, so ist
eine Besserung des Geschäftes im Bau von Erwerbsfahrzeugen
wohl kaum zu erwarten. Die Nachfrage nach Privatbooten ist
hingegen etwas lebhafter geworden. Ferner steht auch zu hoffen,
daß durch die inzwischen fertiggewordenen neuen "Wasserstraßen
in kürzerer Zeit ein größerer Bedarf an Dienstfahrzeugen eintret-en
wird. t
Automobil-
industrie.
Allgemeines.
Amerikanische
Konkurrenz.
60. Automobil-, Motoren- und Fahrradindustrie.
1. Automobilindustrie.
Die Beschäftigung der Automobilindustrie war bei Beginn des
Berichtsjahres noch gut. Die durch die Balkanwirren verursachte
unsichere politische Lage und deren Einfluß auf den Geldmarkt
machten sich jedoch bald auch im Automobilgeschäft bemerkbar.
Der Absatz blieb hinter der Produktion zurück. Betriebsein-
schränkungen ließen sich nicht vermeiden. Das Bestreben der
.Fabriken, die angesammelten Vorräte an fertigen "Wagen zu ver-
ringern, verschärfte den Konkurrenzkampf und verschlechterte
die Preise. Die Nachwirkungen der Balkankriege werden auch
im nächsten Jahre noch fühlbar sein.
("Von der ausländischen Konkurrenz bemüht sich besonders die
amerikanische, ihre "Wagen in größeren Mengen in Deutschland
einzuführen. Durch geschickt abgefaßte, für das Laienpublikum
berechnete Inserate und Broschüren werden die amerikanischen
"Wagen zu Preisen angeboten, die scheinbar sehr billig sind. In
bezug auf Material und Arbeit, Haltbarkeit und dauernde Preis-
würdigkeit sind jedoch gute deutsche Automobilfabrikate in der
Eegel den amerikanischen bedeutend überlegen. Daß der für
einen deutschen "Wagen bei der Anschaffung aufgewendete Mehr-
betrag gute Zinsen trägt, macht sich im praktischen iBetriebe
sehr bald bemerkbar. Wenn deshalb die amerikanische Kon-
kurrenz der deutschen Automobilindustrie nicht gefährlich werden
kann, so sind doch nach Ansicht der inländischen Fabrikanten die
Absatzverhältnisse in Deutschland jetzt nicht so günstig und
werden es auch nicht so schnell wieder werden, daß die ein-
heimische Automobilindustrie ruhig abwarten könnte, bis die
billigen amerikanischen Wagen durch ihre Minderwertigkeit selbst
ihren Verkauf in Deutschland unmöglich machen. Die inlän-
dischen Fabrikanten wünschen daher, daß die deutsche Automobil-
industrie in ihrem Konlmrrenzkampfe bald durch die Regierung
die Unterstützung findet, die ihr bisher gefehlt hat. AVährend
jedes andere Land, das eine Automobilindustrie besitzt, durch
60. Automobil-, Motoren- und Fahrradindustrie.
r. 279
hohe Zölle die Einfuhr ausländischer Fabrikate erschwere, zum!
Teil unmöglich mache, sei [der, ilEinf uhrzoU, den Deutschland erhebe,
so gering, daß er den Verkaufspreis nicht beeinflussen könne.
LN"eue Konstruktionen kamen während des Berichtsjahres nicht
auf den Markt.
Die Arbeiterverhältnisse waren ruhig. Streiks, Aussperrun-
gen oder Lohnbewegungen sind nicht in nennenswertem Umfange
vorgekommen.
Fin zweiter Bericht bestätigt den ersten und betont ins-
besondere gleichfalls die Gefahr der amerikanischen Konkuri-enz.
Neue Kon-
struktionen.
Arbeiter-
verhältnisse.
2. Motoren.
Das Jahr 1913 brachte zwar der bericlitenden Firma erhöhte
Umsätze in Lastwagen und Omnibussen, es trug aber, wie in
anderen Industrien, besonders in der zweiten Hälfte die Merkr
male des wirtschaftlichen Rückschlags: große Schwierigkeiten
bei Abschluß neuer Geschäfte, Neigung der Käufer, selbst drin-
genden Bedarf zurückzustellen, scharfe Preiskonkurrenz, lange
Zahlungstermine. Einen gewissen Ausgleich schufen nur die
immer größer werdenden Bedürfnisse der Kommunen für Feuer-
wehrzwecke und der Stadtverwaltungen für die Einrichtung von
Ueberland-Omnibuslinien.
Der Export, der im Anfang dieses Jahres durch die Anforde-,
rungen der Balkanstaaten nach Kriegslastwagen sehr begünstigt
wurde, hatte im Verlauf unter der Nachwirkung der unruhigen
politischen Zustände zu leiden; besonders lagen die Hauptabsatz-
gebiete in Südamerika danieder. Wenn trotzdem auch die Export-
ziffern eine Steigerung aufweisen, so ist diese nur dem Umstand
zu verdanken, daß der Ausgestaltung der Exportorganisation die
größte Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
Den gedrückten Verkaufspreisen standen nur wenig aus-
gleichende Momente gegenüber; eine minimal weichende Tendenz
in den Einkaufspreisen der Rohmaterialien, beinahe unverändert
hohe Arbeitslöhne. Die Anfang des Jahres ziemlich kampflustige
Stimmung der Arbeiterschaft, die auch zu Teilstreiks geführt
hatte, machte später einer völligen Ruhe Platz.
Die berichtende Firma ist der Ansicht, daß eine langsame
Besserung der Absatzverhältnisse bereits begonnen hat.
3. Fahrradindustrie.
Die Produktion der berichtenden Firma weist in Fahrrädern
gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um ca. 20 o/o auf; es ist
dies ein Beweis dafür, daß die Nachfrage nach Fahrrädern wieder
eine ansteigende Kurve zeigt. Diese Erhöhung des Umsatzes
wurde durch eine Herabsetzung der Verkaufspreise sowie durch
die Schaffung besonders preiswerter Spezialmaschinen erreicht, bei
Motoren.
Allgemeines.
Export.
Preise.
Fahrrad-
industrie.
280 V. Metallverarbeitung.
deren Konstruktion unter Ausschaltung aller auf den Luxus ge-
richteten Gesichtspunkte lediglich den Bedürfnissen des prak-
tischen Gebrauchs Rechnung getragen wurde. Die Verminderung
der Preise x^rringerte selbstverständlich auch den Gewinn, der
durch die Fabrikation erzielt wurde ; infolge des erhöhten Absatzes
ist der Gesamtnutzen jedoch der gleiche geblieben wie in den
früheren Jahren, die in bezüg auf den Verdienst an dem einzelnen
Eade günstigere Resultate aufwiesen. Die Befürchtung, daß durch
die in großen Mengen lauf den Markt geworfenen, in der Qualität
minderwertigen Versiandhausräder diejenigen Fabriken eine Ein-
buße erleiden würden, die ausschließlich hochwertige Markenräder
fabrizieren, hat sich nicht bewahrheitet. Die schlechten Erfahrungen,
die mit Fahrrädern ohne Ursprungsbezeichnung gemacht wurden,
haben in den Kreisen der Abnehmer schnell zu der Erkenntnis
geführt, daß nur das solide Markenrad für den praktischen Betrieb
geeignet ist. Hierauf ist die gesteigerte Nachfrage nach guten
Fahrrädern zurückzuführen. Während das Fahrrad in den letzten
Jahren immer mehr als Beförderungsmittel für Gewerbetreibende
aller Art verwendet und daher als Luxusgegenstand weniger b.»-
gehrt wurde, macht sich in letzter Zeit wieder eine deutliche
Strömung bemerkbar, die dahin zielt, dem Rade als Sport- und,
Erholungsmittel erneute Geltung zu verschaffen. Die internatio-
nale Fachliteratur berichtet, daß das Fahrrad in den oberen
Schichten wieder in Mode kommt. Die Erziehung der Jugend zum
Sport, auf die heute in allen kultivierten Ländern in hohem Maße
hingewirkt wird, kommt dem Fahrrad ebenfalls zugute; es wird
nicht nur als eigentliches Sportmittel selbst in weiterem Umfange
verwendet, sondern es ^ient auch als bequemes Transportmittel
zum Erreichen der meist außerhalb der Städte angelegten Sport-
plätze.
Transport- Wie bereits im Vorjahre erwähnt, hat das Fahrrad als Trans-
Motorräder, portfahrzeug für die schnelle Beförderung leichterer Waren eine
unverkennbar hohe Bedeutung erlangt. Für diesen Zweck kommt
fast ausschließlich das Zweirad in Frage, während das Gepäck-
dreirad immer mehr ausscheidet. Es wird verdrängt durch die
kleinen Motorwagen, deren Fabrikation sich die einschlägige In-
dustrie mit besonderem Eifer und bestem Erfolge w^idmet. Das
Vorhandensein dieser preiswerten und außerordentlich praktischen
Fahrzeuge hat zur Folge, daß das Motorzweirad mit und ohne
Beiwagen, ebenso wie das Motordreirad, immer mehr an Bedeu-
tung verlieren, so daß hier eher von einem Rückgang als von einer
Fortentwicklung des durch Motorkraft angetriebenen Fahrrades
gesprochen werden kann. Das ist um öo eher begreiflich, als die
letztbenannte Gattung von Motorfahrzeugen nur unwesentlich
billiger herzustellen ist als die vorstehend aufgeführte Art der
kleinen vierrädrigen Motorwagen, die außerdem den Vorteil der
größeren Sicherheit und der allgemeinen Zweckmäßigkeit haben.
G3. Wagenbau- und Hufbeschlagteile.
281
61. 'Geldschränke und Tresor anlagen.
Bas Jahr 1913 ließ, besonders in seiner zweiten Erster Bericht.
Hälfte, hinsichtlich der Geschäftstätigkeit in der Geldschrank-
branche sehr viel zu wünschen übrig. Die Einschränkung der
Bautätigkeit und die Zurückhaltung der Banken führten dazu,
daß das Geschäft in Tresoranlagen stark abflaute. Die deutsche
Geldschrankindustrie hatte sich in den letzten Jahren mehr und
mehr auf den Export eingerichtet, und dieser erfuhr durch den
Bialkankrieg eine erhebliche Einschränkung. Die schlechte Ge-
schäftslage veranlaß te eine große Zahl von Fabriken und Ge-
schäften innerhalb Deutschlands, ihre Baupläne auf eine günstigere
Zeit zu verschieben und sogar bereits beschlossene Bauten zurück-
zustellen. Aus diesem Grunde wurde die Zahl der Geldschrank-
arbeiter in den Berliner Geldschrankfabriken eingeschränkt, und
die Preise, welche schon früher zu wünschen übrig ließen, ver-
schlechterten sich vieKach noch w^eiter.
Günstiger über die Geschäftslage äußert sich ein anderer ZweiterBericht.
Berichterstatter: Zu Beginn des Geschäftsjahres 1913 war der
Ordereingang im allgemeinen zufriedenstellend. Besonders gingen
nach Beendigung des italienisch-türkischen Krieges namhafte Be-
stellungen aus Italien ein. Die auf dem Geldmarkt herrschende
Knappheit sowie die Folgen der politischen Wirren auf dem
Balkan sind erfreulicherweise ohne einschneidenden Ein-
fluß auf die Konjunktur geblieben. Wenn auch der Order-
eing:ang zeitweise etwas stockte, so war er doch im allgemeinen
befriedigend. Auch für das kommende Geschäftsjahr sind die
Aussichten durchaus nicht ungünstig. Die Preise ließen leider
nach wie vor zu wünschen übrig.
62. F e i 1 e n f a b r i k a t i 0 n.
Das Geschäft litt unter der politischen Lage durch die Balkan-
kriego und den außerordentlich schlechten Geldverhältnissen. Be-
sonders vom Mai an ließ es erheblich nach und befand sich auch
am Jahresschlüsse noch auf dem gleichen Tiefstand. Besserung
ist vor Frühjahr wohl kaum zu erwarten. Durch das geringe
Geschäft wurden natürlich auch die Preise wesentlich beeinflußt;
Aufträge waren nur zu sehr gedrückten Preisen zu erhalten.
Das Exportgeschäft litt unter den gleichen Verhältnissen und
der unsicheren Lage, die der Krieg bedingte.
i 63. W a g e n b a u - und H u f b e s c h 1 a g t e i 1 e.
Die Hoffnung, die Ende des Jahres 1912 vielfach herrschte,
daß mit Beendigung der politischen Wirren wieder eine Neu-
belebung des Geschäftes eintreten würde, hat sich leider nicht
erfüllt. Im Gegenteil, nur mit Mühe und Not konnten die Produ-
zenten die Preise für Stapel artikel, wie Stabeisen, während des
Geschäftsgang.
282
V. Metallverarbeitung.
Arbeiter-
Verhältnisse.
Kredit-
verhältnisse.
ersten Semesters 1913 halten; von der Mitte des Jahres ab bis
Oktober gingen die Preise schrittweise zurück; erst im November
konnten sie sich etwas erholen. Sogar in dem wichtigen Artikel
Tau-Hufeisen mußte eine Preisreduktion erfolgen , obwohl der
Bedarf darin sehr bedeutend geblieben ist. Der Abschlag hielt
sich aber in erträglichen Grenzen, weil die Produzenten auch im
zweiten Semester noch von den teueren Hohstoffen abzunehmen
hatten und weil die Aeu- gegründete, außerhalb des S3mdikats
stehende Fabrik sich als nicht wettbewerbsfähig genug erwies.
Aehnlich sah es bei anderen Artikeln, Hufnägeln, Hufeisen aller
Art, aus Die größte Preisreduktion trat bei Mutterschrauben
ein. Nur Achsen machten eine Ausnahme, weil die Fabrikanten
sich durch teuere Abschlüsse von Roheisen, Kohlen sowie durch
höhere Löhne gezwungen sahen, sich zu einem Syndikat zu-,
sammenzuschließen. Eine gleiche Verbindung gingen in den letzten
Tagen des Jahres die großen Hufnägel-Fabriken ein, und beide
Gruppen konnten ihre Erzeugnisse sehr erheblich im Preise her-
aufsetzen. . In Hufbeschlag-Artikeln ist der Umsatz nicht er-
heblich zurückgegangen, dagegen in Wagenbauteilen sehr be-:
deutend, einmal der im allgemeinen schlechten Zeit-en halber,
dann noch mehr infolge der Verteuerung der Achsen. Dement-
sprechend litt auch der Absatz in allen Zubehörteilen, wie
Wagenfedern, Reifen, Schrauben usw., namentlich im zweiten
Semester. In der Provinz konnte sogar die vorzügliche Ernte,
entgegen allen früheren Erfahrungen, den Umsatz nicht bessern.
An Arbeitskräften war kein Mangel, doch wurden allgemein
wegen der Verteuerung der Lebensmittjel höhere Löhne ge-
fordert.
Die Kreditverhältnisse, über die schon im letzten Jahre
viel geklagt wurde, haben sich nicht gebessert. Man beansprucht
namentlich in der Provinz ein immer längeres Ziel.
64. Drahtzäune und -Geflechte.
Der Umsatz in Drahtzäunen und -Geflechten hat im Berichts-
jalir kaum die Hälfte ß.&s vorjährigen erreicht. Seit Jahren ist
kein derart schlechtes Geschäft zu verzeichnen gewesen. Die
ungünstigen Verhältnisse am Baumarkt ließen keine Kauflust
aufkommen. Die Preise waren ,seit Anfang des Jahres stark ge-
drückt; es konnten nicht immer die Selbstkosten gedeckt werden.
Durch kleinere Konkurrenz- und (auswärtige Firmen, welch letztei-e
billigere Arbeitskräfte zur Verfügung haben, wurden sehr niedrige
Angebote abgegeben. Weil geringe Nachfrage herrschte, war bei
den kleineren Geschäften die Tendenz vorhanden, möglichst zu
allen Preisen Aufträge hereinzuholen. Ein Exportgeschäft war
nicht zu verzeichnen.
I
65. Fabrikation von Blechemballagen.
283
65. Fabrikation von Blechemballagen.
Das Charakteristikum des Jahres 1913 bildet die Beunruhi-
igung, welche die Industrie der Blechemballagen durch den
stetigen Rückgang der Weißblechpreise auf dem englischen
Markte erfahren hat. Legen wir die Standardpreise für I C
20x14 Siemens-Stahl-Koks-Bleche zugrunde, so wurden im Januar
15/6 d für die Kiste von 112 Tafeln fob. Swansea gefordert.
Die Notierungen ermäßigten sich aber bis März auf 14/ — ,
stiegen vorübergehend April/Mai auf 14/3 und sanken im
Dezember auf 12/9. Berechnet man die englischen Preise für*
deutsche Formate 760x530 mm, cif Hamburg quotiert, so be-.
trjägt die Differenz in I C - Blechen zwischen dem Januarpreis
mit 34/3 d und dem Dezemberpreis mit 28/9 d 5 sh 6 d für die
Doppelkiste. Das sind Preisreduktionen, wie sie in der Branche
(innerhalb solcher Frist seit langen Jahren nicht vor-
gekommen sind.
Die deutschen Weißblechwerke mußten wohl oder übel den
Vorgängen auf dem englischen Markte folgen, und wenn auch
nicht in dem Umfange, wie vorstehend festgestellt, so zeigten
doch Abschlüsse in deutschen Weißblechen, die für bewährte
Marken in I C im letzten Quartale 1913 zu etwa 37,50 Mk.
für die Doppelkiste frachtfrei Bedarfsstelle getätigt wurden,
gegenüber den Forderungen im Februar 1913 vielfach Diffe-
renzen bis zu 7 Mk. für die Doppelkiste.
Erschwerend für die Versorgung mit Rohstoffen war ferner
die Tatsache, daß sich die Zypenschen Werke gegen alle Er-i
Wartung den syndizierten deutschen Weißblechwerken an-,
schlössen, und ihre tatsächlich hervorragenden Qualitätsliefe-
rungen unter die Kontrolle der Verkaufs- und Lieferungsr
bedingungen des Kölner Syndikates stellten, sehr zuungunsten
der deutschen Verbraucher.
England stellte schließlich, nach Absatz drängend, manche
Offerte unter die Verbilligungsklausel, mit der Verpflichtung,
billiger als abgeschlossen zu fakturieren, und zwar um den
Betrag niedriger, um welchen der Standardpreis für I C zur
Zeit des Verkaufsabschlusses hinter dem Tagespreis im Augen-
blick der Lieferung zurückbleibt.
Diese ungesunde Preispolitik ermöglichte andererseits'
manche Spekulation gegenüber den Angeboten derjenigen eng-
lischen Werke, welche sich auf diese Baisseklausel nicht ein^
ließen, beraubte die Kalkulationen der sicheren Grundlage und
zeitigte häufig Forderungen in Fertigwaren, die den Absatz
wenig nutzbringend gestalteten. Die Blechemballagen-Fabri-
kation hatte hiernach vielfach mit recht gedrückten Preisen
zu rechnen, und wenn behauptet 'wird, daß die Resultate einzelner
Fabriken durch die allgemeine Wirtschaftslage und die Ver-
Englische
Weißblech-
preise.
Deutscher
Weißblech-
markt.
Weißblech-
syndikat
Baisse-Klausel.
Verkaufspreise.
284
V. Metallverarbeitung.
Stil, der
Dekorationen.
Export.
Militärischer
Bedarf.
Geschäftsgang.
hältnisse im Weißblechmarkte im Absätze nicht sonderlich' be-
rührt werden, so bezieht sich das fast ausschließlich auf Artikel
minderwertiger Art, wie Dosen für Wichse und Creme und
dergleichen, oder die einfacheren Herrichtungen von Kannen
und Kanistern, für welche die Notierungen 1913 merklich ab-
gebröckelt sind.
Günstiger für den Verkauf im Inlande und Auslande lagen
Idie Verhältnisse bei ' den Fabrikaten, die mehr nach der kunst-
industiiellen Richtung gravitieren, also bei Blech Verpackungen
für Kakes, Biskuits, Tee, für die chemisch - pharmazeutische
Industrie, für Zigaretten, ferner Blechplakaten, und es erscheint
hieibei charakteristisch, daß bei den Blechpackungen Deko-
rationen sezessionischen Geschmackes bevorzugt werden.
Der Export nach den Balkanländern erfuhr 1913 natur-
gemäß manche Einschränkung. Die Bestellungen für England
verminderten sich, diejenigen für die englischen und holländischen
Kolonien, für Südamerika verbesserten sich, und berechtigten
angesichts der amerikanischen Zollermäßigungen zu Hoffnungen
auf erhöhten Absatz dorthin. Wenn die Zollerleichterungen
für die Einfuhr in Frankreich weitere Ausdehnung finden,
,W erden die deutschen Fabrikanten auch wieder in den Stand
(gesetzt sein, ihre früheren, zurzeit eingeschränkten geschäft-
lichen Beziehungen in vermehrtem Umfange wieder aufnehinen
zu können.
Die Blech emballagenindustrie wurde auch 1913 für mili-
tärischen Bedarf in Anspruch genomlnen.
66. Haushaltungsgegenstände.
Trotz der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage hat
sich der Umsatz in Haus- und Küchengeräten im Verhältnis zum
Vorjahr gehoben. Das Versandgeschäft ist auf der gleichen Stufe
wie in den Vorjahren, d. h. nicht zufriedenstellend, geblieben.
Der Grund hierfür ist der, daß die Kundschaft in allen mittel-
großen Städten sämtliche Waren und Fabrikate erstehen kann,
die sie in Berlin findet. Das Weihnachtsgeschäft war, nament-
lich was die Luxusartikel Wie Piatedsachen und Kleinmöbel
betrifft, bedeutend besser als im Vorjahr. Die Saison- und
Inventurausverkäufe sind in Berlin durch eine polizeiliche
Anordnung auf die Zeit vom 1. Jan. bis zum 15. Febr. und
vom 15. Juni bis zum 1. Aug. beschränkt worden und haben
dadurch vollständig ihren Wert verloren. Anderseits ist aber
auch zu konstatieren, daß die RamschVerkäufe oder die wilden
Ausverkäufe fast ganz aufgehört haben. In Wirtsch'afts-
einrichtungen waren während des ganzen Jahres gute Quali-
täten bevorzugt. Die Küchenmöbel werden dem kaufenden Publi-
kum meist imlner noch von den beratenden Architekten mit-
geliefert, die sich ihrerseits mit Möbelgeschäften oder Tischlereien
1
67. Emaillewaren,
285
in Verbindung setzen. Hierdurch wird den Spezialgeschäften
der Haushaltungsbranche großer Abbruch getan. Der Absatz
in Eisschränken war befriedigend. Außerordentlich entwickelt
hat sich der Konsum in Obsteinkoch-Apparaten, so daß hierin
über das Doppelte des vorigen Jahres abgesetzt werden konnte.
Was die Kochgeschirre im allgemeinen anbetrifft, so werden
fast nur noch ganz schwere Qualitäten verlangt, dagegen ist
die Nachfrage nach Aluminium im letzten Jahre wieder stfärker
hervorgetreten, während Nickel- oder nickelplattierte Koch-
geschirre wegen des zu hohen Preises außerordentlich wenig ver-
langt wurden. Das Geschäft in Waschtischen, namentlich solchen
mit Marmorplatten für Wasseranschluß, und in den dazu ge-
hörigen Artikeln hat einen ganz außerordentlichen Aufschwung
genommen. Es wird hierin nur beste Qualitätsware verlangt,
und es werden die entsprechenden Preise dafür bezahlt. Selbst-
verständlich hat dadurch der Absatz in Fayence- Waschgeschirren
entsprechend nachgelassen, doch überwiegt der Vorteil, den der
Verkauf der ersterwähnten Waschtische mit sich bringt, den
Verlust, den der Nichtkauf der Fayence-Waschgeschirre her-
vorruft.
Während des letzten Jahres sind von den Fabrikanten
keine Preiserhöhungen vorgenommen worden. Die Konventionen
für Steingut und Porzellan blieben unverändert, dagegen haben
seit dem 1. Jan. 1914 sämtliche Glasfabriken ihre Preise um
10 o/o erhöht.
Ein großer Schaden erwächst der Branche dadurch, daß
Privatpersonen unter Umgehung des Zwischenhändlers von
Englosgeschäften und Fabriken beziehen. Es finden sich immer
wieder Lieferanten, die gegen eine Provisionsgebühr direkt an
derartige Abnehmer liefern. Es haben sich infolgedessen auch
Ende des Jahres Spezialgeschäfte und Warenhäuser zu dem
Schritt veranlaßt gesehen, die Fabrikanten auf diese Umgehung
des Handels aufmerksam zu machen und ihnen die Entziehung
der Kundschaft anzukündigen.
Ausschaltung
des Handels.
Kartelle.
67. Emaill e war en.
Dem Großhandel brachte das Berichtsjahr einen nicht un-
wesentlichen Pückgang des Umsatzes, welcher teilweise auf den
allgemeinen Geldmangel, am hiesigen Platze hauptsächlich auf
das daniederliegende Baugeschäft und den dadurch hervorgerufenen
Geldmangel in der arbeitenden Bevölkerung, zurückzuführen war.
Anfangs blieben die Preise stabil, im Laufe desi Jahres bröckelten
sie jedoch mehr oder weniger ab. Die Werke machten Pred's-
kon2essionen, und der Großhandel versuchte durch Preisunter-
bietungen Aufträge zu erhalten. Der Detailhandel spürte die
Konkurrenz sehr empfindlich. Die besseren Fabrikate wurden
stark zurückgedrängt, und das Publikum bevorzugte hauptsächlich'
Geschäftsgang
286
V. Metallverarbeitung.
Preise.
Arbeiter-
verhältnisse.
die billigeren Erzeugnisse, die wiederum zu wesentlich niedrigeren
Preisen als früher angeboten wurden. Obgleich Deutschland noch
immer die große Produktion in emaillierten Blechwaren besitzt
und den Weltmarkt beherrscht, so macht sich doch die Konkurrenz
des Auslandes mehr und mehr fühlbar. In Ländern, die früher
nur auf Deutschland angewiesen waren, werden Emaillierwerke
gegründet, die allerdings wegen der Eigenart des Artikels Be-
deutung bis jetzt noch nicht erlangen konnten. Infolge des Rück-
gangs des Umsatzes und des Rückgangs der Verkaufspreise, auch
infolge der erhöhten sozialen Lasten, war der Erfolg ganz und
gar unbefriedigend. Dies gilt von der Kochgeschirr- und Schilder-
branche, wie auch von der Spezialbranche für Lohnemaillierung
von Blechteilen für die Beleuchtungsindustrie (Lampen arm aturen).
Der Geschäftsgang ließ von Monat zu Monat immer Inehr nach und
war besonders still im Herbst und Winter, so daß die Fabrikanten
gerade in den sogenannten Saisonmonaten die Arbeitszeit ver-
kürzen und die Arbeiter aussetzen lassen mußten. Während siDnst
gerade in der Zeit von Oktober bis AVeihnachten fieberhaft ge-
arbeitet wurde, war es in diesem Jahre ganz still und empfind-
licher Arbeitsmangel trat ein. Diese schlechte Situation drückte
natüilich auf die Preise, und es wurden vielfach Geschäfte
ohne jeden Nutzen, ja mit Verlust, abgeschlossen, um nur einiger-
maßen Absatz zu haben und die Fabrikation im Gange zu
halten.
Das Preisverhältnis zwischen Rohstoffen und Fertig-
fabrikaten war nach wie vor ungünstig. Bleche sind ja
im Jahre 1913 billiger geworden, dagegen hielten sich
andere wichtige Rohmaterialien auf der bisherigen Preishöhe.
Teilweise mußte die Emailleindustrie sogar höhere Preise be-
zahlen. Besonders schwer wurde die immer mehr zunehmende
•Verteuerung des Borax empfunden, der von Jahr zu Jahr von
(der Borax - Union in die Höhe getrieben wurde. Dabei kommt
eine derartige Erhöhung meist sehr plötzlich von London, und
der deutsche Abnehmer hat, wenn er Borax haben will, ein-
fach den erhöhten Preis zu bezahlen, wenn nicht gerade noch
Abschlüsse vorliegen. Kohlen, ein bedeutender Faktor für die
Emailleindustrie, waren unverändert teuer.
Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern ver-
schlechterten sich weiter. Der Metallarbeiter -Verband, dem die
Berliner Emaillearbeiter angeschlossen sind, sucht rücksichtslos
seine Wünsche durchzudrücken. Trotz des schlechten Geschäfts-
ganges wurde seitens der Arbeitnehmer auch in diesem Herbste
mit Streik gedroht, falls nicht Meinungsverschiedenheiten, die
sich bezüglich der Auslegung des im Jahre 1912 abgeschlossenen
Tarif es ergeben hatten, so beseitigt würden, wie die Arbeit-
Jiehmer es verlangten. Die Arbeitgeber haben, um Kämpfe
zu vermeiden, auch diese Wünsche der Arbeiter wieder erfüllt.
69. Kupfer- und Alessingindustrie.
287
Doch, dürfte für eine nicht allzu ferne Zeit mit schweren
Kämpfen zu rechnen sein.
68. Eisenmöbelindustrie.
Der Bedarf in Bettstellen blieb im Berichtsjahre hinter
den Erwartungen zurück. Auch ließen die wenigen Aufträge
nur einen geringen Nutzen, da einige Fabrikanten durch
Unterbietungen die Bestellungen an sich zu reißen suchten,
obgleich bei der Herstellung der Fertigware zu hohen Preisen
eingekaufte Rohmaterialien Verwendung fanden.
Das Geschäft in eisernen Gartenmöbeln ließ sich sehr gut
an, da die verschiedenen Ausstellungen im Reiche bedeutende
Umsätze brachten. Wenngleich auch der Nutzen an diesem
Artikel nur ganz unbedeutend ist, so brachte doch die Masse
ein einigermaßen befriedigendes Resultat.
Um die allgemeine Arbeitslosigkeit so viel als möglich
zu mildern, entschlossen sich die Behörden, Notstandsarbeiten
ausführen zu lassen, wovon auch die Eisenmöbelindustrie profi-
tierte. Leider verfolgen aber die Behörden nach wie vor das
Prinzip, bei Submissionen dem Mindestfordernden den Zuschlag
unbekümmert darum zu erteilen, ob er auch die nötigen
Garantien für zweckmäßige Ausführung der ihm übertragenen
Arbeiten bietet.
Im allgemeinen könnte der Entwicklung des Jahres 1914
hoffnungsfreudiger entgegengesehen werden, wenn nicht erste
Fabrikanten noch im vierten Vierteljahr die Preise unbegrün-
deterweise derart gedrückt hätten, daß bei manchen Artikeln
fast gar kein Nutzen mehr blieb, bei anderen sogar mit direktem
Verlust verkauft wurde.
69. Kupfer- und M ess i ng i n dus t r i e.
Erster Bericht.
Das Berichtsjahr war für die Messingindustrie wenig
günstig. Der Beschäftigungsgrad für reine Handelsware, d. h.
tPür Messingbleche, -Stangen, -Profile und -Drähte, ließ sehr
zu wünschen übrig. Die verhältnismäßig wenig zahlreitihen
Aufträge von größerem Umfange wurden — zum Teil in dem
"Bestreben, Beschäftigung zu bekommen — zu Preisen über-
nommen, die einen Verdienst nicht zuließen.
Ueberhaupt gingen die Preise, die schon nach der Auf-
lösung des Messingverbandes weichende Tendenz gezeigt hatten,
mehr und mehr zurück, so daß gegen Ende 1913 das Preis-
niveau für Messingwaren überall unerwünscht niedrig war. Die
Möglichkeit, die Preise wieder aufzubessern, lagen dagegen zu
idieser Zeit nach der allgemein verbreiteten Ansicht noch' in
weiter Ferne.
Bettstellen
Gartenmöbel.
Lieferungen
an j Behörden.
Ausblick.
Erster Bericht.
AUgemeüies.
288
V. Metallverarbeitung-.
Die Preise des Kupfers, des wichtigsten von der Messing-
industrie benötigten lloliproduktes, schwankten im Berichtsjahre
derartig, daß dadurch die ganze Geschäftsentwicklung gehemmt
wuide. Die Notierungen, die den Interessenten von Amerika,
von London und n^euerdings auch von der Berliner Börse tag-
täglich zugehen, und die sonst Maßstab und Basis für weitere
Entschließungen bildeten, haben namentlich in den letzten
Monaten des Berichtsjahres wiederholt derartig überraschende
Ziffern gebracht, daß Käufer und Konsumenten jedes Vertrauen
zur Marktlage verloren. Die Kupfersituation wurde aus-
gespiochen unübersichtlich. Infolgedessen unterblieben Ab-
schlüsse größeren Umfangs, und es wurde schließlich nur für
den unmittelbaren Bedarf gekauft.
Konvention. Die auch im Berichtsjahre fortdauernden Bestrebungen, die
Messingwerke Deutschlands in einer Preiskonvention zusammen-
zuschließen, müssen nach wie vor als aussichtslos bezeichnet
werden. Es ist nur eine „Wirtschaftliche Vereinigung" zustande
gekommen, die satzungsgemäß nur den Zweck hat, die wirt-
schaftlichen, sozialpolitischen und technischen Interessen der
deutschen Messingindustrie wahrzunehmen. Es werden in der
Vereinigung zollpolitische und Verkehrsfragen sowie Fach-
angelegenheiten gemeinschaftlich und einheitlich behandelt, Er-
fahrungen allgemeiner Art ausgetauscht usw. Da die Tätigkeit
des Vereins sich nicht auf Preisvereinbarungen, Behandlung
von Quotenfragen u. a. erstreckt, war es möglich, in ihm
nahezu sämtliche deutschen Messingwerke zu vereinigen.
ZweiterBericht. Zweiter Bericht.
Allgemeines. Die im Vorjährigen Bericht ausgesprochene Befürchtung,
daß eine Gesundung des Absatzes für die Messingfabrikate
nur erfolgen kann, wenn die politischen und wirtschaftlichen
Verhältnisse eine wesentliche Besserung erfahren, hat sich im
Laufe des Berichtsjahres bestiätigt. Die europäischen Verwick-
lungen haben selbst nach Einstellung der offiziellen Feindselig-
keiten der betroffenen Völker auf Handel und "Wandel auf
Monate hinaus noch lähmend gewirkt und einen Geldstand
hervorgerufen, wie er nur in den ernstesten Zeiten zu ver-
zeichnen war.
Die Aufnahmefähigkeit des Auslandes für Messingfabrikate
wurde durch das Fehlen von Unternehmungslust und durch den
Mangel an den nötigen Kapitalien auf ein Minimum reduziert,
imd sehr viele Fabriken unserer Branche konnten die Pro*
duktionsziffern früherer Jahre nicht erreichen. Hand in Hand
hiermit ging das Abflauen des Bedarfs im Inlande. Die folgen-
den Tabellen über die Preise der Eohmetalle und der Messing-
fabrikate zeigen ein fast ununterbrochenes Fallen der Kurve
seit Januar 1913.
Kupfer- und Messingindustrie.
289
Tab. 122.
Metallpreise (in £ für die Tonne von 1016 kg).
Preisstatistik.
Januar .
Februar
März . .
April . .
Mai . .
Juni . .
Juli . .
August .
September
Oktober .
November
Dezember
Best Selected
Kupfer
Standard
Kupfer
Zink Spezial
82.10
76.—
73.10
76.—
75.—
72.10
70.—
75.10
80.10
79.50
75.—
69.10
77.5
69.—
66.10
68.10
68.—
64.10
63.—
68.10
73.50
73.—
67.10
64.10
27.10
26.10
26.—
26.10
25.—
23.10
22.—
22.50
22.50
21.15
21.15
22.10
Zinn
227.—
218.—
206.—
225.-
213.—
195.—
183.—
195.—
197.—
189.—
183.—
170.—
Tab. 123. Preise der Messingfabrikate
(in Mark für 100 kg für Grundpreisdimensionen)^
I Messing-
blech
Messing-
stangen
Messing-
rohr
Kupfer-
rohr
I Kupfer-
i Stangen
I Kupfer-
I blech
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August .
September
Oktober .
November
Dezember
148,—
140,—
137,—
139,—
138,—
138,—
135,—
138,—
140,—
135,—
130,—
126,-
134,—
128,—
125,-
127,—
125,—
125,-
121,-
124,—
126,—
122,—
117,-
I 113,—
170,—
212,-
201,-
185,-
166,—
200,—
192,-
174,-
161,—
203,—
192,-
174,-
162,—
208,—
192,—
175,-
160,-
211,-
192,—
179,-
160,-
206,-
185,—
176.—
157,-
198,—
184,—
167,—
159,—
205,-
188,-
172-
162,—
214,-
199,—
182,-
158,—
215,-
198,—
188,-
153,-
201,-
189,—
172,-
149,—
198,—
183,—
165 —
Die für Kupferrohr, Kupferblech, und Kupferdraht be-
stehenden Vereinigungen haben auch im Berichtsjahre dafür
gesorgt, daß die Preise einen angemessenen Nutzen ließen, wenn
auch sehr oft infolge des Auf tauch ens neuer Konkurrenz erheb-
liche Konzessionen gemacht werden mußten. Neue Syndikate,
speziell für Messingblech, -Draht und -Stangen sowie Messing-
röhren, haben sich nicht gebildet, und es wurden auch' bei
dem schleppenden Geschäftsgang keine Anstrengungen gemacht,
die deutschen Werke zu einer Verständigung zu veranlassen.
Von den Abnehmern der Messingindustrie waren die Schiffs-
bau betreibenden Fabriken sowie die Lokomotivfabriken wohl
etwas besser als in den früheren Jahren beschäftigt, während
gerade in der Lampenfabrikation und auch in der Maschinen-
branche, die in früheren Jahren einen ganz erheblichen Bedarf
hatten, besonders durch den Ausfall von Exportaufträgen eine
ganz wesentliche Verminderung des Verbrauchs eingetreten ist.
Bezüglich des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und
Arbeitern ist zu berichten, daß Streiks und Lohnbewegungen
in großem Maßstabe im Berichtsjahre nicht stattgefunden
haben, weil wohl durch die fast überall sich als notwendig
ergebende Verminderung des Arbeitspersonals die Zurückbleiben -
Berl. Jahrb. f. Handel u, Ind. 1913. II. 19
Kartelle.
Abnehmer.
Arbeiter-
verhältnisse
290
V. Metallverarbeitung.
Rückgang
der Zinkpreise.
LageamSchlu(.'i
des Jahres.
Dritter Bericht.
Allgemeines.
den überzeugt waren, daß irgendwelche Forderungen bezüglich
Lohnerhöhung beim augenblicklichen Geschäftsgang unbedingt
abgelehnt worden wären.
Von den Rohstoffen sank im Berichtsjahre besonders Zink
sehr stark im Preise, was darauf zurückzuführen ist, daß die
Zinkkonvention bei den großen angesammelten Quantitäten
nicht in der Lage war, zu den im Anfang des Jahres fest-
sgesetzten hohen Preisen sich Absatz zu verschaffen. Auch
hieran ist zu erkennen, daß der Bedarf im Berichtsjahre wesent-
lich geringer gewesen ist.
Eß besteht augenblicklich noch keine Aussicht, daß der
gegenwärtige Zustand eine Aenderung erfährt, doch hofft man
allgemein, zurzeit auf dem tiefsten Punkte des Niederganges
der Konjunktur angelangt zu sein, und erwartet von dem
besseren Geldstand, daß er eine Steigerung der Unt-ernehmungs-
lust sowie eine Belebung der Geschäfte mit sich bringen wird.
Dritter Bericht.
Die Geschäftslage der Messing- und Kupferindustrie im Jahre
1913 wai' nicht erfreulich. Den ungünstigsten Einfluß übte der
sehr unregelmäßige Verkehr des Rohkupfermarktes aus. Da die
Fabrikanten der Kupfer- und Messingbranche, um vor Mangel an
Rohstoffen geschützt zu sein, stets für spätere Sichten kaufen
müssen, war der Konjunkturverlust auf Rohkupfer recht be-
trächtlich. Auch im weitern Verlauf des Jahres lösten Hausse
und Baisse auf dem Rohkupfermarkt sich ab, so daß eine Stabili-
tät der Notierungen und damit Vertrauen zur Lage nicht auf-
kommen konnte. Die Kundschaft hielt deshalb mit Abschlüssen
für längere Fristen zurück und beschränkte sich im allgemeinen
darauf, den dringendsten Bedarf von Fall zu Fall zu decken.
Trotzdem waren die Betrieb« bis Ende Oktober in allen Abtei-
lungen befriedigend beschäftigt. Dies ist zum Teil allerdings
darauf zurückzuführen, daß der Auftragsbestand, den die Fa-
briken in das Berichtsjahr übernommen hatten, sehr bedeutend war.
Aus der Lampen- und Schraubenindustrie, die neben der Elektrizi-
tätsindustrie als Hauptabnehmer von Messing in Betracht
kommen, wurde über die Geschäftslage Klage geführt, und der
Absiatz in Messing blieb deshalb hinter dem des Vorjahres etwas
zurück. Der Gesamtabsatz hat sich dagegen etwa auf der vor-
jährigen Höhe gehalten, während der Auftragsbestand gegen Ende
1913 erheblich niedriger als zur gleichen Zeit des Vorjahres war.
Die Preise in den letzten Monaten des Berichtsjahres mußten als
direkt verlustbringend bezeichnet werden. Die ungünstigen Geld-
marktverhältnisse zwangen die Kundschaft, das Zahlungsziel voll
auszunutzen. In nicht seltenen Fällen mußten sogar langjährige
als zahlungsfähig bekannte Abnehmer an die Erfüllung ihrer
Pflichten erinnert werden.
69. Kupfer- und Messingindustrie.
291
Die Beschäftigung in Kupferdrähten war befriedigend. Der
Kupferdrahtverband konnte seinen Absatz gegenüber dem Vor-
jahre steigern. Trotz des Wettbewerbs einiger Außenseiter waren
die Preise rentabel.
Die Beschäitigung in Stehbolzenkupfer war infolge größerer
Lokomotivbestellungen seitens der Staatsbahnen und direkter Be-
stellungen auf Kupfer von dieser Seite zufriedenstellend.
Der Geschäftsgang in Kupferblechen war schleppend. Der
Absatz des Kupferblech-Syndikates blieb nach der Uebersicht
für Ende September hinter demjenigen des Vorjahres zurück.
Die Preise waren, der Geschäftslage entsprechend, bescheiden.
Arbeitskräfte waren in hinreichendem Maße vorhajiden. Na-
mentlich in der zweiteni H(ä{lf te des Jahres war der Arbeiterandrang
sehr reichlich. Lohnbewegungen fanden nicht statt. Die Arbeits-
löhne sind nicht gekürzt worden, ebenso konnten Verkürzungen
der Arbeitszeit vermieden werden.
Im Exportgeschäft war der Wettbewerb ganz besonders
schaxf. Das italienische Geschäft fiel vollständig au^, weil ins-
besondere französische Werke zu den weitestgehenden Konzessio-
nen bereit waren. Aber auch in den ausländischen Hauptabsatz-
gebieten, in Dänemark, Norwegen und Schweden, waren die Ver-
hältnisse sehr unbefriedigend.
Die politischen Verhältnisse haben auf die Geschäftslage
insofern ungünstig eingewirkt, als durch sie die Verhältnisse
des Geldmarktes sehr verschlechtert wurden, worunter die Ge-
samtindustrie Deutschlands stark litt. Wenn auch der Reichs-
bankdiskont gegen Ende des Berichtsjahres herabgesetzt wurde,
so hielt er sich doch immer noch auf einer Höhe, die die auf Kredit
angewiesenen Unternehmer davon abhielt, sich mit fremden Ka-
pital großen Aufgaben zuzlu wenden.
Vierter Bericht.
In der Kupferschmiederei, Apparate- und Armaturenfabrika-
tion gestaltete sich das Jahr 1913 infolge der politischen Wirren
und der damit verbundenen Zurückhaltung auf dem Geldmarkte
erheblich ungünstiger als da« vorhergegangene Jahr. Nament-
lich im ersten Halbjahr machte sich ein wesentlicher Rückgang
der Aufträge bemerkbar. In der zweiten Hälfte des Jahres war
allerdings der Beschäftigungsgrad ein größerer, was aber an dem
wenig günstigen Gesamtergebnis nichts mehr ändern konnte.
Gegen Schluß des Jahres erfuhr das Geschäft eine weitere Ver-
schlechterung. Das Hauptkontingent der Abnehmer der Fabri-
kate stellte wie in früheren Jahren die chemische Industrie.
Geringer war der Bedarf in der Spiritus- und Brauindutrie.
was seinen Grund wohl darin hat, daß der Spiritusverbrauch
zurückgeht und auch der Konsum an Bier nicht in dem er-
19*
Kupferdrähte.
Stehbolzen-
kupfer.
Kupferblech.
Arbeiter-
verhältnisse.
Export.
EintluiJ
der politischen
Verhältnisse.
Vierter Berifht.
Geschäftsgang.
292
V. Metallverarbeitung.
Export.
Arbeiter-
verhältnisse.
Roh-
materialien.
Bleirohr.
Geschäftslage.
Materialpreise.
Verkaufspreise.
Zinnrohr.
warteten Maße steigt und die für die Brauindustrie in Be-
tracht kommenden Eohmaterialpreise erheblich gestiegen sind.
Der Export hielt sich ungefähr auf gleicher Höhe wie 1912.
Arbeitskräfte waren in genügendem Maße vorhanden, und
da^ Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war
befriedigend. Arbeitseinstellungen und Aussperrungen sind
nicht vorgekommen. Die Löhne hielten sich auf derselben Höhe
wie im vergangenen Jahre.
Die für die Industrie hauptsächlich in Betracht kommenden
Rohmaterialien Kupfer, Zinn, Blei und Zink erfuhren erhebliche
Preisrückgänge. Der Grundpreis für Kupferbleche fiel z. B,
von 195 Mk. auf 161 Mk. 100 kg und erholte sich erst gegen
Ende Dezember um eine Kleinigkeit.
70. Bleirohr- und Zinnrohrfabrikation.
Ende 1912 waj* ein erheblicher ilückgaiig der Bautätigkeit
in Groß-Berlin festzustellen; im Berichtsjahre hat die Lage
des Berliner Grundstücksmarktes sich weiter ungünstig gestaltet.
Das Baugewerbe lag danieder, der Wohnhausneubau stockte
fast völlig, wodurch der Bedarf an Bleiröhren zu Wasser-
leitungszwecken zurückging. Die Ende Oktober erfolgte
Diskontherabsetzung um V2 °/o konnte im Berichtsjahr eine
Belebung des Baugeschäftes nicht mehr herbeiführen. Eine
weitere Besserung des Geldmarktes wird jedoch in erster Linie
zur Wiederbelebung der Bautätigkeit beitragen. Geforderte Er-
leichterungen im Grundstückshandel bzw. Milderung der allzu
stark gestiegenen Belaßtimg des Grundstücksverkehrs würden ein
weiteres Föixienmgsmittel bilden. Die AbnaJime des Wohnungs-
ajigebotes, die das Üuhen der Wohnungsproduktion unter nor-
malen Verhältnissen zur Folge haben muß, wird letzten Endes
für die Beleblmg der Bautätigkeit eine Triebfeder sein.
Die rückläufige Bewegung der Bleipreise geg^en Ende 1912
setzte sich fort bis in den Monat März 1913 hinein. Blei notierte
in Loittdon Anfaag Januar 1913 ca. 18 £, weichend im Monat März
bis auf ca. 151/2 £. Von Mitte Mjärz 1913 ab zogen die Blei-
preise an und erreichten im Sommer des Jahres den hohen
Stand von 21 £.
Infolge der Gesamtla^ des Berliner Bleirohrmarktes, \er-
schärft dUTüh Sonderumstände und den verminderten Bedarf, setzte
im Berichtsjahr unter den beteiligten Firmen ein söharfer Wett-
bewerb ein. Die Preise für Bleiröhren gingen mehr und mehr
herunter, so daß zeitweise bei größeren Geschäften kalkulations-
mäßig kaum oder wenig mehr als die Selbstkosten gedeckt
wurden. Am Jahresschluß bestand im weiteren Berliner Bezirk
dieser Preisdruck noch fort.
Die Marktlage für Zinnrohr zeigte im Berichtsjahr im Ver-
gleich zum Vorjahr keine nennenswerten Aenderungen.
71. Metallschrauben- und Mutternfabrikation usw.
293
'71. Metallschrauben- und Mutternfabrikation
sowie Fassondreherei.
Wenn im vorjährigen Bericht das Ergebnis des Jahres 1912
als befriedigend bezeichnet werden konnte, so ist für das Jahr
1913 das Gegenteil festzustellen. In den ersten Monaten dies
Berichtsjahres war es möglich, den Betrieb noch einigermaßen
im vollen Umfange aufrechtzuerhalten, weil noch aus dem
Vorjahre herrührende größere Orders z'u erledigen waren. Der
Eingang an neuen Bestellungen war jedoch von Anfang an außer-
ordentlich gering und ließ seit Mai so erheblich nach, daß seit
Juli in den meisten Eabriken der Betrieb eingeschränkt werden
mußte. Aber nicht (nur die verkürzte Arbeitszeit kennzeichnet
die ungenügende Beschäftigung, sondern es stand zeitweise auch
ein Teil der Maschinen mangels Arbeit vollständig still. Unter
solchen Umständen war naturgemäß das Verhältnis zwischen
Herstellungskosten und Verkaufspreisen außerordentlich un-
günstig. Die erzielten Preise gingen häufig unter die Selbst-
kosten, ja es sind vielfach — insbesondere bei größeren Ob-
jekten — kaum Materialpreise und Arbeitslohn gedeckt worden.
Bei einem Aufschlag der Unkosten oder gar einem bescheidenen
Nutzen fanden die Preise keine Bewilligtmg, da sie aus der
Provinz, hauptsächlich Süddeutschland, unterboten wurden. Da-
bei sind die Preise für die Bohmaterialien keineswegs billiger
geworden ; sowohl Messing als auch Eisen und Stahl hielten sich
im Durchschnitte auf dem Niveau des Vorjahres. Ferner haben
auch die hohen Preise für die Hilfsmaterialien, wie Oele, Benzin,
Petroleum, Schwefelsäure, Kohlen usw., keine Veränderung er-.
fahren. Somit konnten die Herstellungskosten also nicht ver-
mindert werden, ziumal die bereits }w>hen Gehälter und Löhne
durch die Beiträge z^ur Privatangestellten- Versicherung eine
weitere Steigerung erfahren haben. Selbst technische Neuerungen,
die eine Verminderung der Herstellungskosten herbeiführen
sollten, haben z'u einem Erfolge nach dieser Biohtung nur in-
sofern verhelfen, als idie Verbilliguag den Konsumenten, nicht
aber den Fabrikanten z'uglite kam.
Diese unerfreuliche Tatsache wurde mitbedingt durch dad
Submissionswesen, das nach wie vor in schlimmster Blüte steht.
um ein Beispiel anzuführen — etwa auf:
Beschnf-
tigungsgrad.
Lautet die Anfrage
10 000 Stück Schrauben Vie" X 15 mm
10 000 „ „ Vi6"X20 „
10 000 „ „ V4''X25 „
10 000 „ „ 74^X30 „
so erhält nicht etwa der Submittent den Auftrag, der in der
Gesamtsumme der billigste war, sondern es werden ihm nur
diejenigen Positionen ztigeteilt, in denen er der billigste war.
Verhältnis
zwischen
Herstellungs-
kosten
und Preisen.
Submissions-
wesen.
294
V. Metallverarbeitung.
Dabei findet dann natürlich die Tatsache, daß für die Preis-
bildung die Voraußsetzung maßgebend war, daß wenig-stens gleich-
artige Sorten ungeteilt zur Bestellung gelangen müßiten, keine
Berüidksicihtigung. — Dias Verhältais zwiscben Arbeitgebern und
Arbeitern war im Bericbtsjalir nicht getrübt. — Summariscli
kann gesagt werden, daß das Jahr 1913 das sehlecbteste ist^
daß die BranGhe seit langem zu verzeichnen hatte. Leider sind
auch die Aussiohten für 1914, wenigstens für das erste Semester,,
recht unerfreulich.
Umsätze
und Preise.
Export.
Aussichten.
72. Kunstindustrie,
besonders Bronze-Kunstindustrie.
Im Gegensatz zum Vorjahre war die Geschäftslage im
Jahre 1913 schon von Anfang an durchweg ungünstig. Der Ab-
satz in besseren Fabrikaten war schwer, da das Weihnachts-
geschäft 1912 im allgemeinen wenig befriedigt hatte, und den
Detaillisten ein ziemlich großer Lagerbestand geblieben war.
Infolgedessen und im Zusammenhange mit der herrschenden
Geldknappheit waren viele Geschäfte im Frühjahr nur mit
Valutierung der Rechnungsbeträge oder Gewährung ausgedehnter
Zahlungsfristen abzuschließen, die dann neben der rückläufigen
Konjunktur das Herbstgeschäft doppelt ungünstig beeinflußten.
Wohl nie in den letzten Jahrzehnten waren die Klagen der
Detaillisten m Deutschland über die Ungunst der Verhältnisse
so ^roß, wie im Jahre 1913, in dem manche schwache Existenz
zugrunde ging. Dabei waren die Preise für Metalle — Kupfer
und Zinn — wie für alle Materialien, besonders Feuerungs-
material, ziemlich hoch, und die Arbeitslöhne blieben unver-
'ändert auf der Höhe, die sie während der Hochkonjunktur
der Vorjahre erreicht hatten. — Noch schlechter als in Deutsch-
land war die Geschäftslage in den Vereinigten Staaten, Frank-
reich und Oesterreich-Ungarn, so daß viele Fabrikanten ihre
Reisetätigkeit einschränkten, weil sie zum Teil nicht ihre Spesen
verdienen konnten. Der südamerikanische Markt litt unter den
Krisen in Argentinien und Brasilien, blieb aber trotzdem einiger-
maßen kaufkräftig, ebenso wie Rußland und Italien. — Ameri-
kanische Einkäufer, die im November in Deutschland weilten,
disponierten vorsichtig, .weil sie selbst noch kein .abschließendes
Urteil darüber haben, wie der neue amerikanische Zolltarif auf
das Geschäftsleben ihres Landes wirken wird.
Üeber die Aussichten im kommenden Jahre kann man
sieh vorläufig noch kein klares Bild machen. Es ist zu hoffen,
daß die gegenwärtige Zurückhaltung der Zwischenhändler eine
Gesundung der Marktlage herbeiführen und neuen Bedarf
zeitigen wird.
73. Beleuchtungsiiidustrie und Verwandtes.
295
73. Beleuchtungsindustrie und Verwandtes,
a) Beleuchtungsgegenstände (Kronen usw.).
Das Gescliäftsjahr 1913 ist, wie es nicht anders zu
erwarten war, für die I'abrikation kunstgewerblicher Be-
leuchtungsgegenstände nicht zufriedenstellend gewesen. Die
Order eingänge hielten sich in der ersten Hälfte des Berichtsn
Jahres zwar noch auf ungefähr gleicher Höhe wie im Vorjahre,
•gingen aber dann wesentlich zurück und ließen erst im letzten
Monat eine geringe Besserung erkennen. Für den Eingeweihten
war der Konjunkturrückgang nichts Ueberraschendes. Er hatte
seinen Grund zweifellos in den unsicheren politischen Verhält-
nissen des Jahres, welche ungünstig auf den Geldmarkt einwirkten
und dadurch die Bautätigkeit fast lahmlegten. Da aber die
Bronze- und Beleuchtungsüidustrie von der Bautätigkeit völlig
abhängig ist, so blieb der Eückschlag nicht aus.
Bei allen zur Vergebung gelangenden, nur einigermaßen
belangreichen Objekten setzte ein äußerst heftiger Wettbewerb'
ein, der im allgemeinen die Preise auf ein Niveau herabdrückte,
bei welchem von einem regulären Verdienst nicht mehr die
Rede sein konnte und der klar das Mißverhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage erkennen ließ. Ganz besonders kraß
trat dieser ungesunde Zustand wieder bei Vergebung von
Arbeiten im Submissionsverfahren zutage; es gehörte nicht zu
den Seltenheiten, daß die Höchstgebote um mehrere 100 o/o gegen
die Mindestgebote differierten. Die außerdem schon in früheren
Jahren beobachteten Mißstände traten auch im Berichtsjahre
bei Vergebung von Arbeiten wieder in die Erscheinung, insofern,
als zum Beispiel auch die privaten Auftraggeber dazu über-
gingen, das bisher nur von Behörden geübte Verfahren der
Submission, möglichst noch mit verschärften Bedingungen an-
zuwenden, obgleich man sich darüber klar sein sollte, daß bei
Vergebung kunstgewerblicher Arbeiten nicht tier Preis, sondern
die Ausführung allein maßgebend sein kann.
An dem Umsatz selbst war, entgegen früheren Jahren, nur
in geringem Maße das Ausland beteiligt, was darauf zurück-
zuführen ist, daß viele Länder, geschützt durch für sie günstige
Zollverträge, die Produktion selbst aufgenommen haben, so daß
diese Absatzgebiete für die deutschen Produzenten zum großen
Teil verloren gegangen sind.
Vielfach besteht auch noch bei dem kaufenden besseren
Publikum die absolut irrige Ansicht, daß wirklich hervorragende
li]rzeugnisse nur in Frankreich zu haben seren, ohgleich die
deutsche Industrie schon seit vielen Jahren auf einer Höhe
angelangt ist, welche französische Konkurrenz durchaus nicht
mehr zu fürchten braucht.
Beleuchtungs-
ü-egenstände.
Submissionen.
Export.
296
V. Metallverarbeitung.
Kredit-
verhältnisse.
Preise. Die erzielten Preise waren bei der enormen Verschärfung
der Konkui-renz naturgemäß vielfach, außerordentlich gedrückt,
und alle diese Umstände trugen dazu bei, den Grewinn sehr
ungünstig zu beeinflussen, um so mehr, als im Gegensatz zu
dem geringeren Umsatz die Propagandakosten infolge der er-
höhten Akquisitionstätigkeit gestiegen sind.
Die Kredit- und Zahlungsverhältnisse waren denkbar un-
günstig. Der vorsichtige Fabrikant war genötigt, vielfach die
Uebernahme von Arbeiten mit Rücksicht auf die unklaren Ver-
hältnisse des Auftraggebers oder die ungünstigen Zahlungs-
ibediugungen abzulehnen. Es gehörte durchaus nidht zu den
Seltenheiten, daß mehrjährige Kredite verlangt wurden oder
daß für die Erteilung des Auftrages die Uebernahme von Aktien
oder Anteilscheinen zur Bedingung gemacht wurde.
Bedauerlicherweise muß konstatiert werden, daß die Nach-
frage nach besserer Ware, sogenannter Qualitätsware, nicht zu-
genommen hat. Das kaufende Publikum bevorzugte vielfach
einfache, billigere Ausführungen, sehr zum Schaden des Kunst-
gewerbes, da bei Anfertigung derartiger Stücke, welche gewöhn-
lich wenig Ornamentik aufweisen, das Kunsthandwerk sich
nicht in wünschenswerter Weise betätigen konnte; mitbestim-i
mend war hierbei natürlich auch die allgemeine Geldknappheit,
welche dem Käufer auch bis zu einer gewissen Grenze ebenfalls
Enthaltsamkeit auferlegte.
Die Arbeiterverhältnisse waren geregelte und ruhige. Mit
Rücksicht auf den geringen Beschäftigungsgrad genügte das
Angebot von Arbeitskräften vollkommen, auch war die Auf-
nahme von Streiks, die ja bekanntlich nur in Zeiten der Hoch-
konjunktur inszeniert werden, nicht zu beobachten. Die Löhne
hatten teilweise eine steigende Tendenz, was auf die teuren
Lebensmittelpreise zurückzuführen war. Es macht sich auf dem
Arbeitsmarkt leider ein Mangel an Nachwuchs bei gelernten
Arbeitern bemerkbar.
b) Lampenfabrikation (insbesondere für Gas und Elektrizität).
Der niedrige Kursstand und die ungünstige Lage des Bau-
markts übten auch auf die Lampenfabrikation einen lähmenden
Einfluß aus, besonders der einheimische Absatz litt stark unter
diesen Verhältnissen. Die Abnehmer hielten nicht nur mit ihren
Einkäufen zurück, sondern nutzten vielfach auch ein ungewöhnlich
langes Ziel aus, so daß selbst bei alten Verbindungen oft ein
schärferes Vorgehen nötig war.
Export. Dazu kamen auch auf dem Weltmarkt die unsicheren poli-
tischen Verhältnisse, die vielfach den Export erschwerten und
ihn nach den Balkanstaaten und nach Mexiko geradezu unmöglich
machten. Auffallend war dabei nur die Ruhe, mit der von .Kon-
stantinopel Aufträge nicht nur in gewohntem Umfange einliefen,
sondern auch mit erfreulicher Promptheit bezahlt wurden.
Arbeiter-
Verhältnisse.
Lampen-
fabrikation.
Absatz.
73. Beleuchtungsindustrie und Verwandtes.
297
Leider ist trotz der ungimstig^n Gresamtlage die Konkurrenz
noch immer im 'W^acllsen begriffen. Der schwächere Absatz hatte
dadurch ein .gesteigertes Angebot zur Folge und übte auf die
Preise einen ständigen Druck aus. Es gibt sogar eine Konkurrenz,
die sich mit einem Angebot von ,,33V3 <^/o auf die Katalogpreise"
direkt an die Privatkund^chaft wendet. Das Kammergericht hat
mit tJrteil vom 18. Jan. 1913 dieses Verfahren als unlauteren
AVettbewerb Und Verstoß gegen die guten Sitten gekennzeichnet.
Gleichwohl findet sich die nämliche Anpreisung auch neuerdings
wieder in den Tagesblättern: sie spekuliert auf die Gedanken-
losigkeit der Käufer, die annehmen sollen, daß der betreffende
Fabrikant öder Händler aus Menschenfreundlichkeit auf einen
A erdienst ganz oder teilweise verzichtet. — Dabei machte die
^''erteuerung der Eohmaterialien, besonders aber die Steigerung
der Produktionskosten durch die Einführung der Angestellten-
versicherung auch in diesem Jahre einen Preisaufschlag von 5
bis 10 o'o nötig. Ein derartiger Aufschlag ist stets für beide iTeile
unangenehm und gibt zu vielen mündlichen und schriftlichen
Auseinandersetzungen Anlaß ; doch ist diese Fonn der Preisi-
erhöhung im En-gros- Verkehr übersichtlicher als eine Umkalku-
lation der Preise und hat auch den Vorteil, bei der Aufhebung'
des Aufschlages nicht wieder einen jSTeudruck der Kataloge nötig
zu machen. — Von bevorzugten Stilarten trat der glatte hol-
ländische Stil mit Kerzenbeleuchtung noch etwas weiter in den
A'ordergrund. Daneben fanden aber auch die gewohnten Stilarten
willige Käufer, ohne daß gerade immer Stilreinheit BcKÜngung
war. ' Gefälligkeit der Form, gute Ausführung und Preiswürdig-
keit galten durchschnittlich als Hauptanforderungen an die Be-
leuchtungskörper, und das sind Wünsche, die man als wohlberech-
tigt gelten lassen muß.
Das Angebot von Arbeitskräften war groß, dagegen machte
sich ein Mangel an Lehrlingen bemerkbar, der anscheinend auf
die Unbeliebtheit einer vierjährigen Lehrzeit zurückzuführen ist;
die Teuerungsverhältnisse machen eine schnellere Erwerbsreife
wünschenswert.
Konkurrenz-
verhältnisse.
Preise.
Stile.
Arbeiter'
Verhältnisse.
c) Gasglühlichtbrenner.
Von der Geschäftsstille, welche in zahlreichen Branchen
während dieses ganzen Jahres herrschte, ist die Gasbeleuchtungs-
branche auch nicht verschont geblieben; hatte neben Minder-
erträgnissen Kapitalverluste zu beklagen. Die gegen Ende des
vorigen Jahres stattgehabte Beendigung des Patentstreites der
Mannesmann-Gruppe bezüglich Invertlicht hat die daran geknüpf-
ten Erwartungen nur in verschwindendem Maße erfüllt. Auch
Preisherabsetzungen vermochten das Geschäft nicht zu beleben,
da die schlechte Lage des Baumarkts sowie die ungünstigen Geld-
verhältnisse hemmend wirkte. Dieser Mano^el an Neu-
Gasglühlicht-
brenner.
Invertlicht.
Preisherab-
setzungen.
298
V. Metallverarbeitung:.
anlagen verminderte naturgemäß den Bedarf an BeleucJi-
Expoit. tungsartikeln resp. Brennern. Das Exportgeschäft war ebenfalls
im allgemeinen still. Die Beendigung des Balkankrieges hat die
Hoffnung a-iif Steigerung der Ausfuhr nach diesen Ländern resp.
Belebung des Geschäfts nach den österreichischen Staaten nicht
erfüllt. — Ob die Herabsetzung der Zölle in Nordamerika ein©
Förderung des Exports für die Gasbrennerbranche — der bisher
kaum möglich war — bringen wird/ entzieht sich noch der Be-
urteilung. — Der Bedarf an Gasbrennern alter Systeme vermin-
derte sich immer weiter.
Gasmesser und
Gasapparate.
Nachfrage.
Zentrale für
Gasverwertung
Roh-
materialien.
Lohn-
verhältnisse.
d) Gasmesser und Gasapparate.
AVenn im Jahre 1912 schon ein Aufschwung in der Gas-
industrie nicht verzeichnet werden konnte, so ist für 1913 von
einem Rückgang zu sprechen. Der Hauptgrund liegt auch hier
wohl in der geringen Bautätigkeit, die in Berlin und Vororten
herrschte und ihre Ursache in dem teuren Geldstand hatte. Bessere
Nachfrage war nur in Gasautomaten, deren Einführung bei den
verschiedensten Gasanstalten alljährlich zunimmt.
Die für die Brancheinteressen arbeitende Zentrale für Gas-
verwertung hat auch in diesem Jahre diesen Industriezweig vor-
teilhaft unterstützt, doch wird der Kampf mit der Elektrizität
immer schwieriger.
Die Bx)hmaterialien, namentlich Zinn, Kupfer und Weiß-
blech, waren im Anfang des Jahres etwas in die Höhe gegangen,
sind jedoch am Schluß desselben bedeutend billiger geworden,
und zwar wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil keine Nach-
frage vorhanden war.
Da der Lebensunterhalt der Arbeiter teurer geworden ist,
wai' auch an eine Eeduzierung der Löhne nicht zu denken, anderer-
seits ist aber infolge des starken Angebots an Arbeitskräften eine
Erhöhung der Löhne seitens der Arbeiter in Berlin nicht gefordert
worden. Li Hamburg haben die sämtlichen Arbeiter, obwohl
dort eine Tarifvereinigung bestand, eines Mittags die Arbeit
niedergelegt und einen dreizehnwöchigen Streik durchgeführt, der
aber ohne jeden Erfolg seitens der Arbeitnehmer wieder aufgegeben
wurde. Der Berichterstatter erklärt, daß sich bei dieser Gelegen-
heit der unzureichende Schutz der Arbeitswilligen gezeigt habe,
indem Streikposten durch rohe Gewalt die Arbeitswilligen an der
Aufnahme der Arbeit verhindert haben. Die Vereinigung der
Gasmesserfabrikanten bezüglich Gewährung einer höchsten Ga-
rantie von fünf Jahren habe weiter gninstig gearbeitet. Ebenso
habe der Gelbe Verband infolge Wachsens der Mitgliederzahl
einen erfreulichen Aufschwung genommen, so daß zu hoffen sei.
daß hierdurch die Streikgefahr vollständig beseitigt werde.
74. Heizungs-, Lüftungs- usw. Anlagen.
299
e) Laternen.
üeber die Lage der Laternenfabrikation im Jahre 1913 ist
im allgemeinen dasselbe zu sagen wie im Bericht für das voran-
gegangene Jahr. Die Beschäftigung für Behörden war im
großen und ganzen die gleich©, doch ist auch heute noch über die
erzielten Verkaufspreise zu klagen, die nicht in demselben Maße
aufgebessert werden konnten, wie dies die Verhältnisse notwendig
gemacht haben. Das Geschäft in Handelsartikeln dagegen,
namentlich der Export, läßt noch immer zu wünschen übrig. Die
verwickelten politischen Verhältnisse und die erst kurze Zeit
zurückliegenden erneuten Unruhen auf dem Balkan haben das
Geschäft erheblich erschwert. Schwierigkeiten mit den Arbeitern
lagen in diesem Jahr nicht vor. Eine Besserung des G-eschä.fts
ist in diesen Artikeln für die nächste Zeit auch wohl kaum anzu-
nehmen. Die Stille auf dem Baumarkt greift auch auf diesen Ge-
schäftszweig über und eine wesentliche Besserung ist leider auch
für das kommende Jahr im Augenblick nicht zu erhoffen.
Laternen.
74. H e i z u n g s - , Lüftungs- usw. Anlagen.
Da der Baumarkt im Jahre 1913 tief daniederlag, konnte
sich auch die Zentralheizungsindustrie noch nicjit heben. Große
bekannte Baufirmen vermochten sich nicht zu halten und mußten
teils Moratorien nachsuchen, teils Konkurs anmelden. Das Wett-
rennen um die sicheren Anlagen blieb bestehen, und es wnirden
weiter Rekordpreise nach unten aufgestellt. Die Röhren-
und Radiatorenpreise zeigten kleine Scliwankungen, die, wenn
sie nach oben gingen, in den Preisen keine Wiederspiegelung
fanden, aber gleich zum .Ausdruck kamen, wenn Ermäßigungen ein-
trat. Der Tarifvertrag, welcher mit den Arbeitnehmern ge-
schlossen war, lief im April ab und wurde trotz der schlechten
Lage der Branche mit erhöhten Arbeitspreisen bis zum 31. März
1916 verlängert. Infolge des .Balkankrieges und der dadurch her-
vorgerufenen unsicheren Verhältnisse war ^auch das Auslands-
geschäft lange nicht so lebhaft wie sonst, und auch dort wurden
bei den größeren Objekten vielfach nur wenig nutzenlassende
Preise erzielt.
In Wasser-, Gas- und Dampf-Armaturen war das Geschäft
im wesentlichsten durch die schlechten Bau- und Hypotheken Ver-
hältnisse ungünstig beeinflußt. Die dadurch hervorgerufene Min-
derbeschäftigung der gesamten Branche hatte auch in diesem Fall
zur Polge, daß die Verkaufspreise über das notwendige Maß hinaus
herabgesetzt wurden, insbesondere durch die kleinen Fabrikanten
und die in der Provinz domizilierenden Firmen.
Einem zweiten Berichte entnehmen wir folgendes: Das Ge-
schäft mit den Balkanstaaten außer Rumänien lag ganz still, da
die dortio-en Gelder zu Kr ie<r^ -zwecken benutzt wurden und Zah-
Zentral-
heiziuiL'en.
Wasser-, Ga&-
und Dampf
Armaturen.
Bulkan-
i;eschäft.
300 V. Metallverarbeitung.
lungen infolge der in den Balkanläjidem ausgesprochenen Mora-
torien nicht geleistet werden brauchten. Rumänien ist erfreu-
licherweise durch diese Wirren wenig oder gar nicht berührt
worden; es haben sich dort die Geschäfte fast in normaler Weise
erledigt.
^^er^Bau^ Ucbcr die Einführung des zweiten Teils des Gesetzes über die
Forderungen. Sicherung der Bauforderungen wird immer noch beraten. Wenn
also auch hierüber noch keine Entscheidung herbeigeführt ist, so
kann doch erfreulicherweise ,aus der Judikatur entnommen werden,
daß die Gerichte diejenigen Bauunternehmer, welche auf Kosten
der Bauhandwerker Gebäude aufführen wollen, viel schärfer als
früher anfassen. Es ist in dieser Beziehung im Berichtsjahre eine
Reihe von Verurteilungen erfolgt, die hoffentlich abschreckend und
dadurch erzieherisch wirken werden.
75. Bauklempnerei und Metallornamenten-
F,abrikation.
Im Berichtsjahre waren die Bauklempnereien und Metall-
ornamentenfabriken infolge der schlechten Baukon junktur sehr
wenig beschäftigt. Namentlich hatten diejenigen Betriebe zu
leiden, welche speziell für gewöhnliche Wohnhausbauten Arbeiten
ausführen. Die Preise blieben daher auch weiter gedrückt, be-
sonders bei öffentlichen Ausschreibungen, so daß die Arbeiten
oft unter dem Selbstkostenpreise übernommen wurden, lediglich,
um Beschäftigung für den alten Arbeiterstamm zu haben. Firmen,
welche mit Staatsbehörden und erstklassiger Privatkundschaft
arbeiten, waren besser beschäftigt. Das Zinkblech ging im Be-
richtsjahre erheblich im Preise zurück, um im September eine kleine
Aufbesserung zu erfahren. Die Kupferblechpreise ermäßigten sich
bis Mitte des Jahres um ca. 25 Mk., stiegen darauf wieder an-
dauernd bis Oktober, um dann innerhalb vier Wochen ganz be-
deutend zurückzugehen. Im Berichtsjabre wurde mit den Arbeit-
nehmern ein neuer, drei Jahre gültiger Lohntarif abgeschlossen.
Die schlechte Baukonjunktur kam hier den Arbeitgebern zu Hilfe,
so daß init Ausnahme einer kleinen Lohnaufbesserung (2 Pfg.
auf drei Jahre verteilt) neue Forderungen von den Arbeitern
nicht gestellt wurden.
76. Stahlfedernfabrikation.
Der Geschäftsgang des Berichtsjahres bot gegenüber dem
des Vorjahres keine wesentlichen Abweichungen. Die Umsatz-
ziffem konnten wieder gesteigert werden. Die Kosten für Löhne
und Betriebsspesen sowie für Wohl f ahrtszwecke bewegten sich
in aufsteigender Linie. Die Mehrauf weindun gen für Produktion
und Vertrieb ließen sich durch angemoSsene Verkaufspreise nicht
immer wunschgemäß zum Ausgleich bringen. Das Exportgeschäft
stand sichtlich im Zeichen abwartender Reserve. Eine durch-
77. Gold- und Silberwaren, Juwelen.
301
greifende Belebung des G-eschäfts auf der gajizen Linie wird erst
naßh Klärung und Festigung der politischen Verhältnisse zu er-
warten sein. Im Durchschnitt war die Branche mit den Ge-
schäftsergebnissen des Jahres zufrieden.
77. Gold- und Silbe rwaren^ Juwelen.
Erster Bericht. Erster Bericht.
Mit Rücksicht auf den wenig befriedigenden Verlauf im Allgemeines,
letzten Viertel des Jahres 1912 trat die Branche mit recht
schwachen Hoffnungen in das neue Geschäftsjahr ein, und der •
Verlauf rechtfertigte die Befürchtungen. Die anhaltenden Balkan-
wirren, die politische Unsicherheit der Lage in Mexiko sowie
der hohe Geldstand konnten nidit anders als ungünstig auf die
Branche einwirken. Auch die AVehrsteuer warf ihre Schatten
voraus. Viele waren bestrebt, die dadurch bevorstehenden großen
Ausgaben durch Tlnterlassujig der Käufe von Luxusartikeln ein-
zuschränken oder auszugleichen. Das Weihnachtsgeschäft war
sehr verschieden. Einzelne Firmen klagten über den wenig be-
friedigenden Geschäftsgang, andere waren sehr mit ihm zufrieden.
Das Verhältnis' zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
war gut. Das Angebot von Arbeitskräften war größer, als die
Nachfrage. Seit langer Zeit trat der Fall ein, daß selbst gute
Arbeiter mehr vorhanden waren, als beschäftigt werden konnten.
Im Großhandel mit Goldwaren lag das Geschäft recht schwach ;
erst im Spätherbst trat eine kleine Besserung ein, so daß das
deutsche Geschäft den Umsatz des Vorjahres nicht erreichte. Der
Export nach Italien, Holland und Däaemark hob sich etwas, hin-
gegen war der Absatz nach Südamerika geringer. Russische
Käufer blieben fast ganz aus, und auch nach Frankreich war
der Absatz gering, während das Geschäft mit England zu-,
friedenstellend war. Der Detailhandel in Goldwaren war infoÜge
der oben erwähnten Umstände wenig befriedigend. Im Frem-
dengeschäft waren russische Käufer die Hauptfaktoren, während
über den Mangel an kaufkrräftigen Amerikanern geklagt wurde.
Die Werkstätten fxk Juwelenfassungen und feine Goldarbeit waren
schwach beschäftigt, erst Mitte Oktober gingen die Aufträge
zahlreicher ein. Für Juwelenfassungen blieb Piatina weiter fast
ausschließlich verwendet. Der Breis stellte sich auf 6200 Mk.
für das Kilogramm. Zeitungsnachrichten zufolge sollen in West-
falen Piatinafunde gemacht sein. Die Bestätigung bleibt abzu-
warten.
■In Silberwaren war das Geschäft erheblich besser als in den siiberwareu
verwandten Zweigen. Die Werkstätten, welche schwerere AVaren
herstellen (Hamm er arbeit), waren im ganzen Jahr genügend be-
schäftigt. In kouranten Waren war der Absatz in der ersten
Jahreshälfte schwächer, doch glich das zweite Halbjahr den Aus-
fall reichlich aus. Die Geschmacksrichtung ist noch immer die
Arbeiter-
verhältnisse
Golclwaren.
302
V. Metallverarbeitung.
Export.
Silberpreiif
Tab. 124.
gleiche: einfache, ruhige Muster werden bevorzugt; auch mit
Silber beschlagene Kristallgegenstände fandjen viel Anklang.
Die Erstarkung der nationalen Industrie in fast allen Läjidern
erschwert den Export ganz erheblich. Es sind Bestrebungea im
Gange, die Zölle auf Silberwaren in einzelnen Ländern zu er-
höhen, und die Exporteure wünschen dringend, daß ihnen bei
Abschluß von neuen Handelsverträgen die bisherigen Absatz-
gebiete nicht durch Erhöhung der Zollsätze ganz verschlossen
werden. Dies gilt besonders von Italien; doch auch in Spanien,
Belgien, Skandinavien und Rußland liegen die Verhältnisse ähn-
lich. Der Absatz nach all diesen Läoidem war gering. Nach
England und Frankreich wurden nur einzelne Berliner Spe-
zialitäten ausgeführt. Auch mit Oesterreich-Ungarn war das
Geschäft sehr schwach und brachte infolge vieler Zahlungsein-
stellungen Verluste.
Der Silberpreis unterlag nur geringen Schwankungen. Er
stellte sich folgendermaßen:
Silberpreis (in Mark pro kg).
t
1. Jan. I 1. Febr. 1. März I.April j 1. Mai | 1. Jiini 1. Juli 1. Aug. 1, Sept. 1 Okt. ! 1. Nov. 1. Dez. 31. Dez
1910
1911
1912
1913
71.501 71.—
74.00 I 72.25
74.25 79.50
86.75: 84.50
69.25
71.75
80.25
81.25
71.50
72.00
78.75
78.50
73.75 73.—
72.75 I 72.75
84.— I 83.—
82.25 81.50
73.—
72.00
83.50
79.50
73.—
71.25
82.—
81.-
72.—
71.50
85.50
73.75 76.50
72.25 74,50
87.75 1 86.25
81.25 84.— , 81.75
75.25
76.00
87.— 1)
80.—
74.—
74.25
85.75
80.25
1) 1912: 2. Dezember.
für das Kilogramm Feinsilber an der Hamburger Börse.
Roh-
brillanten.
In Eohdiamanten war das Geschäft im Berichtsjahre normal
bei ziemlich stabilen Preisen. Das Hauptinteresse nimmt momen-
tan die Lage des deutschen Diamantenmarktes in Anspruch. Es
ist bekannt, daß sich bei dem Antwerpener Konsortium ganz
bedeutende Vorräte (Zeitungsnachrichten sprechen von 600000
Karat) angesammelt haben und daß der Absatz sehr gering ist.
Da die Produktion immer größer wird, sind Bestrebungen im
Gange, diese einzuschränken und das abzunehmende Quantum
zu kontingentieren. Bisher srud diese Besitrebungen an dem
Widerstand der Förderer gescheitert. Neue Unterhandlungen
sollen im Gange sein. Die erwartete Kontingentierung für süd-
westafrikanische Diamanten wurde seitens des Reichskanzlers am
13. Dez. 1913 eingeführt. Für jedes Kalenderjahr soll mit
Rücksicht auf die Marktlage ein Höchstmaß der zur Verwertung
gelangenden Diamanten festgesetzt werden. Für das Jahr 1914
wurde dieses Höchstmaß auf 1 038 000 Karat bestimmt. Die
Diamantenregie für den Vertrieb der deutschen Diamanten wurde
verstaatlicht. Von den im belgischen Kongo neuerdings gefun-
denen Diamanten kam die erste Sendung von ca. 10 000 Karat auf
den Markt und fand zu befriedigenden Preisen leicht Absatz.
77. Gold- und Silberwaren, Juwelen.
303
Geschliffene Brillanten wurden in den ersten 8 iMonaten
sehr lebhaft umgesetzt. Amerika trat stark als Käufer auf, da
die 'dort am 1. Okt. eingetretene Zollerhöhung von 10 auf
20 o/o des Wertes Anlaß ,bot, vor dem 1. Okt. möglichst viel Ware
zu beziehen. iSTaturgemäß trat nach dem 1. Okt. eine kräftige
Reaktion ein, und das Brillantgeschäf't ist seit dieser Zeit voll-
kommen still geworden. — Die Preise aber waren nicht niedriger
als im Vorjahre, selbst kleines Melee lag fest; größere Ware
war eher im Preise anziehend.
Die Nachfrage in Schnurperlen war geringer als im Vor-
jalire; besonders größere Kolliers waren weniger gefragt. Trotz-
dem waren die Preise nicht billiger; besonders schöne Quali-
täten wurden sogar höher bezahlt. Auch Boutons und PendelDques
stiegen bei ,guter Nachfrage etwas im Preise.
Von Farhsteinen war nur Saphir gesucht und enorm teuer;
große feine Steine sind um 80 — lOOo/o gestiegen. Smaragde und
Rubine lagen istill bei unveränderten Preisen.
In Halbedelsteinen war das Geschäft ziemlich lebhaft hei
leicht 'anziehenden Preisen. Aquamarin wurde bevorzugt.
Geschliffene
Brillanten.
Perlen.
Farbsteine.
Halbedelsteine.
Zweiter Bericht.
Die Balkan wirren wirkten drückend auf das Geschäft ein,
ebenso die auffallende .Geldknappheit, welche nahezu das ganze
Jahr anhielt. Unter diesen Umständen hatte das regelmäßige Ge-
schäft schwer zu leiden, und die mit dem Regierun gs Jubiläum
und der Hundertjahrfeier in Verbindung stehenden Extraarbeitein
waren nicht imstande, die Fehlbeträge in den Umsatzziffern
auszugleichen. Denn auch im Auslande, in England, Frankreich,
Oesterreich und Rußland, lag das Geschäft wenig günstig, und
weniger zahlreiche Aufträge kamen ein als sonst bei regulärem
Geschäftsgange. Eine kleine Entschädigung wurde der Branche
aus Südamerika zuteil, welches mit ziemlich belangreichen Ein-
käufen auftrat. Auch nach Beendigung des Balkankrieges setzte
die erhoffte Besserung nicht in dem Maße ein, wie allgemein
erwartet worden war. Immerhin aber war der Oktober wenigstens
etwas lebhafter. Die zum Regie rungs Jubiläum angeforderten Ar-
beiten brachten einige neue Anregungen in das Geschäft und
ermöglichten es, den Betrieb wenigstens im ersten halben Jahre
voll aufrechtzuerhalten. Vom Juli an jedoch mußte der Betrieb
etwas eingeschränkt werden.
In der Silberwarenbranche herrschte im allgemeinen die Ge-
schmacksrichtung des vorigen Jahres vor; die historischen Stile
bleiben trotz aller Verurteilungen durch die Kunstschriftsteller
am meisten gefragt, dagegen finden Erzeugnisse in dem „neuen
deutschen Stile" so gut wie gar keine Abnehmer.
ZweiterBerieht.
Allgemeines.
Silberwaren-
fabrikation.
304
V. Metallverarbeitung.
juweienhandei. In der Juwelenbraiiclie sind trotz des schlechten Geschäfts-
ganges die Preise fast auf der ganzen Linie gestiegen. Die feinen
Qualitäten in größeren Brillanten von 1 Karat aufwärts sind
um 15 — 20 o/o gegen das Vorjahr hinaiifgegang-en, wäJirend größere
feine Steine von 4 Karat aufwärts noch mehr im Preise ange-
zogen haben und dabei kaum erhältlich sind. Die Smaragde und
Safire wurden gleichfalls höher bewertet, während die Rubine ihre
bisherigen Preise behalten haben. Am auffallendsten ist die Preis-
steigerung wieder bei größeren feinen Rundperlen in die Er-
scheinung getreten. Es ist heute keine Seltenheit mehr, wenn
für Perlen über 4 Grains das 30- und 35fache des Gewichts im
Engros-Handel gezahlt wird. Das Publikum will sich noch
immer nicht an diese von Jahr zu Jahr steigende Wertschätzung
der Perlen gewöhnen, es zerschlagen sich deshalb recht häufig
Geschäfte in Perlen, welche bei günstigeren Preisen zum Ab-
schluß zu bringen sein würden. Die schönfarbigen Fancy- Saphire,
Turmaline, Zirkone usw. waren in feinen Qualitäten mehr beehrt
und erzielten ebenfalls ganz gute Preise. Die im vergangenen
Jaliro einsetzende Mode einfacher Formen der Schmuck-
stücke hat angehalten; das Publikum wendet sich immer mehr
von der Verwendung vieler kleiner Brillanten ab und bevorzugti
Stücke mit einzelnen größeren Steinen. Für die Fassungen der
Juwelenstücke kommt überhaupt nur noch Piatina zur Verwen-
dung, Goldfassungen sind nahezu vollkommen ausgeschaltet.
Dritter Bericht.
Silberwaren-
fabrikation.
Dritter Bericht.
Im Berichtsjahre war in der Silberwarenfabrikation die Be-
vorzugung irgendeines Stils weder in Deutschland noch in den
importierenden fremden Ländern zu bemerken. Die Ursache lag
darin, daß das Publikum eine große Kaufunlust ergriffen hat,
die sich auch in unabsehbarer Zeit nicht legen wird. Die durch
die Balkanwirren erzeugte Entwertung aller AVertpapiere, Her
äußerst hohe Geldstand und damit verbunden die schwierige,
oft unmögliche Beschaffung zweiter Hypotheken haben es bewirkt,
daß die Kauflust sich in den bescheidensten Grenzen hielt und
nur das Allernötigste zur Anschaffung gelangte. Kursverluste,
hohe Provisionen bei Erneuerung der H^^potheken bzw. Be-
schaffung von Betriebsmitteln waren die unmittelbaren Ursachen
des schlechten Geschäftes. Auch die Wehrsteuerabgabe warf schon
ihre Schatten voraus.- Dies alles veranlaßte die Branche, den
Betrieb auf das äußerste zu beschränken. Es kam in den
]\Ionaten September, Oktober und November zu Arbeiterent-
lassungen, ein Fall, der bisher einzig dasteht. Das Weihnachts-
geschäft war sehr bescheiden. Wie in Deutschland, so sah es auch
in den importierenden fremden Ländern aus. Die Arbeiter der
verwandten Berliner Etuibranche streikten um Lohnzulage und
Arbeitszeitverkürzung.
78. Anorganische chemische Industrie.
305
Vierter Bericht.
Der Umsatz in versilberten Tafel- und Luxusgeräten war im
Jahre 1913 etwa um 15 o/o höher als im Vorjahre. Die allgemeine
ungünstige Geschäftslage machte sich insofern fühlbar, als eine
Steigerung des Umsatzes im Inlandgeschäfte nicht zu erzielen war.
Die Geldknappheit bedingte, daß die Zahlungen seitens der Kund-
schaft langsamer als bisher erfolgten. Der Export nach Oester-
reich litt noch bedeutend unter den Einwirkungen der Balkan-
wirren; es waren mehrfach Verluste aus diesem Grunde zu ver-
zeichnen. Rußland ist für versilberte Geräte sehr aufnahmefähig,
der Umsatz bewegte sich in aufsteigender Linie. Das Geschäft
mit den nordischen Ländern war annähernd das gleiche, ausgenom-
men das mit Schweden, wo die einheimische Industrie sich ganz
bedeutend entwickelt hat. Es herrscht dort das Bestreben vor,
fremde Waren nach Möglichkeit auszuschalten. In den Verhält-
nissen zu den übrigen europäischen Ländern sind irgendwelche
Aenderungen nicht eingetreten. Schwerer gestaltete sich das
Geschäft mit Südamerika. Die dortigen geschäftlichen Krisen
üben anhaltend ihre Wirkung aus. Nach den Vereinigten Staaten
von Amerika war das Geschäft still; es ist aber zu hoffen,
daß infolge des neuen Zolltarifes eine wesentliche Besserung ein-
tritt. Andauernd 'gut ist das Geschäft nach Australien. — Der im
Jahre 1912 vereinbarte Preisaufschlag konnte auch während des
Berichtsjahres durchgehalten werden. Die steigenden Unkosten
und hohen Preise der Rohmaterialien rechtfertigen denselben.
Vierter Bericht.
Versilberte
Tafel- imd
Luxusgei'äte,
VI. Rohstoffe und Fabrikate der pharmazeutischen, chemischen
und verwandten Industrien. Fettwaren, Oele und Farbstoffe.
Gasfabrikation.
78. A n o r g a n i s c h e c h e m i s c h e Industrie.
Da.^ wirtschaftliche Ergebnis des Jahres 1913 ist für die
chemische Großindustrie günstig und steht hinter dem des Vor-
jahres nicht zurück. Die meisten Betriebe konnten wälirend der
Berichtszeit voll ausgenutzt werden, was um so beachtenswerter
ist, als die Absatzverhältnisse infolge der zeitweise recht un-
sicheren politischen Lage starken Schwankungen unterworfen
waren und die bis zum Herbst hinein dauernde allgemeine Geld-
teuerung lahmend lauf die kaufmännische Untemehmungslusit
wirkte. Allerdings waren die Verkaufspreise für die Fertigf abrikats
nicht immer befriedigend tmd oft nicht in Einklang zu bringen
mit den gesteigerten Notierungen für Hohstoffe und Kohlen. Die
Tatsache, daß die wirtschaftliche Konjunktur ihren Höhepunkt
überschritten hat, warf natürlich auch auf die chemisehe Groß-
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 20
Allgemeines.
306 VI. Eohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Ausfuhr.
Arbeiter-
verhältnisse.
industrie ihre Sohiatteii, ^hne jedoeh deren Beschäftigungsgrad
bis zum Schluß des Berichtsjahres wesentlich zu beeinflus&en.
Die Atisfuhr nach den europäischen Ländern sowie nach den
übrigen Weltteilen hielt s^ich im Rahmen des vor j ährigen Absatzes.
Nadi Beiendigung der Balkankriege konnten die Verladungen
nach den Balkanländem lund der Türkei, wenn auch zunächst
nur ia geriagem Umfange und — ia Anbetracht der danieder-
liegenden wirtschaftlichen Lage dieser Länder — unter Beobach-
tung größter Vorsicht, wieder aufgenom.men werden. Der Ver-
sand nach den Vereinigten Staaten von Amerika geriet während
der Beratungen [über den neuen iZolltarif ins' Stocken. Es ist
jedoch Aussicht vorhanden, daß nach der nunmehr endgültigen
Annahme des neuen Tarif es die Beziehungen nach diesem Lande
wieder lebhafter werden. '
Die Arbeiterverhältnisse waren nicht ungünstig. Daß An-
gebot an Arbeitskräften war, bei immer ausreichenden Meldungen,
im Anfange des Berichtsjahres erheblich schwächer als im Vor-
jahre, um dann bis ^um Ende der Berichtszeit dauernd zuzu-
nehm»en, so daß das durchschnittliche Angebot dem des Vorjahres
ungefähr entspraicli. AVesentliche Lohnerhöhungen wurden nicht
Einzelne
Artikel.
Ueber die einzelnen Artikel ist im besonderen zu berichten,
daß die gute Nachfrage naöh .Schwefelsäure iauch im Berichts-
jahre anhielt. Die Preise fü^r diesen Artikel waren im allge-
meinen unverändert, jedoch maöhte sich gegen Ende des Jahres,
angesichts der steigenden .Preise für das Bx)hmaterial, das Be-
istreben geltend, auch [die Niotierungen für die Fertigfabrikate
entsprechend heraufzusetzen. <
Der Absatz in Salz^ätune war stärken Schwankungen unter-
worfen, so daß die überschüssigen Mengen zeitweise zu erheb-
lich heruntergesetzten Preisen abgestoßen werden mußten.
Die Verkaufspreise für Salpetersäure standen in keinem Ver-
hältnis zu den iHerstellungSkosten, die sich durch die im ersten
halben Jahr gestiegenen Notierungen für Chile- Salpeter erhöhten.
Eür kalziniertes Glaubersalz "wurde der inländische Bedarf
durdi die Stillegung einer Eeihe von Glashütten, besonders im
Bereich der Tafelglas-Lidustrie, recht ungünstig beeinflußt, so
daß nicht unerhebliche Mengen von diesem Artikel zu weichen-
den Preisen im Auslände untergebracht werden mußten.
In flüssig wasserfreiem Ammoniak hielten sich Umsatz Und
Verkaufspi^ise im allgemeinen auf der gleichen Höhe wie im
Vorjahre.
Für kohlensaures Ammoniak traten einige neue Fabriken in
Wettbewerb mit den bisherigen Erzeugern dieses Artikels. Daher
mußte man die Verkaufspreise herabsetzen, um die hergestellten
Mengen unterbringen zu können.
79. Organische chemische Industrie. 307
Die Niotieruiig'en für Salmiaikgeist, der im. ersten Halbjahr
nocli recht begehrt Iwar, erlitten im Spätsommer einen starken
Rückgang. Der Grund hierfür lag in einer allgemeinen, in ihrem
Umfange allerdings' ^ungerechtfertigten Beunruhigung des
Ammoniakmarktes, die verursiacht Vurde durch das Bekannt-
werden der Tatsach©, daß die Arbeiten zur Horötellung vion syn-
ihetischem Ammoniat erfolgreich idni-tehgeführt waren.
Aus dem gleichen Grunde zeigten die Preise für schwefel-
saures Amtaioniak in Deutschland sowie in England wälirend
des ganzen Sommers eine weichende Hichtung, um gegen Ende
Xovember einen weiteren starken Sturz zu erfahren. Wegen
der ungekläxten Da^ge |des Marktes Jiielten sich Händler und
Verbra^ucher mit der Eindeckung ihres Bedarfes auf das äußerste
zurück. Infolgedessen blieben große Mengen dieses Artikels am
Ende des Jahres lunverkauft und mußten gestapelt werden.
Gelbes Blutlaugensalz war bis zum Herbst hiaein weiter
rege begehrt, so (daß die Preiöe etwas heraufgesetzt werden
konnten, ohne jedoch eiaen befriedigenden Nutzen zu lassen.
Für rotes Blutlaugensalz hielten sich Umsatz und Preise auf
ungefähr der gleichen Höhe wie im Vorjiahre.
Dasselbe ist von [Rhodansalzen za sagen, deren Verkaufs-
preise jedoch immer noch nicht befriedigen konnten.
Der Umsatz ia Thoiriumnitrat erfuhr gegen Ende des Be-
richtsjahres eine geringe Steigerung, und auch die Preise dieses
Artikels konnten Um ein weniges ^heraufgesetzt werden.
Im Handel mit Zitronensäure führte die Tatsache, daß fast
die ganze Zitronenemte Nordamerikas durch Frost vernichtet war,
zu einer ungewöhnlich starken Nachfrage nach Rohstoff seitens
der Zitronensäurefabriken Nordamerikas und zu einer erheb-
lichen Preissteigerung für das Bjohmaterial, welches gegen Ende
des Berichtsjalires völlig vergriffen war. Die Preise des Fertig-
i^abrikates zeigten eine entsprechende Aufwärtsbewegung, doch
waren sie schließlich nur noch nominell, da Umsätze mangels
Ware nicht mehr stattfanden.
79. Organische chemische Industrie.
Die in dem letzten Bericht gemachte Voraussage ist einge- Giycerin.
troffen. Der von gewisser Seite angekündigte Preisrückgang für
Glyzerin ist nicht eingetreten, und viele Konsumenten haben zu
ihrem Schaden erfahren müssen, daß allzu langes Warten manch-
mal nicht die richtige Taktik ist. Es wurde zwar mehrere Male von
dieser Partei versucht, die Preise durch Baissemanöver, wie zum
Beispiel besonders billige Verkäufe, herunterzudrücken, jedoch
stets mit negativem Erfolge. Für die Haffineure bot sich also
keine Gelegenheit, durch geschicktes Ausnutzen von Preiseehwan^
kungen das Glyzerindestillationsgeschäft einigermaßen rentabel
20*
308 VI. Eohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
zu gestalten. Vielmehr blieben die Preise im großen und ganzen
vollständig gleich. Man notierte z. B. im Anfang des Be-
richtsjahres den Preis von 155 Fr. für 100 kg, abzüglich 3V2 ^/o
Skonto, fob guten kontinentalen Hafens, sonst Pariser Bedin-
gungen. Dieser Preis stieg dajin ganz langsam im ersten Viertel-
jahr biß auf 160 Fr. bei gleichen Bedingmigen, um bis zur Jahres-
mitte wieder abzubröckeln bis herab zu 142V2 Fr. Dieses Sinken
der Preise hatte kein besonderes Baissemanöver als Ursache; son-
dern nur die absolute Interesselosigkeit der Käufer von Rohware,
speziell der Amerikaner, veranlaßte die schwächeren Produzenten
von Itohware, die aus Mangel an flüssigen Mitteln von Zeit zu Zeit
unbedingt realisieren müssen, ihre Forderungen nach und nach
zu ermäßigen. Man kann wohl sagen, daß unter Umständen die
Preise noch weiter heruntergegangen wären, wenn nicht in diesem'
kritischen Moment bei einigen Großkonsumenten Bedarf an
Eohware eingetreten wäre. Als zwei oder drei größere Käufer
im Markt erschienen, schnellten die Preise sofort um 10 Fr.
herauf, um langsam aber stetig bis auf 167V2 Fr., Pariser Be-
dingungen, zu steigen. Dieser Preis konnte am Schluß des Be-
richtsjahres als normal bezeichnet werden. Als befestigendes
Moment trat wohl auch die Tatsa^jhe hinzu, daß gewisse größere
Lieferungsverträge amerikanischer Großfirmen ungefähr um die
Mitte des Berichtsjalires abliefen; man nahm an, daß dann auch
Amerika wieder ein größeres Interesse für den europäischen Markt
zeigen würde.
Das Fehlen größerer Preisschwankungen zwang wie früher
einmal wieder die finanziell schwächer gestellten Raffineure, ihr
Fertigprodukt zu äußerst niedrigen Preisen auf den Markt zu
bringen, nur um überhaupt realisieren zu können und um den
eingegangenen Verpflichtungen zur Abnahme von gekaufter ExDh-
ware korrekt nachkommen zu können. Diese niedrigen Offerten
der kleineren Firmen, die bei Preisschwankungen Rohware billig
hätten einkaufen können, um das Fertigprodukt dann später mit
gutem Spekulationsnutzen zu verkaufen, machten es natürlich
den großen und finanziell starken Raffineuren gleichfalls äußerst
schwer, ihre Ware mit Nutzen abzustoßen. Und dies um so mehr,
als die deutschen Raffineure ja infolge der bekannten ungünstigen
Zollverhältnisse für den Absatz ihres Fertigprodukts praktisch
ausschließlich auf den deutschen Markt angewiesen sind. Es trat
daher auch diesmal wieder der ungesunde Zustand. eia, daß nur
derjenige überhaupt einen Nutzen, wenn auch nur eiaen beschei-
denen, aus seiner Fabrikation ziehen konnte, der, mag man es
nun weise Vorsicht oder gewagte Spekulation nennen, sein;^
Maßnahmen schon lange vorher getroffen hatte. Das gestattete
ihm jetzt, billiger zu verkaufen als der, welcher seine Kalkula-
tionen auf Basis der Tagespreise für die Rohware machen mußte.
Es ist bedauerlich, daß es einer so wichtigen Industrie, wie der
80. Chemisch-pharmazeutische Präparate und Spezialitäten. 309
Glyzerinindustrie, nur so möglich ist, sich überhaupt aufrecht
zu erhalten.
Diese mißlichen Verhältnisse haben es auch mit sich ge-
bracht, daß sich die Finanzen einzelner Firmen als zu knapp
ei-wiesen, um das Spiel durchzuhalten. Hierbei muß man aller-
dings berücksichtigen, daß das Glyzeringeschäft wegen des hohen
Wertes des Produkts recht erhebliche finanzielle Mittel erfordert.
Auch viele Produzenten von Rohware sind davon abgekommen,
sich weiter an dem Spiel zu beteiligen, da die glyzerinreichen
Fette zu hohen Preisen von der Nahrungsmittelbranche auf-
gekauft werden und sie nur noch auf die glyzerinarmen Fette
angewiesen sind, bei deren Verwendung es sich sehr schwer vor-
her bestimmen läßt, wie groß die Jahresproduktion sein wird.
Und dies zu wissen, ist wegen des Spekulationsmoments unum-
gänglich nötig.
Um es kurz zusammenzufassen, kann man die gegenwärtige
Lage des Glyzerinmarktes wohl dahin präzisieren, daß nur der
Erfolg haben kann, dem erhebliche finanzielle Mittel und ein
gi^oßes Talent zum Spekulieren zur Seite stehen.
Dsüi Geschäft in Lanolin, soweit es sich um die Qualitäten
handelt, welche zur Herstellung von Salben, Seifen usw. ver^
wendet werden, bewegte sich im Berichtsjahre in durchaus nor-
malen Bahnen. Die Spezialprodukte, für die das Lanolin in
Frage kommt, erfreuen sich steigender Beliebtheit beim Publikum,
hauptsächlich wegen der unvergleichlichen guten Wirkung, die
das Lanolin auf die Haut hat.
SO. Chemisch-pharmazeutische Präparate
und Spezialitäten.
Selten ist ein Jahr so ungünstig verlaufen wie das Jahr
1913. Am Anfang desselben standen wir noch unter dem Einfluß
der kriegerischen Verwicklungen auf dem Balkan, als dessen
wichtigste den Handel schädigende Folge die außergewöhnliche
Lage des Geldmarktes angesehen werden muß. Gerade in dem.
Umstand, daß diese Geldknappheit so lange andauerte — denn
der Herabsetzung des Diskonts gegen Ende Oktober um V2 ^/o
konnte ein merklicher Einfluß nicht zugeschrieben werden — ,
lag eine Erschwerung für den Handel, die, nach den bereits
festgestellten ungünstigen Verhältnissen im Jahre 1912, nicht
überwunden werden konnte. Infolgedessen war auch nach Been-
digung der Kriegslage eine Besserung in der zweiten Hälfte des
verflossenen Jahres nicht zu verzeichnen. D^er Handel mußte
einen schweren Kampf führen, um sich in seiner Position zu
behaupten. Der Absatz der deutschen Produktion erfuhr zwar
eine Steigerung, diese konnte aber nur durch einen bedeutend
erhöhten Arbeitsaufwand erreicht werden. In erster Reihe nötigte
Lanolin.
Allgemeines.
310 VI. Kohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industiien.
Einzelne
Artikel
die schwierige Beschaffung von Geldmitteln zu wiederholten
kleineren Einkäufen, die sich unter normalen Verhältnissen als
eine einzige große Handlung mit bedeutend verring'^erter Arbeit
dargestellt hätte. DaJ^ sich auch eine allgemeine Zurückhaltung
geltend machte und daß sich der geschäftliche Verkehr vielfach
nur auf die notwendigste Bedarfsdeckung beschränkte, war eine
natürliche Folgeerscheinung. Der Arbeitsaufwand zur Erzielung
und Abwicklung der G-eschäfte stand somit nicht im richtigen
Verhältnis zu deni Erfolg und zu dem erzielten Grewinn. Dieser
wurde schließlich noch durch eine das ganze Jahr anhaltende
rückläufige Konjunktur der Warenwerte weiter beeinträchtigt,
so daß eine große Anzahl geschäftlicher Unternehmungen kaum
eine ausreichende Deckung der erheblich erhöhten Unkosten,
geschweige denn einen Grewinn erzielt haben dürfte.
Einen Beweis für- den Handelsrückgang liefert auch die zu-
nehmende Häufigkeit von Schleuderpreisen, besonders haben sich
diese in den letzten Monaten des Jalires bemerkbar gemacht. Die
Ursache ist zum Teil in dem Verkauf der Warenvorräte nur
mit minimalem Aufschlag oder ohne einen solchen zur Beschaffung
von Barmitteln zu suchen, vielfach aber auch in dem Bestreben,
einen dei- rückläufigen Konjunktur unterliegenden Artikel sofort
zu Geld, zu machen, bevor eine weitere Entwertung desselben
eintritt. Die Schädigung ist dann gewöhnlich doppelt, denn
nicht nur* der Verkäufer erleidet einen solchen Verlust, auch
der Käufer hat den vermeintlichen billigen Kauf, wenigstens für
einen Teil dieser Ware, vielfach später zu bereuen.
Eine rückläufige Konjunktur mußte bei einer großen An-
zahl von Handels- und Fabrikationsartikeln beobachtet werden.
Die Ursachen für diese liegen zum Teil in den vorstehend ge-
schilderten Verhältnissen, zum Teil in der Ueberproduktion.
Opium hat im Laufe des Jahres einen Preisrückgang von
36 Mk. auf 23 Mk. erfahren. Dieser Rückgang des Rohmaterialien-
wertes hatte einen prozentual noch größeren der Alkaloide zur
Folge. Die wichtigsten von ihnen, nämlich Morphium und Codein,
haben folgenden Wertänderungen unterlegen (Preise in Mark
für 1 kg):
Morphium
Codein
30. Mai ...
. 376 M.
15. Februar . .
585 M
17. Juni . . .
356 „
6. März . . .
550 „
9. Juli . . .
346 „
3. Juni . . .
535 „
1. September .
326 „
11. Juli . . .
505 „
4. September .
321 „
19. Juli . . .
475 „
22. September .
291 „
1. September .
455 „
9. Oktober . .
285 „
25. September . .
425 „
6. November .
t 1 TT t • • 1
275 „
T. 1 TT 1
6. November . .
400 „
-trr i
Auch Kokain ist durch Ueberproduktion stark im Werte ver-
mindert worden, nämlich von 275 Mk. für 1 kf^ für das
handelsübliche salzsaure Präparat auf 185 Mk.
80. Chemisch-pharmazeutische Präparate und Spezialitäten. 3 1 1
Aus der Reihe der Teerprodukte ist die kristallisiertö Kar-
bolsäure als besonders entwerteter Artikel zu nennen. Der Rücki
gang ist auf über 20o/o des im Jahre 1912 vorhandenen Wertes
zu bemessen.
Ein empfindlicher. Verlust für die Fabrikanten ist in der
zweiten Hälfte des Jahres 1913 durch den Rückgang in den
Notierungen für Salmiakgeist eingetreten. Die synthetische Hern
Stellung dieses Artikels hat eine derartige Entwertung zur Folg*©
gehabt.
Von Handelsartikeln sind raffinierter Kampfer durch Ueber-^
schwemmen des deutschen Marktes mit dem japanischen Produkt,
Quecksilber durch Ueberproduktion, Menthol infolge einer vor-,
züglichen Ernte der Pfefferminzpflanze in Japan und infolge
Wegfalles der bisherigen Monopolstellung des Artikels beson-
ders in ihren Werten herabgesetzt worden.
Nur einen verhältnismäßig geringen Schutz konnten die
kürzere oder längere Zeit bestehenden Handelssyndikate bieten,
auch diese mußten unter dem Drucke der allgemeinen Verhält-
nisse die Preise einiger xlrtikel ermäßigen, wie z. B. diejenigen
von Salizylsäure und den damit zusammenhängenden Produkten,
wie Salol, Azetylsalizlylsäure, ferner Chloroform, Strychnin.
Einen Einfluß auf den geschäftlichen Verkehr in der Branche
übte auch die Tatsache aus, daß das Apothekerwesen noch immer
nicht geregelt ist. j
Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter kann im
großen ganzen als dauernd gut bezeichnet werden; Lohnbewegun-
gen oder Streiks von irgendwelcher Bedeutung sind nicht vor-
gekommen ; sicherlich hat dazu das Bestreben der Betriebe, sieh
einen gnten Stamm von ständigen Arbeitern, selbst unter Ge-
währung größerer Geldopfer, zu erhalten, beigetragen.
Als Neuerung in den Verkehrsverhältnissen ist die Eröffnung
des Berliner Osthafens und des Großschiffalirtsweges Berlin-
Stettin zu verzeichnen. Beide sind für den Handel sicherlich von
großer Wichtigkeit, und wenn der Nutzen daraus auch erst im
Laufe der Jahre zur vollen Geltung kommen kann, so dürfte für
das Jahr 1914 schon eine Wirkung insofern hervortreten, als
die Wasserverkehrslinien Hamburg-Berlin sich ihren Vorsprung
mit allen Mitteln zu sichern versuchen werden. Für die Berliner
A'^erkehrsverhältnisse ist die Linie Berlin-Hamburg heute noch
die Hauptader für die Ein- und Ausfuhr ; sollte diese eine Einbuße
erleiden, so könnten höchstens die in vielen Punkten wohl re-^
visionsfähigen Platzverhältnisse Hamburgs die Schuld tragen.
Am Schlusse des Jahre® 1913 sind wir sicherlich auf einer
allgemein niedrigeren Wertlage der Artikel unserer Branche an-
gelangt, nur wenige sind unverändert geblieben, vereinzelte haben
eine höhere Position erreicht, z. B. Chinin, Borax und Borsäure,
Syndikate.
Apotheker-
tz.
Arbeiter-
verhaltrisse.
Verkehrs-
verhältnisse.
Schluß
des Jahres.
312 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Jod-Präparate, Santonin, Zitronensäure. Die Schäden aber, die
das Jalir 1913 dem Handel beigebracht hat, werden noch lange
empfunden und nicht sobald beseitigt werden können, zumal eine
Besserung der allgemeinen Verhältnisse am Schlüsse des Berichts-
jahres noch nicht festgestellt werden konnte.
Einzelne lieber einzelne Artikel entnehmen wir einem zweiten Be-
ZweU^Bericht i'^chte noch folgendes:
Die Preisd für Salizylsäure und Salizylpräparabe blieben in
der ersten Hälfte des Jahres unverändert, wurden jedoch im
Herbst, den Preisen von Karbolsäure folgend, um etwa 20o/o er-
mäßigt. Letzterer Artikel verfolgte eine weichende Tendenz und
hat im Oktober d. J. einen Preisstand erreicht, der wohl kaum
noch unterschritten werden dürfte.
In der Fabrikation von Borpräparaten macht die Beschaffung
genügender Mengen Rohmaterials zur Deckung des stetig zu-
nehmenden Weltkonsums immer größere Aufwendungen für die
Erschließung neuer Minen erforderlich, wodurch sich die Her-
stellungskosten niöht unwesentlich erhöhen. Dementsprechend be-
wegten sich die Preise für Borax und Borsäure aufwärts. Im
Februar wurden sie um 1 Mk. für 100 kg erhöht und am 1. Okt.
erfolgte eine weitere Preiserhöhung für Borsä,ure um 4 Mk. für
100 kg.
Die Preise von Bismut- und Brompräparaten haben keine
Aenderung erfahren. Der Absatz war befriedigend.
Der Absatz von Kampfer war normal, okne daß jedoch eine
Aufbesserung der Preise erfolgen konnte.
Der Absatz von Chloralhydrat bewegte sich im bisherigen
Umfange. Die Preise, welche zu Anfang des Jahres fast keinen
Nutzen mehr ließen, haben in letzter Zeit eine kleine Auf-
besserung erfaJiren.
Nach Kokain herrschte zu Anfang des Jahres sehr starke
Nachfrage, so daß den Anforderungen vielfach nicht Genüge ge-
leistet werden konnte. Dann trat aber ein starker Rückschlag
ein und die Preise fielen von 260 IVIk. für 1 kg bis auf 155 Mk.
für Hydrochloricum und haben damit eiaen Tiefstand erreicht,
wie seit langen Jahren nicht. Obwohl diese Preise in keinem
Verhältnis zu dem für die Rohware stehen, ist die Marktlage
mangels Nachfrage sehr flau.
Kollodium und SchVefeläther fanden befriedigenden Absatz.
Die Preise, welche von den Spritpreisen abhängig sind, haben
sich seit Anfang des Jahres in gleicher Höhe gehalten. Der Preis
für Spiritus war Mitte November 62,50 Mk. für 100 Liter 96er
Sprit.
Glyzerin war nur geringen Schwankungen unterworfen. Die
Preise bewegten sidh zwischen 155 Mk. und 165 Mk. für doppelt
destillierte Pharmacopoeware.
81. Drogenhandel. 313
Jod erfuhr im August eine beträolitliche Erhöhung. Der
Eohjodpreis wurde von 71/2 auf! 9 d für 1 oz. engl, erhöht. Jod-
präparate entsprechend.
Pyrogallussäure, Tannia und Gallussäure behaupteten ihren
Preisstand bei befriedigendem Absatz. In den Balkaaländern
allerdings machte sich ein Stillstand der Greschäfte bemerkbar;
das Geschäft dorthin kommt erst langsam wieder in Fluß. Die
Preise für das Rohmaterial, Gallen, waren im Berichtsjahre fest, da
die Unruhen in China die Exporte beeinflußten. Im November
setzte eine Aufwärtsbewegung ein.
Die Vorräte von Zitronensäure wurden im Sommer äußerst
knapp, w-as eine rapide Steigerung der Preise verursachte. Während
zu Anfang des Jahres noch Notierungen von 3,20 Mk. vorkamen,
waren im November selbst beschränkte Mengen zu 4,50 Mk. kaum
erhältlich.
Die Preise für Brechweinsteüi hatten lq der ersten Hälfte
des Jahres infolge größerer Vorrä,te etwas nachgegeben. Nach-
dem diese aber ia den Konsum übergegangen sind, verfolgt auch
dieser Artikel wieder eine steigende Tendenz.
Die Präparate Medinal, Arthigon, Hormonal, Atophan, He-
gonon haben sich bei den Aerzten gut eingeführt. Auch in photo-
graphischen Chemikalien ist der Geschäftsgang befriedigend.
81. Drogenhandel.
Das Jahr 1913 bot für den Handel mit Drogen und Chemi- Allgemeines
kalien ein wenig erfreuliches Bild. Wenn auch die statistischen
iZahlen über die Ein- und Ausfuhr von chemischen und pharma-
zeutischen Erzeugnissen, Farben und Farbwaren eine ununter-
brochene Steigerung aufweisen (die bis Ende September vor-
liegenden Zahlen weisen gegen das Vorjahr für die Ausfuhr em
Plus von über 4 Mill. Doppelzentner nach), so war die allgemeine
Geschäftslage doch derartig, daß von einem befriedigenden Er-
gebnis nicht gesprochen werden kann. Die fast während des
ganzen Zeitabschnittes andauernden unsicheren politischen Ver-
hältnisse und der teuere Geldstand, der enidlich Ende Oktober
durch Herabsetzung des Eeiöhsbank-Diskonts von 60/0 auf öVoO/o
eine kleine Erleichterung erfuhr, wirkten hemmend auf die En1>
Wicklung der Geschäfte ein. Die rückgängige Konjunktur hat
starke Verluste auf vorhandene Lagerbestände gebracht und den
Gewinn beträchtlich geschmälert. Die Umsiätze im Handel mit
pharmazeutischen und teohnischen Drogen und Chemikalien be-
wegten sich ümerhalb der Grenzen des vorhandenen Bedarfes;
für größere spekulative Geschäfte und Unternehmungen fehlte
der Boden infolge des schwierigen Geldmarktes. Durch geringe
Beschäftigung im Baugewerbe und in der Industrie wurde der
Bedarf erheblich eingeschränkt. Erst mit Beginn des Herbstes
machte sich hierin eine kleine Besserung bemerkbar.
314 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Ausfiihr.
InlandgeschäfT.
Soziale Lasten.
Zahlungs-
verhältnisse.
Die Ausfuhr nach dem Balkan stockte zeitweilig ganz. Sie
nahm aber einen lebhaften Charakter an nach Beendigung des
Krieges, da es galt, die erschöpften Lagerbestände wieder zu er-
gänzen. Die Zahlungen nach Ablauf der Moratorien gingen be-
friedigend ein. Der Absatz nach Rußland, Schweden, Norwegen
und Dänemark war normal, die Ausfuhir über See durch die Wirren
in China und Mexiko, durch schwierige wirtschaftliche Verhält-
nisse in Indien, Brasilien, Chile und Japan beschränkt. Bis zur
Fertigstellung des neuen Zolltarifs der Vereinigten Staaten von
Amerika war auch dorthin kein lebhaftes Gresdhäft möglich. Wenn
trotzdem die Ausfuhrziffern höher waren als im Vorjahre, so
mag dies seinen Grund darin haben, daß noch vielfach alte Kauf-
abschlüsse zur Erledigung kamen und daß man seitens der Fabri-
kanten zu jedem Opfer am Grewinn bereit war, nur um die Be-
triebe nicht einzuschränken und um die Arbeiter zu beschäftigen.
Im Inlande machte sich wie immer in derartig schlechten
Zeiten eine Schleuderei bemerkbar, die auf den ganzen Grescbäfts-
zweig sdhiädigend wirkte. Die Bildung von Einkaufsgenossen-
schaften, die den freien Großhandel zu umgehen suchen, nimmt
stetig zu. Hohe Flußschiffahrt- und See-Frachten mußten in
Kyechnung gezogen werden.
Die ohnehin ständig steigenden Geschäftsunkosten erfuhren
eine weitere Erhöhung durch die neue Reichs versicherungs- Ord-
nung und das Versicherungsgesetz für Angestellte.
Die Zahlungsverhältnisse ließen infolge des teueren Geld-
standes und der allgemeinen mißlichen wirtschaftlichen Lage
viel za wünschen übrig, namentlich waren häufig Verluste bei
Gesellschaften mit beschränkter- Haftung zu verzeichnen.
Neuordnung
der Kranken-
versicherung.
82. A p o t h e k e r g e w^ e r b e.
Die Signatur des Jahres war für die Apotheker die V^or-
bereitung der Einführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen
über die Krankenversicherung. DurCh das Inkrafttreten des
zweiten Buches der E/eichsversicherungsordnung am 1. Jan. 1914
wird für die Apotheken eine völlig neue Lag^e geschaffen. Die
Neuorganisation, welche wenige große Kassen an die Stelle zahl-
reic'her kleinerer setzt — in Preußen wird die Zahl fast auf
die Hälfte verringert — , schafft wesentlich mächtigere Kontra-
henten für die Apotheker. Der Zwangsrabatt, den sie auf die
rezeptmäßig verschriebenen Arzneien gewähren müssen, ist von
den obersten Verwaltungsbehörden sehr hoch, auf lOo/o and mehr,
angesetzt worden, und es sind üinen für eine lange Reihe von
sogenannten Handverkaufsartikeln besondere, verhältnismäßig
niedrige Preise vorgeschrieben worden. Trotzdem scheint sich die
Neuregelung des Verhältnisses zwischen Apotheken und Kassen
im großen und ganzen glatt zu vollziehen, namentlich da die
82. Apothekergewerbe. 315
ersteren, ihrer Ankündigung enteprechend, niöht an einen Kampf
denken, sondern sich überall bereit zeig-en, unter annehmbaren
Bedingungeii abzuschließen, und die letzteren dem mannigfachen
Versuche, Unfrieden zu säen, nicht stattzugeben geneigt sind.
Freilich war am Jahresende eigentlich alles noch im AVerden,
hiauptßächlich weil in den meisten Bezirken des Eeiches die
amtlidien Verordnungen noch nicht ergang-en waren, die für den
endgültigen Abschluß die Unterlage bilden mußten. Jedoch war
zu hoffen, daß die Ueberleitung in die neuen Verhältnisse sich
ohne stärkere Reibungen abwickeln werde.
Es war dies im wesentlichen der Tätigkeit des Deutschen
Apoihleker- Vereins zuzuschreiben, der für den Verkehr mit den
Kassen besondere, nach wirtschaftlichen Grebieten abgegrenzte
Organisationen geschaffen und zweckmäßige Vorschläge für die
Hand^^^kaufslisten herausgegeben hat, beides Maßnahmen, welche
sich gut bewähren.
Wie die neuen gesetzlichen Bestimmungen auf den Gesdliäfts-
betrieb der Apotheken wirken werden, läßt sich noch nicht über-
sehen; man steht aber in Fachkreisen dieser Frage durchaus nicht
optimistisch gegenüber. Wenn vielfach aus der Tatsache, daß
etwa fünf Millionen Personen der Krankenversicherungspflicht
neu unterworfen werden, der Schluß gezogen \vird, daß damit
den Apothekern ein bedeutender Gewinn zugeführt werde, so ist
das in diesem Umfange sicher eine irrige Annahme. Diese Per-
sonen waren zum Teil schon landesreohtlich versichert oder wurden
auf Grund anderer gesetzlichen Verpflichtungen bereits von jeher
auf Kosten der Arbeitgeber mit den nötigen Arzneien versorgt,
wie die Dienstboten, oder hatten sie aus eigener Tasche bezahlt,
z. B. diejenigen, welche 2000 bis 2500 Mk. Gehalt beziehen,.
Sollte aber tatsächlich eiae kleine Vermehrung des Umsatzes ein-
treten, so steht dem der Zwangsrabatt von 10 o/o und der Ver-
lust gegenüber, den die Apotheker durch die Pflicht zur Ge-
währung der niedrigeren Handverkaufspreise vielfach, namentlich
auf dem Lande, sidher haben werden. Wie ein etw^aiger Kampf
zwischen den Kassen und Aerzten, der ja allerdiags, wie es sicfheint.
Inoch in letzter Stunde verhindert werden wird, enden würde,
liegt ganz im dunkeln.
Der Vorentwurf für ein neues Warenzeichengesetz wurde in warenzeicben-
Apothiekerkreisen scharf kritisiert. Die Anwendung des Gesetzes
von 1894 auf die Arzneimittel, namentlich die Zulassung von
Wortzeichen, hat nach Ansicht der Apotheker so viele und schwere
Mißstände gesdhaffen, daß Abhilfe dringend notwendig ist. Trotz
des Nachweises dieser Uebelstände, so wurde ausgeführt, habe das
Beiöhsamt in dem Vorentwurf e auch nicht den leisesten Versuch
dazu gemacht, vielmehr in der Begründung sich ausdrücklich
gegen jede Abänderung erklärt. Es gehe dabei von der ganz
unriclitigen Voraussetzung aus, daß die Arznei eine Ware wit^
gesetz.
316 VI. Eohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
jede andere sei, und ziehe daraus Schlußfolgerungen, die ganz
unhaltbar seien. Es sei heut so weit gekommen, daß gerade die
Fabrikanten von Geheim- und Schwindelmitteln sich mit Erfolg
des gesetzlißhen Schutzes bedienen, der ihren Produkten in den
Augen des Publikums einen gewissen amtlichen Nimbus verleihe
und sie gleidhlzieitig der Notwendigkeit enthebe, die Ware zu
deklarieren. Die ungeheure Zahl von geschützten Arzneimittel-
namen, die jährlich um Tausende vermehrt werde, müsse schließ-
lich zur Verwirrung führen; es drohe hier eine Gefahr, die an
amtlicher Stelle, wie es scheine, nicht recht erkannt werde. Um
dem Erfinder und dem tüchtigen Geschäftsmann den ihm ge-
bührenden Lohn zu sichern, genüge das Patentgesetz und die
Beifügung des Firmennamens vollkommen.
Arzneitaxe. Im Übrigen fordert das Apothekergewerbe unter Hinweis auf
das AnwaeJisen der Steuern, der sozialen Lasten usw. eine Er-
höhung der Arzneitaxe. Sie wurde im Bundesrate auch von
Bayern beantragt, scheiterte aber an dem Widerstände der preu-
ßiscHieni Regierung. Die neue Taxe für 1914 bringt im ganzen
Igenommen eher eine Erniedrigung der Arzneipreise als eine
Erhöhung.
83. Terpentinöl und Harze (Kolophonium).
Terpentinöl. Die Marktlage für Terpentinöl im Jahre 1913 war noch
ruhiger als im Jahre zuvor. Preisschwankungen erheblicherer Art
waren nicht zu verzeichnen. Es wurde nur der Bedarf gedeckt;
spekulative Käufe größeren Umfanges kamen nicht zustande.
(Zu Beg'inn des Jahres stellte sich der Preis für ameri-
kanisches Terpentinöl auf etwa 64 Mk. für 100 kg. Mit ge-
ringen Preisveränderungen erhielt sich diese Notiz wäkrend des
ersten Quartals. Im zweiten Quartal fielen die Preise langsam
bis auf etwa 58 Mk., um dann bis zum Jahresschluß allmählich
wieder bis auf 64 Mk. anzuziehen. Die Preise für französische
lind griechisches Terpentinöl folgten den Preisen für ameri-
kanische Oele. Der Verbrauch von Terpentinöl-Ersatzmitteln
hielt sich 'ungefähr auf der gleichen Höhe wie im Vorjahre. Die
Preise für die Ersatzmittel, welche zum größten Teil aus Schwer-
benzin bestehen, verfolgten weichende Tendenz. Die Markt-
preise für russisches Terpentinöl (Kienöl) fielen von 42 ^Ik.
zu Anbeginn des Jahres bis auf 37 Mk. gegen Mitte des Jahres,
um dann langsam aber stetig sich wieder zu befestigen. Im
November notierten die Preise 44 Mk. franko Berlin. Mehrere
inländische Baffinieranstalten für russisches Terpentinöl haben
die Fabrikation wegen mangelnder itentabilität aufgegeben, haupt-
sächlich weil die Nachfrage nach Kienölraffinaten infojlge der
niedrigeren Preise des amerikanischen Terpentinöls und der stei-
genden Verwendung von Mineralölen als Terpentinölersatz immer
mehr nachließ.
83a. Petroleum und andere Mineralöle.
317
Die Preise für amerikanisches Harz (Kolophonium) notierten
zu Be,ginn des Jahres etwa 26 Mk. für 100 kg für Marke B/C.
Sie stiegen im ersten Quartal bis auf etwa 28 Mk., um dann
eine stark rückläufige Bewegung einzuschlagen, welche das ganze
Jahr über andauerte. In der zweiten Hälfte des November waren
die Preise für dunkles Harz Marke B/C auf etwa 18 Mk. loko
Hamburg gesunken. Aingesichts dieser rückgängigen Bewegung
deckte der Konsum nur den notwendigsten Bedarf.
83a. Petroleum und andere Mineralöle.
Die kräftige Entwicklung, welche das Geschäft seit einigen
Jahren nimmt, hat sich in besonders starkem Miaße fortgesetzt.
Der hohe Preisstand für Petroleumpnodukte regte die Unter-
nehmungslust allenthalben an und führte so zu einer erhöhten
Bohrtätigkeit, die im Verein mit günstigen Ergebnissen neuer
Gebiete eine weitere Steigerung der Welt-Hohöl-Produktion um
10 o/o gegenüber dem Vorjahr zur Polge hatte. Die Gesamtgewin-
nung hat damit die Menge von 50 Mill. t überschritten. Der
durch die vermehrte Produktion ermöglichten größeren Erzeugung
von Petroleum-Produkten stand aber bei der Mehrzahl von ihnen
eine nicht weniger bedeutende Steigerung der Nachfrage gegen-
über. Insbesondere war dies der Fall bei dem zum Betrieb von
Explosion^- und Wärme-Motoren gebrauchten Benzin und Treiböl,
sowie bei dem als flüssiges Feuerungsmaterial verwendeten Heizöl.
Im Verfolg dieser Entwicklung sind auch die Preise auf einem
hohen Niveau geblieben. Das Leuchtöl; welches früher die Haupt-
rolle im Geschäft mit Petroleum^Produkten spielte, ist an Be-
deutung zugunsten der vorerwähnten anderen Eohöl-Derivate zu-
rückgetreten, da sein Verbrauch nicht annähernd in gleichem Maße
zunimmt. Da andererseits die größere Kohölverarbeitung eine
höhere Leuchtöl-Erzeugung zur Folge hat, waren zur Deckung
des Bedarfs mehr als reichliche Mengen vorhanden. Im all-
gemeinen waren die Preise für Leuchtöl trotz der geschilderten
Sachlage recht hoch. In Deutschland jedoch hielt die den Markt
beherrschende Tochtergesellschaft der Standard Oil Company den
Leuchtölpreis aus besonderen Bücksichten weiterhin auf dem
gleichen niedrigeren Niveau, wie in der zweiten Hälfte des Jahres
1912. Die Frachtraten für Tankschiffe waren im Durchäclyiitt
niedriger als im Vorjahre, obgleich gelegentlich der Mangel an
Transportraum noch sehr erheblich war und in Ausnahmefällen
Bekordsätze gezahlt wurden. Nachdem im Laufe der Berichts'-
periode eine größere Anzahl von neuerbauten Schiffen in Dienst
gestellt worden war, trat gegen Ende deö Jahres auf dem Frach-
tenmarkt eine erhebliche Abschwächung ein, die vorbehaltlich
besonderer Ereignisse wohl als dauernd angesehen werden kann.
Die Bohölgewlonung der Welt belief sich im Berichtsjahre
insgesamt auf 50 800 000 t gegenüber 46 700000 t in 1912. Die
Produktion der für die Lieferung des deutschen Bedarfs von
Petroleum.
Rohöl-
gewinnung im
Ausland.
318 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Rohöl-Derivaten heute hauptsächlich in Fragte kommenden Export-
länder stellte sich im Vergleich zum Vorjahre wie folgt:
1912 1913
t t
Vereinigte Staaten 29 097 000 32 314 000
Rußland 9 326 000 9 247 000
Rumänien 1 807 000 1 885 000
Galizien 1 187 000 1 087 000
Ueber die Produktion von Mexiko sind genaue Angaben noch
nicht zu erhalten. Schätzungen veranschlagen die Ausbeute für
1913 lauf 3 Mül. t gegenüber 2,2 Mill. t im Vorjahr. Die Roh-
ölgewinnung in Niederländisch- und Britisch-Ludieii hat sich un-
gefähr auf der Höhe des Vorjahres bewegt, und zwar die Mengen
von 1500000 t bzw. 1000 000 !t erreicht. Die letztere Ziffer
beruht auf einer vorläufigen Schätzung.
In den Vereinigten Staaten entfällt die Steigerung der Pro-
duktion insbesondere 'auf das Oelgebiet von Oklahoma-Kansas und
auf Kalifornien, und zwar haben beide in ungefähr gleichem Aus-
maß, nämlich mit je etwa IV2 Mill. t zu der Erhöhung beige-
tragen. Rußland weist eine etwas g^eringere Produktion auf,
weil der Grubenbetrieb in den Hauptgebieten infolge eines Ar-
beiterstreiks im August und September erheblich eing'esch rankt
war. Rumänien hat wiederum mehr produziert als im Vorjahr.
Die Steigerung wäre jedenfalls noch beträchtlicher gewesiem, wenn
nicht die Mobilisation mit ihren Folgen störend eingewirkt hätte.
Außerdem hatte ein Grubenbrand, von dem im Herbst einige
besonders ergiebige Schächte betroffen wurden, eine vorübergehende
Produktionsvermiuderung zur Folge. In Galizien ist der weitere,
gegenüber früher allerdings geringfere Rückgang von T'ustanowice
durch eine bessiere Ergiebigkeit von Boryslaw und den anderen
Feldern nur zum Teil ausgeglichen worden, 9o daß die Gesamt-
produktionsziffer etwas hinter derjenigen von 1912 zurückbleibt.
Rohölpreise. Dio Rohölprcise bewegten sich im Einklang mit den Forde-
rungen für Derivate auf einem ziemlich hohen Niveau. Die No-
tierungen ab Grube stellten sich wie folgt:
Fennsylvanisches
Oklahoma
Russisches
Qalizisches
Rohöl
Rohöl
Rohöl
Rohöl
$per
M. per
$per
M. per
Kop. per
M.per
Kr. M.per
barrel
t
barrel
t
Pud
t
% kg t
Mitte Januar 2,05
65,70
0,83
26,60
37 —
48,80
8,12 69,—
„ April 2.50
80,10
0,88
28,20
40,25
53,15
9,72 82,60
, Juli 2,50
80,10
0,98
31,20
41,25
54,45
8,35 71,—
„ Oktober 2,50
80,10
1,03
33,-
49,50
55,35
8,71 74,05
Dezember 2,50
80,10
1,03
33,—
40,—
52,80
8,10 68,85
Für rumänisches Rohöl, das, wie früher bemerkt, nicht
offiziell notiert wird, wurde zu Ende des Berichtsjahres ein Preis
von etwa 80 Fr. z=^ 65 M. per Tbnne genannt.
83a. Petroleum und andere Mineralöle.
319
Die auffallende plötzlliche Hinaufsetztmg' der Notiz für
pennsylvanisches' Eohöl war nicht durch eine Aendenmg der
Marktverhältnisse bediug-t; sie war vielmehr von dem die Notiz
bestimmenden Konzern als Kampfmittel zu dem Zweck UQter-
nomknen, iden Preis für Rohöl über die Parität desjeaiig'en für
Leuchtöl zu briiigen.
In Eußland verursachte der oben erwähnte Arbeiterstreik
vorübergehend eine sprunghafte Erhöhung der Preise.
Der Preis für galizisches Rohöl stieg in den ersten Monaten
des Berichtsjahres an, ging aber bis zum Ende desselben infolge
der eingetretenen Produktionserhöhung wieder auf den Stand vom
Januar zurück.
Die Leuchtöl-Exportp reise im Verlan
zeigen für Amerika und Rußland, wo allein
existieren, folgendes Bild:
Standard white*)
in bulk f.o.b. New York
Cents p. Mark per
gallon Tonne
Mitte Januar
4,80 68,30
r, April
4.80 68,30
. Juli
5— 71,20
Oktober
5,— 71,20
„ Dezember
5,25 74,60
les B
erichts Jahres
Leuehtöl-
zielle
Notierungen
Export-Preise.
Russiscl
les Petroleum
f.o.b. Batum
Kop. p.
Mark p.
Pud
Tonne
58,—
76,50
63,—
83,20
64-
84,50
84,—
110,80
68,-
89,70
*) Die Notiz für Water white war durchweg um 1 cent per gallon = 14,20 M. pro
Tonne höher.
Dier New Yorker Exportpreis entwickelte also eine langsam
ansteigende Tendenz. Die oben geschilderte Erhöhung der Bohöl-
NoL^erungen hat den Exportpreis für Leuchtöl kaum beeinflußt,
was damit zu erklären ist, daß das pennsty Ivanische Ttohöl für
den Export von Leuchtöl mehr und mehr an Bedeutung verliert,
Abgeeehfen von den enorm hohen Preisen während und unmittel-
bar nach dem Streik zog auch die Notiz für russisches Petroleum
ziemlich gleichmäßig an. Dter Preis für rumänisches Jjeuchtöl
frei Bord Ausfuhrhafen entsprach zu Ende des Beridhts'jahres
ungefähr der New Yorker Notiz für Standard White. Oester-
reichisches ExportrLeuchtöl unterlag infolge des Mangels einer
generellen Preisvereinbarung der Raffineure einem Preisrückgang.
Dias Leudhtölgeschäft in Deutschland stand im Berichtsjahre
weiter unter dem Zeichien der Verhandlungen über ein Petroleum-
Monopol. Die Deutsch-Amerikanische-PetroleumGesellschaft hat
ihr besonderes Augenmerk auf eine Verstärkung ihrer eigenen
TranFportmittel gerichtet; diese Tendenz zeigt sich schon in der
Bilanz des Unternehinens für den 31. Dezember 1912, die gegen-
über dem vorhergehenden Jahre den Wert der Transportmittel
mit mehr als dem doppelten Betrage, nämlich rund 30 gegen-
Hiber 13 Mill. Mk., aufweist. Die Deutsch- Ame rikanisiohe-Pe-
troleum-Gesell Schaft und ihre Sohwesteruntemehmungen, sowie die
Deutsches
Leuchtöl-
Goschäft.
320 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
mit d-erselben verbündeten Gresellseihaften Pure Oil Co. und Olex
ließen ilir^ Preise während des ganzen Jahres mit wenigen Aus-
nahmen unverändert. Für die Dieutsche Petroleum- Verkaufs-Ge-
selisdiaft war das Berichtsjahr von besonderer Bedeutung wegen
des im Mai vom B/eichsgericht zu iJiren Gunsten gef älltea LTrteils,
wodurch die im Sommer 1912 vorgenommene Auflösung ihres
früheren Vertragsverhältnisses zur Deutsch-Amerikanischen Pe-
troleum-Geeellsehaft anerkannt wurde. In der zweiten Hälfte des
Berichtsjahres hat die Deutsche Petroleum- Verkaufs-Gesellschaft
an zahlreichen Plätzen ihren Preis erhöht, da die früher gegen-
über amerikanischem Leuchtöl eingehaltene Spanne nach der er-
heblichiii Qualitäts- Verbesserung der anderen Leuchtöle keine
Berechtigung mehr hat. Wie verlautet, hat die Deutsche Pe-
troleum-Verkaufs-Gesellschaft im Jahre 1913 größere Mengen Pe-
troleum von den bedeutenden österreichischen Export-Raffinerien
bezogen. Die in den früheren Berichten nach der amtlichen Sta-
tistik angeführten „Großhandels-Preise für Leuchtöl" haben, wie
scho]i im Vorjahr bemerkt, keinerlei praktische Bedeutung mehr.
Von einer Wiedergabe derselben an dieser Stelle wird daher a.b-
gesehen. Der von den Verkaufs-Gesellsk^haften durchschnittlich
geiorderie Preis für Leuchtöl dürfte für das Berichtsjahr etwa
IS^A: Pf. pro Liter frei Haus des Detaillisten (gleiöhbedeutend
mit ab Straßentankwagen) betragen haben. In Berlin, wo der
Preis wegen des großen Absatzes stets unter dem Durchschnitt
ist, betrug der Preis frei Haus des Detaillisten im Berichtsjahr
17V2 Pf. pro Liter.
Einfuhr von Däe Einfuhr von Leuchtöl bezifferte sich 1913 insgesamt auf
Leuchtöl. 745 500 t gegen 795 000 t in 1912, also rund 50G00 t oder 6ob
weniger, was übrigens nidit als auffallend zu betrachten ist,
da Schwankungen in den Einfuhrziffem der einzelnen Jahre in
diesem Ausmaß sich seit Jahren zeigen. So betrug die Einfuhr
1909 761000 t, 1910 791000 t, 1911 755 000 t. Der Vergleich der
Einfuhr aus den einzelnen Bezugsländern in 1912 und 1913 ergibt
folgendes :
1912 1913
t t
Vereinigte Staaten 517 138 = 77,6% 574 759 = 77,1 o/o
Oesterreich-Üngarn 125 967 = 15,8% 119 680 = 16,07o
Rumänien 22 462= 2,87^ 33 336= 4,5 7o
Rußland 29 257= 3,8% 17 493= 2,4%
Eine Steigerung weist demnach nur B,umänien auf. Frei-
licli isi. die naeh Deutschland gelangende Menge rumänischen
LeucÜitöles im Verhältnis zur Gesamtausfuhr dieses Landes ge-
ringfügig. Für die Folge wird mit einer Vermehrung des Be-
zugs aus Eumänien auch auf dem Donauwege gerechnet, worauf
die im Sommer 1913 erfolgte Gründung einer deutschen Schiff-
fahrts-Gesellschaft, des Bayerischen Lloyd, hindeutet. Dieses
Unternehmen hat vornehmlich die Belebung des Güterverkehrs
83a. Petroleum und andere Mineralöle.
321
zwischen dem Schwarzen Meer und Regensburg durch Förderung
des Imports von Petroleum-Pix)dukten und Bodenerzeugnissen
aus Eumänien und den Balkanländem auf der Donau zum Zweck.
Der Leuchitölverbrauc'h auf den Kopf der Bevölkerung, be-
rechnet nadh den Ein- und Ausfuhrziffem und der inläjidischen
Erzeugung, belief sich im Berichtsjahr auf etwa 11,8 kg gegen
12,5 bzw. 12 kg in den Vorjahren.
* Ueber die Rohölgew Innung in Deutstchland. im Jahre 1913
liegen offizielle Ziffern nieht vor. Die Gesamtproduktion wird
auf 125 bis 130 000 t veranschlagt gegenüber 135 000 t in 1912.
Die Verminderung der Ausbeute ist auf die geringere Ergiebig-
keit des Oelgebietes bei Wietze ia Hannover zurüekzufüh'ren..
Auf dem deutschen Benzinmarkt haben die Preise die seit
[Mitte 1911 herrschende, stark steigende Tendenz zunächsrt bei-
behalien, und am Beginn des Frühjahres ihren Höchstpunkt er-
reich't. Die politischen und wirtÄchaftlichen Sorgen, die im
Sommer und Herbst herrschten und eine allgemeine Einschränkung
der Luxus- Ausgaben verursaeh^ten, haben auch auf die bisiher
stets wachsende Nachfrage nach Automobilbenzin hemmend ge-
wirkt, Was einen gewissen Rückgang der Preise zur Folge hatte.
Am Ende des Berichtsjahres waren die Preise für Benzinprodukte
ungefähr auf das Niveau vom Dezember 1912 zurückgegangen.
Im letzten Vierteljahr 1913 erklärte die Asiatic Petroleum Com-
l)any, die am Ende des Jahres ablaufende Interessengemeinschaft
mit den großen, deutschen Raffinerien, die seit etwa 15 Jahren
unter dem Namen „Vereinigte Beni:infabriken G. m. b. H." be-
stand, nicht erneuern zu wollen und sich vielmehr durch eigene
Fabriken und Anlagen am deutsehien Geschäft künftig zu be-
teiligen. Die Steaua Romana Aktiengesellsöhaft für Petroleum-
Industrie, die bisher in Deutschland mit der Asiatic zusammen
gearbeitet hat, sagte sich von ihr los und hat mit den oben, er-
wähinten deutschen Fabriken, welche das rumänische und indische
Rohbenzin der Steaua Romana und Asiatic bisher verarbeitet
und vertrieben hatten, eine neue Gemeinschaft gegründet, welche
unter Wahrung der Selbständigkeit jeder Fabrik eine größere
Beteiligung des rumänischen Benzins am deutslohen Markt, als
bishier, ermöglicht.
Die Ungewißheit, in welcher die deutschen Fabriken sich
eine Zeitlang wegen der künftigen Sicherung des Rohwaren- Be-
zuges und der Gestaltung des Benzinmarktes im folgenden Jah're
befunden haben, hatte natürlich eine Zuiückhaltung in Ankäufen
von Rohbenzin zur Folge; die am Ende 1913 in Deutschland vor-
Ihandenen Benzinvorräte dürften daher hinter denjenigen des Vor-
jahres weit zurückliegen. Hierzu kommt noch, daß von mancher
Seite ein Preiskampf zwischen den nunmehr im deutschen Benzin-
geschaft bestehenden drei Gruppen (deutsch-rumänisiche Gruppe
der Steaua Romana, engliscli-holländisehe Gruppe der Asiatic,
Berl. Jabrb. f. Handel u. Ind. 1913. 11. 21
Leuchtöl-
verbrauch.
Rohöl-
gewinnung'in
Deutschland.
Benzin.
Preise.
Vorräte.
322 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.,
am-erikajiisclie Gruppe) . befürchtet würde, welcher indessen
ausblieb.
Einfuhr. J)ie Geeamteinfiüir von Benzin in das Zollgebiet, welche in
1912 um ca. 50 000 t gegenüber 1911 gestiegen war (1912 246 500
Tonnen, 1911 198 200 t), ist in 1913 auf rund 210 000 t zurück-
igegangen. In den vorgenannten Ziffern sind nicht eingeschlossen
diejenigen Mengen künstlichen Terpentinöles, welche seit einigen
Jahren in den monatlichen Ausweisen des Statistischen Amtes unt^r
dem Posten „Sehwerbenzin, Putzöl, Patentterpentinör' mit nach-
gewiesen werden und die schätzungsweise im Jahre 1913 zirka
40 000 t, im Jahre 1912 etwa 30000 t betragen haben mögen.
Im folg'ienden sind die Ziffern gegenüber gestellt, welche für die
einzelnf^n Einfuhrländer in dem Jahre 1913 gegenüber 1912 in
Frage kommen. Bei diesen Ziffern sind die Mengen des Patent-
terpentinöles mit eingerechnet worden.
Tab. 125. Benzineinfuhr nach Gebieten absolut und prozentuah
1912
1913
1913 gegen-
f
%
t
%
über 1912
Vereinigte Staaten. ^.
78 319
28,2
45 206
18,1
— 33 113
Eußland . . * . .
43 926
15,8
50 069
20,1
+ 6 143
Rumänien
76 016
27,4
69 823
28
— 6 193
Oesterr.-Ungam . . .
28 972
10,5
30 447
12,2
-^ 1475
Niederh -Indien . . .
46 059
16,6
47 007
18,8
-f 948
Britisch-Indien . . .
1
2,1
5 356
—
+ 5 355
Wie sich die Einfuhr in den verschiedenen Benzinhandels-
produkten stellte, zeigt folgende Tabelle:
Tab. 126. Benzineinfuhr nach Gattungen i
Lind Gebieten.
Ver. i Ruß-
Staaten i land
Rumä-
nien
Oestr.-
Ung.
:Ndi.-
Indien
Brit.-
Ind.
Ins-
gesamt
t \ t"
t
t
t
t
t
Rohbenzin . . . J^J^
1
73 874
41816
42 998
42 896
55 246
50160
9 524
7 503
15109
16 796
—
198145
159 380
raff. Benzin . . . J^J^
2173
1571
[
3 251
2179
4 935
4 196
—
—
11083
8 361
Schwerbenz. Putz-
öl,Patentterpentin- 1912
öl ..... . 1913
2 272
1819
928
7173
17 519
17 484
14 513
18 748
30 950
30 211
1
5356
68 272
81366
Verbrauch
Miueral-
schmieröle.
Dler Verbrauch an Benzin im Berliner Bezirk dürfte im Jahre
1913 etwa 30 000 t betragen haben und sich damit wieder in dem
gleichen Verhältnis zum Gesamtverbrauch des deutschen Reiches
gehalten haben, wie in den vorhergehenden drei Jahren.
Das Jahr 1913 war für den deutschen Mineralölhandel im
allgemeinen nicht erfreulich. Vor allem hatte der Handel unter
Preisschleudereien schwer zu leiden. AVas zunächst den Absatz
anbelangt, so konnte hierüber nicht geklagt werden, da er, von
83a. Petroleum und andere Mineralöle. 323
^Einzelfällen abgesehen, recht gut war. Die vielfach unajigenehm
empfundene geringere Beschäftigung der Industrie beeinflußte den
Mineralölhandel nur wenig; der Oelhändler kontite daher, von
wenigen Ausnahmen abgesehen, mit der Höhe seines Absatz^eä
nicht unzufrieden sein. Der Verdienst dagegen war recht schlecht.
Keben den bereits erwähnten, in der Konkurrenz begründeten, Ur-
sachen ist hier auch namentlich auf die allgemeine Marktla^ge
zu verweisen, die dem Händler nicht günstig war. Gegen Endo
des Herbstes 1912 hatte nach längerer, teils rückgängiger, teils
ruhender Konjunktur eine lebhafte Hausse sämtlicher Schmieröle
eingesetzt, die ganz exorbitante Preisänderungen zur Polge hatte.
Manche Oele stiegen um 50 ob und mehr. Lediglich amerikanische
Oele erfuhren einen Preisrückgang, der aber ziemlich allgemein
für gänzlich unmotiviert gehalten wurde. Man suchte die Ur-
sache hierfür in Maßnahmen, die der Konzern der Standard Oil
Companj^ für angebracht hielt, um ein Ueberfluten englischer
"VYare nach Deutschland zu verhindern. Die Hohölpreise in den
Vereinigten Staaten waren jedenfalls niemals höher als im No-
vember 1913, so daß tatsächlich eine innere Ursache für den.
Preisrückgang nicht vorhanden war. xluch die E-ussen-Konvention
mußte infolgedessen ihre Preise umj 1 Rbl. für 100 kg herabsetzen,
obwohl die Eohölnotierungen in Rußland beinahe täglich stiegen.
Di- ganz unverhältnismäßig erhöhten Einkaufspreise mußte
der Händler natürlich auch in seinem Verkaufspreis zum Aus-
druck bringen, jedoch gelang dies nur zum Teil. In vielen
Eällen wurde Klage darüber geführt, daß die nunmehr erzielten
Verkaufspreise nur auf wesentlicher Reduktion des an und für sich
^ar nicht reichlich bemessenen Gewinns beruhten. Die Konsumen-
ten, d. h. die Industriellen, konnten sich in sehr vielen Eällen den
neuen Verhältnissen nicht anpassen, was teilweise Preisdrückereien
"von bislang nicht geübter Schärfe, teilweise aber auch den Ueber-
gang zu geringeren Qualitäten, die naturgemäß auch einen ge-
ringeren Verdienst lassen, zur Folge hatte.
Was die einzelnen Oele anbelangt, so wurde bereits erwähnt,
daß die russischen Oele noch im November eine Preissteigerung
erfuhren ; das hauptsächlich in Betracht kommende russische
Maschinenöl I war im November 1913 im Großhandel volle
-8 Mk. teurer als Ende 0.911. Die amerikanischen Oele gingen, wie
gleichfalls bereits erwähnt, um reichlich 1 Mk. zurück; immerhin
waren auch die besonders in Betracht kommenden amerikanischen
Zylinderöle im November 1913 noch 6—7 Mk. teurer als Ende
1911. Die deutschen Oele, die für den Weltmarkt von geringerer
Bedeutung sind, haben sich weiter verteuert. Die österreichischen
Oele sind ebenfalls von untergeordneter Bedeutung für den Welt-
markt. Die Auffassung der Marktläge bei den österreichischen
Raffinerien war außerordentlich verschieden. Teilweise hielt man
auf gute Preise, während an anderer Stelle wieder in geraidezu:
21*
324 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
uuvernünftiger "Weise geschleudert wurde, wodurch hin und wieder
eine Meine Beunruhigung des Marktes eintrat, die aber nur ^^n
untergeordneter Bedeutung war.
Die Bemühungen des Vereins Deutscher Mineralölhändler
E. V., Hamburg, Besserungen auf den verschiedenen in Betracht
kommenden Gebieten zu erzielen, wurden mit Eifer fortgesetzt.
Schon der Vereinsgedanke an und für sich hat dazu beigetragen,,
die Schärfe des Ejonkurrenzkampfes in manchen Fällen zu, mindern^
ebenso war es dem Verein auch möglich, in den einzelnen Fälleti!
die Interessen der Mitglieder Lieferanten gegenüber erfolgreich
wahrzunehmen. Die Verwirklichujig der Hauptpunkte des auf-
Igestellten Programms war freilich noch nicht möglich, abge-
sehen davon, daß die von vielen Händlern Ulid. auch' vom Verein;
begehrte Baisseklausel seitens der Raffinerien wieder zur Ein-
führung gelangte.
84. Lack- und Firnisfabrikation, Mineral- und
Oelfarben, Farblacke.
Absatz. Der Absatz in Mineral-, Pigment- und Lackfarben war gleich
dem Jahre 1912 in den ersten drei Vierteljahren 1913 sowohl im
Inland als auch im Auslande ziemlich gleichmäßig, so daß die
Höhe des Umsatzes annähernd diejenige der gleichen Zeit des-
Jahres 1912 erreichte. Dieses Ergebnis war um so erfreulicher,,
als die Vereinigten Staaten von Amerika sich im Hinblick auf
die bevorstehende neue Tarifbill in Erteilung von Orders große
Reserve latiferlegten. Die neue Bill gestattet unserer Industrie,
ihre Waren zu einem erheblich billigeren Zollsatz einzuführen,
und daher ist von ihr eine starke Zunahme des an und für
sich bedeutenden Exportes nach den Vereinigten Staaten zu er-
warten. Einer regelmäßigen Verladung der Exportgüter kam
auch der ziemlich günstige Wasserstand unserer öffentlichen Fluß-
läufe zustatten, von welchen nur die Elbe zeitweise einen niedrigen
Wasserstand aufwies. Gleich dem Vorjahre 1912 kam als un-
günstiges Moment das Daniederliegen des gesamten Baugewerbes-
in Betracht, welches noch stärker als 1912 den Konsum der Maler-
und Dekorationsfarben l>eeinträchtigte. Dagegen wirkte auf das-
Farbengeschäft die Kode, größeren Farbenreichtum zur Anwen-
dung zu bringen, belebend ein. Die kriegerischen Wirren der
Balkanstaaten waren ohne Einfluß auf die Exportziffem, !da
die Ausfuhr nach diesen Staaten nur von geringer Bedeutung ist.
Preise Der hohe Preisstand der Kohmaterialien erwies sich als
dauernd und kam namentlich bei den Metallen, wie Blei, Zinn,
Zink und Kupfer, zum Ausdruck. Auch in einigen Barytsalzen
machte sich eine Knappheit bemerkbar, so daß infolgedessen die
Preise für die für die Farblackfabrikation wichtigen Rohmate-^
rialien wesentlich anzogen. N"och ungünstiger gestaltete sich die
84. Lack- u. Firnisfabrikat., Mineral- u. Oelfarben, Farblackc, 325
Lage auf dem Farbholzmarkt, da Zufuhren von manchen Sorten
Hölzern überhaupt ausblieben, andere durch Knappheit und durch
hohe Seefrachten einen erheblichen Preis auf schlag erfuhren. Da
nun andererseits 'die Verkaufspreise infolge der starken Farben-
produktion und der dadurch sich ergebenden starken Konkurrenz
nicht in 'Einklang mit den Steigerungen auf dem Eohmaterial-
markt gebracht werden konnten^ so war im allgemeinen die Lage
der Mineral- 1ind Lackfarbenfabrikation nicht erfreulich.
Infolge der 'Geldteuerung haben sich die Kreditverhältnisse
in der Mineral- und Lackfarbenindustrie bedeutend, verschlechtert ;
erhebliche Zielüberschreitungen waren an der Tagesordnung, so
daß der etwa bleibende geringe Profit durch die längere Ziel-
gewähning mehr als absorbiert wurde.
IVas nun die einzelnen Verwendungszwecke anbelangt, so war
das Geschäft in Farben für die Buntpapierfabrikation, für Deko-
rationsmalerei, Blechdruck usw., sowie in Künstler- und graphi-
schen Farben befriedigend. Letztere Farben allerdings erleiden
ebenso wie die Farben für Tapetenfabrikation einen starken
Abbruch dadurch, ^daß infolge Vereinfachung der Fabrikations-
weise — viele Farbstoffe werden beinahe gebrauchsfertig von den
Anilinfabriken geliefert '■ — die betreffenden Pigmentfarben oder
Farblacke von den Konsumenten selbst dargestellt werden. In
Permanentweiß (Blanc fixe) hielt sich der Umsatz auf der Höhe
der drei ersten Quartale des Jahres 1912, doch steht zu befürchten,
daß das aus Witherit hergestellte Blano fixe einen größeren
Abbruch durch auf andere AVeise hergestellte Produkte erleidet.
Auf jeden Fall geht die Tendenz auf Verarbeitung billigerer Fa-
brikate, welche sich auch in der Ch'romopapierfabrikation, Kar-
tonstreicherei usw^ eingebürgert haben, während zum Barytieren
photographischer Papiere immer größere Ansprüche an das dazu
zur Verwendtmg gelangende Blanc fixe gestellt werden und daher
nur erstklassige Marken benutzt werden. Der Pariserblaumarkt
weist immer noch keine Besserung auf, da die Verkaufspreise
in keinem Verhältnis zu. den hohen Eohmaterialpreisen stehen.
Der Export zeigte nach Belgien, den Niederlanden und den
Skandinavischen Ländern eine erhöhte Ziffer, nach den Vereinigten
Staaten von Amerika die gleiche Zii'fer wie in 1912 aus den
in der Einleitung angeführten Gründen; dasselbe ist der Fall
nach Ländern wie Spanien, Oesterreich-Ungam, Italien, Portugal,
England und Kolonien, Schweiz und Prankreich. Der Export naöh
den ostasiatischen Ländern war infolge der andauemden chinesi-.
sehen Wirren nicht lebhaft, und auch nach Rußland blieb der
Export aus bekannten Gründen nach wie vor gering. — Außer-
ordentlich zu bedauern ist die Tatsache, daß es nicht gelungen ist,
den kanadischen Markt wieder für die hier in Frage stehenden
Produkte zu gewinnen; man kann dieses große Absatzgebiet als
für immer verloren ansehen.
Zahlungs-
Verhältnisse.
Verwendungs-
zwecke.
Export.
326 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Rohstoffe. Einem zweiteai Beridit jüber die Eiohstoffe der Lackindustrie
entnehmen wir folgendes:
Leinöl ist im Berichtsj,aiire (gegen 1912 erhebliöh im Preis&
gesunken. Die Preisie standen etwas über 50 Mk. und fielen im
Okt. /Nov. sogar unter 50 und bis auf 47 Mk., was schon lang&
nicht viorgekommien war.
Auch Holzöl notierte billiger. Es kommt hierbei in Be-
tracht, daß bei billigten Leinölpreisen die Verwendung von Holzöl
etwas nachläßt, wieim lauöh für viele Zwecke das Holzöl wegen
seiner besonderen Eigenschaften nicht zu entbehren ist.
Terpentinöl ist gleichfalls billig'er geworden. Es kamen Preise
bis zu 55 Mk. vor, imd man kann sagen, daß Terpentinöl im Durch-
schnitt etwii 58—60 'Älk. wertete.
Auch Kolophonium ist (ganz gewaltig im Preise gefallen und
zwar um 14—15 iMk., so |daß sich das durohsiclhnittliche Preis-
niveau von 32 iMk. auf 19 Mk. verschoben hat. Allerdings ist
dieser bedeutungsvolle Preissturz erst in der .zweiten Jahres-
hälfte eiagetreten. D,a aber der Verbrauch diesas xlrtikels enorm
ist, so fällt er für das Jahresergebnis dennoch erheblich ins
Gewicht.
Die Kopialpreise dagegen sind gestiegen. Zwar hat die Ver-
wendung dieses Materials ifür viele Zwecke abgenommen, naeli-i
dem der Technik die Herstellung vieler Lacike aus Harz, anstatt
aus Kopal, in Verbiadung mit Holzöl gelungen ist, aber anderer-,
seits sind Veränderungen im Abbau \d&r Kopale, speziell der
spritlöslichen, und damit eine Verringerung der naöh Europa ver-
lä'chifften Miengen eiagetreten. Durch diesen Ausfall sind die
Prei^ sehr gestiegen; Imanche Sorten kosten fast schon das
Doppelte.
Die kolossale Hausse in Mineralölen hat nachgelassen, und
es waren brauchbare Sorten wieder für etwa 15 Mk. zu haben.
Die Spirituspreise waren alles in lallem nicht ungünstig,,
verglichen mit den früheren Jahren. Der Ring behauptet aber
seine Machtstellung weiter, jund es wird befürchtet, daß er bei
ihm goei^et soheiuender Gelegenheit sicher wieder höhere Preise
verlangen wird.
Sandarac war nach Iwie vor recht teuer. Eine Ware, die noch
vor einigen Jahren etwa 120 Mk. kostete, notierte heute etwa
170 Mk.
Schellack (Stocklack) imd idie .übrigen Harze, welche für
die Spirituslackindustrie von Bedeutung sind, standen im all-
gemeinen günstig im Preise und ermöglichten reine ziemlich
günstig Ea-brikation. '
Leinölfirnis fand guten Absatz, und da die Preise niedrig-
wlaren, so ließ Idie Verwendung von .Ersatz firnissen erheblich
nach, besondiers für Außenanstridhe.
85. Farbhölzer.
85. Farbhölzer.
Das Jahr 1913 hat vielfach Enttäuschtiiig^en g^ebracht, was
wohl in erster Linie ,auf jdie politiisichen Unruhen und die Grold-
tetierung zurückg-eführt werden muß. Auf Farbhölzer sind diese
^Momente nicht g'anz ohne Einfluß i^blieben, wenn auch [über
den Marktgang und /die Absatzverhältnis^e für diesen Artikel
wenigier zu klagen war als iiber Sdhwierigkeiten, die l>enötigten!
Quantitäten und Qualitäten besonders während des ersten Ilalb-
jahres von den Produktionsl ändern nach Europa herüberzuziehen.
Die hohen Frachten isoWohl für Segler als aiuclh für Dampfer
haben die Preise nach oben beeinflußt, und erst im Hochsommer
und Herbst trat lein Hüclksichlag in einzelnen Sorten bei reich-
licherem Angebot und konsignationisweisen Versichiffungen zutage.
Die Beschaffenheit der eingeführten Hölzer während deä
verflossenen Jahres war |gnt, was ;den Verbrauch von Farb-
hölzern durch die [Industrie jedenfalls nur fördern kann.
'Mexiko tind Honduras haben weniger Blauholz ausgeführt, Biauhoiz.
Haiti-Blauholz hiat, wie sieit langen Jahren, in erster Linie den
^Xarkt beherrs'cht. Gnerade {bei den Vers'ehiffungen dieser Insel
war die anzuerkennende, (gute Qualität der Hölzer sehr erfreu-
lich. Jamaida lieferte wohl ähnlich wie in früheren Jahren. Der
Import dieser Hölzer hat kaum eine nennens'werte Veränderung
erfahren, was mit darauf zurückzuführen sein könnte, daß auf
Jamaica eine Fortwir tschaft eingeführt ist und daß es nicht
wie Haiti nur auf Raubbau steinen Export begründet.
Die Ausfuhr von mexikanischen Gelbhölzem wurde zum Teil Geibhoiz.
durch die Revolution immöglich gematlht. Verträge, welche vor
Jahresfrist abgeschlossen wjurdien, Isind heutzutage noch nicht
erfüllt, und wann dies der [Fall sein wird, läßt sich noch aiibht
übersehen. Auch Venezuela hat weniger, als sonst wohl üblich',
abgeladen. Aehnlich liegt es auch bei den zentral-amerikanislchen
Sorten, so daß lein nicht {unwesentliaher Ausfall in den Zu-
fuhren nunmehr sich ergeben hat nnd die Preise, die vorü,ber-
gehend im Hochsommer eine kleine Absehwächung für einzelne
Sorten zeigten, bei ausgesprochener Knappheit in den Vorräten
und Angeboten im Herbste eine ;Erhöhung erfuhren. Jamaica-
und Domingo- Gelbhölzer wurden weniger herangebracht, lals
normalerweise zu erwarten igewesen wäre. Die Moderichtung
bleibt anscheinend dem Konsum von Gelbholz günstig, und daher
wäre es erwünscht, (daß wieder (größere Verschiffungen in die
Wege geleitet yürden.
Soweit Lima-Rotholz in Frage kam, erreichte bei dem Mangel Rotholz,
an Abladungen die Preisbasis nicht die Höhe, die Ende vorigen
Jahres erwartet wurde. .Es miag -dies zum Teil darauf zurück-
zuführen sein, daß Venezuela mit seinen Brasilete-Versichlffun-
328 VI. Rohstoffe u, Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Sapan-Hölzer.
giem, a4ngiesidhts d'er billigeren Preisbasis, im Konsum, sich mehr
EiQgaii^ versidhafft hat.
I>ie Preise für Sapan-Hölzer sind langsani gestiegen, da die
Produktion, öpeziell in jCeylon, tmgtemein eingeschränkt worden
ist tmd die Abladiingen viel kleiner blieben als den Liebhabern
dieses Holzes erwünscht sein kann. Die höheren Preise führten
noch ni<^ht zu einer Vergrößierung der Abladungen. Das
kleinere Amgebot in Ceylon-Hölzern ist dem Sapanholz, welches
vion der Mjalabarküjste verschifft zu werden pflegt, günstig ge-
wesien, denn teilweisie hat der Kjonäum sich inzwischen bea?eits
an diese Eröatzsorte gewöhnt, teilweise ist er gezwungen worden,
dazu überzugehen.
Tab. 127. Einfuhr von Farbhölzern
in Hamburg in den Jahren
1904-
1913.
1904
1905
1906
1907
1908
1909
1910 1 1911
1912
1913
tons
tons
tons
tons
tons
tons
tons
tons
tons
tons
Blauholz
Laguna . . .
5 600
3 600
5 460
5 130
7 380
1560
3 050
3 130
2 500
3 270
Yucatan . . .
4 600
1250
1800
950
1615
905
445
650
570
430
Haiti usw. . .
2 200
2 060
5 100
4 990
960
1 420
3 200! 1820
2 450
3 850
Jamaika-
Stammholz .
3 900
1670
3 500
4 660
250
350
1 000 1 230
620
1500
do. Wurzeln .
2 450
1400
1550
2 410
360
300
300
340
300
600
Honduras . .
650
900
770
420
225
600
700
400
200
135
Santa Lucia .
—
—
—
—
—
—
—
Cuba ....
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
19 400
10 880
18 180
18 560
10 790
5 635
8 695
7 570
6 840
9 785
Gelbholz
Corinto . . .
300
1255
135
390
110
274
460
500
300
440
Savanilla
—
—
—
—
—
—
—
—
Maracaibo . .
150
155
270
1360
111
150
400l 500
100
bo
Tampico . .
675
350
1 100
830
575
210
(.20! 420
665
250
Jamaica . . .
450
150
125
150
125
126
220! 300
290
140
Diverse . . .
90
100
175
320
175
155
130 250
210
150
1665
2 010
1 1805
3 050
1096
1615
1 830| 1 970
1565
10*5
Rotholz
1 1440
775
1 921
1608
! 875
i 1415
900
1315
1 680
830
Quebrachoholz
|l21000
106 000
1 99 000
109 000
89 500
97 000
128 600
155000
63 900| 109000
86. Gerbstoffe und Gerbextrakte.
Allgemeines. I>as Ja.hr 1913 ist gewiß auch für die Lederindustrie nicht
leidh^i gewesen; allein die Lederfabrikanten haben nunmehr durch-
zusetzen vermocht, daß eine Steigerung der Preise für das fertige
Fabrikat nach' und nach eingetreten ist, welche im ungefähren
Einklang mit der Wertsteigeru^g der Rohliäute steht und ein
gewinnbringenderes Arbeiten der Fabriken ermöglichte. Der
stärkere Konsum, der sich' durch die kriegerischen Verhältnisse
für Leder insbesondere ergab, ist nebenher nicht ohne günstigen
Einfluß gewesen, und die Rückwirkung auf das Geschäft in Gerb-
stoffen und Gerbextrakten ist natürlich nicht ausgeblieben.
86. Gerbstoffe und Gerbextrakte. 329
Quebradio-Blockholz und argentinischer Quebrachoholz-Ex- Art^k^^
trakt haben Schwankungen unterlegen, die einesteils durch die
Entwicklung des Frachtenmarktes, anderenteils durch die un-
klaren Absatz Verhältnisse in den Vereinigten Staaten Nord-
amerik'is hervorgerufen wurden. Zu der ermäßigten Preisbasis,
die nunmehr in den beiden Artikeln vorliegt, hat sich ein be-
langreicheres Geschäft entwickelt. Die Zolh^rhöltnisse haben
sicih nach Annahme des neuen Zolltarifs zugunsten der Ver-
wendung fester, argentinischer Quebrachoholz-Extrakte in den
Vereinigten Staaten Nordamerikas, dem größten Absatzgebiet
dieser Eabrikate, geändert, und daraufhin haben neuerdings Ex-
traktfabriken im Hinterlande Argentiniens den Besitzer ge-
wechselt, sie sollen für den Export nach Nordamerika in erster
Linie beschäftigt werden. Dieser Umstand dürfte die zeitweilig
fühlbare Ueberproduktion beseitigen helfen.
Valonea hat infolge eines sehr reichen Ernteergebnisses,
speziell in Klein-Asien, im Sommer 1913 ein Preisniveau erreicht,
wie es wohl kaum je so niedrig zu verzeichnen war. Eine leichte
Neigung zur Steigerung der Preise war gegen Ende des Jahres
^u bemerken.
Die Ernte von Myrabolanen ist in Indien recht unbefriedigend
ausgefallen, und daher war es dem indischen Trust leichter mög-
lich, seine Ziele erfolgreich zu verfolgen. Zu Ende des Jahres
sind die Vorräte ganz minimal geworden, und die Eigner konnten
allmählich höhere Preise durchsetzen. Der Ausblick auf die
Saison 1914 ist erfreulicherweise etwas günstiger. Eine reich-
lichere und qualitativ bessere Ernte wird erw^artet, und die
Indier haben diesem Umstände bereits Rechnung getragen und
Konzessionen lq den Preisen eintreten lassen, sb daß ein lebhaftere«
Geschäft auf Abladung sich entwickelt hat.
Algarobilla ist bedauerlicherweise fast nur noch dem Namen
Inach' bekannt; größere Zufuhren fehlen schon seit Jahren. In
Dividivi war eine nicht unbeträchtliche Hausse zu verzeichnen,
wie dies schon im vorigen Jahre vorauszusehen war. Der Import
tvon t^laletto-Rinde ist kleiner geworden, da in Australien der
g-rößte Teil der Produktion im Lande verwendet wird und der
Ueberschuß in den Händen eines Syndikats in Europa verbleibt.
Mimosa-Rinde hingegen hat schrittweise an Bedeutung so-
wohl in der Erzeugung drüben, als auch im Konsum diesseits
gewonnen, Schwankungen w^are^i dafür bei der Größe des Artikels
Unvermeidlich, und nachdem ein ziemlicher Preisrückgang sich
ergeben hatte, stellte sich heraus, daß größerer Deckungsbedarf
[vorhanden war und nicht allein das Angebot willig Aufnahme
fand, sondern auch o:eo:en den Hochsommer hin eine nicht un-
bedeutende Preissteigerung durchgesetzt werden konnte. Für das
Jlahr 1914 sind bereits größere Kontrakte auf Abladung ge-
tätigt. Gegen Ende des Jahres mehrte sich aber das Angebot
330 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien,
und eine Abschwächung der Preise für die neue Saison begann,
einzutreten.
Die Produktion von Maugrove-Rinde auf Madagaskar ist
sichtbar sehr stark zurückgegangen, und allmählich, besonders
aber im zweiten Teil des Jalires 1913, trat eine erhebliche Preis-
steigerung ein.
Das Geschäft in Blockgambier und Würfelgambier hat sehr
enttäuscht und eine fast ständig rückläufige Tendenz gezeigt.
Der Markt von Terra- Catechu hat während des größten Teiles des
Jahre« 1913 sehr ruhig gelegen; erst in den. letzten Monaten trat
unerwartet ein Preisumschlag ein, den die Indier bei kleinerer
Produktion unschwer durchzusetzen vermochten, da Europa, in-
folge ruhigen Geschäftsganges und mangelnder Unternehmungs-
lust, sich nur schwach versorgt hatte und der Bedarf die Be-
willigung der höheren Forderungen indischer Produzenten not-
wendig machte.
i87. Zelluloid und Zelluloidwaren.
Allgemeines. Die allgemeine Depression auf dem Weltmarkt, die kriege-
rischen Verwicklungen auf dem Balkan und die Knappheit des
Geldes sind nicht ohne Einfluß auf die Zelluloidbranche geblieben.
Die alljährliche Stille in den Sommermonaten setzte in diesem
Jahre schon frühzeitig ein. Wenn man unter diesen Umständen
wenigstens von keinem Rückgang der, Branche zu sprechen braucht,
so muß das schon als zufriedenstellend bezeichnet werden. Die
Eohstoff-Fabriken waren im In- und Ausland wieder durchgehend
voll beschäftigt, einzelne besonders begehrte Artikel waren
wiederum knapp. Von den Vereinigten Staaten von Amerika
erwartet man wegen des günstigeren Zolltarifes wieder Orders,
welche im Jahre 1912 vollständig ausgeblieben waren. Die neue
österreichische Eohstoffabrik ist noch nicht bemerkbar auf den
Markt gekommen, von Japan sind Versuche gemacht woraen,
welche aber erfolglos waren. Dagegen ist in Frankreich die
älteste Rohstoff abrik ^auf dem Kontinent nach dem Tode des Haupt-
aktionärs auf Veranlassung der Erben in Liquidation getreten
und in einzelnen Teilen von Konkurrenzfabriken übernommen
worden, die ihre Betriebe ausgedehnt haben. Eine Preiserhötiung
des Zelluloids, welche in Anbetracht der Erhöhung der Her-
stellungskosten Wünschenwert wäre, w^ar bei der Uneinigkeit der
Eohstoffabriken nicht zu erreichen.
Ersatzstoff- Dio Versuche, einen unverbrennbaren Ersatzstoff für das
Zelluloid zu schaffen, werden in allen Fabriken fortgesetzt. Die
bisherigen kleinen Erfolge bieten schon deshalb keinen Ersatz,
weil diese neuen Stoffe in der Verarbeitung nicht die gleichen
guten Eigenschaften des Zelluloids besitzen und weil der Preis
88. Seifen- und Parfümeriefabrikation.
331
so vielfach höher ist, daß die daraus gefertigten Artikel nicht
mehr konkurrenzfähig sind.
Die Haarschmuckindustrie war zwar, abgesehen von den
Sommermonaten, allgemein gut beschäftigt, die kleinen Artikel
aber, welche allein gangbar sind, lassen keinen genügenden Nutzen.
In Paris hat sich jetzt ein Komitee gebildet, um die Mode für
Haarschmuck im Interesse der großen Kämme zu beeinflussen.
Ob sich auf diese Art ein Erfolg erzielen läßt, muß erst die
Zukunft lehren. — Schirm- und Stockgriffe aus Zelluloid sind
rege begehrt gewesen, besonders bessere Qualitäten, welche in
großen Massen hergestellt werden konnten, z. B. Imitationen von
Hörn, Schildpatt und Elfenbein. — Große Knöpfe sind weiter in
Mode geblieben. Ihre Fabrikation ist verbessert worden, indem
man jetzt zu jedem Stoff die passende Farbe durch ein Spritzver-
fahren herstellt, welches die Farbe auf transparentes Zelluloid
aufträgt. Den Knöpfen sind dadurch immer größere Absatz-
gebiete erschlossen worden. — Die Herstellung von Gratulations-
und Luxuskarten mußte leider noch mehr eingeschränkt werden,
weil dieser Artikel unter den jetzigen Zollverhältnissen nicht
mehr exportfähig ist. — Viele andere Artikel, welche teilweise
ganz, teilweise in Verbindung mit Zelluloid hergestellt werden,
chirurgische, technische Artikel, Bijouterien und andere werden
unter den Spezialbranchen aufgeführt. — Xleber den Hahmen
unseres Bezirkes hinaus hat sich die Zelluloidwarenindustrie in
Deutschland auf der bisherigen Höhe erhalten.
Der Verband der deutschen Zelluloid-Industriellen, welcher
seinen Sitz in Berlin hat, ist nach wie vor bemüht, die Interessen
der Branche w^ahrzunehmen. Da die Mitglieder sich aus den
verschiedenen Spezialbranchen zusammensetzen, welche Zelluloid
herstellen und weiter verarbeiten, so liegt im Vorstand jetzt die
Absicht vor, Faehaus Schüsse ähnlich denen in den Handels-
kammern zu bilden, um jeder Spezialbranche Gelegenheit zu
geben, ihre eigenen Angelegenheiten zu beraten.
Einzelne
Verwendungs-
zwecke.
Verband
der Deutschen
Celluloid-
Industriellen.
88. Seifen- und Parfümeriefabrikation.
1. Hausstandseife.
Die Absatzverhältnisse haben sich dem Vorjahre gegenüber
kaum geändert, dagegen zeigten sich auf dem Fettmarkt sehr
erhebliche Unterschiede von der Lage des Jahres 1913.
Palmkernöl, für die Biegelseifen das hauptsächlichste Roh-
produkt, erfuhr weitere Preissteigerungen; in 1912 war sein
höchster Preis 77,50 Mk. ; Anfang 1913 notierte es
80 Mk. und erreichte dann nach verschiedenen Schwan-
kungen im August den Höchststand von 93 Mk. ; im Sep-
tember, Oktober, November schwankte es zwischen 90 — 92 Mk.
Der hohe Preis von Palmkernöl ist um so empfindlicher für die
Absatz.
Rohstoffpreise-
332 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Seifenfabrikation, weil es keinen A/iollwertig'en Ersatsf dafür gibt.
Keines Palmkernöl, wie es von den Oelfabriken geliefert wird,
wurde von den Seifenfabriken nur in verhältnismäßig geringemi
Maße bezogen. Diese mußten sich hauptsächlich mit den aus
der Speisefettfabrikation abfallenden Kernölen und Kokosölen be-
helfen, welche allerdings 8—10 Mk. pro 100 kg billiger ver-
kauft werden, aber dem reinen Kernöl gegenüber auch wesentn
liehe Nachteile haben. Diese Abfallöle sind mehr oder weniger
verunreinigt, dunkler in d^er Farbe und enthalten ca. 50 o/o freie
Fettsäuren, sie ergeben daher eine geringe Glyzerinausbeute..
All diese Nachteile heben den Preisunterschied zum größten Teil
auf. Wenn trotzdem die Abfallöle ihren verhältnismäßig hohen
Preisstand beibehalten, so liegt das vielfach daran, daß die Seifen-
fabrikanten sie nicht durch chemische Analyse auf ihren Ver-
seifungswert prüfen lassen. In den großen Fabriken, welche
ihre eigenen Laboratorien haben, geschieht dieses selbstverständ-
lich, aber die kleineren Fabrikanten scheuen vielfach die ge-
ringen Untersuchungskosten und verhindern auf diese Weise eine
richtige Bewertung.
Palmöl und Kottonöl erfuhren gleichfalls Preissteigerungen,
weil auch sie in der Speisefettfabrikation Verwendung finden.
Ganz besonders ist das bei Kottonöl der Fall.
Die Preise für Talg hielten sich ungefähr auf gleicher Höhe
wie im Vorjahre. Leinöl wurde während des ganzen Jahres zu
verhältnismäßig niedrigen Preisen angeboten und daher, wie in
den Jahren vor der großen Hausse, wieder in bedeutenden Quan-
titäten verarbeitet. Glyzerin behielt, abgesehen von kleinen
Schwankungen, seinen hohen Preisstand bei.
In der nachstehenden Aufstellung sind die Preise für die wich-
tigsten Itohmaterialien der Seifenfabrikation angegeben, ^\de sie
sich Mitte der betreffenden Monate stellten.
Tab. 128.
Preis
der Rohs
toffe der 1
3eifenindusi
trie.
Palmkern-
Leinöl
Lagos-
Engl.
Araerik.
Roh-Glycerin
öl
Palmöl
Seifentalg
Kottonöl
280 B
Januar
80
52.50
63
67—65
63
155
Februar
80
56
65
70—67
63
157
März
80
55.50
64
69-66
64
160
April
89
53 50
62
70—68
64
160
Mai
82
5350
59
69—67
65
155
Juni
83
49.50
62
70—64
66
155
Juli
90
52
66
72—66
70
150
August
93
54
70
72—66
83
150
September
9150
49
68 50
71—68
80
160
Oktober
90
49
67.50
70-67
77
165
November
91.50
48
66.50
68—66
79
165
Dezember
Die Preise bedeuten Mark für 100 kg inklusive Paß, ;für
Palmkernöl und Leinöl frei ab Harburg, für Palmöil, Talg fund
Kottonöl unverzollt cif Hamburg". Für Glyzerin ist der Pariser
88. Seifen- und Parfümeriefabrikation.
333
Börsenpreis in Franken angegeben. Abweichend von dem vor-
jährigen Bericht ist in der Aufstellung der Preis für Bohnenöl
lund Erdnußöl nicht vermerkt, da sie in diesem Jahre in der*
Seifenfabrikation nur wenig verwendet wurden wegen ihres hohen
Preises im Vergleich mit anderen gleichwertigen Oelen.
Im vorjährigen Bericht wurde die Hydrierung der Pette
erwähnt. Dieser Pabrikationszweig hat einen sehr bedeutenden
Umfang angenomimen. Die durch Hydrierung gehärteten Pette
wurden viel in der Seifenfabrikation verarbeitet. Da aber ziem-
lich hohe Preise dafür verlangt werden, so vermochten sie einen
Einfluß auf die Bewertung anderer Pette nicht auszuüben.
Die Seifenpreise haben sich gegenüber dem Vorjahre nicht
verändert, obwohl bes-onders bei Biegelseifen und den Paßseifen,
zu welchen Kottonöl verwendet wird, Preisaufbesserungen drin-
gend nötig gewesen wären. Es wurden gehandelt: Oberschal©
zu 56 — 62 Mk., Oranienburger zu 62 — 58 Mk., Transparente ziu
58—54 Mk., Eschweger zu 52 Mk., Elainseife zu 32—48 Mk'.,
TerpentrQseife zu 32—48 Mk., grüne Seife zu 30—46 IVIk.
Einem zweiten Bericht entnehmen wir folgendes:
In der Berliner Seifenindustrie hat sich die Lage im Jahre
1913 nicht verbessert. Der Konsument, der unter der teuren
Lebenshaltung sehr zn leiden hat, spart an allen Ecken und
Enden, und nicht zuletzt im Seifenverbrauch. Die Absatzmög-
lichkeiten gestalten sich von Jalir zu Jahr schwieriger und die
Konkurrenz wird immer schärfer. Das ganze Jahr über bewegten
sich die Preise für die Eohstoffe in einer ungewöhnlichen Höhe.
Diese hohe Preisbasis ist darauf zurückzuführen, daß fast alle
Produkte in die Speisefettindustrie wandern. Bei der fortschreiten-
den Entwicklung werden fast alle Produkte genußfähig gemacht,
also nicht nur Palmkernöl, Kokosöl, Kottonöl, Talg usw., sondern
neuerdings auch Bohnenöl, Leiaöl, Palmöl msw. Die Seifen-
industrie ist von Jahr zu Jahr mehr auf Abfallprodukte ange-
wiesen. Aber auch die AbfallproduJite bewegen sich nicht auf
einer Preisbasis, die mit den erzielten Seifenpreisen in Enklang
zu bringen wäre. Unter der Viehknappheit im Inland und den
hohen Zöllen auf ausländische Bx)hwaren hat die Seifenindustrie
sehr zu leiden.
2. Toiletteseifen und Parfümerien.
Schon die letzten Monate des Jahres 1912 (November, De-
zember), welche für die Parfümerie- und Toilettesaifenindustrie,
vor allem für die erstgenannte, den Ausschlag für das gesamte
Geschäftsjahr geben und das Thermometer für die kommende Zeit
bilden, hatten die "Wahrscheinlichkeit noch größer werden lassen,
daß die unsicheren politischen Verhältnisse des Jahres 1912 mit
den Polgeerscheinungen, die sie zeitigen mußten, an der Industrie
nicht unbemerkt vorübergehen würden.
Allgemeines.
334 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
Auslands-
geschäft.
Spiritusprei se .
Fettwaren-
preise.
Die Befürchtungen, die an den immerhin auffälligen Rück-
gang des Geschäfts in diesen beiden Monaten gegenüber der
gleichen Zeit des Vorjahres geknüpft werden mußten, haben sich
im vollsten Maße erfüllt. Die Kauflust, besonders für feinere
Luxusware, bei welcher sich erfreulicherweise in den verflossenen
Jahren der Verbrauch deutscher Erzeugnisse gegenüber auslän-
dischen Fabrikaten gehoben hatte, ging beträchtlich zurück, aller-
dings nicht nur für inländische Erzeugnisse, sondern auch für aus-
ländische Fabrikate. Die bevorstehende Wehrsteuer hat zweifel-
los auch das ihrige dazu beigetragen^ und so war im allgemeinen
für den Absatz im Inlande in der Parfümeriebranche immerhin ein
erheblicher Rückgang zu verzeichnen.
Auch im Auslandsgeschäft, besonders nach denjenigen Län-
dern, die an den Verhältnisseoi auf dem Balkan mehr oder weniger
Interesse haben, war der Absatz teilweise bedeutend schwächer.
Ebenso mag der allgemein teure Geldstand das Seinige dazu bei-
getragen haben, denn nicht nur in europäischen Ländern, sondern
auch in überseeischen, besonders den südamerikanischen, die auch
auf den deutschen Geldmarkt stark angewiesen sind, machte sich
diese Kalamität sehr fühlbar. Man hat daher auch im Jahre 1913
mit unverhältnismäßig mehr Zahlungseinstellungen zu rechnen
gehabt. Häuser, deren Buf in keiner Weise einen Zusammenbruch
erwarten ließ, sind mit Biesensununen in Schwierigkeiten geraten,
und es sind teilweise mehrjährige Moratorien bewilligt worden,
nur um einigermaßen zu retten, was möglich war.
Den Absatzschwierigkeiten standen auf der anderen Seite
keine Erleichterungen der Produktion gegenüber. Gerade für die
Spiritus verarbeitenden Industrien hätte man im Jahre 1913
Spirituspreise erwarten müssen, die einigermaßen die Preisstei-
gerungen der vorhergehenden Jahre wieder rückgängig machten.
Aber obwohl man die Kartoffelernte geradezu als eine Bekordernte
bezeichnen mußte, erfolgten nur sehr geringe Preisrückgänge, die
in gar keinem Einklang zu dem tatsächlichen Ergebnis der Ernte
standen. i
Im Auslandsgeschäft besteht keine Möglichkeit, für diese
hohen Produktionskosten durch Preiserhöhungen der Fertigfabri-
kate einen Ausgleich zu schaffen, da die französische und englisehe
Industrie den Spiritus u^ 33V3 ^/o billiger erhält als die deutsche.
Daher wurde von den hauptsächlich an dem Export interessierten
Fabrikanten der deutschen ParfüWrieindustrie die Frage ernstlich
in Erwägung gezogen, im Freihafengebiet für den Export Fabri-
kationsstätten zu errichten, welche es ermöglichen, durch Ver-
arbeitung ausländischen Sprits gegen das Ausland konkurrenz-
fähig zu bleiben. Hier zeigt sich, wie schädlich die Politik der
Spirituszentrale für die deutsche Volkswirtschaft ist.
Für die Seifenfabrikation waren die schwankenden Preise der
Fettwaren, tierischen und pflanzlichen Fette, außerordentlich
88. Seifen- und Parfümeriefabrikation.
335
störend. Den tierischen Fetten ist zwar durch die weitere Ver-
vollkommnung der gehärteten Kunstfette, die immer mehr Eingang
in die Speisefett-Fabrikation zu finden scheinen, ein starker
Gegner erwachsen, der wenigstens im letzten Halbjahr einiger-
maßen erträgliche Preise für tierische Fette ^'ur Folge hatte.
Bei den Pflanzenfetten dagegen wie Kokosöl, Palmkernöl usw. hat
das verflossene Jahr Preise gebracht, wie sie bisher für unmög-
lich gehalten wurden, so z. B. bezahlte man für Cochin-Kokosöl
Preise bis beinahe 120 Mk. für den Doppelzentner gegen den sonst
üblichen Preis von 85 bis 95 Mk. Allerdings besteht die Aussicht,
daß -aluch bier in einiger Zeit sich ein Wettbewerb von Kunstfetten
bemerkbar machen w^ird.
Der Markt der ätherischen Oele, die für die Parfümsrie-
industrie auch von wesentlicher Bedeutung sind, liegt ebenso un-
günstig. Es scheint jedoch, daß z. B. bei den Messineser Essenzen
das Syndikat allmählich zu der Erkenntnis kommt, daß durch
derartig hohe Forderungen, wie sie im verflossenen Jahre
gestellt wurden, der Verarbeiter zu Kunstprodukten zu greifen
direkt gezwungen wird. Für Zitronenöl, das früher mit 9, 10 und
12 Mk. gehandelt wTirde, w^urden Preise bis zu 40 und 50 Mk.
verlangt. Bergamottöl, das früher einen Einstandspreis von 18
bis 20 Mk. aufwies, erzielte Preise bis zu 55 Mk. Die Folge
davon ist, daß die Fabrikanten berate mehr oder weniger, wo es
irgendwie möglich war, künstliche Oele in Verwendung genommen
haben, die eine einigermaßen sichere Kalkulationsbasis bieten und
die naturgemäß von nun an aus der Fabrikation nicht mehr aus-
scheiden w^erden.
Die Bosenölerzeugung hat ebenfalls unter den Folgen des
türkischen Krieges stark gelitten, da Bulgarien das Hauptpro-
duktionsland darstellt, und die Preise erreichten eine Höhe, die
auch erheblich über das übliche Maß hinausging.
Zusammenfassend ist folgendes zu sagen: Der Absatz im
Inlande wie im Auslande litt unter den unsicheren politischen Ver-
hältnissen und der Geldteuerung. Eine Ausdehnung des Geschäfts
war infolgedessen nicht möglich, der Fabrikant mußte sich aber
Zurückhaltung auferlegen; es war daher allenthalben ein starker
Rückgang, mit Ausnahme des fernen Ostens, der von diesen Ver-
hältnissen nicht getroffen wnirde, zu verzeichnen. Die Produk-
tionsbeding'ungen waren dieselben w^ie in den vorhergehenden
Jahren. Die Preise für Rohprodukte waren außerordentlich
schwankend und boten in keiner Hinsicht eine sichere Grundlage
für zuverlässige Kalkulationen. Besonders für die Spiritus ver-
arbeitende Industrie hat sich die Gesetzgebung des Jahres 1909 als
ein Krebsschaden erwiesen. Die am Export hauptbeteiligten
Firmen wurden Vor die Alternative gestellt, entweder im Aus-
lande die Fabrikation aufzunehmen, oder auf die errungenen
Erfolge zu A^erzichten.
Preise der äthe-
rischen Oele.
Rosenölproduk-
tion.
Zusammen-
fassung.
336 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
89. Kohlensäurefabrikation.
Die Witterung wälirend des Sommers 1913 war ebenso un-
günstig wie die des Jahres 1912. Infolge der wachsenden Beliebt-
heit der kohlensäurehaltigen Getränke und der Verwendung
flüssiger Kohlensäure zu technischen Zwecken ist der Absatz
der berichtenden Firma dennoch um ca. 31/2! ^/o gestiegen. Der
Konkurrenzkampf mit den west-deutschen Kohlensäure werken hat
aufgehört, und das Geschäft war daher ruliig. Im Preise sind
wesentliche Veränderungen nicht vorgekommen. Die schleehtefri
allgemeinen Verhältnisse machten sich auch bei der berichtenden
Firma durch langsamer eingehende Zahlungen und Ausfälle be-
merkbar. Ein Export ist von Berlin aus u^nmöglich, da die Fa-
briken der anderen Orte günstiger gelegen sind.
Natürliches
Mineralwasser.
90. Mineralwasser und andere alkoholfreie
G e t r ,ä n k e.
a) Natürliches Mineralwasser.
Die natürlichen Kurbrunnen hatten, trotz des überaus
ungünstigen Wetters im Frühjahr und Sommer, im all-
gemeinen den gleichen Absatz wie im Vorjahre, mehr
fach sogar einen höheren. Besonders nach Wildunger, Neuen-
ahrer, Salzschlirfer, auch Homburger Brunnen bestand teil-
weise erheblich gesteigerte Nachfrage. Sehr ungünstig wurden
die Absatzverhältnisse der Tafelwasser durch das' kühle,
regnerische Wetter im Spätfrühjahr und Herbst beeinflußt. Mit
sehr wenig Ausnahmen gingen die Umsatzziffem sehr scharf
gegen die des Vorjahres zurück, das schon gegen 1911 großen
Minderbedarf zeigte. Gleichmäßig wurden davon sowohl die
Naturquellen wie die Kunst erzeugnisse betroffen. Der allgemeine
Wettbewerb verschlechterte die Preisverhältnisse vielfach nicht
unerheblich und steigerte die Ansprüche der Wirtschaften und
Hotels an Zubußen für Inserate in Hotelführern, Programmen,
die Inanspruchnahme sehr langer &edite usw. ins Ungemessene.
Größere Verluste brachten der Zusammenbruch größerer Hotel-
unternehmungen und vieler kleinen Cafes, Sommerwirtschaften!
usw. Da auch das Apotheker- und Drogistengewerbe unter der
Ungunst der Zeiten zu leiden hat, wird Kreditgewährung auch
von diesen Seiten in schwer drückender AVeise beansprucht.
Künstliche
Mineralwasser.
Geschäftsgang.
b) Künstliche Mineralwasser.
iMußte schon das Jahr 1912 für die Mineralwasserindustrie
als schlecht bezeichnet werden, so trifft dieses Prädikat in noch
[viel stärkerem Grade auf das Berichtsjahr zu. Von einigen
kleinen Anläufen zu flotterem Geschäfte abgesehen, herrschte
während des ganzen Sommers Stille. Die Ursache dafür war in
der Hauptsache zweifellos in der ungünstigen Witterung zu
90. Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke.
337
su<ihen, doch trugen die allgemein schlechten wirtschaftlichen
Verhältnisse, unter denen weite Kreise der Bevölkerung zu leiden
haben, auch ihr< Teil dazu bei.
Die am 1. Mai d. J. in Kraft gesetzte neue Polizeiverordnung
betreffend die Herstellung kohlensaurer Gnetränke ist bisher
weniger lästig geworden, als befürchtet wurde. Ungenügend g'e-
klärt ist noch die Frage, wer die Kosten für die polizeüidhe
Prüfung der Mischapparate zu tragen hat.
Zu den mancherlei Uebelständen, unter denen die Industrie
zu leiden hat, gehört auch der Handel mit gebrauchten Flaschen.
Diese werden, ganz gleich, ob sie geschützt sind oder nicht, in
großen Mengen von Althändlem aufgekauft und in die Provinz!
bzw. ins Ausland verschickt. Den Mineralwasserfabrikanten er-
wächst hieraus großer Schaden, der selbst durch etwa erhobenes
Flaschenpfand nicht entfernt ausgeglichen wird. Bedenkt man,
daß neue Flaschen von Vs Liter Inlialt mit Patentverschluß
etwa 17 Pfg. das Stück kosten, daß dagegen das Pfand nur
10 Pfg. beträgt, so kann man leicht ermessen, wie groß die Ver-
luste durch nicht zurückgelieferte Flaschen sind. Diesen Aus-
fall etwa durch Erhöhung des Pfandes aus der Welt zu schaffen,
ist völlig ausgeschlossen, denn eine solche Maßregel würde beim
konsumierenden Publikum, das schon an dem Pfandsatze von
10 Pfg. vielfach Anstoß nimmt, auf größten Widerstand stoßen.'
Den Flaschenhändlern muß eben der Weiterverkauf wenigstens
der geschützten Flaschen unmöglich gemacht werden. Dieses Ziel
zu erreichen, gibt vielleicht ein zurzeit schwebender Prozeß die
gewünschte Handhabe.
Das Füllen fremder Flaschen ist zwar noch nicht beseitigt,
doch haben die dahingehenden Bemühungen rühriger Fabrikanten-
vereine schon manche Besserung gebracht.
Die Klagen über das eigentümliche Geschäftsgebahren von
Fabrikanten sogenannter halbnatürlicher W,ässer nehmen kein
Ende, und es wird immer wieder Einspruch dagegen erhoben,
daß es derartigen Produkten, die infolge ihrer Bereitung keiner^
lei Anspruch auf die Bezeichnung „natürliches Mineralwasser"
haben, möglich gemacht wird, unter dieser falschen Bezeichnung
im Handel zu erscheinen. Leider wird für solche Erzeugnisse
von dem Kaiserlichen Patentamte in Unkenntnis der Verhältnisse
oft genug einem Antrage auf Eintragung eines Warenzeichens ent-
sprochen.
Größere Mineralwasserfabriken, welche mit Destillations-
einrichtungen versehen sind und destilliertes Wasser in Ballons
verkaufen, haben sich im Sommer dieses Jahres zusammen-
geschlossen, um einlieitliche, den heutigen Verhältnissen ent-
sprechende Preise für diesen Artikel festzulegen.
Die Arbeitslöhne haben sich im Berichtsjahre nicht geändert;
auch die Verkaufspreise sind unverändert geblieben. Die Preise
Polizei-
verordnung.
Handel mit
gebrauchten
Flaschen.
Halbnatürlicbe
Mineralwässer.
Verbau ds-
bcjtrebungen.
Preise.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II.
22
338 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. ust\'. Industrien.
von Kohlen hielten sich auf derselben hohen Stufe wie im Vor-
jahre. Nur T'ourage und Zucker sind zurückgegangen. Unver-
ändert blieben die Preise für Kohlensäure und Flaschen.
91. Eisha;ndel', .Kunöteisfabrikation und Kühl-
hausgeschäft.
Natureis. Das gesamte Geschäft in Natureis lenkt in wenig erfreuliche
iBahnen ein. Auch die verflossene Saison brachte infolge des zu-
meist kühlen und regnerischen Wetters nicht den erhofften Auf-
schwung, Die Konsumenten konnten ihren Bedarf laufend zu
niedrigen Preisen decken. Die Konkurrenz, die durch die Ver-
mehrung und Vergrößerung der Kunsteisfabriken immer stärker
wird, tat dazu ein übriges, so daß auf keiner Seite ein wesentlicher
Nutzen am Eishandel verblieben sein dürfte. AVie groß die Not
ist, die Ausgaben mit den Einnahmen heute einigermaßen ;in
Einklang zu bringen, wird durch die Bilanzen der Gesellschaften
der Branche am besten dargelegt.
Die Vorräte in Natureis haben vollauf gereicht, und es ist
sogar noch Eis in größeren Quanten ia den Eislagern verblieben.
Auch der Brand des Eisschuppens in Plötzensee hat keinen Einfluß
darauf gehabt. Da die Kunsteisfabriken mit ihrer Ueber-
produktion jetzt schon einen großen Teil des Bedarfs an Eis
decken, so dürfte auch für das nächste Jahr noch kein Mangel
eintreten und der Bezug norwegischen Eises, welches im Jahre
1913 gar nicht auf den Markt gekommen ist, in Zukunft dauernd
außer Frage bleiben.
Die Arbeiterverhältnisse haben in der letzten Zeit nicht zu
Bemerkungen Anlaß gegeben. Das Angebot ist dauernd reichlich,
so daß Lohnerhöhungen wohl nirgends erfolgt sein dürften.
Kunsteis. Die Verhältnisse im Kunsteisgeschäft waren im Berichtsjahre
noch ungünstiger als im; Jahr vorher. Es waren noch große
Vorräte von Natureis vorhanden, die zu sehr billigen Preisen
angeboten wurden. Die Sommermonate waren überwiegend kühl,
was natürlich den Eisverbrauch wesentlich verminderte. Ebenso
nachteilig wirkte die von einigen Fabriken ausgeübte Preis-
schleuderei; diese boten das Eis, um nur einen Teil ihrer Pro-
duktion absetzen zu können, zu so niedrigen Preis-en an, daß ;ein
Nutzen nicht mehr verblieb. Der Verbrauch von Natureis geht
immer mehr zurück. Das Kühlhausgeschäft war normal. Die
Einlagerungen waren etwas umfangreicher als im Vorjahre.
92. Knochen
Knoche^fabrikate und Düngemittel
aller Art.
Knochen. Dic Preise für Knochen blieben bis Mitte des Jahres 1913
hoch und gingen dann eine Kleinigkeit herunter. Die Fabriken,
sowohl die im Konzern vereinigten wie die sogenannten, freien,
92. Knochen, Knochenfabrikate und Düngemittel aller Art. 339
fanden nicht ihre Rechnimg, und die notwendige Folge id^'^'^^^
war eine Herabsetzung der Preise. Xoch immer ist das Material
knapp, was leider einer durchgreifenden Herabsetzung der Preise
hinderlich ist. Auch das Ausland, dem Ware entzogen worden ist,
sieht sich veranlaßt, Gegenmaßregeln hiergegen zu ergreifen.
Die Folge der ungesunden Preistreibereien zeigt sich auch in den
Bilanzen der Fabriken.
Leim zeigte ohne wesentliche Aenderimgen zu gleichmäßigen
Preisen regen Absatz sowohl im Inland wie im Ausiland.
Die wesentliche Zollermäßigung der Vereinigten Staaten dürfte
eine Steigerung der Ausfuhr dahin und eine Preiserhöhung wohl
herbeiführen.
Der Bedarf an Fett steigt von Jahr zu Jahr, da die Ver-
wendungsmöglichkeiten immer w^eiter ausgedehnt werden ; infolge-
dessen war auch für Knochenfett das ganze Jahr über lebhafte
Nachfrage. Die Preise haben sich ungefähr auf der Höhe des
vorigen Berichtsjahres gehalten.
Nachdem schon zu Ende des Jahres 1912 infolge der ;un-
günstigen Witterungsverhältnisse und des hohen Geldstandes das
Geschäft in Amerika, welches früher stets große Quantitäten
Knochenmehl aller Art aufgenommen hatte, begonnen hatte zu
stocken, setzte sich diese Stockung im laufenden Jahr fort, und erst
gegen Ende des Jahres schien sich eine Besserung anzubahnen,
da wieder zahlreichere Anfragen von Amerika einliefen. Infolge
der ungünstigen Exportverhältnisse w^ar der inländische Markt
durch verhältnismäßig große Vorräte stark belastet, w^as einen
nicht unbedeutenden Nachlaß im Preise für alle Arten Knochen-
mehl zui^ Folge hatte. Der Tiefstand scheint indessen seit einigen
Monaten überwunden zu sein!, so daß wohl in kürzester Zeit
wieder mit einer Belebung des Knochenmehlgeschäftes gerechnet
werden kann.
Nach der großen Preissteigerung von Chilesalpeter im Fe-
bruar 1913 war ein starker Preisfall zu bemerken, der sich nach
einem kurzen Aufschwünge fortsetzte. Der Absatz war gering.
' Die Konkurrenz der aus der Luft erzeugten Stickstoffe mit
^dem aus den Bückständen der Gasfabrikation erzeugten schwefel-
sauren Ammoniak ließ auch diesen Artikel im Preise herabgehen.
Jetzt ist eine Verständigung der Fabrikanten beider Fabrikations-
arten erzielt worden, durch welche eine Ueberproduktion ver-
hindert werden soll.
Das Geschäft in Phosphaten liegt, obwohl die Preise in
Bohmaterialien sehr niedrig sind und die Mineure knappen Nutzen
haben, sehr danieder.
Auch die Preise für Blutmehl, Ledermehl und Hornmehl
folgten der Herabsetzung des Stickstoffes und der anderen stick-
stoffhaltigen Düngemittel.
22*
Leim.
Knochenfett.
Knochenmehr.
Chile-Salpeter.
Schwefelsaures
Ammoniak.
Phosphate.
Blutmehl,
Ledermehl,
Hornmehl.
Arbeiter-
verhältnisse.
340 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
' Die rückgängige Konjunktur, namentlich infolge des Still-
liegeUvS der Bautätigkeit, ließ reickliclies Arbeitermatsrial frei
werden, so daß die Löhne teilweise eine Ermäßigung erfuhren,
sowie eine Kürzung der Arbeitszeit eintrat. Die sozialen Lasten
und die politischen Verhältnisse verminderten im allgemeinen den
Nutzen.
93. Zaindholzf abrikation.
Die Zündholzindustrie hat nach wie vor mit schweren Sorgen
zu kämpfen. Die vom Staat festgesetzte Quote von 45 o/o ist im
Jahre 1913 nicht nur nicht erreicht worden, sondern die Pro-
duktion ist noch gegen das Vorjahr wesentlich zurückgegangen,
es sind 6000 Kisten weniger abgesetzt worden. Die Preise, die
im letzten Jahre etwas erhöht werden konnten, sind infolge An-
sammlung von Lagern bei einzelnen Fabriken wieder zurück-
gegangen, woran nur das Ueberhandnehmen der Ersatzmittel
Schuld ist. Außerdem sind die Rohmaterialien bedeutend im
Preise gestiegen, insbesondere Espenholz, daß um 30 o/o teurer
geworden ist. Der Preis der Espen dürfte eine weitere Steigerung
erfahren, da die Bestände in den Grenzbezirken Rußlands bereits
zu Ende gehen und das Holz aus dem Innern herangeschafft
werden muß, wodurch sich die Bahnfracht wesentlich höher stellt.
Aus allen diesen Gründen wird von den Zündholzfabrikanten die
Besteuerung der Ersatzmittel gewünscht; diese soll die Zündholz-
industrie vor vollem Ruin bewahren.
Tab. 129.
ATißenhandel
iD Zündhölzern und Zündstäbehen aus Pappe.
1910
Einfuhr:
1911 ' 1912 I 1913
1910
Au s f u h r :
1911 ; 1912 1913
in dz
inlOOOM.
679
34
649
32
1011 1 889
51 47
in dz
inlOOOM.
23 026
1 1151
8 050 4618 5 248
544 362 407
94. Stearinkerzen ;und Zeresin.
Stearinkerzen. Bei dem Rückgang des Kerzenkonsums infolge der stetig
wachsenden Verbreitung des elektrischen Lichtes scheint der
Fabrikation von Stearinkerzen das Todesurteil gesprochen zu
sein. Dazu kommt, daß sich in Deutschland erheblich mehr
Maschinen befinden, als dem geringen Konsum entsprechen. Die
Preise sind infolge des Konkurrenzkampfes sehr gedrückt.
Das Geschäft in Zeresin leidet unter einer außerordentlichen
Knappheit der Rohmaterialien. Die Preise für diesen Artikel
sind daher in dauerndem Steigen begriffen, der Absatz bewegte
sich bisher in normalen Grenzen, der Schwerpunkt dieses Industrie-
zweiges liegt im Exportgeschäft.
95. Dachpappenindustrie.
AUgemeines. Die Gcschäftslag'e im Jahre 1913 war wenig befriedigend.
Die politische Lage bewirkte, daß namentlich die Industrie mit
Ceresin'und
andere
Wachsarten
95. Dachpappenindustrie.
341
den Aufträgen zurückhielt, und auch, die private Bautätig'ljieit
stockte des ungünstigen Greldmarktes wegen.
Die Höhe der deutschen Produktion kann man an Hand
der Eisenbahn-Güt'erstatistik auf jährlich etwa 300 000 t = etwa
130 Mill. qm Dachpappe schätzen. Da es von großer AYichtigkeit
ist, hei der Erneuerung der künftigen Handelsverträge über die
Produktions- und Absatzverhältnisse innerhalb der Dachpappen-
industrie nicht bloß auf Schätzungen angewiesen zu sein, hat
der Verband Deutscher Dachpappenfabrikanten beim Eeichsamt
des Innern die Veranstaltung einer Produktions Statistik angeregt,
die demnächst nach vorheriger mündlicher Besprechung mit dem
Verband durchgeführt werden soll.
Ueber die Preisbewegung des Fertigfabrikates ist wenig Er-
freuliches zu berichten. Die geringe Erhöhung, die hier und da
durchzudrücken möglich war, bot in keiner Hinsicht Ersatz für
die gestiegenen Eohmaterialpreise. Die Rohpap'pe, der G-rund-
stoff der Dachpappe, hat eine Preiserhöhung erfahren. Nicht
anders steht es Init dem Teer, der zu Zeiten nahezu tunerschwinglich
teuer war. Infolge der Uneinigkeit der Verbraucherkreise, die
sich namentlich der Zwischenhandel zunutze machte, sind die
Teerpreise auf eine unnatürliche Höhe gestiegen. Ang:stkäufe
wurden getätigt, und in ihrer Besorgnis um die Eindeckung des
vollen Teerbedarfs haben die Verbirauoher zu große Abschlüssle
gemacht, Zwangsverkäufe gekaufter, aber nicht abgenommener
Teermengen waren die Folge.
Genau so ungünstig stellten sich auch die Kreditverhältnisse
innerhalb der Dachpappenindustrie. Die Zahlungen, die an sich
schon nicht als besonders günstig zu betrachten waren, gestalteten
sich im Jahre 1913 außerordentlich sehleppend, was mit auf
die das Verkehrsleben belastenden politischen Unruhen zurück-
zuführen ist. Es mußten Ziele gewährt werden, wie sie innerhalb
der Branche bis dahin nicht üblich waren, und doeh wurden sie
vielfach noch riberschritten, ohne daß es möglich gewesen wäre,
die Ueberschreitung der eingeräumten Fristen zu verhindern, weil
eben in schlechten Zeiten nichts übrig bleibt, als der Kundschaft
soweit wie möglich entgegenzukommen.
Das Angebot von Arbeitskräften war innerhalb der Dach-
pappenindustrie normal. Durchweg hat eine Erhöhung der Löhne
stattgefunden. , Auch zu Streiks ist es in einigen Betrieben des
Beiches gekommen. Größere Arbeiterbewegungen waren indes
nicht zu verzeichnen. In einigen Betrieben hat man aber eine
Einschränkung der Arbeitszeit vorgenommen, um im Winter den
alten Arbeiterstamm' beschäftigen zu können.
Die Zollverhältnisse in der Dachpappenindustrie sind un-
günstig. Die an Deutschland grenzenden Länder, die für den
Export ,von Dachpappe in Frage kommen, haben weit höhere
Zollsätze für Dachpappe aufzuweisen als Deutschland. Der Ver-
Höhe der
Produktion.
Preise.
Kredit-
verhältnisse.
Arbeits-
verhältnisse.
ZoU-
verhätnisse.
342 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
band deutscher Dachpappenfabrikanten ist deslialb seit langem
bemüht, jiiber die in Betracht kommenden Verhältnisse auf dem
Gebiet ",des Zollwesens Material zu sammeün, um es bei der künf-
tigen ^Erneuerung der Handelsverträge verwerten zu können.
Einfuhr. Hierbei hat sich insbesondere die bedrohliche Tatsache heraus-
gestellt, daß die Einfuhr von Dachpappe nach Deutschland von
Jahr zu Jahr ganz erheblich steigt. Hauptsächlich treten die
Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa drei Jahren in immer
stärkerem Maße als Dachpappenlieferanten auf. Es sind das die
sogenannten teerfreien Spezialdachpappen, die aber in Deutsch-
land in ebensoguter Beschaffenheit hergestellt werden. Ein
Zwangsmittel bildet die dauernde Preissteigerung des Tberes, denn
der Uebergang zur Fabrikation teerfreier Dachpappensorten wird
sich, um so rascher vollziehen müssen, je dauernder und intensiver
die seit mehreren Jahren anhaltende Preissteig'erung für Teer
in Erscheinung tritt. Die Preissteigerung für Teer illustriert
folgende Tabelle:
Durchschnittspreise für Steinkohlengasteer (^lark für 100 kg) :
1910
2,45
1911
2,66
1912
3.51
1913
4,20 M.
Die Einfuhrzahlen für Dachpappe stellen sich wde folgt (in
Doppelzentnern): ',
1911
1912
1913
Insgesamt . . .
Großbritannien .
Yer. St. V. Amerka
12 682
9 023
1855
17 376
8 811
5 833
19 602
10 049
6 947
Eisenbahn-
frachten.
Ausfuhi
Ein Haupthindernis für den stärkeren Export von Dach-
pappen bieten die Frachtverhältnisse in der Dachpappenindustrie.
Dachpappe ward nach Spezialtarif II verfrachtet. Die Dach-
pappenindustrie hat daher mit einem beschränkten Aktionsradius
zu rechnen, weil der verhältnismäßig l3il'lige Artikel! bedeutende
Frachten nicht verträgt. Für den Export kommen demnach nur
diejenigen "Fabriken in Frage, die in den Grenzprovinzen und ajn
der Wasserkante liegen. Zur Beseitigung dieses Zustandes hat
der Verband Deutscher Dachpappenfabrikanten bereits auf seiner
Generalversammlung vom Jahre 1911 beschlossen, bei der stän-
digen Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen zu beantragen,
daß für den Versand von Dachpappe zu Exfportz wecken der Spezial-
tarif III eingeräumt werde. Die ständige Tarifkommission hat
indessen diesen Antrag mit dem Hinweis abgelehnt, daß trotz
der schlechten Frachtverhältnisse in den letzten Jahren eine Er-
höhung des Exports stattgefunden habe.
Die Ausfuhr an Dachpappe aus Deutschland betrug (in dz) :
1911
108 361
1912
108 637
1913
104 521
96. Gasfabrikation.
343
Gegenüber 'dem Jahre 1910 weist also das Jahr 1912 eine Steige-
rung von 2312 dz = 2,2 % auf. Daß sich hiermit die Ablehnung
eines Antrages kaum be^ründ-en läßt, bedarf wohl keiner weiteren
Betonung, ganz abgesehen davon, daß keineswegs feststeht, lob
diese Steigerung sich ausschließlich auf Dachpappe bezieht. Der
Artikel Dachpappe Ijildet nämlich im statistischen Warenver-,
zeichnis für das Deutsche Reich keine besondere Position. Die
Position '651 d lautet wie folgt: Dachpappe, Eöhren aus Dach-
pappe ; Steinipappe ; Schiffsfilz. Der Artikel Schiffsfilz aber ge-
winnt von Jahr zu Jahr mehr und mehr an Bedeutung, so da,ß
unseres Erachtens ein großer Teil der in dieser Rubrik geführten
Ausfuhrmengen dem Artikel Schiffsfilz zuzurechnen ist. Um
eine Trennung dieser Position durchzuführen, hat auch hier der
Verband Deutscher Dachpappenfabrikanten beim Reichsamt des
Innern den Antrag gestellt, für den Artikel Dachpappe auf Grund
des statistischen Warenverzeichnisses für das Deutsche Reich eine
besondere Ausschreibung anzuordnen.
Bestrebungen, die sich auf eine besondere Gestaltung der
Preise für das Fertigmaterial erstreckten, haben sich oft geltend
gemacht, es ist aber nicht gelungen, zu einem Resultat zu kommen.
Einzelne Verbände, die hier und da provinzweise noch als Ueber-
rest des vor Jahren zusammengebrochenen großen Dachpappen-
kai'tells bestanden haben, siad in diesem Jahre endgültig ver-
schwunden. Ob und wann es möglich sein wird, innerhalb der
Dachpappenindustrie zu Preisvereinbarungen zu kommen, ist noch
nicht abzusehen.
KarteUe.
96. Gas f abrik a tion.
Wie aus den Berichten der verschiedenen Gaswerke hervor-
geht, hat die Gasabgabe eine recht beträchtliche Zunahme er-
fahren, welche zeigt, daß die Verwendung des Gases sich einer
steigenden Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreut. So hatten
die Berliner städtischen Gaswerke mit einer Abgabe von
320470 000 cbm eine Zunahme von 20 807 200 cbm oder 6,9 o/o,
die Charlottenburger mit 59 957 997 cbm eine soldhe von 2 218 909
oder 3,84 ^/o za verzeichnen. In Neukölln ist in der Gasabgabe
ein Mehr von 3081780 cbm zu verzeichnen, gleich 13,58 o/o. Die
Gasabgabe stieg pro Kopf der Bevölkerung von 85,81 cbm im
Vorjahre auf 98 cbm. In Lichtenberg betrug die Zunahme der
Gaserzeugung 15,7 o/o Es wurden nidht nur neue Konsumenten
hinzugewonnen (21 o/o mehr), sondern es wurde auch die Gas-
abgabe pro Kopf der Bevölkerung erhöht. , (81 cbm pro Kopf der
Bevölkerung gegen 71 im Vorjahre). Nicht so günstig scheint
die Entwicklung in Tegel zu sein, obgleich auch hier die Zahl
der Gasmesser sich vermehrt hat.
Für die Zunahme des Gasverbrauches liegen zwei Gründe
vor. Es ist einmal die Steigerung des Gaskonsumä in den Haus-
AU gemeines.
344 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
1. Berlin.
Rechnungsjahr
1912.
h'altung^viu durch weitere Erschließ img des Gases für Koch- und
Heizzwecke, sodaim die Gewinnung neuer Konsumentenkreise.
Daß trotz der elektrischen Beleuchtung die Gasbeleuchtung nicht
zurückgeht, dafür liegen eine ganze Reihe von Anzeichen vor.
Gas Und Elektrizität haben ihre eigentümlichen Vorzüge,
die sich gegenseitig ergänzen. Die Entwicklung läßt sich
allgemein dahin skizzieren, daß die Gasbeleuchtung einen
Teil der besser situierten Privat-KonsumeJiten an die Elektrizität
abgibt, dafür aber wiederum neue Konsumenten in den minder-
bemittelten Kreisen gewinnt. Es scheint jedoch, als ob die neue
Gasinnenfernzündung und der Gassteckkontakt, welche beide dem
Gase annähernd die gleiche Bequemlichkeit wie die des elek-
trischen Lichtes verleihen, berufen siud, dem Gase auch in Luxus-
wohnungen eine bleibende Stätte zu verschaffen.
In der Gewinnung neuer Konsumenten erweisen sich als vor-
züglich© Propagandamittel die Münzgasmesser; sie tragen den
Konsum in die Kreise, die, wenn sie selbst die Kosten für In-
stallation und Lampen zu tragen hätten, der Gasverwendung
fernbleiben würden. Als Laden- und Bureaubeleuchtung erfreut
sich die Gasbeleuchtung nach wie vor großer Beliebtheit.
Der Steuerausweis für das vergangene Fiskaljahr ergibt, daß
3 Mill. mehr Glühkörper zur Versteuerung gelangt sind, daß
also der Umfang der Gasglühlichtbeleudhtung sich um 7 bis 71/2 o/o
vergrößert hat.
1. Berlin.
Aus dem Bericht der Deputation der städtischen Gaswerke
über das Etatsjahr 1912, das vom 1. April 1912 h'is zum 31. März
1913 reich't, entnehmen w^ir folgende statistische Uebersichten :
Tab. 130
Gasabgabe im Berliner Weichbilde und an die Vororte. Das
Be-
triebs-
jahr
Einwohner-
zahl in
Berlin Ende
Dezember
GasprodL
; der städtisch
1 im ganzen
i
cbra
ktion
en Werke
auf einen
Emwohner
cbm
Städtisches
und
englisches
Gas pro
Einwohner
cbm
Gas nach Gasn
Tarif und z
ex kl. der AI
im ganzen
cbm
lesser, :N
um Selb
gäbe für
Zu-
nahme
V. H.
lüuzgasmesser,
stverbrauch
die Vororte
auf I qm des
Berlin. Beleuch-
tungsgebiets
(6349,47 ha)
cbm
Gas
1 im
1 ganzen
cbm
zur ö
s Be
v.H
Gas
abj
1910
1911
1912
2 071 334
2 084 045
2 095 030
295 238 000
299 774 100
320 539 000
143
144
153
168
168
1 177
242 896 913
243 734 272
257 329 255
1
4,3
0,3
5,6
3.83
3,84
4,05
21 141217
22 710 798
24 652 973
7
7
7
Tab. 131. Verbrauchtes Vergasungsmaterial und Grasproduktion der Berliner städtischen Gasw
triebs-
jahr
Deutsche
Kohlen
%
Englische
Kohlen
%
Summe
Koks
für die
Wassergas
Gene-
ratoren
t
Karburier-
öl
Stein-
kohlengas-
produktion
cbm
Wassergas-
produktion
cbra
Gas-
produktion
überhaupt
cbm
aus 1 t
für 1
Kohlen
Wass
ge-
verbr
wonnen
Koks
cbm
kg
325,1
0,681
326,1
0,674
323.5
0,714
1910
1911
1912
40
24,8
21,4
60
75,2
78,6
800 937
760173
854 301
23 727,3
34 963,1
31 515,7
7 558,200
17 071,900
10 093,1
260 400 200 34 837 800
247 890 400! 51 883 700
276 412 700 44 126 300
295 238 000
299 774 100
320 539 000
96. Gasfabiikation.
345
Tab. 132. Gasabgabe der Berliner städtischen Gaswerke nach den Arten des Verbrauchs.
1910
cbm
1911
cbm
1912
cbm
V. H. der Gesam Laberabe
1910 I 1911 I 1912
1. Privatgas durch Gasmesser .
2. Privatgas durch Münzgasmesser
3. Gas nach Tarif einschl. Straßen-
beleuchtung der Vororte . .
233 886 952
22 302 294
1 839 546
zusammen bezahltes Gas
4. Gas Z.Verbrauch i. d. Anstalten
5. Gas zur Straßenbeleuchtung .
258 028 792
3 288 381
21 141 217
230 383 751 J235 988
28 059 623 ' 39 530
445
352
79,2
7.6
260 878 295 277 526
3 337 186 I 3 511
397
705
22 719 79811 24 652 973
zusammen Abgabe
6. Nicht z. Berechnung gekommen
282 458 390 :286 935 279 il305 691 075
12 793 610 : 12 727 521 li 14 778 925
87,4
1,1
7,2
95,7
4,3
76,9 1 73,6
9,4: 12,4
2 434 921- 2 007 600! 0.6 i 0,8 0.6
87,1
M|
7,6'
4.2
86,6
1.1
7,7
95,8. 95,4
4.6
zusammen
295 252 000 299 662 800 !:320 470 00011 100,0 100.0 100,0
Tab. 133. Ausbeute der Berliner Gaswerke an Nebenprodukten.
Produktion von
Koksmasse
(Koks, Breeze,
Koksasche)
einschl.UeberLaaß |
t I
Verkauf von
Steinkohlen-
teer einschl.
Uebermaß
Am-
moniak-
wasser
Graphit
Aus-
geb rauchte
Reinigungs-
Schlacken
Fuhren
1909
1910
1911
1912
535 110
568 954
546 056
607 099
35 786,555
37 565,000
34 987,242
39 436,557
94 047! 661,683
101 966 i 451,470
102 623 ! 623,670
103 619 1 846,620
5 379,690
7 669,313
6 787.130
6 804,068
10 385
7 032
10 100
7 773
Auch m der Zeit von April bis Dezember 1913 hat sich das
Gasgescliiäft in normaler Weise entwickelt. Der Gaskonsum ist
von 223 872 500 cbm in den neun Monaten des Vorjahres auf
234 544000 cbm, also um 10 671500 cbm, d. h. um 4,8 v. H., ge-
stiegen. Der Zugang an neuen Gasabneh'mem, nach der Zabl
Gasabgal
Ltnis der Gasprodaktion bzw. Gasab
?abe zur
Einwohnerzahl.
len Beleuchtung
Vorortkonsum
Gesamtabgabe
Gas-
Mittlere
Gas-
■ichbildes
Berlm und Vororte
abgabe
Länge des
abgäbe
,f den
auf 1 qmdes
Privatkonsum
Straßen-
an den
Straßen-
auf 1 n
of der
BerüaerBe-
nach
beleuch-
bezahltes
Gas
Zu-
zusammen
Zu-
Maximal-
rohr-
Stra-
;evöl-
leucütangs-
Gasmesser und
tung geg.
nahme
inkl. Verlust
nahme
tagen
netzes
ßenrohi
ärung
gebiets
Münzgasraesser
Entgelt
3bm
cbm
cbm
cbm
cbm
V. H.
cbm
V. H.
cbm
m
cbm
0,2
0,333
17 224 935
1195 325 18 420 260 15,2
295 252 000 i 6,6
1 327 50d 1 653 456
173
0,9
0,358
19 193 514
1 287 695
20 481209 11,2 li 299 662 800 i 1,5
1 357 500 1 789 874
167
1.8
0,388
22 303 519
1405328
23 708 847
15.8
320 470 000
6,9
1 453 400|
1 894 681
169
der neu angeschlossenen Gasmesser gerechnet, hat zwar nicht die
außergewöhnliche Höhe wie im Vorjahre erreidht, wo ein Zu-
wachs von 51 899 Abnehmern zu verzeichnen war, immerhin ist
die Zahl der im. Betriebe befindlichen Gasmesser von 438 943
Stück am 1. April 1913 auf 463 201 Stück oder um 24 258 Stück,
d. li. um 5.5 v. H., gestiegen.
Zur Deckung des Gasbedarfs wurden 208 997 700 (in der entr
spredienden Zeit des Vorjahres 191811800) obm Steinkohlengas
Gasprodukt
und
Vergasung
material
346 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
und 25 352 300 (31784 600) cbm Wassero^as herg^estellt, welches
erstorem beigemischt wurde. Das abgegebene ^lischgas enthielt
im Durclisclinitt 10,8 (14,2) v. H. Wassergas'. Zur Herstellung
des Kohlengases waren 643 078 (591 445) t Kohlen, für das Wasser-
gas 18 777 (23023) t Koks und 4148 (7 991) t Gasöl erforderlich'.
Das Mischgas besaß bei 0« C und 760 mm Barometerstand einen
oberen Heizwert von niöht weniger als 5300 Kalorien im Mittel.
Von den vergasten Kohlen waren 25 (25,9) v. H. deutschen und
75 (74,1) v. H. englischen Ursprungs. Das Gasöl kam aus' Galizien.
Pur die Gaskohlen mußten ca. 4 Mk. mehr pro Tonne bezahlt
werden als für die im Sommer 1911 für 1912 gekauften Kohlen.
Die Anlieferung von Kohlen und Gasöl vollzog sich im allge-
meinen glatt nach Erfordern, dagegen blieb die Zufuhr deutscher
Kohlen auf dem Wasserwege infolge Streiks der Bootsleute auf
der Oder erheblich zurück.
Die Produktion^ an Stückenkoks betrug 415 077 (379 194) t. Zu-
züglidh des Bestandes am 31. März 1913 von 15 853 t, welcher
als die erforderliche Reserve für den eigenen Betrieb anzusehe,n
ist, waren 430 930 t Koks disponibel, wovon rund 200 000 t für
den eigenen Betrieb verbraucht wurden. Etwa 230 000 (240 000) t
gelangten zu guten Preisen zum Verkauf, 63 700 (6 254) t ver-
blieben am 31. Dez. im Bestände. An Steinkohlenteer wurden
27 718 (27 470) t, an Wassergasteer 905 (1 827) t gewonnen, welche
schlanken Absatz fanden. Die Verarbeitung des gewonnenen
Ammoniakwassers zu 6010 t Sulfat und 495 t konzentriertem
Ammoniakwassers fand in eigener Fabrikanlage statt. Der Ver-
kauf erfolgte zu günstigen Preisen.
Die Löhne erfuhren am 1. April 19.13 eine Aufbesserung. So
betragen unter anderem jetzt die Stundenlohinsätze für ungelernte,
sogenannte Hofarbeiter 48 bis 52 Pf., für Handwerker 56 bis 70
Pfennig bei neunstündiger Arbeitszeit, der Schichtlohn für Be-
triebsarbeiter 5,70 Mk. für eine achtstündige Schicht, desgleichen
für Maschinisten I. Klasse 4,80 bis 6 Mk., für Maschinisten
II. Klasse 4,50 bis 5,50 Mk., wozu noch Zuschläge für Sonntags-
und Ueberstundenarbeit treten. Für die in die AVoche fallenden
Feiertage wird seit April 1913 sämtlichen Arbeitern ein voller
Arbeitstag nach' der Lohntabelle bzw. Skala bezahlt. Denjenige.a
Arbeitern, welche an einem solchen Feiertag Arbeit leisten, wird
daneben die geleistete Arbeit vergütet und zwar ebenfalls nach'
der Lohntabelle bzw. Skala ohne Aufschlag. Durch Gemeinde-
beschluß vom 30. Okt. 1913 sind die Beschlüsse vom 16. Jan, und
13. März 1908 über die Gewährung von Ruhegeld dahin erweitert
worden, daß das Huhegeld nach zehnjähriger, ununterbrodhener
IDauer des Arbeitsverhiältnisses ^^Jgq desi Arbeitsverdienstes be-
trägt und daß mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahre bis
zum vollendeten 30. Dienstjahre das Ruhegeld um Vgo nnd von
96. Gasfabrikation.
347
zum Höchstbetrage
von ^Veo des A^rbeits-
da ab um ^/iso bis
Verdienstes steigt.
Zur Fortführung bzw. Ausführung der erforderlichen Er-
weiterungs- und Erneuerungsbauten auf den Ansta^lten und am
Röhrensystem waren rund 2 Mill. Mk. bereitgestellt. Von fertig-
gestellten Bauten ist besonders erwähnenswert die Kammerofen-
anlage in Anstalt IV, Danziger Straße, mit horizontalen Kammern
für eine tägliche Leistung von 140000 cbm Gas, welche durch
eine Zentralgeneratorenanlage betrieben wird.
2. Charlottenburg.
Dem Bericht über den Betrieb der städtischen Gasanstalten
in Charlottenburg im Rechnungsjahre 1912 (1. April 1912 bis
31. März 1913) entnehmen wir folgendes :
Das wirtschaftliche Ergebnis hat sich im Rechnungsjahre um
18 625,01 Mk. günstiger gestaltet, als wie im Voranschlage an-
angenommen worden war. Dies ist um so erfreuliöhier, als im Laufe
des Jahres verschiedene Anzeichen ■ — geringere Gas- und Koks-
ausbeuie, höhere Kohlenpreise u. a. m. — dafür sprachen, daß
der Reingewinn bedeutend hinter dem veranschlagten zurück-
bleiben würde.
Den wesentlichsten Anteil an dem Gewinnüberschuß hatten
der Privatgasverbrauch, die Mieten für Gasmesser und Gaskoch-
apparate, die Verkaufserlöse für Koks, Teer und der Ertrag der
Ammoniakfabrik. Bei 10000 dbm Gas wurde ein Mehrgewinn voa
20,88 Mk. erzielt. Aehnliche günstige Verhältnisse kommen auch
bei den Einnahmen für Koks, Teer usw. in Frage.
Bei den Ausgaben sind gegenüber dem Voranschlag-e bedeu-
tende Verscliiebungen bei den Unterhaltungskosten, den Kosten
für Gaskohlen und für Betriebsarbeiterlöhne eingetreten. Für
die Unterhaltung der Maschinen und Apparate mußten gegen
49 0Ö0 Mk. mehr verausgabt werden, als veranschlagt worden
waren. Für die Straßenrohrunterhaltung sind etwa 16 000
Mark mehr verausgabt worden, als wie im Etat vorge-
sehen waren. Allerdings stehen diesen Ausgaben rund
10000 Mk. Einnahmen gegenüber. Weitere Ueberschreitung-en
kommen noch bei Unterhaltung der Hof- und Lagerflächen, Be-
schaffung von Mobilien usw. in Frage. Zur Herstellung von
10000 cbm Gas wurden für 37,88 Mk. mehr Gaskohlen ver-
braucht, w^as darauf zurückzuführen ist, daß für 1 t Gaskohlen
durchschnittlich 16,19 Mk. zu zahlen waren gegenüber dem im
Voranschläge angenommenen Preise von 15,20 Mk. pro t. Be-
deutend gestiegen sind die Betriebsarbeiterlöhne und zw^ar um
rund 14,46 Mk. für 10 000 cbm Gas. Es haben sich demzufolge
sowohl die Fabrikbetriebsarbeiterlöhne als auch die sonstigen
Arbeitslöhne, die dem Voranschlage nadh dem Durchschnitt der
letzten Jahre zugrunde gelegt worden waren, als zu niedrig be-
Bauten.
348 VI. Eohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
messen ermesen. Wesentlich: hinter dem Voransdhlage zurück-
geblieben sind die Ausgaben für die Wassergasanlage, was' sicli
durcii die Einschränkung der Wassergaserzeugung zugunsten der
Steinkohlengaserzeugung erklärt.
Tab. 134.
Gasverbrauch in Charlottenburg.
Gasverbrauch
im ganzen
Privat-
Gas-
verbrauch
cbm
Bevöl-
kerungs-
zahl
Gasverbrauch
auf den Kopf ^^^^
iii
cbm
aj S d
CS
Von dem Gesamlgasverbra
entfielen in Prozenten au
Rech-
cbm
Bevölkerung
der
Pri-
vate
11
11
11
c2"
ii
>
nungs-
jähr
a)
im
ganzen
cbm
b)
Privat-
Gasver-
brauch
cbm
Gas-
ab-
nehmer
1910
1911
1912
55 232 170
57 739 088
59 957 997
9,00|
4,54
3,84.
+7 657 941
+9 793 056
52 148 245
293 400
312 200
321 500
188,25
184,94
186,49
162,43 61 773
159,49 67 255
162,20 72 133
771,50
740,36
722,95
4,75
4,64
4,46
86,29
86,24
86,97
7,59
6,97
7,41
1,17
1,18
1,17
0,04
0,03
0,03
1.03
1,18
1,00
Tab. 135. Gewinnung von Nebenprodukten bei den Charlottenburger
Gaswerken.
Koks
hl
hl
Koksasche
hl
Teer
kg
Ammoniakwasser Graphit
1910
1911
1912
2 256 902,5
2 302 421,5
2 532 299
31311,5
43 861
63 411
220 470,5 6 985 948
241 039,5 7 425 565
218 116,5! 8 510 888
21 135 210
21019 010
23 604 320
38 440
35 725
45 125
Tab. 136. Durchschnittlicher Verkaufserlös der Charlottenburger
Gaswerke für Nebenprodukte.
Durchschnittlicher Verkaufserlös für
1910
M. I Pf.
19U
M. I Pf.
1912
M. I Pf.
Koks
a) im Tagesverkauf je hl
b) an städtische Einrichtungen je hl
c) an Großabnehmer je hl
d) auf Grund sonstiger Abschlüsse je hl .
Durchschnittssumme für Koks
Breeze je hl
Koksasche je hl
Steinkohlenteer je 100 kg
Wassergasteer je 100 kg
Am^moniakwasser je 100 kg .....
Graphit je 100 kg
SchwefelsauresAmmoniak je 1 kgnettoWare
Konzentriertes Ammoniakwasser je 1 kg
netto Ware
30,29
90,72
03,06 l!
01.92 I 1
86,08 |\_
86,94 |{j
1 02,21
89,12 II
19,52
85,00
94,22
94,76
60,00
20,75
33,69
92,00
31,49
97,98
- 77.51
60,00
20,00
59,96
96,00
66,24
04,17
80.67
60,00
20,97
11,02
10,46
08,00
21,08
08,44
92,51
Tab. 137. Ausbeute aus 100 kg vergaster Kohlen bei den Charlotten-
burger Steinkohlengasanlagen.
100 kg vergaster Kohlen ergaben
1910
1911
1912
Gas
. cbm
. hl
. kg
. kg
kg
30,221
1.527
70,242
4,251
1 12,862
29,078
1,537
72,180
4,414
12,494
30,134
1,523
71,247
4,607
12,777
Koks, einschließlich Kleinkoks . .
^ " " n • •
Teer
Ammoniakwasser
96. Gasfabrikation.
349
Tab. 138. Von den Charlottenburger Gaswerken verkaufte Koks-
mengen in hl:
Rechnungsjahr
i Im Tags-
I verkauf
An die
Stadt
Auf Grund be-
sond. Vertrags-
abschlüsse
verkaufte Mengen
Nach
auswärts
Summe
1909
1910
1911
84 053,5
64 168,5
82 795.5
124 799,0
190 284
213 070
223 947
223 183
233 660
205 977
497 449
842 671
1 224 747
914 798
1 350 668,5
1 707 962.5
1718 989,5
1912
1517 996,0
1 875 978.0
Tab. 189.
Ertrag der Charlottenburger Gasanstalten.
Rech-
nungs-
jahr
Anlagekapital
einschl. Erneue-
rungsfonds am
Jahresanfang
Mk.
Es sind verausgabt:
Zinsen
Mk.
Abschrei-
bungen
Mk.
Reingewinn
Mk.
Betrag
Mk.
Summe
Roh-
gewinn
o/o vom
angelegten
Kapital
Rein-
gewinn
o/o vom
angelegten
Kapital
1910
1911
1912
18 219 691,15
18 650 400,-
19 152 091,56
700 606,16 764 276,76
679 433,— 736 949,25
695 347,57 1074 781.65
2 584 816,74
2 585 602,01
2 758 025,01
4 049 699,66 22,23
4 001984,— 21,46"
4 528 154,23 23,64
14,19
13,86
14,40
Ueber das Kalenderjahr 1913 wird uns von der Direktion
der Gaswerke der Stadt Charlottenburg folgendes berichtet:
Der Gasabsatz im Kalenderjahr 1913 betrug 59 767 000 cbm,
er weist gegen da^ Vorjahr einen kleinen Rückgang auf. Dieser
Rückgang setzte aber erst seit August ein, so daß er ^wahrscheinlich
mit der allgemein beobachteten rückläufigen Konjunktur in Zu-
sammenhang steht uad nur vorübergehend sein wird. Wenn auch
die großen Fortschritte in der elektrischen Beleuchtung und die
geschickte Propaganda der Elektriker der Benutzung des' Gases
für Beleuchtungszwecke unzweifelhaft Abbruch tun, so hat das
Gas doch für Beleuchtungszwecke durch seine Billigkeit, gleich-
zeitige Wärmeabgabe und erhöhte Ventilationswirkung große Vor-
züge, die vielfach erst gewürdigt werden, wenn das Beleuch-
tungsgas abgeschafft ist. Die Bemühungen der Elektriker für die
elektrische Küche dürften wohl an dem gesunden Sinn des mit
dem Gelde rechnenden Publikums scheitern. Dagegen wird grade
in der Küche zweifellos die Benutzung von Gas bei den neuer-
dings weit vorgeschrittenen, wirklich rationellen und sparsamen
Gaskocheinrichtungen, ebenso wie auch auf andern Wärmegebieten
ständig steigen. Dadurch werden aber nicht nur die etwaigen
Ausfälle, die im Beleuchtungsgasverbrauch eintreten, gedeckt, son-
dern wahrscheialich noch Zunahmen im Verbrauch auf den Kopf
der Bevölkerung erzielt werden.
Was die Nebenprodukte des Gaswerks anlangt, so war die
Situation auch im Jahre 1913 als günstig zu bezeichnen. Beim
Koks machten sich allerdings in analoger Weise wie beim Gase
im Herbst 1913 die Ansätze zu einem Rückgang im Verbrauch
bemerkbar, so daß, während im ganzen Sommer Lagerbestände
Gas und
Elektrizität
Neben-
produkte.
Koks.
350 VI. Rohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
nicht vorhanden waren, sich gegen Ende des Jahres große iBe-
stände anhäuften. Die ganze Produktion ist aber zu gut-en Preisen
restlos untergebracht, und die Abnahmestockung ist in der Haupt-
sache auf die milde Witterung zurückzuführen. Es ist kein
Zweifel, daß bei nur gelinder Kälte die A^orräte rasch 'geraumjt
sein werden. Auch für die Zukunft ist die Lage des Gaskoks-
marktes als günstig zu betrachten. Der Gaskoks ist, wie lang-
jährige Erfahrungen gezeigt haben, das geeignetste und billigste
Brennmaterial für Zentralheizungen. Braunkohlenbriketts und
Steinkohlenbriketts sind wegen Geruchsn und Staubbelästigungen
keine ernsthaften Konkurrenten, und Schmelzkoks und sonstiger
harter Koks, der sieines Aussehens wegen vielfach für beson-
ders 'gut angesehen wird, brennt schwer und erfordert hohen
Zug, der namentlich in der Üebergangszeit zur eigentlichen Heiz-
periode nicht immer vorhanden ist. Der gewöhnliche, leicht bren-
nende poröse Gaskoks erfordert nur mäßigen Zug und ist daher
bei richtiger Einstellung des Schomsteinzuges, wie das von ob-
jektiven Beobachtern auch ohne weiteres anerkannt wird, das
sparsamste und rationellste Brennmaterial für Zentralheizungen.
Es ist daher auch unzweifelhaft, daß der Absatz von Koksi zu
guten Preisen auch in Zukunft keine Schwierigkeiten machen
wird, zumal da bei außergewöhnlich milden AVintem die Gas-
werke in der Lage sind, durch starke Heranziehung der Wasser-
gasanlagen die Produktion von Gaskoks erheblich einzuschränken.
Teer. Der Tccrmarkt war dauernd günstig, die erzielten Preise
waren gut und blieben es auch für die nächstjährigen Abschlüsse.
Insbesondere bildet der aus Horizontalretorten und Schrägretiorten
gewonnene 'Teer, wie wir ihn zurzeit fast ausschließlich j)rodu-
zieren, eine gesuchte Ware.
Der i^mmoniakabsatz • ging im allgemeinen glatt vonstatten,
und die erzielten Preise waren befriedigend, jedoch trat im Som-
mer eine große Unsicherheit der Verhältnisse durch die Nach-
richten über die synthetische Gewinnung des Ammoniaks in den
Anlagen der Badischen Anilia- und Sodafabrik ein. Der Absatz
von konzentriertem Ammoniakwasser kam dadurch allmählich
vollständig zum Stillstand, und die hierin getätigten Abschlüsse
mußten durch Ersatzlieferung von schwefelsaurem Ammoniak er-
füllt werden. Ob sich die Herstellung des synthetischen Am-
moniaks nach dem Haberschen Verfahren auf die Dauer als loh-
nend erweist, muß abgewartet werden. Jedenfalls unterliegt (es
keinem Zweifel, daß der Markt vor Ueberproduktion in Ammoniak
und 'damit vor nennenswerten Erschütterungen bewahrt werden
wird; in einem ruinösen Konkurrenzkampf würde sich das Irünst-
liche Produkt dem bisherigen als Nebenprodukt gewonnenen Am-
moniak 'gegenüber nicht halten können, da für letzteres unter
allen Umständen Absatz geschaffen werden muß.
96. Gasfabrikation.
351
Für weitere Nebenprodukte des Gaswerks — wie Grafit,
ausgebrauchte Oasreinigxuigsmasse — wurden auch in diesem
Jahre 'gute Preise erzielt. Dagegen fand sich für Schlacke kein
genügender 'Absatz infols^e der daniederliegenden Bautätigkeit.
Die Anlieferung von Gaskohlen verlief glatt und ohne Unter-
brechung. Die Preise standen im allgemeinen hoch, doch gab
die 'Qualität der Lieferungen namentlich englischer Kohlen
häufig zu Klagen Anlaß.
Auf dem Hauptwerk der Gasanstalten wurde die elektrische
Kraftzentrale bedeutend vergrößert, ebenso die Dampfkesselan,-
lage, ferner wurde ein neues Eeinigergebäude errichtet und die
Kokstransportanlagen auf bohe Leistungsfähigkeit gebracht, so
daß bei Lagervorräten jetzt jedem plötzlichen ^ Ansturm der
Koksabnehmer genügt werden kaim.
In den Arbeiterverhältnissen traten Aenderungen nicht ein.
3. Neukölln.
Dem Berichte des städtischen Gaswerkes Neukölln für die
Zeitfvom 1. April 1912 bis 31 .Märzi 1913 entnehmen wir folgendes:
; Die Gesamtgaserzeugung betrug im Eechnungsjahr 1912
25 780 650 cbm. Zur Steinkohlengaserzeugung wurden verbraucht
84 942 t, davon oberschlesische Gaskohlen 32 176 t, englische Gas-
kiohlen 50 817^. Die Ausbeute aus 100 kg Kohlen betrug
30,21 cbm Gas.
Die Gesamtgasabgabe betrug 25 775 450 cbm, was gegen das
Vorjahr mit 22 693 670 cbm ein Mehr von 3 081 780 cbm = 13,58 «/o
ausmacht. Sie verteilt sich wie folgt:
1911
1912
1913
cbm
cbm
cbm
Straßenbeleuchtung
inkl. Zündflammen 932 380
4.56
995 723
4.39
1 148 553
4.45
Städtische Gebäude 146 834
0.72
176 853
0.78
200 653
0.78
Abgabe an Private,
und zwar für
Leuchtg-as . . .]
Heizofas . . . .[ 18 326 879
89.58
21 037 193
92.70
23 763 396
92.20
Kraftgas . . . .J
Selbstverbrauch . . 98 935
0.48
117 851
0.52
133 512
0 52
Verlust 952 502
4.66
366 050
1.61
529 336
2.05
Gesamtabgabe 20 457 530
100.—
22 693 670
100.—
25 775 450
100.—
Auf den Kopf der Bevölkerung betru
g die
Gasabgab
e im
Rechnungsjahre 1911 85,81 cbm, in 1912 98 cbm. Angeschlossen
waren in 1912 45 882 (i. V. 45 937) gewöhnliche Gasmesser und
16 857 (i. V. 9543) Automaten. Der durchschnittliche Jahres-
verbrauch eines gewöhnlichen Gasmessers betrug 1912 417 cbm
(i. V. 405 cbm), eines Automaten 274 cbm (i. V. 266 cbm).
Die N^ebenprodukte haben in den letzten drei Jahren durch;
schnittlich zu folgenden Preisen Absatz gefunden:
3 Neukölln.
352 VI. Kohstoffe u. Fabrikate d. pharm., ehem. usw. Industrien.
1910
Mk.
1911
Mk
1912
Mk.
Koks
Teer
Ammoniak ....
1 hl
100 kg
1 n
1.05
216
0.80
0.95
2.35
0.85
1.05
2.91
0.84
4. Lichtenberg.
Dem Verwaltungsbericht der Gas-, "Wasser- und Elektrizitäts-
werke Lichtenberg entnehmen wir über die Entwickelung des
dortigen städtischen Gaswerkes im Rechntingsjahr 1912/13
(1. April 1912 bis 31. März 1913) folgendes:
Die Gaserzeugung betrug 9 607 340 cbm, die Abgabe für 1912
9 610 470 cbm gegen 8 299 480 cbm in 1911, hatte also eine Zu-
nahme von 1 310 990 cbm oder 15,7 o/o aufzuweisen. Im einzelnen
verteilt sich der Gasverbrauch wie foloi;:
1911
1. Gasverbrauch der Privatkonsumenten :
a) an Leuchtgas . 3 370130 cbm
b) an Heiz-, Koch- und Kraftgas . . 2 905 256 „
c) an Automatengas 358 034 „
2. Abgabe für Straßenbeleuchtung
3. Abgabe für öffentliche Gebäude
4. Selbstverbrauch
5. Verluste
8 295 410 cbm
1912
3 794 083 cbm
2 888117 „
1 302 514 „
•
6 633 420 cbm
. 708 194 „
157 290 „
41 638 „
754 868 „
7 984 714 cbm
761516 „
175 502 „
63 018 „
625 720 .,
9 610 470 cbm
Die Einwohnerzahl des gesamten Beleuchtungsgebietes betrug
am 1. April 1913 110 888, dies entspricht einer Abgabe von 81 cbm
auf den Kopf der Bevölkerung (gegen 71 cbm i. V.).
Zur Gaserzeugung wurden 27 196 388 kg Gaskbhle verwendet,
und zwar 17 293 122 kg englische (63,58 o/o des Gasverbrauchs),
8 613 266 kg schlesische (31,67 o/o), 1290 000 kg westfälische
(4,75 o/o). Es ergaben 100 kg Kohlen eine Gasausbeute yon
35,32 cbm. Die verwendeten Gaskohlen kosteten frei Lager im
Durchschnitt für 100 kg im Jahre 1912 18,52' Mk. (19,52 Mk. i. iV.).
Die Anzahl der aufgestellten gewöhnlichen Gasmesser be-
trug am Schluß des Berichtsjahres 1911 17 800, die der auf-
gestellten Gasautomaten 4057, der Zugang im Berichtsjahre 1912
an gewöhnlichen Gasmessern 2469, an Automatenmessem 4977,
so daß am Schluß des Berichtsjahres 1912 29 303 Gasmesser auf-
gestellt waren. An Privatkonsumenten waren vorhanden am
Schluß des Berichtsjahres 17 995 gegen 14 930 i. V., also 3065
oder 21 o/o mehr.
Der Koksverkauf ergab durchschnittlich' auf 1000 kg 21,54
Mark gegen 19,57 Mk. in 1911.
An Teer wurden 1 508 913 kg gleich 5,54 o/o vom Gewicht
der vergasten Kohle gewonnen. Der Verkauf ergab im Durch-
schnitt 26,76 Mk. lür 1000 kg gegen 25,46 Mk. im Jahre 1911.
97. Wollhandel. 353
Aus dem ^gewonnenen Ammoniakwasser wurden 87 471,62 kg
Amtooniak erzeugt. Der Gewinn auf 1000 kg vergaster Kohle
betrug daher 3,21 kg gegen 3,15 k'g im Jahre 1911. Der Ammoniak-
verkauf ergab für 100 kg 87,07 Mk.
5. Tegel.
Das Gaswerk Tegel berichtet über die Zeit vom 1. April 1912
bis 31. Mai 1913:
Die entgaste Kohlenmenge betrug 10 018 t gegenüber 8332 t
1. V., das zur Verfügung stehende Gas 2 848 700 cbm (2 726 400
cbm), der erzeugte Koks 6712 t (5582 t), der erzeugte Teer
450 t (346 t), die Gasabgabe an die Verbraucher 2 475 000 cbm
(2 313 000 cbm), der Gasverbrauch für die Straßenbeleuchtung
229 600 cbm (215 350 cbm), die Zahl der Gasabnehmer am
1. April 1913 3410 (3240), die Zahl der Gasmesser 5950 (5680),
der gesamte Koksverkauf 5090 t (4300 t), der Teerverkauf
433 t (365 t), der Einkaufspreis für Kohle 22,52 Mk. für
die Tonne (17—19,10 Mk.), der Verkaufspreis für Koks 19 bis
22,50 :Mk. (17—19,10 Mk.), für Teer 22,50 Mk. für die Tonne
(22,50 Mk.), für NH3 1 Mk. für 1 kg (0,78 Mk.).
Das Betriebsjahr 1912/13 zeigte eine Zunahme der Gas-
abnehmer und des Gasverbrauchs. Die größte Tagesabgabe ist
gestiegen, die entsprechende Monatsabgabe geringer geworden.
Die Einkaufspreise für Gaskohlen waren durchweg höher als im
Vorjahre, dementsprechend konnten auch die Verkaufspreise für
Koks etwas höher gehalten werden. Den inzwischen gestiegenen
Kohlenpreisen steht eine entsprechende Steigerung der Koks-
preise gegenüber.
Yll. Textilindustrie und Verwandtes.
97. Wollhandel.
Das Jahr 1913 setzte mit günstigen Konjunkturaussichten DeutscheWoUe,
für die Produzenten und Händler von deutschen Wollen ein.
iBestände an vorjährigen Wollen existierten nicht mehr, und
der Ausfall der neuen Schur wurde im allgemeinen günstiger
beurteilt. So war von Anfang des Jahres an für das deutsche
Produkt seitens der Händler und Konsumenten lebhaftes Inter-
esse vorhanden. Die ersten zwei Monate des Jahres blieben
trotzdem für den Handel ruhig, da in dieser Zeit Verhältnis^
mäßig wenig Wollen geschoren werden. Was an den Markt
kam, wurde jedoch ziemlich schlank weiter verkauft. Sehr bald
zeigte es sich auch, daß die Erwartungen, welche man auf den
Ausfall der Wollen gesetzt hatte, durch die im allgemeinen
sehr gute Kondition derselben noch übertroffen wurden. Auf
ßerl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913 II. 23
354 Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
Grund dieser günstigen Umstände wurden in dem seit Beginn
des Jahres einsetzenden Kontrakt-Einkaufsgeschäft von den Woll-
produzenten erheblich höhere Preise als im Vorjahre gefordert
und im allgemeinen auch vom Handel bewilligt. Im März fand
die erste diesjährige Wollversteigerung des Vereins der Merino -
Wollzüchter in Berlin statt. Sie stand bereits, wie auch alle
späteren Versteigerungen des Jahres, unter der Einwirkung des
ibesonders guten Aussehens der diesjährigen Schur, sowie der
inzwischen eingetroffenen ersten Nachrichten von recht guten
Waschergebnissen. Waren im Jahre 1912 die Wollen im all-
gemeinen staubig, erdig und mager ausgefallen, so repräsentierte
sich das 1913er Produkt fast ausnahmslos als ansehnlich, kräftig
gewachsen und staubfrei. Die Schweißwollpreise stellten sich
durchschnittlich 5 bis 15 Mk. pro Zentner, teilweise sogar bis
•20 Mk. pro Zentner höher als im Vorjahre. Dieser Aufschlag
im nominellen Preise ging jedoch nicht ganz in die Taschen
Her Produzenten, weil infolge der leichteren Beschaffenheit der
Wollen das Schurgewicht im allgemeinen erheblich geringer
war als gewöhnlich. Trotzdem konnten die Produzenten mit
den erzielten Preisen durchaus zufrieden sein, und ebenso
die Käufer mit den Waschrendements. Die Preise für das
peingewaschene Produkt, die ursj)rünglich auf zirka 15 o/o
höher als im vergangenen Jahre geschätzt worden waren, konnten
daher bald herabgesetzt werden. Der günstige Ausfall des
deutschen Produktes stand in einem sehr erfreulichen Gegensatz
!zu demjenigen der Uebersee wollen, die bei nominell hohem Preis-
stand zum großen Teil unerfreuliche Rendements gebracht
hatten. Unter diesen für das deutsche Material so günstigen
Auspicien entwickelte sich das weitere Geschäft darin besonders
lebhaft, und auch diejenigen Konsumenten, die sich im Einkauf
zurückgehalten hatten, oder die dem deutschen Produkt über-
haupt zugunsten des überseeischen im allgemeinen weniger Inter-
esse entgegenbrachten, gaben schließlich ihre Reserve auf. Von
April bis Juni fand dementsprechend ein lebhaftes Geschäft
bei sehr festen Preisen statt. Die inzwischen herangekommenen
iWollen fielen, wie dies gewöhnlich der Fall ist, besser aus als
die früher geschorenen, und wenn sich auch die nominellen
iSch weißpreise zum Teil noch höher stellten als im März, so war
<der Ausgleich durch die noch besseren Rendements gegeben.
Im ganzen konnte man somit den Aufschlag auf den
(Einstandspreis gegen das Vorjahr mit durchschnittlich 5 bis
10 o/o normieren. Nachdem im Juni die Schafschur in Nordn
deutschland beendet war und die regelmäßigen Zufuhren in
Schweißwollen wie alljährlich aufgehört hatten, lichteten sich
bei allmählich ruhiger werdendem Geschäftsgange, aber be-
Ihaupteten Preisen, die Vorräte ziemlich schnell. Im Herbst war
fast das gesamte verfügbare Quantum vom Konsum (Fabri-
97. Wollhandel.
355
kauten und Kammgarnspinnern) aufgenommen, so daß am
Schlüsse auch dieses Berichtsjahres keine nennenswerten alten
Vorräte mehr vorhanden waren.
In ßückenwäsehen verminderte sich das Angebot gegen das
.Vorjahr wieder ganz erheblich, so daß die Zeit abzusehen ist,
in der dieses Material vom Berliner Markt fast ganz ver-
schwunden sein wird. Schon heute sind norddeutsche Eücken-
wäschen infolge ihrer geringen verfügbaren Menge eine
Spezialität geworden. Der weitaus größte Teil der Wollver-
bi auch er hat sich von diesem Material bereits abgewandt. Die
wenigen Fabrikanten, die sich noch dafür interessieren, müssen
— solange es Kückenwäschen überhaupt noch gibt — den Er-
werb der Wollen häufig zu Preisen unter sich ausmachen, die
unabhängig von denjenigen sind, welche zu gleicher Zeit für
das entsprechende Schweißwollmaterial bezahlt werden. Die
im Juni in Berlin veranstaltete Versteigerung von norddeutschen
Rückenwäschen brachte einen Preisaufschlag von zirka 20 bis
^5 Mk. gegen das Vorjahr. Zur richtigen Beurteilung des
Preisverhältnisses gegenüber Schweißwollen ist hierbei zu be-
rücksichtigen, daß im Jahre 1912 Schweißwolle einen nominellen
Abschlag von zirka 8 Mk. pro Zentner, Rückenwäsche dagegen
auch damals schon einen Aufschlag von 5 — 8 Mk. gebracht
hatte. Daß sich die Gutsbesitzer von der Rückenwäsche ab-
wenden, ist zu verstehen und zu billigen. Denn diese Art der
Herrichtung der Wolle paßt nun einmal nicht mehr in einen
modernen Wirtschaftsbetrieb hinein. Dagegen würde jeder ein-
sichtige Interessent es mit Freude begrüßen, wenn unsere nord-
deutschen Besitzer sich allmählich wieder in immer steigendem
Maße der Schafzucht zuwenden wollten. Jedes derartige Be-
streben verdient nach Kräften unterstützt zu werden.
Obwohl im Berichtsjahre auf, bedeutenden Gebieten des am
Orientgeschäft stark beteiligten Wollengewerbes der Geschäfts-
gang infolge des Balkankrieges und der daraus resultierenden
politischen Spannung zwischen den Großmächten schlecht war,
herrschte am Kolonialwollemarkte eine vorwiegend steigende
Festigkeit der Preise. Diese Erscheinung "hatte ihre Ursache in
der statistischen Lage des Artikels. Eine Minderschur von
300000 Ballen in Australien galt frühzeitig als verbürgt, und
ebenso sicher war eine in den Schätzungen allerdings schwan-i
kende Minderschur am La Plata. Trotz des unter das Normale
iherabgedrückten Weltverbrauchs an Wolle behielt daher die
sdion vor Jahresfrist geäußerte Ansicht Recht, daß der zu
erwartende Ausfall in der Wollerzeugung eine Art Wollnot
^zur Folge haben würde. In der Tat genügte die in den engsten
Grenzen des überblickbaren Bedarfes gehaltene Nachfrage, die
Preise für Wolle und Zug zu treiben und dauernd auf einer
Höhe zu halten, die dem Wollhandel einen schönen Konjunktur-
23*
Rückeu-
wäsclieu.
Kolonialwolle.
356 Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
gewinn verhieß. Doch Tendierten nicht nur Kapwollen, sondern
auch Austral -und La-PlatawoUen beispiellos schlecht, so daß.
der Vorteil auf selten des überseeischen Farmers war.
Im einzelnen verlief das' Jaht 1913 recht gleich-
förmig. Im Dezember 1912 war in Uebersee eine kleine
Preisabschwächung eingetreten. Als aber nach kurzer
Weihnachtspause die Versteigerungen wieder aufgenommen
wurden, war jene Flauheit bereits verflogen. In
Australien waren unter dem vorwiegenden Einflüsse
der Nachfrage Yorkshires sehr bald die geringen Schur-
reste zu steigenden Preisen verkauft, und auch der lebhafte Ver-
lauf tmd feste Schluß der Londoner Januar-Auktionen bezeugte
die statistische Stärke aller Wollsorten. Mitte Februar war
nicht nur m Australien, sondern — eine seltene Erscheinung —
auch schon am La Plata das Angebot ziemlich erschöpft, während
am Kap infolge dier gar z^ sehr voraneilenden Forderungen der
Eigner und wegen der inzwischen bekannt gewordenen schlechten
Rendements der Verkauf etwas ins Stocken gekommen war.
Merinos und Kreuzzuöhten waren so seit Dezember in schneller
Folge um weitere 5 o/o gestiegen, und auf dieser Höhe hielten sich
die ersteren, abgesehen von geringen Schwankungen, bis in dea
Herbst hineiu. Kreuzzuchten waren weniger stetig, erlitten so-
gar im März vorübergehend einen recht merkbaren Abschlag,,
weil Amerik-^ gegen Gewohnheit und wider Er^varten von der
Londoner März-Auktion weggeblieben war. Ueberhaupt hat die
Aufhebimg des Wollzolles die auf den ersten Blick überraschende
Wirkung gehabt, daß Amerika in Australien und iu London
aus der Schur 1912/13 bedeutend weniger aufgenommen hat als
sonst üblich (61 900 Ballen gegen 109 250 aus der Schur 1911/12).
Doch diese Zurückhaltung wird verständlich, wenn mau bedenkt,
daß die durch, den neuen Tarif verursachte Umgestaltung der
vielen in Betracht kommenden Verhältnisse damals noch gar nicht
in üiren weitreichenden Folgen zu überblicken war. Auch Kamm-
zug fand laufend Absatz zu allmählich steigenden Preisen, ob-
wohl schon früh im Jahre aus Spinnerkreisen Klagen über eine
abflauende Beschäftigung laut wurden. Die sich folgenden, immer
lausgedehnteren Betriebseinschränkungen bezeugten den ganzen
Ernst der Klagen. Dennoch fehlte es nicht an Bereitwilligkeit
bei den Spinnern, Merimo-Kammzüge auch auf monateweite Lie-
ferung zu den höchsten Tagespreisen zu kaufen — ein Vorgehen,
djSS angesichts djer rückgängigen Beschäftigung und keineswegs
freundlichen Aussichten recht beredt verkündete, wie lebendig
die Sorge war, daß durch die drohende Wollknappheit später eine
Teuerung entstünde. Während die Klagen der 'Spinner, auch'
in Frankreich, über schlechten Geschäftsgang sich mehrten und
der Zugverkauf — bei leichthin schwankenden Preisen für Merinos,
bei stärker weichenden Preisen für Kreuzzuchten — zeitweilig
98. Wollgarne, Wollfärberei und Konditionierwesen.
357
recht schlieppeiLd wUrdö, iscteumpften doch die Zugbestände in
den deutschen und frajizösißdhen Kämmereien zusehends ein und
sanken im Herbste lauf einen Stand wie seit Jahren nicht. Infolge-
des&en überwog trotz des verminderten Bedarfs die dringend©
Nachfrage das Angebot in greifbaren ^erinozügen derart, daü
wahre E/ekordpreise erzielt werden konnten. Ebenso wurden auf den
im September-Oktober Übersee einsetzenden Versteigerungen der
ungeduldig erwarteten neuen Wollen von den Käufern Preise meist
über Parität europäischer Werte bewilligt. Besonders die Preise
der von den Militärtuch-Fabrikanten bevorzugten halblangen Kapn
wollen wurden sehr bald auf leine lange nicht bemerkte Höhe
getrieben. Man bezahlte lam Kap für die E/ohwolle fast ebensoviel
wie an den europäischen Plätzen für das gewaschene Produkt,
obwohl gerade halblange gewaschene Wollen im Laufe des Jahree
stärker gestiegen waren lals alle (anderen Sorten. Erst als der
^dringendste Maschinenbedarf gedeckt war, begannen die Preise
allmählich z'u sinken. Obgleich idie Klagen der Spinner über
jschleohten Greschäftsgan^ nicht verstummen wollten, wurde doch
auf einer nuj wenig schwankenden Basis weiter gekauft, wobei
allerdings England in auffallender Weise zurückstand. Als die
Versteigerungen in Australien eine Woche vor Weüinachten ab-
brachen, war die Schur zu zwei Dritteln bereits verkauft. Nicht
so am La Plata, wo zur gleichen Zeit noch beträchtliche Bestände
verfügbar waren. Verglichen mit dem jVorjahre stellten sich
Ende Dezember Merinos bis 5 <yo höher, Kreuzzuchten dagegen
b bis 10 o/ö niedriger.
Vergleichende Uebersicht der Preise
Tab. 140. (In Pf. pro kg am
für Kapwollen am
Jahresschluß.)
hiesigen Platze.
1908
1909
1910
1911
1912
1913
Kap extra super snowwhites . . .
„ 400/Qige Durchsch.-Grrease, Waschw.
Kammw.
Fabrikgew. Kap, Durchsch. - Qualität .
390
135
160
350
425
155
185
400
420
150
180
390
400
140
170
370
430
150
190
400
470
165
190
440
S8. Wollgarne, Wollfärberei und Konditionier-
w e s e n.
a) Zephirgarne.
Das Jahr 1913 verlief für die Zephirbranche wenig befrie-
-digend. Die Beunruhigung, die der Balkankrieg hervorrief, xmd
die stete Besorgnis, daß die Verhältnisse zu einem europäischen
Kriege führen könnten, ließen keine UnternehmuQgslust auf-
kommen. Das Geschäft schleppte sich während des ganzen Jahres
hin, und es war andauernd schwierig, auch nur den Betrieb
einigermaßen aufrecht zu erhalten. Der Wettbewerb war daher
.außerordentlich groß und die Verkaufspreise waren ungewöhnlich
358
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
schlecht, zumal die Itohmaterialkosten, ungeachtet der teuern
Geldsätze und der politischen Befürchtungen dauernd hoch stan-
den, ja in den letzten Monaten noch eine steigende Tendenz zeigten.
Absolut betrachtet, verringerte sich freilich der schon seit einigen
Jahren anhaltende hohe Preisstand des Fertigfabrikats nicht.
Im Jahr 1908 wurde für die gleiche Sorte Zephirgarne 4,80 Mk.
pro kg bezahlt, die jetzt 6 Mk. pro kg kostet. Offenbar ist eben
der Weltkonsum dauernd größer als die Weltproduktion, so daß-
demgegenüber die wechselnden Verhältnisse zwischen Angebot
und Nachfrage in den einzelnen Ländern und Jahren keinen
Einfluß auf die Preisgestaltung haben.
Der Absatz erstreckte sich auf fast alle europäischen und
außereuropäischen Staaten und Länder. Allerdings erfuhr er
dui'ch die politische Spannung manche empfindliche Einschränkung.
Namentlich ging auch der Verbrauch in Großbritannien, das bis-
her als Ausfuhrgebiet für deutsche Zephirgarne an erster Stelle-
stand, erheblich zurück. Die Bestellungen der südamerika-
nischen Abnehmer liefen zwar regelmäßig ein, doch mußten die
Lieferungen an sie auf ungünstige Nachrichten von den dortigen
Märkten teilweise hinausgeschoben werden. Ob der neue Zoll-
tarif der Vereinigten Staaten die nordamerikanischen Absatz-
bedingungen in einem der Branche günstigen Sinne beeinflussen
wird, steht noch dahin. Wahrscheinlich ist es jedoch nicht, da die
Zephirgarnindustrie der Union unter dem bisherigen hohen Zoll-
schutze sehr erstarkt ist.
Die Preise für rohe Zephirwolle Nr. 40/4 aa. stellten sich im
Berichtsjahre pro Kilogramm auf:
Januar Februar/März April Mai 'August September Oktober Nov./Dez..
M. 5.70 5 75 5.80 5.7h 5.65 5.80 5.80
Gefärbte
Strickwolle.
b) Gefärbte Strickwollen.
Die hohen Preise der ExDhwollen waren dem schlanken Absatz
gefärbter Strickwollen sehr hinderlich und Begehr und Umsatz
hielten sich in wesentlich engeren Grenzen als in früheren Jahren.
Die Preise für die Fabrikate waren infolgedessen denen der Roh-
materialien nur schwer anzupassen. Zur Erklärung des ungün-
stigen Geschäftsgangs ist u. a. auch auf das ungewöhnlich gelinde
Herbstwetter hinzuweisen, infolgedessen sich das Geschäft auch
in den eigentlichen Bedarfsmonaten nur schleppend gestaltete-
Kammgarn. <i) Kammgarn.
Seit Ende 1912 stiegen die Rohwollpreise beständig. Erst in
den letzten Monaten des Berichtsjahres zeigte sich ein kleiner
Rückgang. Die Beschäftigung in der Strickgarnfabrikation war
sehr stark, während alle Webgarnspinnereien nur wenig zu tun
98. Wollgarne, WoUfäiberei und Konditionierwesen. 359
hatten. Infolge der hohen Preise für das Rohmaterial war jedoch
der Nutzen am Fertigfabrikat nur gering.
Noch ungünstiger als im Jahre 1912 gestaltete sich
das Geschäft in Kammgarnen im letztvergangenen Jahre.
Infolge der andauernden politischen Beunruhigungen ging
der Export nach allen in Betracht kommenden Ländern
bedeuiiend zurück. Selbst England, auf das als Absatz-
gebiet mit Sicherheit gerechnet worden war, verminderte seinen
Bedarf an fast allen Artikeln. Trotz alledem blieben die Gam^
preise während des ganzen Jahres andauernd fest. Bei Merino-
garnen z. B. betrugen die Preisbesserungen von Januar bis Ok-
tober kaum 2 o/o. Wenn kleine Preiskonzessionen hie und da gewährt
wurden, so waren sie nicht in dem billigeren Rohmaterial be-
gründet, sondern aus dem Bestreben zu erklären, Lieferungsaufträge
zu erhalten. Auch Croßbred-Garne blieben fest, weil daraus her-
gestellte Stoffe von der Sportmode bevorzugt wurden. Bei solcher
Geschäftslage herrschte andauernde Zurückhaltung für größere
Unternehmungen vor. Größere Abschlüsse wurden fast gar nicht
gemacht, vielmehr wurde größtenteils nur für den nächsten Tages-
bedarf gekauft. Das geschah namentlich, weil allgemein er-
wartet wurde, daß bei der anhaltend geringen Nachfrage die
Garnpreise weichen müßten. Diese Zurückhaltung gaben die
Abnehmer auch nicht auf, als von den Auktionen in Antwerpen
und London, namentlich aber von den überseeischen Produktions-
stätten fortgesetzt feste und sfteigende Preise gemeldet wurden,
zu denen die Rohwollen schlank weggingen, weü in keinem Fa-
brikationslande irgendwelche größeren Vorräte vorhanden waren.
Besonders ungünstig lag während des ganzen Jahres die Phan-
tasiebranche, namentlich für Merinogame, deren Absatz auch noch
durch die dem Artikel ungünstige Mode erschwert wurde. Stark
schädigend wirkte auch das warme Wetter im September und
Oktober.
d) AVoUfärberei.
Die Wollfärberei hat wieder Grund zu lebhaften Klagen. Die
Aufträge ließen vom Frühjahr ab so bedeutend nach, daß die
Arbeitszeit erheblich verkürzt, ja in einigen Färbereien von sechs
auf fünf Werktage eingeschränkt werden mußte. Von allgemeiner
Bedeutung ist hierfür, daß die Spinnerei stetig durch Färberea
im eigenen Hause die Lohnfärberei zurückdrängt. Von lokaler
Wichtigkeit ist, daß durch den allmählichen Fortzug der Fa-
brikation aus der Hauptstadt nach der Provinz, der als Folge
sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse anzusehen ist, auch
nach und nach die Färbereien am hiesigen Platze hin-
siclitlich der Aufträge wie der Farblöhne sehr ungünstig
beeinflußt werden. Im besonderen mögen vielleicht deshalb die
Aufträge so spärlich eingegangen sein, weil man allgemein einen
Rückgang der ungewöhnlich hohen Rohproduktpreise erwartete.
360
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
^Weiter wirkte die Mode hemmeiid, die in der Stmmpffabrikatioii
durchbrochene und seidene Dessins bevorzugte. Dagegen war das
Geschäft in echten Farben für die Militäreffektenfabrikation
befriedigend. Auch die Färberei weißer Sportartikel machte
Fortschritte.
In der Stückfärberei wurden wollene und baumwollene Stoffe
mehr als gemischte halbwollene Ware gefärbt und appretiert.
Die bunten Farben standen zwar wieder im Vordergrund, doch
wurde die Einzelfarbe durch zu kleine Partien in der Herstellung
sehr verteuert. Denn die Kundschaft kauft die Besätze fertig)
und läßt nur den nötigen Bedarf an Stoff hinzufärben, so daß
das Lager für den Handel ausgeschaltet ist. Halbwollene Trikots
gingen auch im vergangenen Jahre im Konsum zurück, schwarze
Plüsche mit eingepreßten Clustern dagegen um so flotter, da
der gegenwärtige Geschmack solche Stoffe zu Mänteln und
Kleidern bevorzugt. Auch Schuhstreifen, gefärbt un.d gespitzt,
hielten sich.. Decken sind jedoch nur in geringerer Menge ange-
fertigt worden. In der Kleiderfärberei fehlte es ebenfalls an
Aufträgen, da die gegenwärtig sehr beliebten billigen Stoffe
die Kosten des Umfärbens uaid Aufarbeitens nur schwer lohnen.
Die chemische Eeinigung wurde für wollene Sachen und für
Herrengarderobe nur wehig verlangt. Dasselbe ist von Glace-
handschulien zu sagen, während Möbelstoffe und Gardinen sich
behaupteten, lieber Arbeitermangel war im allgemeinen nicht
zu klagen. Doch wechselte das Personal häufig, was im Inter-
esse der Stetigkeit und Güte der Arbeit unerwünscht ist.
Konditionier-
e) Konditionierwesen.
lieber die "Wirksamkeit des öffentlichen Warenprüfungs-
amtes für Wolle, Baum.wolle, Seide usw. und deren Game und
Gewebe in der Zeit vom 1. Jan. 1913 bis 31. Dez. 1913
gibt nachstehende Aufstellung Auskunft.
Tab. 141. Tätigkeit des Oeffentlichen Waren -Prüf ungsamtes zu Berlin.
1. Konditionierungen.
Menge der
Zahl
der !
Zahl der Fälle
konditionierten Waren
von
k?
Konditionierungen ,
Untergewicht
1912 1913
1912
1913
1912 1 1913
WoUe
303 789 232 937.0
254
186
165
140
Kämmlinge .
, 10 319 97 282,6
144
18
59
6
Kaschmirwolle
, 1839 ! 6 374,9
6
4
4
1
Kunstwolle .
1 4 161 j 24 868,9
3
19
3
7
Ramiegarn .
5 341 i 227,5
364
3
343
2
Baumwollgarn
39 716 ! 26 933,9
426
273
398
252
Seide . . .
9 j 30 877,4
5
318 !
5
297
Kunstseide .
1 1 0,3
1
2
1
2
Wilde Seide
— ! 1 039,2
—
9
—
9
Wollgarn . .
— 1 10 283,8
—
138
66
99. Handel mit Baumwollgarnen. 361
1912 1913
2. Garnausmessungen 438 491
3. Festigkeitsprüfungen von Garnen und Geweben . 72 143
4. Auszählungen von Kette und Schuß in Geweben 198 208
5. Nummerbestimmung von BaumwoUketten ... 167 116
6. Längenmessungen von Garnen 59 1235
7. Seidentitrierungen 348 372
Von dem mit dem Amt verbundenen Laboratorium wurden aus-
geführt :
1912 1913
Untersuchungen auf Fasergehalt 56 110
„ Fettgehalt . . . . , 14 26
„ „ Säuregehalt 1 9
„ „ Beschwerung .... 26 47
„ Appretur 38 128
„ „ Farbechtheit .... 8 11
„ von Bekleidungsgegenständen
auf Fehler .... 8 10
Seidenabkochungen 163 137
Außerdem wurde eine Reihe einzelner Untersuchungen ausge-
führt, wie Prüfungen von Oel, Seife, Schuhkreme, Essigsäure,
Exjßhaare auf Beimengungen, fertige Stoffe auf Nadelfertigkeit,
Straußenfedern auf Unterschiede, Pflanzenfasern und Teppiche
auf Beschädigung durch Seewasser und anderes mehr.
99. Handel mit Baumwollgarnen.
Die gute Beschäftigung der Baumwollspinnereien, die im
zweiten Halbjahr 112 angehalten hatte, fand ihre Fortsetzung
bei Beginn des Jahres 1913. Späterhin veranlaßten die Jioben
Gampreise und der durch die unsicheren politischen Verhältnisse
hervorgerufene Mangel an Unternehmungslust die Konsumenten,
äußerst vorsichtig Ln ihren Käufen zu sein, so daß das Geschäft
sich sehr schleppend gestaltete. Auch wollte man den neuen
amerikanischen Zolltarif abwarten. Die Folge war, daß die Preise
für rohe Baumwolle und Game, von geringen Schwankungen ab-
gesehen, allmählich sanken. In den Monaten Juli bis August,
erreichte die Bremer Notierung ihren niedrigsten Stand mit 6O3/4.
Ende August zogen die Preise wieder leicht an, um am 4. Sept,
sprunghaft — um 3 Pfg. innerhalb zwei Tagen — in die Höhe
zu gehen und Ende September mit 74 Pfg. ihren höchsten Stand
zu erreichen. Diese Bewegung, die den Konsumenten völlig über-
raschend kam, hatte ihre Ursache in der amerikanischen Baum-
wollernte, die infolge anhaltender Dürre sehr unbefriedigend aus-
fiel. Auch Ende Oktober eintreffende Nachrichten über Frost-
schäden verursachten ein weiteres Steigen des Bx)hmaterials im
Preise. Dementsprechend wurde die amerikanische Ernte auf
13,5—15 Mill. Ballen geschätzt, während man vorher mit 15
bis 16 Mill. Ballen gereehnet hatte. Obwohl die Beschäftigung
der Spinner zum Teil sehr zu wünschen übrig ließ, konnten sich
die Preise für Baumwollgarn denen für rohe Baumwolle an-
362
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Preise.
passen. Man glaubte nämlich vielfach mit einer Mißernte und
demzufolge mit einer weiteren Steigerung des Rohmaterials
rechnen zu müssen. Auch erwartete man von dem inzwischeu
Gesetz gewordenen amerikanischen Zolltarif eine Belebung des
Exports nach den Vereinigten Staaten. Im Laufe des Oktobei-
schwächten sich dann die Preise wieder ab. Doch war diese
Bewegung nicht einheitlich. Je nachdem die Ernteschätzungen
der amerikanischen Hausse- oder Baissepartei günstig lauteten^
wurden die Notierungen herauf- oder herabgesetzt. Die Emte-
schätzungen selbst schwankten zwischen 13,5 — 16 Mill. Ballen.
Die Preise für 20 "Water I waren:
Januar 84 Pf. per Pfund engl.
Februar 88 „ „
März/Mai 86/84 „
Juni/Juli ..... 82/80 „
August 78 „
vSeptember/Oktober . 90/91 „
November/Dezember . 88/85 „ „
Ostindische
Baumwolle.
Macogarn.
Die Nachfrage nach Garnen aus ostindischer Baumwolle war
wie im Jvioraufgegangenen Jahre aiur unbedeutjend, da amerikanische
Baumwolle, die sich nicht teurer stellte, im allgemeinen bevor-
zugt wurde.
Der Bedarf an Maco-Garnen war dagegen das ganze Jahr
hindurch lebhaft, weil besonders die Strumpf-, Handschuh- und
Trikotagenbranche als Käufer auftraten. Der Ertrag der ägyp-
tischen Ernte wurde auf 7,6 Mill. Cantar geschätzt. Das a,n den
Markt kommende Material fand schlank Aufnahme.
Seide»handel.
Ernten
und Preise.
100. Handel mit roher und gefärbter Seide, Seiden-
färberei,
a) Handel mit roher und gefäj-bter Seide.
Obwohl der Balkankrieg lähmend auf das Geschäft einwirkte^
zogen die Seidenpreise zu Anfang des Berichtsjahres, wenn auch
mit kleinen Schwankungen, um fast 10 o/o an. Die Ursache war
die verhältnismäßig kleine Ernte des Jahres 1912. Die steigende
Tendenz setzte sich bis in die Sommermonate des Jahres 1915
fort, so daß einzelne von der Mode begünstigte Sorten Preüs-
er höhungen bis zu 25 ^/o erfuhren. Als dann die ersten Nach-
richten von sehr befriedigenden Ergebnissen der neuen Ernte
eintrafen, wurden allgemein Preismckgänge erwartet. In der
Tat war die Seidenerzeugung im Berichtsjahre größer als je
zuvor. Die Zunahme gegen 1912 betrug ca. 9 o/o. Sie war nicht
ausschließlich aus einer Vergi'ößerung des ostasiatischen Exports
zu erklären, sondern rührte zum Teil aus den günstigaren Er-
trägnissen der europäischen Seidenernte her. Infolgedesseen gingen
im Herbst die Preise um etwa 10 o/o zurück.
101. Fabrikat, von woU. u. halbwoll. Plüschen u.
Entsprechiend den Rohseidenpreisen hätten audh die Preise
für fertige Seidenzwirne im Berichtsjahre eine .Erhöhung er-
fahren müssen. Das ist jedoch nicht geschehen, weil mit den
realen Seiden die Knnstseidenfäden sehr erfolgreich konkurrierten.
Diese werden nunmehr in derartig vorzüglichen Qualitäten herge-
stellt, daß sie, die teils auch durch die Mode begünstigt wurden,
im Veibrauch vorherrschend geworden sind. Besonders in der Ta-
pisserieseiden- und in der Posamentenfabrikation wurden sie auch
im Berichtsjahre stark bevorzugt. Die Preisnotierungen iur Kunst-
seide änderten sich gegen das Vorjahr nicht.
Die Schappeseiden hielten sich ebenfalls im 1. Semester des
Berichtsjahres auf gleicher Höhe wie in 1912, erfuhren aber
später eine Aufwärtsbewegung, die bis zum Schluß des Jahres
20 o/o betrug. Die Plüschfabrikation war dem Artikel günstig,
während er auf dem Tapisserieseidenmarkt immer mehr in den
Hintergrund getreten ist.
Kunstseide.
Schappeseiden
b) Seidenfärberei.
Die Seidenfärberei hatte im Berichtsjahre einen kleinen Auf-
schwung zu verzeichnen, was in der Hauptsache auf einen
größeren Verbrauch von Seiden für Tucheffekte zurückzuführen
ist. Auch in Fabrikationsseiden, Stickseiden, Nähseiden, Seiden
für Zwecke der Elektrizitätsindustrie u. a. war das Geschäft
ein wenig lebhafter. In Schwarz für den Spezialartikel Hutplüsch
befriedigte der Umsatz.
Die Kunstseidenfärberei war auch in 1913 in aufsteigender
Bewegung. Der für den modernen Luxus so dankbare Artikel sucht
sich immer neue Anwendungsgebiete zu erschließen, was natur-
gemäß auf Kosten der echten Seide und der merzerisierten Baum-
wolle geschieht.
Seidenfärberei
Allgemeines.
Kunstseiden^
101. Fabrikation von wollenen und halbwollenen
Stoffen und Plüschen.
Erster Bericht.
Für die Fabrikation von Krimmer, Persianeruniitationen und
audh] von Stoffen wurden große Quantitäten der langstapeligen
Garne gebraucht, die speziell aus Wollen englischer Herkunft
gesponnen werden. Die Preise stiegen infolgedessen schon mit
Beginn des Berichtsjahres um etwa 10 — 15 o/o. Gegen Schluß des
Jahres schwächte sich das Geschäft infolge des eintretendem
warmen Wetters ab und es trat ein Preisrückgang Von ca. 5
bis 6 0/0 ein.
Aus Mohairs und Ex)vings werden die Game gesponnen, die
speziell für die Fabrikation !von Pelzimitation Verwendung
finden. Zu den hochfeinen Qualitäten werden Game von zweifach
32er bis zweifach 60er verwendet, für die Persianerimitation
Erster Berichl
Roh-
materialien.
Lustre
Weftgarne un(
Crossbreds.
Mohairs
und Rovings.
364
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Shoddy-Garne
Baumwolle.
Jute-Garne.
Fertige Ware.
Konfektion s-
Stoffe.
dagegen die einfach gesponnenen G-ame unter der Bezeichnung
Single-Ex)ving. Die großen Aufträge, die in all diesen Artikeln
von Anfang des Jahres an den 'Fabrikanten zur Verfügung standen,
steigerten den Bedarf in den genannten Garnen außerordentlich,
und der Preisaufschlag, der sich in dem letzten Monate des
Jahres 1912 bemerkbar machte, erfuhr 1913 eine weitere Er-
höhung -von ca. 20 o/o. Doch trat auch im Preise dieser Game in
den letzten drei Monaten des Berichtsjahres ein kleiner B,ückgang
ein, der darin zum Ausdruck kam, daß man bei prompten Dis-
positionen wieder etwas billiger kaufen konnte.
Die B/ohmaterialien für Shoddy-G-ame waren wahrend des
ganzen Jahres knapp, und die Preise stiegen daher um etwa
5 — 10 o/o. Trotz des schwäx^heren Geschäftsganges für fertige
Ware ermäßigten jedoch die Shoddy- Spinner die Preise nicht.
Am Markte für die bauwollenen Garne, die für die Berliner
Fabrikation Verwendung finden, zeigten sich nur unbedeutende
Preisschwan ktmgen. Die Spinnereien waren zum Teil Jiicht stark
beschäftigt, so daß die Aufträge prompt ausgeführt wurden.
Während des ganzen Jahres war der Markt für rohe Jute in
Indien sehr fest. Die Gamp reise, die schon im Vorjahre einen
hohen Stand erreicht hatten, zogen 1913 noch weiter an, so daß
im November die höchsten Preise notiert wurden, die je für Ge-
spinste aus Jutefaser bezahlt worden sind. Die Konsumenten
gingen daher nur zögernd daran, Einkäufe zu macheu, die über
den nötigsten Bedarf hinausgingen, weil die A^asicht allgemeiu
verbreitet war, daß diese hohen Preise sich nidht lange würden,
halten können. Doch befand sich die schon seit Jahren in
einer Konvention geeinigte Fabrikation am Jahresschlüsse in
sehr günstiger Lage. Einzelne Firmen konnten hohe Dividenden
zur Verteilung bringen.
Im Jahre 1913 wurden von der Berliner Stoff -Fabrikation
Artikel gebracht, die sich eng an die Mode des vorhergehenden
Jahres anschlössen. Die Beschäftigung darin hielt bis in die
letzten Monate des vergangenen Jahres hinein stark an, und
die Musterungen für Kinder- und Damenmäntelstoffe waren
in demselben Geschmack gehalten. Es wurden große Ausmuste-
.rungen in schmalen Streifen, kleinen Karos und speziell in
Diagonalbindungen gebracht, und zwar in grünlichen, bräun-
lichen und Sportfarben, die schon seit längerer Zeit für Ulster-
und Paletotzwecke gern verarbeitet werden. Als Hauptmaterial
für diese Artikel fanden die bekannten englischen Lustrewollen
Verwendung. Neben diesen stark bevorzugten Melangetönen
Iwurden von der Konfektion auch gleiche einfarbige Qualitäten
aufgenommen. Diese Genres haben schon vor etwa 10 bis
15 Jahren in Berlin jahrelang eine ganz hervorragende Rolle
.unter den Namen Crewel, Boucle und Trikotstoffe gespielt, und
sich durch Solidität und Haltbarkeit ausgezeichnet. Bemerkens-
101. Fabrikat, von woll. u. halbwoll. Plüschen u. Stoffen. 365
wert ist, daß diese Artikel, die früher nur in niedrigen Preis-
lagen hergestellt wurden, im Berichtsjahre speziell in teureren
»Qualitäten gebracht wurden und infolgedessen auch für die
bessere Konfektion Verwendung fanden. Neben den grellen
Tönen, welche die Mode begünstigte, wurden die soliden Farben,
schwarz, braun, marineblau und grün, in erster Reihe gekauft.
Das rege Interesse, das man diesen Stoffen entgegenbrachte,
veranlaßte die Kundschaft, so zeitig wie nie zuvor große Ab-
schlüsse zu tätigen, und die Fabrikanten in der Provinz, die
mit ihren bisher fabrizierten Artikeln ungenügend beschäftigt
waren, auch die Fabrikation dieser Genres aufzunehmen. Wie
im Jahre 1912 herrschte auch im vergangenen Jahre in einzelnen
Artikeln eine außergewöhnliche Knappheit, die sich erst im
Monat September abschwächte. Fast die gleichen Genres in der
Breite von 140 Zentimeter wurden von der Herren- und Knaben-
konfektion für Ulster und Knabenpaletots aufgenommen und
fanden auch in der Mützenbranche für Sportmützen vielfach
Verwendung.
Die großen Hoffnungen, mit denen man in der Krimmer- Pirsche
IT 1 . iTi -fi-w-ir»' 11 ^^^ Krimmer.
und Plüschbranche m das Jahr 1913 eingetreten war, haben
sich vollkommen erfüllt. Schon in den Monaten Januar/Februar
»wurden die Fabrikanten dieser Artikel mit Aufträgen so über-
häuft, daß selbst die leistungsfähigsten unter ihnen nicht an-
nähernd in der Lage waren, alle Orders zu übernehmen. Die
Nachfrage nach diesen Artikeln war eben überall, besonders
aber in den Vereinigten Staaten, sehr rege. Die schon seit
längerer Zeit vorhandenen schönen Imitationen in Persianer,
Breitschwanz, Astrachan, Skunks, Hermelin, Chinchilla, Maul-
i^urf und fast allen anderen Pelzarten wurden durch neue
technische Verbesserungen noch erheblich vervollkommnet. Die
Fortschritte auf diesem Gebiete sind so bedeutend, daß es kaum
noch möglich ist, die Imitationen in feinen Qualitäten vom
Natur feil zu unterscheiden. Infolgedessen räumten selbst die-
jenigen Pelzfabrikanten, die sich bisher gegen alle Imitationen
ablehnend verhalten hatten, diesen wohlgelungenen Artikeln den
ihnen gebührenden Rang ein. Haupt absatzgebiet waren die
^Städte Berlin, Paris, Wien, London, New York und andere
bekannte Fabrikationszentren, in denen die Engroskonfektion
ihren Sitz hat. Auch die seht hohen Zölle in einigen Ländern
konnten nicht verhindern, daß große Quantitäten Pelzimitationen
dorthin exportiert wurden, wodurch wohl am besten ihre großen
Vorzüge, ihr wertvolles Aussehen und ihre Dauerhaftigkeit,
bezeugt werden. Bei der vielseitigen Verwendung dieser Artikel
in ider Konfektion für Mäntel, Kostüme, Röcke, sowie in der
iFabrikation für Mützen, Muffen, Stolas, Echarpes und in der
Besatzbranche, blieb ihr Absatz trotz der allgemein ungünstigen
Geschäftslage befriedigend. Auch von der Kinderkonfektion
366
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
Arbeiter-
verhältnisse.
Absatz-
verhflltnisse.
weiden sie wieder stark verarbeitet. Es haben sich gewisse
Stapelaitikel herausgebildet, die alljährlich in der Kollektion
erscheiner. und gern gekauft werden. Das konsumierende Publi-
kum bevorzugt gerade für Kinderartikel diese Genres sehr,
da sie sich trotz ihrer Billigkeit im Tragen vorzüglich be-
währen. Ebenso wurden sie wieder vielfach von der Spiel-
war er fabrj.kation aufgenommen, da die daraus hergestellten Tiere
die besten Nachbildungen ergeben. Das Geschäft in billigen
Ätapelartikeln wurde dagegen durch die neue amerikanische
Zollreform insofern ungünstig beeinflußt, als der neue nord-
amerikanische Zolltarif erst am 1. Jan. 1914 in Kraft trat.
Auch dei Absatz von unter Verwendung von Jutefaser her-
gestelltem Krimmer war sehr unzureichend. Die Aufträge in
Jutekrimmer sind besonders von Amerika zum großen Teil
nicht abgenommen oder annulliert worden.
Der Hauptsitz der Krimmer- und Plüschfabrikation ist
Katscher (Ob. -Schi.). Es sind dort noch immer eine große Anzahl
iHandstühle vorhanden, die im Jahre 1913 zu regulären Löhnen
vollauf beschäftigt waren. Ein Teil der Stühle arbeitete auch
Teppiche, welche aus Jute und Baumwolle hergestellt werden.
Die große Nachfrage nach Krimmer zu Anfang des Jahres
veranlaßte verschiedene Fabrikanten in Katscher und Berlin,
auch mechanische Webstühle aufzustellen. Diese Stühle haben
sich gut bewährt, und es hat sich herausgestellt, daß der
mechanische Betrieb im Vergleich zu der Handweberei erheb-
liche Vorteile bietet.
Der Konsum Deutschlands war im Vergleich zum vorigen
Jahre in den besprochenen Artikeln sehr viel größer. Das
gleiche gilt von dem Export nach England, Belgien, Holland,
Skandinavien, Italien und Spanien. Dagegen hörte der Export
nach den Balkanländern während des Kriegsjahres vollständig
auf. Bis um die Mitte des Jahres liefen zwar die Aufträge
aus den Vereinigten Staaten sehr lebhaft ein, aber seit dem
September schwächte sich auch das nordamerikanische Geschäft
sehr ab. In dem Absatz nach Kanada hat sich nichts geändert.
Der Vorzugszoll, welchen englische "Waren genießen, machte
auch im Berichtsjahre den Export nach diesem Lande fast un-
möglich.
ZweiterBericht.
Plüsch-
und Krimmer«
fabrikation.
Zweiter Bericht.
Wit* im Jahne 1912 war auch während des Jahres 1913
Mode und Konjunktur der Fabrikation wollener Plüsche, Krimmer
und Astrachans günstig. Fabrikate, die dem echten Fell in Pelz
und Persianer locke ähnelten, wurden allseits begehrt. Da schon
101. Fabrikat, von woU. u. halbwoll. Plüschen u. Stoffen. 367
früh die Vereinigten Staaten als jKäufer auftraten und große
{Mengen von Krimmer und Astrachans in Deutschland bestellt
wurden, war es lange Zeit nicht möglich, die Nachfrage voll-
ständig zu decken. Die Folge war, daBi eine große Anzahl von
Fabrikanten dazu schritt, die Fabrikation auf mechanischen
Stühlen mehr als früher zu betreiben, um größere Mengen Ware
zu schaffen. Es wurden alle mechanischen Webstühle, die über-
haupt nur erhältlich waren, aufgestellt, um der Massenanfrage,
die plötzlich in ungeahnter Stärke einsetzte, auch nur halbwegs
zu genügen. Leider hielt das Jahr aber nicht all das, was es im
Anfang versprach; es traten Hemmungen ein, die nicht voraus-
zusehen waren und die den Absatz in dem Gebiete der Ver-
(einigten Staaten außerordentlich erschwerten. In erster !Linie
ist hier auf die Aenderung der amerikanischen Zollpolitik hin-
zuweisen. Die Reduktion der Zölle, die schon zum Hochsommer,
spätestens zum Herbst erwartet wurde, ließ auf sich warten
und trat erst zum Schluß des Jahres in Kraft. Die Folge war,
daß Bestellungen, die schon früh auf große Quantitäten gemacht
worden waren, unter allerlei Vorwänden nicht abgenommen wur-
den. Es stellte sich dann heraus, daß die Mode speziell in
Ameriki die zuerst aufgenommenen Persianer- und iKrimmer-
Artikel aufgab und sich den Plüschen und Breitschwanzquali-
täten zuwendete. Die sämtlichen Dispositionen, die vorher ge-
troffen waren, erwiesen jsich dadurch ,als falsch, und es war
ein Glück, daß wenigstens in Europa ein Teil der von Amerika
rofüsierten Fabrikate abgesetzt werden konnte. Auch in Deutsch-
land und den übrigen Ländern des europäischen Kontinents hat
sich dann die Mode für Plüsch- und breitschwanz artige Fabrikate
klar und scharf (ausgesprochen, und les stellte sich daher auch
hier ein Bedarf an diesen Artikeln ein, der nur zum Teil gedeckt
werden konnte. Infolgedessen vermehrte sich die Zahl der Woll-
plüschfabrikanten sehr bald. Die Rohware wurde schließlich in
großen Massen hergestellt und zur Ausrüstung an alle irgend-
welches Interesse dafür zeigenden Käufer, an Fabrikanten,
Zwischenhändler und sogar an Konsumenten abgegeben. Wenn
auch zu erwarten ist, daß die Nachfrage nach Wollplüschen
noch einige Zeit anhalten wird, so muß diese Ueberproduktion
doch als sehr bedenklich bezeichnet werden. Denn in dem Augen-
blicke, wo der Artikel aufhört, die große Mode zu sein, wird
er vom Zwischenhandel fallen gelassen werden. Die Fabrikanten
aber, die in Erwartung, ständige Abnehmer dafür zu finden,
entsprechende Einrichtungen zu seiner Herstellung getroffen
haben, werden plötzlich lohne Abnehmer sein und notgedrungen
den Markt mit Ware überschWemmen. — Entsprechend der Nach-
frage trat eine Steigerung der Hohmaterialienpreise ein, die erst
im Spätherbst ein Ende fand. Die Preise sind seitdem ungefähr
stabil geblieben.
368 Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
102. Fabrikation von baumwollenen Velvets.
Die Hoffnimgien, die man in den am Velvetgeschäft inter-
essierten Kreisen auf das Berichtsjahr gesetzt hatte, haben sich
nur zum gerin^ren Teil erfüllt. Allgemein hatte man damit
gerechnet, daß die Ignoße Sanunetmode von 1912 sich auf daß
Jahr 1913 übertragen würde, allein schon in den Schlußmonaten
des Vorjahres zeigten sich die ersten Merkmale eines Abflauens
der Mode. Die Konfektion hatte bei ihren Musterungen für 1913
andere Artikel begünstigt, tmd es zeigte sich sehr bald, daß das
Int-eresse am Velvetartikel für Kleider lind Mäntel mehr und
mehr im Schwinden war, ein umstand, für den die später auf-
tauchende Mtode in Sammethüten nur eine geringe Entsdiädigung
zu bieten vermochte. Gleichwohl waren die Fabriken bis in den
Oktober hinein voll beschäftigt, ja für einen großen Teil des
Jahres vermochten sie den gesteigerten Betrieb des vorhergehen-
den Jahres aufrecht zu halten. Erst in den letzten beiden Monaten
machte sich ein Mangel an Aufträgen fühlbar, der die Fabrikanten
zu einer Einschränkung ihrer Betriebe nötigte. Alles in allem
darf das Jahr 1913 als für die Fabrikanten nicht ungünstig be-
zeichnet werden. Es ging, was Verkaufspreise und ümsatz-
ziffem anbelangt, über das Mittelmaß eines DurChtechnittsijahres
hinaus.
Weniger güjQstig lagen die Verhältnisse für die Zwischen-
händler, bei welchen sich schon frühzeitig eine Stockung des Ver-
kaufs bemerkbar machte. Neben dem Rückgang der Mode waren
es die ungesunden wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen,
die eine lebhaftere Entwicklung des Gnes'chäftes nicht aufkommen
ließen. So erklärt es sich, daß die Grrossisten, die sich in (der
Hoffnung auf einen Fortbestand der Mode für das Jahr 1913
überreichlich mit Ware versehen hatten, am Schluß der Saison
fast ohne Atisnahme mit großen Lagerbeständen festsaßen. In
der Ueberfüllung der Läger la^g für das Velvetgeschäft am Ende
des Berichtsjahres das (Hauptübel, das jede Unternehmungslust
paralysierte. Sobald die »allenthalben vorhandenen großen Bestände
sich einigermaßen reduziert haben werden, darf auch wieder eine
Gesundung des Greschäfts erwartet werden.
103. Fabrikation von Schals und Tüchern.
In den ersten Monaten des Geschäftsjahres 1913 war die
Berliner Tücher fabrikation ziemlich unbeeinflußt von den politi-
schen Verhältnissen. Der Absatz hielt sich in dem Rahmen der
früheren Jahre, doch war es schwer, die höheren Preise zu er-
zielen, die durch die Steigerung des Materials bedingt wurden.
Das Frühjahr verlief sehr still und die Umsätze gingen namhaft
zurück, da In- und Ausland, soweit es als Absatzgebiet in Frage
kam, sich sehr reserviert verhielt. Erst im Laufe des Monats
104. Fabrikation von Phantasie -Wirkwaren und Strickwaren. 369
Juli begann das Geschäft lebhafter zu werden, doch blieben Preise
und Umsätze gegen früher zurück. Diese Lage hielt bis zum
Jahresschluß an. Die Kundschaft kaufte nur das Kotigste.
Das Exportgeschäft war im ersten Halbjahr zufriedenstellend,
während die letzten Monate um so mehr zu wünschen übrig ließen.
Es liiommen hierfür vornehmlich die Länder des westlichen Süd-
amerika in Betracht, wie Columbien, Ecuador, Peru, Bolivien und
Chile. Dagegen wurden Berliner Tücher nach Brasilien nicht mehr
verkauft. Argentinien, machte nur sehr geringe Bestellungen.
Das Inland kaufte in der Hauptsache billige Qualitäten. Tücher,
namentlich Velourtücher und bessere, wurden wenig verlangt, wie
denn überhaupt die Xachfrage danach, ausgenommen in den öst-
lichen Provinzen Preußens, stä.ndig abnimmt. Dagegen fanden
sogenannte India-Tücher in klein wie groß gegen früher erhöhten
rmsatz. Eür Berlin bleibt nach w4e vor Hauptartikel die Fabri-
kation von Velour Echarpes in billigen wie in den besten Quali-
täten. Die Preise sind auch im Berichtsjahr sehr gedrückt ge-
blieben, obwohl die Gaxnpreise, Löhne und Appreturkosten eine
Steigerung erfahren haben. Die stark verminderte Absatzmöglich-
keit des Artikels machte aber alle Bestrebungen zunichte, höhere
Preise zu erreichen. Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern waren zufriedenstellend. Die schlechte Ge-
schäftslage gab zu weiteren Lohnerhöhungen keine Gelegenheit.
Die Garnpreise für Streich- und Kammgamwaren begannen im
letzten VierteljaJir 1912 anzuzieh.en und setzten diese Bewegung,
wenn auch nur langsam, bis zum September fort. Alsdann zeigte
sich eine gewisse Stabilität.
104. Fabrikation von Phantasie -Wirkwaren
und Strickwaren.
Erster Bericht. Erster Bericht.
Das abgelaufene Jahr hat, wie fast allen anderen Industrien, Allgemeines,
auch der Strumpf- und Phantasiewaren-Branche große Enttäu-
schungen gebracht. Erst 1913 machten sich die Nachwirkungen
der in das politische und wirtschaftliche Leben so tief einschnei-
denden EreigTiisse fühlbar, deren Schauplatz die Welt während der
beiden Vorjahre war. Wenn es zunächst den Anschein hatte, als
könnten die Wirren auf dem Balkan die Geschäftswelt nicht be-
sonders stark beeinträchtigen, so zeigte der weitere Verlauf des
Geschäftsjahres ein ganz anderes Bild, das allerdings nicht aus-
schließlich aus den osteuropäischen Vorgängen erklä,rt werden
konnte. Für (die Phantasiei und Strickwaren-Industrie lag während
der ersten Monate kein Grund zur Unzufriedenheit vor, das Gre-
schäft zeigte normale Entwicklung, die ersten Reisen brachten die
üblichen Resultate, In- und Ausland schienen gut disponiert zu
sein und wenigstens den gewohnten Bedarf zu haben. Daher setzte
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 24
370 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
nach der kurzen AVinterpause bald reger Betrieb ein, der alle
Arbeitskräfte voll in Anspruch nahm. Im Einklang damit befand
sich der Rohmaterialienmarkt, der zwar zunächst nur geringe
Schwankungen der "WoU- und Baumwollpreise zeigte, dessen an-
ziehende Tendenz aber unverkennbar war. Das ließ sich besonders
aus dem Verlauf der ersten Londoner Auktionen ersehen, deren
starke Zufuhren zu festen und zum Teil sogar steigenden Preisen
fast völlig vom Verbrauch aufgenommen wurden. Diese Festig-
keit, die die Marktlage fast während des ganzen Jahres charakteri-
sierte, behauptete sich späterhin namentlich deswegen, weil infolge
der im Berichtsjahre weniger ergiebigen Wollproduktion Argen-
tiniens die Zufuhren geringer wurden. Alles schien zusammenzu-
treffen, um dem Jahre 1913 einen normalen Verlauf zu sichern,
als sich im Laufe des Sommers die ersten Anzeichen einer Ge-
schäftsstockung bemerkbar machten, die sich mehr und mehr ver-
stärkten und allmählich zu einer Situation führten, die einem
völligen Stillstande nicht sehr unähnlich war. Der mittelbare
Einfluß der Balkankrisis kam nun doch in Deutschland wie in
allen anderen europäischen und außereuropäischen Staaten mit un-
erwünschter Schärfe zur 'Geltung. In der Phantasie- und Strick-
warenbranche machte sich infolgedessen viel frühzeitiger als sonst
im Jahre Mangel an Beschäftigung fühlbar, so daß vielfach Ar-
beiterentlassungen vorgenommen oder bessere Arbeitskräfte, um
sie nicht für immer zu verlieren, auf Kosten der Betriebe gehalten
werden mußten. Unter diesen Umständen machte es keine Schwie-
rigkeiten, die euigegangenen Lieferungsverpflichtungen zu er-
füllen. Die abgeschlossenen Geschäfte konnten glatt und ohne Ver-
spätungen abgew^ickelt werden, und die sonst in den Sommer- und
Herbstmonaten so häufigen Ueberschreitungen der Liefertermine
kamen fast gar nicht vor. An Vielseitigkeit der Gestaltung und
der Material Verwertung war das von der Branche Gebotene auf der
Höhe der Vorjahre. Die Ergiebigkeit der verschiedenen zur Ver-
fügung stehenden Maschinengattungen blieb weiter im Wachstum.
Ganz besonders führte die Vielseitigkeit der Strickmaschine den
Kollektionen reichliche Sortimente hübscher Neuheiten zu, die sich
im allgemeinen auf die verschiedensten Gebrauchsgegenstände
verteilten, besonders aber der ohnehin reichen Auswahl der Sport-
artikel zugute kamen.
Absatz in Für dicsc, wie für die Erzeugnisse der Branche überhaupt,
kam in erster Linie Deutschland als Absatzgebiet in Betracht,
dessen Kauflust allerdings auch nicht ganz auf der Höhe der Vor-
jahre stand. Das Geschäft nahm anfangs einen leidlich flotten
Verlauf, brachte es jedoch nicht zu der sonst beobachteten Lebhaf-
tigkeit und Beständigkeit, und die zur Verfügung der Kundschaft
auf Lager gehaltenen Vorräte fanden nur teilweise Verwendung.
Die Ursachen für diese Zurückhaltung der Käufer waren, dieselben
wie im Jahre vorher. Die Geldknappheit hatte noch zugenommen.
104. Fabrikation von Phantasie-Wirkwaren und Strickwaren. 3/1
und beeinträchtigte besonders stark den Verbrauch, der unteren Be^
^ölkerungsklassen, deren Angehörige die Hauptabnehmer für die
billigeren Artikel sind. Wegen des vielfach milden AYetters war
auch der Absatz.' in Rodel- und anderen Eissportbekleidungsartikeln
sehr gering. Dagegen nahm der Verbrauch gestickter und ge-
wirkter AVollsachen zu Zwecken der Knaben- und Mädchenbeklei-
dung für Straße, Haus und Schule zu und auch die kleidsamen
Blusen, Jacken und Mäntel, die bei der noch immer herrschenden
Moderichtung in den lebhaftesten Farbenkombinationen und den
verschiedensten Materialien in überreicher Fülle der Sortimente
auf den Markt gebracht wurden, waren weiter bei der Frauen-
und Mädchenwelt sehr b-eliebt. Das Gesamtresultat blieb aber un-
befriedigend. Die meisten Fabrikanten sahen sich am Jahres-
schluß unerwünscht großen Lagerbeständen gegenüber, die bei
normalen Wirtschafts- und Witterungsverhälinissen zum größten
Teile hätten verkauft werden können.
Bei einem U eberblick über das Auslandgeschäft gewinnt
man ebenfalls nur wenig erfreuliche Eindrücke. Das stets sehr
aufnahmefähige und kaufkräftige Belgien wird durch das Ueber- uropa.
maß des Angebots nicht nur von Seiten der deutschen, sondern
auch der ausländischen Konkurrenz immer anspruchsvoller und
daher schwerer zugänglich, und wer dort nennenswerte Umsätze
erzielen will, muß sich mit sehr kleinem Xutzen begnügen.
Holland kommt als größerer Konsument nicht mehr in Frage.
Es kaufte auch 1913 nur noch einige Modeartikel und rechtfertigt
jedenfalls größere Aufwendungen für Bemusterungen und Pron
paganda nicht mehr. Frankreich versorgt sich im wesentlichen
selbst, da seine Fabrikation, die durch hohe Schutzzölle gesichert
wird, eine hohe Leistungsfähigkeit erreicht hat. In einzelnen
Erzeugnissen besserer Art, deren Herstellung den französischen
Fabrikanten nicht lohnend erscheint, oder in denen sich die dorti-
gen Händler von der Produktion ihrer Landsleute unabhängig
machen möchten, kommen wohl noch einzelne Geschäfte zustande,
doch ist das Geschäft mit diesem Lande, im ganzen genommen,
nur ein Schatten dessen, was es früher war. Die dortige Textil-i
Industrie beschränkt sich sogar nicht mehr auf die Landesgrenzen,
sondern sucht und findet besonders in der Schweiz ein aufnahme-
fähiges Absatzgebiet, so daß auch dieses Land, zumal es ebenfalls
über eine ansehnliche eigene Fabrikation verfügt, für die deutsche
Phantasiewarenfabrikation keine hervorragende Bedeutung mehr
besitzt. Das Gleiche gilt von Portugal, Spanien und Italien. Die
letzten beiden Territorien sind freilich schon längst keine Ab-.
nehmer deutscher Strickwaren mehr, sondern konkurrieren sogar
mit ihren billigen Erzeugnissen in manchem bisher unbestrittenen
deutschen Absatzgebiete über See. Aehnlicher Art sind die Be-
ziehungen der deutschen Textilindustrie zu Oesterreich-Ungam.
Auch dort ist kein nennenswerter Absatz mehr möglich, weil im
372 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
eigenen Lande fabriziert wird, was der große Konsum brauchte
und nur w^enig bessere Sachen vom Auslande bezogen werden. Und
aucli Oesterreich. trat außerkalb seines Staatsgebiets als Kon-
kurrent Deutschlands auf, als der Verkelir mit seinen bisherigen.
Hauptabsatzländern, den Balkan reichen, gestört war. Bessere
Geschäftsbedingungen bot Rußland, dessen Bedarf auch im Be-
richtsjahre stetig zunahm, weil einmal die allgemeine Lebens-
haltung der westlichen Provinzen sich allmählich verbessert, an-
dererseits die entlegenen östlichen Gebiete mit der Zeit dem Ver-
kehr erschlossen werden. Wenn auch die Entwicklung der russi-
schen Industrie nicht unterschätzt werden darf, so bleibt doch
für das Ausland noch em sehr ergiebiges Feld, dessen Bearbeitung
freilich nur dem die Mühe lohnen wird, der mit höchster, durch
die fragwürdigen Kreditverhältnisse gebotenen Vorsicht, zuver-
lä-ssige Informationen und hinreichende Sachkenntnisse verbindet..
Nur der Vollständigkeit wegen sei in der Heihe der Absatzgebiete
auch die skandinavische Halbinsel genannt. Denn wenn Schweden-
Norwegen wie jübrigens auch Dänemark gern einzelne Produkte der
deutschen Textilindustrie aufnehmen, so bleibt ihr doch der größte
Anteil an der Deckung des dortigen Massenkonsums vorenthalten,,
weil unübersteigliche Zollschranken der fremden Ware den Zugang
in gi^ößerem Umfange unmöglich machen. Großbritannien konnte
den deutschen Fabrikanten im Berichtsjahre keine besonderen
Enttäuschungen mehr bereiten. Von nennenswerter Erleichterung-
der leider noch immer bestehenden Spannungen war nichts zu
verspüren. Den Hauptbedarf deckte nach wie vor die englische
Industrie selbst, und waSj dann noch bei der durch die unaufhör-
lichen Streiks stark geschwächten Kaufkraft übrig blieb, fiel
dei' großen deutschen Konkurrenz zu und zersplitterte sich in nicht-
allzu betj-ächtliche Bruchteile einer ehemals imponierenden Um-
satzziffer. Die Türkei und die Balkanstaaten suchten nach end-
lich eingetretener Ruhe zwar wieder Fühlung mit ihren deutschen
Lieferanten, doch konnten größere Geschäfte nur ganz vereinzelt
zustande gebracht werden.
Afrika, Das afrikanische Geschäft war wie seit Jahren belanglos.
Us^ienf"' Unsere Kolonien traten als Käufer nicht sehr hervor, und was
die Negerstaaten, das Kapland und die sonstigen britischen Be-
sitzungen brauchten, kam der Branche nur insoweit zugute, als es
von England nicht beschafft w^erden konnte. Von einer gewissen,
wenn auch nicht allzu fühlbaren Belebung des Geschäftes kann
hinsichtlich Australiens berichtet werden. Das Festland selbst
wird zwar scharf von England kontrolliert und muß dort alles
kaufen, was irgend möglich ist, doch bewiesen wenigstens Neu-
seeland, die Fidji- und die übrigen Südsee-Inseln einiges Interesse
für deutsche Wollwaren, wobei allerdings nur billigste Quali-
täten in nicht sehr großen Posten in Frage kamen. Zentral- und
Ostasien spielen in der Umsatzstatistik der Branche schon seit»
Amerika.
104. Fabrikation von Phantasie-Wirkwaren und Strickwaren. 373
langem eine untergeordnete Eolle. Japan ist und bleibt ihr
infolge der besonders von deutschen Fachmännern unterstützten
Entwicklung der eignen Industrie ganz verloren. China kaufte
wie früher in Rußland oder England, und Indien kann allenfalls
in größeren Zeitin terwallen einen bemerkenswerten Konsum enlr
falten, betreibt dabei aber die Preisdrückerei mit so raffinierter
orientalischer Zähigkeit, daß Geschäfte auf Basis normaler
Kalkulationen dabei kaum jemals verzeichnet werden können.
Die an das Geschäft mit den Vereinigten Staaten geknüpften
Hoffnungen konnten sich im Berichtsjahre no^h nicht erfüllen.
Wenn die lange umstrittene Tarifreform auch verschiedene ZoU-
-erleichterungen gebracht hat, so wdrd doch geraume Zeit vergehen,
bevor ihre Wirkung in der Praxis zum Ausdruck kommt. Canada
blieb mit seinem Verbrauch deutscher Erzeugnisse in den gewohn-
ten, engen Grenzen, weil es dem fremden Lieferanten nur das
zuwendet, was ihm England nicht bringen kann. Erhebliche Ein-
bußen erlitt das sonst so rege Exportgeschäft nach Mexiko, da die
seit dem Präsidentenwechsel ausgebrochenen Unruhen, trotz vieler
■Opfer an Besitz und Menschenleben, nicht unterdrückt werden
konnten. Zentral-Amerika mit seinem Tropenklima und besonders
Westindien einschließlich Kubas hatten für Wollwaren nicht
viel Verwendung. Auf dem letztgenannten Markte machte sich
zudem die spanische Konkurrenz mit ihren billigen Preisen sehr
unangenehm bemerkbar. Anch Südamerika spielt in der Textil-
exportstatistik des vergangenen Jahres keine besonders glänzende
Rolle. Venezuela machte nur mäßige Bestellungen in Artikeln,
die früher in großem Maßstabe dorthin verkauft wurden. Bo-
livien trat etwas häufiger als sonst als Käufer auf, und auch
•Columbien hatte gegen früher vermehrten Bedarf an feineren
Genres. Chile schränkte seinen Bedarf gegen das Vorjahr dagegen
ein, während Peru aufnahmefähiger als seit langer Zeit war.
Ecuador konnte politischer Unruhen wegen nur das Allernot-
-wendigste einführen. Das Gleiche gilt von Brasilien, dessen
nun schon seit zwei Jahren anhaltende anormale Witterungsver-
hältnisso direkt, und mit ihrem nachteiligen Einfluß auf die
Ernte indirekt, das Wiederaufleben des Geschäftes verhinderten.
Argentinien war in seinen Neubestellungen etwas zurückhaltender,
kaufte zwar immerhin recht bedeutend, doch war die Rücksicht
auf die drüben unverkauft gebliebenen nicht imerheblichen Lager-
bestände in den Einkaufsdispositionen unverkennbar. Paraguay
wurde fast gar nicht in der Reihe der Abnehmer bemerkt und
iiuch Uruguay blieb mit seinem Verbrauch hinter den Zahlen der
früheren Jahre zurück.
Zweiter Bericht. ZweiterBerichl
Infolge des Balkankrieges, der Wirren in Mexiko, der allge-
mein schlechten wirtschaftlichen Las^e und der ungünstigen
374 Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
^^itterung war da« Geschäft im Berichts jähre sehr unbefriedigend.
Im einzelnen verlief es unregelmäßig. Dank geringer Lager-
bestände wurden zu Anfang des Jahres zwar größere Aufträge,
namentlich in Sportartikeln, erteilt, doch flauten die Verkauf©
von Mai bis September erheblich ab und beschränkten sich auf
die von der Mode besonders begünstigten Fabrikate aus Seide ^
Kunstseide und mercerisierter Baumwolle. In letzteren Artikeln
wurden außergewöhnlich große Umsätze erzielt, die zum Teil
die Ausfälle in Stapel artikeln deckten. Die Preise für bessere
Kammgarne, die wie bisher das Hauptmaterial für die Fabri-
kation bildeten, versteiften sich im Frühjahr infolge der Knapp-
heit an !Merino- Wollen. Eine nennenswerte Erhöhung der Gam-
preise hat jedoch nicht stattgefunden, da die Spinner ungenügend
beschäftigt und daher zu Preis-Konzessionen bereit waren. Das
Gesamtergebnis des Jahres 1913 ist als wenig befriedigend zu be-
'zeichnen. Infolge der wachsenden Konkurrenz, speziell aus Süd-
deutschland und Sachsen, waren die Preise für die Fertigware nur
mäßig. Die Produktion war erheblich größer als im Vorjahr, ohne
daß jedoch von einer Ueberproduktion zu reden war. Das überaus
ungünstige Wetter war die Hauptursache, daß gegen Ende des
Jahres außergewöhnlich große Lagerbestände in sonst sehr ku-
ranten Artikeln vorhanden waren. Der Verkehr mit dem Aus-
lande hielt sich ungefähr auf dem gleichen Niveau wie 1912.
Arbeitskräfte waren meistens in genügender Anzahl vorhanden
und die Löhne waren weder höher noch niedriger als in den
Vorjahren. Die Kreditverhältnisse waren im allgemeinen nicht
sehr befriedigend. Die Konkurse haben gegen 1912 erheblich
zugenommen.
105. Handel mit Konfektionsstoffen und Tuchen.
Erster Bericht. Erster Bericht. ,
Äügenieines. Das Jahi' 1913 muß für den Handel mit Konfektionsstoffea
als recht ungünstig bezeioknet werden. Es brachte einen voll-
kommenen Umschwung in der Mode, die sich von den bunt ge-
musterten Artikeln gänzlich' lossagte und ihr Interesse sowohl
für die Sommer- wie auch' für die Wintersaison einfarbigen
Genres zuwandte. Daher erwiesen sich die Vorbereitungen der
Stoffgroßhändler, in deren Kreisen man fast ohne Ausnahme eine
derartige Wendung nicht erwartet hatte, als gänzlich falsch, und
wohl nur wenige Häuser, die rechtzeitig ihre Dispositionen ge-
troffen resp. geändert hatten, konnten aus der Nachfrage nach
Uni-Stoffen wirklichen Nutzen ziehen. Im Monat Januar war
bereits zu erkennen, daß der Paletot aus Ph'antasiestoff für das
Frühjahr keine Eolle spielen würde; aber auch für Kostüme kon-
zentrierte sidh' der Bedarf auf einfarbige Qualitäten in cheviot-
artigen Materialien. Allenfalls wurden auch noch glatte, dezente
105. Handel mit Konfektioiisstoffen und Tuchen. 375
Melangen verlangt. Dagegen spielten blaue Kammgarnstoffe eine
größere Eolle. Deren Verkauf bietet freilich dem' Grossisten
nicht viel, da der Bedarf darin meist direkt beim Pabrikanten ge-
deckt wird. Von. unheilvollem Einfluß auf die Frühjahrssaisou
war der Balkankrieg und die allgemeine politische Lage. Dazu
kam, daß auch im Berichtsjahre wollene Gewebe für Frühlings-
und Sommerbedarf hinter den von der Mode bevorzugten Seijden-
und Baumwollartikeln zurücktraten, an deren Absatz der Händler
in Konfekticnsstoffen fast gar keinen oder nur sehr bescheidenen
Anteil hat. Im weiteren Verlauf des März kam dann noch eine
Nachfrage nach kleinkarierten, schwarzweißen Kammgarnquali-
täten. Auch Covercoats für herrenartig aufgemachte Paletots
fanden für gewisse Exportgebiete eine größere Verwendung.
In der Wintersaison, in der maa die im Sominer erlittene Schlappe
gutzumachen dachte, hatte es zunächst den Anschein, als sollten
Ulsterstoffe, der bei weitem beste Artikel des Grossisten, sich
wieder allgemeirier BeKebthbit und eiaes großen Verbrauches er-
freuen. Doppelseitige Ware war in größtem Umfange in allen
Preislagen gemustert worden, und so reichhaltige Kollektionen
davon wie 1913 hatte der Stoffhandel schon seit vielen Jahren
nicht vorzuzeigen. In allen Fabrikations-Distrikten herrschte in
den Monaten Februar bis April angeregte Tätigkeit, und der Be-
stand dieser Beschäftigung schien auf geraume Zeit hinaus ge-
sichert. Aber schon die ersten Iteiseversuche der Konfektions-
branche, die wegen der frühen Lage des Pfingstfestes sehr zeitig
gemadit wurden, hatten nicht das gewünschte Resultat. Mäntel
in bunten, gemusterten Artikeln, Noppenstoffen usw. wurden von
der Kundschaft mit geringen Ausnahmen abgelehnt, und fast
lediglich stückfarbige Genres aufgenommen. Uni-Flausche sowie
crewelartige Qualitäten in den verschiedensten Geweben und in
eiaer kaum dagewesenen Buntheit der Farben kamen für Mäntel
zur Anwendung. Für Kostüme waren ähnliche, auch immer nur
stück farbige Genres, freilich in ruhigerer Farbgebung, sehr
beliebt, deren Verbrauch sich im Gegensatz zu früheren Jahren
bis spät ia den Herbst hinein erstreckte. Außerdem waren für
bessere Mäntel und Kostüme velourartige Stoffe, die mit den
verschiedensten Namen, wie „Affenhaut" usw. belegt wurden',
stark begehrt. So verlief das Geschäft einigermaßen normal bis
gegen Ende August. Die Umsätze waren annehmbar, wenn auöh
in dem gemusterten Ulsterartikel sich' Vorräte ansammelten. Diese
hoffte man jedoch bei eintretendem Herbstbedarf leidht und vor<
teilhaft abzustoßen, wie denn überhaupt auf eine große Nach-
frage nach solchen Genres gerechnet wurde. Solche Hoffnungen
aber vernichtete das im September einsetzende, mit geringen
Unterbrechungen bis zum November anhaltende warme Wetter
vollständig. Durch diese Ungunst der Witterung wurde der Hanidel
mit Konfektionsstoffen weit mehr als durch den allgemeinen Kon-
376 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
junliturrückgang gesöliädigt. Die vorangeganeiie Ueberpro-
duktdon in Ulster sto ff en hatte derartige Mengen dieser AVare an-
gehäuft, daß schließlich ein Verkauf nur noch zu denkbar schlech-
testen Preisen möglich war. Diese ungesunde Marktlage hielt die
ganze Wintersaison hindurch an. Nadh ihrem Ausgang war man
fast nur mit dem Verschleudern der angesammelten Läger be-
schäftigt, und es dürfte geraume Zeit vergehen, ehe das Jahr
1913 verschmerzt sein wird, so groß waren die Verluste, die dem
Handel aus der Ueberfüllung der Läger entstanden. Unter diesen
ungünstigen Verhältnissen hatten naturgemäß auch die Vorbe-
reitungen für das Sommergeschäft zu leiden. Der Großhandel
ging nur mit geringem Vertrauen daran, die Früh Jahrskollektion
für 1914 zusammenzustellen.
Export- Das Exportgeschäft litt stark unter der Ungunst der aiJ-
gemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage, und wurde auch
im Berichtsjahre wieder durch die Zollpolitik einzelner Staaten!
stark in seiner Ausdehnung beeinträchtigt. Besonders die eng-
lisehfen " Kolonien machen dem Mutterlande vielfältige Einfuhr-
konzessionen, gegen die Deutschlands Handel und Industrie trotz
annähernd gleicher Leistungsfähigkeit nicht aufkommen kann. Die
gleiche Wirkung haben die technisch schwer oder sogar uner-
füllbaren Bestimmungen, die die Zollgesetzgebung mancher Länder
kennt. Dieser Art ist z. B. die neue belgische Zollvorschrift,
nach der für die Deklaration eines Stüokes Textilware die Eaden-
zahl pro Quadratzentimeter angegeben werden muß. Da uäm-
lioh der Walkprozeß nicht auf alle Teile des Fabrikats in der
gleichen Weise wirkt, so ist eine wirklich korrekte Angabe voll-
kommen: unmöglich. Der Deklarant setzt sich daher lediglich
Beanstandungen aus, so daß mancher lieber auf das Geschäft
verzichtet. Von der Zollherabsetzung der Vereinigten Staaten
auf Wollstoffe kann man sieh leider nicht allzuviel ver-
sprechen, da ja durch den neuen Tarif das Rohprodukt von allen
Einfuhrzöllen befreit wird und so der eüiheimischen Lidustrie
die Mittel in die Hand gegeben werden, sich einer gesteigerten
Einfuhr vorteilhaft gegenüberzustellen.
Roh- Der Markt der Eohmaterialien verkehrte zu Beginn des Be-
ma eiia len. ridhtsjahres in steigender Tendenz, und auöh späterhin wurde er
von der allgemeinen Depression kaum beeinflußt. Wolle wurde ja
in allen Staaten Europas durch die großen Kriegsvorbereitungen
für Uniform- und Deckenfabrikation in großen Mengen ver-
braucht, und die Zufuhren aus den großen Produktionsgebieten
!wie Australien und Südamerika wurden eher schwächer und
fin Qualität geringer. Zu Ende des Berichtsjahres war auch
kaum mit eLrier wesentlichen Aenderung dieses Status in der
nächsten Zukunft zu rechnen, da der Verbrauch von Wolle und
ähnlichen Rohstoffen zu Militärzwecken infolge der Rüstungen
innerhalb der nächsten Jahre sehr groß sein wird. Auch' die
105. Handel mit Konfektionsstoffen und Tuchen.
377
Tatsache, daß das große chinesische Reich sich mit fort-
schieitender Europäisierung von der alleinigen Verwendung
baumwollener oder seidener Gewebe abwendet, ist bei der um
(geheuren Bevölkerungsziffer dieser Gebiete nicht außer acht
zu lassen.
Sollte es wohl möglich sein, aus dem Jahre 1913 wenigstens
Mr einige Zeit die Lehre zu entnehmen, daß der Engroshandel
bei übermäßigen Dispositionen fast gar keine Existenzmöglich-
keit mehr hat? Selten ist es so deutlich zutage getreten, daß
mit der UeberfüUung der Läger die Entwertung der Ware
Hand in Hand geht, wie gerade im Herbst/Winter 1913. Der
Detailhandel hat den Nutzen aus der Situation gezogen, indem
er sich mit sehr billigen Mänteln leicht versorgen konnte, und
selbst bei dem großen Aufräumen zum Schlüsse des Jahres sind
noch nicht alle Läger ganz leer geworden, obwohl viel Ware
dem Verbrauch zugeführt wurde. Auch für 1914 dürfte größte
Vorsicht am Platze sein, denn die Moden werden immer un-
'beständiger, und bei dem sprunghaften Wechsel wird mehr
riskiert, als verdient werden kann.
Ausblick
(
Zweiter Bericht.
Dias Berichtsjahr hat Idem Großhandel in D'amenkonfektions-
stoffen manche Enttäuschung gebracht. Wenn auch die Mode-
richtung und die unvorteilhafte W^itterung zum Teil die Schuld
trugen, so ist doch als (Haupturssüdhe fü^r einen teil weisen Miß-
erfolg die allgemeine ungünstige Wirtschaftslage sowie die da-
durch bedingte verminderte Kaufkraft des großen Publikums an-
zusehen.
Diese Umstände traten bereits in der Frühjahrssaison in Er-
scheinung. Die Mode wendete sich von den Frühjahrspaletots ab.
Der Eückgang dieses Genres hat den Umsatz des Händlers sehr
geschmälert, was besonders zum Schluß der Saison fühlbar war.
Bis die Situation sich klärte, wurden von selten der Konfektion
Paletotstoffe gekauft und verarbeitet. Da sich das Publikum
aber ablehnend verhielt, blieben bei der Konfektion große Läger
iin Paletots übrig, die regulär nicht zu verkaufen waren und nur
mit großem Verlust placiert wurden. Nich't besser erging es den
Grossisten mit den Stoffen; auch hiervon blieben große Bestände,
meist Lausitzer und Neumünster Fabrikate, zurück, soweit solche
nicht unter Preis verschleudert wurden. Der Konsum Wandte
sich hatiptsächlich den Kammgarnstoffen für Kostüme zu.
Speziell wurden blaue Coatings und Cheviots verarbeitet, femer
auch melierte Kammgarne in Diagonal und Cord-Bindungen.
Schwarz Corkscrew nehmen von Jahr zu Jahr an Bedeutung ab,
wahrend schwarze Tuche mehr gefragt waren. Der Bedarf an
kouleurten Tuchen ist auch im: Berichtsjahre noch weiter zurück-
gegangen, Kammgarnstoffe haben isie zum Teil verdrängt. Im
Frühjahr-
Saison.
378
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Hochsommer nahmen Popelines die führende Stellung wieder ein
und wlirden in großen Quantitäten ^gekauft. Femer ist ein im=-
pjrägnierter unifarbiger iCoatingstoff, Gummitin genannt, zu er-
wähnen, dicr sehr ibeliebt war, endlich Baumwoll-Frotte 2ni liöoken
sowie Leinen und iShantung in weißen und hellmode Farben.
Für Staubmäntel behaupteten sich auch 1913 halbseidene Gloria-
stoffe.
Wintersaison. In Erinne(rung an idie \^or jährige Wintersaison, die sehr
günstig geendet hatte, 'gingen die Grossisten mit Unternehmungs-
lust und großem Vertrauen in die neue Saison hinein. Große
Sortiments Ealetotstoffe wurden bestellt und anfänglich auch
verkauft. Dann aber fielen die Reiseorders bei der Konfektion
sehr unbefriedigend aus lund es trat eine lange Pause ein. In
dieser Zwischenzeit ließ die Mode die gemusterten Stoffe ganz
fallen und wandte sich den stüökf arbigen Velours und Flauschen
zu. Die seit Jahren in Vergessenheit geratenen Triöot-Curls in
Mühair und Weft traten wieder in Erscheinung, ferner gepreßte
Mohair-Plüsche. Hingegen waren gToße Artikel früherer Jahre,
wie Presidens, melierte Flausche, ganz von der Bildfläche ver-
schwunden, während in feidhwarzen Eskimos der %onsum sich
verringerte.
Roh- Trotz des verminderten Bedarfs an deutschen Fabrikaten
waren die Preise für Rohmaterialien während des' ganzen Jahres
fest, Banmwolle wurde sogar etwas höher notiert. Auch die Stoff-
preise Nvaren daher höher als im Vorjahre, soweit sie niöht durch die
Ueberproduktion, die sich namentlich am Schluß der Saison sehr
fühlbar machte, gedrüokt wurden.
Konkurse. D:a^ Ergebnis' des Jahreei w^urde iauoh durch verschiedene
Zahlungseinstellungen in Berlin wie auch im Auslande, nament-
lich in Rumänien, stark in ungünstigem Sinne beeinflußt. Auch
unter den Stoff-Grossisten «waren einige kleinere 'Firmen ge-
zwungen, sich an ihre Gläubiger zu wenden. Verursadht wurden
die Zahlungseinstellungen zumeist durch die Entwertung der
Lager, die der plötzliche Modeweehsel hervorrief.
Konventionen. Der Zusammenschluß der ganzen Branche hat auch im ab-
gelaufenen Jahre günstig auf die Zahlungsweise der Abnehmer
gewirkt. Auch die 'Fabrikanten, die sich ebenfalls in einem
Verbände igeeinigt haben, beanspruchten sehr prompte Regulierung
ihrer Forderungen.
Esport. Der Export nach den Balkanländern litt durch den Krieg
außerordentlich und hörte schließlich fast ganz auf. Dies wurde
um sö unangenehmer empfunden, als er sich im Vorjahre niolit
unwesentlich vermehrt hatte. Die Herabsetzung des '^amerika-
nischen Zolles hat bis zum Ende des Berichtsjahres noch keinen
Einfluß auf den Export gehabt, doch' erwartet man davon zu-
versichtlich eine Belebung der Ausfuhr nach diesem Lande. Im
übrigen hielt sich der Export auch in 1913 in engen Grenzen.
106. Posamentierwareu und Leonisclie Industrie.
379
Zu nennen sind: Skandinavien, Dänemark, Holland, Belgien und
Frankreich, wiäihreind alle [übrigen Länder als Käufer kaum in
Betra-cht kamen.
106. Posamentierwaren und Leonische Industrie.
a) Posamentierwaren.
Erster Bericht.
Während das Jahr 1912 befriedigende Eesultate zeitigte,
setzte das Jahr 1913 mit recht schlechten Aussichten ein und
ist recht ungünstig für die Branche verlaufen. Die AVirren
auf dem Balkan und in anderen Exportländern, die Krisen in
0 esterreich und anderswo brachten große Verlust«. Fallisse-
ments selbst großer Firmen im Auslande blieben nicht aus.
Die Erwartungen, daß der neue amerikanische Zolltarif der
Branche Erleichterungen bringen würde, wurden auch' enttäuscht.
Nur eine kleine Zollherabsetzung für verschiedene Arten von
Knöpfen ti^at ein. Der ganz ungerechtfertigte Gewichtszoll auf
kunstseidene Posamenten, der außer dem Hochschutzzoll von
60 o/ö erhoben wird, fiel fort. Am schärfsten wurde aber die
Posamentierwarenfabrikation durch den jähen UmschWung der
Mode betroffen, die die Posamentengarnierung in der Kostüm-
und Mäntelkonfektion nicht zuließ. Es ist auch keine Aussicht
auf Besserung vorhanden, solange die jetzige allgemeine Mode
tien engen Eock und die luftige Korsage verlangt. Die Jacket-
fassons für Trotteurkostüme nähern sich immer mehr den Herren-
röcken und verwenden daher keinen Besatz.
Den stärksten Rückschlag erfuhren Stickereien in Seide wie
in Baumwolle. Ermutigt durch einen großen Bedarf in den letzten
Jahren sind nicht allein viele neue Stickereifabriken entstanden,
sondern es hat auch eine [ansehnliche Vermehrung von Stick-
maschinen der in großem Maße bereits vorhandenen Anlagen statt-
gefimden. Infolgedessen war die Lage zu Ende des Berichts-
jahres gerade in diesem Industriezweige sehr schwierig.
Die Anfang des Jahres auftretende Mode für Oalons und
Kragen in den bulgarischen Farben ^ing, wie man im vcwraus
annehmen konnte, bald vorü,ber und konnte keine Entschädigung
für die übrigen Verluste bieten. Besser hielten sich die schmalen
Straße tmd Wachsperlengal'ons, in denen aber nur sie allein füi-
feinere Artikel verwendbar sind, deren Bedarf nur beschränkt war.
Dasselbe gilt von Perlen-Tunics auf Tüll und Mousseline im
cut away Scnitt, die häufig mit schmalem Pelzbesatz m guten
Qualitäten mit Federn und Schwan besetzt wurden.
Dagegen war der Bedarf an J^nöpfen sehr lebhaft und ent-
schädigte für die Gesohäftsstille auf den anderen Gnebieten der
Fabrikation. Es gibt kaum ein Knopfmaterial, das nicht in
großem. Umfange zur Anwendung kam. Wir nennen Knöpfe aus
Galons.
Knöpfe.
380
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Schnallen.
Export.
Zweiter
Bericht.
Allgemeines.
Tressen usw.
Glas, Galalith, Zelluloid, Hörn, Perlmutter, Straß, Schildpatt,
Tressen, Ooixionet ,atis Seide und ;ineroerisiertem Baumwollfaden.
In den letzten Monaten des Berichtsjahres fanden aucli
Sohnallen aus all diesem Material in kleinem Umfange Aufnahme.
Das Exportgeschäft ging auch 1913 zurück. Besonders ab-
genommen hat die Ausfuhr nach dem früher so bedeutenden
Absatzgebiete von Großbritannien.
Zweiter Bericht.
Für die gesamte Besatz- und Spitzenbranche ist auch in
diesem Geschäftsjahre mit Bedauern zu konstatieren, daß die
Mode der glatten, fast ungamierten Kleider eine Hebung des
Umsatzes in den Hauptartikeln nicht gebracht hat. Da die un-
sicheren politischen Verhältnisse, deren Nachwehen noch lange
nicht verschmerzt sind, das Geschäft noch außerdem auf das
ungünstigste beeinflußt haben, war auch die starke Nachfrage
nach einigen wenigen Artikeln nicht in der Lage, den Umsatz
auf der Höhe zu halten. Es unterliegt auch keinem Zweifel,
daß die Steuergesetzgebung wesentlich mit dazu beigetragen hat,
auf den Verbrauch von Luxusartikeln hemmend zu wirken,
Weite und selbst besser gestellte Kreise der Bevölkerung waren
gezwungen, mit Rücksicht auf die erhöhten Forderungen des
Staates mit der Deckung des weniger notwendigen Bedarfs
zurückzuhalten. Ein Geschäftszweig wie der unserige, der damit
rechnen muß, daß seinem Publikum genügend Mittel übrig-
bleiben, um für ihn als Konsument in Betracht zu kommen,
bedarf vor allem ruhiger konsolidierter Verhältnisse, damit er
sich günstig weiter entwickeln kann. Ständig steigende Lasten
des erwerbenden Standes müssen seine Ausbreitungsmöglichkeit
lähmen, und da eine große Anzahl von Melischen von diesen
vielen verschiedenen Industrien lebt, ist ein Stillstand wie in
diesem Jahre sehr bedauerlich. Für die deutsche Industrie kam
noch als erschwerendes Moment hinzu, daß die nun eirimal
herrschende Pariser Mode fast nur solche Gamierungsartikel be-
günstigt hatte, die Frankreich, wenn auch nicht allein, so doch
am vollkommensten herstellt.
Dif; "Wuppertaler Besatzindustrie liegt noch außerordentlich
danieder und war kaum in der Lage, bei uns Absatz zu finden.
Die Versuche, die Anfang des Jahres mit sogenannten bunten
bulgarischen Galons gemacht wurden, waren vergeblich, und das
wenige, was darin durch die Hände der Grossisten gegangen ist,
fand letzten Endes nicht den Beifall des konsumierenden
Publikums. Im letzten Teil des Jahres haben einige Produzenten
in Anlehnung an die große Phantasie-Bandmode einige hübsche
]\luster in schottischen Effekten herausgebracht und auch ver-
kauft, ,0b der vorläufige Erfolg nachhaltig sein wird, kann
erst das Frühjahr lehren.
106. Posamentierwareii und Lfconische Industrie.
381
Sehr stark gefragt und verarbeitet wurden für alle Arten
Kleider auch besonders breite Seidenbänder in bunten Farben-
stellungen, ein Artikel, der von den Spezialbandhäusern ge-
tbracht und geführt wird. Diese Genres waren auch haupt-,
sächlich französischen Ursprungs.
Gehänge sind im Berichtsjahre hauptsächlich verwendet
worden. Es handelte sich jedoch meistens nur um Phantasie-
formen, in denen eine große Auswahl in fortwährend den Mode-
farben angepaßten Farbenstellungen hervorgebracht wurde, um
hierdurch die Konsumenten zum Kaufen zu bewegen. Es ist
zweifelhaft, ob die großen Musterungskosten sich auch wirklich
gelohnt haben. Stapelgenres gingen darin so gut wie gar nicht,
es sei denn, daß man Wachsperlgrelots und schmale Fransen
derselben Art hierzu rechnet, die für die Ballsaison wie in jedem
Jahre, so auch in diesem, eine Eolle spielten. Seidene, sogenannte
matte Fransen und Grelots wurden dagegen kaum verlangt.
Perlbesätze haben trotz der mannigfachen Anstrengungen,
die zu ihrer Wiederbelebung gemacht wurden, fast ganz ver-
sagt. Das einzige Genre, das in Perlarbeit sich einigen Inter-
esses erfreuen konnte, waren breite Volants, aber da hierin
wohlfeilere Artikel kaum zu fabrizieren sind, weil es sich um
reine Handarbeit handelt, blieb der Konsum nur auf jene Kreise
beschränkt, die für ihre Toiletten Geld ausgeben. Dem größeren
Kreis der Käufer war die Verwendung aus pekuniären Gründen
kaum möglich. Auch Perlüberwürfe und abgepaßte Kleider,
die wieder für die Gesellschaftssaison in vielerlei Ausführungen
auf dem Markte waren, haben nur in ganz bestimmten Dessins,,
die sich streng an die entsprechenden, tonangebenden Modelle
anlehnen mußten, Anwendung gefunden.
Die Mode in französischen und englischen Spitzen hat sich
in diesem Jahre fortgesetzt — es gingen besonders größere,
volantartige Breiten. Da sich jedoch diese dünne gewebte Spitze
nicht für die Garnierung von Straßen- und Tageskleidern eignet,
■=0 blieb ihr Gebrauch zumeist auf Abendtoiletten beschränkt,
deren Herstellung und Gebrauch naturgemäß in einer viel
kleineren Anzahl stattfindet als die tägliche Bekleidung.
Inländische Stickereien und Spitzen aller Art, S^ide oder
Baumwolle, bunt oder schWarz, ganz gleich in welchem Material
imd welcher Farbe, haben ein recht unbefriedigendes Jahr hinter
sich. Die erhoffte Erhöhung des Konsums, die durch' die
amerikanischen neuen Zollgesetze bedingt sein sollte, ist nicht
eingetreten. — Die Mode war auch hier stärker als alle poli-
tischen Verhältnisse oder Umwälzungen.
Der einzige Besatzartikel (außer Knöpfen), von dem man
wirklich sagen kann, daß er die Mode des Jahres durchweg
beherrscht hat, waren Rüschen, die in jeder Qualität und Art
hergestellt und vom Publikum gekauft wurden. Das Material
Bänder.
Frausen
iinil Gehängre.
Perlbesätze-
Ausländische.
Spitzen.
Deutsche
Spitzen und
Stickereien
Rüschen.
382
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Gürtel.
Knöpfe.
ZU diesen Artikeln ist mit wenigen Ausnahmen ausländischer
Herkunft; diese Mode hat mit dazu beigetragen, den Konsum
in den schmäleren Sorten eigens für den Zweck erzeugter fran-
zösischer und englischer Spitzen ganz bedeutend zu erhöhen.
Es macht den Eindruck, als wenn die Rüschenmode sich auch
im neuen Jahre vorerst behaupten und dazu beitragen wird,
die Garnierung anderer Besatzartikel, die einträglicher sind,
hintanzuhalten.
Gürtel haben auch in diesem Jahre für die moderne Be-
kleidung eine äußerst geringe Rolle gespielt.
Knöpfe aller Art haben sich während des ganzen Jahres
gut gehalten, mit dem Absatz darin konnte man zufrieden sein.
Der Konsum in Konfektionsknöpfen ließ allerdings recht zu
»wünschen übl-ig, weil die Mäntelbranche im zweiten Teil des
Jahres infolge der warmen Temperatur bis in die letzten Tage
Ides Dezember und des infolge dieses, recht schlechten deutschen
Geschäfts, unter großem Mangel an JN^achorders zu leiden hatte.
b) Leonische
Industrie.
Erster Bericht.
Allsremeines.
Sächsische
Erz^ebirgs-
Hausindustrie.
Export.
Europa.
b) Leonische Industrie.
Erster Bericht.
Wie fast alle übrigen Industriezweige hatte auch die
leonische Industrie im Berichtsjahre über starken Rückgang des
Bedarfs im allgemeinen zu klagen, pie größere Nachfrage des
In- und Auslandes — und von letzterem namentlich der Balkan-
staaten — nach goldenen und silbernen militärischen Booten und
Effekten konnte nicht den großen Ausfall decken, den das voll-
ständige Abebben der Goldmode der leonischen Industrie brachte.
Der mäßige Bedarf der Bosamenten- sowie der elektrischen In-
dustrie konnten die Spinnereien auch nur zum Teil beschäftigen.
Mit dem starken Angebot unbeschäftigter Maschinen war natur-
igemäß ein erheblicher Preisrückgang für Gespinste verbunden,
die von kleineren Betrieben, um vorhandene Arbeitskräfte not-
dürftig zu beschäftigen, (oft genug ^um .Selbstkostenpreise an-
geboten wurden.
Für die sächsische Erzgebirgsindustrie (Spitzenklöppelei)
konnte wahrend des ganzen Jahres jgenügende Beschäftigung ge-
funden werden. Der Ausfall im' OBedarf an ModesJ)itzen wurde
durch größere Nachfrage f^r den Export zum guten Teil aus-
geglichen. Gegen Ende des Jahres lagen gute Aufträge auf hand-
geklöppelte Spitzen vor, jdie duröh die Spitzenmaschine glück-
licherweise nicht im befürchteten Maße verdrängt werden können.
Infolge der neuen IHeeresvermfehrung war bereits im Be-
riohtsjalü:^ ein erhöhter Bedarf an militärischen Borten und
Effekten zli beobachten. Die beiden Balkankriege birachten zeit-
weise ebenfalls starke Nachfrage nach diesen Artikeln, deren
Preise und Qualitäten trotzdem stark gedrückt wtaren. Dagegen
107. Damen- und Kinderkonfektion.
383
war das Greschäft in handg^eklöppelten 'und Älasdiinenbesätzen
nach den Balkanländem und der Türkei infolge der kriegerischen
AVirren fast vioUständig lahnigelegt. Verkäufe waren 'nur zu
ßehr gedrückten Preisen imöglidh. Lebhaftere JSTachfrage ^nach
leonisehen Erzeugnissen zeigte nach Beilegung des türkisch-i
italienischen Konflikts Italien tmd Spanien. Das gewaltige
russische xlbsatzgebiet blieb da^gegen der leonisohen Jndus'trie
auch im Berichtsjahre idurch die hohen Zollschranken gänzlich
gesperrt. Auf eine Ermäßigung der russischen Zölle dürfte auch
mit Erneuerung der iHandelsverträge nicht zu rechnen sein. Jeden-
falls sind innerhalb der beteiligten Industriekreise keinerlei An-
zeichen für eine zielbewußte Arbeit zur Beseitigung dieser den
Export nach Eußland einschränkenden Zollmaßnahmen bemerk-
bar geworden.
Auch nach den Vereinigten Staaten von Amerika ging
im letzten Jahre das Geschäft in leonisohen Besätzen infolge
der hohen Zollsätze Weiter zurück. Eine kleine Belebung des
Exports dürfte nach Inkrafttreten der neuen Tarifbill zu erwarten
sein. — Südamerika zeigte eine zufriedenstellende Nachfrage, ins-
besondere konnten gute Aufträge in ider Militäreffektenbranch'e
placiert werden. Gegen Ende des Jahres wirkten die Unruhen
in Mexiko recht störend auf diesen Zweig der leonischen In-
dlistrie ein.
Der asiatische ^larkt bot für Halbfabrikate wie auch für
[Besätze, insbesondere handgeklöppelte Spitzen, gute Absatz"-
möglichkeiten. Die wirtschaftspolitischen Verhältnisse Japans
zeigten für die deutsche Industrie erfreuliche Ansätze zur
Besserung. Nach Klärung der Verhältnisse im Innern Chinas
dürfte auch dort mit einer Besserung der Absatzmöglichkeiten
zu rechnen sein.
Infolge der Balkankriege war der europäische Geldmarkt
besonders stark in Anspruch genommen. Die Kreditlage muß
allgemein als eine schlechte bezeichnet werden.
Die allgemeine wirtschaftliche Krise hat die Kaufkraft großer
Bevölkerungskreise außerordentlich geschwächt. Die Industrien
machten daher große Anstrengningen, Aufträge selbst zu stark
reduzierten (Preisen iherein zu bekomnien, um den alten Stamin ihrer
Arbeitskräfte zu beschäftigen. Eine ungesunde Preispolitik w^ar
die natürliche Folge, die erst mit dem Ueberwinden der welt-
wirtschaftlichen Krise und damit verbundener besserer und regel-
mäßigerer Beschäftigung der Betriebe verschwinden dürfte.
Amerika.
Asien.
Preise.
107. Damen- und Kinder konfektion.
Erster Bericht (Damenkonfektion).
Das Jahr 1913 verlief für die Damen-Konfektionsbranche sehr
nngünstig. Von den mannigfachen Ursachen dieser unbefriedi-
584
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Roh-
materialien.
Arbeiter.
E.xport.
genden Entwicklung sind an erster Stelle zu nennen die allge-
meLn,e wirtscliaftliclie Depression, infolge dei^n sich die Kauf-
kraft des Publikums stark verminderte, und die vielfach, un-
günstige Witterung. Audi der Wechsel der Mode beeinträchtigte
das Geschäft. So mußten im Frühjahr große Quantitäten eng-
lischer Paletots ä tout prix verkauft werden, weil dieser sonst
so beliebte Artikel nicht mehr verlangt wurde. Nach Popeline
herrschte zwar rege Nachfrage, aber die Preise waren sehr ge-
drückt, so daß auch an diesem Genre wenig Nutzen zu erzielen
war. Dagegen war der Umsatz in Kostümen normal und lohnend.
Die Sommersaison mit ihrem fast ununterbrochen regnerischen
AVetter enttäuschte viele Hoffnungen. Hochsommerartikel Avaren
fast gar nicht gefragt und mußten in großen Beständen billigst
abgestoßen werden. Wenn nun auch die Heise- Orders zur Winter-
saison in der gewohiiten Größe einging'en, so war andererseits
der Lagerbesuch' nicht so groß wie sonst, und vor allem bewegten
sich! die Umsätze in viel geringerem Umfange, da die Kundschaft
außerordentlich' vorsichtig und zurückhaltend war. Wäre aber,
wde im Jahre 1912, der Oktober sehr kalt geworden, so hätte
das für viele Einbuße entschädigen können. Das Gegenteil trat
aber ein. Die fast sommerliche Wärme im genannten Monat be-
wirkte, daß die Detailleure noch nicht einmal ihre Bestände
räumen, geschweige denn Nachbestellungen machen konnten.
Der Ende 1912 ausgebrochene Färberstreik in Greiz-Gera
konnte glücklicherweise sehr bald beigelegt werden, so «laß keine
liennenswerten Verzögerungen in der Lieferung von EohWare ein-
traten. Auch' in den übrigen Artikeln nahm alles seinen normalen
Verlauf. Was den Bezug von Rohware resp. Stoffen zur Winter
Saison betrifft, so befürchteten sowohl die Konfektionäre als auch
die Grossisten eine Haussie in diesen Artikeln, wie sie 1912 einge-
treten war, und gaben daher Orders darauf in sehr großem Um-
fang. Die erwartete Hausse trat jedoch nicht ein, im Gegenteil,
aus der Hausse wurde eine Baisse. Infolgedessen sind dem Ver-
nehmen nach sehr bedeutende Stoff läger übrig geblieben. Dies
alles maliiite den Konfektionär zur Vorsicht, so daß Frühjahrs-
und Sommerorders in Stoffen für 1914 bis Ende des Berichtsjahres
nur in geringem Maße vorlagen.
Von Arbeitermangel konnte 1913 wegen des schlechten Ge-
schäftsganges keine Bede sein. Es ist viel mehr zu befürchten,
daß sich viele Arbeitskräfte anderen Branchen zuwenden und so
für spätere Zeiten Mangel eintreten kann. Der für 1912 ge-
fürchtete Streik ist auch im Berichtsjahre nicht ausgebrochen,
die Leute waren vielmehr froh, wenn sie zu alten Preisen genügend
Beschäftigung hatten.
Die Hoffnung durch Hebung des Exportes die schlechten Re-
sultate auf den anderen Geschäftsgebieten zu verbessern, wurde
ebenfalls tenttäuscht. Die auswärtigen Umslätze sind nicht größer,
107. Damen- und Kinderkonfektion.
385
sondern kleiner geworden. In Südamerika, das in den letzten!
Jahren ein gutes Absatzgebiet für Damen-Konfektion gewesen
war, verschlechterten sich 1913 die Geldverhältnisse derart, daß
die Aufträge bedeut-end kleiner ausfielen als lq den VorjahMi.
Schweden hat so hohe Zollsätze, daß die einheimischen Fabriken
mindestens so preiswert liefern könnein wie die deutschen. Die
Einfuhr nach England ist noch mehr 5:urückgegangen. Wie es
heißt, tragen sich große Firmen bereits mit dem Gedanken, das
Land überhaupt nicht mehr- besuchen zu lassen, zumal, da Eng-
land uns schon in maachen Artikeln bedeutende Konkurrenz
macht. Ob sich zu den neuen ermäßigten Zollslätzen ein nennens-
werter Umsatz nach den Vereinigten Staaten wird erzielen lassen
können, ist sehr fraglich. Die Farbikation in Mänteln und Ko-
stümen ist im Lande selbst sehr weit vorgesichritten und sehr
preiswert.
Daß sich in. einer Saison, die an und für sich sehr schwer
ist, das Schmuh-Unw^esen doppelt fühlbar madht, ist leicht er-
klärlich. Leider ist es trotz vieler Bemühungen auch im Be-
richtsjahre nicht gelungen, dieses häßliche Unwesen auszurotten,
das nicht nur der Branche einen ziemlich bedeutenden Umsatz
entzieht, sondern auch auf die Preise drückt. Es soll hier kurz
nochmals das Wesen dieses Uebels dargelegt werden. Wie allge-
mein wohl bekannt sein dürfte, überwiegt fast in der gesamten
Damenmäntelbranche die sogenannte Heimarbeit. Doch wird nicht
direkt mit den Arbeitern selbst, sondern mit sogenannten Zwisehen-
meistern abgeschlossen, die zur Anfertigung der Mäntel und
Kostüme eiu bestimmtes Stoffmaß erhalten. Es kommt nun vor,
daß von den gelieferten Stoffen B;este erübrigt werden, tmd da-
durch entsteht die sogenannte Schmuh-Konfektion. Obgleich auf
den Arbeitszetteln ausdrücklich vermerkt ist, daß Stoffe und Zu-
^taten stets Eigentum der auftraggebenden Firma bleiben, war es
doch niemals möglich, auf gesetzlichem Wege diesen bedenklichen
Uebelstand abzuschaffen, ujid auch die Selbsthilfe, die die Leitung
des Verbandes ins Werk setzte, indem sie die Abnehmer derartiger
Schmuhware boykottieren wollte, ist bis jetzt gesetzliöh nicht
Janerkannt worden. Am Ende des Berichtsjahres schwebte ein
Prozeß in dieser Angelegenheit. Sollte ier zugunsten des Ver-
bandes entschieden werden, so wird man wenigstens auf in-
direktem Wege diese Schädigung der Branche beseitigen können.
Bei dieser Ungünstigen Lage der Branche im Berichtsjahre
ist es begreiflich, daß von allen Seiten der seit ungefähr sechs
Jahren bestehenden Konvention Vorschläge gemacht wurden, wie
den unbefriedigenden Verhältnissen abgeholfen werden könne.
Als ein Universalheilmittel wurde z. B. die Abschaffung des
Lagergeschäftes empfohlen Und somit die Rüekkehr zu dem alten
System des Bestellungsgeschäftes befürwortet. Daß dieser Weg
nicht gangbar ist, wurde sehon in früheren Berichten eingehend
Schmuh-
unwesen.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II.
25
386
vir. Textilindustrie und Verwandtes.
dargielegt. Auch an dieser Stelle soll ncxihmals darauf hingewiesan
werden, daß dieser Vorschlag*, dessen Annahme übrigens auch
sehr unwahrscheinlich ist, der Branche iaußerordentlich schaden
würde. Ein weiterer Vorschlag ging dahin, vor einem bestimmter
Termin keine Ware 'unter Preis zu verkaufen. Auch dieses Mittel
ist sehr schwer lan wendbar, da in. der Konfektion die KalkulatioD
nicht einheitlich und also der Begriff ,, unter Preis" sehr dehnbar
ist. Schließlich wurde empfohlen, die .Umsätze der einzelnen
Firmen zu bestimmen resp. festzusetzen, .wodurch der Ueber-
produktion vorgebeugt werden soll, oder aber den einzelnen Firmen
vorzuschreiben, wieviel sie von ihrem Umsatz unter Preis ver-
kaufen dürfen. Alle diese Maßregeln sind jedoch .abzulehnen. Es
ist auch zo hoffen, daß sie von ihren Anhängern wieder fallen-
gelassen werden, wenn mit der Besserung der allgemeinen Ge-
schäftslage und der Witterung auch die Damenmäntelbranche
wieder eine befriedigende Saison bekommen wird, die sich eben
auch durch die vorgeschlagenen Mittel nicht erzwingen läßt.
ZweiterBericht. Zweiter Bericht.
Zweiter Bericht (Kleider- und Blusenbranche).
Geschäftsgang. Das Gre^schäft Lti der Kleider- ,Und Blusenbranche bot zu
Beginn des Berichtsjahres günstige Aus,sichten, da FrühjaJirs-
aufträge auf der B-eise zunächst in gewohntem Umfange erteilt
wurden. Leider hielt es in seinem weiteren Verlauf nicht, was
der Anfang versprochen hatte. Die wirtschaftliche Lage ver-
anlaßto die Kundschaft zur vorsichtigsten Zurückhaltung, vor
allem aber wirkte die nasse, kühle Witterung des Sommers
hemmend auf den Verkauf, so daß vielfach über verminderte
Umsätze geklagt wurde. Dieser imbefriedigende Verlauf des
Sommergeschäftes verringerte natürlich auch die Kauflust zuni
Herbst und Winter und die Folge waren auch hier für viele Betriebe
kleinere Umsätze im Beisegeschäft wie (auch beim Verkauf am
Lager. Die Kunden klagten fortgesetzt über schwierigen Absatz,
weil das Publikum seinen Bedarf lauf das nötigste beschränkte^
Auch hierbei spielte natürlich die »ungewöhnlich warme Herbst-
witterung, die sich bis weit tin den Oktober hinein erstreckte,
ihre Bolle, wenngleich die. Kleider- lund Blu&enbranche davon
nicht so berührt wurde wie landere Zweige der Bekleidungs-
industrie. Im übrigen bewahrten sich die Artikel garnierte Kleider
und Blusen ihre Beliebtheit. Zum Sommer wurden wieder weiße
Lingeriesachen stark bevorzugt, wie überhaupt leichte Stoff-
arten, selbst für die Herbst- und Winterware, hauptsächlich zur
Verarbeitung kamem Ball- und Gesellschaftskleider fanden auch
1913 verhältnismäßig gute Aufnahme.
Export. Di^ Umsätze im Exportgeschäft haben ebenso wie die am
heimischen Markte gelitten, weil in (den Ländern, die für die
108. Herreiikoiifektioii.
387
Branche in Fragte kommen, die ,Selbstfabrikation weitere Fort-
schritte macht. Besonders gilt dies von England.
Die Verhältnisse ia.uf dem' Arbeitsmarkt erfuhren keine
wesentliche Aenderung. Geeignete Kräfte für Stapelware warei)
leicht zu haben, während gesc'hulte Arbeiterinnen für bessere
und kompliziertere Konfektion nach wie vor knapp blieben.
Die Betriebsspesen behielten ihre steigende Tendenz bei, ohne
daß es gelang, dies in den Verkaufspreisen der AVare zum Aus-
druck zu bringen.
Im ganzen genommen, muß der Verlauf des G-eschäftsjahres
1913 als wenig befriedigend bezeichnet werden.
108. Herrenkonfektion.
Das Jahr 1913 brachte der Herrenkonfektionsbranche viele
Enttäuschungen und schloß in jeder Beziehung unbefriedigend
ab. Der Balkankrieg sowie der aus ihm resultierende allgemeine
Konjunkturrückgang wirkten deprimierend auf die Kauflust des
Publikums ein, und die von der Volksvertretung angenommene
Wchrsteuei^orlage trug auch nicht zur Milderung der kritischen
Situation bei, die durch einen bedenklichen Stillstand des Unter-
nehmungsgeistes charakterisiert wurde. So drohte ;auch das Ge-
schäft in der Herrenbekleidungsindustrie, das schon am Anfang
des Berichtsjahres recht matt und lustlos eingesetzt hatte, in
seinem weiteren Verlauf mehr und mehr ganz stillzustehen. Hatte
sich in den Vorjahren das Geschäft in aufsteigender Linie be-
wegt, und hatte sich besonders im Laufe der Wintersaison etae
geradezu stürmische Nachfrage nach Ulstern, dem Schlager des
Tages, bemerkbar gemacht, so zeigte sich im vergangenen Jahre
eine bedenkliche Kaufunlust, die durch die immer schlechter
werdende Wirtschaftslage und die immer jstärker anschwellende
Arbeitslosigkeit bedingt Und durch das anhaltend milde Wetter
in den Hauptmonaten der AYintersaison noch verstärkt wurde.
Zu alledem kamen Schwierigkeiten innerer Art. Sie wurden
einmal durch die Konventionen verursacht, die Ende 1912 für
fast alle von der Konfektion benötigten Bohstoffe abgeschlossen
worden sind. Die scharf stipulierten Zahlungs- und Lieferungs-
bedingungen der deutschen Tuchkonvention, die den besonderen
Verhältnissen der Herrenbekleidungs-Industrie nicht genügend
Bechiiung tragen, und die deshalb auch von dir nur mit größtem
Widerstreben angenommen wurden, erwiesen sich als unhaltbar.
Am Ende des Berichtsjahres schlössen sich daher die verschie-
denen Interessengruppen der Tuch-Großabnehmer zusammen, um
eine Aenderung und Milderung der ursprünglichen Beschlüsse
hierbeizuführen, die. im. wesentlichen auf eine Klärung der Va-
lutenfrage hinauslaufen sollte. Deren Bewilligung stefUte näm-
lich bis dahin keine Verpflichtung der Fabrikanten dar, sondern
ein Entgegenkommen von ihrer Seite, für das eine ausdrückliche
25-
388 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Vereinbarung nötig war, wollten die Abnehiner nicht des An-
rechtes darauf verlustig gehen. Mitte Dezember fand dann eiue
Versammlung statt, im Verlaufe deren zwisdhien den Delegierten
der deutschen Tuchkonvention und denen der Großabnehmer über
die Aenderungen der bisherigen (Valuta- und Muster-) Bedingungen
und des zu schließenden Kartellvertrages zwischen Fabrikanten
und Großabnehmern zum gegenseitigen Schutz vor Außenseitern
volle Einmütigkeit erzielt wurde. Doch fanden diese Verein-
barungen nicht die Zustimmung des Vorstandes der deutschen
Tudhkonvention, der sich gegen den Abschluß von Kartellver-
trägen mit den Abnehmern aussprach. Infolge dieses rigorosen
VorgeJiens sah sich der Arbeitgeberverband, der Herren- un4
Knabenkleider-Fabrikanten gezwungen, zu dem bereits im Vorjahre
ergriffenen Zwangsmittel der Sperre seine Zuflucht zu nehmen,
wonach' vor Beilegung der Differenzen keine Coupons und Stücke
ifür die Wintersaison 1914 bestellt werden durften. — Am Ende
des Berichtsjahres war zwar noch keine Einigung erzielt worden,
es konnte aber zu dieser Zeit mit Sicherheit angenommen werden,
daß eine solche nicht mehr lange auf sich warten lassen werde.
JDaß der Konventionsgedanke festen Fuß gefaßt hat, läßt sich
nicht gut bestreiten, und bei Vermeidung unnötiger Schärfen
dürflen auch' alle Teile in seiner Verwirklidhung Nutzen finden.
In letzter Zeit ist die Konventionsfrage öfters in der Presse er-
örtert, und fast immer bejahend beantwortet worden. Es scheint,
als ob auch die Herrenbekleidungsindustrie für eine von ihr ins
Ijeben zu rufende Konvention reif sei, die zweifellos dazu bei-
tragen würde, manche ungerechtfertigten Forderungen der Ab-
nehmer, namentlich in bezug auf Zielausdehnung, auszumerzen,
die der einzelne Verkäufer bisher wohl oder übel hat gewähren
müssen.
Lohn. "Weitere Schwierigkeiten innerer Natur erwuchsen der
veJhäUnls^i*^ Herrenkonfektionsbranchc aus den Lohn- und Arbeiterverhält-
nissen. Im letzten Jahresberichte war der Hoffnung Ausdruck
gegeben worden, daß es den Bemühungen des Arbeitgeber-
verbandes der Herren- und Knabenkleider-Fabrikanten Deutsch-
lands gelingen würde, die im ersten Vierteljahir des Berichts-
jahres zu Ende gegangenen Tarifverträge ohne Kampf zu ver-
längern. Leider erwies sich diese Annahme als trügerisöh, die
Arbeiterschaft bestand auf Durchführung des Streiks, trotzdem
die größten Anstrengungen seitens der Arbeitgeber gemaöht wur-
den, den wirtschaftlichen Kampf zu vermeiden, und trotzdem ein
großer ^ Teil der Arbeitnehiner nur widerwillig der Streik-
parole folgte, da auf friedlichem Wege annehmbare Konzessionea
angeboten wurden, die durch den Ausgang der Bewegung nicht
wesentlich' verbessert wurden. Durch den nach Beendigung des
Streiks für mehrere Jahre am 1. Juli festgelegten Tarif wurde
wieder für längere Dauer eine gewisse Stetigkeit geschaffen und
109. Veredelung- von baumwollenen Geweben.
389
der Konfektion die Möglichkeit ruhigen Arbeitens gegebe q. Da
sich' aber die bereits betonte rückgängige Konjunktur stark be-
merkbar machte, so konnte nur ein kleiner Teil der disponiblen
Arbeitskräfte Beschäftigung in besohriänktem Maße finden. Aus
der Sozialpolitik ist der Herrenbekleidungsindustrie für das
kommende Jahr insofern eine weitere Belastung entstanden, als
die bisher durch Ortsstatut festgelegte Versicherung der Heim-
arbeiter und Zwischenmeister zu einem Teil der Reichsversiche-
rungsordnung geworden ist. Das bedeutet gegen den früheren
Zustand eine wesentlichie Erhöhung der Beiträge. Besonders er-
wähnt sei die Bestimmung, daß der Arbeitgeber 2 o/o des an den
ZyischenmeLsters gezahlten Lohnes an die Krankenkasse abzu-
führen hat. Diese Vorschrift bedeutet für die größeren Betriebe
eine Mehrausgabe von Tausenden von Mark.
Auf dem Rohstoff markt machten sich besonders ins Gewicht
fallende 'Bewegungen nicht bemerkbar. Nur die Preise für
Baumwolle nahmen von August bis Anfang November eine stark
aufsteigende Richtung, doch hielt man sich von größeren Ein-
käufen in der Erwartung von Preisrückgängen zurück.
109. Veredelung von baumwollenen Geweben.
Erster Bericht.
Wie das ganze Textilgewerbe, so litt auch das Baumwoll-
waren-Ausrüstungsgeschäft im Jahre 1913 unter der wirtsdhaft-
lichen und politischen Depression.
Die Preise für rohe Baumwolle bewegten sich bis August ohne
erhebliche Schwankungen; es wurden notiert in Bremen
Rohston'nKU-kt.
Elster Bericht.
pro Pfund Midd.
Upl. im Durchschnitt
Januar .
. . 64,6 Pf.
Juli . . . .
62
Februar .
. . 63,8 ,
August . . .
62,1
März . .
. . 63,4 „
September . .
69.6
April . .
. . 63 35 „
Oktober . . .
—
Mai . .
. . 61 34 „
November . .
—
Juni
.62
Dezember . .
—
Pf.
Niedrigster Kurs 60,75 Pf., höchster Kurs 74 Pf.,
Gesamtdurchschnitt 63,58 Pf.
Auch rohe Gewebe wurden deshalb bis zum dritten Quartal
zu ziemlich gleichmäßigen Preisen verkauft.
Es wurden gezahlt:
pro Mtr. 34 '
19/18 Kattun
Januar . .
. ca. 23 Pf.
Juli . . .
ca. 24 Pf.
Februar
. „ 23 „
August . .
. 24 „
März . . .
. . 23 „
September
n 24 „
April . .
. . 24 »
Oktober .
—
Mai . . .
. n 24 „
November .
» n
Juni . . .
• „ 24 „
Dezember
Der Absatz war sehr schwer, und nur mit großen Anstren-
gungen sind die Umsätze des Vorjahres in einigen Monaten des
390 VII. TextiUndustrie und Verwandtes.
Jahres 1913 erreicht worden. Im Durchschnitt blieb der Gesamt-
umsatz gegen 1912 erheblich zurück. Trotzdem wären die Ge-
winnchancen nicht schlecht gewesen, da fast bis zum Beginn des
dritten Quartals zu normalen Preisen verkauft werden konnte.
Anfang August jedoch' wurden diese Gewinnchancen durch die
Maßnahmen einer ersten Berliner Firma in das Gegenteil ver-
wandelt. Diese Firma ermäßigte mit der Begründung, daß sie
von einer Konkurrenzfirma unterboten worden wäre, die Ver-
kaufspreise derart, daß der Verkauf sich' von da ab für <lie ganze
Branchr-: sehr verlustbringend gestaltete. Die erw^ähnte Firma,
verkaufte auf Grund eines RohWarenpreises, der nicht existierte,
ohne einen Gewinnauf schlag, und machte diese Preise nicht nur
für zukünftige Geschäfte, sondern ermäßigte auch die laufenden
altea Abschlüsse in gleicher Weise. Sie erreichte dadurch, daß
die gesamte Branche die relativ billigen Offerten der Weber
als zu teuer zumckwies, denn man sagte sich bei der Kalkulation
daß die Forderungen der Weber noch! ermäßigt werden müßten,
um einige Gewinnchancen beim Verkaufe zu ermöglichen. Diese
Ermäßigungen traten jedochi nicht ein. Im Gegenteil <^.rhöhten
die Weber ihre Preise, da die Rohbaumwolle in Amerika infolge
der erwarteten schlechten Ernte rapide im Preise stieg. — Nur ein
fester Zusammenschluß der Branche könnte die Schw^ierigkeiten
beseitigen, die durch derartige unkaufmännisdhe Maßnahmen ge-
schaffen wurden. Da jedoch die genannte erste Firma ihre
Interessen am besten dadurch zu wahren glaubt, daß sie in der
,. splendid isolation" bleibt, so ist zu befürchten, daß eine Gre-
sundung der Zustände noch recht lange auf sich warten lassen
wird. Jedenfalls gebührt dieser Firma das zweifelhafte Verdienst,
die frühere Bedeutung des Platzes Berlin- in unserer Branche herab-
gemindert zu haben. Dazu kommt noch, daß die Lieferanten-
kategorien, die Webervereinigimg* und der Veredlungsverband, in
fast lückenloser Geschlossenheit der Branche gegenübersitehen.
Daher ist es heute keiner Firma, wenn sie aueh noch so groß
ist, mehr möglich, Sondervorteile zu erreichen und also zu er-
warten, daß der überragenden Führung der erwähnten Firma
in der Branche ein Ziel gesetzt wird. Aus den an.ge führten
iGründen war das Ergebnis des Jahres 1913 für die Berliner
Baumwollwaren-Ausrüstungsbranche nicht besonders günstig.
Zweiter Bericht.
ZweiterBericht. Der Absatz in fertiger Veredlungsware war im Jahre 1913
sehr schwer, so daß der Gesamtumsatz gegen das Vorjahr ganz
erheblich zurückgeblieben ist. Die Gewinnchancen wären trotz-
dem für 1913 ziemlich gut gewesen, wenn nicht schon im Monat
Mai und dann im August und Dezember die Preise in fertiger
Waro ermäßigt worden wären. Es wurde auf Grund von Eoh-
warenofferten zu Preisen verkauft, die keinerlei Gewinnaufschlag
109. Veredelung- von baumwollenen Geweben. 391
enthielten. Auch die laufenden Kontrakte wurden ebenfalls auf
diese verlustbringenden Preise ermäßigt, obwohl auch die Aus-
rüstungsanstalten die Veredlungspreise am 1. Juli 1913 erhöht
hatten. AVürde die Baumwollwarenbranche einen festen Zusam-
menschluß aller Firmen ohne Ausnahme, haben, so könnten der-
artig schädigende Maßnahmen nicht vorkommen. Der nord-
deutsche Landesverband der Berliner Ausrüster, zu dem die größte
Firma der Branche sowie einige andere nicht gehören, beschloß
am 1. Dezember des Berichtsjahres, den Artikel „Rame" bei Ver-
meidung hoher Strafen nicht mehr mit Baisseklausel zu verkaufen.
In Anbetracht der Tatsache, daß die Lieferanten, also die ßoh-
weber und der Veredlungsverband, in voller Einigkeit der Branche
gegenüberstehen, wäre es dringend zu wünschen, daß wenigstens
dieses Verbot von allen Brancheangehörigen befolgt würde, weil
ohne das eine Gesundung des Geschäfts unmöglich ist.
Bis in den Juli hinein lauteten die Ernteberichte günstig.
Plötzlich änderte sich aber die Situation. Die Gerüchte von einer
großen Ernte bestätigten sich nicht, und die Baumwolle ging
sprungweise in die Höhe. Von diesem Umschwünge wurde die
ganze Baumwollindustrie ziemlich stark überrascht. Niemand
hatte sich mit billiger Baumwolle versorgt, und es war daher
auch kaum Deckung für die laufenden Kontrakte vorhanden.
Diese waren allerdings im Vergleich zu früheren Jahren nur in
sehr geringem Umfange Vorhanden. Der durch die wirtschaftliche
Depression bedingte hohe Geldstand sowie die einem größeren
Stoffverbrauch noch immer ungünstige Mode waren die Ursachen.
Garne konnten dagegen mit größerem Nutzen verkauft werden,
während die Gewebepreise infolge des schlechten Geschäftsganges
hinter den Herstellungskosten zurückblieben.
In dieser Zwangslage vereinigten sich im Dezember deiS Be-
richtsjahres die süddeutschen und elsässer Baumwoll Webereien
mit gegen 85 000 Webstühlen zu einer Stillegung dieser Stuhlzahl
wäJirend eines vollen Arbeitstages in der Woche für das ganze
1. Quartal 1914, um auf diese Weise wenigstens einigermaßen
einen Ausgleich zwischen Produktion und Konsum zli söhaffen.
Späterhin erwogen dann auch die deutschen Baumwollspinner
Arbeitseinschränkungen.
Der Ackerbaubericht vom 12. Dezember 1913 bezifferte die
voraussichtliche Ernte auf 13 677 000 Ballen ohne Linters, gegen
13 820 000 Ballen ohne Linters im Vorjahre. Dabei ist jedoch zu
berücksichtigen, daß das geringere Ballengewicht und das ganz
wesentliche Qualitätsdefizit das Ergebnis der Ernte sehr un-
günstig beeinflussen könnte.
Der Kurs für rohe Baumwolle in Bremen schwankte pro
Pfund von 66 bis 64 bis 61 1/2 bis 721/2 tmd von 74 bis 66V2, am
Schlüsse des Jahres wurde er mit 65 Pf. notiert.
392 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Die Preise für rohe Gewebe schwankten je nach Qualität
Basis 34" 19/18 fädiger Kattun la. aus 36/42 er Garn: 25 bis 24i/2
bis 22 bis 21 Pf. pro Meter.
Cretonne Basis 88 cm aus 20/20 Prima, pur Amerikanisch
schwankte zwischen 28 bis 29 bis 27 bis '30 bis 27V2 Pf.
Der Bankdiskont für das ganze Jahr 1913 war infolge des
langen Balkankrieges so enorm hoch, daß zeitweise der Umsatz
total stockte. Die Folgen waren, wie bereits erwähnt, ganz
bedeutende Minusnmsätze, während die Unkosten durch erhöhte
Steuern usw. erheblich wuchsen. Dazu kamen die unsicheren
politischen Verhältnisse, die hohen Rohstoff preise und schließ-
lich das ungünstige Wetter, in der Sommer- wie in der Winter-
saison, worunter auch die Buntwebereien stark zu leiden hatten.
Erst Anfang September, als die Aussicht auf eine große Baum-
wollernte geschwunden war, trat die Kundschaft aus ihrer Re-
sei've heraus. Als aber die Bnntweber im Monat November Auf-
schläge forderten, die dem gestiegenen Material bescheidene
Rechnung trugen, blieben die Abnehmer aus dem Markte, so daß zu
erwarten war, daß auch in den Betrieben der Buntwebereien sehr
einschneidende Betriebseinschränkungen stattfinden würden. Bis
zum Schluß des Jahres blieben Herbstaufträge für das nächste
Jahr, die sonst stets im November erteilt werden, fast aus. Denn
bei dem milden Herbstwetter war der Absatz unbefriedigend
und die mißlichen wirtschaftlichen Verhältnisse legten den Ab-
nehmern beim Einkauf von Banhwaren die größte Zurück-
haltung auf. — Das Exportgeschäft nach der Türkei belebte sich
nach dem Friedensschluß etwas, und auch nach den anderen Län-
dern war es bis zum Jahresschluß in ziemlicher Entwicklung be-
griffen. .
110. Handel mit Baumwollbuntwaren.
Die hohen Baumwollpreise, die sich auf dem Niveau des Vor-
jahres erhielten, erschwerten im Verein mit dem Rückgang des
Industriebedarfs den Grossisten den Absatz im ersten Halbjahr
1913 sehr und regten zu neuen Unternehmungen nicht an. Als im
Juni amerikanische Baumwolle auf Nachrichten von einer neuen
großen Ernte Basis: Middling Upland auf ca. 60 Pf. zurückging,
versuchten die Grossisten, durch l^illige Verkäufe die Läger zu
reduzieren, um bei einem weiteren Rückgang der Baumwolle
sich billiger eindecken zu können. Dies mißlang jedoch. Die
Baumwolle stieg infolge schlechterer Ernteberichte bis auf über
70 Pf., und infolgedessen wurden von den Grossisten, soweit gün-
stige Offerten vorlagen, neue Abschlüsse nur in bescheidenem
Maße gemacht. Die Preise für ostindische Baumwolle, die für
Rauhware besonders in Betracht kommt, waren bis zum November
des Berichtsjahres noch sehr hoch und dürften sich erst bei Sicht
der neuen Ernte regulieren, die später wie die amerikanische
111. Leiiieiiliandel. 393
eingebracht wird. Im allgenieineii war der Absatz in bunten
baumwollenen Waren nicht gut. Die Aufträge auf Hemdflanelle
und Bettzeuge fielen sehr gering aus. Ferner waren die Preise für
Schürzenstoffe, Zephirs und für baumwollene Kleiderstoffe sehr
gedrückt. Eauhartikel, wie Fancys, Molton, Unterrockstoffe,
Decken und Deckenstoffe, konnten auch der Steigerung der Baum-
wollpreise schwer folgen. Der Absatz nach den Balkanländern,
der nach Abschluß des Friedens erwartet wurde, blieb bis zum vor-
letzten Monat des Berichtsjahres aus, und so können Grossisten
wie Fabrikanten von einem allgemein guten Greschäft in bunten
Baumwollwaren nicht berichten.
111. Leinenhandel.
Das Jahr 1913 war für den Leinenhandel nicht günstijg.
Die allgemeine geschäftliche Depression, die durch den langen
Balkankrieg hervorgerufen wurde, das teuere Geld und die großen
Verluste, die das Publikum durch die großen Kursrückgänge
der Effekten und anderer Papiere erlitt, schädigten auch das
Leinengeschäft in hohem Grade. Dazu kam die starke Kurs-
steigerung der leinenen AYerggame, die teils auf die unzulängh
liche russische Flachsernte des Jalires 1912 zurückging, teils
ihre Ursache in den großen Militärlieferungen hatte, die in
Deutschland und Oesterreieh für 1913 und 1914 auf A-rtikel aus
Werggarn erteilt worden sind. Werggame stieg'en seit Anfangt
des Berichtsjahres um ca. 10 %. Flachsgarne blieben dagegen
zunächst ziemlich stabil, da der nordamerikanische Bedarf in
leinenen Artikeln, wozu hauptsächlich diese letzte Sorte g'ebraucht
wird, infolge der unsicheren ZoUverhältnisse sehr nachgelassen
hat. Mit der zehnprozentigen Herabsetziung der Einganigszölle
auf leinene Waren in den Vereinig'ten Staaten im Oktober des
"Berichtsjahres begann aber auch die letztere Garnsorte zu steigen,
lUm so mehr, als auch?, die russische Flachsernte 1913 nicihtj
g'ut war.
Die Steigerung der baumwollenen Garne im Laufe dieses
Jahres um ca. 10 «/o hat die halbleinenen Fabrikate im Verein
mit der Hausse in Werggarn über Gebühr verteuert. Die Preise
der Fertigfabrikate konnten aber infolge der allgemeinen De-
pression der Steigerung der Garne durchaus nicht folgen, so
daß der Gewinn sowohl der Fabrikanten als auch des Zwischen-
handels kaum nennenswert war. Die Offerten der Fabrikanten
waren infolge des verminderten Absatzes sehr dringend und die
Läger des Zwischenhandels groß, so daß beider Nutzen sehr
beschränkt war.
Im einzelnen ist folgendes mitzuteilen: Die hiesige Beklei-
dungsindustrie, die leinene und halbleinene Futterzeug© in großer
Menge brauchte, litt unter der Ungunst der Verhältnisse besonders.
Hierzu kam noch die warme Witterung im Herbst, infolge-
394
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
deren den Kleiderfabrikanten ^roße Mengen Winterwaren am
Lager blieben. Die großen Warenhäuser und Spezialgeschäfte,
die bedeutende Abnehmer für sämtliche Haushaltungsartikel der
Leinenindustrie sind, hatten ebenfalls unter Absatzmangel in
diesen Artikeln zu leiden. Die hiesigen Tapissi&eriefabriken, die
bedeutende Quantitäten halbleinefne und leinene Artikel ver-
arbeiten, hatten, da sie viel exportieren, weniger unter der all-
gemeinen Depression zu leiden; ihr Bedarf war aber auch ge-
ringer als 1912. Das Exportgeschäft in leinenen uiid halbleinenen
Artikeln nach den Vereinigten Staaten war infolge der unsicheren
Zollverhältnisse erheblich schlechter als im Jahre 1912. Die
südamerikanischen Eepubliken, Australien und die skandinavischen
Länder kauften normal, aber auch weniger als 1912.
Erster Bericht.
Allgemeines.
Export.
112. AVäsche-Fabrikation, -Konfektion und
-Handel.
Erster Bericht. (Herrei).wäsche.)
Die Ungunst der Verhältnisse, die sich im Jahre 1913 dem
ganzen Wirtschaftsleben mitteilte, hat auch einen so allgemeinen
Bedarfsartikel, "wie es die Herrenwäsche ist, nicht versk^hont.
Der Konsum hatte einen Kückgang zu verzeichnen, wie er lange
nicht dagewesen ist. Das erste Quartal brachte noch zufrieden-
stellende Aufträge, aber mit dem Osterfeste trat eine Greschäfts-
stillo 'ein, Hie durch den geringen Verka,uf der Detaillisten her-
vorgerufen \vurde.
Die politischen tJnruhen und daä damit verbundene Sinken
der wirtschaftlichen "Werte schreckte das Publikum ab, die sonst
üblichen Ergänzungen des Wäschevorrats vorzunehinen. Die
Folge war ein Eestliegen der reichlich sortierten Läger der De-
taillisten. Hand in Hand mit dem Ausbleiben der Aufträge ging
naturgemäß das Hinausschieben der Zahlungsfristen, denn die
Abnehmer konnten Hie nötigen Mittel infolge des daniederliegenden
Verkaufs nicht flüssig machen. Die Hoffnung auf den Sommer,
dessen Temperatur häufigen Wäschewechsel und demgemäß ge-
steigerten Konsum mit sich zu bringen pflegt, wurde durch kalte
und regnerische Witterung völlig zu nichte.
Das Auslandsgeschält ^bewegte sich, soweit der Kontinent
in Betracht kommt, in etwas erweiterten Grenzen, konnte aber
die Stille Hes Inlandgeschäftes nicht wett machen. Noch nie
ist aber der Mangel eines hinreichend g*roßen überseeischen Ex-
portes in der Herrenwäschebranche so schwer empfunden worden,
wie in diesem Jahre wirtschaftlichen Niedergangs. Die einst in
hoher Blüte stehende Ausfuhr deutscher Herrenwäsche wird durch
die deutsche Zollpolitik bis auf vereinzelte Ausnahmen sehr stark
beeinträchtigt. Diese Politik hat eö zuwege gebracht, daß ent-
weder die überseeischen Länder selbst eine Industrie begründet
112. Wä?che -Fabrikation, -Konfektion und -Handel.
395
haben oder ihren Bedarf aus Ländern mit billigeren Arbeitslöhnen
beziehen. Weiter wird die deutsche Herrenwäsche-Industrie in
ihrer Entwicklung "gehemmt durch den Zoll auf englisches Leinen,
der England oder anderen Ländern mit Restitutionsver fahren
einen A'orsprung uns gegenüber gewährt, und den die Reichs-
regierung nicht abschafft, trotzdem si^e weiß, daß die deutsche
Herrenwäschefabrikation das inländische Leinen nicht verwen-
den kann.
Das Ausbleiben der Aufträge zwang die deutschen Herren-
wäschefabrikanten Lagervorräte zu arbeiten, um sich die lange
Jahre zu ihrer Ausbildung brauchende Arbeiterschaf t zu erhalten.
Bis zum Anfang des So^mmers häuften sich dies-e Vorräte derart
an, daß sie eine Gefahr für das Preisniveau wie auch für die
Kapitalskraft zu werden drohten. Es blieb daher nichts anderes
übrig, als zu einer Verkürzung der Arbeitstzeit zu schreiten, die
bis in den Spätherbst hinein aufrecht erhalten wurde. Vom Ok-
tober ab belebte sich das Inlands geschäft ein wenig, erreichte
aber nicht im lentfern testen die Höho der Vorjahre.
Die Verkaufspreise waren i — ■ der Unlust des Käufers tmd
der Beschäftigungsnot des Verkäufers entsprechend — gedrückt
zu nennen, trotzdem die Rohbtoffe im Preise nicht wichen,
leinene Gewebe vielmehr -einen außerordentlich hohen Stand auf-
wiesen. ' )
Die Löhne der Arbeiter blieben unverändert, da sie durch
Tarifvertrag festgelegt sind. Dementsprechend waren auch Ar-
beitsniederlegungen oder ernstliche Streitigkeiten nicht zu ver-
zeichnen. I
Die Mode brachte im Berichtsjahr in Kragen den Stehumleg-
kragen mit der langen Spitze, der leise an den „Liegkrajgen"
aus Großvaters Zeit erinnert. — In Hemden hat sich eine Ge-
schmacksänderung insofern vollzogen, als das farbige Hemd eine
Einbuße gegenüber dem weißen erlitten hat. Ob der Kückgang
in den Aufträgen auf farbige Hemdein auf die lUebersättigujig'
des Geschmacks oder auf den allgemein schlechten Absatz in
Wäsche zurückzuführen ist, das wird die Zukunft zu erweisen
haben.
Betriebsein-
schränkungen.
Preise.
Löhne.
Mode.
Zweiter Bericht.
Der Umsatz in D'amenwäsche war .auch im Berichtsjahre
nicht völlig zufriedenstellend und hielt sich kaum auf der Höhe
des Vorjahres. Bedingt wurde diese ungünstige Lage teils durch
die Witterung, teils durch die Folgen des' politiscb so unruhigen
Jahres 1912. In den Bestellungen machte sich gToße Zurück-
haltung geltend, da offenbar die Detailkundschaft wenig Geld
aufbringen konnte. Aus diesem Grunde war die Zahlungsweise
vielfach noch schleppender als früher 'und ließ recht viel zu
wünschen übrig. Der UeberSeeexport gestaltete sich immer
Zweit erBericht.
Damenwäsche.
396 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
schwieriger. Namentlich in 'den bessiei^en Artikeln der Branche
war der UmsatÄ durchaus unbefriedigend, weil die hohen Zölle
die Preisbildung immer ungünstiger beeinflußten und weil die
Waren schon vielfach in den Ländern selbst hergestellt werden,
die bisher dafür ein recht gutes Absatzgebiet bildeten. Das gilt
namentlich von Nordamerika. Die englisdhen Kolonien wieder
werden durch England mit so billigen AVaren versorgt, daß eine
ausländische Konkurrenz nicht aufkommen kann. Und Nord^
amerika kann nur hand^enäJite Sachen gebrauchen, die sich in
Deutschland bekanntlich nicht -herstellen lassen. Der Einkauf
von Stickereien war etwas vorteilhafter als im Jahre 1912, da
besonders die Schweizer Fabrikanten infolge Nachlaseens ihrer
amerikanischen Greschäite gezwungen waren, mit den Preisen
herunterzugehen, um ihre Stühle besetzen zu können. Die Preise
der Rohstoffe zeigten izuerst fallende, |gegen Ende des Jahres
aber steigende, feste Tendenz.
Ueber die einzelnen Zweige der Damen\väschefabrikation
ist folgendes zu bemerken. Bei den Damentaghemden änderten
sich Formen, Garnierungen und Stoffe im allgemeinen nicht.
Der spitze Ausschnitt kam infolge der Kleidermode wieder
etwas mehr in Aufnahme, viereckige und runde Ausschnitte
Waren jedoch weiter recht beliebt. Die Garnier ungen be-
standen hauptsächlich aus Batist, Nansoc und Mullstickereien
und waren zum Teil mit Valencienne- und Torchonspitze
inkrustiert. Die letzteren Genres waren schließlich etwas
weniger beliebt als früher. Handgestickte Hemden wurden sehr
begehrt. Auch wurden größere Kollektionen in imitierten Hand-
stickereien gebracht. Das Madeiragenre wird dageg'cn von der
Kundschaft fast gar nicht mehr verlangt. Nachthemden wurden
wie im Vorjahre mit viereckigem und rundem Ausschnitt, halben
tind dreiviertel AermeLn gebracht. Hochgeschlossene Nachthemden
wurden meist nur in billigeren Preislagen verlangt. Sehr beliebt
waren dtinnfädige Stoffe. Besonders trat dies bei dreiteiligen Gar-
nituren, bestehend aus Taghemd, Nachthemd und Beinkleid, her-
vor. Aber auch zweiteilige Garnituren, aus Taghemd und Bein-
kleid bestehend, erfreuten sioh großer Beliebtheit bei der Kund-
schaft tmd wurden bis in die höchsten Preislagen hinaufgekauft,
In Beinkleiderfassons trat kaum eine Aenderung ein. Hauptsäch-
lich wurden Kniebeinkleider verlangt in runder, gerader Jind eckiger
Form, die in den höheren Preislagen zum Teil im Rumpf reich
garniert waren. Die Mode der engen Kleiderröcke hat natür-
lich auf sie eingewirkt, und man ist bestrebt gewesen, Bein-,
kleider zu beschaffen, die möglichst wenig auftragen. Trotzdem
wurden auch kurze, weite Beinkleider noch gern gekauft. Be-
liebt waren geschlitzte, zu den Kleidern gleicher Mode passende
Röcke. An Stelle des Anstandsrockes ist vielfach das Directoire-
Beinkleid in Aufnahme gekommen, das von vielen Kunden
112. Wäsche -Fabrikation, -Konfektion und -Handel.
397
bevorzugt wird. Besonderen Anklang fanden die Beinkleider
aua Seidenmilanese. Viel verlangt wurden nach wie vor Hemd-
h'osen und Prinzeßröcke. Besonders in |der mittleren Preislage
wurden gute Erfolge erzielt. Der Umsatz von Unter taillen war zu-
friedenstellend, deren Eassons verschieden waren, von denen jedoch
die sogenannte amerikani&öhe Fasson bevorzugt wurde. Neglige-
jacken wurden nur iq niedrigen Preislagen begehrt, doch war das
Greschäft darin von keiaer großen Bedeutung. Matines und Fri-
siermäntel wurden gut verkauft. Eine abwechslungsreiche, der
Mode angepaßte Kollektion in diesen Artikeln erwies sich als
recht vorteilhaft. Besonders beliebt war die Verarbeitung von
Punktmull zu diesen Gregenständen. Kinderwäsche wurde gut
verkauft. Auch hieria wurden ganze Garnituren zusammengestellt
und fanden üiren Absatz. Auch im abgelaufenen Jahre machte
sich ein fühlbarer Mangel an Directricen für die Wäschebranche
bemerkbar, trotzdem hohe Gehälter für diese Posten ausgesetzt
sind.
Dritter Bericht.
Das Jahr 1913 hat leider gar nicht den Erwartungen ent-
sprochen, die man namentlich in Hinsicht auf das noch ziemlich
günstige Weihnachtsgeschäft des Vorjahres für seinen Verlauf
gehegt hatte. Der Krieg auf dem Balkan, die infolgedessen oft
sehr nahe Möglichkeit eines Weltkrieges, die allgemein vorhandene
Ueberproduktion und die dadarch teilweise hervorgerufene große
Arbeitslosigkeit haben auch den Verkauf von Damenwäsche sehr
ungünstig beeinflußt. Trotz der größten Anstrengungen war es
nicht möglich, den Umsatz des Vorjahres zu erreichen, zumal eng
anliegende Trikotagen als Unterwäsche immer mehr bevorzugt
wurden und so der Diamenwäschc fühlbare Konkurrenz machten.
In den Fas&ons hat sich im Berichtsjahre nicht Wesentliches
verändert. In 'einfacheren Taghemden wurden nur noch die glatten
Rümpfe verlangt, die meistens mit viereckigem Ausschnitt ge-
arbeitet wurden. Als Garnier ung wurden vielfach Stickereien
in Verbindung mit Maschinen -Hohlsäumen verwendet. In ele-
ganteren Hemden wurde die Empire-Form bevorzugt, die zu be-
sonders reichen Garnierungen auch in effektvollen '^lull- und.
Gambric- Stickereien Gelegenheit bietet. Als möglicher Ersatz für
das rumpfgestickte Taghemd in Handarbeit wurden maschüien-
gestickte Muster in sehr reicher, geschmackvoller Ausführung
auf den Markt gebracht. Diese Maschinenarbeiten haben auch
große Aussichten, weil mit ihnen die Abhängigkeit von den Haad-
stickerinnen aufhören würde, die nur im Winter größere Quanti-
täten arbeiten können, während sie im Sommer fast ausnahmslos
auf dem Felde arbeiten. In Nachthemden ist der Bedarf weiter
gestiegen. Auch hier wurde sehr viel der viereckige i^usschnitt
verlangt. Sehr beliebt waren Hemden mit halblangem, weitem
Dritter Bericht.
Allgemeines.
Damenwäsche-
398
VII. TextiÜiidustiie und Verwandtes.
Kinderwäsche.
Bettwäsche.
Ausgerüstete
Baumwoll-
wai'en.
Aermel, der teils mit giatter, teils mit krausar Stickerei besetzt
und auch häufig ganz durchgarniert wird. In eleganten Formen
war audi bei den Nachthemden die Empire-Form sehr beliebt.
In Beinkleidern wurde nur die kurze, weite Knieform mit breiten,
glatt oder kraus angesetzten Stickereien verlangt. Die Bein-
kleider wurden weiter, der M'ode entsprechend, ohne Gurt mit Ab-
näher gearbeitet. Viel Nachfrage gab es auch nach der kurzen,
geraden (Culotte-) Form, die mit reichen Stickereien und auch
in Verbindung von Stickerei und Klöppelarbeit viel angefertigt
wurde. Jacken siad nur wenig- und auch hauptsächlich mit vier-
eekigem Ausschnitt verlangt worden. In wenigen, elegant ge-
arbeiteten Fasisons dienten dieselben schon Frisierzwecken. Herz-
förmig ausgeschnittene Frisier Jacken und -mäntel im Empire-
geschmack wurden, mit reichen MuUgarnierungen versehen, gern
.gekauft. Auch mit breitem Umlegekragen statt dex früheren
Stehkragen werden dieselben vielfach gearbeitet. Prinzeßröcke
wurden in sehr reicher Auswahl von den einfachsten bis zu den
(elegantesten Ausführungen der Kleiderm'ode entsprechend sehr
viel angefertigt. Weiße Unterröcke haben dagegen nur sehr ge-
ringen Absatz gefunden. Sie waren ebenfalls der Mode ent-
sprechend eng gehalten und wurden nur noch mit angesetztem
iVolant gearbeitet, teils vorn, teils an der Seite geschlitzt.
In Taghemden wurden nur noch glatte Fassons in dünnen
Stoffeai verlangt. Kinder-Naehthemden wurden auch gern, wie
die Damen-Nachthemden, viereckig ausgeschnitten gekauft. Auch
bei den Beinkleidern wurde überwiegend die weite Knieform in
geschlossener Ausführung gewünscht.
Durch die im vergangenen Jahre von neuem eingetretene
Preiserhöhung der Leinenqualitäten hat die Verarbeitung von
Baumwolle sich noch mehr gesteigert. Leinen wurde nur noch
zu Laken, Ueberlaken und Kopfkissen für bessere Ausstattungen
verlangt. Die Garnierungen bildeten für einfache Preislagen
Maschinenhohlsäume in Verbindung mit Maschinenstickerei, Platt-
stich und Madeira-Imitation, sowie Stickereien. Für teurere Preis-
lagen waren Handhohlsäume, Handstickereien und gute Stickerei-
Ein- und -Ansätze beliebt. In Plumeauxbezügen 'machte sich
ein größerer Verbrauch bemerkbar.
Im ersten Quartal des Berichtsjahres war das Geschäft in
ausgerüsteten Baumwollwaren recht zufriedenstellend. In Ka-
liko tqualitäten, die nach wie vor bevorzugt wurden, war AVare
knapp. Denn die Webereien waren zu guten Preisen reichlich
beschäftigt und blieben mit Lieferungen im Rückstand. Um
größere Aufträge, die von der Wäschekonfektion gegeben worden
waren, einigermaßen pünktlich zu erledigen, wurden Angebote öster-
reichischer Webereien gern aufgienommen. Diese letzteren ent-
schlossen sich nämlich, wegen der ihr reguläres Geschäft lähnieii-
den Balkanwirren Hohware selbst zu verlustbringenden Preisen
112, Wäsche-Fabrikation, -Konfektion und -Handel.
399
nach Deutschland zu verkaufen, so daß diese trotz des Zolles
mit deutschem Fabrikat konkurrieren konnte. Im zweiten Quar-
tal veränderte sich die Situation vollständig. Während die
AVäschekonfektion bisher um Ware verlegen gewesen war und
auf Lieferung gedrängt hatte, machte sich jetzt ein ste,tes Ab-
flauen des Bedarfs bemerkbar, so daß die Läger in gebleichter
Stückware mehr und mehr anwuchsen. Neue namhafte Geschäfte
konnten 'zxmäehst [nicht abgeschlossen werden, und erst als führende
Firmen — und zwar unberechtigter Weise — mit den Preise/n
heruntergingen, konnten größere Abschlüsse erzwungen werden.
Auch zu Anfang des dritten Quartals ließ das Geschäft noch
viel zu wünschen übrig. Erst als die Hohweber durch mangelnde
Beschäftigung gezwungen waren, ihrerseits zu verlustbringenden
Preisen die Ware per viertes Quartal anzubieten, setzte der
Verkauf auf Grund dieser Einkaufspreise lebhaft ein imd wurden
größere Abschlüsse gemacht. Mit Anfang des vierten Quartals
schwand die Hoffnung auf Räumung der Läger sehr bald. Die
Käufer hielten mit Abforderungen in Ware sehr zurück, so daß
man weiter mit großen Lagern für Ende des Jahres rechnen
mußte. Charakteristisch für die Situation im Handel mit Aus-
rüstungswaren war, daß man Mitte November noch nicht geneigt
war, den Bedarf für das erste Quartal 1914 zu decken, wa^
seit vielen Jahren nicht vorgekommen ist.
In den Qualitäten hat sich im Berichts]" alire nichts ver-
ändert. Die Ansprüche an die Musterauswahl sind dagegen wo-
möglich noch gestiegen. Das Kaufpublikum verlangte in jeder
Preislage, auch in billigerer, die elegantesten Zeichnun^gen.
Neuerdings wurden vereinzelt Figuren und heraldische Muster
verlangt. Bundes Tischzeug hat etwas nachgelassen, die Kund-
schaft war teilweise der Ansicht, daß sich rundes Tischzeug in
der Wäsche nicht so gut bewähre wie eckiges. Als Ersatz in
besseren Qualitäten wurden [viereckige Tischtücher in runden
Mustern gekauft. Dagegen wurden runde, buntgewebte und be-
druckte Kaffeedecken noch stärker gefragt. Soweit nicht weiße
Kaffeezeuge mit Durchbrüchen bevorzugt wurden, wurden für
diesen Zweck höchstens feinfarbig©, merzerisierte Kafföegedecke
verlangt. Iii Luxus-Tischwäsche war neben Filet, Wickel a jour
und Klöppelspitzen neuerdings wieder Madeira beliebt.
Kräuselstoff-Handtücher und -Laken wurden immer noch in
weiß bei weitem bavorzugt. Der Artikel führte sich auch 1913
immer mehr ein. Doch war der Umsatz in mittleren und besseren
Qualitäten am größten.
Stubenhandtücher Avurden in gediegenen Qualitäten bevor-
zugt. Auch Gerstenkorn-Handtücher aller Preislagen wurden
viel, hauptsächlich auch für Küchenzwecke, gekauft. Der Ver-
brauch darin wuchs stetig und wurde durch die unsachgemäße
Behandlung im Gebrauch und in der Wäsche besonders gesteigert.
400
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Bettstoffe
Taschentücher.
Trikotagen
und Strümpfe.
Die Preise für Leinen^ewebe zogen im zweiten Halbjahr 1913
bedeutend an. Ganz besonders stiegeoi die Preise für starke
Gewebe.
Während auf anderen Gebieten die Qualität! häufig ständig
verringert wurde, weil die KonJilirrenz stets danach trachtet,
billige Sorten in den Verkauf zu bringen, zeigte sich' bei Inlett-
stoffen das gerade Gegenteil. Es wurden selbst von einfacher
Kundschaft nur mittlere und beste Qualitäten gekauft. Am
beliebtesten waren nach wie vor die Qualitäten in glattrot.
Daneben wurden feine Farben, passend zu den Farben der Schlaf-
zimmereinrichtung, gekauft.
Die zu Anfang des Jahres einsetzende Baisse für Baumwoll-
gewebe hatte zur Folge, daß man sich in allen Arten baum-
wollener Taschentücher vorteilhafter decken konnte als im ver-
gangenen Jahre. Dagegten hielt die Steigerung der Leiuenpreise
an, so daß man genötigt war, für einen großen; Teil des Bedartfs
höhere Preise anzulegen. Wie in vielen anderen Artikeln kam
auch in Taschentüchern der Phantasiegeschmack mehr zur Geltung.
Abgesehen von den glattleinenen Tüchern für Herren, ist der
Bedarf in glattleiricnen Damentüchem erheblich zurückgegangen.
Letztere wurden immer mjehr durch Ziertücher verdrängt, be-
sonders durch solche aus Batistgeweben mit Hohlsaum, die auch
bei Herren schon recht großen Anklang finden. Ein bedeutender
B/ückgang war auch in diesem Jahre in besseren, farbigen Tüchern
festzustellen, dafür wurden in Phantasietüchem mit Hand- und
Maschinenstickereien größere Kollektionen gemacht. Plauen, das
hierin weitere Fortschritte zeigte, lieferte den größten Teil der
handgestickten Muster. Aufträge in Maschinenstickereien gingen
dagegen wiederum vorwiegend nach der Schweiz. Die s.chlechte
Einfuhr in Madeiratüchem hielt auch im abgelaufenen Ge-
schäftsjahre an. Trotz der hierfür bewilligten höheren Preise
blieb ein großer Teil der erteilten Aufträge unausgeführt. Ganz
bedeutend stieg der Konsum in den verschiedenen Arten von Buch-
stabentüchern, auch hierin wurden neue, geschmackvolle ^Muster
gefragt.
Im Jahre '1913 ,k!onnte die Trikotagenbranche nicht so
günstig arbeiten wie im Vorjahre. Zwar drückte die allgemeine
wirtschaftliche Lage nur teilweise auf den Verbrauch besserer
Luxusartikel, dafür beeinträchtigte aber die durchweg ungünstige
AVitterung des Jahres den Umsatz vieler Artikel um so mehr.
Wurden doch z. B. in porösen Trikotagen und Trikotbadeanzügen,
die sonst in der heißen Jahretszeit viel gekauft wurden, fast
gar kein Umsatz erzielt. Wenn trotzdem noch befriedigende
Resultate zu verzeichnen waren, so war die® bei Herren-
Trikotagen dem guten Verkauf der glatten Makoqualitäten, dem
verkäuflichsten Trikotgewebe für jede Jahreszeit und jede
112. Wäsche-Fabrikation, -Konfektion und -Handel. 401
iWitterung, zu danken. Ebenso wurden Trikotoberhemden mit
aufgesetzten Einsätzen viel verkauft. Neu waren kurze Knie-
beinkleider für Herren, die guten Anklang fanden, und elastisch
feingewirkte Herren-Hemdhosen, beides Artikiel, die nach ameri-
kanischer Art in Deutschland hergestellt werden.
In Damen-Trikotagen war das Direktoirebeinkleid "noch von
größerer Bedeutung als im Vorjahre, um so mehr, als auch!
das Ausland diesen Artikel in allen Qualitäten, auch in feiner
Seide, viel bezieht. Als neu seien noch genannt das Direktoire-
beinkleid und die Damen-Hemdhose mit Reformklappe, ersteres
als Ersatz für d^s ßeformbeinkieid. Sehr begünstigt von der
Mode war das gestickte Sp'ort Jackett in Wolle, Seide» und nament-
lich in Kunstseide, in mehrfarbigen und einfarbigen Clustern.
Als aparte Neuheit führte sich das Golf Jackett mit Kimonoärmeln
und herumgehendem Gürtel gut ein. Bei diesen sowohl als auch
bei Sportjacketts fanden die neuen tang-o und zerise Farben-
töne viel Anklang. Kindersweater (auch mit passenden Höschen
für Knaben) führten sich immer mehr ein, da dieser Artikel',,
in Qualität verbessert, infolge seiner Solidität und Preiswürdigkeit
für Schule und Haus sich als außerordentlich praktisch erwiesen
hat. Auch Matix)sensweater für Mädchen mit passendem Trikotr
röckchen fanden ebenso Zuspruch wie Trikotkittelanzüge. Der
immer mehr betriebene Sport hatte auch einen steigenden Bedarf
in Sporttrikotagen zur Eolge. Damenstrümpfe hatten größten
Umsatz ; auch hier war die Mode außerordentlich günstig. Neben
dem Hauptverbrauch in schwarz wurden, zu den Schuhen passende,
braune, graue und Champagne Farbentöne sowie weiße viel ge-
kauft. Musselin sowie Seidenflor waren in glattem Gewebe und
mit Durchbruch-Zwickel sehr modern. Als sehr verkäuflich be-
währte sich der seidene Strumpf mit Flor-Oberteil, und -Sohle,
der dem ganzseidenen Strumpf bedeutenden Abbruch machte. Als
neuer Artikel sei noch der nach amerikanischer Art in Deutsch-,
land hergestellte, seidene Damenstrumpf mit Florrand und Flor-
sohle ohne Naht genannt, wie denn überhaupt immer feinere
Strumpfmarken mit Füßen ohne Naht fabriziert und verkauft
werden. In dieser Ausführung fand auch der Hauptabsatz in
Herrensocken statt. Auch diese wurden feinmaschig und ohne
Naht bevorzugt. Kinderstrümpfe und -Söckchen, letztere haupt-
sächlich mit wollenen Rändern, die das Eutschen verhindern
sollten, waren beachtenswerte Artikel. Der Einkauf hatte infolge
der Steigerung sämtlicher Rohmaterialien wiederum mit höheren
Preisen zu rechnen, so daß Preiserhöhungen, hauptsächlich bei
wollenen Qualitäten, bis 10 o/o nicht selten waren. Um nicht die
sich stetig steigernden Erhöhungen bezahlen zu müssen, war man
genötigt, sich reichlich einzudecken, woraus wohl auch der hohe
Beschäftigungsgrad in der Trikotagen- und Strumpfbranche zu
erklären ist.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 26
402
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Oberhemden.
Pyjaaias und
Sporthemden
Kragen und
Manschetten.
Der bunte Oberhemdenartikel hat auch im Berichtsjahre seine
enorme Zugkraft bewahrt. Hierzu trugen die großartigen Aus-
musterungen in Druck- und Webwaren bei. Die Dessins bewegten
sich fast ausschließlich in einfachen, zarten, dezent gehaltenen
Streifen in allen möglichen Variationen. Der Grundstoff zeigte
nicht nur glatte, sondern auch Jacquard- und Ripseffekte. Der
größte Teil war wieder hellgrundig, die Hauptfarben waren blau,
schwarz, lila, grün und gold. In weißen Oberhemden wurden
das Pique- und Satingenre am meisten begehrt. Der halbweiche
und steife Einsatz aus Pique mit kleinen, eiage webten Figuren,
Satinstreifen oder Kordeln herrschte neben der schmalen, feinen
Eippe in der vielseitigsten Ausgestaltung. In Nachthemden
kamen einige Neuheiten der Formen und Garnierungen heraus,
deren Charakter der verschiedenartige Kragen mit dem offenen
Ausschnitt war.
Die Macharten bewegten sich im bisherigen bewährten Genre,
das der Bequemlichkeit, Kleidsamkeit und Gesundheitszuträg-.
lichkeit dient und sich auf Reisen, Touren, bei Sport und Spiel
als praktisch bewährt hat. Besonders zu erwähnen ist die neue
Robespierre-Form, die fortgesetzt neue Anhänger gewann. Ox-
fords, Flanelle, Waschseide und Bengalines, Popeline, Frottes
und Krepp waren die begehrtesten Stoffarten. Hierbei sei auch
der weiche Panama-Sportkragen in seinen neuen Formen erwähnt,
in dem ein außergewöhnlicher Absatz erzielt wurde.
In Herrenkragen ist im Berichtsjahre der neuartige Steh-
umlegekragen mit spitzen Ecken, die vorn nahe zusammengehen
und nur eiaen kleinen Zwischenraum lassen, speziell zum Cut-away
in Aufnahme gekommen. Aber auch eckige Kläppchenkragen,
sowie die runden amerikanischen Fassons, ferner gerade Steh-
kragen (rund und eckig), erzielten großen Absatz. In Serviteurs
wurden bunte Garnituren, femer glatte, leinene, weiche Pique-,
BattLst- und Satingenres abgesetzt. Besonders Frackserviteurs in
Macharten wie die Öberhemdeinsätze hatten große Nachfrage.
In Manschetten blieb es bei der bisherigen runden und eökigen,
ein- und Izweiknöpfigen und Kettenform. Es machte sich bei diesem
Artikel sehr fühlbar, daß der allergrößte Teil der bunten und
weißen Oberhemden nunmehr mit festen Manschetten getragen
wird. Die Mode in Kinderkragen, Hemden und Serviteurs richtete
sich wiederum nach der Herrenmode.
Vierter Bericht Vierter Bericht.
Allgemeines. Die allgemeüi ungünstige wirtsdhaftliche Lage ist auch auf
die gesamte Wäschebranche nicht ohne Einfluß geblieben. Trotz-
dem kann aber wohl behauptet werden, daß bei der augenblick-
lichen wirtschaftlichen Depression die WäÄchebranche von allen
Mauufakturwarenzweigen am glimpflichsten davon gekommen ist.
112. Wäsche -Fabrikation, -Konfektion und -Handel. 403
Wäsche ist, eben abgesehen von einigen Luxusgenres, ein zu not-
wendiger Konsumartikel, als daß sich Einschränkungen bei
schlechten Zeiten besonders empfindlich geltend machen können.
So sind denn Umsatzrückgänge in erster Linie in teuren und
teuersten Preislagen zu verzeichnen gewesen, während Mittel-
g*enres und Stapelartikel ihren Konsum größtenteils halten konnten.
Es sei noch erwähnt, daß infolge der weiteren Steigung der E/oh-
materialien, besonders Leinengarne, Preiserhlöhungen nioiht zli ver-'
meiden waren.
Der Umsatz in fertiger Damenwäsche hielt sich ungefähr Damenwäsche
auf der Höhe des Vorjahres. In einfachen Genres haben dieselben
Eormen und Stoffe wie 1912 Verwendung gefunden. Taghemden
in einfacher Priesenform oder Achselschluß mit Trimming bzw.
Handlanguetten wurden nur noch vereinzelt gekauft. Die Haapt-
form repräsentierte das glatt taillierte Hemd mit Hohlsäumen
oder auch Maschinenstickereien in reizenden Dessinö garniert.
INachthemden wurden aus leichten Stoffen, halsfrei und mit
Kimonoschnitt bevorzugt. Hübsche Stickereien, Klöppel-Imita-
tions- und auch farbige Besätze dienten zur Garnierung. Knie-
beinkleider wurden gleichfalls meist aus leichten Stoffen gewünscht
und nur das noch wenig gekaufte Passenbeinkleid fertigte man
aus kräftigem Stoff mit soliden Stickereiein- und -ausätzen. Die
Oamierung bestand meist aus breiten Stickereien mit Stidkerei-
banddurch Zügen oder Einsätz'cn aus Klöppelstickereien mit breitem
Saumabschluß. Das geschlossene Beinkleid hat wieder an Beliebt-
heit gewonnen, auch wurden nicht nur einfache Genres, sondern
die elegantesten Ausführungen verlangt. Für die elegante Wäsche
bevorzugte man die zwei- und dreiteiligen Garnituren. Man ver-
arbeitete zu ihnen in erster Linie feine meroerisierte Stoffe und
fertigte die Beinkleider und Taghemden nach Möglichkeit noch
enger und kürzer als bisher. Die Nachthemden erhielten meist
tiefsn Ausschnitt und ganze kurze Aermel. Für die eleganteren
Oenres fanden Garnierungen aus feinen Spitzen, Mullstickereien
verscÜiiedenster Motive mit reichen Bandausschmückungen Ver-
wendung, während gegen Ende -des Jahres das Neueste und Schickste
Garnituren aus Tüll mit feinen Valenciennespitzen und Seidenband-
durch'zügen und -schleifen waren. Der Anstandsrock verschwindet
immer mehr, an seiner Stelle ist das Direktoirebeinkleid ein Mode-
artikel geworden, in einfacher Ausführung aus Baumwolle, Woll-
trikot in den verschiedensten Farben, in eleganter Verarbeitung
aus Seidentrikot mit plissiertem Volant oder Spitzengarnierung
gefertigt. Die Ansprüche an die Untertaillen sind durch die an-
haltende Blusenmode noch gesteigert worden. Da Blusen meist
aus dünnen leichten Stoffen getragen wurden, ist eine garnierte
Untertaille erforderlich geworden und so der Luxus für diesen
Artikel zur Entfaltung gekommen. Hübsehe Handstickereien,
unterbrochen mit Valenciennespitzen, daneben Spachtel-, Spitzen-
26*
404 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
und KlöppeleiRsätze wurden viel verarbeitet. Als modernste Aus-
sdhmüdkung brachte man Tüll mit hübschen Verzierung-en. In
den billigen Genres wurde die amerikanisdhie Form gern gekauft.
Auch.' hier gab es gesohmack volle Garnierungen, z. B. kleine
Stickereien mit Banddurdh'zügen und Klöppelimitationen. In
Matiaes und Frisiermänteln waren keine besionderen Neuerungen
vorzumerken. Sehr hübsch und graziös war die Empireform aus
feinem Stickereistoff mit Taillenabsdhluß und breitem Banddurch-
zug. Kurze zierliche Formen und reiche Gamierungen aus Valen-
ciennespitzen, Spachtelmotiven, auch Mullhandstickereien wurden
bevorzugt. Für den billigen Genre wurden in diesem Jahr sehr
viel Kragen ia einem schönen Farbensortiment in den Handel
gebracht. Die Formen für Promenadenröcke sind ungefähr die
gleichen geblieben, d. h. die Röcke sind immer noch so eng,,
dabei duftig und reich garniert, meistenteils mit Valenciennespitzeni^
und Mullstickereien, auch Handstickereien mit Klöppelzwischen-
sätzen. Flache, anschmiegende Garnierung war Hauptbedingung.
In ähnlicher Ausführung wurden die Prinzeßröcke gefertigt, ein.
Artikel, der sich' sehr verbreitet hat, da er unter jedes leichte,,
elegante Kleid gehört..
Kiaderwäsche. In,' Baby- uud Kinderwäschc blieben die Umsätze im Be-
richtsjahre auf der Höhe des Jahres 1912. Hinsichtlich des Ma-
terials und der Garnierungen waren wesentlichie Veränderungen
nicht zu verzeichnen. Für Babywäsche wurden feine, weiche und
poröse Baumwollstoffe bevorzugt. So hat speziell das weiche
Stoff Jäckchen das gewirkte bzw. mit der Maschine gestricJite
Jäckchen, das früher viel gekauft wurde, ziemlich verdrängt.
'Von Windeln und Einlagen waren die aus porösen Stoffen, die
sich' gut waschen lassen und leicht trocknen, am begehrtest v^^n.
An Stelle des Wickeltudhes war der Wickelrock, der dem Kinde
ohne Wickelband vollständigen Halt gibt, stark gefragt. Für
Küiderhemden und -Beinkleider wurden hauptsächlich gute, halt-
bare Stoffe gewählt, doch kamen auch feinere Qualitäten zur
Verwendung. Das glatte oder sogenannte ßeformhemd war sehr
beliebt und wurde viel gekauft. Beinkleider wurden meist ge-
schlossen getragen. Das Kjiiebeinkleid war am begehrtesten, da,
es weiter und daher bequemer im Tragen ist als das Passen bein-
kleid. Die Naehtjacke ist durch das Nachthemd stark in deu
Hintergrund gedrängt. Worden. Von letzteren wurden solche mit
viereckigem Ausschnitt am stärksten verlangt. Für lileinere
Kinder im Alter bis zu vier Jakren wurde gern der Nachtrock
gewählt und daneben der Bettsack, der unten geschlossen ist und
so das Bloßliegen der Kinder verhütet. Viel gekauft wurden
auch' Warmhüllen zum Schutz gegen Kälte für Kinder im Sport-
wagen. Dieselben sind aus farbiger oder weißer Wolle gestrickt,,
an der Seite zum Knöpfen eingerichtet und unten geschlossen als.
Sack mit und ohne Lehne gearbeitet.
112. Wäsche -Fabrikation, -Konfektion und -Handel. 405
Die Umsätze in bunten Oberliemden waren wieder recht be-
tieutende. Dieser Artikel der Branchie hatte auch im Jahre 1913
den Vorzug, daß sein Verkauf iu jeder Beziehung gut war. Die
Formt n blieben unverändert und auch! die Muster waren wenig
abweichend von den vorjährigen. Kleine, abgesetzte Musterchen
auf weißem Grunde und klassische Streifen blieben bevorzugt,
dunkeigrundige Sadhen wurden wenig gefragt. Mehr in Auf-
nahme kamen sogenannte Druök-Zephyre, die iu billigeren Preis-
lagen sehr schön herausgebracht, gern gekauft wurden und so
den farbig gestreiften, durchgewebten Zephyren starke Kon-
kurrenz machten. In weißen Oberhemden behaupteten sicih die
mit weichen Pique- und Leinen-Längsfalten, während der große
Konsum- Artikel früherer Jahre, das steife Oberhemd, mehr und
mehr ins Hintertreffen gerät. Nur für den Frack blieb der steife
Einsatz noch begehrt und mit Recht; denn die großen Westen-
ausschnitte verlangen solchen kategorisch. Das in Amerika so
sehr beliebte Eock-Oberhemd kann hier nicht so recht in Aufnahme
kommen, die Kundschaft kehrte zum Teil wieder zur alten Form
zurück. Hing-egen ist der Konsum in Hemden mit halben Aermx^dn
für abknöpfbare Aermelmanschetten mit Rücksicht auf die großen
Vorzüge dieses Systems ein steigender, da auf die feste Man-
schette größerer Wert gelegt wird. Weiße Herrentaghemden mit
und ohne Brustfalten haben in ihren Umsätzen etwas nachge-
lassen, während Nachthemden mit bunten Besätzen in befriedi-
genden Mengen verkauft wurden, namentlich' kommen die hals-
freien mehr und mehr in Aufnahme. Zufriedenstellend war auch
der Verkauf in weißen und ecrufarbigen Sporthemden. Baum-
woU-Panamas, Etamines und poröse Stoffe standen im Vorder-
grand, während diejenigen Materialien, die früher für den Sport
hauptsächlich maßgebend waren, wie Flanell in Wolle und Baum-
wolle, Seide usw. nur noch wenig Abnahme fanden. Sdhlaf-
Anzüge, die erst in den letzten Jahren mehr Beachtung fanden,
haben sich durch die Mannigfaltigkeit ihrer Ausführungen gut
eingebürg">ert und erzielten bereits nennenswerte Umsät,ze. Das
Geschäft in Knabenhemden ist mäßig zu nennen. Besonders reger
Nachfrage erfreuten sich noch die Hemdchen mit Kieler -Aus-
schnitt, d. h. Hemden für die sogenannten Kieler Anzüge. Auch
Nachthemden mit bunten Börtchen wurden gut umgesetzt. Auch
Kragen, Manschetten und Serviteurs hatten unter der allgemeinen
ungünstigen Lage wenig zu leiden, es wurden die Umsätze des
vergangenen Jahres ungefähr erreicht. Mit Ausnahme des Cuta-
Avay-Kragens, der sehr hübsche Umsätze erzielte, hatten die
meisten Neuheiten, ihrer Phantasie-Formen wegen, die fast bis
an die Grenze des Bizarren gingen, wenig Glück und erfuhren bei
der Solidität des großen Publikums zum größten Teil eine Ab-
lehnung. Dagegen hielten sich sämtliche Formen, die bisher die
Herrschaft ausübten. Manschetten sind heute ein Artikel ohne
406
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
große Sonderbedeutung. In Chemisettes bzw. Serviteurs wurden
weniger günstigte Resultate erzielt, allein die bunten Garnituren
erfreuten sidh' reger Nachfrage.
Tisoiiwäsche. Der Umsatz in Tischzeug'3n im Berichtsjahr litt unter der
weiteren Leinengarn- Verteuerung, die (Cin Anziehen der Preise
auch für die fertige Ware bedingte und dem .großen Publikum
bessere Qualitäten immermehr als Luxusartikel erscheinen läßt.
So trat dann nur in billigen Genres und Mittelqualitäten gute
Nachfrage in Erscheinung. -Hervorgehoben zu werden verdient,
daß Brokat-Dama-st bevorzugt wurde, der infolge seiner relief-
artigen Ausrüstung und sehr eleganter, schöner Muster besonders
lockte. Für Ausstattungen wurde gern ein Dessin durchgehend
in allen Größen gewählt, um durch Aneinanderdecken für jede
Personenzahl eingerichtet zu sein. Was die Geschmacksrichtung
betrifft, so wurden die stilisierten Muster vollständig von natür-
lichen, gefälligen Blumen-, Ranken-, Kleeblatt- usw. Zeichnungen
verdrängt. Da runde Tische zurzeit sehr beliebt sind, kamen viele
runde resp. quadratische Tischzeuge mit rundem Muster auf dem
Markt, welche bis zu 350 cm Durchmesser fabriziert wui^den.
Als 'Kaffee- oder Teegedecke wurden ganz weiße mit Hohlsaum
oder solche mit farbiger kochechter Spritzmalerei besionders viel
gekauft. Für Speisezimmer wurden runde oder eckige Kochel-
leinendecken mit vollständig bedecktem Fond gern verwendet.
Hauptsächlich waren es Muster in französischem Geschinack, oder
solche nach alten Gobelins, die in schönen, ineinandergreifenden
Farben, jedem Wohnungsstil angepaßt, in den Handel gebracht
wurden. ' Als Tafelzierwäsche waren eckige, runde und ovale
Decken und Läufer in ganz weiß mit weißer Garnstickerei, Filet-
feldern, Spitzen usw. beliebt. Schließlich wurde als Neuheit ein
preiswerter Tafelschmuck in weiß, mit Einsatz und Spitzen in
allen Größen, für Tische, Büfetts, Anrichten, Tabletts, Teller,
durchgehend das gleiche Dessin, sogenannte deutsche Handarbeit
in Madeirastickereiausführung angeboten. Dieser Artikel fand
bei der Kundschaft wij.lige Aufnahme, da er billig ist und viel
hermacht.
Handtücher, Der Konsum in Handtüchern ist, wie schon im Vorjahre,
in den mittleren und billigeren Qualitäten gestiegen, während
er in den besseren und feineren Geweben zu wünschen übrig
ließ. Kräftige Hausmacher- sowie Gerstenkorntücher wurden am
meisten verlangt. Bemerkenswert erscheint, daß die Qualitäten,
welche eine weiche Ausrüstung hatten, vorgezogen wurden. Er-
freulich ist, daß trotz der erhöhten Preise Küchenwäsche auch
in teureren Qualitäten ihren Umsatz halten konnte, was wohl
auf die guten Erfahrungen der Hausfrauen mit der Haltbarkeit
der besseren Ware im Küchenbetriebe zurückzuführen ist.
Badewäsche. . Der Artikel Badewäsche hatte im Berichtsjahre einen weiteren
Aufschwung zu verzeichnen. An der Spitze standen Bademäntel,
113. Wäscherei.
407
die in entzückenden Formen und Farben gebracht wurden. Be-
sonders beliebt waren dunkle einfarbige, auch vornehme Streifen-
muster, die von Damen wie Herren vorgezogen wurden, da sie
sich im Hausgebrauch auch als Schlafrock resp. Morgenkleid
verwenden lassen. Auch Badeanzüge und Badehauben in reizen-
den Xeuheiten wurden viel verkaui't. Für iLnzüge wurde immer
mehr Trikotsto'ff verlangt und sehr hübsche Formen und Farben
auf den Markt gebracht. Badehauben zeichneten sich durch ihre
Auswahl aus. Dieselben waren oft^ was Form und Farben-
zusammenstellungen betrifft, kaum von einem Hut zu unter-
scheiden, doch wurden auch solche Formen trotz ihrer hohejn
Preise vom Damenpublikum ^gern erstanden.
Der Verkauf von Bettwäsche war im Berichtsjahre zufrieden-
stellend. Für Bettbezüge wurden hauptsächlich gemusterte und
glatte Baumwollstoffe gekauft, daneben auch Leinen. Bevorzugt
wurde der Verschluß mit doppelten Knopflöchern, da er be-
deutend praktischer ist als der mit Knopf und Loch. Bettlaken
wurden in Baumwolle, Halbleinen und vor allem in Keinleinen
umgesetzt. Für elegante Ausstattungen wurden hauptsächlich
Ueberlaken und Kissenbezüge aus Bielefelder Leinen mit Hand-
stickerei und echten Klöppelspitzen verarbeitet. Für einfachere
Ausstattungen wurden Ueberlaken und Kissenbezüge aus Baum-
wollstoff bevorzugt. Und zwar wurde meistens verwendet: IVäsche-
tucli mit Maschinen-Hohlsaum und Lochstickereien, oder Barmer
Spitzen, die an Aussehen und Haltbarkeit der echten Klöppel-
spitze nahestehen und dabei wesentlich preisXverter sind. Plumeau-
bezüge wurden wie bisher immer noch gern aus gemustertem
Mull oder Batist mit Volant gekauft.
Während die Wäschefabrikation im ersten Halbjahr noch
leidlich beschäftigt War, machte sich in der zweiten Hälfte des
Jahres leider ein merkliches Abflauen des Geschäftsganges be-
merkbar. Die Detaillisten, die am Anfang des Jahres noch recht
befriedigende Orders erteilt hatten, hielten, wohl mit Rücksicht
auf die allgemeine wirtschaftliche Depression, auffallend mit
Aufträgen zurück. 'So waren im Laufe von 1913 viele Fabriken
gezwungen, ihren Betrieb einzuschränken. Zahlreiche Arbeite-
rinnen, und zwar speziell Heimarbeiterinnen, wurden dadurch
in die Notlage versetzt, ihren Verdienst auf anderen Gebieten
zu suchen. Wie die Lohnverhältnisse sich für 1914 gestalten
werden, läßt sich zwar noch nicht bestimmt voraussagen, doch'
scheinen die Aussichten kaum günstiger wie im Berichtsjahre.
Eine bedauerliche Folge solcher Arbeitsstockungen ist für die
Wäscheindustrie dabei stets die, daß der Branche viele tüchtige
Kräfte dauernd verloren gehen.
113. Wläscherei.
Im abgelaufenen Jahre wurde allgemein über schlechten Ge-
schäftsgang geklagt. Es ist weder eine Besserung der Preise
408 Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
noch auch eine Steig>eriing' des Vmsntzes eingetreten, obwohl
auch das Vorjahr sehr unbefriedigend verlaufen war. Die ein-
zelnen Posten der zur E>einigung eingelieferten Wä^ehe sind
kleiner geworden, da die Hausfrauen infolge der allgemeinen De-
pression am Wäscheverbrauch so viel wie möglich sparen, und
manches im Hause reinigen lassen, das' sie früher der gewerb-
lichen ^Waschanstalt übergaben. Die erzielten Preise waren nach
^^ie vor sehr gedrückt, und es besteht trotz aller Bemühungen
um Zusammenschluß der beteiligten Kreise keine Hoffnung, in
absehbarer Zeit, eine angemessene und einheitliche Erhöhung der
Preise durchzuführen. Auch eine Verringeriing' der Unkosten
war nicht zu erreichen, da alle "Waschmaterialien ihre bisherigen
Preise behaupteten. Die Seife wurde sogar infolge des jährlich
steigenden Bedarfs der Kunstbutierfabriken an guten Pflanzen-
fetten aller Art teurer. Der Arbeitsmarkt zeigte ein größeres An-
gebot an Arbeitsuchenden als an offenen Stellen. Die vorhandenen
Vakanzen konnten daher durchweg prompt und mit ausgewählten
Leuten besetzt werden. Die Löhne blieben fast unverändert^
die gesetzlichen Abgaben aber stiegen erheblich.
Die ganze Lage des Gewerbe« leidet in der Hauptsache an
drei ungünstigen Paktoren. Erstejis ist das Betriebskapital der
einzelnen Unternehmer ungenügend, weswegen die Zinsen für
Geldgeber unverhältnismäßig hoöh sind. Zweitens übersteigen
die Neugründungen den tatsächlichen Bedarf bei weitem, woraus
eine ungesunde Verteilung des Gesamtumsatzes auf zu viele Einzel-
Unternehmer resultiert. Drittens läßt die Preisberechnung in
den allermeisten Pällen keinen ausreichenden Nutzen und daraus
leitet sich als Folgeerscheinung eine unlautere Reklame der ver-
schiedensten Art zur Erreichung eines, größeren Umsatzes her.
Solange diese Uebelstände nicht erfolgreich bekämpft werden
können, ist keine Herabminderung der Konkurse, keine Gesundung
des Gewerbes zu erhoffen.
114. Konfektion von Schürzen, Jupons, Blusen
und Kinderk leidern.
Erster Bericht. Erster Bericht.
Blusen. Das Jahr 1913 zeigt eine ähnliche Entwicklung des Geschäfts-
ganges in der Blusenbranche wie das Vorjahr. Durch besonders
geschmackvolle Ausmusterungen gab der günstige Verkauf auf
der Reise zu großen Erwartungen Anlaß, die sich leider wegen
der anhaltend schlechten Witterung des letzten Sommers und
Ider dauernd unsicheren politischen Lage nicht im geringsten
erfüllt haben. Wenn auch die Bluse, speziell in Voile und
Lingeriearten, sich besonderer Beliebtheit erfreute, und diese
Mode eine ständige größere Verbreitung fand, kann das
Ergebnis des Berichtsjahres für die Fabrikanten keineswegs als
114. Konfekt, v. Schürzen, Jupons, Blusen u. Kinderkleidern. 409
günstig bezeichnet werden. Um den Anforderungen und der
Nachirage nach diesem Artikel bei einigermaßen günstiger
Witterung gerecht werden zu können, waren die Fabrikanten
gezwungen, große Läger zu unterhalten, die durch den überaus
schlechten Sommer in diesem Jahre fast vollkommen fest lagen.
Der Absatz des bereits im Vorjahre viel begehrten Grennes Seiden-
blusen hat sich weiter wesentlich gehoben, auch war die Nach-
frage nach Tullblusen rege. Die Bluse hat im allgemeinen den
Charakter als Hemdbluse last vollkommen verloren, die straffen,
festanliegenden Formen sind den losen gewichen. Zur Verar-
beitung gelangten meist dünne volle- und besonders crepeartige
Gewebe, sowohl in BaumHvolle als auch in Seide. Das Export-
geschäft bewegte sich in gewohnten Bahnen.
Der weiße Jupon ist, wie in dem letzten Bericht bereits an-
gedeutet wurde, 'durch die enge Mode, welche auch in diesem
Jahre herrschte, von den Kombinationen (Untertaillenröcke) weiter
verdrängt worden, doch konnte der Absatz durch sohicke Neuheiten,
besonders die jgeschlitzten Eöcke, belebt werden. Die Unter-
taillenröcke haben sich eines w^esentlich höheren Umsatzes er-
freut, die Kollektionen waren entsprechend der Bedeutung des!
Artikels sehr reichhaltig; gute Stickereien und Klöppeleien mit
Valenciennespitzen und Handstickereien verarbeitet, waren sehr
beliebt.
Zweiter Bericht.
Das Jahr 1913 war für die Schürzen- und Juponkonfektion
im großen und ganzen unbefriedigend. — Der Absatz war im
Frühjahr gut zu nennen, der schlechte Sommer wirkte dagegen
auf das Detailgeschäft lähmend. Die Kundschaft war deshalb
nicht geneigt, für den Herbst größere Aufträge zu erteilen.
Aus diesem Grunde sind die Umsätze im Herbst zurückgegangen.
Auch die erzielten Preise befriedigten nicht. Die Fabrikation
von Schürzen hat sich in den letzten Jahren in allen Gegenden
des Deutschen Reiches ausgebreitet. Die Konkurrenz ist stetig
im Wachsen begriffen. Niedrige Löhne in Ost- und Westpreußen,
in Sachsen und im Harz ermöglichen der Fabrikation dieser
Gegenden eine scharfe Konkurrenz auf dem Berliner Markte,
und drücken im Stapelgenre die Preise bis zu einem Tiefpunkt,
der kaum noch einen Nutzen laut. Dazu kommt die lebhafte
■Nachfrage der Detaillisten nach billiger Ware. Die „95-Pf'g.-
Tage", „weißen Wochen" und die „Sonder-Angebote", die die
Detailgeschäfte im ausgedehnten Maße veranstalten, werden zum
•großen Teil durch das Angebot von Schürzen bestritten. Große
Massen von Waren werden so mit geringem Nutzen auf den
Markt geworfen. Der Konsum von Schürzen in besseren Preis-
lagen isi im Berichtsjahre ebenfalls zurückgegangen, und auch
das Preisniveau hat sich gesenkt.
Jupons.
ZweiterBericht.
Allsemeines.
Schürzen.
410 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Jupons Der Artikel Jupons wurde von der Mode wenig begünstigt.
Die enge Kleidermode verlangt keine oder nur einen ganz dünnen
Jupon. Jupons aus seidenen, wollenen und auch baumwollenen
Trikots standen im Vordergrunde des Interesses. Jupons aus
Lustro, halbwollenen und reinwollenen Stoffen waren dagegen
stark vernachlässigt.
Export. Das Exportgeschäft war zu Anfang des Jahres recht leb-
haft, ließ dagegen im Herbst und zu Ende des Berichtsjahres
sehr viel zu wünschen übrig. Der Verkehr mit den europäischen
Liändern gestaltete sich immer schwieriger. Der neue Handels-
vertrag mit Schweden hat der Branche den schWedischen Markt
nahezu gesperrt. Nur wenige bessere Artikel finden noch ihren
Weg nach Schweden, da Stapelartikel unter dem Schutze der
hohen Zölle in Schweden selbst fabriziert werden. Aehnlich
steht es mit der Schweiz und mit Holland. Die Unruhen auf
dem Balkan machten sich auch im Geschäftsgang der Schürzen-
und Juponkonfektion sehr störend bemerkbar. Die ausstehenden
".Gelder gingen nur zum Teil ein, und der Absatz nach den be-
teiligten Ländern geriet, solange der Krieg dauerte, vollständig
ins Stocken. Auch zu Ende des Berichtsjahres waren für den
Absatz noch keine normalen Verhältnisse in den Balkanstaaten
eingetreten. Es dürfte noch eine geraume Zeit dauern, bis dieser
Markt wieder für die Branche in Frage kommt.
Arbeiter. / Die Beziehungen zwischen Fabrikanten und Arbeitern
"waren normal. Bis in die Monate Mai, Juli des Berichtsjahres
hinein war volle Beschäftigung vorhanden, seit dieser Zeit flaute
sie jedoch ab, und ein starkes Angebot von Arbeitskräften
machte sich bemerkbar.
115. Krawattenindustrie.
Das Jahr des wirtschaftlichen Niederganges 1913 ist natur-
gemäß auch an der Krawattenbranche nicht spurlos vorüber-
gegangen. Um nicht allzusehr hinter den i Vorjahren zurück-
zubleiben, wurde der Umsatz fast lallenthalben auf Kosten des
ohnehiii schon geringen Gewinns, ja teilweise unter Preisgabe
desselben, forciert. Bei so ungünstiger Geschäftslage wurde die
tiiangelndo Geschlossenheit der Branche, infolgederen man der
Willkür der Abnehmer in bezug auf Preise und Zahlungsweise
machtlos gegenüberstand, doppelt schmerzlich fühlbar. Nament-
lich gaben auch im Berichtsjahre wieder die bei den Detailleuren
so beliebten Sonder- un'd Saisonausverkäufe häufige Gelegenheit
zu effektiv verlustbringenden Preisofferten der Abnehmer aji
die Fabrikanten. Unter dem Druck dieser Verhältnisse gaben
auch diejenigen Kreise der Branche, die bisher einem Zusammen-
schluß ablehnend gegenüber gestanden hatten, ihren Widerstand
auf, und es wurde ein Verband gegründet, dem über SO^^/o aller
117. Handel und Industrie in Seidenstoffen. 411
Krawattenfabrikanten Deutschlands angehören, und der trotz
starker innerer Kämpfe fest entschlossen ist, so bald wie möglich
geordnete Zustände zu schaffen, um der Branche einen aJi-
gemessenen Verdienst zu. sichern. Da sich infolge der geschil-
derten Mißstände die Kreditverhältnisse in der Krawatten-
industrie wesentlich verschlechtert haben, wodurch wiederum die
Interessen der Stofflieferanten berührt wurden, so kam ein Kartall
mit den letzteren zustande, das beiden Teilen dienen soll.
Die Mode begünstigte auch im Berichtsjahre die Binder-
formen, die etwas schmäler als früher getragen wurden, und
die die konfektionierten Artikel fast verdrängt haben. Auch
dies schlug der Branche zum Nachteil aus, weil gerade jene
Formen einer leichten Kontrolle von selten der Kundschaft unter-,
worfen sind.
Die Arbeitsverhältnisse waren nach wie vor günstig. Bis
zum Schluß des Berichtsjahres fanden rührige und geschickt©
Krawattenarbeiter lohnenden Verdienst.
116. Roßhaar-Spinnerei.
In der ersten Hälfte des Jahres 1913 war die Beschäftigung
in der Roßhaar- Spinnerei noch ziemlich flott. Die Aufträge
gingen reichlich ein, und es gelang auch, die Preise weiter, .wenn
auch nicht in dem Maße aufzubessern, daß dadurch' der Teuerung
der bessern Rohmaterialien hinreichend Rechnung getragen wurde,
die einen nie gekannten Stand erreichten. Seit dem Juni flaute
die Beschäftigung ab, was auf das Darniederliegen der Möbel-
einrichtungsbranche zurückzuführen war. Fast alle Hotelneun
bauten in Norddeutschland, die früher durch Berliner Firmen
ausgeführt wurden, gingen in den letzten Jahren nach Süddeutsch-
land. Berlin hat dadurch seine früher führende Stellung auf
diesem Grebiete eingebüßt. Auch bei dem anderen Teil der Kund-
schaft, dem Automobil- und Karosseriebau, machte sich am Ende
des Berichtsjahres Mangel an Arbeit bemerkbar, und infolgedessen
ging auch hier der Konsum in Roßhaaren zurück. Die Export-
verhältnisfeie waren dagegen — Frankreich ausgenommen — etwas
günstiger. In diesem Lande wirkten anscheinend politische Ver-
stimmungen in erheblichem Maße der deutschen Einfuhr entgegen.
Das Verhältnis zur Arbeiterschaft gab zu Klagen keinen Anlaß.
117. Handel und Industrie in Seidenstoffen.
Erster Bericht. Erster Bericht.
Dias Greschäft des Jahres 1913 war infolge der füx die Seiden- Allgemeines.
Warenbranche günstigen Mode recht flott, wurde jedoch durch die
Unbefriedigende finanzielle und politische Lage ungünstig beein-
flußt. Die Preise der Rohstoffe zogen an, während die Preise für
Fertigware nur langsam folgten. Produktion und Umsatz nahmen
gegen das Vorjahr zu, was in erster Linie der den Seidenstoffen
412
Vn. Textilindufetrie und Verwandtes.
Export.
Import.
Arbeits-
verhältnisse.
Geldteuerung
Verschiedenes.
günstigen Mode zuzuschreiben ist, die andererseits einem noch
größeren Aufschwung des Geschäfts insofern entgegenwirkte, als
sie nach wie vor den engen nur geringe Maße erfordernden Schnitt
bevorzugte. Weil die Mode fast ausschließlich breite Stoffe ver-
langte, fand sogar eine Ueberproduktion statt, da die Fabrikanten
Lufolgedessen ihre schmalen Stühle umänderten und so annähernd
das doppelte Quantum erzielt wurde. Nach besseren Qualitäten
machto sich eine erhebliche Nachfragte bemerkbar, während Mittel-
qualitäten schwach lagen. Dagegen \vurden ganz billige Quali-
täten unter scharfer Konkurrenz sehr viel auf den Markt gebracht.
Der Export nahm infolge der mißlichen Verhältnisse auf den
meisten Absatzgebieten wesentlich ab. Eine Ausnahme bildete
England, das mehr als im Vorjalire kaufte. Von besonderen
Hindernissen auf dem Gebiete der Zollpolitik ist nicht zu berichten.
Wie sich die Ausfuhr in Seidenwaren naöh den Vereinigten Staaten
gestalten wird, wird von der Handhabung der neuen Tarif-
bestimmungen in Nord-Amerika abhängen. Bisher stand es den
dortigen Zollbeamten frei, nach Gutdünken die Verzollung nach
"^^-ertzoll oder Gewichtszoll vorzunehmen.
Die Einfuhr ausländischer Fabrikate nach Deutschland wird
recht erschwert durch die unklare Fassung der Vorschrift des
ideutschen Zolltarifs, betreffend die Einfuhr von undichten Ge-
weben. Die einführenden Firmen sind danach der subjektiven
Bewertung der unter diese Rubrik fallenden Gewebe von seiteai
der Zollbeamten unterworfen. Eine Revision des Wortlautes
dieser Vorschrift ist im Interesse des Handels; unbedingt er-
forderlich.
Der Arbeitsmarkt war in der Branche im allgemeinen ruhig.
Das Angebot von Arbeitskräften genügte. In der Webeindustrie
haben Streiks und Aussperrungen infolge der allgemeinen wirt-
schaftlichen Lage nicht stattgefunden. Allerdings hatten die
Färbereien unter einem monatelangen Streik zu leiden, dessen
schädliche Wirkung auf die Samt- und Seidenwarenbranche nicht
ausblieb. Weiter ist zu bemerken, daß Tarifverträge auch für die
Seidenbranche angestrebt iwurden, zü Ende der Berichtsjahre jedoch
keine Aussicht auf Verwirklichung hatten. Lohnerhöhungen fan-
den teilweise statt.
Die Geldteuerung machte sich auch in der Samt- und
Seidenwarenbranche unangenehm bemerkbar. Jeder Konsument
schränlfte seine Einkäufe nach Möglichkeit ein.
Die Kreditverhältnisse wurden durch die allgemeine finan-
zielle Lage ungünstig beeinflußt. Auch die bevorstehende Wehr-
steuer warf gegen Ende des Berichtsjahres bereits ihre Schatten
voraus. Das Streben nach Kartellen und Syndikaten ging weiter.
Die regnerische Witterung des Sommers beeinflußte die sonst
infolge der Mode befriedigende Lage der Branche in ungünstigem
117. Handel und Industrie in Seidenstoffen.
413
Sinne. Die Umsätze ging-en in diesen' Monaten namentlich auch
in der mit der Branche im Zusammenhang stehenden fertigen
Konfektion sehr zurück. Auch das frühe Osterfest hat wiederum
sehr großen Schaden gebracht, so daß eine endliche Festlegung
dieses Festes im Interesse des Saisongeschäfte^ dringend
erwünscht ist.
Kurventafel 1. Preisschwankungen in Seidenzwirnen.
1912
in den ei
nzelnen Monaten, in Mark fü
r 1 kg.
1913
,r-^
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Jan. Fbr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. aept. Okt. Nov. Dez. Jan. Fbr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. bept. Okt. Nov. Dez.
Mailänder Organsin.
Zweiter Bericht.
Die im vorjährigen Bericht ausgesprochenen Befürchtungen^
daß der bereits Ende 1912 fühlbare Niedergang der Hochkon-
junktur bei weiterem Andauern der politischen Wirren zu einer
wirtschaftlichen Depression führen könnte) erfüllten sich für
die deutsche Textilindustrie und deren Abnehmerkreise, soweit
es sich nicht um einige von der Mode begünstigte Artikel handelte,
bereits zu Beginn des Berichtsjahres in vollstem Maße. Dies
gilt im besonderen von der Seidenstoff- und Seidenplüschweberei.
Unter der verminderten Kaufkraft, den hohen Lebensmittelpreisen
und dem teuren Geldstand litt bereits die Sommersaison sehr stark,
während das noch viel wichtigere Wintergeschäft zudem durch
einen außergewöhnlich milden Herbst vollständig verdorben
wurde. Rückgang der Umsätze, Produktionseinschränkungen und
Lohnausfälle warfen gegen Ende 1913 bereits ihre Schatten auf
die Konsumkraft des kommenden Jahres voraus, und die neuen, von
den Erwerbsständen in solchen Zeitläuften doppelt schwer zu
tragenden Lasten werden des weiteren zur Beschleunigung des
wirtschaftlichen Niederganges beitragen.
ZAveiterBerichl
Allgemeine.s-
414
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
Kurventafel 2. Preisschwankungen in Baumwolle
in den einzelnen Monaten, in Dollar für 100 kg.
31
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Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
1912 1913
117. Handel und Industrie in Seidenstoffen. 415
Die Lage des Fabrikanten war am Jahresschluß weiter er-
schwert durch die außerordentliche Höhe der Materialpreise,
speziell für Seide und Baumwolle, die sich im GTegensatz zu der
allgemeinen wirtschaftlichen Lage aus deren statistischen Po-
sition ergab.
Farbenfreudige Couleuren, in glatt und gemustert — zu- Einzelne
meist stückgefärbt — , erfreuten sich besonderer Gunst. Hinter ^^ ^**
ihnen ti^at schwarze, stranggefärbte Ware erheblich zurück. Für
Mäntel, besonders aber für Kostümzwecke mußten die Gewebe
weich, schmiegsam und chiffonartig sein. Diese Geschmacks-
richtung, die sich auch auf Pohlgewebe übertragen hat, dürfte
die kommende Saison noch in erhöhtem Maße beherrschen. Fell-
imitationen in bis dahin nicht gekannter Vollendung in schwarz
und maulwurffarben waren an Stelle der in den letzten Saisons
dominierenden Velours du Nord der Hauptsaisonartikel der
Damenmäntelkonfektion. Da jedoch infolge des besonders flauen
Geschäftsgangs am Ende des Berichtsjahres bedeutende Mengen
dieses Artikels am Markte waren, so dürften seine Chancen 1914
ebenso ungünstig werden, ,wie die von Velours aus dem gleichen
Grunde im Jahre 1913 waren, zumal es sich dabei um einen durch-
aus den Stempel des vergangenen Jahres tragenden Artikel handelt.
In gemusterten Kleiderstoffen .wurden hübsche durch kunstseidene
Schußeffekte wirkungsvolle Neuheiten herausgebracht. In Möbel-
stoffen war das Geschäft infolge neuer Musterungen in niedrigen
und mittleren Preislagen belebt. Schwarze, halbseidene strang-
gefärbte Gewebe waren vernachlässigt. Für Damen- und Abend-
mäntelzwecke waren der Musterung für Sommer 1914 entsprechend
umfangreiche und kostspielige Kollektionen in Jaquardgeweben in
möglichst weich fallender Ware in Arbeit. Schwarzen und far-
bigen Krepongeweben schenkte man ebenfalls wieder Beachtung.
Schappe stand gegen Ende des Jahres 10 — 15 o/o, reale Seide Preise,
im Durchschnitt 20 o/o und Baumwolle 15 o/o unter der niedrigsten
Jahresnotierung. Der hohe Preisstand der Schappe war in der
Knappheit der Strusen, der Seide in dem Mindererträgnis der euro-
päischen Ernten, sowie in der starken Nachfrage Amerikas nach
China- und Japangespinsten begründet. Für Baumwolle dürfte
erst nach Feststellung des definitiven Ernteergebnisses eine
einigermaßen zuverlässige Preisbasis geschaffen sein.
Gegen Ende des Berichtsjahres wurde der Ertrag der ägypti-
schen Ernte auf ca. 1% Mill. Kantar ttnd der der amerikanischen
Ernte auf 13 — 14V2 Mill. Ballen geschätzt. Baumwolle middl.
Amerik. kostete am 2. Januar 1913 66 Pf. per engl. Pfd. looo
Bremen und fiel am 6. August auf den niedrigsten Stand von
603/4 Pf. Ende September erreichte sie mit 74 Pf. den höchsten
Stand, von dem sie bis Mitte November wieder bis auf 69 Pf.
herunterging. Zu gleicher Zeit wurde die Standardmarke für
Chappe 200/2 fach Lot 200 mit 27 Fr. per Kilo notiert, womit
416 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
sie nur noch 'uml 2 Fr. hinter ihrem jemals eingenommenen höchsten
Stande zurückblieb. Canton Organsin 40/44 notierte im April
d. J. 46,50 Mk.; Mail. Organsin 20/22 erste Marken Mitte
November 52,50 Mk. Cref eider Condition; Mail. Grenadine 20/21
zur gleichen Zeit 54,— Mk. per Kilo.
Export. Ueber das Exportgeschäft ist wenig erfretiliehes zu berichten.
Speziell die Seidenindustrie ist imi :all gemeinen duröh die hohen
Zölle auf Seidenwaren und die in. den in Betracht kommenden
Ländern meist hoch entwickelte Eigenindustrie in erster Linie
auf den Inlandmarkt angewiesen, auf dem die scharfe Konkurrenz
in schlechten Zeiten um so unliebsamer empfunden wird. Nach
England ging die Ausfuhr deutscher Seidenwaren weiter zurück.
iDer englische Handel ist zurzeit der bedeutendste Abnehmer
der Lyoner und Züricher Seidenfabrikation. (Der Export nach
Kanada hat sich bisher nicht der Entwicklung dieses aufstreben-
den Landes entsprechend gehoben. Die Zollermäßigungen, diei
der neue amerikanische Tarif den Erzeugnissen der Branche ge-
bracht hat, sind nur unwesentlich. Seidene Plüsche sind sogar
um 5 o/o im Zolle erhöht worden. Ob nidht andererseits die Ab-
schätzung der Ware ligoroser gehandhabt werden wird, muß
die Praxisji ergeben. In keinem Fall steht zli erwarten, daß deut-
sche Seidenwebereien durch die amerikanische Zollreform einen
irgend nenneswerten Impuls erhalten und nunmehr mit den
amerikanischen in erfolgreichen A\"ettbewerb treten könnten. So-
mit ist die deutsche Seidenindustrie trotz ihrer hohen technischen
Entwicklung in erster Linie auf den eigenen Markt angewiesen.
Dritter Bericht. Dritter Bericht.
Bandartikel. Dia die Modc Bandartikel außerordentlich begünstigte, ge-
staltete sich das Geschäftsjahr 1913 für den Handel mit Seiden-
band und PutÄstoffen günstiger als man erwartet hatte. Zu
Beginn der Prühjahrssaison kamen gestreifte sowie auf Kette
bedruckte Bänder (Chines), die lange Zeit die Läger beschwert
hatten, in Mode und konnten zu den besten Preisen abgesetzt
werden. Die Fabriken wurden mit Aufträgen überschüttet. Dem-
entsprechend hatte es der Fabrikantenring leicht, die Preise
für Modebänder um 40 o/o zu steigern. Im Mai aber brach
em Färber- und Druckerstreik aus, der fast zwei Monate
dauerte und die deutsche und die schweizerische Bandindustrie
schwer schädigte. Die Versuche der Fabrikanten, die Seide in
Italien und in Frankreich färben zu lassen, schlugen fehl, weil
die dortigen Färbereien die Erschwerung für Seidenband nicht
herausbrachten. Es ist hierdurch viel Material verdorben worden.
Glücklicherweise konnten die Fabriken in. St. Etienne den not-
wendigen Ersatz in gemusterten und Chinebändern liefern. Dank
der ausgezeichneten Hilfsindustrie in Frankreich hatte sich der
dortige Markt schnell genug auf die große Nachfrage einrichten
118. Großhandel mit Maiiufakturwareii.
417
können, doch bleibt es bedauerlich, daß diese sehr großeoa Posten
der deutschen Pabrikatiooi verloren gingen. Stapelbänder, d. h.
glatte Taffetbänder in allen Breiten, die für« viele Branchen ver-
wendet werden, kann die französische Fabrikation jedoch nicht
gleichwertig her^^orbringen. In diesen Artikeln herrschte großer
Mangel, der auch zu Ende des Jahres noch nicht ganz über-
wunden war. Infolgedessen zogen die Preise aa; doch w^oUte
siöh die Kundschaft nur schwer an die Steigerung gewöhnen,
die dabei nicht einmal der Preisaufbesiserung entsprach, die der
Zwischenhandel der Fabrik gewähren mußte, auch waren die
Preise nicht übertrieben hoch. Bis Anfang 1914 hatten sie den
Stand von 1907 noch nicht erreicht. In den letzten Jahren ist
eben der Bandartikel sehr entwertet worden. Die für den Herbst
befürchtete Uebersättigling des YerbraUichs traf glücklicherweise
nicht ein. Man hatte an ©in sidhnelles Ende der Mode geglaubt,
weil sie bis in die juntersten Stände gegangen war. Aber für
den Herbst Und auöh für die Ballaaision setzte der Bandkonsum
verstärkt ein. [Die Phantasie schweizerischer und französischer
Dtesfeinateure brachte wahre Kunstwerke von Chines in Taffet-,
Satin- und Sammetgeweben hervor. In früheren Jahren war
es wbhl eine Seltenheit, im pDietailhandel für ein Meter Band
6 Mk. zu erzielen, was in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres
der Durchschnittspreis für dieses Genre Kleiderbänder war. Gute,
reiche Chines brachten 12 Mk. bis 20 Mk. für das Meter. Die
Herbstmode für Hüte bradhte keine Verwendung von Band, der
Sammethut konnte noch immer kein Band gebrauchen. D'afür
entschä;digte der große Bedarf in Sammeten und auch in Peluchen.
Die letzteren kamen namentlich im Oktober auf. Daß so die
gix)ßen Sammetläger der Fabriken und des Zwischenhandels ganz
geräumt werden konnten, ist als großer ^^orteil anzusprechen.
Putzstoffe waren im Berichtsjahre gänzlich aus dem Verbrauch
verschwunden.
118. Großhandel mit M a n u f a k t u r w a r e n.
Erster Bericht.
Die Sdiwierigkeiten, mit denen das Engrosgescshäft in
Kleiderstoffen im Jahre 1912 zu kä,mpfen hatte, machten sich
auch] im Berichtsjahre gelt-end und verschärften sich wohl noch
zeitweise. Die durch die politische Lage verursachte Beunruhi-
gung veranlaßte viele Abnehiaer, ihre Bestellungen auf das aller-
notwendigste einzuschränken. Auch durch die in vielen Kreisen
herrschende Besorgnis, daß die steuerpolitis^ohen Maßregeln hem-
mend auf den Konsum einwirken würden, wurde das Geschäft
Wesen tlidli erschwert. Als belebendes Moment ist einzig und allein
die Mode für Phantasiestoffe und ihr häufiger Wechsel anzusehen,
der wiederholt Neuanschaffungen für die Detailleure notwendig
machte. Anderseits aber litten Fabrikanten und Grossisten, die
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 27
Erster Bericht.
Damen-
kleiderstofFe.
418
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
sich hauptsächlich mit der Herstellung und dem Vertrieb von
glatter Ware beschäftigen, andauernd unter der erwähnten
■Mode. Im Gera-Greizer Fabrikdistrikt standen zeitweise die
Hälfte der dort befindlichen Stühle still. Zu Anfang des vierten
Quartals begann das Geschäft sich zu beleben und eine laichte
Besserung zu zeigen. Der so lange zurückgehaltene Konsum
machte sich geltend, und die Belebung hätte weitere Fortschritte
gemacht, wenn die außergewöhnlich warme Witterung des
Herbstes ihr nicht hindernd im Wege gestanden hätte.
Export. Der Balkankrieg machte die Ausfuhr nach den Balkan-
ländern unmöglich. In Oesterreich lagen die Verhältnisse infolge
der drohenden Kriegsgefahr und den audauemden Rüstungen sehr
sohlecht. Das Geschäft nach den übrigen Ländern hielt sich in
den allenthalben durch hohe Schutzzölle gesteckten engen Gren-
zen. Von dem neuen Zolltarif der Vereinigten. Staaten mit seinen
für Textilwaren erheblich herabgesetzten Zollsätzen verspricht
man sich günstiges. Wenn das Engrosigeschäft auch nicJit direkt
an der Ausfuhr nach der Union beteiligt ist, der betreffende Ex-
port vielmehr fast ausschließlich in den Händen der Fabrikanten
liegt, so würde doch durch größere Aufträge aus den Vereinigten
Staaten an die Fabrikanten der heimische Markt von dem Druck
des Ueberangebotes wenigstens teilweise befreit werden, woraus
das Engrosgeschäft indirekt Vorteile ziehen könnte.
Zweiteriiericht. Zweiter Bericht.
Engroshandei. Die Gesdiäftslage im Engroshandel für Kleiderstoffe war
während des Berichtsjahres im Vergleich zu dem Vorjahre, so-
weit der deutsche Markt in Frage kommt, nicht wesentlich ver-
ändert. Das Nachlassen des Massenkonsums in Stapelqualitäten,
das schon im Jahre 1912 in Erscheinung getreten w^ar, imd die
lebhaftere Nachfrage nach Phantasiegeweben aller Art gaben dem
Geschäftsjahr 1913 die Signatur. Der Ausfall, weldher infolge
des Minderverbrauclis von Stapelqualitäten zu verzeichnen war,
wurde zum großen Teile durch den Mehrverbrauch in Phantasie-
artikeln ausgeglichen, so daß die Umsätze ziemlich auf der Höhe
des Vorjahres blieben.
MateriaUen. Die Preise der Materialien waren zum größten Teil stabil,
zeigten jedoch im einzelnen, in den letzten Monaten des Berichts-
jahres, eine anziehende Tendenz. Das gilt namentlich v^on Seide
und Kunstseide. Durch den größeren Verbrauch in Phantasie-
stoffen haben sich die Preislagen teilweise aufgebessert. Die
Mode bevorzugte im Berichtsjahre für Kleiderstoffe Jacquard-
gewebe in Wolle, wie in Halbseide und Seide. Daher wurde die
Nachfrage nach diesen Mustern so stark, daß sie kaum befriedigt
werden konnte. Ebenso wurden neuerdings crepeartige Gewebe
bevorzugt, die eine dominierende Rolle zu spielen begannen. Der
Umstand, daß zur Herstellung nur Wechbelstühle verwendet
119. Export von Manufaktunvaren nach überseeisch. Ländern. 419
werden können, beeinträchtigte die Massenproduktion dieses Ar-
tikels sehr, so daß dem vorhandenen großen Bedarf nicht an-
inähernd Genüge getan werden konnte. Auch die Frühjahrs-
kampagne 1914, soweit sie gegen Schluß des Berichtsjahres be-
reits begonnen hatte, stand aussehließlieh unter dem Zeichen
dieser Gewebe, die als Krepeline und Krepons, wie auch in so-
genannten Baumrindeneffekten viel gemustert wurden. Eine voll-
ständige Umwälzung in der Geschmacksrichtung war hinsichtlich
der Farben zu verzeiciinen. Die Mode bevorzugte in der Haupt-
sache ganz neue, krasse Farben töne, ohne auf die klassischen Far-
ben, die früher den Konsum hauptsächlidh beherrschten, noch viel
Rücksicht zu nehmen. Die Kleiderstoff-Grossisten mußten auch
der immer größeren Nachfrage nach Baumwollgeweben Rechnung-
trägen, die für Kostüme, wie für Gesellsehaftskleider sehr in
Aufnahme kamen. Die maßgebenden Häuser richteten daher
für Nouveautes in baumwollenen Stoffen besondere Abteilun-
gen ein.
Das Exportgeschäft hatte seit Beginn der Balkanwirren Export
namentlich insofern nicht unerheblich gelitten, als die Aus-
fuhren nach den am Kriege beteiligten Staaten aufgehört haben.
Erfreulicherweise waren jedoch zu Ende des Berichtsjahres
bereits Anzeichen für ein Zurücklenken des Geschäfts in seine
früheren Bahnen vorhanden. Auch der Export nach anderen,
für die Kleiderstoffbranche in Frage kommenden Ländern hat
ijieh im Berichtsjahre schwieriger gestaltet. Diese Verringerung
des ausländischen Bedarfs ist wohl auch nicht als vorübergehend
anzusehen, sondern dürfte ihre Ursache darin haben, daß die
hetreffenden Länder sich durch Errichtung eigener Fabrik-
etablissements immer mehr von dem Auslande unabhängig
machen. Die Erleichterungen, die der neue Zolltarif der Ver-
einigten Staaten dem Export von Kleiderstoffen nach Amerika
-gebracht hat, dürften weniger den Grossisten als den Fabrik
kanten dieser Branche zugute kommen. Die letzteren werden
zum Teil die Beziehungen wieder herstellen können, die sie
vor Inkrafttreten des letzten Zolltarifs zu den Abnehmern in
Amerika unterhalten hatten.
I
119. Export von Manufakturwaren nach über-
seeischen Ländern.
Auch in Argentinien machte sich im Berichtsjahre die all- Argentinien
gemeine Geldknappheit, und zwar um so empfindlicher, bemerk-
bar, als die rasche wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes
in den letzten Jahren zu einem übermäßigen Steigen aller
Werte geführt hatte. Als nun die Banken der Kreditgewährung
und Diskontierung engere Grenzen zogen, gestalteten sich die
Verhältnisse auch für das Geschäft in Manufakturwaren insofern
27*
420
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
sehr schwierig, als si<?h in den Händen der Abnehmer größere
liagerbestände angehäuft hatten, und anderseits die direkten
Importationen in dem früheren Maße noch andauerten. Die
Folge war, daß für die neu importierten Waren durchweg nur
wenig befriedigende Preise zu erzielen waren, und daß zahl-
reiche Ealliments auch von Firmen eintraten, denen bisher mit
Hecht bedeutende Kredite eingeräumt worden waren. Die-
schwierigen Verhältnisse dauerten gegen Ende des Berichts-
jahres an und wurden durch die Zurückhaltung der Banken
sogar noch vergrößert. Es muß damit gerechnet werden, daß
noch geraume Zeit vergeht, bis sich' das Geschäft in Manufaktur-
waren in Argentinien \vieder günstiger gestaltet.
Uruguay. Auch in Uruguay waren die Absatzverhältnisse wenig
günstig. Dieses Land litt im Berichtsjahre imter den Folgen
der wiederholten Revolutionen, und da noch immer keine voll-
ständige politische Beruhigung eingetreten ist, so wurden
namentlich im Innern des Landes die Einkäufe auf das Not-
wendigste beschränkt. Infolgedessen ließ der Absatz von Manu-
fakturwaren viel zu wünschen übrig. Eine w^esentliche Besserung-
ist auch dort in nächster Zeit kaum zu erwarten, da die Vieh-
zucht, auf die dieses Land ganz besonders angewiesen ist, durch-
ungünstige Witterungsverhältnisse sehr nachteilig beeinflußt
worden ist.
Paraguay. In Paraguay sind die inneren politischen Verhältnisse in.
letzter Zeit zwar etwas zur Ruhe gekommen, jedoch leidet
dieses Land noch imlner sehr unter den Folgen der fortwährenden.
Beunruhigungen der letzten Jahre und der dadurdi' veranlaßten
überaus ungünstigen finanziellen Verhältnisse. "Wenn sich auch
der Absatz von Manufakturwaren in letzter Zeit gehoben hat,
so kann sich doch ein regelmäßiges Geschäft dorthin imter
den dauernd schwankenden Verhältnissen noch immer nicht ent-
wickeln.
Chile In Chile war der Markt für Manufakturwaren im Be-
richtsjahre sehr stark überfüllt, während die Kaufkraft des
Landes durch den imlner weiter weichenden Kurs sehr beein-
trächtigt wurde. Auch in diesem Lande war eine Reihe von
Zahlungseinstellungen in der Kundschaft die Folge davon, daß
die Abnehmer zu große Lagerbestände hatten, die sich' unter
den schwierigen Verhältnissen nur schWer realisieren ließen,
Iwlährend andererseits auch die dortigen Banken die frühere
liberale Kreditgewährung wesentlich einschränkten. Die Ge-
treideernte im Süden Chiles war zwar durchaus befriedigend
und infolgedessen auch das Geschäft in diesem Teile des Landes:
ein besseres als in den nördlichen Provinzen, doch wird es-
immerhin noch längere Zeit in Anspruch' nehknen, bis iin all-
gemeinen in Chile wieder günstige Verhältnisse eintreten.
120. Juteindustrie.
421
In Peru war das Geschäft in Manufakturwaren, trotz zeit-
weiliger politischer Beunruhigungen, im allgemeinen zwar ziem-
lich normal, doch litten auch' die Märkte dieses Landes unter
zu starken neuen Zufuhren.
In Bolivien war der Absatz in Manufakturwaren im all-
gemeinen befriedigend, wog'egen in diesem Lande die Eintreibung
■der Außenstände sich besonders schwierig gestaltete, und auch
die finanziellen Verhältnisse zur größten Vorsicht mahnten.
Der im Juli des vergangenen Jahres ins Amt eingetretene neue
Präsident widmet den finanziellen Fragen seine besondere Auf-
merksamkeit und hat bereits eine Reihe von MaßnahWn, die
zur Besserung derselben dienen sollen, in Vorschlag gebracht.
Jedoch ist es immerhin zweifelhaft, ob oder in welchem Um-
fange diese zur Durchführung gebracht werden.
In Australien und Neuseeland war, da diese Länder eine
günstige Ernte an den Markt bringen konnten, das Geschäft
in Manufakturwaren im allgemeinen befriedigend. Zeitweise
*\\^urde es jedoch durch verschiedene größere Streiks, sowie in
letzter Zeit durch eine Pockenepidemie erschWert, die eine
größere Ausdehnung gewann und in einzelnen Städten das Ge-
schäft sehr behinderte.
Peru.
Bolirien.
Australien und
Neuseeland.
120. Juteindustrie.
Die Nachfrage nach Jutefabrikaten war wie 1912 auch im
ersten Halbjahr 1913 sehr lebhaft. Der Bedarf des Weltmarktes
konnte aber insofern bequem befriedigt werden, als die Jute^
Industrie in Indien durch sehr reichliche VergrößerutigeJi ihrer
Betriebe den Ausfall der Produktion kompensierte, der durch
das Verbot der Nachtarbeit verursacht worden war. Man glaubte
allgemein, daß die sehr grofien internationalen Ernten der Jute-
Industrie weiter großen Bedarf zuführen würden, doch wurden
diese Erwartungen nicht ganz erfüllt. lufolge der außerordent-
lich hohen Fabrikatpreise, die durch Hohj utepreise in bisher
nicht beobachteter Höhe bedingt waren, schränkte sich der Bedarf
außerordentlich ein, und der Handel in gebrauchten Säcken kam
zu hoher Blüte. Anstatt des erwarteten flotten Herbstgeschäfts
trat eine Verflauung ein, die die deutsche Juteindustrie zu einer
zehnprozentigen Produktionseinschränkung zwang. Selbst unter
diesen ^Verhältnissen w^ar die Beschäftigung in den letzten Mo-
naten des Berichtsjahres recht mangelhaft. Eohjute wurde im
ersten Vierteljahr bis auf 29 £ getrieben. Nachdem aber von
^Mißernten in Rohjute infolge ungünstiger Witterungsverhält-
nisse berichtet worden w^ar, schnellten die Preise noch weiter
in die Höhe, und je melir sich die Verbraucher von Monat zu
^lonat mit der Tatsache einer quantitativ und qualitaitiv ge-
ringen Ernte abfanden, desto mehr sti:g:n natürlich die Preise.
So kam es, daß die Notierungen schließlieh auf nahezu 36 £
422
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
Inlnndische
Teppiche.
Erster Bericht.
Geschäftslage.
Rohstoffe.
Preise.
Grossisten.
Arbeiter.
Beschäf-
tigungsgrad.
Geschmacks-
richtung.
Aussichten.
lauteten, und wenn auch die Preise gelegentlich wieder etwa^
a;bbröGkelten, so versteiften sie sicii doch bei der geringsten
Nachfrage immer wieder. Streiks sind im Jahre 1913 in kaum
nennenswertem Umfange vorgekommen, Tarifverträge wurden
nicht abgeschlossen. Schließlich sei wieder auf den außerordent-
lich störenden Wagenmangel hingewiesen.
121. Teppiche, Linoleum, AVachstuche.
a) Inländische Teppiche.
Erster Bericht.
Im Zusammenhang mit der allgemeinen schlechten Geschäfts-
lage des Berichtsjahres gingen die Umsätze wohl überall gegen
das Vorjahr zurück.
Die Eohstoffe erhöhten weiter ihre Preislage und erreichten
z. B. bei J|ute eine Höhe, die für die Fabrikanten fast kritisch
zu nennen war und einzelne Geschäftszweige beinahe lahmlegte.
Bei der Drucklegung des Berichtes dauern diese Zustände noch
unverändert an und lassen tfür die nächste Zeit kaum eine
Besserung erhoffen.
Infolgedessen standen die Verkaufspreise trotz der teilweise
durchgesetzten Steigerung in einem argen ^lißverhältnis zu den
Herstellungskosten.
Unter denselben ungesunden Verhältnissen, die durch die ge-
ringere Nachfrage noch verschärft wui^den, hatten auch die
Grossisten zu leiden. Die Folge war der Zusammenbruch mehrerer
nicht genügend fundierter Firmen.
Der Friede zwischen Arbeitgebern und -Nehmern wurde nicht
gestört, doch mußte teilweise izu Betriebseinschränkungen ge-
schritten werden, da es angesichts der sinkenden Konjunktui;
nicht im Interesse der Fabrikanten lag, bei den teuren Roh-
stoffpreisen große Läger anzuhäufen.
Die früher vorherrschenden kleingemusterten Ton-in-Ton-
Dessins wurden klaum noch verlangt, dagegen hat sich aus der
schon einige Zeit beliebten Verdure-Richtung eine neue, recht
hübsche Stilart entwickelt, die hauptsächlich ^ledaillonmuster
mit fein abgetönten Blumen bringt.
Daneben wurden weiter persische ^Motive verlanget. Diese
Nachfrage wurde durch die aucb im Berichtsjahre anhaltende
Ueberschwemmung des Marktes mit orientalischen Teppichen her-
vorgerufen. Daß letztere hinsichtlich Solidität durchaus nicht
immer den Erwartungen des Publikums entsprechen, ist genügend
bekannt, muß aber immer wieder betont werden.
Die Aussichten für das neue Geschäftsjahr sind nicht gut.
Die Folgen der oben geschilderten ungünstigen Umstände dürften
erst im kommenden Jahre voll zum Ausdruck gelangen. Ob sich
die im vorjährigen Bericht ausgedrückte Hoffnung auf Belebung
121. Teppiche, Linoleum, Wachstuche.
des Geschäfts nach den Wn^einigten Staaten unter dem ermäßigten
Wilson - Tarif erfüllen wird, bleibt der Zukunft überlassen.
Teilweise wird befürchtet, daß die Einfuhr nicht ohne Zoll-
schwierigkeiten vor sich gehen wird. Die Fassung der einzelnen
Tarifpositionen gestattet nicht, derartige Bedenken ohne weiteres
von der Hand zu weisen.
Zweiter Bericht.
Vom Januar bis März 1913 ging das Geschäft gut, alsdann
verschlechterte es sich ganz bedeutend, wofür wohl in erster
Linie der Krieg auf dem Balkan die Ursache war. Ob sich infolge
der neuen amerikanischen Zoilverhältnisse das Exportgeschäft
nach den Vereinigten Staaten lebhafter gestalten wird, bleibt ab-
zuwarten. Die Teppichfabriken mußten im Berichtsjahre ihre
Arbeitszeit teilweise verkürzen und auch Arbeiterentlassungen
vornehmen.
Dritter Bericht.
Das Ergebnis des Geschäfts in Teppichen im Jahre 1913 kann
nicht als zufriedenstellend bezeichnet werden. Der Absatz vollzog
sich nur unter Schwierigkeiten und büßte an Ausdehnung gegen
idas Vorjahr ein. Billige Axminster-Qualitäten sind auch in 1913
weiter vernachlässigt worden. Bevorzugt wurden Kettendruck-
( Velours-) Teppiche, die auch in niedrigeren als den bisher ge-
brachten Preislagen in Konsumgrößen neu auf dem Markt er-
schienen. In besseren Qualitäten gingen sowohl die altbewährten
Kettendruck-Teppiche, welche hervorragend schön ausgemustert
wurden, wie auch Axminster-Fabrikate. Bei letzteren ist sogar
gerade die Nachfrage für feinere Qualitäten gestiegen. Mehrere
Fabriken brachten Tournay-Teppiche in besonders populären Preis-
lagen heraus, die sich anscheinend sehr gut einführen werden.
Bezüglich der Musterung ist zu bemerken, daß neben den immer
gern gekauften und von der Mode unabhängigen Persermustern
Teppiche im Verdüre-Geschmack viel gebracht wurden. Auch
blumige Muster, wie sie vor vielen Jahren gekauft wurden,
wurden jetzt wieder in vorzüglicher Ausmusterung gebracht.
Kleine Stilmuster sind dagegen fast gänzlich vom Markte ver-
schwunden.
Die zur Verarbeitung kommenden Rohstoffe, besonders
Jute, Shoddy und für Teppichfabrikate geeignete Wollen,
haben außerordentliche Preissteigerungen durchgemaeht, denen
die Preise der Fertigfabrikate nicht folgen konnten. Obgleich
alle Arten von Teppichen im Berichtsjahre wiederholt Preis-
erhöhungen erfahren haben, sind dieselben doch noch völlig un-
zulänglich im Verhältnis zu den Mehraufwendungen, die für
Rohmaterialien gemacht werden mußten.
Die schwierigen Verhältnisse auf dem Geld- und Effekten-
markte haben auch auf den Handel mit Teppichen einen sichtlich
ZweiterBericht.
Dritter Bericht.
Allgemein.
Rohstoffe.
Kredit- und
(Jeld-
verhältnisse.
424
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Aussichten
ungünstigen Einfluß ausgeübt, weil die Konsumenten in schwie-
rigen Zeiten von der Anschaifung eines Teppichs besonders leicht
Abstand zu nehmen geneigt sind. Die Geldknappheit machte sich
auch in der Teppichbranche durch Inanspruchnahme ungewöhn-
lich langer Ziele störend bemerkbar.
Die Aussichten für die Teppichbranche sind zunächst noch
keine günstigen, denn die Eohstoffe stehen fortgesetzt hoch, und
unter dem Einflüsse des demnächst fällig werdenden Wehrst-euer-
beitrages wird sich wohl auch in 1914 mancher Konsument den
Luxus des Ankaufs eines neuen Teppichs noch versagen müssen.
Orient-
Teppiche.
Allgemein.
Preise.
Kredit.
Ausblick.
b) Orient-Teppiche.
Das Geschäft in Orient-Teppichen hat sich im Vergleiche zum
Jahre 1912 wesentlich verschlechtert. Seit der Börsenkrisis, die
im Oktober 1912 ihren Anfang nahm, ist eine erhebliche Ver-
minderung des Bedarfes an Orient-Teppichen bemerkbar geworden,
die im ganzen Berichtsjahre anhielt. Auch bestsituierte Firmen
beschränkten ihre Einkäufe auf das Notwendigste, während ein
großer Teil der Kundschaft von Käufen für feste Rechnung
völlig absah und sich des nur scheinbar günstigen, aber dringenden
Angebotes von Kommissionswaren bediente. Der Absatz orienta-
lischer Teppiche von Deutschland nach dem Auslande hat sich
im Jahre 1913 etwas gehoben. Die Zahl der xlusländer, welche
zum Bezüge von Orient-Teppichen nach Deutschland kommen,
wächst von Jahr zu Jahr, Weil die Kunden hier vor'züglich sortierte
Läger, besonders auch in besseren Qualitäten, finden. Die Pro-
duktions- und Einkaufsmöglichkeiten haben sich trotz der poli-
tischen Unruhen auf dem Balkan im Berichtsjahre nicht be-
merkenswert verändert, ebenso haben die Banken im Orient die
Bevorschussung von Verschiff ungen nach' Konstantinopel im alten
Umfange wieder aufgenommen.
Die Preise sind im allgemeinen stetig geblieben, nur Avar eine
weitere Erhöhung laller kaukasischen Provenienzen zu verzeich-
nen. Antike und außergewöhnlich feine Waren waren nach wie
vor knapp und wurden fast über den Wert bezahlt.
Die Kreditverhältnisse waren im Berichtsjahre recht uner-
freulich. Die Mehrzahl der Kunden verlangte außergewöhnlich
lange Zahlungsfristen und hielt auch diese oft nicht ein. Auch
ist wiederum eine größere Anzahl von Zahlungseinstellungen zu
verzeichnen gewesen.
Eine Belebung des Geschäfts in Orient-Teppichen darf erst
nach völliger Klärung des politischen Horizonts und nach sta-
biler Ermäßigung des Reichs bank-Diskonts erwartet werden. Es
wäre ferner dringend w^ünschenswert, daß Vereinbarungen
zwischen den maßgebenden Importfirmen getroffen würden zur
Abstellung der durch Konsignationslager und übermäßig lange
121. Teppiche, Linoleum, Wachstuciie.
425
Zahlungsziele in die Erscheinung getretenen von der Branche
selbst verschuldeten schweren Uebelstände.
c) Linoleum.
Erster Bericht.
Der Handel mit Linoleum hatte im Jahre 1913 unter dem
Einfluß der geringeren Bautätigkeit stark zu leiden. Außer-
dem konnte man an das Geschäft mit Bauunternehmern wegen
der schwierigen Geldverhältnisse und der zweifelhaften Bonität
nur mit großer Vorsicht herangehen, so daß der Gesamtkonsum
in den sogenannten Bauqualitäten erheblich kleiner blieb als im
Vorjahre.
Die Konvention des Verbandes der deutschen Linoleum-
fabriken hat in 1913 unverändert fortbestanden iind sich von
den Abmachungen früherer Jahre nur dadurch unterschieden,
daß die sieben deutschen Fabriken ihre Produktion kontingentiert
hatten. Zwei der in Frage kommenden Werke waren mit ihrem
Absatz mehr als die übrigen fünf Fabriken zurückgeblieben,
so daß letztere sich gezwungen sahen, ihre Lieferungen in den
Monaten November und Dezember auf das äußerste einzu-
schränken, um nicht zu hohe Kontingentstrafen an die beiden
notleidenden Fabriken zahlen zu müssen. Auch hierdurch wurde
das Geschäft in den letzten Monaten, allerdings künstlich, ge-
hemmt. Nach monatelangen Verhandlungen über eine Verlänge-
rung der Linoleumkonvention für das Jahr 1914 sind kurz vor
Jahresschluß neue Verträge zwischen den im Verbände der deut-
schen Linoleumfabriken vereinigten sieben Fabriken geschlossen
worden. Es ist erfreulich, daß nach den schlechten Erfahrung^en
mit der Kontingentierung während des Jahres 1913 diesem
Hemmnis gesunder Entwicklung für 1914 beseitigt wurde.
Aber eine der sieben Fabriken, welche bereits im Oktober
ihren Austritt aus dem Verbände per Ende 1913 erklärt hatte,
hat die Zeit bis zum . Abschluß neuer Verträge, denen auch
sie schließlich beigetreten ist, dazu benutzt, um konventions-
widrige Verkäufe zur Lieferung in ;1914 zu tätigen. Die mangelnde
[Beliebtheit gerade des in Frage stehenden Fabrikates dürfte aber
verhindern, daß hieraus merklicher Schaden für 1914 entsteht.
[Das Bestreben der an dem Verlegegeschäft in Linoleum be-
teiligten Händlerschaft, sich auch ihrerseits zusammenzuschließen,
hat im Berichtsjalire weitere Fortschritte gemacht. Es haben
sich 18 viher das ganze Eeich verteilte Lokalvereine in den
Hauptstädten gebildet zu dem Zwecke, die Verkaufspreise der
für das Baugeschäft benötigten Qualitäten einheitlich zu ordnen.
Diesen Lokalvereinen ist der Schutz der Fabriken zugesprochen
worden, so daß eine erfolgreiche Sperre derjenigen Objekte ver-
fügt werden kann, bei welchen Unterbietungen der allerseits ge-
schützten Preise von Außenseitern vorkommen. Dieses Svstem
Erster Bericht
Allgemeines.
Konventions-
verhältnisse.
426
VII. Textilindustrie und Verwandtes
hat sich bewährt. Es kann nur als billig betrachtet werden,
daß sich nicht nur die Fabriken einen auskömmlichen Nutzen
für ihre Fabrikate sichern, sondern auch ihren Abnehmern den-
jenigen Schutz gewähren, welcher zur Erreichung angemessener
Preise beim Verkauf an die Konsumenten erforderlich ist.
Leinöl. Von den zur Herstellung von Linoleum benötigten haupt-
sächlichsten Kohstoffen ist Leinöl, das im Jahre 1912 eine
früher nie geahnte Höhe erreicht hatte, wieder auf einen
niedrigeren, w^enn auch noch nicht normalen Stand, zurück-
gegangen. Dagegen wurde Jute so teuer, daß die Ersparnis am
Preise des Leinöls von den Mehraufwendungen an Jute, besonders
bei den billigeren Qualitäten, gänzlich aufgezehrt wurde.
Preise. Die Verkaufspreise der Fertig-Fabrikat^ sind im ganzen
Jahre 1913 luiverändert geblieben.
Export. Das Geschäft mit dem Auslande dürfte durch die Ermäßigung
des amerikanischen Zolltarifes für gute Qualitäten Aussieht auf
weitere Ausdehnung bieten.
Aussichten. Die Aussichten für das Linoleumgeschäft in 1914 dürfen
als günstig bezeichnet werden, denn die Läger der Händlerschaft
sind klein, und man darf wohl außerdem noch mit einer naeli
und nach einsetzenden Belebung der Bautätigkeit rechnen. Die
Preiserhöhung, welche für billige Qualitäten für 1911 beschlossen
wurde, wird einer normalen Entwicklimo* nicht hinderlich sein.
Wachstuch
und Ledertuch.
Allgemeines.
Rohstotte.
Ledertuche.
d) Wachstuch und Ledertuch.
Das Geschäft in AVachstuch. vollzog sich im Jahre 1913
in durchaus normalen Bahnen. Der Absatz Jiat unter der all-
gemeinen Ungunst der Zeitverhältnisse nicht gelitten und blieb
hinter den Vorjahren nicht zurück.
Von den zur Verarbeitung gelangenden Rohstoffen zeigten
baumwollene Gewebe eine leichte Tendenz nach oben. Schwan-
kungen auf dem Baumw^ollmarkte machen sich erfahrungsgemäß
bei den für die AVachstuchfabrikation erforderlichen Gew^eben
weniger scharf bemerkbar, weil nur wenige AVebereien auf der-
artige Spezialqualitäten eingerichtet sind. Dagegen ist Leinöl
nach den Rekordpreisen des Jahres 1912 wieder auf einen an-
gemesseneren, wenn auch noch immer über dem Durchschnitt
früherer Jahre liegenden Preis zurückgegangen. Erhebliehe
Mehraufwendungen mußten aber für fast alle zur Fabrikation
erforderlichen Chemikalien sowie für Löhne gemacht werden. Die
Ersparnis am Leinölpreise war aber immerhin so groß, daß die
Fabriken zu Preiserhöhungen in 1913 nicht zu schreiten brauöhten.
In den Musterungen wurden kleine klare Dessins bevorzugt.
Das Geschäft in Ledertuchen hatte im Jahre 1913 einen
hesonders großen Umfang angenommen, weil für einige Spezial-
artikel, wie billige Damengürtel sowie sogenannte Südwesterhiue,
122. Handel mit Gardinen, Spitzen und Stickereien.
427
ganz bedeutende Quant itä,ten von Leder tuchen in eigens hierfür
geschaffenen Qualitäten konsumiert wurden.
Der Bedarf an sogenanntem Kunstleder hat in guten, von
der Automobil- und Karosserie-Branche benötigten Qualitäten an
Umfang zugenommen. Bevorzugt wurden amerikanische Fabri-
kate, welche sich nunmehr jahrelang auf das beste bewährt haben.
Der Verkauf von Wachstuchen und Ledertuchen nach dem
Auslande ist unverändert klein geblieben, weil nach den reziproken
Abmachungen mit der englischen Konkurrenz ein erfolgreicher
Kampf gegen dieselbe nicht unternommen werden kann.
Es sind im Jahre 1913 Versuche zur Bildung- eines deutschen
Kartells unternommen worden. Die AVachstuehbranche eignet
sich aber wegen der Verschiedenheit der in Frage kommenden
Fabrikate weder für allgemeine Preisvereinbarungen noch zur
Kartellbildung. Es ist daher dringend zu wünschen, daß der-
artigen Versuchen geschäftsmäßiger Kartell bildner in Zukunft
gar nicht erst Gehör geschenkt werde.
122. Handel mit Gardinen, Spitzen und Stickereien.
a) Gardinen.
Das Berichtsjahr brachte unter der i]inwirkung der Mode
eine ganz veränderte Tendenz für die einzelnen Artikel. Während
man in den Vorjahren für billige Gardinen als Stapelware, Stück-
ware forcierte, ging man 1913 infolge der Moderichtung und
Nachfrage dazu über, auch in billigeren Qualitäten moderne Deko-
rationen zu schaffen. Die sogenannte „Künstlergardine", be-
stehend aus 2 Langschals und 1 Querbehang, erlangte insofern
eine gute Nachfrage, als sie durch die glatt herabfallenden Schals
und dem Querbehang eine vornehme Dekoration bildet, einen
guten Lichteinfall in die Zimmer gestattet und die Beschaffung-
dunkler Uebergardinen (Portieren) erübrigt. In der Herstellungs-
weisc unterscheidet man: 1. gewebte englische Tüll-Künstler-
gardinen, 2. konfektionierte Spannstoff- (Allover-) Künstlergar-
dinen, 3. Erbstüll-Künstlergardinen.
Nr. 1 und 2 brachte man in den Preislagen von ca. 3,50 Mk.
per Fenster an bis zu 25 Mk. per Fenster, teilweise in Spann-
stoffond, teilweise mit einseitigen Bordüren, die den Charakter
einer echten ßpitzengardine hatten. Auch bunte Effekte und
Einsätze waren mehrfach vertreten. Speziell Genre 2 ermöglichte
es jedem Geschmack, durch die Konfektion gerecht zu werden,
wozu geeignete Spannstoffe, Klöppel- und Spitzeneinsätze sowie
Spitzen in reicher Zahl zur Verfügung standen. Der Umsatz war
bei günstigen Preisen gut und bildete den Ausgleich g-egen die
sonst gangbaren abgepaßten (2 Schal-) Gardinen und Stores,
welche beiden Artikel für engl. Tüll fast festgelegt worden
sind, und deren Preise infolgedessen auch zurückgingen. Der Um-
satz in Stückware ist durch die Künstergardine ebenfalls beein-
Export.
Kartell.
428
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Etamiiie.
trächtigt worden. Die guten Qualitäten hatten nicht die frühere
Nachfrage, es gingen daher vorwiegend die Preislagen bis zu
80 Pf. i^ro Meter, und zwar vorwiegend in geschmackvollen kleinen
Spannstoffmustern mit geschmackvoller Bordüre. Wenngleich in
diesem Stapelgenre Stückware ein guter Umsatz erzielt wurde,
so blieb doch einesteils infolge der Beliebtheit der modernen
Künstlergardinen, andererseits wegen der ungünstigen wirt-
schaftlichen Verhältnisse der Umsatz gegen das Vorjahr zurück,
so daß Stückware im Ueberfluß vorhanden war. Deshalb
wurde von dem Verband der Webereien englischer Tüll-
gardJneu eine vorübergehende Produktionseinschränkung be-
schlossen. Für Stückware kamen noch Spannstoffe viel in Frage,
und zwar 130 bis 150 cm breit zur Herstellung von Künstlergar-
dinen, zum Bespannen von Fenstern und sonstigen Dekoratio-
nen. Auch Künstlergardinen-Stückware mit einseitiger Bordüre
wurde später in verschiedenen Preislagen neu gemustert und gut
verkauft, da diese für jede Fensterhöhe und in der benötigten
Länge geschnitten werden und durch die einseitige Bordüre als
Lambrequin angewandt werden können.
Lambrequins, Scheibengardinen (abgepaßt und Stückware),
ferner Deckchenartikel hatten die bisherige Bedeutung. Auch
Cöper-Kouleaux und Vorhänge sind im gleichen Quantum wie in
den Vorjahren gekauft worden. Nennenswerte Aenderungen hin-
sichtlich Musterung kamen nicht vor. Bettdecken für ein und zwei
Betten in englischem Tüll und in Spannstoff konfektioniert,
sowie Erbstüllbanddecken gewannen mehr an Bedeutung. Da-
gegen verringerte sich die Nachfrage nach Bettwanddekorationen
in den gleichen Herstellungsarten, da diese Dekorationen mehr
durch dunkle Dekorationsstoffe hergestellt wurden.
Madras-Künstlergardinen (Etamine mit buntfarbigen Effek-
ten) bildeten auch im Berichtsjahr einen g'^ern gekauften Artikel
für Herrenzimmergardinen. Bevorzugt wurden vorwiegend gute
Mittelpreislagen von 6 bis 15 Mk. per Fenster. Zum Schluß des
Berichtsjahres neigte die Musterung in diesem xA.rtikel zu dunklem
Fond mit farbigen Effekten, was sehr verkäuflich erscheint.
Für gestickte G-ardinen und Stores ist zuvörderst auch die
Künstlergardine zu erwähnen, speziell im Crochetgenre, die in
höheren Preislagen gut wirkte. Stores dagegen gingen haupt-
sächlich in Etamine-Tüll mit Klöppeleinsätzen und Handarbeits-
effekten in den Längen 2,75 m als Halbstore. Die Umsätze hielten
sich wegen der Konkurrenz der erwähnten Künstlergardinen in
engem Rahmen. Daher sahen sich auch die sächsischen Fabri-
kanten dieses Artikels veranlaßt, die Fabrikation der konfektio-
nierten Spannstoff-Künstlergardinen aufzunehmen. Die gang-
barste Farbe für abgepaßte Gardinen, Stores und Künstlergardi-
nen war ivoire, für Stückware weiß, creme, ecrue. Unter Bs-
122. Handel mit Gardinen, Spitzen und Stickereien. 429
rücksichtigung sämtlicher Zweige des Geschäfts ist sein Ertrag
als mittelgut zu bezeichnen, zumal z,u beachten ist, daß die Mode-
richtung außerordentliche Aufmerksamkeit erforderte.
b) Stickerei.
Das vergangene Jahr war dem Handel mit Stickereien nicht
günstig, insofern wiederum die Preise viel zu wünschen übrig
ließen. Die scharfe Konkurrenz, die sich gerade in dieser Branche
geltend macht, wird besonders dadurch hervorgerufen, daß in
der Schweiz die früheren großen Exportaufträge ausblieben. Die
übergroße Zahl der dort stehenden Stickmaschinen hatte eine ver-
hältnismäßig zu geringe Beschäftigung und mußte sich neue Ab-
satzgebiete schaffen. Leider ist der deutsche Markt durch diese
Schweizer Fabrikate noch wesentlich mehr überschwemmt worden
als as bisher der Fall war. Große Quantitäten regulärer Ware
wurden als Partie angeboten und zu außergewöhnlich billigen
Preisen verkauft. Auch durch die automatischen Stickmaschinen
wurden die Preise gedrückt. Allerdings ermöglichen diese Ma-
schinen eine ganz besonders gute Ausführung der Ware, stellen sie
aber in derartig großen Quantitäten her, daß der Konsum sie kaum
aufzunehmen vermag. Handmaschinen wäre verlor im Laufe des
Jahres weiter an Umsatz, und zwar deswegen, weil die Schiffchen-
ware auf der eben erwähnten Automatenmaschine fast der Hand-
ware gleichwertig herzustellen ist und im Preise günstiger aus-
fällt. Die Handmaschinenausführung kommt hauptsächlich nur
noch für Madapolam- und Mullstickereien in Frage und wird
für bessere Preislagen bevorzugt. Da diese aber für die Stapel-
konfektion nicht mitsprechen, bewegte sich der Umsatz für diese
Ausführung in mäßigen Grenzen. Um so mehr w^urde die Schiff -
chenware bevorzugt. Doch hatte, wie schon erwähnt, die deutsche
Industrie nicht den großen Anteil daran, den sie eigentlich hätte
haben müssen. Für die deutsche Fabrikation kamen hauptsächlich
nur billige Qualitäten- Schiff chenware in Frage, die für die
Schürzenkonfektion in großem Maße gekauft werden. Dagegen
wurde für die Wäsche- und Blusenkonfektion den Schweizer
Fabrikaten der Vorzug gegeben. Diese übertreffen nämlich hin-
sichtlich Musterung und Ausführung die deutschen und sind
außerdem wohlfeiler als diese. Letzteres namentlich ist ausschlag-
gebend für die Bevorzugung der Schweizer Wai-e. Der Haupt-
konsum in Stickereien bewegte sich in den Breiten von ca. 3 bis
20 cm. Etwas günstiger war das Geschäft in Stickerei-Roben-
volants sowie Stickereistoffen. In diesen Mustern war die Be-
schäftigung der deutschen Industrie verhältnismäßig gut, und
auch die dafür erzielten Preise entschädigten etwas für den
Mangel an Aufträgen in den eben erwähnten Artikeln.
Madapolamlanguetten behielten die bisherige Bedeutung und hatten
430
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
nach wie vor eine scharfe Konkurrenz in den Barmer Artikeln.
Im allgemeinen wäre es nur wünschenswert, wenn für Stickerei-
artikel mit Ablauf der Handelsverträge eine Einschränkung des
Veredlungsverkehrs resp. eine Erhöhung der Einfuhrzölle ein-
treten würde, damit die Branche wieder einmal in g-ünstigere
Zeiten blicken kann.
123. Zeltefabrikation.
AUgemeiues. Infolgc dcs Balkankriegcs waren zu Anfang dieses Jahres
die Absatzmöglichkeiten günstig, soweit sich nicht die österreichi-
sche Konkurrenz fühlbar machte. Sämtliche am Krieg beteiligten
Länder bildeten gute Absatzgebiete, dagegen litt das' Allgemein-
geschäft sehr stark unter den kriegerischen Verwicklungen.
Nach Beendigung des Krieges der Verbündeten gegen Bulgarien
trat eine sehr starke Verflauung auch der Nachfrage vom Balkan
her ein. Wenn auch durch die Heeresvermehrung der Beschäfti-
gungsgrad wesentlich erhöht worden ist, so kann diese Zunahme
der Aufträge doch lediglich, als vorübergehend betrachtet wer-
den. Seit Mitte des Berichtsjahres ging der Export auch in der
Zeltbranche bedeutend zurück, was sich außer aus der Beendigung
des Balkankrieges auch aus der kritischen Lage erklärt, in der
sich im Berichtsjahre die Länder befanden, die hauptsächlich
auf Kautschukexport angewiesen sind.
Preise. Die Einkaufs Verhältnisse waren im Berichtsjahre für Roh-
material genau so ungünstig wie in 1912. Flachs war fast nicht
vorhanden. Infolgedessen mußten sehr hohe Preise bezahlt werden.
Die Baumwollernte war niöht schlechter wie im Vorjahre, trotz-
dem werden die Preise noch höher getrieben. Das gleiche läßt
sich für Jute sagen. Infolgedessen konnten die Fertigfabrikate
nur mit ganz gering'^m Nutzen abgesetzt werden.
Technik. Besondere Fortschritte auf technischem Gebiete sind nicht
Löhne. ZU Verzeichnen. Die Lohn Verhältnisse sind durch Vertrag bis
zum nächsten Jahre geregelt worden.
Dias G-esamtresultat des Oeschäfts Jahres 1913 war für die
Zeltbranche nicht günstig.
124. G ü r t e 1 f a b r i k a t i 0 n.
Die Geschäftslage in der Gürtelfabrikation war auch im
Jahre 1913 sehr ungünstig und wird andauern, solange nicäit
ein Umschwtmg in der Kleidermode eintritt. Der Markt beschränkte
sich nur auf schmale Ledergürtel in niedrigen und mittleren Preis-
lagen. Wie gewöhnlich, wurde gegen Endes des Jahres das Ge-
schäft durch Sammetgummigürtel etwas belebt, ßher auch in
diesem Artikel bestand nur Nachfrage nach schmalen Breiten
und billiger Ware.
125. Korsett-Industrie nud -Handel. 431
125. Korsett-Industrie und -Handel.
Erster Bericiit.
Im Berichtsjahre sind die Verhältnisse in der Korsett-
fabrikation und im Korsietthandel noch Schwieriger geworden.
Uebera.ll krankte das Geschäft daran, daß die Rohware teurer
als bisher war, das fertige Produkt aber zu billigen Preisen ab-
gegeben w)erden mußt-e.
Die Fabrikanten der billigen Ware waren am schlechtesten
daran, ihr Nutzen war auf ein Minimum beschränkt. Besonders
durch da^ Unterbieten der Warenhäuser unter sich werden dort
Korsetts vielfach zum Einkaufspreis und oft noch billiger ver-
kauft, lißi das Publikum heranzuziehen. Für Extratage werden
Igroße Posten Korsietts angefertigt, die der Fabrikant zumeist
mit unwesentlichem Nutzen liefern muß, um sich den Kunden
zu erhalten. Dieser tmgesunde Zug, der weder den Fabrikanten
noch den Warenhäusern Nutzen bringt, geht leider durch alle
Branchen. D'en größten Schaden hiervon hat das reelle Spezial-
geschäft. Abgesehen davon, daß dasselbe, selbst wenn es ganz
billige Korsetts führt, diese in besserer Ans-stattung halten muß,
und schon dadurch höhere Fabrikationsspesen hat, kann es un-
möglich seine Waren verschleudern. Es muß auch auf die billigen
Preislagen seinen reellen Nutzen aufschlagen, da es den an einem
Artikel verloren gegangenen Gewinn ja nicht wie das Warenhaus
durch den Verkauf anderer wieder einholen kann. Wenn nun
auch das Spezialgeschäft im allgemeinen bessere Korsetts ver-
kauft, so kann doch auch hierbei immer nur mit einem verhältnis-
mäßig bescheidenen Nutzen gerechnet werden.
Die Spesen waren im Vergleich 'zu den Umsätzen zumeist Mode.
viel zu groß. Zahlungsstockungen in der Korsettbranche nahmen
daher erschreckend zu. In früheren Berichten wurde schon
auf die leichtfertige Kreditgewährung in der Korsettbranche
hingewiesen. Damen, die die Absicht aussprechen, sich in
der Korsettbranche zu etablieren, werden, selbst wenn sie
keine Mittel haben, um die Ladeneinrichtung und die
erste Ladenmiete zu bezahlen, mit Waren geradezu beworfen.
Einige Fabrikanten richten Detailgeschäfte in Form von Gesell-
schaften mit beschränkter Haftimg ein. *Die Leiterinnen erhalten
für ihre kleinen Einlagen Anteile. Haben die Geschäfte mit Ver-
lust gearbeitet, so verlieren die (D'amen in den meisten Fällen
üire Einlage. Die kapitalkräftigen Filialbesitzer haben ihren
Wiikimgskreis immer mehr ausgebreitet. Filialen werden heute
auch in den kleinsten Städten von ihnen eingerichtet. In den
Filialen finden tüchtige Verkäuferinnen als Leiterinnen ein
immerhin gutes Auskommen. •
Die Mode hat sich im Berichtsjahre gar nicht geändert. Zwar
machte ein Pariser Haus den Versuch, eine neue Form heraus-
432
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Export.
Beschäf-
tigungsgrad.
ZweiterBericht.
zubringen, die dem Unterkörper etwa-s freiei*en Spielraum läßt,
doch fand es damit beim Publikum nur wenig Anklang. Nach wie
vor trägt man lange Korsetts, und selbst in billigen Genres müssen
lange Dessins gebracht \v^erden. Dagegen machte sich in der Aus-
fülirung im abgelaufenen 'Jahre eine wesentlidhe Aenderung be-
merkbar. Es gingen fast nur noch glatte Stoffe, wie Da-ell, Satin
und Batist. Nur vereinzelt wurden Jacquardstoffe verarbeitet.
Ganz besonders bevorzugt war die weiße Farbe. Als Einlage
verwendete man selbst für mittlere und bessere Genre« rostfreie
Stahleinlage. Dier Konsum in Hörn und echt Fischbein ist erheb-
lich zurückgegangen. Für billigere Genres findet nach wie vor
einfache Stahleinlage Verwendung. An Garnierungen werden von
JaJir zu Jahr größere Ansprüche gestellt. Man verwendete viel-
fach deutsche, für bessere Genres 'aber größtenteils englische
und französische Spitzen. In den früheren Jahren waren Strumpf-
halter ein guter Nebenartikel für Fabrikanten sowohl wie für
IDetailleure. Jetzt muß fast jedes Korsett mit Strumpfhaltern
hergestellt werden.
Der Export, hielt sich auf gleicher Höhe wie im Vorjahre,
Neue Absätzgebiete sind inidht hinzugekommen, und die alten
sind wegen der hohen Zollschranken nicht zu erw^eitem.
Im großen und ganzen waren die Fabrikanten bis zum August
vollauf beschäftigt. iDie Umsätze waren sogar zumeist größer
infolge der höheren Preise, die für die langen Korsetts angelegt
werden mußten. Von da an maehte sich jedoch die allgemein un-
günstige Geschäftsla.ge auch in der Korsettbranche sowohl bei
den Fabrikanten wie im Dtetailverkehr bemerkbar. Andererseits
erhielten die Fabrikanten s<^hon zu Ende des Jahres für die
Früh Jahrssaison gTößere Aufträge, da die Abnehmer wissen, daß
bei der heutigen langen Korsettmode eine längere Lieferfrist not-
wendig ist.
Zweiter Bericht.
Zwar setzte der Geschäftsgang zu Anfang des Berichtßijahres-
sehr lebhaft ein, aber schon im Frühjahr verminderten sich die
Bestellungen. Im zweiten Halbjahr war die Situation der Branche
geradezu krisenhaft schlecht. Namentlich die Zahlungsweise war
im Zusammenhang mit dem allgemein stillen Gang der Berliner
Detailgeschäfts im vergangenen Jahre ungewöhnlich schleppend,,
so daß die in der Korsettbranche gewohnten üblen Kredit- und
Zahlungsverhältnisse sich ;noch verschlechterten. Die 1913 ge-
machten Anstrengungen, eine neue Mode hinsichtlich der Form
zu lancieren, hat keinen Erfolg, es sei denn, die Wiederverkäufer
unruhig zu machen, so daß sie mit Käufen in alten .und neuen
Dessins zurückhielten. Das Publikum war auch nicht kauflustig,
was sich wohl zum nicht geringen Teil aus der Verteuerung^
der Lebenshaltung, Erhöhung der Steuern, den schlechten Er-^
126. Sdhiiln-Fabrikation mid -Handel. 433
werbsbedingiuigen usw. erklärt. Das Ergiebnis des abgelaufenen
Jahres \var infolgedessen für Fabrikanten, Grossisten und Do
tailleure 'gleich, [ungünstig.
126. Schirm-Fabrikation und -Handel.
Die Fabrikation von Sonnenschirmen ging im Jahre 1913 fciSrme
noch weiter zurück. Die Stoffabrikanten sind zum Teil von der
Ausmusterung ,ihrer Kollektionen abgekommen, weil ihre Fa-
brikate keinen Absatz fanden. Die wenigen Fabrikanten, die
dennoch Kollektionen brachten, taten es in dejr Erwartung, da^
der Sonnenschiirm doch wieder einmal von der Miode begünstigt
werden könnte und, um in ständiger Fühlung mit den Abnehmem
zu bleiben. Von irgendwelchem Nutzen kann hierbei keine 'Rede
sein, im Gegenteil dürften sie Mühe haben, die Musters^eseü^
herauszuschlagen. Infolgedessen und auch wegen der Mißerfolge
ihrer eigenen Kollektionen sind auch 'die Schirmfabrikanten zum
großen Teil davon abgekommen, Neuheiten zu bringen. Sie würden
es aber sofort tun, wenn irgendwelche Aussichten für eine Wieder-
belebung des Sonnenschirmartiküls vorhanden wären. Die großen
Waren- und Kaufhäuser müßten in Gemeinschaft mit den
größeren Spezialgeschäften der Branche zu 'Beginn einer jeden
Saison eine Spezialausstellung von Sonnenschirmen in die Wege
leiten, um sie auf solche Weise wieder kauffähig zii machen.
Wenn durch eiQ Zusammenarbeiten der 'Fabrikanten und Ab-
nehmer, die ihrerseits in ständiger Fühlung mit der Mode und dem
kaufenden Publikum sind, den ersteren Anregungen gegeben werden
würden, dürften sie solühen gern zum Nutzen der ganzen Branche
nachkommen. Daß dies nicht ohne Opfer von bteiden interessierten
Seiten geschehen kann, ist wohl 'selbstverständlich. Derartige
Spezialausstellungen würden aber, wenn sie einige Jahre mit
Ausdauer betrieben würden, ohne Zweifel einen Erfolg zeitigen.
Die elegante DamJe wird im Tragen eines ihre Toilette vervoll-
ständigenden eleganten Sonnenschirmes mit gutem Beispiel vor-
angehen, und das übrige Publikum wird früher oder später folgen.
Durch die Wiederaufnahme des Sonnenschirmes würde der Schirm-
fabrikation eine zweite Saison erstehen, und damit wäre für di«.
Arbeitskräfte das ganze Jahr hindurch Beschäftigung gegeben.
Daß dies heute nicht der Fall ist, daraus erklärt sich im wesent-
lichen die ungünstige Lage der ganzen Schirmbranche. Denn in-
folgedessen entsteht einerseits die Abwanderung von Arbeitsi-
krälten, und müssen andererseits in der ruhigen Zeit Verkäufe
in Eegenschirmen getätigt werden, die den Selbstkosten nicht
entsprechen.
Auch das E-egenschirmgeschäft hat im Jahre 1913 viel zu Regenschiimo.
wünschen übrig gelassen. Die ersten Monate waren anhaltend
trocken, und wenn der Juli in einzelnen Gegenden, namentlich
in Süddeutschland, eine Eyegenperiode gezeitigt hat, so ist dem
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 28
434
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
ein überaus trockener Herbst gefolgt, der Minderumsätze gebracht
hat. Der Bedarf hat sich, "wie im Vorjahre, wiederum auf Mittel-
qualitäten zusammengedrängt, ein Beweis für 'die geringe Kauf-
kraft des Publikums. Die allgemeine schlechte Greschäftslage
macht sich in der Schirmbranche in erster E-eihe bemerkbar, wird
doch der Regenschirm ohnehin häufig als ein notwendiges Uebel
betrachtet.
Export. iDoch besteht diese Auffassxing zu Unrecht, da der
elegante B/egenschirm ein Bestandteil einer vollendeten Toilette
ist. Er wird heute, namentlich von ersten Firmen Deutsch-
lands in einer Vollkommenheit hergestellt, die ihm einen Weltruf
geschaffen hat. Man sieht in Paris, London, New York und an-
deren Verkehrszentren deutsche Schirme, deren Ursprung den
wenigsten Käufern bekannt ist. Erst nach und nach finden sich
überseeische Käufer, die bisher im eigenen Lande oder im Aus-
lande ihren Bedarf gedeckt haben, in Deutschland ein, und sehen
hier mit 'Erstaunen, daß Deutschland für die Mode und für die
Ausführung tonangebend geworden ist. "Wenn 'auch vorerst die
Aufträge noeh nicht übermäßig groß sind, so ist doch anzimehmen,
daß der Export sich bedeutend heben wird. Der Export von
Stapelware hat «sich nicht in der erhofften Weise gestaltet, da
hohe Frachten 'und Zölle die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen
Fabrikats stark 'beeinträchtigten, obwohl es 'au Qualität das aus-
ländische weit übertrifft.
Arbeitslöhne. Die Arbeitslöhne dürften keine Veränderung erfahren haben.
Sie sind -durch die Ungunst der Sonnenschirmmode quantitativ
kleiner geworden, w^eil für konfektionierte Sonnenschirme Wenig
Arbeitskräfte vorhanden Hvaren und diese wegen Mangel an Be-
schäftigung sich 'anderen Branchen zugewandt haben.
Das Geschäft 'in farbigen Eegenschirmen ging weiter 2rurück.
Es wurden «nur noch einfarbige Stoffe gekauft und allenfalls
noch besondere Neuheiten, die durch die Eigenart der Fabrikation
teuer werden und dem großen Publikum fast unerschwinglich
sind. Der ^Umsatz in mittleren und billigen Preislagen verminderte
sich andauernd. Dafür wurden ghwarze Regenschirme mit feinen
Stöcken bevorzugt. \
stücke. Infolgedessen wuchs tach w^ie vor das Bedürfnis nach Neu-
heiten in »Stöcken, und die Stockfabrikauten, namentlich diejenigen,
die besseres 'Fabrikat herstellen, waren überaus' stark beschäftigt.
Bei der ^Schwierigkeit der BeschaffuQg geeigneten Bohmaterials
in den gangbaren Stärken, bei der Eigenart der Behandlung, der
verschiedenen Hölzer, Wd bei der Vielseitigkeit des zu verwen-
denden Materials, als : Hörn, Elfenbein, Silber, Grolddouble, Schild-
patt, Bakelite, Oalalith und Zelluloid beanspruchen die Fabri-
kanten eine •mehrmonatliche Lieferzeit, die die kollektionsgemäße
Ausführung von 'Schirm auftragen außerordentlich erschwert.
Farbige
Regenschirme.
127. Fabrikation und Handel mit Seilerwaren.
435
In schwarzen Eegenschirmstof fen wurden nach, wie vor dünn-
rollende, leichte ^Qualitäten bevorzugt, die naturgemäß nicht die
Dichtheit besitzen Vie starke, undurchsichtige Stoffe.
Die Vereinigung <der Schirmstoffabrikanten beschloß gegen
Ende des Jahres eine Preiskonvention, deren Entwicklung sich
gegen Sdhluß des Berichtsjahres noch nicht übersehen ließ. Das
h'atte zur Folge, daß auch die deutschen Schirm-Großfabrikanten
eine Konvention vereinbarten, der über 90 o/o aller in Frage kom-
menden Firmen sich angeschlossen haben.
Die Schirmposamentenbranche war weiter bestrebt, der Mode
Eechnung zuHragen und sich den Wünsch en der Schirmfabrikanten
anzupassen.
127. Fabrikation und Handel mit Seiler waren.
Erster Bericht.
Das Geschäft und die Fabrikation in Seilerwaren war im
Jahre 1913 trotz reger Nachfrage für den Fabrikanten wie für
den Händler wenig befriedigend, da die Verkaufspreise infolge
der ständig gestiegenen Rohstoffpreise und Unkosten wenig
Nutzen ließen.
Der von den Hanfspinnereien und Bindfadenfabriken ge-
schlossene Trust wurde im Berichtsjahre durch Beitritt der noch
außenstehenden Spinnereien und Bindfadenfabriken befestigt.
Infolge strenger Durchführung der aufgestellten ßedinlgungen
und Verbesserungen der Wiederverkaufsskalen beganjien die an-
günstigen Verhältnisse im Bindfadenhandel sich zu bessern Die
aufgestellten Verkaufsskalen bringen jedoch' nur den größeren
Grossisteai annehmbaren Verdienst, während die kleineren Händler
nicht den erhofften Nutzen daraus ziehen. Bei dauerndem, festen
Zusamn-enhalten der Spinnereien und Bindfadenfabriken hofft
man jedoch, die noch bestehenden Mängel zu beseitigen, so daß
für den im Berichtsjahre mit geringem Nutzen arbeitenden Bind-
fadenhaLdel wieder bessere Zeiten zu erwarten sind.
Das Geschäft in Hanfseilen war, trotzdem 1913 ziemlicher
Bedarf vorlag, ebenfalls nicht gut. Dter durch ihre Knappheit
bedingten Steigerung der Roh'materialien im Preise und infolge-
dessen auch der Fabiikate konnten die Verkaufspreise nur lang-
sam folgen. Im Berichtsjahre kamen Seile aus Hänfen, die in
unseren Kolonien wachsen, sehr in Aufnahme und wnrden teil-
weise sogar von Behörden verlangt und vorgeschrieben. Schlechte
Ueberseeische und Kolonialhänfe wurden zum Nachteil der guten
Qualitäten viel auf den Markt gebracht und auch gemischt ver-
arbeitet.
Durch den vor Jahren geschehenen Zusammenschluß der Jute-
spinne r und -Weber konnten die Preise in der Garn-Fabrikation
geregelt werden, so daß für den Fabrikanten ein Nutzen blieb,
trotzdem die Nohmaterialien im Berichtsjahre andauernd im
28*
Stoffe.
Konvention.
Posamenten
Erster Bericht
Allgemeines.
Bindfaden
Hanfseile
Gurte.
436
Vn. Textilindustrie und Verwandtes.
Preise gestiegen waren. Der Handel gestaltete sicih durcii die
dauernde Preissteigerung sdhmeriger, durcli die Preisfestlegung
konnte aber größtenteils den Sdhleuderem das Handwerk gelegt
werden, so daß stets mit, wenn auch' kleinem, Nutzen gearbeitet
wurde.
Drahtseiif. Der Bedarf in Drahtseilen in allen Stärken für alle Zwecke
war audh.1 im verflossenen Jahre gut. Dodh giagen die Preise trotz
[größerer Herstellungskosten ständig zurück, so daß bei diesem
Artikel für den Fabrikanten nur wenig Nutzen blieb, xln dem
Preisrückgang waren namentlidh' die vor Jahren vorgenommenen
Betriebsvergrößerungen sdhuld, die der Vergjriößerung des Ab-
satzes doch' wohl vorausgeeilt waren. Infolgedesl&en kamen manctbe
Preisunterbietungen, namentlich von selten auswärtiger Firmen^
vor. •
Arbeiter. Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und -nehmem war auok
im Bericiits jähre einigermaßen zufi-iedenstellend. Die Arbeit-
Inelimer verstanden es, trotz der teilweise sichlecihten Beschäfti-
gung bedeutende Lohnerhöhungen auf gütlidhem Wege zu er-
reicihen.
ZweiterBericht. Zwcltcr Bericht.
Im Berichtsjahre festigte sich der 1912 gegründete Ver-
band der Hanfspinnereien und Bindfadenfabrikanten Deutsch-
lands mehr und mehr, und ließ bei gänzlichem Mangel aller
Außenseiter die Abnehmer seine Macht fühlen. Er begnügte
sich nicht damit, den Revers von 1912 bestehen zu lassen^
sondern erweiterte ihn dahin, daß dem Grossisten kein Liefe-
irungsanspruch an die Fabriken zustehen solle, während die
letzteren niemals für Nichtlieferungen haftbar gemacht werden
können. In einer weiteren Bestimmung des Reverses behielt
sich der Verband vor, ihn abzuändern, wenn es ihm nötig
erscheine. Diesen Revers mußten die Händler durch ihre Unter-
schrift gutheißen, wollten sie sich nicht dem Boykott durch
(den Verband aussetzen. Der Verband schrieb auch im Berichts-
jahre sein CD Abnehmern Verkaufspreise vor, deren Nicht-
beachtung er mit dem Verlust des Rabattbruchteils bedrohte,
den die Revershändler bei den Fabriken bis zum Jahresschlüsse
stehen zu lassen verpflichtet sind. Auch des ganzen Revers-
bonus sollten diejenigen verlustig gehen, die die Verbandsver^
kaufspreise nicht innehalten würden. Schließlich behielt sich
«der Verband noch das Recht vor, in diesem Falle allen Fabriken,
trotz abgeschlossener Lieferungsaufträge, die Weiterlieferungen
zu verbieten. Die Verkaufspreise des Verbandes waren jedoch
(Für den Kleinhandel viel zu hoch bemessen, und so sollten
einem der ersten Grossisten zirka 11 000 Mk. vom Verbände
einbehalten werden, weil ihm angeblich Unterverkäufe zu einem
Differenzpreise von 60 bis 70 Mk. nachgewiesen worden waren.
128. Fabrikation von Netzen. 437
per Prozeß in dieser Angelegenheit schwebte noch zu Ende
des Berichtsjahres.
Wenn demnach auch gegen die Leitung des Verbandes
mancherlei einzuwenden ist, so muß doch zugegeben werden,
daß sein Bestehen auch dem Handel Vorteile gebracht hat.
Im Berichtsjahre konnten immerhin bessere Preise als je vorher
-erzielt werden. Die Steigerung betrug 15 Pfg. für das Kilo,
und ist, wie nochmals betont sei, nicht als Polge der Erhöhung
der Eohstoffkosten, sondern des Zusammenschlusses der Fabriken
zu bezeichnen. Man rechnete daher auch am Ende des Berichts-
jahres für die nächsten Monate mit einer weiteren Preissteigerung
um 10 o/o.
128. Fabrikation von Netzen.
Die Schwankungen in der Prosperität wurden verursacht Prosperität,
durch die Witterung, durch das geringe Auftreten oder gänz-
liche Ausbleiben der Sprotten und Heringe in manchen Bezirken
^der Ostsee, der Anchovis in Holland und der Brislinge in
Norwegen. Der Heringsfang in der Ostsee war im Frühjahr
besonders schlecht, der der Flundern dagegen gut. In Spanien
und Portugal blieb der Fang von Sardinen hinter dem Durch-
schnitt zurück. Die Prosperität wurde weiter beeinträchtigt
durch Gesetze in den verschiedenen Ländern, welche die Schon-
zeit auf gewisse Fische länger wie gewöhnlich ausdehnen, oder
den Fang verbieten, oder auch plötzlich Aenderungen in den
bisher gebräuchlichen Maschenweiten vorschreiben, und endlich
durch Kriegsunruhen auf dem Balkan und in der Türkei, und
die damit zusammenhängenden Kriegsbefürchtungen in Süd-
rußland. Die Eisfischerei am Beginn des Jahres konnte, mit
Ausnahme von Ost- und Westpreußen, gar nicht oder nur ganz
kurze Zeit ausgeübt werden. Der Bedarf an Netzen resjp. an
dem nötigen Ersatzmaterial fiel somit aus. Die in dem heißen
Jahre 1911 ausgetrockneten kleineren Fischwasser waren wegen
iMangel an Wasser und Fischen nicht mehr zu befischen. Die
^Fischereierträgnisse in den Binnenmeeren des südlichen Ruß-
lands, welches unser Hauptabsatzgebiet darstellt, waren nicht
so gut wie in früheren Jahren. Der Krieg der Balkanstaaten
igegen die Türkei ließ die Geschäfte nach diesen Ländern voll-
ständig stocken. Aufträge gingen im Verlauf des ganzen Jahres
1913 ausreichend ein, doch' machte sich' immer mehr und mehr
der Mangel an Arbeiterinnen bemerkbar, so daß die Leistungs-
fähigkeit in der Fabrikation nicht mehr zunahin, sondern trotz
Neuanschaffung einiger Maschinen zurückging.
Die ausländischen Netzfabriken machen sich' von Jahr zu
Jahr mehr die Zollverhältnisse in Deutschland zunutze, indem
sie durch systematische Bearbeitung des Marktes und Preis-
unterbietungen die bereits spärlichen Aufträge aus Deutsch'-
438
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Baumwoll-
preise.
Absatzgebiete.
Zoll-
verhältnisse.
Export.
land an sich reißen. Das Jahr 1913 ist infolgedessen als nur
•genügend zu bezeichnen. Ursachen dafür sind außer den bereits,
ei'wähnten Gründen beschränkte Aufnahlnefäihigkeit des in- und
ausländischen Marktes und Erstarken der ausländischen Konn
kurrenz, große Netzlager bei den Händlern und wenig Nachfrage
bei den Fischern selbst.
Die Preise für Baumwolle wurden in Amerika wieder durch
alle möglichen Mittel in die Höhe getrieben. Gleichzeitig
stiegen auch die Preise für ägyptische Baumwollfabcikata.
Die Preise für russisches und italienisches Hanfnetzgarn wurden
durch die Preisvereinigung der Hanfgarnspinner mehrfach im
Preise erhöht. Die Verkaufspreise des Fertigfabrikates konnten
diesen Preissteigerungen leider nicht folgen.
Außer dem Inland kamen als Absatzgebiete, wie in früheren
Jahren, ganz Europa, das asiatische Rußland, die Türkei,.
Aegypten, die Nord- und Westküste von Afrika, die Vereinigten
Staaten und Südamerika in Betracht. Doch ging der Absatz
stark zurück.
Die russischen Zollverhältnisse sind nach w^ie vor sehr un-
sicher. Die Zollbeamten nehmen oft die Verzollung von .Fisch-
netzen ganz willkürlich vor, so daß dieser Artikel vielfach einem
höheren Zollsatz unterliegt, als im Tarif für ihn vorgesehen ist.
Dier Export nach Rußland, dem Hauptabsatzgebiete für
deutsche Netze, droht durch die schwebende Erhöh ung^
des vertraglich nicht festgelegten Zollsatzes für Fisch-
jnetze gänzlich unterbunden zu werden. Statt eines Zolles
von 1,05 Rubel wird ein soldhbr von 12 Rubel pro
Pud von russischer interessierter Seite beantragt, und wohl
sicher auch eingeführt werden, was aber im Interesse der
deutschen Netzindustrie unter allen Umständen verhindert
werden sollte. Die Möglichkeit dazu bietet sich vielleicht bei
den Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Handels-
'vertrages mit Rußland. Es wäre angebracht, den Artikel Fisch-
netze mit in den Vertrag zum bisherigen Zollsatze von 1,05
Rubel pro Pud aufzunehmen, um' der deutschen Netzindustrie
idieses Absatzgebiet noch so lange wie möglieh zu sichern.
Auch ist die russische Netzindustrie heute bei weitem noch'
picht in der Lage, den Bedarf im eigenen Lande einigermaßen
zu decken. Durch Schutzzölle haben bereits Scht^reden, Frank-
reich', Norwegen, Dänemark, Oesterreich-Ungarn, die Schweiz,.
Italien, Spanien und Portugal den Export nach diesen Län-
dt^rn fast unmöglich gemacht. Nur Deutschland macht hin-
sichtlich des Schutzzolles eine Ausnahme. Der Ein-
fuhrzoll für Netze aus dem Auslande nach Deutschland
beträgt 3 Mk. per 100 kg, dagegen der für Baumw^ollgarn, aus
Idem die Netze erst hier im Deutschland hergestellt werden^
40 |Mk. per 100 kg, was geradezu eine Begünstigung der aus-
129. BaumwollabfäUe.
439
ländischen Konkurrenz zu nennen ist. Denn dadurch wird diese
jederzeit in den Stand gesetzt, die deutscäien Netzfabriken im
ei;getQen Lande ganz erheblich in den Preisen zu unterbieten. Das
MißA^erhältnis wird um so drückender empfunden, als seit
der neuen Keichsgewerbe-Ordnung, die wiederum eine Verkürzung
der Arbeitszeit für weibliche Arbeiter vorschrieb, die gesamte
Produktion um den zehnten Teil verringert wurde. Die unvern
meidliche Folge der gekürzten Arbeitszeit war eine Lohn^
erhöhung, dazu kamen noch die Schutzzölle des Auslandes, die
Zollverhältnisse im Inland, sowie die erhöhten Steuern, so dajä
die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Netzindustrie auf dem
AVeltmarkte von Jahr zu Jahr geringer wird.
Es mangelt fortgesetzt an weiblichen Arbeitskräften, so
daß es im Berichtsjahre sogar sichon schwer war^ eine genügende
Anzahl von Arbeiterinnen zu bekommen. Die Löhne sind durch-
weg gestiegen.
Die Wünsche der Industrie gehen auf Abänderung des be-
stehenden Einfuhrzolles nach Deutschland auf Netze aus Baum-
Wollgarn, der auf die gleiche Höhe wie der des Baumwolli
garnes selbst gebracht werden soll. Ferner auf Abschaffung
der Geldunterstützung, die den großen Heringsfischerei-Geselli
Schäften an der Nordsee vom Staate jährlich bewilligt wird.
Die Gesellschaften decken ihren gesamten Bedarf an Herings-
netzen aus Baumwollgarn ausschließlich im Auslande, und lassen
die einheimische Netzindustrie dabei unberüdksichtigt. Allen Ein-
jgaben von seiten der deutschen Netzfabrikanten ist es bisher
hicht gelungen, bei den Behörden zu veranlassen, eine Weiter-
gewährung der staatlichen Unterstützung an die Heringsfisteiherei-
Ges ellschaften von der Begebung von Aufträgen an die deut-
schien Netzfabriken abhängig zu machen. Eine Eingabe der
Interessenten wegen Entsendung eines Mitgliedes in den wirt^
schaftlichen Ausschuß für Zoll- und Handelspolitik, um die
Interessen der deutschen Netzfabriken wahrnehmen zu können,
wurde abschlägig beschieden.
Aussichten.
129. Baumwollabfälle.
Schon der Bericht des Vorjahres hatte nicht viel Günstiges
(über den Gang des Geschäftes in Baumwollabfällen verzeichnen
können. Im Jahre 1912 waren es besonders die Schwierigkeiten
beim Einkauf von Bauinwollabfällen gewesen, die einem be-
friedigenden Ergebnis hindernd im Weg gestanden hatten. Die
Rohprodukte hatten dauernde Preissteigerungen erfahren, und
infolgedessen war in fast allen Spinnereibetrieben mit einer
sparsamen Sorgfalt gearbeitet worden, die nur wenige Abfälle
übrig ließ. Andererseits war der Absatz in billigeren Baum-)
woU waren im Vorjahre nicht sehr befriedigend gewesen, so
daß um die Wende 1912/13 in den verschiedensten Lagerräumen
440 VII. Textilindustrie und Verwandtes.
große, für lange Zeit reichende Best,ände in diesen Waren auf-
gestapelt waren.
Wir haben diese ungünstigen Verhältnisse des Vorjahres
kurz rekapituliert, um die sehr wenig befriedigende Lage, in
jdie die Baumwollabfallbranche im Laufe des Berichtsjahres ge-
riet-, besser verstehen zu können. Denn natürlich machten siöh
hier die allgemein ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse
von 1913 noch empfindlicher bemerkbar, als auf anderen Ge-
bieten des Geschäftslebens, in denen man das Vorjahr mit zu-
friedenstellenden Resultaten beschlossen hatte. Infolge der
Balkanwirren reduzierte sich der Absatz an Baumwollwaren
jiach den beteiligten Ländern, die sonst fast ausschließlich diese
Fabrikate konsumieren, wohl auf fünf Sechstel seines früheren
Umfangs. Dazu schwankten die Baumwollpreise während des
ganzen Berichtsjahres so stark, daß man zumeist von größeren
Geschäftsabschlüssen absah' und sich nur imit dem nächbten Tages-
bedarf versorgte. In gleichem Sinne wirkte schließlich die all-
gemeine Geldknappheit. Es kam dahin, daß die Fabriken für
Baumwollwaren das erforderliche Rohmaterial nur bezogen, um
das Einrosten der Maschinen zu verhindern, und trotzdem hatten
sich gegen Ende des Berichtsjahres enorme Lager an BaumWoll-
waren angehäuft. Infolgedessen haben 1913 wohl nur wenige
Fabriken mit befriedigenden Gewinnen gearbeitet. Bei dieser
Lage der Fabrikation konnte naturgemäß auch der Handel mit
ihren Abfällen keine zufriedenstellenden Resultate haben.
130. Filzfabrikation.
sohienfliz. L^ie Sohlenfilz Industrie stand im Verlaufe des Jahres 1913
unter dem Zeichen des Versuches eines Zusam'mensohlusisesi, Die
Verhandlungen setzten bereits im Februar des Jahres ein, ohne
jedoch in der ersten Zeit z1i neniuelns werten Erfolgen zu führen.
Mißliche Erfahrungen aus früherer Zeit traten den allseitig
gehegten Wünschen eines Zusammenschlusses hindernd in den
Weg. Von größter Bedeutung wurde es, daß gegen den Herbst
des Jahres eine noch' nie dagewesene Steigerung des Roh-
materials (der Tierhaare) von Amerika ausgehend eintrat, die
damit motiviert wurde, daß der erhöhte Konsum besonders auch in
der Sealskinfabrikation 'die Steigerung der Preise rechtfertigte.
IDiesem Druck von Amerika aus folgte auch der deutsche Haar-
markt, so daß auch hier Steigerungen des Rohmaterials ,vofn
30, 40, ja sogar 50o/o ziu verzeichnen waren. Damit kamen die
ins Stocken geratenen Verhandlungen wieder voll in Fluß, und
führten schließlich dazu, daß sich die Sohlenfilzindustrie zu
einer fest organisierten Preiskoi^vention zusammenschloß. Wäh-
rend in der ersten Hälfte des Jahres über den schlechten Stand
der Preise außerordentlich Klage geführt wurde, konnte bereits
kurz nach 'Zustandekommen der Konvention über eine Besserung
131. Hutfabrikation.
441
berichtet werden. lYeim diese nicht in vollem Maße bereits
in dem letzten Viertel des Jahres zur Geltung' kam, so lag
dies einerseits daran, daß das Eintreten des Winters zu lange
auf sich warten ließ, andererseits hatte die vom Verbände auf
Orund der Steigerung der Eohmaterialien durchgeführte Steige-
rung der Verkaufspreise für Sohlenfilzie b&wirkt, daß die Kund-
schaft ihre Abschlüsse bis zu dem zulässigen Höchstquantmn
ausnutzte, ein Umstand, der in früheren Jahren nicht zu beob-
achten war. Nichtsdestoweniger darf gesagt werden, daß durch
den Zusammenschluß bereits »ein© wesientliche Gresundung der
Branche herbeigeführt wurde, und daß man im besonderen durch
den, wenn auch spät einsetzenden scharfen "Winter für das
kommende Geschäftsjahr mit im allgemeinen günstigen Kesul ta-
ten rechnen darf.
131. Hu tf ab rijiati'on.
Erster Bericht.
In den Fabriken waren Ausstände nicht zu verzeichnen.
Außer ganz kleinen Preiserhöhungen für einzelne Fabrikätions-
zweige haben die Arbeiter in gewohnter ruhiger Arbeit die Fa-
brikation gestützt. Die Preise für Rohware waren gegen alles
Erwarten sehr fest, besonders für Wolle, während Hasenhaare
durch den enormen Verbrauch, den die Mode in Velourhüten mit
sich brachte, eine Steigerung von weit über 100 o/o erfuhren.
Auch Bänder, Leder und Futterseiden sind im Preise bedeutend
in die Höhe gegangen, so daß der Fabrikant selbst bei seinen
kleinen Aufschlägen eher weniger als mehr gegen das Vorjahr
verdiente. Man war jedoch während der FrlLh'jahrssaison hin-
reichend mit Orders versehen, besonders in weichen Modehüten
(langhaarigen), und konnte im großen und ganzen mit dem GR-e-
sultat des ersten Halbjahres sehr zufrieden sein. Im zweiten Halb-
jahre ging das Geschäft in gesteiften Hüten zurück und flaute
gegen Ende 'des Jahres so bedeutend ab, daß viele Arbeiter
wegen des Tehlens der Orders entlassen werden mußten. D|urch
die wirtschaftliche Depression wurde auch die Zahlungsweise der
En^gros-Kundschaft schleppender und die Fabrikanten mußten
sehr viel an Zinsen usw. verlieren.
Das En^grosgeschäft folgte natürlicherweise dem Gange der
Fabrikation. Die Orders, die die Grossisten zum Frühjahr auf-
nahmen, waren recht ausgiebig, auch die zum Herbst geg'ebenen
Aufträge waren ganz genügend, aber durch dön überraschendeli
Wechsel in der Mode, der den Velourhutartikel, also den aus
feinem Hasenhaar angefertigten teuren Hut, von 70 — 150 Mk.
pro Dutzend zur Aufnahme brachte, wurde das Geschäft im
Laufe der Herbstsaison stiller. Es wurde in der Hauptslache nur
dieser eine Artikel in großem Maßstabe nachbestellt. Er wurde
dadurch sehr knapp und es konnte nicht alles geliefert werden,
was bestellt wurde. Wenn auch die Umsätze bei den Grossisten
Erster Bericht
Fabrikation
Das Engros-
geschäft.
442
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Das Detail-
geschäft.
ZweiterBericht.
Herrenhüte.
Farben
und Formen.
in der Summe nicht gelitten haben, so war doch der Verdienst
bedeutend kleiner, so daß das Jahr 1913 zu den schwächeren
Jahren der Branche gehört. Die Depression in den wirtschaft-
lichen Verhältnissen kam auch in der sehr langsamen Zahlungs-
weise der Detaillisten stark zum Ausdruck; auch hier verloren
die Grossisten viel Zinsen. Auch der gesteifte Hut, der im
Herbst durchschnittlich stärker gekauft wird, wurde durch das
Velourhutgeschäft stark gedrückt, fa^t alle Grossisten behielten
Läger in diesem Artikel zurück, die, erst in nächster Frühjahrs-
saison abgesetzt werden können.
Das Detailgeschäft hat in gleicher "Weise durch die über-
raschende Mode gelitten. Während das Frühjahrsgeschäft noch
ziemlich normal war, wurde das Herbstgeschäft durch die große
Depression in den wirtschaftliclien Verhälttiissen, zum Teil durch
die allgemeine Nachfrage nach dem Velourhut, für den merk-
würdigerweise trotz der außerordentlich schlechten Zeit sehr hohe
Preise in den Detailgeschäften angelegt wurden, sehr ungünstig
beeinflußt, weil die großen Läger in gesteiften Hüten sowie in
langhaarigen Phantasiesachen nicht genügend geräumt wurden.
Die schwächer situierten Detaillisten konnten deshalb ihre Ver-
pflichtungen nur sehr langsam erfüllen, ihre Wechsel mußten
häufig prolongiert werden und die Aussichten für die Früli-
jahrssaison 1914 sind infolgedessen recht ungünstig.
Zweiter Bericht.
Die bereits im vorigen Berichte erwähnte Mode in weichen
Herrenhüten hat nicht nur angehalten, sondern sidh in bedeutend
verstärktem Maßstabe weiter fortgesetzt. Der weiche Herren-
hut dominierte in allen Variationen, sowohl im Frühjahrs- als
auch im Herbst- und Wintergeschäft. Hauptsächlich wurden auf-
gerauhte Qualitäten gekauft und auch in diesem Jahre waren be-
sonders die Woll-Velour-Hüte, täuschend ähnliche Imitationea voji
Haar- Velours, ein sehr begehrter Artikel. Auch Melangen, meistens
in aufgerauhter Ware, wurden sehr stark bevorzugt, während die
Umsätze in sogenannter glatter, weiclier Ware sich in minimalen
Grenzen bewegten.
Während in früheren Jähren in bezug auf Farben, einige
JSTuanoen immer besonders begehrt wurden, zeigte das Farben-
spiel im Beiichts jähre eine außerordentlich vielseitige Gestaltung,
es wurden! sowohl ganz dunkle als auch ganz helle Töne viel
umgesetzt. Gegen Schluß des Berichtsjahres! dominierte dunkel-
grün, dunkelblau und schwarz. Ebenso reichhaltig wie die x4lus-
wahl in Farben, machte sich auch eine Vielseitigkeit in den For-
men bemerkbar. Die verwegendsten sowie die solidesten Formen
fanden guten Absatz, man brachte dieselben vorherrschend im
Einschlag- Genre. Gegen Ende des Berichtsjahre^ kamen die so-
genannten Bolero- und Schlauchformen auf, es ist allerdings frag-
lieh, ob besonders die letztere Art von langer Dauer sein wird.
131. Hutfabrikation.
443
Für die steifen Hüte kam aussiohließliöh die schwarze Farbe in
Frage, audh' bezüglich der Formen war ein wesentlicher Mode-
wedhsel nicht zu vierzeichnen. Der breitrandige steife Hut hat
sich auch in diesem Jahre gehalten, die versehiedentlichen Ver-
suche mit kleineren, gebogenen Eändem haben ihm keinen Abbruch
getan. Der Gesamtumsatz in steifer Ware hat jedoch durch die
andauernde Mode in weichen Hüten eine ziemliche Einbuße er-
litten. Sowohl in steifen als auch in weichen Hüten hat die Nach-
frage nach besseren Qualitäten weiter angehalten, die billige Ware
wird immer weniger gekauft und kommt fast nur noch für den
Export in Frage.
Die Preisie der Rohmaterialien, wie Wolle, Seide, Bänderj,
Hutleder, Schellack usw., waren sehr fest, es machten sich durch-
weg sehr wesentliche Preisteteigerungen geltend. Wenn auch die
Preise für den fertigen Hut in verschiedenen Artikeln erhöht
werden konnten, so waren sie trotzdem nicht mit den sehr starken
Erhöhungen der Rohmaterialienpreise in Einklang zu bringen.
Das Exportgeschäft befindet sich in steigender Tendenz und
dürfte besonders durch den neuen Zolltarif in Amerika eine
weitere nennenswerte Belebung erfahren.
Im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
hat sich nichts geändert, es kaim nach wie vor als gut bezeichnet
werden.
In dem Artikel Seidenhüte war zu Beginn des Herbstgeschäfts
nach langer Zeit eine etwas regere Nachfrage, insbesondere in
besseren Qualitäten. Die Preise für Ilohmaterialien begannen
wieder etwas anzuziehen.
Dritter Bericht,
b) Damenhüte im besondem.
Der Damen- Wollfilz-Hut brachte im Berichtsjahre sehr un-
angenehme Ueberraschungen. Während er zu Anfang der Saison als
die große Mode bezeichnet wurde, hat er in ihrem weiteren Laufe
diese Erwartungen nicht nur nicht erfüllt, sondern überhaupt
vollständig versagt. Die launische Damenhutmode bevorzugte
auf der ganzen Linie Sammet, und der Wollartikel wurde voll-
ständig außer acht gelassen. Trotzdem in bezug auf Qualität
ganz hervorragende Leistungen zu verzeichnen waren, kamen sie
nicht zur Geltung und mußten der Sammetmode unweigerlich Platz
machen. Der im vorigen Jahre so begehrte weiche Hut (Gamin)
fand gar keinen Absatz, und die darin sowie in anderen Formeoi
vorhandenen Läger wurden, nur um zu räumen, schließlich zu
direkten Spottpreisen verschleudert. Dagegen wurde der Plumeau-,
oder Velbelhut gut gekauft und war der einzige Artikel, welcher
der Sammetmode wenigstens einigermaßen Stand hielt. Während
zu Anfang der Saison alle möglichen Farbentöne, besonders helle
Nuancen, gefragt waren, dominierte wiederum zu Ende der Saison
fast ausschließlich die schwarze Farbe. Bezüglich der Preise
Preise.
Export.
444
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Vierter Bericht.
Damenhüte
aus Stroh.
der Rohmaterialieii sowie der Arbeitsverhältnisse und Export
gilt das Gleiche wie für Herrenhüte. Im allgemeinen kann das
Berichtsjahr nicht als güstig bezeichnet werden. Die Schuld
daran trägt der rasche Modewechsel, die ungünstigen Witte-
rungsverhältnisse und die allgemeinen schlechten Zeiten.
Vierter Bericht.
(Damenhüte aus Stroh und Filz.)
Mit dem Beginn des Berichtsjahres trat die Mode in kleineren
und kleinsten Hüten ihren Siegeszug an, um sich bis zum Beginn
des entscheidenden Faktors — des Detailgeschäftes — völlig
durchzusetzen. Die allgemeine Voraussage, die kleinere und
kleinste Moderichtung käme nur für den Uebergang in Betracht
und als Hochsommerhüte seien wieder größere Formen zu er-
warten, hat sich nicht erfüllt. Die Silhouette der Frau wirkte auf
den Beschauer durch diesen Umschwung wesentlich anders, aber
keineswegs unschöner, so daß die kühn geschwungenen rahmen-
den Linien der großrandigen Mode rasch vergessen waren. Für die
Geflechtshändler sind durch diesen Umstand die Umsätze stark
herabgemindert worden, da der Materialverbrauch wesentlich ge-
ringer wurde. Die Formen resp. Fassons tauchten in zahlreichen
Variationen auf, wovon sich Rembrandt, flache Glocken, Boleros,
linksseitig höher und gradrandige Arten in schärfster Konkur-
renz gegenüber standen. Als Material hat wiederum das japa-
nische Tagal für gute Mittelware seine Zugkraft behalten, obwohl
seine Qualität gegen das Vorjahr an Güte verloren hatte. Das
Angebot war darin so außergewöhnlich groß, daß die Preise für
Rohware im Laufe der Saison stark abbröckelten. Die Beliebt-
heit dieses Artikels liegt in der Eigenschaft des Grundmaterials:
„Manillahanf", alle Farben gut und rein wiederzugeben. Für
feinste Mode-Qualität galt Italienische Thalm Pedalzacke, unter
dem Sammelnamen „englisches Geflecht" bekannt, sie war be-
sonders in feineren Nummern — 3V2 bis 41/2 mm — stark gefragt.
Die Preise dieses Artikels in den angegebenen Stärken bei einer
Maßlänge von 44 m, sind fast unerschwinglich geworden und
erreichten die exorbitante Höhe von 4,75 Fr. pro Stück. "Wenn
man berücksichtigt, daß zur Herstellung eines Hutes 2V2 bis SVo
Stück Geflecht notwendig sind, so wird sein hoher Preis im
Engrosverkehr, zwischen 16 bis 22 Mk. schwankend, keine Ver-
wunderung erregen. Als Ersatz für 7halm Pedalzacke wurde für
mäßigere Preislagen : 5 halm Pedal, 7 halm Venetianische Zacke,
7halm Punta und chinesisches Laichow Mottled verarbeitet. Für
belgisches Liseret war zeitweilig reges Interesse vorhanden,
konnte sich aber nicht über die Vorsaison hinaus auf nennenswerte
Umsätze erheben. In den billigen und billigsten Preislagen haben
Barmer Litzen in sehr hübschen Ausführungen, tagal- und punta-
artig geflochten, für die Hutfabrikation eine beachtenswerte Eolle
131. Hutfabrikation. 445
gespielt und dienten dem Massenkonsum als Hauptartikel. Italie-
nischer 3 halm HoLzbast und die bessere elegantere Marke 7 halm
Bast, ehemalige Favoriten der Sommermoden 1908 bis 1911, sind
infolge der Verbilligung des japanischen Tagais völlig vom Markt
verdrängt worden; ebenso sind die aus Schilf basthalmen gefloch-
tenen exotischen Stumpen, die sich 1911/1912 großer Beliebtheit
erfreuten, und besonders für einfache Trotteurhüte verarbeitet
wurden, von der Ungunst der Mode fast ausgeschaltet. Hinsicht-
lich der Farben brachte die Vorsaison viel lebhafte Tönungen, es
waren: ceriserot, kupfer, bischofslila, drei bis vier schöne stark
differierende Schattierungen in gold, fasan, braun, marine und
taupe sehr bevorzugt. Der Hauptbedarf hat sich jedoch auf
schwarz konzentriert und hielt an bis zum Saisonschluß, der
leider überraschend früh eintrat und dann nur noch minimale
Umsätze in reinweiß und creme brachte.
Mit dem Wort „Filz" im engeren Sinne hat die laufende ^^'^•-
Saison wenig oder gar keinen Zusammenhang, da das allein
herrschende Material der Herbstmode — der überaus kleidsame
und schmeichelnde Sammet — jeden anderen Stoff abfallen ließ.
Vom Standpunkt der hochentwickelten Wollfilzhut-Fabrikation,
für deren Zwecke diesmal ein dem teuren Haar-Velour ähnliches
Material: Velourette, Velourisse, auch Woll- Velour genannt, von
den Stumpenfabrikanten herausgebracht wurde, ist dies außer-
ordentlich zu bedauern. Die hauptsäclilichsten Verkäufe in diesen
Artikeln bewegten sich in minimalen Grenzen und sind gänzlich
ohne Nachbestellungen geblieben, ein Zeichen des mangelnden
Interesses der Konsumenten. Velourhüte brachten noch mittel-
mäßige Umsätze, doch war das Angebot größer als die Nachfrage.
In Woll-Plumeshüten sind frühzeitig umfangreiche Dispositionen
getätigt worden, ohne indes die dominierende Stellung des Sammet-
hutes zu erschüttern. Erwähnenswert ist die Tatsache, daß der
hypermoderne Sammethut bei weitem nicht in dem Umfange wie
früher in der Großfabrikation geklebt hergestellt worden ist,
sondern von den Detaillisten in den eigenen Ateliers handgear-
beitet wurde. Nur die nackten Hutfassons in Linon (ein Gewebe
aus appretierter Baumwolle), Sparterie und Sparterie-Imitation
als Untermaterial zum Drapieren der Sammete brachten große
quantitative Umsätze, aber bei der Billigkeit des Materials keinen
solchen Gewinn, um den Ausfall in der Filzhutfabrikation einiger-
ma,ßen auszugleichen.
Im großen und ganzen ist für die Hutfabrikation die Herbst-
saison 1913 die denkbar ungünstigste seit langen Jahren gewesen,
nicht nur allein durch die Richtung der Mode, sondern auch durch
die allgemeine wirtschaftliche Lage, besonders die letztere kam
in der allseitig verminderten Kaufkraft zum Ausdruck. Das
Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war im
Berichtsjahre gut und gab zu keinerlei Differenzen Anlaß.
446
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Erster Bericht.
Künstliche
Blumen.
Allgemeines.
132. Künstliche Blumen und Federn.
Erster Bericht. i
Das Berichtsjahr brachte in seinem Vorlaufe der Blumen-
industrie eine Eeihe schwerer Enttäuschungen. Schon im
Januar wurden die an eine günstig^e Mode geknüpften Hoff-
nungen sehr herabgestimmt, als zu den Frühjahrsausstellungen
ausschließlich kleine Modellhüte herausgebracht wurden. Soweit
(deren Garnitur nicht aus Strauß-, Reiher- und Paradiesfedern^
die reichlich verwendet waren, bestand, sah man viel kleine
Blumen in gemischten bunten, sogenannten ,,bulgare" -Tönen;
dieses Genre wurde auch sehr stark gekauft, sowohl in kleinen
runden Touffes, wie auch zu schmalen Ranken gebunden. Wenn
hierin aber mit der sächsischen Konkurrenz, die diese Artikel
naturgemäß viel billiger liefern konnte, zu rechnen war, so
konnte von einem wirklich lohnenden Geschäfte nicht die Rede
sein. Hin und wieder wurden auch größere Blumen ,in eleganter
Bindart verwendet. Immerhin war die Berliner Blumenfabri-
kation bis Ende Februar voll beschäftigt. Aber schon Anfang
März trat eine Pause ein; die andauernd schlechte Witterung,
die frühen Feiertage, die um diese Zeit drückende politische
Lage und die noch völlig ungeklärte Mode verhinderten eine
gesunde Entwicklung des Geschäftes. Es schien, als sollte Ende
März den Blumen neue Chancen gegeben werden; zur zweiten
„hellen" Modellhutausstellung wurden mit größeren Blumen
reich garnierte Hüte gezeigt, die Nachfrage belebte sich, und
es schien, als wolle die Haute Saison für das früher Versäumte
reich entschädigen. Diese günstige Stimmung hielt aber nur
verhältnismäßig kurze Zeit an, und .der kleine, zum Teil fast
ungainierte, in der Mehrheit aber mit den schon vorerwähnten
Federnarten besteckte Hut behielt die Oberherrschaft und
drängte die Verwendung von Blumenschmuck vollständig in
den Hintergrund, so daß das Sommergeschäft früher als sonst
sein Ende fand. Als Blumen zur Sommersaison so ungünstig
labschnitten, war natürlich seitens der Grossisten auch wenig
Lust vorhanden, in ihre Winterkollektionen Blumen auf-
zunehmen, es vollzog sich dies in der Tat nur im bescheidensten
Maße. Es konnte daher nicht überraschen, daß die hierauf
erfolgten Nachbestellungen recht geringfügig ausfielen. Bei den
Herbstausstellungen war den Blumen eine sehr untergeordnete
Rolle zugeteilt, hin und wieder erschienen ein paar Sammet-
schmetterlinge, die auch eine Zeitlang gerne gekauft wurden, ver-
einzelt auch kleine Sammetrosen, Georginen, Pensees usw., dann
kamen Pelzrosen, hauptsächlich in schwarz, [mit farbigem Sammet
^verarbeitet, in Aufnahme, die sich bis zum Schlüsse der Saison
hielten. Im Laufe des September nahm unsere Industrie einen
neuen Aufschwung, indem die Konfektion zur Ausschmückung
132. Künstliche Blumen und Federn.
447
eleganter Kleider Ansteckblumen aufnahm. Hauptsächlich
wurden große elegante Sammetrosen in offener Ausarbeitung,
dann auch Sammetkamelien, große Georginen, Dahlien und sonst
geeignete Phantasieblumen gekauft, auch kleine, für Straßen-
kostüme geeignete Buketts. Es entwickelte sich in diesen Genres
bis gegen Ende Oktober ein reges Geschäft, das vermutlich'
bei Eintritt der eigentlichen Ballsaison neu aufleben dürfte.
Diese neuartige Verwendung der ,, künstlichen Blume", die all-
gemein Anklang findet, und diesem Artikel wieder die Sym-
pathie des großen Publikums zurückerobert, läßt die Hoffnung
erwecken, daß die Mode sich dieses vernachlässigten Stiefkindes
für die Folge wieder mehr annehmen werde. Tatsächlich tauchten
zum Schlüsse der Herbstsaison wieder mehr Hüte mit geschmack-
voller Blumengarnierung auf, so daß in die recht einseitige und
eintönige schwarze Mode der letzten Zeit wieder mehr Farbe
und Leben getragen wurde. Die Mißstimmung, welche durch
die andauernd schlechte Geschäftslage in der ganzen Putz- und
Modebranche hervorgerufen wurde, fand auch in der verminder-
ten und erschwerten Aufnahme neuer Frühjahrskollektionen
ihren Ausdruck. Man verspricht sich' für die erste Eeisezeit
kein besonders lohnendes Geschäft in Blumen, glaubt jedoch
allgemein, daß sich in der Mode in allernächster Zeit ein Um-
schwung vorbereitet, in dem die kleinen Hüte mit ihrer fast
primitiven Garnitur verschwinden, und an deren Stelle größere,
vorzugsweise mit Blumen garnierte Hüte treten werden. Vor
Anfang- des Jahres 1914 dürfte sich aber diese Besserung nicht
vollziehen.
Das Exportgeschäft gestaltete sich in äiinlicher Weise wie
im Inlande. Durchschnittlich wesentlich geringere Umsätze, ver-
minderte Nachfrage, wenig Kauflust, dabei wurden nur ganz
billige Sorten, besonders in seidenen Stielrosen, die zu unglaub-
lich niedrigen Preisen an den Markt geworfen wurden, bevorn
izugt. Die Berichte aus allen für die Branche in Betradht
kommenden Absatzgebieten aus England und Nordamerika trugen
das gleiche Gepräge, überall dieselben Klagen über ungünstig'e
^Mode und schlechte Zeiten, — Bis gegen Ende des Berichts[jahres
verhielten sich die ausländischen Einkäufer in der Aufnahme
neuer Sommer artikel sehr zurückhaltend.
Infolge der während der ganzen Berichtsperiode statt-
igehabten schwachen Besöhäftigung waren die meisten Fabri-
kanten gezwungen, einen größeren Teil ihres Arbeitspersonals
zu entlassen, um so mehr, da in diesem Jahre keine Sommer-
dispositionen erteilt wurden. Naturgemäß sind diese aus-
geschiedenen Arbeitskräfte, die in andere Branchen übertraten,
für unsere Industrie dauernd verloren, ein Umstand, der sich
bei einem erneuten Aufschwung empfindlich bemerkbar machen
würde. Recht störend wirkte die Einführuno: der Pflichtfort-
Export.
448
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
Konvention.
Preise.
KiSnstliche
Blätter.
ZweiterBericht
S traiißfedern.
Allgemeines.
bildungsschule für jugendliche Arbeiterinnen, doch' ist anzu-
nehmen, daß inzwischen eingeleitete Verhandlungen die größten
Mißstände beseitigen werden.
Der „Verband der Blumen- und Blätterfabrikanten*' hat
sich im ersten Jahre seines Bestehens, trotz einzelner Miß-
helligkeiten und Anfeindungen, im großen und ganzen bewährt.
Auch von seinem Wirken erhofft man eine weitere Gesundung
unserer Industrie.
Die Preise der hauptsächlich in Betracht kominenden Roh-
waren, besonders Seide, Velvets und Seidensammete, zogen fort-
während an. Besonders in der zweiten Jahreshälfte traten nennens-
werte Erhöhungen ein, denen ansöheinend noch weitere Auf-
schläge folgen dürften, ein Umstand, der für die Blumenfabri-
kation in dieser kritischen Zeit nur neue Erschwerung bringt,
da die Preislage für das fertige Fabrikat andauernd gedrückt
bleibt. Auch für Baumwollstoffe (lawns) wurden, veranlaßt
durch Schwierigkeiten auf dem englischen Arbeitsmarkt, Er-
höhungen in Aussicht gestellt. Dieser Artikel war jedoch bis-
her von der Mode sehr vernachlässigt, weshalb selbst bei
billigeren Angeboten die sonst üblichen größeren Abschlußkäufe
vollständig ausfielen.
Künstliche Blätter blieben während des ganzen Jahres stark
vernachlässigt. Sie wurden nur, in der Hauptsache ganz billige
Porten, zu Bindereizwecken gekauft.
Zweiter Bericht.
Das Jahr 1913 brachte für Straußfedern eine Fortsetzung
der günstigen Konjunktur. Der im Frühjahr eingetretene völlige
Umschwung der Mode von großen auf kleine Hutformen hat
^ie Vorliebe für Straußfedern nicht beeinträchtigt, nur ließ
der Konsum von langen Federn sehr nach und wendete sich
passenden Garnituren mittlerer Größe zu. Unsere Erwartung,
»daß der Artikel Straußplatten eine große Zukunft haben wird,
erfüllte sich im laufenden Jahre, und es wurden in
diesem Genre bedeutende Umsätze erzielt. Pleureusen haben
jede Bedeutung verloren und es werden darin nur noch kleine
(Mengen geringer Qualität fabriziert.
Die Klagen über das überstürzte Bestreben, täglich Neu-
heiten zu bringen, müssen wiederholt werden, es wird darin
eine ernste Gefahr für das gute Eeussieren der beteiligten
Kreise erblickt. Es wäre auch sehr wünschenswert, die Modell-
hutausstellungen, welche immer früher begonnen wurden, er-
heblich später anzusetzen. Der Versuch' ist durch die Konvention
der Grossistenfirmen gemacht, und zwar für den 15. Febr. und
15. Aug., doch wäre es zur Ausnützung der Vorverkäufe, die
für eine gute Lieferung seitens der Fabrikanten nötig sind,
wünschenswert, noch spätere Termine dafür zu wählen. Die
132. Künstliche Blumen und Federn.
449
früheren Jahre zeigen, daß das gut möglich ist, es kann nur
'zur Gesundung des Detailhandels beitragen.
Der mangelnde Konsum langer Federn brachte für dieses
Material starke Preisabschwächungen, die von Auktion zu
Auktion mehr zum Ausdruck kamen. Dagegen waren billige
Sorten, Spadonas, Drabs, Cosen, welche für Gestecke geeignet
sind, im ganzen Jahr teuer und haben sehr hohe Preise erreicht.
Auf den fünf ersten Londoner Auktionen kamen in 23 427
Kisten 590 300 Pfund Gewicht zum Angebot, wofür 1 556 000 £
erzielt wurden. Für die Dezember-Auktion, die sechste und
letzte des Jahres, sind nur zirka 4000 Kisten gedruckt, doch
schätzen wir das durch die Eigner zurückgehaltene Quantum
auf zirka 1000 Kisten, wodurch größere Preisabschwächungen
vermieden werden sollen. Diese Politik hat sich während der
beiden letzten Jahre bewährt, und wenn durch die allgemeine
ungünstige Geschäftslage der Konsum von Straußfedern nicht
in größerem Maße beeinträchtigt wird, so dürfte die Stützung
des Marktes auch an diesem Jahresschluß richtig sein.
Trotz aller Vogelschutzbestrebungen ist die Vorliebe der
Damen für Reiher und Paradies nicht beeinträchtigt worden,
und es konnten sich die enorm hohen Preise auf gleicher Höhe
erhalten. Ein sehr wichtiges Ereignis für diesen Artikel ist
aber das am 1. Okt. 1913 in Kraift getretene Einfuhrverbot
in New York, wodurch das von Amerika sonst konsumierte
Quantum dem europäischen Markte verbleibt. Bisher sind die
Importeure bemüht, die Preise nicht sinken zu lassen, doch
glauben wir, daß der amerikanische Ausfall geeignet ist, ein
anderes Niveau herbeizuführen.
Rohware.
Dritter Bericht.
Der Umsatz im Jahre 1913 hat sich ungef älir auf dem gleichen
Niveau wie im Vorjahr gehalten. Trotz der bis weit in die Hälfte
des zweiten Semesters andauernden Balkanwirren und der Stagna-
tion im deutschen Geschäft entwickelte sich die Sommersaison
dank der eifrigen Tätigkeit der Fabrikanten im Exportgeschäft
in ziemlich gutem Umfange. — Die Wintersaison dagegen setzte
angesichts der Unsicherheit der politischen Situation überall ziem-
lich spät ein und erreichte diesmal — Ende Oktober — schon ein
frühes Ende. Die Mode der großen Hüte war stark rückgängig
geworden, die der kleinen und mittleren Formen nahm ihren
Platz ein, und mit ihnen die Garnierung mit hochwertigen Heiher-
und Paradiesgestecken. Diese nahm noch weiter Dimensionen an^
wie sie bisher für unmöglich gehalten waren, und die intensiv
gesteigerte Nachfrage beeinflußte die Preise der Rohmaterialien
weiter stark, bis im Herbst diese Bewegung einen scharfen Stoß
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 29
450
VII. Textilindustrie und Verwandtes.
straußfedern.
Allgemeine
Lage.
erlitt durch die MaßnaJimen des Parlaments der Vereinigten
Staaten, die den Import dieser hochwertigen Materialien verboten.
— Neben diesen echten G-amierungen wurden gut gelungene
Imitationen von Reiher- und Paradiesgenres oder minderwertige
Reiherartikel vielfach gekauft, im übrigen aber, namentlich seit
dem Sommer, alle möglichen und unmöglichen bizarren Formen,
die, ausgehend von einem palmenartigen Effekt, durch Bauchun-
gen und ähnliche Konturenveränderungen die Mannigfaltigkeit
von Formen hervorbrachten, die als Neuheiten zur Aufrecht-
erhaltung des Geschäftsganges laufend erforderlich war. — Ein
recht lebhaftes Geschäft spielte sich in dem namentlich aus Gänse-
federn hergestellten Bandeauflügel-Genre ab, allerdings fast aus-
schließlich im englischen Markte. Allmählich, nachdem immer
mehr Fabrikanten dieses Genre aufgenommen hatten und das
Angebot sich sehr verstärkt hatte, wichen erst die Fabrikatp reise,
dann ging auch die Qualität zurück, bis endlich zu dem diesmal
schon besonders zeitigen Schluß der Saison — Ende Oktober —
ein Unterbieten, nur um Aufträge zu haben, eintrat, das die
Preise auf ein verdienstloses Niveau herunterdrückte.
Der starke Rückgang des Absatzes im Pleureusengesdhäft
setzte sich schnell fort, so daß man zeitweise ein Aufhören dieser
Fabrikation befürchtete. Ein Aufflackern des Bedarfs in einigen
Exportländern hat im großen und ganzen an dieser Situation
auch noch nichts geändert, dagegen sprang die Nachfrage nach
Strauß-Phantasien, die namentlich aus billigeren Rohfedern her-
gestellt waren, so plötzlich und so allseitig auf, daß eine, wenn
auch nur kurze Zeit lang bestehende Nachfrage gute Arbeits-
gelegenheit bot. Die Formen dieser Strauß-Phantasien waren
homogen den oben erwähnten Palmen- und ähnlichen Phantasie-
G eures. — Ein Absatz nach den Vereinigten Staaten war indes
nach wie vor ausgeschlossen, da die dortige Industrie durch den
Eingangszoll von 60 °/o vor jeder Konkurrenz geschützt ist. — Die
Preise des Rohmaterials für die Straußphantasie-Genres, die all-
seitig gefragt waren, wurden dauernd von Auktion zu Auktion
getrieben, bis auch hier die Oktober-Auktion, dem Schluß der
Saison entsprechend, zum größten Teil einen Rückschritt in den
stark gestiegenen Preisen zeitigte. — Die Preise der Rohware für
die vernachlässigten guten Genres waren, entsprechend dem zu-
rückgegangenen Bedarf in diesem Artikel, dauernd niedrig.
Ein Ereignis von größter Tragweite für die Branche, dessen
Folgen aber noch gar nicht übersehen werden können, war das
in der Parlaments-Session der Vereinigten Staaten gelegentlich
der Unterwood Tarif-Reform-Bill beschlossene Verbot der Ein-
fiihr von Federn von Wildgeflügel und von Fabirikaten
daraus, einschließlich der oben besprochenen Reiher- und
Paradies-Vogelfedern. Während die Kampagne der amerika-
nischen Vogelschutzbestrebungen nach' außen hin eigentlich nur
132. Künstliche Blumen und Federn. 451
diesen letzteren galt, hat es die geradezu wüste Agitation drüben
zustande gebracht, daß mit den Reiher- und Paradiesvögeln ganz
generell alle wilden Vogelmaterialien, sei es roh oder fabriziert,
außer für wissenschaftlich© und erzieherische Zwecke, von dem
Gebiet der Vereinigten Staaten ausgeschlossen sind. Es ist dies ein
geradezu unbegreifliches Vorgehen, denn das einfachste Argument
der AVeit, daß das Gefieder derjenigen Vögel, die ihres Fleisches
wegen geschossen werden, erlaubt 'sei, ist glatt unbeachtet gelassen,
und es ist einfach alles, was wildes Geflügel heißt, auf den Index
gesetzt worden. Berauscht von den Erfolgen in ihrem eigenen
Lande versuchen diese Vogelschutzfanatiker ihre Agitation in
England und anderen Staaten fortzusetzen. Ihr muß in schärfster
Weise entgegengearbeitet werden, falls nicht die enormste Schä-
digung, wenn nicht Vernichtung der Industrie eintreten soll. —
In dankenswerter Weise haben sich die Aeltesten der Kaufmann-
schaft und die Berliner Handelskammer durch das Auswärtige
Amt, in Parität mit den Schritten der französischen Regierung,
bemüht, die Industrie vor dem schweren Schlag zu bewahren,
der üir zugefügt ist. So bedauerlich es ist, daß diese Bemühungen
vor dem blinden Fanatismus der Amerikaner die Segel streichen
mußten, so absolut erforderlich wird es sein, weitere die Branche
bedrohenden Maßnahmen hia tan zuhalten, und unsere Behörden
w^erden den Dank der Industrie in reichem Maße erringen,
wenn sie im geschilderten Sinne die Bestrebungen der iFabri-
kanten nach Aufrechterhaltung ilirer Fabriken unterstützen
werden. Noch mehr zu beklagen als das Gesetz selbst ist die
geradezu sinnlose Ausführung durch die Zollorgane, die sich
nachgerade zu einer Kalamität auszuwachsen droht. — Abge-
sehen von den Zollchikanen, die das weibliche Passagierpublikum
unter der rücksichtslosen Handhabung der Zollbehörden zu er-
dulden hat, die den die Dampfer verlassenden Damen einfach die
Federgarnierungen von den Hüten schneiden, abgesehen von dem
lächerlichen Widerspruch, daß die Zollbehörden verlangen, daß
zum Beispiel bei eingeführtem Eßgeflügel (englischen und böh-
mischen Fasanen, irischen Grouse) die Federn im Einfuhrhafen
gerupft werden müssen, ehe sie dem Fleischmarkt zum Verkauf
zur Verfügung gestellt werden, wird der größte Schaden dadurch
verursacht, daß die Zollbeamten, sei es infolge mangelhafter
Sachkenntnis, sei es infolge ungenügender Information seitens
des Treasury Departements, heute das verbieten, was gestern
erlaubt war, und morgen das erlauben, was heute verboten war.
Hier müßte die Beeinflussung durch unsere Auslandsvertretungen
in erster Linie einsetzen. Es gilt, dem Handel — auch im Interesse
der amerikanischen Firmen selbst — wieder den gesimden Boden
zu geben, der heute nicht mehr vorhanden ist. Niemand weiß,
woran er ist, niemand kann disponieren, niemand auch nur einiger-
maßen Geschäfte abschließen, bei denen er nicht befürchten muß,
29*
452 Vn. TextilindusMe und Verwandtes.
daß sie allein durch die Zollbehandlung zu großen Verlusten
führen. — Der Eohhändler, der Fabrikant, der Abnehmer leiden
gleichmäßig darunter, und es droht ein Zustand auszubrechen^
welcher einen blühenden Industriezweig Deutschlands, der Zehn-
tausenden von Arbeiterinnen jahrein jahraus lohnende Beschäfti-
gung zu geben pflegt, der Vernichtung überliefert. Im Verein
mit den führenden, von gleichen Gefahren bedrohten französischen
Industriellen der Branche war es dank den Bemühungen unseres
Auswärtigen Amtes durchgesetzt worden, daß die Bestrebungen
der Amerikaner auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt wurden.
Unerklärlicherweise ist es irgendwelchen Kniffen amerikanischer
Politiker gelungen, dieses Resultat über den Haufen zu werfen,
und das unsinnige Verbot durchzusetzen. — Während zunächst
die Erleichterung beschlossen w^ar, daß das Gefieder (und die
Fabrikate daraus) solcher Vögel, die eßbar oder schädlich sind.,
für die Einfuhr erlaubt sein sollten, ist der Beschluß selbst dahin
gefaßt worden, daß das Gefieder aller wälden Vögel und der
Fabrikate daraus verboten sei.
Nach der Auslegung soll zum Beisjjiel der Strauß als ein in
Farmen gezogener Vogel zugelassen w^erden. Dementsprechend
sind nach den dokumentarisch nachzuweisenden Beschlüssen de&
Treasury Department die Federn des Rhea (südamerikanischer
Strauß, Nandu — französisch Vautour — englisch Vulture) am
21. Okt. offiziell zugelassen, am 26, Nov. wieder verboten und am
16. Dez. wieder zugelassen worden. In diesem Falle hatten die
Zollorgane sich also überzeugen können, daß ihre Maßnahmen
verkehrt waren. Der gleiche Fall liegt zum Beispiel bei dem
für die Fabrikation außerordentlich wichtigen Gefieder der Fa-
sanen vor. Fasanen sind ein sehr beliebtes Nahrung-smittel, wer-
den in großem Umfange in Farmen gehalten, und es kann gar
keinem Zweifel unterliegen, daß die Tiere nicht ihrer Federn,,
sondern ihres Fleisches wegen getötet werden. Erlaubt waren sie
laut Kabel vom 28. Okt., verboten laut Kabel vom 2Q. Nov.,
erlaubt wieder am 18. Jan. 1914. Ob die Bestrebungen, dieses,
weitgehende Verbot wieder aufzuheben, von Erfolg sind, kann im
Moment noch nicht gesagt werden. Im ganzen sind die Aus-
führungen des Gesetzes noch schlimmer als das Gesetz selbst, tmd
die Industrie wird unbedingt nicht wieder gut zu machenden
Schädigungen, die bei milderer Handhabung sehr wohl ver-
mieden werden können, ausgesetzt sein. Hier gilt es, eine be-
drohte Branche durch kräftige Unterstützung zu halten, und es
ist aufs dringendste zu wünschen, daß der Hilferuf, den sie erhebt,
nicht ungehört verhallt.
Federijoas Fcdcrboas Und Federbesätze hatten auch im Jahre 191^
wenig Chancen, sondern nur ein gequältes Geschäft zu ver-
zeichnen
134. Papierhandel. 453
133. L u m, p e n h a n cl e 1.
Das Geschäft in leinenen und baumwollenen Lumpen für
idie Papier und Kunstwollfabrikation nahm bis auf einzelne
kleine Unterbrechungen fortdauernd einen günstigen Verlauf;
die Preise hielten sich auf vorjähriger Höhe oder gingen für
einzelne Sorten noch mehr in die Höhe. Gegen Ende des Jahres
stellte sich eine große Knappheit in unsortierter AVare ein, so
daß einzelne Sortierer ihre Arbeiter nicht beschäftigen konnten.
Eine Ausnahme macht lediglich der Artikel ,, neuweiße und
neubunte Abschnitte", welcher in Anlehnung an die Preis-
bewegung der rohen Baumwolle im Laufe des vergangenen
Oahres im Bedarf und in den Preisen zurückging. Das Geschäft
in wollenen Lumpen für die Kunstwollfabrikation war im all-
gemeinen befriedigend; der Export nach Amerika hat jedoch
trotz Aufhebung des Zolles auf diesen Artikel bis jetzt nicht
den erwarteten Aufschwung genommen.
VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
134. Papierhandel.
Die Papierindustrie ist in diesem Jahre in einer sehr ungünsti- • Allgemeinem,
gen Lage gewesen. Schwierigkeiten der verschiedensten Art ließan
durch die UngTinst der Wettbewerbsverhältnisse ein lohnendes
Geschäft nicht zu. Die Preise fast aller Papiersorten zeigen einen
Tiefstand, der selbst bei reichlicher Beschäftigung keinen aus-
reichenden Gewinn abwirft. In erster Linie leidet die Papier-
industrie unter einer Uebererzeugung; während das Bestreben,
die Gestehungskosten herabzudrücken, zur Massenherstellung
drängt, bleiben die Verkaufspreise auf einem nur verlustbringen-
den Stand. Dabei ist die Steigerung der Herstellungskosten um so
unangenehmer fühlbar. Die allg'^emeinen Aufwendungen verur-
sachen höhere Ausgaben, vor ,allen Dingen wird die Papierher-
stellung durch die zunehmenden Schwierigkeiten der Eohstoff-
beschaffung immer mehr verteuert. Die heimatlichen Holzvorräte
decken schon lange nicht mehr den Bedarf, das ausländische zur
Papier Verarbeitung geeignete Holz steigt unausgesetzt im Preise.
Der Wettbewerb in Rußland wird ständig heftiger, da die reich-
lichen Vorräte in den nahgelegenen Wäldern allmählich abgeholzt
sind und das Material meist mit hohen Kosten aus dem Innern des
Landes herbeigeschafft werden muß. Zellulose ist dadurch teurer
geworden, nur Strohstoff allein ist infolge der günstigen Ernte
billiger. Dagegen ist die Preiserhöhung von Lumpen weiter \or-
gesch ritten. Kohlen bleiben auf ihrem hohen Preise stehen.
Die Preise für Schreib- und Druckpapiere wurden durch die schreib- und
Uebererzeugung gedrückt. Der Versuch einer Preiskonvention be- DruckpapTe^re.
454
VIII. Paj)ierindustrie und Buchgewerbe.
Satinierte uiul
maschineu-
glatte holzhalt.
Druckpapiere.
Zeitungspapier.
Allgemeines.
Tisch-, Tanz-
etc. Karten.
schränkte sich nur auf bessere Normalpapiere, die infolge der
Lumpenteuerung bedeutend im Preise gestiegen sind. Alle anderen
Sorten leiden unter dem Preisdruck.
Die Preise für satinierte und maschinehglatte holzhaltige
Druckpapiere sind trotz der hohen Holzstoffpreise im Preise
gewichen.
Der Bedarf an Zeitungspapier ist in diesem Jahre infolge des
unbefriedigenden Gesohäftsganges der Buchdruckereien ständig zu-
rückgegangen. Die Massenreklame fehlte, und somit ist der Bei-
lagenbedarf der Zeitungen gleichfalls kleiner geworden. Die
Unterbringung der freibleibenden Mengen war sehr schwierig,
so daß eine Einschränkung der Fabrikation stattgefunden hat.
Erzeugt wurden im ganzen im Jahre 1912 (letzte Statistik)
3 731 338 dz, davon wurden im Inland abgesetzt 3 378 984 dz und
im Auslande 352 354 dz. Eine Erhöhung der Preise ist trotz der
hohen Materialkosten aussichtslos.
135. Luxuspapierfabrikation.
Für die Papierausstattimg (Herstellung von einfachen, feinen
und feinsten Schachteln, mit Briefbogen und Brief decken in ein-
facher oder künstlerisch verzierter Art) ist Bei*lin der Hauptplatz.
Das Jahr 1913 war, im allgemeinen betrachtet, gut. Die Kohstoff^
preise haben sich nur in Einzelteilen verändert. Kohlen
sind teurer geworden. Von einer Preisverteuerung des Roh-
papieres ist zwar viel geredet worden, sie hat sich aber in keiner
Form, bemerkbar gemacht. Pappen waren im ganzen etwas billiger
als im Vorjahre. Die Verkaufspreise lassen, namentlich in den
billigeren Waren, noch immer sehr zu wünschen übrig. Bei der
süddeutschen und namentlich auch österreichischen Konkurrenz ist
eine Gnesundung der unteren Preislagen nicht zu erwarten. Im
großen ganzen hat dagegen die Steigerung der Vorliebe des Publi-
kums für bessere Waren angehalten. Der Umsatz hat sich gegen das
Vorjalir etwas erhöht. Der Absatz nach dem Auslande ist der
gleiche geblieben. Er hat sich nach einigen Ländern, namentlich
nach Südamerika, gehoben, während das Geschäft nadh Mexiko, der
Unruhen wegen, völlig aufgehört hat. Auf dem Arbeitsmarkt sind
irgendwelche bemerkenswerte Ereignisse nicht eingetreten. In-
folge des Wehrbeitraigtes wurde eine Zurückhaltung der
Käufer um Weihnachten beobachtet, es wird wohl mit einem flauen
Frühjahrsgeschäft zu rechnen sein.
Im einzelnen hat der Verlauf des Geschäftes in Tisch-,
Tanz-, Glückwunsch-, Post-|, Reklamekarten, Luxuskalenderv
Notizblocks usw. naturgemäß unter den Balkanwirren und dem
anhaltenden teuren Geldstande, der wiederum eine Schwächung^
der Kaufkraft im Gefolge hatte, ziemlich erheblich gelitten,
und das um so mehr, als diese Erzeugnisse besseren Genres
gewissermaßen zu den Luxusartikeln gehören, in denen in
136. Fabrikation von Briefumschlägen. 455
solchen Zeitläuften der Konsument sich bei seinen Einkäufen
zuerst einschränkt. Es ist zu hoffen, daß mit dem Eintritt
ruhigerer Zeiten und besserer Verhältnisse sich auch die Fabri-
Ikation und der Vertrieb in diesen Artikeln heben werden, denn
sie haben sich auf dem Markte eingebürgert, und besonderßl
Menüs fehlen an keiner Festtafel, wie auch Reklamesachen
in allen möglichen Ausführungen immer mehr gebraucht werden ;
nur wird in besseren Zeiten und bei leichterem Greldstande
mehr auf elegante Fabrikate als auf den Preis gesehen.
Die Zahlungen im In- und Auslande gingen bei der überall
erschwerten Geld- und Kreditbeschaffung schlechter als sonst
ein, und die Zahl der Konkurse und unbezahlt zurück-
gekommenen Tratten war zweifellos erheblich größer als sonst.
Die übrigen Klagen über die fortwährende Steigerung der dem
Arbeitgeber auferlegten Lasten und allgemeinen Geschäftsspesen
verstummen nicht, es wird dadurch der verbleibende Nutzen,
der meistens in einem Mißverhältnis zum Umsatz steht, selbst-
verständlich immer geringer.
136. Fabrikation von Briefumschlägen.
Die Berliner Briefumschlagfabriken waren, wie dies leider
auch im großen und ganzen in Deutschland überhaupt der Fall
war, im Berichtsjahre weniger gut beschäftigt als im Vorjahre.
Die Umsätze sind von Monat zu Monat zurückgegangen, ©ine Er-
scheinung, die in ähnlicher Weise kaum je zu konstatieren war.
Der laufende Kontorbedarf ist zurückgegangen. Während aber
früher, wenn dies der Fall war, ein Ausgleich dadurch gegeben
war, daß der Bedarf für Reklamezwecke sich hob, ist dies im
Berichtsjahre bedauerlicherweise nicht eingetreten, offenbar des-
halb, weil im Hinblick auf die ziemlich unklare Gestaltung der
nächsten Zukunft diejenigen Branchen, die in weniger günstigen
Zeiten ihre Reklame auszudehnen pflegten, dieses Mal in dieser
Beziehung sehr zurückhaltend gewesen sind. Die allgemeinen Un-
kosten haben sich wiederum erhöht, was wegen des nicht aus^
reichenden Umsatzes natürlich besonders schwer ins Gewicht fällt.
Auch ist eine weitere Verteuerung der Fabrikation insbesondere
deswegen eingetreten, weil nicht mehr in den früher üblich gewese-
nen größeren Quantitäten, sondern öfter in kleineren Quanti-
täten gekauft wird, was natürlich die Fabrikation selbst recht
ungünstig beeinflußt. Die Preise der Rohmaterialien sind im
allgemeinen auf der vorjährigen Höhe geblieben. — Das Export-
geschäft leidet nach wie vor unter den vielfach überaus un-
günstigen zollpolitischen Verhältnissen. Die im Auslande in
den letzten Jahren mehrfach errichteten Briefumsichlagfabriktein
schränken auch den Exportabsatz immer mehr ein. Die Konn
vention bestand im Berichtsjahre unter den gleichen Verhältnissien
456 VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
wie vorher fort; einige neue außenstehende Fabriken sind
leider trotz der Ungunst der Konjunktur für die Brielumschlag-
fabiikation entstanden. Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern waren normal. Die Kreditverhältnisse sind
auch nicht mehr ganz so zufriedenstellend, wie es seit Jahren der
Fall war. Es wird teilweise ziemlich schleppend gezahlt; doch
sind größere Verluste nur selten vorgekommen. Die Aussichten
für die nächste Zukunft werden etwas günstiger beurteilt; ein
allmähliches Ansteigen des Umsatzes zeigte sich schon in aller-
letzter Zeit wieder.
137. Packpapierhandel, Tütenfabrikation und
-Handel.
Das Jahr 1913 war für den Handel in Packpapieren, für
'die Fabrikation uiid den Handpi von Tüten nicht günstig.
Auch diese Artikel haben ganz wesentlich unter den politischen
und Geldverhältnissen gelitten. Dazu kommt, daß auch die
Witterungsverhältnisse recht ungünstig waren; der zum Teil
verregnete , Sommer, das verhältnismäßig warme Wetter des
Herbstes haben indirekt aiuf die Geschäftslage der in Frage
kommenden Artikel einen schlechten Einfluß gehabt. Immerhin
entwickelte sich in Pack- und Tütenpapieren noch ein leidliches
Geschäft zu auskömmlichen Preisen. Besonders Zellulosepapiere
waren gefragt, ebenso fettdichte Pergamynpapiere, für welche
Preiserhöhungen durchgesetzt werden konnten. Braunholz-
papiere haben nur einen kleinen Absatzkreis, ebenso Goudronne
und ähnliche starke Packpapiere, die mehr und mehr aus der
Mode kommen.
138. Kartonfabrikation.
Die Kartonfabriken haben im Berichtsjahre nicht die er-
hoffte Besserung ihrer Branche gefunden, vielmehr hat sich
durcli die allgemeine ungünstige Konjunktur das Geschäft er-
heblich verschlechtert. In vielen Betrieben wurde in den
Sommermonaten mit bedeutend reduzierten Arbeitszeiten ge-
arbeitet. Auch das Herbstgeschäft hat nicht den wünschens-
werten Aufschwung gebracht. Die Preise der Rohmaterialien
hielten sich auf ungefähr der gleichen Höhe wie im Vorjahre.,
139. Buchdruckerei.
Allgemeinem Der Seit Beginn des Berichtsjahres einsetzende allgemeine
Konjunkturumschwung und -Rückgang hat seinen Einfluß auch
auf das Buchdruckgewerbe ausgeübt. Die in den meisten
Druckereien Groß-Berlins noch im Winter vorhandene gute
Beschäftigung ging bereits im Laufe des Frühjahrs ziem-
lich zurück, um im Sommer einer ziemlichen Stille Platz
zu machen. Die Erholung ließ auch im Herbst viel zu
139. Buchdruckerei.
457
wüDsc'hen übrig. Ein Charakteristikum des ungenügenden Ge-
schäftsganges war die besonders große Zahl von Arbeitslosen,
die sich teilweise auf 7,4 o/o der beschäftigten Gehilfen l)elief .
Der schlechte Geschäftsgang ist jedoch nicht ausschließ-
lich auf den Konjunkturrückgang zurückzuführen, es waren
hierbei auch noch andere Momente im Spiel, insbesondere die
Abwanderung vieler Aufträge an die Provinzdruckereien, die
durch ihre hiesigen Filialbureaus den Kundenkreis Groß-Berlins
bearbeiten und deren Konkurrenz sich in Berlin in erhöhtem
'Maße bemerkbar macht. Ferner ist nach wie vor eine bedauer-
liche Verständnislosigkeit gegenüber der Marktlage durch un-
genügend finanzierte und teilweise unfachmännisch organisierte
Gründung neuer Betriebe zu konstatieren. Derartige Druckereien
können sich nur durch allzu große Konzessionen seitens ihrer
Lieferanten eine längere Zeit über Wasser halten, die scliäd-
lichen Folgen solcher Verhältnisse hat jedoch die Gesamtheit
des Gewerbes zu tragen; durch ungenügende Kenntnis der kauf-
männischen und technischen Voraussetzungen werden vielfach
Aufträge zu Preisen erworben, die nicht als handelsüblich an-
gesehen werden können, aber die Auftraggeber beunruhigen
und zu solchen Folgen führen. Der Mißstand, daß die Auf-
traggeber auch bei geringen Druckarbeiten eine ganze Reihe
von Druckereien zur Preisabgabe auffordern, um einen Drucker
gegen den andern auszuspielen und womöglich auch das geringste
Gebot noch zu drücken, hat sich leider ebenfalls nicht ge^
ändert. Es ist auch den eifrigen Bemühungen des Vereinsi
Berliner Buchdruckereibesitzer nicht gelungen, derartige Schädi-
gungen dem Gewerbe ganz fernzuhalten.
Eine Aufbesserung der Preise für Drucksachen war trotz
ides bestehenden Preistarifs nur selten zu beobachten. Doch
ist anzunehmen, daß durch die Tätigkeit der versdhiedenen
Institutionen der Tarifgemeinschaft sowie durch die tatkräftige
Mithilfe der Buchdruckereibesitzer die Preisschleudereien etwas
eingedämmt werden und so nach und nach eine Aufbesserung
der Drucksachenpreise eintreten wird.
Durch die zu Beginn des Berichtsjahres ins Leben gei
tretene Angestellten Versicherung sieht sich das Druckgewerbe,
das die Folgen der Erhöhung der Tariflöhne noch immer nicht
^anz verwunden hat, vor neue soziale Lasten gestellt, die den
mittleren und größeren Betrieben ziemlich empfindlich werden.
AViederholt wurde auch über die dem privaten Druck-
gewerbe seitens der Reichsdruckerei zugefügte Konkurrenz ge-
klagt. Wenn die für die Vergrößerung der Reichsdruckerei
in dem neuen Etat angeforderten 3 Mill. Mk. vom Reichstag
bewilligt werden sollten, so würde sich für die Zukunft noch
eine wesentlich tiefgreifendere Schädigung der Privatindustrie
Besondei'e
Gründe des
schlechten Ge-
schäftsganges.
Preise.
Soziale Lasten
Konkurrenz
der Reichs-
druckerei.
458
YIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
Technische
Erfindungen.
.Maschinen-
Kupferdruck.
ergeben, die an sich unter den gestiegenen Löhnen, Mat^rial-
kosten. sozialen Lasten und anderen Geschäftsunkosten schwer
leidet. Diese Entwicklung gibt zu schweren Befürchtungen für
die Zukunft Anlaß.
Ob die neuerdings viel besprochene Schnellsetzmaschine den
auf sie gesetzten Hoffnungen entsprechen wird, kann einst-
weilen bezweifelt werden. Sie besteht im wesentlichen aus der
Tastatur einer Schreibmaschine und einer Linotype-Setzmaschine
in Verbindung mit einer Gießmaschine, die von einem durch
den Taster nach Art der Monotype hergestellten Lochstreifen
arbeitet. Die Stundenleistung dieser kombinierten Gieß - Setz-
maschine soll bis zu 16 000 Buchstaben betragen. Wenn man
bedenkt, daß die besten Zeilengießmaschinen bisher etwa 6000
Buchstaben stündlich lieferten, so würde die maschinelle Satz-
herstellung durch die Einführung der neuen Schnellsetzmaschine
eine ungeahnte Entwicklung erfahren können, falls nicht, wie
bis jetzt, in der Praxis sich mannigfache Schwierigkeiten für
die Ausnützung ergeben würden. Außerdem verdient auch die
Verwendung des Tiefdrucks für die Zeitungs- und Zeitschriften-
ausstattung erwähnt zu werden. Wenn auch diese Neuerung
noch verhältnismäßig jung ist, so beweisen die Beilagen
mehrerer Berliner Tageszeitungen, die bereits in E;Otationstief-
druck hergestellt werden und init ihren zahlreichen Illustrationen
eine großartige Wirkung erzielen, daß wir auch hierbei mit
einer Umwälzung zu rechnen haben. Auch' das Offsetverfahren
macht in neuerer Zeit in erhöhtem Maße von sich reden, doch'
sind die Versuche zur technischen Verbesserung und Ausnutzung
hier noch weniger vorgeschritten als beim Tiefdruck, so daß
sich ein abschließendes Urteil noch nicht gewinnen läßt.
Ueber das Tiefdruckverfahiren bringen wir nach einem
andere:! Bericht noch folgende ergänzende Ausführungen:
Das Maschiiien-Kupferdruck-(Tiefdruck-)Verfahren hat in
dem vergangenen Jahre eine überraschende Entwicklung ge-
nommen, nachdem einige namhafte Firmen die Fabrikation
von brauchbaren Flach- und Eotationspressen aufnahmen. Man
unterscheidet hierbei die großen Rotationsmaschinen für Zeitungs-
druck von den kleinen Pressen, auf denen ebenfalls vom Zylinder
oder aber von Kupferplatten gedruckt wird. Die großen Zeitungs-
Rotationsmaschinen erreichen im Vergleich zu den kleineren
Pressen eine außergewöhhlich hohe Tourenzahl, so daß letztere
mit Erfolg nur bei kleineren Auflagen in der Konkurrenz be-
stehen können. Druckereien, welche diese großen, 93hr kost-
spieligen Maschinen nicht anschaffen konnten, hatten daher einen
schweren Stand, um so mehr, als die Absatzgebiete erst erschlossen
werden mußten und zum Teil die Erfahrungen fehlten, ohne die
eine ordentliche Preisberechnung bei dem komplizierten Ver-
141. BucWiaiidel. 459
falireii kaum möglich ist. Wir glauben daher, daß die Erwar-
tungen derjenigen Druckereien, die lediglich^ mit kleiaenen Pressen
arbeiten, nicht in Erfüllung gegangen sind, was auch in den
weichenden Preisen zum Ausdruck kam. Die Anfang des Jahres
eingeleiteten Bemühungen einer Anzahl namhafter Firmen, eine
Preiskonvention zu schließen, sind gescheitert, da bei dem star-
ken Abgang der Maschinen fortwährend neue Faktoren in die
Erscheinung traten und einig"e größere süddeutsche Firmen den
Beitritt zu einer Konvention von dem Zusammenschluß der Mehr-
zahl der den Tiefdruck ausübenden Firmen abhängig machten.
Die Verhältnisse sind daher zurzeit nicht als günstig zu be-
zeichnen, um so mehr, als durch den sich in gleicher Eich tung ent-
wicke]n.den Offsetdruck ein ähnliches Verfahren auf dem Plan
erscheint, dessen Leistungsfähigkeit speziell auf dem Gebiet des
farbigen Druckes die besten Aussichten zuläßt.
Die Preisverhältnisse der Erohstoffe sind eher günstiger als
schlechter geworden, doch kann von einem Einfluß dieser Vor-
teile auf die Kentabilität im Hinblick auf die in der Brandho
eingerissene Sohleuderei keine Rede sein. Die Lohn Verhältnisse
sind gleichfalls ungünstig, da ein Mangel an ausgebildeten
Druckern und Aetzem herrscht.
140. Geschäftsbücherfabrikation.
Die Nachfrage nach Stapelware ließ infolge der billigeren
auswärtigen Fabrikation mehr und mehr nach. Auch die Preise
gingen teilweise zurück, hervorgerufen durch die vielen Um-
fragen. Lose Blätterbücher führten sich weiter ein, und der
Verkauf darin war gut. Im Papier-Detailhandel ist der Absatz
ungefähr der gleiche geblieben, da Schul- und Schreibmaterialien
in derselben Weise gebraucht werden.
141. Buchhandel.
Im Verlagsbuchhandel ist die Geschäftslage mit Ausnahme XlxSBi
von einigen Firmen die gleiche geblieben. Der Kampf der größeren
Verlagsfirmen um die erfolgreichen Autoren steigert naturgemäß
die Honoraransprüche der letzteren, die an sich schon eine be-
trädhtlidhe, oft direkt ungesunde Höhe erreicht haben. Diese
Honorare und die hohen Druckkosten (viele Berliner Verleger
lassen in der Provinz drucken, um wenigstens die hohen Lokal-
zuschläge der hiesigen Druckereien zu ersparen), zwingen die
Veiieger, größere Auflagen, auch von wissenschaftlichen Wer-
ken, herzustellen. Da das Risiko dadurch größer wird, hat eine
große Anzahl von Verlagsfirmen zur Unterstützung der Tätig-
keit des Sortiments-Buchhandels versucht, durch eine ausgedehnte
Propaganda in Zeitsdliriften, und namentlidh in der Tagespresse,
das Publikum für ihre Verlagswerke zu interessieren. Ob diese
Absidht ihr Ziel erreicht hat, bleibt zweifelhaft. Die Nachfrage
460 VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
ist wenigstens bei vielen der angezeigten Bücher sehr g-ering ge-
blieben, jedenfalls aber zeigt es sich, daß diese Reklame W3gen
ihrer Kostspieligkeit, die sich mit der Eigenart des Buch Ver-
triebes nicht verträgt, auf die Dauer nicht das richtige Mittel
sein kann, mit. dem der Verleger den Absatz seiner Publikationen
gewinnbringend heben kann. Den besten Erfolg hatte wie früher
aucli im vergangenen Jahre diejenigen Verlagsfirmen, die deo
Sortiments- Buchhandlungen mit annehmbaren Lieferungsbedin-
gungen entgegengekommen sind. Diese Greschäftspraxis und das
Bestreben, die außerordentlich große Bücherproduktion, die
leider auch im Jahre 1913 eine Höhe erreichte, die in keinem Ver-
hältnis zur Absatzmöglichkeit steht, etwas einzudämmen, werden
allein imstande sein, die oft schwierige Lage des Verlagsbucih-
handels zu bessern. Eine ganze Reihe von Verlegern, darunter
allerdings nur wenige große Berliner Firmen, ist schon bei der
Auswalil ihrer neuen Publikationen vorsichtiger geworden. Leider
besteht wenig Hoffnung, daß dieses Beispiel Nachahmung in
größerem Umfange findet,
^^handei*^ Der Absatz im Sortiments-Buchhandel war, wenn auch nicht
gut, so doch wenigstens gleichmäßig. Gegen das Vorjahr, wo*
infolge der unsicheren politischen Lage lang anhaltende Stockun-
gen eintraten, ist die Geschäftslage jedenfalls besser gewesen.
Las AVeümachtsgeschäft war bei den meisten Pirmen befriedigend,
doch war zu konstatieren, daß der Absatz von größeren, teueren
Werken zurückgegangen ist. Wenn auch' die Absatzmöglich-
keiten, vor allem von wissenschaftlichen AVerken, besonders nach
dem Auslande weiter steigen (im Verkehr mit den Vereinigten
Staaten ist der drohende Einfuhrzoll, durch dessen Annahme sich
die gesetzgebenden Körperschaften der Vereinigten Staaten
in einen merkwürdigen Gegensatz zur' freien Wissenschaft ge-
bracht hätten, glücklicherweise vermieden worden), so bürdet doch
die Ueberproduktion des Verlagsgeschäftes dem Sortimenter große
Lasten auf. Die Transport- und Kommissionärspesien für die zahl-
reichen Neuigkeiten werden immer größer, während die ,Vbsatz-
möglichkeil nicht im gleichen Umfange steigen kann. Das
größer werdende Lager erfordert größere Geschäftsräume und da-
mit erhöhte Ausgaben für Miete usw. Außerdem steigen fort-
während die Ansprüche der Gehilfen, die auch bestrebt sind,
ihren Anteil an den Beiträgen für die Reichs Versicherung auf
diesem Wege auf die A rbeitgeber abzuwälzen. Hinzu kommt ferner
die oft ungenügende Rabattierung der Verleger, so daß dem Sor-
timenter trotz des oft großen Umsatzes nur ein bescheidene^
Nutzen verbleibt. — Das Kreditunwesen, das wohl das größte
und bedenklichste Uebel des Sortiments-Buchhandels darstellt, be-
steht in einem Umfang, der in anderen Brauchen unbekannt ist.
Um endlich diesem Mißstand zu begegnen, ist dank der In-
itiative einiger führender Berliner Sortiments-Buchhandlungen im
142. Tapetenfabrikation.
461
Herbst 1913 eine „Internationale buchhändlerisclie Schutz Vereini-
gung gegen Kreditmißbrauch" ins Leben gerufen worden. Die zahl-
reichen Beitrittserklärungen von in- und ausländischen Pirmen
lassen die Notwendigkeit einer solchen Vereinigung am besten er-
kennen. Durch festes Zusammenhalten aller Beteiligten wird sich
der Sortiments-Buchhandel mit Hilfe der „Vereinigung" allmäh-
lich von dem Kreditmißbrauch befreien können. — Zugleich
fängt eine andere Frage an, sich zu klären, nämlich das Ver-i
hältnis des Gesamtbuchhandels zum Warenhaus, das dem „Börsen-
verein der Deutschen BuchliäJidler" und den anderen beteiligten
Vereinen anfangs manche Schwierigkeiten bereitet hat. Das Publi-
kum beginnt einzusehen, daß die Buch-Abteilungen der Waren-
häuser, nachdem die Verlagsfirmen, die früher E/emittenden-
exemplai-e in großen Mengen an die Warenhäuser abstießen, jetzt
in ihrem eigensten Interesse von dieser auf die Dauer nur schaden-
brijigenden Geschäftspraxis absehen, nichts Vorteilhaftes bieten
können. Da das sogenannte moderne Antiquariat, der „Eamsch",
von den meisten Gebildeten und jedem Bücherfreunde von vorn-
herein abgelehnt wird, und die neuesten belletristischen Erschai-
nung-en (ganz abgesehen von der wissenschaftlichen Literatur)
in den Sortiments-Buchhandlungen in reicherer Auswahl vorgelegt
und in Rulie geprüft werden können, wendet sich das literariscli
interessierte Publikum wieder dem Sortiment zu, da dessen Ein-
richtungen ihm eine individuelle Erfüllung der Wünsche gewähr-
leisten — eine berechtigte Forderung des Bücherkäufers, die der
Betrieb des AVarenhauses nicht erfüllen kann. — Ein stetes
Zusammenarbeiten des Sortimenter-Vereins und des Verleger-Ver^
eins wird hoffentlich diese Bewegung zum Vorteil des Sortiments
und damit des gesamten Buchhandels zu fördern wissen.
Der Umsatz im Antiquariats-Buchhandel war auch im letzten
Jahre befriedigend. Wenn auch die scharfe Konkurrenz ver-
schiedener Berliner wissenschaftlicher Spezial-Antiquariate zu
Preisermäßigungen bei einer Reihe von größeren AVerken geführt
hat, so ist doch der Absatz nicht nur in Berlin, sondern auch inner-
halb Deutschlands, vor allem aber nach dem Auslande, zufrieden-
stellend gewesen. — Erfreulicherweise w^ächst auch die Zahl der
Bibliophilen imd Sammler immer weiter, so daß auch die Buch-
handlungen mit bibliophilem Antiquariat einen guten Umsatz
erzielt haben.
142. Tapetenfabrikation.
Erster Bericht.
Die Aussichten für das Jahr 1913 wurden schon im vor-
jährigen Berichte ungünstig beurteilt, und diese Voraussage ist
leider vollständig eingetroffen. Die Verhältnisse haben sich weiter
verschlechtert, wie dies durch den Konkurs der Tapetenfabrik
Großhelm & Co., der mitten in der Reisesaison erfolgt ist, be-
462
VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
Geschäfts-
ersebnisse.
stätigt wird. Ob die Fabrik weiter arbeitet, ist zweifelhaft.
Ebenso grell werden die Verhältnisse durch die Aufhebung des
Konktu'ses der Lüneburger Tapetenfabrik Friedrich Enckhausen
beleuchtet. Dieser Konkurs ist beendet, und die Gläubiger haben
8 o/o erhalten; diese ganz geringe Quote ist sogar nicht einmal
bar ausgezahlt worden, sondern wird noch in drei Quoten, die
sich über zwei Jahre verteilen, ausgezahlt. Der Hauptgläubiger
hat seine Zustimmung zu dieser geringen Quote geben müssen.
Dabei betrugen die Passiven weit über eine Million. Die Fabrik
arbeitet jetzt weiter.
Die Bilanz der Anhalter Tapetenfabrik Ernst Schütz
Aktien-C es'ells€haf t ergibt, daß die im vorigen Jahre durch die
Sanierung erhaltenen' 109 600 Mk. vollständig verschwunden sind
und eine weitere Unterbilanz von 95 583 Mk. entstanden ist. Diese
Fabrik hat also im Jahre 1910/11 einen Verlust von 57 251 Mk.,
im Jahre 1911/12 einen Verlust von 44 999 Mk., im Jahre 1912/13
einen Verlust von 95 583 Mk., und den Ertrag der Sanierung von
109 600 Mk. gehabt und wird trotzdem ebenso weiter geführt
wie die obengenannten beiden anderen Firmen.
Die Zahlungsverhältnisse der Kundschaft haben sich weiter
verschlechtert; die Anzahl der Konkurse bei den Händlern weist
eine Steigerung gegen voriges Jahr auf.
Die Saisonreise des Jahres 1913 war allgemein unbefriedigend,
und damit sind die Aussichten für das Jahr 1914 sehr
trübe. Papierfabrikanten, die speziell mit den Tapetenfabriken ar-
beiten, sowie alle diejenigen Betriebe, die mit der Tapetenfabri-
kation verknüpft sind, Idagen außerordentlich, und es scheint,
als ob eine größere Anzahl von Tapetenfabrikanten endlich be-
ginnen würde, den Verhältnissen E/echnung zu tragen. Auch
g'iewinnt es den Ansdhein, als ob die Musterkollektionen
eingeschränkt werden sollen, was sich darin zeigt, daß gegen
Ende des Jahres, wo die Walzenstecherei am meisten beschäftigt
ist, eine Anzahl Gehilfen arbeitslos ist. Es ist dies ein V^or-
kommnis, das seit vLelen Jahren nicht zu verzeichnen war.
Die Spaltung der Tapetenhändler, deren einer Teil zu dem
Fabrikantenverbande hält, hat weitere Fortschritte gemacht.
Durch zahlreiche Bezirksversammlungen des Vorstandes des Fa-
brikantenverbandes ist eine derartige Verhetzung der Händler
eingetreten, daß man heute zwei ganz fverschiedene Parteien
unterscheidet: diejenigen, die zum Verband halten, und diejenigen,
die mit den freien Fabrikanten gehen. Diese Spaltung hat aber
nichts genutzt; denn auch die organisierten Fabrikanten, ebenso
wie die Händler, sind wenig beschäftigt. Obwohl man annehmen
müßte, daß es gar nicht schlechter werden kann, ist mit ziem-
licher Sicherheit für das nächste Jahr eine weitere Verschlechte-
rung vorauszusagen.
143. Schriftgießerei und Messinglinienfabrikation.
463
Zweiter Bericht.
Das Verhältnis zwischen den Tapetenfabriken, die sich vor Einkauf,
mehreren Jahren zu einem Kartell zusammengeschlossen hatten,
und den freien Fabriken war nach wie vor sehr o'esnannt. Es
sind zu Anfang des Jahres Versuche unternommen worden, die
außenstehenden Fabriken zu bewegen, dem Kartell beizutreten,
■doch ist dies wiederum mißlungen. Die Gegensätze zwischen
diesen beiden Fabrikantengruppen sind immer noch zu groß, so
daß es wohl auch in Zukunft kaum möglidh sein dürfte, eine
Einigung zu finden. Die Annäherung wird auch niöht unwesent-
lich dadurch erschwert, daß infolge des wirtschaftlichen Nieder-
ganges der Tapetenindustrie im ganzen Reiche, jede Fabrik
schon allein einen ziemlichen Kampf zu bestehen hat. Einige nicht
besonders stark fundierte Werke haben die bestehenden schwie-
rigen Verhältnisse nicht überwinden können und waren genötigt,
Konkurs anzumelden. Die Aussichten für die Zukunft versprechen
leider sehr wenig Besserung für die Fabriken und es ist daher
nicht ausgeschlossen, daß vielleicht noch einige Werke zu gleichen
Schritten gezwung'en werden.
Im sogenannten Ladengeschäft haben sich die Verhältnisse verkauf,
g'egen das Vorjahr kaum verändert.. Es kann in dieser Beziehung
von einem Rückgange nicht gesprochen werden; die ümsatz-
ziffern bewegten sich auf gleicher Höhe wie im Vorjahre. Die
ringfreien Fabriken haben auch im letzten Jahre die aller-
Jgrößten Anstrengungen gemacht und sind heute in den Stand
gesetzt, auch bessere Tapetengeschäfte fast vollständig mit guten,
verkaafsfähigen und den heutigen Anforderungen entsprechen-
den "Waren zu versehen.
143. Schriftgießerei und M essin glinien-
fabrikation.
Der Geschäitsgang hatte im Berichtsjahre unter den Balkan-
"wirren und der dadurch geschaffenen Unsicherheit der allge-
meinen politischen La,ge sehr zu leiden. Auch nach dem im
zweiten Halbjahre erfolgten Friedensschlüsse trat der erhoffte
Aufschwung nicht ein. Die durch die fortwährenden politischen
Verwicklimgen erzeugte Beunruhigung und die damit in Ver-
bindung stehenden neuen großen Steuergesetze führten eine wei-
tere Verstimmung und Abschwäx?hung der Kauflust herbei. Der
Export nach dem Balkan ruhte in den drei ersten Quartalen voll-
ständig. Auch nach dem übrigen Auslande war das Geschäft
nicht so lebhaft wie in den Vorjahren. Die in der Regel im
Herbst jedes Jahres wiederkehrende Belebung des Inlandgeschäftes
hielt sich gegenüber den Vorjahren nur in bescheidenen G-renzen.
Der Eingang der Rimessen war teilweise recht schleppend, und
;anch die üeherseekundschaft nahm ungewöhnlich lange Ziele in
Allaremeines.
464
VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
Anspruch. Aus den Balkanländern ging infolge der ^loratorien
überhaupt kein Geld ein; aber auch in Oesterreich-Ungarn und
Rumänien mußte der Kundschaft gegenüber große Nachsicht ge-
übt werden.
Preise. In der Preisgestaltung trat keine Aenderung ein. Die Fabri-
kationskosten haben sich, bedingt durch die anhaltende Hausse
der Eohmaterialien, auf der gleichen beträchtlichen Höhe er-
halten , nur bezüglich Zinn und Antimon konnte eine Eück-
bildung zu normalen Preisten beobachtet werden, indem diese
Metalle ungefähr wieder auf den Kursstand des Vorjahres zurück-
gingen.
Metallpreise pro t in ^'
1. Jan. 1912 1. Okt. 1912 1. Jan. 1913 1. Okt. 1913
Kupfer .... 63/51/ - 78/17/6 77/ - / - 74/ - / -
Blei 15/10/- 2(3/15'- 17/17/6 19/2/6
Zinn 201/-/- 227 10/- 228/15/- 186/15/-
Antimon . . . 27/10/- 33/-/- 38/-/- 28/10/-
Soziale
Verhältnisse.
Export.
An dem VerhäJtnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
wurde im Berichtsjahre infolge der noch laufenden Tarifverträge
nichts geändert. Der im Gewerbe bestehende Verein Deutscher
Schriftgießereien hat seinerseits lq vorteilhafter Weise dazu bei-
getragen, die Interessen des Gewerbes zu wahren.
Nach einem anderen Bericht über Schriftgießerei haben sich
die Verhältnisse im Berichtsjahre gegenüber dem schon nicht be-
sonders günstigen Vorjahre noch wesentlich verschlechtert.
Die ungünstigen politischen Verhältnisse haben überall
hemmend auf das Geschäft gewirkt und die Kundschaft veran-
laßt, mit ihren Einkäufen so viel wie möglich zurückzuhalten^
so daß größere Geschäfte überhaupt nur durch Gewährung aller-
äußerster Preise und Bedingungen erzielt werden konnten. Die
mehrfach verlängerten Moratorien Serbiens, Bulgariens usw.
haben aSTeulieferungen nach diesen Gegenden gänzlich unterbunden.
Hierzu kommt noch die ruhige Sommerperiode, die sich als solche
immer mehr ausprägt und die sich in diesem Jahre durch üire
lange Ausdehnung ganz besonders fühlbar machte. Infolgedessen
mußte die Produktion nach und nach eingeschränkt werden, wo-
durch ein großer Teil der Arbeiterschaft nicht mehr voll beschäf-
tigt werden konnte. Trotz des erheblichen Sinkens der Umsatz-
ziffer haben sich die Generalunkosten erhöht, so daß sich das
Verhältnis dieser Ziffern zueinander ungünstiger gestaltet hat.
Durch die günstigeren Einkaufsmöglichkeiten konnten die Ge-
stehungskosten der Pabrikate sich etwas billiger gestalten und
zum größten Teil den Verdienst etwas erhöhen.
Der Verkehr mit dem europäischen Ausland war im all-
gemeinen sehr gering. Wenn auch Holland, die Schweiz und Bel-
gien als Käufer auftraten und sich besonders auch Dänemark
und Skandinavien als größere Abnehmer bemerkbar machten, so
144. Steindruckgewerbe. 465
hatte das Geschäft nach Italien bereits unter den politischen
Verhältnissen zu leiden und kam nicht liber die Grenze des Vor-
jahres hinaus. (Erst gegen Jahresschluß hob sich! das iGeschäit
wieder. Der Verkehr mit den, Balkanstaaten war vollständig lahm-
gelegt; auch OesterreichiUngarn war infolge der allgemeinen Ge-
schäftsstille und Geldknappheit nicht kauflustig, so daß sich der
Absatz dahin sehr verringert hat. Rußland ist, wie schon früher
erwähnt, des hohen Zolles wegen fast ganz unserer Branche ver-
sdhlossen. Auch auf das Geschäft nach Uebersee, wofür für
unsere Branche hauptsächlich Mexiko, Zentral-Amerika und die
südamerikanischen Staaten in Präge kommen, machte sich
die allgemeine wirtschaftliche Depression bemerkbar. Das Ge-
schäft in Mexiko lag infolge der inneren Unruhen voHständig
danieder, aber auch die iSTachfrage in Süd- und Zentral-Amerika
hat die des vorigen Jahres nicht erreicht, und nur bei unlohnenden
Preisen konnten Geschäfte abgeschlossen werden.
Die Zahlweise der Kundschaft litt allgemein unter den un-
günstigen Geldverhältnissen und hat sich wesentlich verschlech-
tert. Trotz aller Bemühungen wird wohl mehr oder weniger mit
großen Ausfällen gerechnet werden müssen.
144. Steindruckgewerbe.
Gegenüber 1912 hat sich die Lage des chromolithographischen
Gewerbes nicht wesentlich geändert. Schon im vorjährigen Bericht
ist betont worden, daß w^eite Absatzgebiete durch die zollpolitischen
Maßnahmen des Auslandes verloren gegangen sind, und daß es
nicht möglich war, in nennens'wertem Umfange neue Absatzgebiete
zu erobern. Die Betriebe des Gewerbes, die infolge dieser zoll-
politischen Maßnalunen gezwungen waren, sich auf den inlän-
dischen Markt zu werfen, mußten dieses Bestreben im Berichts-
jahre noch intensiver verfolgen, um eine einigermaßen geregelte
Beschäftigung des Betriebes zu erreichen. Auf dem Inlandsmarkt
war eine Steigerung des Verbrauches in Plakaten und Beklame-
artikeln zu verzeichnen. Die meisten Pirmen, welche diese Artikel
fabrizieren, betonen jedoch, daß die erzielten Preise nicht als gut
oder auch nur als zufriedenstellend zu bezeichnen sind. Das
Reklaanebedürfnis der Industrie hat zweifellos nicht nachgelassen,
es sei nur erinnert an den Artikel Reklamemarken, der wohl ge-
eignet gewesen wäre, die Branche wieder etwas zu beleben; leider
waren aber die erzielten Preise infolge der heftigen Konkurrenz
auf diesem Gebiete nicht zufriedenstellend. Von erheblichem Ein-
fluß war auch in dem vergangenen Jahr wiederum die Konkurrenz
des Dreifarbendrucks und die photomechanisöhen Verfahren, durch
die der chromolithographischen Branche wiederum ein wesent-
licher Teil ihres Tätigkeitsgebietes entzogen wurde. Schon in dem
Bericht über das Vorjahr war betont worden, daß ein Teil der
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 30
466
VIII. Papierindustrie und Buchgewerbe.
Export.
Bedarf.
Beschäfti-
gungsgrafL
Gratulationskarten, besonders der englischen Christmaskarten,
ferner religiöse Texte, Bibelsprüche usw. nunmehr auch in Licht-
druck hergestellt werden, zum Teil auch in Monogrammprägung
und Spritztechnik. Bei den Verlagsar tikeln war besonders bei dem
Inlandskonsum der Chnomiopiostkarten ein B/ückgang zu merken;
das gleiche gilt von Kalenderriickwänden und Verlagsplakaten.
Die Ansprüche der Abnehmer an die Qualität der Ware werden
immer höher, ohne daß die erzielten Preise hiermit gleichen Schritt
hielten. Da^ Bestreben der Abnehmer, nur Neuheiten zu kaufen,
war "wieder intensiv bemerkbar. Die Fabrikanten suchten diesem
Bedürfnis dadurch Bechnung zu tragen, daß große kostspielige
Kollektionen geschaffen wurden, die meist derart schnell nachein-
ander herausgebracht werden müssen, daß die Aufwendungen für
die lalten Kollektionen sich nur schwer verzinsen. Die Lager-
best-ände vermehrten sich natürlich und konnten nur dadurch ver-
ringert werden, daß am Schluß der Saison wohl oder übel zu jedem
Preis verkauft werden mußte. Auch im vergangenen Jahre hielt
die Steigerung der Löhne und der Preise für Bohmaterialien an.
Der Export nach den Vereinigten Staaten von Amerika
hat sich gegenüber dem Vorjahre nicht geliJohen, die Nachwirkungen
der Präsidentenwahl und der damit verbundene Umschwung im
wirtschaftlichen Leben hielten noch immer an. Ob die teilweisen
Zollermäßigungen resp. die durch die neue Zollpolitik geschaffenen
Erleichterimgen wirklich zu idem erhofften Ergebnis in Gestalt
eines vermehrten Exportes führen werden, kann heute noch nicht
übersehen werden, da man erst abwarten muß, wie die Neuregelung
der amerikanischen Zollpolitik in der Praxis durchgeführt wird.
Die deutschen Fabrikanten stehen auf Grund der bisherigen Er-
fahrungen der Neuregelung der Zollpolitik recht skeptisch gegen-
über. — Der Absatz nach den Balkanländem war auch im ver-
gangenen Jahre infolge der Nachwirkungen des Balkankrieges,
wenn auch nicht vollständig unterbunden, so doch außerordentlich
gering und schwierig. Eine kleine Besserung ist allerdings zu
verspüren gewesen, ebenso in dem Absatz nach Oesterreich-
Ungarn.
Der Bedarf an merkantilen Drucksachen hat sich im Laufe des
Berichtsjahres gegenüber dem Vorjahre etwas vermehrt, allein
der bereits im vorjahrigen Bericht konstatierte ganz außerordent-
liche Bückgang der Preise und der damit verbundene empfindliche
Bückgang des Nutzens machte sich auch im Jahre 1913 bemerkbar,
zumal die an die Aufstellung von Zinkrotationsmaschinen sowie
Gummidruck- (Offset-) Pressen geknüpften Hoffnungen sich nicht
in dem erwarteten Maße erfüllt haben.
Im allgemeinen war die Beschäftigung im Jahre 1913 besser
als im Jahre 1912. In dem Verhältnis zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern herrschte, abgesehen von einigen kleinen Diffe-
145. Rohe Häute und Felle. 467
renzen, ßuhe, und es steht zu hoffen, daß die Arbeiterorgani-
sationen in Zukunft mehr Verständnis für die Lage des Ge-
•vverbes haben "werden, als dies bisher der Fall gewesen ist.
IX. Rohstoffe und Fabrikate der Lederindustrie.
145. Rohe Häute und Felle.i)
Während im letzten Jahresbericht von einem eioigermaßen Aiigemeitie
befriedigenden Resultate berichtet werden konnte, muß der Be- ibersicht.
rieht pro 1913 mit der Tatsache beginnen, daß sich die Hoff-
nungen, mit welchen das Berichtsjahr beschritten wurde, mit
wenigen Ausnahmen nicht erfüllt haben, denn nur der Handel
mit einzelnen Artikeln, war gewinnbringend, und häufig ging der
an diesen erzielte Nutzen durch' Verluste an anderen Artikeln
wieder verloren. Industrie und Handel litten wältrenid des ganzen
Jahres unter teuren Geldverhältnisaen, denn ein Bankdiskont von
6 o/o, welcher erst am 27. Okt. um 1/2 % zurückgesetzt wurde,
hindert die Bewegungsfreiheit und mahnt jeden soliden Kauf-
mann zur Vorsicüit. Die Balkan\\drren, w^elche erst im Spätherbst
ihren Abschluß fanden, hemmten den Export fertiger Leder nach
dem Orient und erschwerten auch den ImJ)ort roher Felle aus
der Türkei und den übrigen Balkanst^aten. In den Vereinigten
Staaten , von Amerika stagnierte das Gesiöhäft zeitweise voll-
ständig, da einerseits die Lederfabrikation daselbst nicht günstig
lag, indem die Fabrikanten ihre im Vorjahre zu hohen Preisen
eingekauften Rohfelle häufig nur mit Verlust verkaufen konnten,
und andererseits die Ungewißheit über das Resultat der projek-
tierten Zollherabsetzangen wie ein Damoklesschwert über den
Köpfen der amerikanischen Fabrikanten schwebte. Nachdem im
Spätsommer die Zollfreiheit für ausländisiches Schuhleder und
Schuhzeug und Zollherabsetzungen für Glaceleder und Hand-
schuhe bekannt geworden waren, und sich das' Geschäft in den
Vereinigten Staaten wieder zu beleben begann, beeinflußten "wieder
die mexikanisch'en Wirren mit ihren Befürchtungen vor kriege-
rischen Verwicklungen den Herbstexport nach Amerika un-
günstig. Die zollfreie Einfuhr von Oberleder aus Europa nach
Amerika dürfte aucli in Zukunft nicht ohne Nachwirkung bleiben,
denn da die amerikanischen Fabrikanten künftig mit der euro-
päischen Konkurrenz beim Verkauf ihrer Fabrikate werden rech-
nen müssen, liegt die Befürchtung nahe, daß der Export ix)her
1) Die Berichte Nr. 145—147 und 149—154 sind A^on der Sach-
verständigenkommission der Lederinteressenten von Berlin geliefert. Die
allgemeine Ueb ersieht in dem Bericht Nr. 142 entstammt dem „Jahres-
berichte über den Handel mit rohen Häuten und Fellen in Berlin pro
1912 von Herrmann Schle.singer & Co."
30*
468 IX. Eohstoffc u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
Felle aus Europa nach den Vereinigten Staaten darunter leiden
könnte.
Der deutschen Schuhfabrikation war es unmöglich, trotz
gesteigerter Rohpreise und trotz höherer Löhne und sbnstiger
Lasten für soziale Fürsorge ihre Preise für Stiefel und Schuhe
in genügender AYeise in die Höhe zu setzen, da infolge häufiger
'Zahlungseinstellungen viel billiges Material an den Markt kam.
Auch hatte sie unter der Ungunst der milden Witterung im Herbst
zu leiden, so daß sich große Bestände anhäuften. Diese wareu
einem flotten Einkauf von Leder seitens der Schuhfabrikanten
im Wege, worunter natürlich' auch wieder der Fellhandel zu leiden
hatte, indem die Leder fabrikanten nur den notwendigsten Be-
darf deckten. Nachdem der Schuhfabrikation durch den neuen,
Zolltarif die zollfreie Einfuhr ihrer Fabrikate nach Ameirika
ermöglichst ist, wird die Zukunft lehren müssen, ob es gelingeu
wird, deutschem Schuhzeug in Ameiika einen Markt zu gewinaen ;
viel wird davon abhängen, ob man es dem amerikanischen Ge-
scÜimacke und der Dauerhaftigkeit des dortigen Mateiialä wird
anpassen können. Von dem allgemeinen Rückgang der wirtschaft-
lichen Konjunktur in der zweiten Hälfte des Jahres wurde auch
die Lederindustrie ungünstig beeinflußt, und esl ist daher nicht
zu verwundern, daß die Preise der meisten Rohartikel im Spät-
herbst eine zum Teil erhebliche Absdhwächung erfuhren. Am
g-ünstigsten lag während des größten Teiles des Jahres der für
den hiesigen Platz wichtigste Artikel: „Gesalzene Rindhäute",
der sich' regster Nachfrage erfreute, und dessen Preise eine Höhe
erreichten, welche selbst die ältesten Mitglieder der Branche nie-
mals zuvor erlebt haben. Der einheimische Militärbedarf und'
die Rüstungen in Oesterreich und den Balkanstaaten absorbi'drten
ungeheure Mengen roher Häute, und da die Schlaöhtungen im
In- und Auslande, namentlich in den überseeischen Ländern, kleiner
waren als in den Vorjahren, konnte häufig trotz Heranziehung
ausländischien Materials nicht rechtzeitig dem Bedarfe genügt
werden, so daß die vorerwähinte Preishöhe die Folge eüies! ge-
sunden Bedarfs Avar. Erst im Oktober, als der ^lilitärbedajrf
nachzulassen begann, zeigten die Preise auf den Auktionen einen
Rückgang, welcher bis zum Jahresschlüsse immer weitere Dimen-
sionen annahm, doch waren die Preise einzelner Sorten trotz-
dem noch etwas höher als am Jahresheginn. Eine größere Preis-
steigerung erfuhren im Spätsommer auch Roßhäute, aber nur
prima große, schwere Häute, welche lebhafter Nachfrage be-
gegneten, da der aus ihnen hergestellte Artikel: ,,Roßchevreaux"
für den Export sehr beliebt war, doch ging der erzielte Preisauf-
schlag in den letzten Monaten des Jahres', als der Bedarf nach-
gelassen hatte, zum. großen Teile wieder , verloren. Die geschilder-
ten Verhältnisse brachten es mit sich, daß von einem flotteji Ge-
schäftsgang für den Handel während des ganzen Jahres nicht
145. Eohe Häute und Felle. 469
di€ Eedo sein, konnte, da die Fabrikanten im In- und Auslandti
bei den hohen Preisen fast aller Häute- und Fellsbrten meist nur
den notwendigsten Bedarf zu decken bemüht blieben, ohne sich,
wie in früheren Jahren, größere Vorräte für künftig-en Bedarf zu
sichern. Es wurde auch mit dem bescheidensten Nutzen ge-
handelt, denn der Handel war nicht geneigt, angesichts deö hohen
Preisniveaus und deö teuren Geldstandes größere Lager zu halte ti,
um damit auf noch höhere Preise zu spekulieren. Die Signatur
des Berichtsjahres' läßt sich denn auch mit den wenigen Worten
bezeichnen : „Kleinere Umsätze bei reduziertem Nutzen.'' Die
früheren. Klagen über ein Mißverhältnis zwischen den Preisen der
rohen Ware und der Fertigfabrikate verstummten auch in diesem
Jahre nicht, denn wenn esi auch der Fabrikation gelang, ihre
Lederpreis^. wiederholt in die Höhe zu setzen, so sollen diese
Preiserhöhungen angeblich dodh nicht angesichtsi der immer
höher ge^i raubten Rohpreisie genügt haben. Es! kann keinem
Zweifel unterliegen, daß die Viehbestände in der ganzen Welt
nicht mit der Vermehrung der Bevölkerung Schritt gehalten
haben, und daß daher die angebotenen Quantitäten roher Häute
und Felle häufig nicht ausreichen, um dem momentanen Bedarfe
zu genügen, wodurch' notwendigerweise eine Preissteigerung ein-
treten muß, welcher die Fabrikanten, wenn auch häufig unwillig,
Folge zu geben gezwungen sind, um ihre Arbeiter zu beschäftigen,
aber hauptsächlich dürfte wohl nicht genügend dem Umstände
Eechnung getragen werden, daß aus vielen Häute- und Fell-
sorten seit einigen Jahren Spezialartikel fabriziert werden, für
welche die hohen Preise nicht störend sind, während sie sich für
die Fabrikation von Schuhleder meist als wenig gewinnbringend,
häufig sogar als verlustbringend, erweisen. Daß aber die Nach-
frage für solche Spezi alz wecke die Preise nicht immer regulieren
kann, beweist der vorstehend erw^ähnte Preisa-ückgang der meisten
Häute- und Fellsorten in den letzten Monaten des Jahres', welcher
nie hätte eintreten können, wenn nicht eine allgemeine Zurück-
haltung im Einkaufe stattgefunden hätte. Dem Handel kann es
nur erwünscht sein, w^enn sich die Rohpreise nicht auf der bis^
hierigen Höhe halten, denn je höher die Preise, um so größer sein
Risiko, und um so kleiner sein prozentualer Gewinn. Wie sich'
di? Verhältnisse im neuen Jahre gestalten werden, ist schwer vor-
au^^zusagen. Große Vorräte roher Häute und Felle existieren weder
bei den Fabrikanten, noch bei den Händlern im In- und Aus-
lande, und es ist anzunehmen, daß durch Herabsetzung des
Reichsbankdiskonts wieder normale Geldverhältnisse eintreten
werden, von welchen Industrie und Handel zweifellos Nutzen
ziehen dürften. Gelinget es, die bestehenden Roh preise nicht nur
nicht weiter zu steigern, sondern möglichst mit den Preisen der
Fertigfabrikate in Einklang zu bringen, was nur dann möglich'
sein wird, wenn Fabrikanten und Händler Hand in Hand gehen.
470 IX. Rohstoffe u. Fabrikate der I^ederindustrie u. Pelzwerk.
dann darf der Hoffnung Eaum gegeben werden, daß ein jeder im
neuen Jahre den wohlverdienten Lohn für seine gewiß harte
Arbeit finden werde.
KiodMute. In gesalzenen Rindhäuten entwickelte sich am Jahresbeginn
ein ziemlich lebhaftes Geschäft. Im Februar erhöhten sich die
Preise um ca. 2—3 Pfg. per Pfund und blieben dann bis ^zur
Mitte des Jahres ohne größere ;Sch\Vankungen. Vom Juli ab
wurde die Nachfrage faber stärker, und da die Schlachtungen
immer mehr zurückgingen, stiegen die Preise bis zum Oktober
um 3—4 Pfg. per Pfund. Im November trat infolge schlechteren
Geschäftsganges bei den Lederfabrikanten und auch infolge Ein-
schränkung der Kredite bei den Banken eine starke Abschwächting
ein, von welcher besonders Ochsen- und Kuhhäute betroffen
wurden, welche gegen ihren höchsten .Stand ca. 10 Pfg. ein-
büßten, wälirend Bullen-, Pärsen- und Fresserhäute nur zirka-
3—5 Pfg. per Pfund billiger wurden. Wenn auch die ersten
10 Monate des Jahres füj- -den Handel günstig waren, so ist
doch in den letzten beiden Monaten ein Teil des Nutzens wieder
verloren gegangen. — Kuhhäute, welche Anfang des Jahres in
prima sortierter Ware da. 63 Pfg. kosteten, stiegen im Februar
auf 65—66 Pfg. und von Juli bis Oktober nach und nach bis
auf 70 Pfg. per Pfund Grüngewicht. Vom November bis ütezember
ging der Preis bis auf ca. 60 Pfg. per Pfund Grüngewicht zurück.
Färsen waren zur Fabrikation von Boxcalf ständig gesucht. Es
Wurden in der ersten Hälfte des Jahres 65—67 Pfg. per Pfund
Grüngewicht bezahlt; dann stiegen die Preise nach und nach bis
auf ca. 71 Pfg. und igingen vom November bis Dezember atif
ca. 66 Pfg. per Pfund Grüngewicht zurück. Ochsenhäute be-
gegneten reger Nachfrage seitens deutscher und österreichischer
Fabrikanten. Preise waren Anfang des Jahres ca. 63 Pfg., er-
höhten sich nach und nach bis auf 70 Pfg. und fielen dann zum
Jahresschluß bis auf ca. 60 Pfg. per Pfund Grüngewicht.
Bullenhäuto in Gewichten von 60—100 Pfund nahmen russische
Fabrikanten während des ganzen Jahres laufend aus dem Markt
und zahlten Anfang des Jahreö da. 57 Pfg., dann erhöhten sich
die Preise nach und jiach bis' auf ca. 63 Pfg. und fielen von^
November bis Diezember auf ca. 59 Pfg. per Pfund Grüngewicht.
Leichte Gewichte von 40—59 Pfund erzielten stets 1 — 2 Pfg.
per Pfund mehi- und G^^vichte iiber 100 Pfund stets 3—4 Pfg,
weniger als Ware von 60—100 Pfund. Fresser waren von deut-
schen Fabrikanten sehr begehrt und nicht so großen Preis-
schwankungen untersvorfen. Es wurden in der ersten Hälfte des
Jahres 64—66 Pfg., dann 67 — 68 Pfg. und zum Jahresschluß
ca. 65—66 Pfg. per Pfund Grüngewicht erzielt. Die auf den
Auktionen zum Verkauf gestellten Häute wurden wie stets ent-
sprechend ihrer besseren Behandlung mit 5—10 ^/o teurer bezahlt
als Händlerware. Trockene Rindhäute existieren in deutscher
145. Rohe Häute und Felle. 471
Ware fast gsr nicht mehr und bieten keinen Berichtsstoff. Auch
in diesem Jahre wurden bedeutende 'Quantitäten kurischer und
russischer Häute, hauptsächlich nach Amerika, aber weniger iaJs
letztes Jahr an idöutsche Fabrikanten gehandelt. Preise variierten
je nach Qualität und Sjortiment zwischen 18 und 20 Eo. per Pud.
Auch gesalzene kurische und russische Rindhäute und Fresser
wurden ab rus'sisohen Häfen in (großen Posten nach Amerika
•und nach Oeutschland, meist für Lackzwecke, verkauft und er-
zielten 9—10 Eo. per Pud ausgesalzen. Am Jahresschlüsse haben
sich mangels Absatzes große Quantitäten im Lande angesammelt,
welche trotz bedeutender Konzessionen seitens der Eigner bisher
keine Liebhaber fanden, da man lallgemein einen weiteren Preis-
rückgang erwartet.
Der Markt für deuts'che trockene Kalbfelle war ini Berichts- Kalbfelle,
jaiire sehi^ unregelmäßig. Am Jahresbeginn mit abschwächen-
der Tendenz einsetzend, hielt siöh das Geschäft bis zum Monat
Mai in sehr ruhigen Bahnen, und die Preise bröckelten allmählich
ab. Später befestigte öiöh die iTendenz, und es wurden letzt-
vorjährige, zum Teil isogai- etwas höhere Preise erzielt; durch
anlialtend schlechte Berichte aus Nordamerika verflaute der
Markt im OHerbst abermals, und der Geschäftsgang wurde ein
schleppender. Bevorzugt waren bessere kräftige Felle in der
Gewichtslage von 3—4 Pfund, während leichte Sorten und ins-
besondere Lackierfelle während des ganzen Jahres selbst bei
billigen Offerten schleciht verkäuflich blieben. Bauernfelle unter
lagen keinen großen (Schwankungen und fanden auf einer mittleren
Preisbasis laufend Absatz. iB'as Gesamtresultat kann füir den
Handel kaum als g-üjistig bezeichnet werden. Die Preisgestaltung
ergibt sich ;aus folgender Skala: *
Monate Prima Secunda Bauernfelle
Januar/Februar . . . 2.50—2.60 M. 2.25—2.30 M. 1.95—2.05 M.
Mai/Juli 2.35—2.40 „ 2.10-2.20 „ 1.90-1.95 „
August/ Oktober . . . 2.60—2.65 ,, 2.35—2.40 „ 2.05—2.10 .,
November/Dezember . 2.50-2.60 „ 2.30—2.35 „ 2.00—2.05 „
Gesalzene Kalbfelle waren für den iHandel kein lohnender
Artikel. Dia die JN'achfrage seitens Amerikas nicht sehr rege
war, bröckelten die Preise vom Januar bis Juli langsam ab.
Vom Auglist bis zum Jahresschluß waren mittlere und schwere
Gewichte begehrter und Iziogen im Preise an, wahrend leichte
Gewichte üire Preise jnicht erhöhen kannten, da Amerika für
diese Sorte wenig Interesse zeigte. Leichte Felle von 5—9 Pfund
erzielten anfangs des Jahres ca. 100 Pfg. und gingen dann nach
und nach bis auf ca. |95 Pfg. per Pfund ausge^alzenes Gewicht
zurück. Gewichte von 10—15 Pfund kosteten anfangsl des Jahres
ca. 90 Pfg., Mitte des Jalires ca. 88 Pfg. und am Jahresschluß
ca. 92 Pfg. per Pfund. Schwere Felle von 16—22 Pfund wurden
472 IX. Kohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
anfang^s des Jalires mit ca. 84 Pfg-, Mitte des Jahres mit zirka
82 Pfg. tind Ende des Jahres mit ca. 86 Pfg. per Pfuad bezahlt.
Kurische Kalbfelle wurden mangels irgendwelcher nennens-
werter Bestände ans dem Vorjahre schon im Winter an den
Produktionsplätzen kolossal teuer von den Sammlern bezahlt;
die Preise für prima Sorten stellten sich unter Berücksichtigung
des durch die Näss3 falschen Gewichtes auf 38—40 Ko. per Pud.
Allgemein Wurde ,an Iden Produktionsplätzen der Hoffnung Raum
gegeben, daß sich, wie im yorja,hre, frülizeitiger Bedarf ssitens
des Auslandes eiustellen, [und daß die saison trockene Ware nicht
ins Liegen kommen fwürde. Amerika zeigte aber, gewitzigt durch
die schlechten Erfahrungen im Vorjahre, ;große Zurückhaltung,
Und auch die tonangebenden deutschen Fabrikanten wollten bei
den hohen Preisen [reelle Trocknung abwarten, so daß ein größerer
Preisrückgang zu erwarten (stand, der ,auch sicher eingetreten
wäre, wenn nicht im April einige deutsche Händler und russische
Exporteure zu den erwälinten hohen Preisen in den Markt ge-
gangen wären und einige größere Partien aufgenommen hätten.
Dieses unerwartete Eingreifen einzelner konnte indessen den Markt
nicht langfi beeinflussen, denn im Mai trat bereits eine Stockung
im Absätze ein, und* trotzdem inzwischen ein Preisrückgang von
'5 — 6 o/o zu konstatieren war, blieben die größeren regelmäßigen
Käufer aus, so daß sich im Juli Quantitäten Felle ansammelten,
die einen weiteren Preisabschlag von 6 o/o erfuhren. Zu diesen
igtesunkenen Preisen g'ingen russische Exporteure stärker in den
Markt, ohne indesisen verhindern zu können, daß noch große
Posten unverkauft liegen blieben, welche man 'später billiger
zu erstehen hoffte. iDiese Hoffnung erwies sich indessen als
trtigerisch, denn infolge der auf der Nishnyer Messe unerwartet
g^ezahlten hohen Preise für russische Kalbfelle 'gewannen die
liegengebliebenen besseren kurischen Sorten ebenfalls :an Wertj
und Jkonnten sich Hvälirend und nach der Messe zu 3—4 o/o höheren
Preisen räumen. iD'eutsche 3^iabrikanten waren in diesem Jahre
ungleich kleinere Käufer !als in früheren Jahren, auch die ton-
angebenden amerikanischen Fabrikanten kauften wesentlich
kleinere Quantitäten, während kleinere und mittlere Fabrikanten
in Amerika, namentlich aber einige lamerikanische Händler, viel
AVare aufnahmen. Ob letztere durchweg iauf feste Orders oder
zum Teil lauf Spekulation operierten, entzieht sich unserer Be-
urteilung. Dier deutsehe H,andel, welcher schon seit Jahren unter
der Konkurrenz der rusisischen Händler, unter dem' direkten Ein-
greifen Amerikas und der deutschen Fabrikanten an den Pro-
duktionsplätzen zu leiden [hat, nahm ungleich kleinere Käufe
als sonst vor |und sicherte Isich erst im Sommer, als Ware 'ge-
wichtstrocken empfangen werden konnte und Preise nacligelassen
hatten, einige bessere Partien füi^ iden nötigsten Bedarf. [Die
hier am Platze lerzielten Preise schwankten für unköpfige Scharren
145. Rohe Häute und Felle. 473
zwischen 2,95 und 2,80 M., für unköpfige Schlachtier zwischen
2,85 und 2,70 M., für backig^e Schlachter zwischen 2,35 und 2,25
Mark, für köpfige Littauer Schlächter zwischen 2,30 und 2,20
Mark, Land jeder Sorte erzielten 20—25 Pfg. weniger, für Brack
wurden 1,90 bis 1,80 Mk. gelöst, alles per V2kg. Die von russischen
Häfen direkt nach den Bestimmungsorten verladenen Partien
.erzielten entsprechend billigere Preise, da für derartige Ab-
ladungen die im Lande geltenden Originalgewichte und Original-
siortimente bestimmend sind. Infolge der hohen Preise war das
Geschäft na,ch Frankreich, [England, Italien und Spanien sehr
klein, Amerika kaufte in iDeutschland nur Wenig Originalware,
interessierte sich in der Hauptsache für Spezialsortimente, speziell
in schweren Grewichten, jsiowie für lUntergeordnete Sorten. Der
Absatz an detitsiche Fabrikanten erstreckte sich ebenfalls in der
Hauptsache nur auf 'Spezialslortimente. Sowohl im Ursprungs-
lande als auch hier und an anderen Plätzen Deutschlands befinden
sich am Jahresschlüsse noch Bestände, die allerdings nicht als
bedeutend bezeichnet werden können ; hoffentlich aber werden
sie yerhindem, daß die frischen Felle der neuen Ernte \vieder
so teuer wie letztes Jahr bewertet werden. Altrussische Kalb-
fells wurden vion der Nishnyer Messe nur wenig gehandelt, da.
sie zu teuer eingekauft waren, indem für gute Kotelnitzer und
Wiatkaer 36—37 Eo. per Pud Resnoi verlangt wurden. Erst
als im Juni fdiese Sorten ca. 10 «/o billiger erhältlich waren, zeigte
sich einige.^ Interesse ldafü,r seitens einiger russischer und deut-
scher Händler, ohne fdaß es' ;gelang, Quantitäten abzusetzen, da
bei den großen Peständen löowohl irussischer als auch kurischer
Felle mit billigeren Preisen a,uf der Nishnyer Messe gerechnet
wurde. Paloien wurden vor der Messe ebenfalls wenig gehandelt
und erzielten 21—22 Ejo. per Pud in schweren und leichten Ge-
wichten. Als auf ider Nishnyer Messe ungewöhnlich gToße Quan-
titäten — cia. IV2 Millionen Stück Kesnoi und ca. 750 000 Paloien,
worunter da. 600 000 'Stück sibirische — auftauchten, und mit
den Beständen in Kurland und an russischen Plätzen außerhalb
der Messte das Gesamtquantum der im Lande unverkauften Felle
auf ca. 31/4 Millionen zu schätzen war, schien ein größerer Preis-
sturz unausbleiblich. Nachdem kurz nach Beginn der Messe die
besse,ren Sorten noch verhältnismäßig preiswert, nätmlich zu zirka
34 Ex). Pesnoi, von deutöchen und russischen Händlern auf-
genommen waren, trafen plötzlich unerwartet größere Orders von
Amerika ein, die m aller Eile eingedeckt wurden, so daß die
gewöhnlichen Sorten, welche, abgesiehen von der geringeren
Qualität, durch ihren höheren Prozentsatz Sekunda ein ungünsti-
geres Sortiment ergeben, isichließlich dieselben, teilweise auch
höhere Preise noch als die prima Ware brachten, und den er-
warteten Preisinickgang verhinderten. Die schwereren guten
Paloien erzielten anfangs der Messa ca. 22 1/2 Ko., während später
474 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der lyederindustrie u. Pelzwerk.
für geringere 23 B;o. telquel, gleich 24 Ro. sortiert, bezajilt
werden mußte. Leichte sibirische Paloien -waren gänzlich ver-
nachlässigt und auch am Schlüsse der Messe noch unverkauft,
Allgemein war die Ansieht vertreten, daß die Inhaber be-
deutendere Preisikionzessionen würden machen müssen als sie tat-
sächlich zu machen brauchten, denn zu 2IV2— 22 Ro. zeig-ten deut-
sche Händler nach dem Schlüsse der Messe Interesse für den
Artikel imd nahmen ca. 200 000 Stück auf. Ein gleiches Quantum
wurde hinterher von russischen Händlern zu ca. 22 Ro. aus dem
Markt genommen, während am Jahressichlusse der Rest von
ca. 200 000 Stück noch unverkauft ist, da die Eigner auf höhere
Preise spekulieren. Polaische Kalbfelle wurden in gToßen Quan-
titäten bis zum Monat März in gesalzenem Zustande von russi-
schen und deuts^chen Kommissionären an amerikanische und
<ieutsche Fabrikanten verkauft und erzielten 13V2— 14 Ro. per
Pud ausgesalzenes Gewicht. [Dier deutsche Handel zeigte größere
Zurückhaltung und dockte nur den nötigsten Bedarf. Ob nament-
lich die nach Amerika verkauften Felle schließlich den Verkäufern
Nutzen gebracht haben, dürfte zu bezweifeln sein, denn bei der
schlechten polnisdien Salzung trafen viele Partien mit Ungleich
größerem Manko in Amerika ein, als nach dem von den A^erkäufern
als maximal garantierten Manko zulässig war, so daß nicht un-
bedeutende Differenzen hinterher entstanden. Im April \vurden
Saison trockene Felle im Lande mit 29 Ro. per Pud bezahlt, im
Mai stellte sich bessere Trocknung auf 30 Ro., aber kurz hinter-
her gingen Preise vorübergehend bis 28% Ro. zrurück. Im Juni-
Juli machte sich wieder eine Preiserhöhung bis 31 Ro. bemerkbar,
tmd bis zum Spätherbst erreichten die Preise die stattliche Höhe
von 32 V2 Ro. per Pud. In der Hauptsache dürfte diese Preis-
isteigerung auf Eindeckungen vorher auf Lieferung verkaufter
Felle zurückzuführen sein, da die im Lande zuletzt bezahlten
Preise weder im Verkauf nach Amerika noch' an deutsche Fabri-
kanten wieder zu erzielen waren. Es darf auch nicht unerwähnt
bleiben, daß viele Partien, welche in Polen auf spätere und
selbst auf nahe Lieferung zu billigeren Preisen eingekauft wur-
den, nicht zur Ablieferung kamen, wie dies bei steigenden Preisen
fast regelmäßig in Polen üblich ist, und daß auch dieser Um-
stand zru einer Preissteigerung im JLande führte, während an
allen anderen Plätzen Kurlands und Rußlands zur gleichen Zeit
ein Preisrückgang zu konstatieren war. Hie hier erzielten Preise
schwankten zwischen 2,15 Und 2,25 Mk. per 1/2 kg für Prima,
1,921/2 und 2,021/2 Mk. f^ Sekunda, vereinzelt wurden für schwere
Partien auch noch 5 Pfg. mehr erzielt.
Rohe Kipse. Rohc Kipse hielten sich in den ersten Monaten auf demj
gleichen Preisstand wie am Schlüsse des vergangenen Jahres.
Die Zufuhren von Indien blieben entgegen der allgemeinen Er-
wartung dauernd klein, und es zeigte sich bis März schon ein
145. Rohe Häute und Felle.
475
größerer 'Ausfall gegen die Verschiffungen im gleichen Zeitraum
1912. ' Die Hoffnung auf billigere Preise erfüllten sich hierdurch
nicht, und da soAvohl Händler wie Fabrikanten guten Bedarf
hatten, zogen die Preise nach und nach an. Infolge der nassen
Sommermonate und des großen Bedarfs der Militärbehörden trat
ein vermehrter Konsum in Leder ein. Die Pabrikanten sahen sich
veranlaßt, ^ihre Produktion wesentlich zu vergrößern, und da
die Zufuhren von Indien nach wie vor klein blieben, stiegen die
Preise nicht mehr allmählich, sondern sprungweise um 10 — 12 o/o,
so daß sie eine noch nie dagewesene Höhe erreichten. Diese extremen
Preise wurden bezahlt, weil man weiter wie bisher mit einem
flotten 'Absatz von Leder rechnete, und außerdem noch der Herbst
vor der Türe stand, der stets bei einigermaßen günstiger Witte-
rung 'einen höheren • Lederbedarf bringt. Da sich jedoch wegfen
des trockenen Wetters die Erwartungen bezüglich eines guten
Herbstgeschäf'tes nicht erfüllten, und der Absatz in fertiger Ware
sich sehr schwierig gestaltete, zeigten die Fabrikanten keine
Keigung mehr, die übertrieben hohen Häutepreise weiter zu be-
willigen, ijahmen vielmehr eine abwartende Haltung ein, die sich
naturgemäß auch auf die Händler übertrug. Durch diese allge-
meine Zurückhaltung haben die hohen Kipspreise nachgegeben,
und der Markt zeigte am Schlüsse des Jahres eine weichende
Tendenz.
• Chinahäute sind in der Hauptsaison von Januar bis Mai
in großen Massen importiert worden, und auch für diesen Artikel
waren die Preise höher als in früheren Jaliren. Amerika und die
südeuropäischen Länder waren die Hauptk^uf er, während Deutsch-
land Zurückhaltung übte. Die Preise stellten sich Mitte des Jahres
^egen Jahresbeginn ca. 12 — 15 ^^/u höher, sind aber Ende des Jahres
wieder auf den ursprünglichen Stand zurückgegangen, so daß
der Artikel bei der jetzt beginnenden Saison wieder eine normale
Basis zweigt. Infolge der ziemlich starken Hausse im Laufe des
Jahres für Kipse und Chinahäute sind ausnalimsweise viele afri-
kanische Häute auf den Markt gekommen, für welche bisher nie
Interesse bestand. Deutschland ist förmlich mit diesen afrika-
nischen Häuten überschwemmt worden, doch dürften sie für die
Folge wieder mehr in den Hintergrund treten, weil der Ausfall
dieser Häute infolge ihrer durch das heiße Klima hervortretenden
Schäden sehr ungünstig war.
Gesalzene Eoßhäute waren 1912 das Stiefkind der Branche
und blieben es bis Mitte Februar dieses Jahres. In dieser Zeit
hatte die Nachfrage nach fertigem Eoßleder begonnen, und die
Roßhäutepreise gingen herauf. Bis Mitte August stiegen sie nach
und nach und waren um diese Zeit ca. 15 % höher als im Februar.
Im August war die Nachfrage nach Hoßleder größer geworden,
die Fabrikanten hatten größere Quantitäten AVare auf Lieferung
476 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
verkauft, und das Material in rohen Häuten wurde knapp. Es
setzte eine starke Nachfrage nach Eoßhäuten ein, und die Preise
stiegen innerhalb zwei bis drei Monaten bei regulärer Ware um
weitere 12 bis 15 o/o ; bei unregulären Häuten war die Preis-
steigerung noch wesentlich größer. Im Kovember .war genügend
Ware deutscher Produktion vorhanden, denn die Schlachtungen
in diesem Artikel beginnen im Herbst, wenn der Landmann wegen
mangelnder Beschäftigung den Ueberschuß an Pferdematerial
verkauft. Die Preise erfuhren eine Rückwärtsbewegung und
büßten alles ein, was sie seit August profitiert hatten. Der
Handel hat in den ersten zehn Monaten ang-emessenen Nutzen
gehabt und, trotz des in den letzten Monaten erlititenen erheb-
lichen Schadens, dennoch im Durchschnitt ein nicht unbefrie-
digendes Eesultat erzielt. — Gesalzene Roßhälse wurden in den
ersten fünf bis sechs Monaten dieses Jahres nach Amerika expor^
tiert, und das Geschäft hatte einen ganz normalen Verlauf. Als
jedoch die Preise für Eoßhäute eine weitere Steigerung erfuhren,
hörte der Handel in Hälsen auf. Die europäischen Fabrikanten
kauften die Roßhäute im ganzen. — Für gesalzene Roßschilder
hatten sich die Preise in den ersten zehn Monaten des Jahres
den Roßhäutepreisen ziemlich angepaßt; sie stiegen allmählich
bis August um ca. 10 % und von August bis November um weitere
10 o/o. Die Rückwärtsbewegung der Roßhäutepreise in den
letzten Wochen machte dieser Artikel nicht mit. Schilder bleiben
teuer. Der Grund hierfür liegt darin, daß Amerika jetzt einen
großen Teil der Roßschilder, die dort geschnitten werden, selbst
verwendet. Eerner arbeiten jetzt mehrere deutsche Fabrikanten
den oberen Teil des Schildes für chromgegerbtes, schwarzes Ober-
leder und erzielen für den Spalt hohe Preise, und last not least
kann Rußland die Schilder gut bezahlen, weil dort Spiegelware
zu hohen Preisen sehr gefragt bleibt. Der Handel war für die
Beteiligten befriedigend.
Lammfelle. Lammfelle waren zu Beginn des Jahres sowohl an allen
Stapelplätzen, wie auf allen Lägern fast gänzlich geräumt. Die
-svenigen noch vorhandenen Bestände wurden selbst zu etwas
höheren Preisen gern von den Fabrikanten aufgenommen. Die
deutsche Handschuhindustrie war gut beschäftigt, und ebenso
hatten auch die Fabrikanten, welche Glaceleder nach den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika exportierten, flott zu tun.
Auf Grund dieser Tatsachen war ein Anziehen der Lammfellpreise
unausbleiblich, um so mehr, als von allen Seiten, besonders von den
durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Balkanstaaten,
die Ernte als eine kleine geschildert wurde. Die neuen Kontrakte
wurden denn auch zu ungefähr 20 o/o höheren Preisen geschlossen,
und alv^ die ersten frischen Felle an den Markt kamen, waren sie
bald vergriffen; Händler sowohl wie Fabrikanten traten als
Käufer auf. Demgegenüber fehlte es aber doch nicht an war-
145. Kolie Häute und Felle. 477
nenden Stimmen, die bereite für den Sommer und mehr noch für den
Herbst ein Abflauen des Geschäftsgangs voraussahen. Sie be-
gründeten ihre Ansicht damit, daß Amerika den größten Teil
der in Auftrag gegebenen Handschuhe und Glaceleder in den Zoll-
häusern lagern lasse, um die Waren erst nach der erfolgten Zoll-
herabsetzung zu beziehen. Mit diesen recht bedeutenden Quanti-
täten sollte dann der amerikanische Bedarf für lange Zeit gedeckt
sein, und eine ruhigere Stimmimg wäre die Folge. Diese derzeitig
geäußerte Vermutung ist zur Tatsache geworden. Die Preise für
llohware sind zwar nur um weniges zurückgegangen, und auch
für die nächste Zukunft ist keine erhebliche Reduktion zu er-
warten; dies hat aber seinen Grund lediglich darin, daß in wirk-
lich guten Fellen in der Tat keine großen Bestände existieren.
Von wesentlichem Vorteil für die Fabrikation waren die guten
AVollpreise, die während des ganzen Jahres angehalten haben und
besonders bei schwereren Sorten den Verkauf erleichterten. Hier-
her gehören Spanier, deren Qualität nur leider sehr viel zu
wünschen übrig ließ. Leichte spanische Felle waren, soweit deren
Preis nicht ganz außerhalb des Rahmens jeder Kalkulation stand,
gut verkäuflich. Französische Felle wurden zum größten Teil von
der französischen Industrie aufgenommen. Einen teilweisen Ersatz
hierfür boten Algier-Sorten, deren Preise immerhin noch erschwing-
lich waren. Italienische Felle ließen auch den sonst gewohnten
guten Ausfall vermissen, fanden aber trotzdem guten Absatz.
Ebenso entsprachen auch orientalische Felle nicht den nach ihrem
Aussehen in rohem Zustande auf sie gesetzten Erwartungen. Ka-
saner und AViatka kamen in erststichiger Ware nur in stark be-
schränktem Maße für die deutsche Glaoelederfabrikation in Be-,
tracht, weil die bekannten englischen und ebenso auch russische
Fabrikanten dafür Preise anlegten, welche den deutschen Fabri-
kanten keine Rechnung ließen und auch von amerikanischen
Fabrikanten energisch abgelehnt wurden. Zweitstichige Ware ist
ebenfalls zum großen Teil von russischen Fabrikanten aufge-
nommen worden. Im allgemeinen war das Berichtsjahr für den
deutschen Lammfellhandel nicht besonders günstig, zumal der-
selbe ja auch, wie alle anderen Geschäftszweige, unter der all-
gemeinen wirtschaftlichen Depression zu leiden hatte.
Schmaschen waren während des ganzen Jahres außerordent- schmascheD
lieh gefragt; die Preise sind infolgedessen für alle europäischen
und La Plata-Sorten um ungefähr 20 bis 25 % gestiegen. Gegen
Schluß des Jahres erklärte eine Vereinigung von Handschuhs
fabrikanten, den Schmasehenhandschuh nicht mehr fabrizieren zu
können, wenn der Preis des Rohproduktes den vorjährigen über-
steigt. Diese Stellungnahme kann indes nur noch für das nächste
Jahr von Einfluß sein; der deutsche Handel könnte es nur be-
grüßen, wenn einer Treiberei, wie sie in diesem Jahre in die Er-
scheinung trat, energisch Einhalt geboten würde, denn, wie fast
478 IX. Kohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
Schaffelle.
Ziegen feile.
Zickelfelle.
[a«!en-, Kanin-,
Reh- und
Hirschfelle.
imniei' zuvor, hatten nur die Eigner an den Ursprungsplätzen einen
Vorteil von dieser Preistreiberei.
Schaffelle hatten ein ziemlich reguläres Geschäft. — Die
Gerber fanden für Wolle und Leder guten Absatz, konnten mit
Interesse arbeiten und einer allmählichen Preissteigerung der
rohen Pelle ohne Nachteil folgen. Am Jaliresschluß ist eine rück-
gängige Tendenz eingetreten, welche dem Handel merkliche Ver-
luste brachte. Trotzdem kann das Gesq^mtresultat als befriedigend
bezeichnet werden.
Deutsche Ziegenfelle haben dem Handel in diesem Jahre kein
günstiges Resultat gebracht. Dieser Artikel hat durch die Ein-
fuhr von asiatischen Ziegensorten, welche zwar in der Qualität
wesentlich geringer, aber auch entsprechend billiger sind, an
Verwendungsmöglichkeit, insbesondere für Heberlinge, immer
melu' verloren ; die Schuhfabrikation kauft für den großen Konsum
nur billiges Material, und der Bedarf in besserem Fabrikat kann
das Quantum besseren Rohmaterials nicht aufnehmen. — Mutter-
ziegen werden für Möbelzwecke jetzt weniger gebraucht, und Eng-
land ist auch nur schwach im Markt, so daß der Artikel sehr
unsichere Verwendung findet. Die neue Saison bringt weiter
schlechte Aussichten, zumal die Sammler wieder ganz unsinnige
Preise zahlen und dadurch die Ware grundlos verteuern. —
Russische Ziegenfelle brachten für Petropawler, Turkestaner und
Bucharen ca. 10 % höhere Preise als das Vorjahr und wurden
bis auf Kleinigkeiten hauptsächlich nach Amerika geräumt.
Werchuraler erzielten 1,20—1,25 Ro., Mittel ca. 70—75 Kop.
per Stück. Die Forderungen für die neue Ernte sind abermals
ca. 10 ^/o höher. Kasaner Heberlinge wurden in diesem Jahre^
im Gegensatz zu früher, hauptsächlich von deutschen Händlern
zu Ungefähr vorjährigen Preisen aufgenommen, während die süd-
deutschen Fabrikanten bedeutend billiger kaufen wollten und,
da ihnen dies nicht gelang, nur den notwendigsten Bedarf deckten.
Zickelfelle haben im Jahresverlauf verschiedene Schwankun-
gen durchgemacht. Die Frühjahrssaison begann in matter
Tendenz, befestigte sich aber im weiteren Verlaufe bei allmäh-
lich steigenden Preisen. Die Erwartungen, welche an die Zoll-
ermäßigung für Zickelhandschühe bei der Einfuhr nach Nord-
amerika geknüpft wurden, haben sich nicht erfüllt, im Gegen-
teil hat sich die Stimmung eher verflaut, und es lassen sich am
Jahresschluß für die restlichen Bestände die Preise der Haupt-
saison nicht erzielen. Das Gesamtgeschäft brachte im Durch-
schnitt keine befriedigenden Resultate.
Hasenfelle sind im schroffsten Gegensatz zum Vorjahre seit
Jahresbeginn in andauernd rückgängiger Tendenz gewesen, die
sich allmählich derart verschärfte, daß der Artikel momentan
ohne sichere Preisbasis ist. Als Ziffern stehen den vorjährigen
Höchstpreisen von 160 bis 170 Mk. per hundert Stück die dies-
146. Lederhandel. 479
jährigen Preisschätzungen von 70 bis 80 Mk. gegenüber,
wennschon letztere noch gar nicht gesichert sind. Die Ursache
dieses Preissturzes ist einerseits der veränderten Hutmode und
andererseits dem kartellierten Zusanunengehen der Haarschneide-
reien und Hiitfabrikanten zuztischreiben. Der Handel ist an
einzelnen Stellen mit starken Verlusten beteiligt^ die sich so
leicht nicht wieder werden einbringen lassen. — Kaninfelle
hatten unter gleicher Tendenz wie Hasenfelle zu leiden, wenn-
schon sich dieselbe in Uüctsicht auf die mehrseitige Verwendungs-
möglichkeit und den Ausschluß von zwingenden Kartellierungen
im Verkauf in ihrer Wirkung weniger scharf bemerkbar machte ;
immerhin sind Preisreduktionen von 20 — 40 ^lo^ je nach der Ab-
weichung, in den Sorten vorhanden.
E,ehfelle setzten in lustloser Tendenz ein, so daß die Preise
allmählich abbröckelten ; das Geschäft war schleppend und durch-
weg verlustbringend.
Hirschfelle konnten sich auf Nachfrage für den Export im
Jahresverlauf etwas im Preise erholen und waren am Jahresschluß
bei um 10 — 15 Prozent erhöhten Preisen gut verkäuflich.
146. LederKandel.
Auf das ereignisreiche Jahr 1912 folgte ein nicht minder Allgemeines.
bewegtes 'Geschäft im Berichtsjahre, denn wenn schon im ver-
gangenen Jahre die Haussebtewegung teilweise feinen recht leb-
haften Charakter annahm, so setzte sich dieselbe in diesem Jahre
in einem fast stürmisch zu Tiennenden Tempo fort. Zwar ging
dieselbe zunächst in der Hauptsache von der fortdauernd stei-
genden Tendenz des Häutemarktes aus, aber auch der im Anfang
dieses Jahres außerordentlich stark auftretende Bedarf trug
wesentlich zur steigenden PreisbeweguJig bei. Allerdings' schwächte
sich die Nachfrage im Frühsommer etwas ab, setzte aber später
wieder recht lebhaft ein, und 'da noch andere Momente, wie
z. B. der durch die Heeresvermehrungen erhöhte Bedarf an Leder
stimulierend einwirkten, brachten die M'onate Juli bis Oktober
weitere Preissteigerungen, so daß die Notierungen schließlich
eine liisher nicht geahnte Höhe erreichten. Erst in den letzten
Herbstmonaten kam die Bewegung zum Stillstand. Die Ver-
einigten Staaten von Nordamerika, die unter der Unsicherheit
der dortigen Verhaltnisse litten, wozu zunächst die Befürchtung
beitrug, daß der veränderte Zolltarif, \velcher für Schühleder
ujid Schuhwaren vollständige Zollf'reiheit schuf, das amerikanische
Geschäft ungünstig beeinflussen könnte, zogen sich plötzlich vom
Häutemarkt vollständig zurück und kauften 'nur noch einige
Spezialartikel. Da die europiäischen Fabrikanten diesem Vorgehen
folgten, begann das iGeschäft zu stocken, und es sammelten
sich an den europäischen Hafenplätzen ziemlich starke Bestände
an, als deren Folge der iMarkt ins "Wanken geriet. Zunächst
480 IX. Eohstoffe u. Fabrikate dei- Lederindustrie u. Pelzwerk.
dürften die Abschwächimgen auf dem Häutemarkt im großen
und ganzen 10 — 15 o/o gegen die höchsten Notierungen des Jahres
betragen. Es ist aber zu hoffen, daß die Rückwärtsbewogung
keine weiteren Fortschritte machen werde ; immerhin ist das Ver-
trauen zu der Situation vorläufig noch nicht wieder zurückge-
kehrt. Unter diesen Umständen hatte naturgemäß auch das Leder-
geschäft um so stärker zu leiden, alö der Bedarf infolge der
trockenen "Witterung im Herbst in dieser Zeit ein verringerter
war; die Xachfrage schwäehte sich wesentlich ab, so daß das
Geschäft ani Jahresschluß als recht leblos bezeichnet werden
muß. Im allgemeinen dürften die Jahresumsätze trotz dieses
ungünstigen Ausgangs recht befriedigend und in den weitaus
meisten Pällen höher als im .Vorjahre gewesen sein. Der Nutzen
hingegen wird infolge der fast während des ganzen Jahres be-
standenen hohen Preise prozentual kleiner gewesen äein, so daß'
das Berichtsjahr kaum mehr als ein mittelmäßiges bezeichnet
werden kann. Im einzelnen ist zu berichten : Zahmsohlleder waren
im Laufe des vorigen Jahres in recht lebhafter Frage. Allerdings
hat dieser Artikel nicht mehr die früliere Bedeutung, da sich im
allgemeinen der Geschmack des Publikums immer mehr für leich-
teres Sohlenmaterial entscheidet. Immerhin sind im Sommer ver-
hältnismäßig noch ansehnliche Quantitäten verkauft worden, wfäh-
rend allerdings die Hauptsaison für diesen Artikel, nämlich der
Herbst, vollkommen ergebnislos verlief, so daß die Preise, welche
im Laufe des Jahres stark angezogen hatten, augenblicklich bei-
nahe wieder auf den Stand am Schlüsse des Vorjahres zurück-
gegangen sind. Norddeutsche Wildsohlleder, die im Jahre 1912
ebenfalls von der steigenden Bewegung stark profitiert hatten
und in ziemlich bedeutenden Quantitäten gehandelt wurden, hat-
ten in diesem Jahre ein gequältes Geschäft. Die Preise für diesen
Artikel .waren derart in die Höhe gegangeji, daß sich immer
weitere Kreise von ihm abwandten, und da auch der Herböt,
die günstigste Zeit für den Verbrauch des Artikels, alle nach'
dieser Kichtung hin gehegten Hoffnimgen enttäuschte, so werden
die Fabrikanten gezwimgen sein, mit nicht unbeträchtlichen un-
verkauften Quantitäten in das neue Jahr hinüberzugehen. Die
Preislage für diesen Artikel ist nominell. Im allgemeinen werden
höhere Preise als am Ende des vorigen Jahres gefordert, in-
dessen wird zweifellos auf diese, w^ahrscheinlich auch noch etwas
niedrigere, heruntergegangen werden müssen. In norddeutschen
Wil'dbrandsohlledern ist die Prodiiktion weiter zurückgegangen.
In der Hauptsache beschäftigt sich mit der Herstellung dieser
Gattung nur noch eine norddeutsche Fabrik, welche einen sehr
schlanken Absatz an die Schuhfabriken fand. Hier dürfen die
Preise etwa 10 O/'o höher als am Jahresende 1912 gewesen sfein.
In AVildvaches dagegen hat sich das Geschäft von Jahr zu Jahr
günstiger entwickelt. Diese Sorten sind an Stelle von nord-
146. Lederhandel. 481
deutschen "Wildbraiudsohlledern gietreten und werden von der
Schuhfatrikation, die ja lieute der weitaus bedeutendste Faktor*
des Leder Verbrauchs ist, in sehr großen Quantitäten verarbeitet.
Die Lederfabrikation hat es verstanden, die Ansprüche des Be-
darf's zii befriedigen, und der Verbrauch hat sich sehr beträcht-
lich gesteigert. In Zahmvaches hat sich die Situation nicht ge-
bessert. Der Artikel wird von Jalir zu Jahr unbedeutender und
verdient kaiun noch eine Berichterstattung ; im allgemeinen wickelt
sich der Verkehr in ihm zwischen Produzenten und Konsumenten
mit Umgehung des Zwischenhandels ab. Das Greschäft in Zahm-
und "Wildvache-Croupons, namentlich aber in letzteren, gewinnt
von Jahr zu Jahr an Ausdehnung. Die Fabrikation dieser Artikel
hat in den letzten Jahren einen solchen Umfang erreicht, daß sie
zweifellos bei weitem dje bedeutendste der Unterlederfabrikation
ist. Der Konsum hat sich diesen Artikeln fast vollständig zu-
gewandt, so daß sie den Markt geradezu beherrschen. Die Preise
für Croupons sind jetzt immerhin noch 5 bis 10 o/o höher al)s
am Ende des vorigen Jahres. Nicht unerwähnt darf bleiben,
daß von dem Berliner Großhandel sehr bedeutende Quantitäten
österreichischer Zahmvache-Croupons, die von dem Kartell der
österreichischen Sohllederfabrikation zu Exportpreisen hierher
verkauft wurden, aufgenommen worden sind. Tatsächlich waren
diese Exportpreise nicht unerheblich niedriger als die Notie-
rungen der deutschen Fabrikanten, sq daß der Berliner Grroß-
handel in diesen Artikeln ein sehr bedeutendes und wohl auch'
lohnendes Gesch^äft erzielt hat. Vacheabfälle waren während des
ganzen Jahres stark begehrt, und es konnte der Nachfrage fast
niemals vollständig genügt werden. Starke Vachehälse und Vache-
seiten wurden vielfach als Sohlenmaterial an Stelle von nord-
deutschen Sohlledern verarbeitet; leichte sind zum Zwecke von
Brandsohlen, besonders aber auch von der Filzschuh- und Ball-
schuhfabrikation in sehr großen Mengen konsumiert worden.
Während aber in den letzten Monaten starke Sorten vernach-
lässigt waren, hielt die rege Nachfrage nach leichten fortdauernd
an; ihre Preise konnten anziehen und stellten sich zuletzt noch
um 10 o/o höher als Ende 1912. Braune und schwarze Stiefel-
kipse hatten während des ganzen Jahres bei fortlaufend steigen-
den Preisen ein flottes Geschäft zu verzeichnen. Schon am Anfang
des Jahres waren die Preise 5 o/o und am Jahresschlüsse 20 o/o
höher als im. Dezember 1912. Pantinenkipse erfreuten sich eben-
falls eines guten G-eschäftsganges, auch für diesen Artikel be-
wegten sich die Preise in aufsteigender Bichtung und weisen am
Schlüsse des Jahres eine Erhöhung von 15 o/o auf. Fahlleder
standen während des ganzen Jahres in guter Nachfrage; die
Preise waren steigend,, und am Jahresschlüsse 20 bis 25 o/o höher
als am Jahresbeginn. Kipsbrandsohlleder waren während des
ganzen Jahres knapp, lund die Nachfrage konnte nicht immer
Berl. Jahrb. f Handel u. Ind. 1913. II. 31
482 IX. Rohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
voll 'befriedigi; werden. Die Notienmg^eii sind ^genwäriig 15 bis
20 o/o töher als zur gleichen Zeit des Vorjahres.
Leder- Das Lederkommissionsgeschäft konnte mit dem Ergebnis der
*^°^schäft."^ ersten neim Monate recht zufrieden sein. Die Preise für Oar-
leder "waren im Verhältnis zu den exorbitanten Preisen der Roh-
waren nicht übe^rmäßig hoch, und es herrschte die Ansicht vor,
daß besonders im Herbst die Fabrikanten zum Ausgleich dieses
Mißverhältnisses :wesentliche Preiserhöhungen würden eintreten
lassen; infolgedessen fanden lebhafte Meinungskäufe statt. Wider
Erwarten trat aber im Herbst ein vollständiger Umschwung ein.
Die rohen Häute fingen plötzlich an, bedeutend im Preise zu
sinken, und sofort verschwand das bisherige Vertrauen, ja man
rechnete mit Bestimmtheit auf einen Preissturz auch für Leder.
Niemand trat als Käufer auf, sondern jeJer suchte nach Mög-
lichkeit seine Lagerbestände zu verkleinern. Hierzu gesellte sich
noch die ungünstige trockene AVitterung, die einen richtigen
Herbstbedarf nicht aufkommen ließ. Der mit s-olcher Sicherheit
erwartete Preissturz trat aber nicht ein. Die Rohhautpreise sind
immer noch ^v^iel zu hoch, als daß Leder ohne Schaden billiger
als zu letzt erzielten Preisen verkauft werden kann, und da die Ein-
arbeitungen bei den Fabrikanten ganz wesentlich eingeschränkt
worden sind, konnten für regulär ausfallende Sortimente im all-
gemeinen die bj.sheiigen Preise voll durchgesetzt werden. Der
lange zurückgehaltene Bedarf muß sich auch sehr bald wieder
fühlbar machen, so daß man in Kürze auf ein gesundes Greschäft
wird rechnen können. Der Umsatz in feiuen Oberledern war.
während der ersten acht Monate ■befriedigend gewachsen, litt
aber später unter verminderter Kauilust und geschwächter Kauf-
kraft. Es ist und bleibt die bedauerlichste Erscheinung dieser
Branche, daß die großen Risiken und daß von der Kundschafti
geforderte überlange Ziel in kein rechtes Verhältnis zum Umsatz
und Nutzen zu bringen sind. Eine wesentliche Erscheinung im
Berichtsjahre war es, daß die Preise für die wichtigsten Sorten
immer weiter nach oben tendierten, und der Versuch der Kund-
schaft, sich mit geringeren Qualitäten zu behelfen, auch keine
Besserung herbeiführen konnte, denn gerade die billigen Pro-
venienzen und Sortimente zogen im Preise am meisten an. Und
wenn auch am Ende des Jahres neue Mehrforderungen nicht er-
folgten, so blieb doch die Stimmung durchweg sehr fest. In
feinen Oberledern liegt wenig verkäufliche Ware auf dem Markte,
und die Schuhfabrikanten, die in den letzten Monaten des Jahres
nur das Allernötigste kauften, müssen neue Ware hereinnehmen.
Wenn irgend ein Artikel im Preise nachgeben wird, kann es nur
Rindbox sein, das zwar im ersten Halbjahr einen noch um etwa
10 t)/o höheren Preisstand zeigte, am Jahresschlüsse aber stark an-
geboten bleibt. Das erzielte Mehr von ca. 5 o/o werden dagegjen,
alle Sorten Boxcalf festhalten, in schwarz und farbig, sowohl die
146. Lederhandel. ' 483
guten Qualitäten als auch die sogenannt-en Boxf'resser usw., die
in immer vollkommenerer Bearbeitung hergestellt werden.
Schwarzes Boxcalf war sehr stark verlangt und dominiert jiioch
immer über alle Arten feiner Oberleder. In farbigen Kalbledern
waren es vorzüglich helle Nuancen in glatter Ware, die in an-
sehnlichen Quantitäten, .der amerikanischen Mode folgend, kon-
sumiert wurden. In Chevreau:x, sowohl in schwarzer als in far-
biger — hauptsächlich brauner — Ware, wurden in allen Preis-
lagen Wesentlich größere Quantitäten als jemals zuvor verkauft,
und sie erzielten teilweise etwas höhere Preise. In den bessern
Sorten für Maßarbeit hat Amerika immer noch die Oberhand.
Wichsleder und ähnliche Artikel alter Grerbung begegnen nur
noch vereinzeltem Interesse und erzielen Liebhaberpreise. Kalb-
lack konnte bei sehr verminderter Nachfrage keine höheren Preise
durchsetzen, ebensowenig Roß-, Fohlen- und Boxlackleder, da-
gegen gingen die viel gekauften, > meist amerikanischen
Chevreauxlackleder ein wenig im Preise in die Höhe. Beherrscht
wird der Lackmarkt von Chpomrindlackleder, das 15 bis 20 o/o
höher als 1912 bezahlt wurde. Eoßbox- und Hoßchevreaux stark
gefragt, erzielten willig 5 bis lOo/o mehr als 1912. Eoß-Schuh-
leder hat kaum mehr eine Bedeutung. Sehafleder für Putter-
2wecke behauptete seine Preise. Butterfarbige Leder blieben rar
und wurden sehr teuer bezahlt. Als Imitation schwarzer und
farbiger Chevreau:x erzielten Moutons gute Preise und waren
in Velours-Bearbeitung zu wesentlich besseren Preisen sehr 'ge-
sucht. Auch weiße Moutons für Ballsachen gingen stark, wogegen
chagrinierte und glatte Ziegen für die Pantoffelindustrie ziem-
lich ruhig lagen.
Im Lederdetailgeschäft hat sich die im Vorjahre bereits ge-
schilderte Situation noch mehr verschärft. Die beispiellosen Preis-
erhöhungen konnten ;bei den Konsumenten nicht in voller Hohe
durchgesetzt werden, da sie auch ihrerseits nicht in der Lage
waren, eine allgemeine oder ausreichende Preiserhöhung zu er-
zielen. Die Schuhmachergesellen haben verstanden, höhere Ar-
beitslöhne 'durchzudrücken, sie verdienen heute annähernd das
Doppelte als vor 20 Jahren. Der kleine selbständige Schuhmacher
aber liefert seine Arbeiten noch zu denselben Preisen wie ^vor
30 Jahren. Hierunter leidet naturgemäß die Bonität der Kon-
sumenten, und dieser Umstand bildet einen wesentlichen Fak-
tor für die geringe Itentabilität des Detailhandels. Um hier-
für sowie für den zweifellos verringerten Umsatz einen Aus-
gleich zu schaffen, werden Anstrengungen gemiacht, die dem ein-
zelnen deinen Nutzen, der Gresamtheit aber großen Schaden brin-
gen, ^och niemals hatten Schleuderer in dieser Branche dau-
ernden Erfolg aufzuweisen, während solide Firmen sich stets
behaupten konnten. Wälirend der ersten drei Quartale war der
Bedarf, wenn auch etwas geringer, so doch gleichmäßig und
31'
484 IX. Kohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
Buchbinder-
und Porte-
feuilleleder.
Schafleder.
ausreichend. Im letzten Quartal jodoch, das gerade für den Kon-
sum am günstigsten liegt, blieb der Bedarf wesentlich geg^en
1912 zurück. Selbst die in der letzten Hälfte des Jahres ein-
getretenen ^Niederschläge vermoehten das Greschäft nicht zu be-
leben, genügender Beweis, daß die allgemeine Wirtschaftslage
selbst bei den allernotwendigsten Grebrauchsigegenständen recht
fühlbar zum Ausdruck gekommen ist. Der Bedarf in den ein-
zelnen Artikeln war nicht einheitlich; er schwankte je nach An-
gebot xmd Preislage zwischen deutschen und Wildvache-Croupons.
Die Konsumenten waren durch die hohen Preise mehr als je ge-
zwungen, das Preis würdigste herauszusuchen. Ganz vernachlässigt
waren während des ganzen Jahres starke Sohlleder-Croupions, wäh-
rend leichte und mittelstarke Croupons aller Ledergattungen in
den billigen Ziffern gesucht blieben, obwohl diese billigen Sor-
ten weit über ihren Wert bezahlt werden mußten. Auch im
Sohlen-Ausschnitt wurden vorzugsweise leichte Sohlen gesucht,,
während die starken sich unliebsam anhäuften. Diese Tatsache
bildete sich nachgerade zu einer Kalamität heraus, da selbst die
leichtesten 'Leder imtner noch mehr starke Sohlen ergeben, ais-
gebraucht werden, und die leichten Leder sich wesentlich un-
günstiger kalkulieren als die starken. Der Bedarf an Oberleder-
Ausschnitten und Maßschäften ist weiter zurückgegangen, da
der kleine Schuhmacher infolge der hohen Arbeitslöhne und teueren
Materialpreise bei der Anfertigung von Stiefeln nach Maß nicht
mehr seme Rechnung findet. Der Verbrauch von Gummiflecken
hat eine weitere Steigerung erfahren.
Pur den Buchbinder- und Portefeuilleleder-Handel kann das
Berichtsjahr im großen und ganzen als befriedigend bezeichnet wer-
den ; die Umsätze hielten sich im allgemeinen auf der Höhe ides
Vorjahres, obgleich an einigen Stellen vorübergehend das Ge-
schäft ziemlich ruhig war. Wie gewöhnlich lag der Schwerpunkt
des Geschäftes in den Herbstmonaten. In den Preisen für sämt-
liche Sorten machte sich während des ganzen Jahres eine stän-
dige Aufwärtsbewegung bemerkbar. Die Preise am Ende des
Jahres im Vergleich zum Anfange sind gestiegen bei Juchten
lOo/o, Seehund 5— lOo/o, Kalbleder 10— 15o/o, Rindleder 10— 15o/o,,
ostind. Ziegen 10 — 20o/o, ostind. Schafleder lOo/o, besseren M'ou-
tons 5 — 10 o/o, austral. .Schaf leder 10 — 20 o/o, gespaltenem Schaf -
leder 5 — lOo/o. Die ,in den letzten Monaten auf den Auktionen
notierten teils geringen, .teils bedeutenden Preisabschläge auf Kalb-
felle und Hindhäute werden zu einer Ermäßigung der Preise
für die farbigen Leder einstweilen nicht führen können, da von
den Lederfabrikanten dem Hohwarenmarkt entsprechende Preise
für ihre Fabrikate weder vorher noch jetzt erzielt wurden. Als
Neuheiten wurden wie in den Vorjahren einfarbige Leder verlangt.
Im ersten Halbjahr nahm der Handel in Schaf leder einen
normalen Verlauf, während die zweite Hälfte des Jahres von
147. Lederfabrikation.
485
Mctoat zu Monat kleine Preiserhöhungen brachte. Diese Preisstei-
gerungen waren aber luicht die Folge größerer Nachfra^ge seitens
des Kodisujns, sondern fanden ihren Grund darin, daß das deutsche
Eohmaterial knapp und .teuer wurde, und auch ausländische Ware
nicht günstig zu beschaffen war. Aus diesem Grunde dürften
^lle Interessenten dieser .Ledergattung Ursache hab'cn, mit dem
Nutzen des Jahres unzuirieden zu sein. Was von für Putter-
zwecke und auch .für Oberteile passenden Fellen an den Markt
gebracht wurde, ist Reitens des Handels und der Färbereien schlank
aufgenommen worden, so iaß keine nennenswerten Bestände ins
neue Jahr hintibergenommen :Werden brauchen.
147. Leder fabrikation.
Das Geschäft in Glaceleder war in den ersten Monaten des
Jahres gut. Die deutschen Handschuhfabriken hatten große
Aufträge und nahmen deshalb bedeutende Quantitäten von den
ihnen angebotenen Glaceledern auf, um so mehr, als sie sich
darüber klar waren, daß die Felle der frischen Ernte eine erheb-
liche Preissteigerung bringen würden. Aus demselben Grunde
waren auch amerikanische Handschuhfabriken und Lederimpor-
teure stark im Markt; die von diesen in Auftrag gegebenen
Waren sollten nicht nur augenblicklichem, sondern audh' späterem
Bedarf dienen und wurden deshalb zum großen Teil in den
amerikanischen Zollhäusern eingelagert, um denselben na<^h er-
folgter Zollherabsetzung entnommen zu werden. Im' zweiten
Halbjahr, als Felle frischer Ernte an den Markt kamen, sta-
gnierte das Geschäft zunächst etwas, da sich alle interessierten
Kreise weigerten, die durch die höheren Fellpreise bedingten,
iMehrforderungen zu bewilligen; erst in den letzten Monaten
konnte sich das Geschäft infolge allseitig gemachter Kon-
'zessionen wieder etwas beleben und man hofft, daß es sich
auf dieser Basis weiter gut entwickeln wird. Von den deutschen
Handschuhfabrikanten wurden leichte Felle, besonders solöhe,
die sich für Damenstepphandschuhe eignen, bevorzugt, außer-
dem waren auch für Suede geeignete Felle gesucht, da der
stumpfe Handschuh noch imlner die Mode beherrscht. Für
Amerika kamen wie imlner hauptsächlich schwere Felle in
Betiacht. Schmaschen und sch'maschenähnlich'e Leder waren
wählend des ganzen Jahres gut gefragt.
Im Berichtsjahre war die Roßleder fabrikation vollauf be-
schäftigt und fand auch für ihre Produktion guten Absatz.
Lebhaft gefragt waren Schuhleder, Spalte, Roßklauen sowie
alle Arten Abfälle, während Spiegel, wie seit Jahren, vernach-
lässigt war. Die Rohware zeigte anhaltend steigende Preis-
tendenz, der sich die Preise der Fabrikate aber durchweg an-
486 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
zupassen vermochten. Lediglich die plötzliche Treiberei, welche
im Monat September einsetzte und für rohe Roßhäute nie vor-
her dagewesene Preise zeitigte, führte dazu, daß sie auch bei
der Fabrikation der üblichen Produkte nicht wieder herein-
zuholen waren. Erst die Dezember -Auktionen brachten wieder
einen Abschlag, der das Preisniveau zwar immer noch hoch
erscheinen läßt, doch' in Anbetracht der Knappheit aller Leder-
sorten als angemessen zu erachten sein dürfte.
7acheieder. Das Berichtsjahr zeigte für die Vachelederfabrikation ein
sehr wechselvolles Gepräge, häufig begleitet von schwierigen
Situationen. Während im Dezember 1912 auf dem Markt für
rohe Ware vorübergehend eine kleine Absch'wächung eintrat,,
zogen die Preise infolge guten Bedarfs sowohl für rohe Ware
als auch für fertiges Fabrikat bereits am Schluß des Vorjahres
und im Laufe des Monats Januar dieses Jahres wieder an, ja
es traten sogar erhebliche Preisaufschläge ein, die sich bei
sukzessiven weiteren Steigerungen bis Mitte des Jahres be-
haupten ließen. Von da ab erfolgten vorübergehend kleine Ab-
schwächungen, die aber sehr bald erneuten scharfen Preisr
erhöhungen wichen. Unter dem Eindruck dieser lebhaften Markt-
lage und in der Erwartung, daß die Beendigung des Balkan-
krieges einerseits und die Heeresrüstungen der europäischen
Staaten andererseits einen sehr erheblichen Bedarf in fertigem
Leder herbeiführen würden, trat eine sehr zuversichtliche Stim-
mung ein, die, von geringen Schwankungen abgesehen, zu einem
flotten Geschäft führten. Es gelang, die Preise für fertige
Fabrikate, speziell in der Fabrikation für Vachecroupons, all-
mählich so heraufzusetzen, daß Aussicht vorhanden war, auf
der nunmehr geschaffenen Wertbasis ein das ganze Jahr hin-
durch anhaltendes, nutzbringendes Geschäft für dieses Fabrikat
zu erzielen. Hierzu kam dann noch, daß Vacheabfälle dauernd
außerordentlich stark begehrt waren und zu verlangten hohen
Preisen regelmäßig und willig von dem in Frage kommenden
Konsum aufgenommen wurden. Leider haben sich die erhofften
Aussichten für ein andauerndesi flottes Geschäft nicht erfüllt,
denn der Bedarf resp. die Aufträge für Heeresrüstungen bliebenl
bis zum Jahresschlüsse hiater den umfangreichen Erwartuagen
zurück, auch hat sich der andauernd hohe Zinssatz bei geschäft-
lichen Transaktionen nachteilig bemerkbar gemacht. Es mußte
aber weiter bei den hohen Werten, die nunmehr allgemein in
Frage kamen, unbedingt bei Kreditgew älirung eine entsprechende
Vorsidit geübt werden und Berücksichtigung finden. Hierdurch
machtjo sich zunächst auf den deutschen Auktionen eine mattere
Stimmung bemerkbar, die denn auch in Preisabschlägen, die be-
reits im Oktober eintraten, zum Ausdruck kamen. Dieser Be-
wegung folgte auch der Markt für Wildhäute, und es konnten,
auf ihm nur einzelne Sorten ihren Preisstand behaupten. Im
(
147. Lederfabrikation. 487
Zusamnienhang hiermit folgte auf dem Markte für fertige Ware
eine bemerkenswerte ZurücMialtimg, die insbesondere zu einer
starken Vernachlässigung von Vacheeroupons führte. Die Käufer
hatten sich, während dör Markt noch lebhaft war, und in der
Voraussetzung, daß für den Herbst weitere Preiserhöhungen zu
erwarten wären, ihj?en Bedarf sehr frühzeitig eingedeckt. Der
Absatz hegann aber infolge der sehr milden und trockenen Herbst-
witterimg zu stocken, und das Geschäft kam fast vollständig
zum Stillstand. Eine ungünstige Wirkung mag aber auch neben-
her die allgemein schlechte Wirtschaftslage, verbunden mit dau-
ernd hohen Lebensmittelpreisen, ausgeübt haben, so daß hierdurch
der tatsächlich gegenwärtig sehr stille Geschjäftsgang seine Er-
klärung findet. Lediglidh Vacheabfälle sind noch nach wie vor,
besonders in leicliter W^are, Favoritartikel, aber auch dieste fangen
schon an; unter der sehr stillen Marktlage zu leiden, und das
Endergebnis dieses Jahres wird daher im ganzen als kein gün-
stiges bezeichnet w^erden können. Ueber den Export der Fabri-
kate kann nur wiederholt werden, was in früheren Jahren und
schon oft gesagt worden ist, daß nämlich Deutschland dem Aus-
lande gegenüber nicht mehr konkurrenzfähig ist, weil das letztere
seinen Bedarf an Gerbstoffen zollfrei decken kann, da die deutsüh'e
Lederindustrie unter dem Drucke der Gerbstoffzölle auf einen
Export ihrer Produkte verzichten, muß. Es kann daher nur immer
wieder darauf hingewiesen werden, daß es dringend notwendig
ist, diese für unsere Industrie schädlichen Gerbstoff zolle bei zu-
künftigen Handelsvertragsverh'andlungen radikal zu beseitigen,
zumal diese Zölle der inländischen Gerbsltoffproduktion keinen
Vorteil bringen. Das Verhältnis zwisichen ^Arbeitgebern und Ar-
beitnehinem war auch in diesem Jahre zufriedenstellend und bietet
zu be:SK:)nderen Bemerkungen keinen Anlaß. Syndikate und Kar-
telle existieren in dieser Branche nidht.
Die Fabrikation in Sattlerleder befand sidhi wähl-end des Be- sattierieder.
richtsjahres unter den laufend gestiegenen Eohhäutepreisen in
einer nicht zu verkennenden siohwierigen Lage. Um die Ein- und
Verkaufspreise in Einklang zu bringen, war esl geboten, mit ent-
sprechenden Preisaufschlägen an die Konsumenten heranzutreten;
dies gelang nur zum Teil, denn der rapiden Auf wärts beweg ung
auf dem Häutemarkte von Auktion zu Auktion konnten die Ver-
kaufspreise nicht folgen. Dasi Geschäft in schwarzen Geschirr-
ledeni und besseren Sattlerledem war zufriedenstellend. Durch'
den größeren Bedarf in Militärzeugledem für die Heeresver-
mehrungen seitens des In- und Auslandes war es der Fabrikation
möglich, diese Spezialartikel in lohnenden Mengen herzustellen.
Blanklederbäuche und Hälse sowie lohgare und lisfeierfce Spalte
waren begehrte Artikel und zeitweisie recht knapp. Mit Eintritt
der Herbstperiode machte sich ein Rückgang recht fühlbar, der
bis zum Jahresschlüsse anhielt.
488 IX. Rohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
148. Glacelederf abrikation und Verwandtes.
iD|8r Winter 1912/13 war wiederum teilweise zu mild, so
daß der Absatz in Winterh'andschulien d^-runter etwaä Htt. Erst
im Frühjahr gestaltete sich das' Gresdhäft in Lederhandschuhen
lebhafter. Insbesondere erhielten die nach Nordamerika und Eng-
land arbeitenden Handschuhfabrikanten stärkere Aufträge und
waren für die Vereinigten Staaten das ganze Jahlr hiadarch gut
beßchäfiigt. Es machte sich sogar ein Mangel an Arbeitskräften
in der Handschlihbranche bemerkbar, so daß ,die Großfabrikanten
gegen Ende des Jahres mit ihren Ablieferungen für Amerika im
Rückstande waren. — Die Auslandsaufträge führten zu lebhaften
Käufen in Glaceleder, und die Nachfrage hielt längere Zeit an,
zumal für die Eohfelle neuer Ernte von allen Seiten wesent-
lich' höhere Forderungen gestellt wurden. iDie Lederbestände aus
der 1912er Ernte räumten sich' daher allmählich, da inzwischen
auohl die für den eiaheimischen Markt arbeitenden Handschuh-
fabrikanben sowie das europäisiclie Ausland als Käufer auftraten.
Dagegen litt die Ausfuhr nach Nordamerika, da sidh die ameri-
kaniscJien Handschuh fabrikanten angesichts der durch den ange-
strebten neuen Zolltarif voraussichtlich veränderten Verhältnisse
zurückhaltend zeigten. — Diie Preise für Bohfelle neuer Ernte
verschoben sich um etwa 10 bisl 15 o/o nach oben, was bei manchen
Fellgattungen noch durch einen miaderen Qualitätsausfall ver-
schärft wurde. Diese Preisierhöhung wurde nur zum Teil durdhj
den besseren Erlös für die Gerberwollen wett gemacht. JDie
Gerber gingen daher vielfach zu Betriebseinschränkungen über,
die wäJirend des größten Teiles deä Jahres andauerten. Für das
Geschäft war dies insofern günstig,, als es hierdurch nirgends)
zu großen Lederansammlungen kam. Durch den Balkankrieg
wurde das Aufkömmnis in den betreffenden Fellgattungen quanti-
tativ verringert, audh kamen die Zufuhren erst im späteren Teile
des Jahres heran.
Die Lederpreise konnten den beträchtlich gestiegenen
Rohfellpreisen nur langsam folgen und die ganze Stei-
gerung nicht völlig erzielen. — Nachdem in Amerika im Oktober
die Zollentscheidung gefallen war, gingen die Amerikaner dazu
über, die alten Aufträge allmählich abzunehmen und neue Auf-
träge herüberzulegen, teilweise zu befriedigenden, teilweise zu
ungenügenden Preisen. Da den ermäßigten amerikanischen Zoll-
sätzen auf Lederhandschuhe eine Aenderung des Zollsatzes'
auf Handschuhleder von 20 % auf 10 o/o gegenübersteht und
gleichzeitig rohe Felle, die bisher einen Wollzoll drüben zahlten,
zollfrei eingeführt werden können, so sind die Verhältnisse im
großen ganzen für den deutschen Glacelederfabrikanten nicht viel
verändert. Es bleibt abzuwarten, wie die verschiedenen Faktoren
das Geschäft für die Zukunft drüben gestalten werden. — Eine
h
150. Treibriemenindustrie. 489
besondere Erleichterung fanden ZickellederliandscliiLhe, die bis-
her wesentlich höher als Lammhandschuhe verzollt wurden und
diesen jetzt gleichgestellt sind. Dieser Umstand hat auf Zickel-
felle und Zickelleder befestigend eingewirkt. — Von den ein-
zelnen Ledersorten fanden besonders mittlere und geringe Gat-
tungen laufend zu guten Preisen Abnehmer. Nappa behielt seine
Beliebtheit bei. Chairleder erzielte Absatz in gewöhnlichem Um-
fange. — In der Schuhbranche war diese Gattung vernachlässigt
für Außenteile, dagegen als Futter etwas stärker verlangt, auch
die Hutbranche nahm Chairleder für Autohüte auf. — Für Modia
zeigte sich ein gewisses Nachlassen der Nachfrage. — Schmaschen
waren gut gefragt und brachten hohe Preise. — Gerberwollen
zeigten während des ganzen Jahres mit wenig Unterbrechungen
eine steigende Tendenz, die Preise waren fest im Hinblick auf
die zollfreie Einfuhr von Wolle in den Vereinigten Staaten unter
dem neuen Tarif. — Leimleder war gut gefragt und erzielte feste
Preise.
149. Glacehandschuhfabrikation.
Die Unsicherheit der politisdhen Lage, die Ungewißheit über
das Eesultat des' amerikauischen Zolltarifs und die hohen JElohfell-
preise gaben dem Handschuhmarkte während der ersten Hälfte
des Jahres ein recht unerfteulidhes Gepräge. Zwar vermochte das
frühzeitige Osterfest das Geschäft in den ersten Monaten zu be-
leben, aher die hiaterher eingetretene, ungewöhnlich warme "Witte-
rung ließ den Bedarf dann desto mehr abflauen. Als Lm Laufe des'
Sommers über die amerikanische Zollerimäßigung Klarheit ent-
stand, und das Exportgeschäft sich zu heben anfing, waren es
die ungerechltfertigt hohen Lederpreise, welche Abschlüsse größe-
ren Umfanges erschwerten. Der im Herbst deutlich in die Er-
scheinung getretene allgemeine wirtschaftliche Niedergang wirkte
um so nachteiliger, als ohnehin die geliade Witterung im Herbste
dem Verkauf schwererer Winterhandschuhe nicht dienlich war.
Zur Hebung des Absatzes' im In- und Auslande sind wesentKöhle
Preisermäßigungen für Leder unerläßEch'.
150. Treibriemenindustrie.
Die Treibriemenindustrie war in der ersten Hälfte deä Jalilres
gut beschäftigt, doch machte sich im Sommer eia Nachlasteen
infolge allgemein sinkender Konjunktur fühlbar. Die Industrie
hatte iii diesem Jahre nodh mehr als früher unter den außerordent-
lich hohen Bohlederpreisien zu leiden, und es waren infolgedessen
die Verkaufspreise mit den Einkaufspreisen sdhWer lq ein richtiges
Verhältnis zu bringen, so daß sich die Hersteller duröhgehendsi
mit sehr bescheideneim Nutzen begnügen mußten. , Die ßalkan-
XVirren beeinflußten den Export nach! der Levante wesentKch,
doch hat sich nach dem Friedensschluß sofort ein Umschwung be-
490 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
merkbar gemadht, so daß Hoffnung vorhanden ist, daß das Ge-
schäft wieder normale Bahnen annehmen wird.
151. Lederwaren-, Portefouille- und Alb' um- '
Fabrikation.
Die Beschäftigung der Lederwaren- und Portefeuille-Fabri-
kation war in diesem Jahre an vielen Stellen nicht auf der Höhe
der Umsätize des VorjaJires', während einzelne Betriebe die gleichen
oder etwas bessere erzielt habien. Arbeitskräfte standen infolge-
dessen reichlich zur Verfügung. Die Nachfrage seitens der hiesigen
Detail-Kundschaft sowie die Umsä-tze im Exportgeschäft ließen
besonders zu wünschien übrig, dagegen waren die Aufträge aus
dem Reicliie, namentlich aus den kleineren und mittleren Provinz-
städten, befriedigend. Während sich in den Vorjahren eine aus-
gesprochene Mode in [Damen-Handtäschchen bemerkbar machte,,
wurde in diesem Jahre neben den Besuchsitäschchen und den älteren
Formen eine ganze Anzahl verschiedener neuer Modelle angeboten
und gekauft. Neuerdings scheint die hohe Form, sogen. Kodak-
Taschen, bei weitem zu überwiegen. Hellere Farben wurden in
größerem Umfange als vordem verlangt, ebenfalls neben, ein-
farbigen Ledern sehr viel zweifarbige, antike, ähnlich der für
Ledermöbel beliebten Ausstattung. Die zur Verwendung gelangten
Ledersorten erfuhren durchweg erhebliche Preisaufschläge, was
für die Rentabilität der Fabrikation stets von Nachteil ist, da
sichl innerhalb einer Verkaufssaison Aufschläge auf die fertige
Ware nur schwer durchsetzen lassen. ;
Photographie- Die Albumfabrikation hat im Berichtsjahre keinen Grund^
mit üiren Resultaten zufrieden zu sein. Die früheren großen Ab-
satzgebiete, Amerika, England, Frankreich', Rußland usw., die
duixh hohe Schutzzölle gesperrt wurden, können iufolge Eigen-
fabrikation nie wieder gewonnen werden. Die noch' ferner ver-
bleibende Auslandskundschaft zeigte sich infolge politischer
Wirren und der damit verbundenen Geldkalamität sehr zurück-
haltend. Aus dem letzteren Grunde gestaltete sich auch das
Inlandsgeschäft sehr schwierig. Das Frühjahrs- und Sommer-
geschäft ist in dem Artikel „Photographiealbum" an sich von
jeher nicht bedeutend und steigert sich erst im Herbst, nament-
lich gegen Weihnachten, es waren denn auch Fabrikation und
Zwischenhandel in den letzten drei Monaten des Jahres leidlich
beschäftigt. Als ein weiteres Zeichen der Geldknappheit und
der allgemeinen wirtschaftlichen Depression ist zu erwähnen,
daß vorwiegend billiger Genre gekauft wurde. Die Folge davon
war, daß bei gleichen Spesen die Umsatzziffem wesentlich
niedriger waren. Wird nun noch' die im Laufe des Jahres bei
einem großen Teile der benötigten Rohlmaterialien und Halb-
fabrikate stetige Erhöhung der Preise in Betracht gezogen, so
Albums,
152. Schuhwarenfabrikation. 491
dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein wenig erfreu-
liches Resultat zurückzublicken sein.
152. Sch.uh Warenfabrikation.
Die Schuhbranche hatte im Betriebsjahre darunter zu leiden,
daß alle Eohwaren bedeutend im Preise gestiegen siind, besoniders
auf dem Lediermarkte hat sich eine unerwartete Aufwärts-
bewegung der Preise vollzogen. Es gelang den Schuhfabri-
kanten nicht annähernd, für ihre Fabrikate den Lederpreisen
entsprechlende Erhöhungen durc'hzusetzen. Die politisKjhe Lage
sowie der teure Geldstand trugen ebenfalls dazu bei, daß sich
das Geschäft der Schuhbranche versichlechtert hat, so daß die
augenblickliche Lage nicht als günstig bezeichnet werden kann.
Die Detaillisten haben infolge der dauernd wechselnden Schuh-
moden sowie der allgemein schlechten Geschäftslage überfüllte
Läger; die Fabrikanten haben daher Schwierigkeiten, ihre Be-
triebe voll zu beschäftigen. Eine Besserung im Einkaufe steht
einstweilen nicht in Aussicht. Die großen ^lilitärlieferungen
bewirken, daß sich die Lederpreise voraussichtlich in der nächsten
Zeit auf ihrer jetzigen Höhe behaupten werden. Ein Zusammen-
schluß der Schuh fabrikanten, um höhere Preise zu erzielen, ist
zwar angebahnt, greifbare Resultate werden aber voraussicht-
lich in absehbarer Zeit nicht zu erzielen sein, da die Branche
aus zu versahiedenen und zu vielen Elementen zusiammengesetzt
ist. Sehr erwünscht würde es sein, wenn durch, eine veränderte
Zollpolitik der deutschen Schuhindustrie die Möglichkeit ge-
geben würde, erfolgreicher wie bisher nach dem Auslande zu
exportieren. Die Zölle, die das Ausland auf deutsche Schuh-
waren erhebt, sind zum Teil derartig hoch, daß ein Wettbewerb
trotz der anerkannten Güte der deutsehlen Schuhwaren oft aus-
gesdilossen ist. Hoffentlich wird die Aufhebung des Zolles in
den Vereinigten Staaten von Nordamerika den Export dorthin
fördern. Die Lohn- und Arbeitsverhältnissö haben im ver-
gangenen Jahre keine wesentlichen Veränderungen erfahren.
Die Situation in der Filz-, Lederhausschuhe-, Pantoffel-, piiz, Leder.
Sport- und Ballschuh-Branche hat sich gegen das Vorjahr nur PaS"offe?u^t.
unwesentlich verändert. Das Gesichäft in Filzartikeln blieb fast
während des ganzen Jahres leblos, da die warme Witterung dem
Artikel ungünstig gewesen ist. Es blieben große Bestände un-.
verkauft, die sich erst am Schlüsse des Jahres, als sich Kälte
einstellte, zum Teil räumen ließen, wähirend die neuen Kaufs
der Schuhdetaillisten noch des Verkaufs im nächsten Jahre
harren. Trotz der ungünstigen feuchten Witterung im Sommer
wurde entgegen aller Erwartung der Konsum in Lederschuhen
wie allen übrigen Sommerartikeln nidht ungünstig beeinflußt.
Auch in diesem Jahre waren Ballschuhe und alle Sportartikel
sehr gefragt und beliebt, und Berlin behauptet seine führende
492 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
Stellung für diese Artikel, dank der geschüiackvollen, sichönen
Muster, welche die Industrie herzustellen versteht. Die Ver-
kaufspreise gaben oft Anlaß zu Klage, und es war nicht mög-
lich, trotz der Steigerung aller Materialien, der Lederpreise, der
Unkosten und Arbeitslöhne höhere- Schuhpreise durchzusetze q.
Es sind nämlieh zu viele schwache und unreelle Fabrikauten in
der Branche, welche bei Geldbedarf zu Schleuderpreisen ver-
kaufen, so daß der Konsum häufig Grelegenheit hat, zu Preisen
einzukaufen, welche den reellen Fabrikanten geradezu Schaden
bringen müßten. Gerade diese billigen auf den Markt geworfenen
Schuhe verhindern eine so notwendige Erhöhung der Preise für
reelle Ware. Die Entwicklung des Geschäfts in der Hand der
größten und leistungsfähigsten Detailfirmen zum Nachteil der
kleineren und weniger kräftigen Schuhgeschäfte und Schuh-
fabrikanten machte im Berichtsjahre weitere Fortschritte.
Während aber kleinere Schuhgeschäfte mehr und mehr aufhören,
gibt es in Berlin eine ganze Anzahl kleinerer Schuhfabriken,
welche in gewissem Sinne erfolgreich beschäftigt sind und auch
bestehen können, weil sie teilä mit ganz geringen Unkosten
arbeiten, teils durch Heimarbeit ihre Fabrikate fertigstellen.
Während die Luxus- Schuhindustrie von der Mode begünstigt
wurde und befriedigende B,esultate aufzuweisen hat, mußte in
der deutsdhen Schuhindustrie im allgemeinen vielfach über
Arbeitsieinschränkungen geklagt werden. Zweifellos ist eine Ueber-
produktion vorhanden, denn ohne sie wäre es trotz der vor-
erwähnten schwachen und unreellen Elemente doch wohl möglich
gewesen, bessere Preise zu erreichen. Gefragt waren häufig
Waren besserer Qualität, doch blieb die Grundtendenz des ,G^-
schäfts eine Verschlechterung der Fabrikate zum Zwecke der
Aufrechterhaltung der bisherigen Preise. Der Verkehr mit dem
Auslande nimmt allmählich zu; an geeigneten Arbeitskräften,
ausgenommen vorübergehend an Galanterieschuh- Arbeitern, war
kein Mangel. Die anhaltende Geldteuerung beeinflußte den
Nutzen der Industrie empfindlich, wirkte häufig lähmend auf
den Geschäftsgang, auch ließen die Kreditverhältnisse in der
Schuhbranche viel zu wünschen übrig.
153. Schuhhandel.
Dei* [Verkauf in den Schuhwaren-Detailgeschäften war anfangs
dieses Jahres befriedigend, und es wurden besonders in den Ge-
schäften der größeren Firmen höhere Umsätze als im Vorjahre
erzielt. Das zeitige Osterfest gab Veranlassung, die Läger früher
als sonst und reichhaltiger mit farbigen Artikeln zu versehen,
da auf eine Doppelfrühjahrssaison gerechnet werden konnte.
Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, da das rauhe, kalte Wetter
vor Ostern den Verkauf nachteilig beeinflußte. Mit dem kurz
nach dem Osterfeste beginnenden Frühjahrs wetter Setzte dann
154. Schuhmacher-Bedarfsartikel. 493
der Verkauf sehr stark ein, und es wurden größere Umsätze
als früher erzielt, so daß das Pfingstgeschäft erhebliche Ein-
nahmen brachte. Auf den Konsum wirkte die Halbschuhmode
besonders in ihrer Konfektionsausgestaltung fördernd ein, anderer-
seits waren als Faktor für die Umsatzsteigerungen auch die Preis-
erhöhungen, wenn auch mit einem noch bescheidenen Prozentsatz
zu berücksichtigen. Die Reisezeit beeinflußte auch den Konsum
günstig, so daß der Verkauf bis zum Monat November gut war.
Das Weihnachtsgeschäft bewegte sich in den Grenzen des Vor-
jahres. In der zweiten Hälfte des Jahres begannen die Ein-
heitspreisgeschäfte mit der 14,50 Mk. Zwischenpreislage, doch
scheint diese nicht den erhofften Anklang zu finden. Die populär
gebliebene 12,50 Mk. Preislage zwang die Schuhfabrikanten, da
die hohen E^ohmaterialienpreise ihnen bei der bisherigen Her-
stellung keinen Nutzen mehr ließen, und die Detaillsure höhere
Preise nicht bewilligen wollten und konnten, diese Artikel min-
derwertiger herzustellen. Von der seit den letzten Monaten herr-
schenden allgemeinen wirtschaftlichen Depression wurde die
Schuhwaren-Detailbranche bis zum Jahresschlüsse nicht berührt.
Trotz der erhöhten Umsätze dürfte der Nutzen zurückgegangen
sein, da die allgemeinen Unkosten prozentual erheblicher ge-
stiegen sind. Die erforderliche intensive Eeklame und die immer
prachtvoller und stilvoller sich gestaltenden Fass adenausbauten
und inneren Einrichtungen erfordern derartig hohe Aufwendungen^
daß es schließlich den einzelnen Greschäftsinhabem, im Gegensatz
zu denen, welche dem Konzern oder der Interessengemeinschaft
verschiedener Schuhfabriken angehören, nicht mehr möglich ist,
mitzukommen. Es dürfte an der Zeit sein, diesen Luxusausgaben
allgemein Einhalt zu tun, da die stetig wachsenden Anforderungen
schließlich zu Katastrophen füliren müssen, von welchen eine
jüngst in Konkurs geratene größere Berliner Firma deutlich
Zeugnis ablegte. So gut andere Detailgeschäfte ohne übermäßi-
gen Luxus vorwärts kommen, müßte auch die Schuhbranche
ernstlich bemüht bleiben, sich ihren wohlverdienten kleinen Ge-
winn nicht durch übermäßige unnütze Unkosten schmälern zu
lassen.
154. Schuhmacher-Bedarfsartikel.
Für Schuhfutter, Stiefelbänder und Schnürsenkel folgten
die Preise den Notierungen des Baumwoll-Marktes, welche lang-
sam bis Oktober weiter stiegen und nach dieser Zeit ebenso
stetig zurückgingen, so daß die Preise am Jahresschlüsse ziem-
lich die gleichen waren wie am Anfang des Jahres; ebenso war
Kleber erst gesucht und im Preise fest, später machten sich
jedoch kleine Preiskonzessionen bemerkbar. Schuhösen und
Agraffen hatten gedrückte Preise, welche von Tag zu Tag weiter
zurückgingen. Auch in Nägeln und Stiften zeigten sich Preis-
494 IX. Eohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk,
ermaß ig ungen, die besonders in Täksen sehr erheblich waren,
eine Folge der ^geringen Bautätigkeit. Die g-etroffene Verein-
barung der Schuhleisten-Fabrikanten konnte sich nicht halten,
weshalb auch die Preise für Schuhleisten nachließen. Für leinene
Zwirne und Garne erfuhren die Preise keine Aenderung, dagegen
hatten Hanfgam-Fabrikate im September einen Aufschlag von
5 "/o, 'auch führten die deutschen Hanfspinnereien und Bindfaden-
fabriken einheitliche Verkaufsvorschriften ein, welche den Wieder-
verkäufern entsprechenden Nutzen sichern und gegenseitige Ueber-
bietungen unmöglich machen sollen.
155. K'Oif f e r f abrikation.
Im Berichtsjahre machte sich von Beginn an ein Rückgang
des Geschäftes bemerkbar, welcher das ganze Jahr anhielt. Die
allgemeine Geldkalamität, die Steigerung der Preise für Ma-
terialien, speziell für Leder, und die unsichere politische Lage
haben auch die Kofferfabrikation in eine ungünstige Lage ver-
setzt. Die Nachfrage nach besseren Reiseartikeln war mit wenigen
Ausnahmen nur schwach, was sich, da diese den Ausschlag für
die Berliner Fabrikation geben, recht fühlbar machte. Selbst die
Nachfrage nach billigeren Koffern, von welchen hier auch' nur
ein kleiner Prozentsatz gefertigt wird, blieb bedeutend hinter
der des Vorjahres zurück. Infolge des flauen Geschäftsgangesi
waren die Angebote größer als die Nachfrage, und trotz der
größeren Unkosten eine Preisunterbietung vorhanden, die einen
nennenswerten Nutzen verhinderte. Das Exportgeschäft ist im:
Vergleich zum Vorjahre unverändert geblieben, auch hier zeigte
sich infolge des geringen Nutzens wenig Interesse.
Am Ende des .Berichtsjahres waren die Aufsichten für eine
Rentabilität in der Kofferfabrikation für das kommende Geschäfts-
jahr nicht die besten, da die Preise für die Rohmaterialien noch
immer steigen und auch die Unkosten ständig wachsen.
156. Pelzwaren.
Geschäftsgang. Die UnguQst der politischen Verhältnisse in Europa, welche
schon Ausgang des Jahres: 1912 der Entwicklung der Pelzwaren-
branche hinderlich waren, hielt im Jahre 1913 weiter an und ge-
staltete das Geschäft im Verein mit der rückgängigen Börse und
der bevorstehenden Mehrbelastung für den Militäretat usw. noch
kritischer als zuvor. Daz^u kam die warme und feuchte Witterung
in den Hauptverkaufsmonaten, die ebenfalls einen sehr ungünstigen
Einfluß auf das Pelz Warengeschäft ausgeübt hat. Das eigenartige
dabei ist, daß die Mode selbst den Artikel außerordentlich förderte,
da nicht nur Pelzkragen, Muffen, Mäntel usw. begehrt waren,
sondern Pelzbesätze als Garnierungszwecke für Straßenkleider^
Ealltoiletten und für fast alle konfektionierten Arttikel eine
156. Pelzwaren. 495
größere Rolle spielten als je zuvor. Auf die Preise des Roh-
materials hat natürlicherweise die schlechte Greschäftslage eine
beträchtliche Rückwirkung ausgeübt. AYährend Anfang des Jahres
1913 auf der Londoner Auktion bedeutende Preissteigerungen
verzeichnet wurden, konnte man Ende des Jahres an fast allen
maßgebenden Märkten, speziell auch in Leipzig, die meisten Fell-
arten zum Teil sogar unter dem Kostenpreis einkaufen. So hat
z. B. Skunks, welcher sich in letzter Zeit immer mehr zu einem
besonders begehrten Modeartikel emporgeschwungen hat und g(e-
wissermaßen als daÄ Barometer auf dem Fellmarkt betrachtet
werden kann, während der Saison 1913 sehr an Absatz einge-
büßt, da die hohen Preise, welche die Pelzkonfektionäre Anfang-
des Jahres für Rohware zahlen mußten, trc^tiz der außerordent-
lichen Beliebtheit dieser Pelzart bei der Kundschaft nicht erzielt
werden konnten. Es blieb also nichts weiter übrig, als die Vor-
räte in diesem Artikel zu billigeren Preisen abzustoßen. Auch
in vielen anderen Fellarten mußte zu reduzierten Preisen ver-
kauft werden, so daßi die Fabrikanten lind Kürschner in den Haupt-
mona.ten Oktober bis Dezember nur mit einem, verhältnismäßig
kleinen Nutzen arbeiten konnten. Da auch die Nachbestellungen
vielfach ausblieben, so wurde allgemein über einen schlechten
Geschäftsgang sowohl bei den größeren als auch bei den kleineren
Firmen der Branche geklagt. Wenn es auch schwierig ist, bei
dem reduzierten Konsum in fertigen Pelzwaren einem bestimmten
Artikel besondere Bedeutung beizumessen, so sind doch immerhin
Skunks und Skunks-Imitationen, dunkel gefärbte Füchse, weniger
naturelle, als wie es zuerst den Anschein hatte, Seal-Imitationen,
Maulwurf, Hermelin, Nerz und Nerz-Imitationen in erster Linie
begehrt worden. Davon sind die Fuchsarten in der Naturform
ein- und zweifellig für Kragen und Muff verarbeitet worden,
während die anderen Fellarten, speziell Skunks, Seal und deren
Imitationen, meistens zu breiten Schals und glatten großen Muffen
verarbeitet worden sind. Als Hauptabsatzgebiet war für die
Berliner Pelzwarenfabrikanten der deutsche Markt zu betrachten,
da die übrigen europäischen Länder mehr und mehr an Bedeutung
für den hiesigen Markt verloren haben. Im Export machten sich
speziell die ungünstigen Verhältnisse in den südamerikanischen
Staaten hemmend bemerkbar. Immerhin haben die Berliner Pelz-
warenfabrikanten die schlechte Geschäftslage des Jahres 1913
gut ertragen, da sie durch die Verdienste der letzten Jahre offenbar
genügend gekräftigt waren, und nur bei einigen kleineren Firmen
waren Zahlungseinstellungen in die Erscheinung getreten.
Wesentlich ungünstiger sah es in dieser Beziehung auf dem Fell-
markt aus, da in Leipzig allein ca. 40 Fallissements zu verzeichnen
waren. Wenn auch die ersten Firmen sich der Krisis gewachsen
zeigten, so haben doch immerhin die vielen Zahlungseinstellungen
auch auf die gut fundierten Händler, wenn auch nicht hinsieht-
496 IX. Kohstoffe u. Eabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
Hell ihrer Kreditfähigkeit, so doch in bezug auf ihren Unterneh-
mungsgeist einen gewissen Einfluß ausgeübt,
streik. Als Besonderheit trat in der Berliner Pelzwarenbranche im
Jahre 1913 noch ein längerer und von den Arbeitern sehr energisch
betriebener Streik hinzu, welcher sich über die Monate September
und Oktober erstreckte, der aber, da das Geschäft an sich um diese
Zeit ruhig war, den Fabrikanten sehr wenig, den Arbeitern da-;
gegen wesentlichen Schaden gebracht hat. Die Eigenart dieses
Streiks liegt auch darin, daß in der Pelzwarenbranche zwei Kate-
gorien von Arbeitern beschäftigt werden, und zwar die Gesellen
und Mamsells, die die Arbeit als Angestellte ausführen, und die
sogenannten selbstäjidigen Zwischenmeister, die eigene Betriebe
haben und darin selbst wieder mit Gesellen und Mamsells für die
Pelzwarenfabrikanten arbeiten. Obwohl die Interessengebiete
dieser beiden Kategorien ganz verschieden sind, so hatten sie sich,
im Gegensatz zu der Gepflogenheit bei früheren Streiks, diesmal
zusammengeschlossen, um den Streik gemeinsam zu inszenieren,
wodurch sie auf die Fabrikanten einen größeren Zwang auszuüben
und mehr zu erreichen hofften. Da aber die angestellten Gesellen
und Mamsells kürzere Arbeitszeit und höhere Löhne, die selbstän-
digen Zwischenmeister hingegen einen festgesetzten Lohntarif,
nach dem sie für die Fabrikanten arbeiten wollen, beanspruchteUy
ließen sich die beiden Faktoren nicht vereinigen und der ganze
Erfolg des Streiks wurde illusorisch. Es wäre auch für die
Zwischenmeister bei diesem Zusammenschluß ohnehin nichts we-;
sentliches herausgekommen, da der Vorteil eines höheren Lohn-
tarifs durch die größere Forderung und die kürzere Arbeitszeit,
welche die Gesellen und Mamsells beanspruchten, absorbiert wor«
den wäre. Auch eine Einigungsverhandlung vor dem Gewerbe-
gericht zeitigte keinen Erfolg, da die Führer der Zwischenmeister
und der Arbeiter sich zwar erst einer Einigung mit den Fabri-«
kanten auf Grund eines Lohnzuschlages geneigt zeigten, später
aber ihre Zusage zurückzogen, so daß die Arbeit allgemein ohne
jegliches Resultat wieder aufgenommen worden ist. Es ist nicht
zu verkennen, daß im großen und ganzen sowohl Löhne als auch
Arbeitszeit in der Pelzbranche durchaus günstig liegen, doch ist
leider die Dauer der Beschäftigung von der allgemeinen Lage, den
Witterungsverhältnissen usw. unvermeidlicherweise abhängig. Di©
Berliner Pelzwarenfabrikanten haben natürlicherweise ein Inter-
esse daran, daß ihre Arbeiter angemessene, gute Löhne erhalten,
ebenso wie sie daran interessiert sind, daß die Rauchwärenhändler,
wie es leider oft der Fall war, nicht allzu leicht an zweifelhafte
Elemente Kredit geben, was beides nur zur Gesundung der Branche
beitragen kann.
Aussichten. Die Aussichten für das Pelzgeschäft im neuen Jahr sind am
Schluß des Jahres 1913 nicht sehr günstig, doch ist immerhin
, von einer Besserung der politischen Verhältnisse und einer kälteren
156. Pelzwaren. 497
Wetterperiode für die kommenden Monate noch eine Belebung des
Geschäfts, die manches wieder wettmachen kann, zu erwarten.
In Ergänzung hierzu wird noch berichtet : Die erzielten. Um-
sätze blieben hinter denen des Jahres' 1912 etwas zurück. Dieser
Umstand machte sich weniger bei den bedeutenden Gesehäften
in den größeren Städten bemerkbar, sondern es hatten hierunter
mehr kleinere Geschäfte in der Provinz zu leiden. Hierdurch
wurde naturgemäß auch das Engrosgesohäft ungünstig beeinflußt,
weil viele Geschäfte durch die milde Witterung in der zweiten
Hälfte des vorjährigen Winters ein reichhaltiges: Lager übrig-
behalten hatten und die Erteilung von Orders in kleinen Quanti-
täten langsam vonstatten ging. Hierzu kana als hemmender Ein-
fluß noch die sich über einen großen Teil des Jahres erstreckende
•unsichere politische Lage und die allgemeine wirtsichaftliche Krise.
Außerdem war das Wetter fast während der ganzen eigentlichen
Wintersaison nicht dazu angetan, die Kauflust zu beleben. In
Stolas und Muffen wurden wohl einigermaßen ziufriedenstellende
Umsätze erzielt, dagegen ließ der Absatz in Damen-Pelzpaletots
sowie auch in Herrenpelzen infolge der milden Witterung sehr zu
wünschen übrig. Trotz, dieser im allgemeinen nicht günstigen Lage
waren es doch einige Artikel, die durch die Mode und die Gunst
des Publikums besonders bevorzugt waren. Diese brachten auf den
Auktionen des letzten Halbjahres verhältnismäßig sehr hohe Preise.
Nachstehend lassen wir eine Uebersicht über die in den maß-
gebenden Londoner Auktionen der Hudsons-Bay-Comp. und der
Firma Lampson & Co. stattgefundenen Preisschwankungen folgen.
Im Januar brachten Bisam und Biber der Hudsons-Bay-Comp.
volle vorjährige Preise. Auf der Lampson-Auktion stiegen Skunks
um ca. 20 o/o, Schuppen 25 o/o, Hermelin 15 o/o, Nerz 15 o/o, Bären
im Durchschnitt 30o/o, Weißfüchse 30o/o, Otter 15o/o, austr. Opossum
lOo/o, amerik. Opossum 50o/o, Blaufudhs 20 o/o, während Silberfuchs,
Kreuzfuchs und Sealskin volle vorjährig« Preise holten. — Im
März blieben Skunks, Otter, Biber, Silberfudis, russ. Zobel und
Kotfaohs unverändert, während Bären abermals im Durchsehnitt
um 30%, Blaufüchse 30 o/o, Weißfüchse ca^. 50 o/o, Hermelin 20 o/o
höher gingen, Nerz dagegen eine Kleinigkeit billiger wurde. —
Die Juni -Auktionen brachten für versiöhiedene Artikel haupt-
sächlich Füchse erhebliche Aufschläge. So gingen gegen März
Kreuzfüchse um 50o/o höher, Silberfüchse 25o/o, Weißfüchse lOo/o;
Iltis, ebenfalls ein im Laufe des Jahres sehr begehrter Artikel,
ging um 20o/o höher, Leoparden stiegen um 50o/o, während die
übrigen Artikel im Preise unverändert- blieben und einige Fell-
arten kleine Preisabschläge erlitten. — Die Oktober-Auktionen
brachten nur für einige favorisierte Artikel erhöhte Preise. So
z. B. waren Kreuzfüchse 75 o/o, Silberfüchse 15o/o höher als Juni.
Ebenso erzielte Iltis außerordentlich hohe Preise. Blaufuchs,
Weißfuchs, russ. Zobel, Leopard, Chinchilla blieben unverändert,
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 32
498 IX, Kohstoffe u. Fabrikate der Lederindustrie u. Pelzwerk.
während Eotfuchs um lOo/o, austr. Opuseimi 15 o/o, Ringtail 35 o/o,
Nerz 200/0, Bär 15c/o, Skunks 15 o/o, Sdiuppen 15 o/o, Luöhs 25 o/o,
Otter lOo/o, Hermelin 15°,^ und Bisam 20 o/o zurückgingen. — Auf
der Kopenliagener Auktion erzielten Blaufüchse 25 o/o, Weißfücfhse
50 o/o höhere Preise geg'en das Vorjahr. — Auf den russischen Pelz-
mesi&en blieben Zobel und Feh unverändert, Hermelin wurde etwas
teurer, während Persianer um ca. 15 o/o nachgab. — Für das kom-
mende Jahr besteht die Aussicht, daß, nachdem die hohen Preise
nicht mehr hemmend einwirken, infolge der erleichterten Preise
ein regerer und allseitig mehr zufriedenstellender Gesichäftsgang
eintreten wird.
a) Großhandel.
Geschäftsgang
im
allgemeinen.
Export
X. Holz und Holzwaren.
157. Hoilzhandel.
a) Großhandel.
In den ersten vier bis fünf Monaten des Jahres 1913 war der
Geschäftsgang im inländischen Betriebe im allgemeinen befrie-
digend. Der Absatz hielt sich auf der Höhe des vorjährigen, und
es ließen sich auch die Preise im allgemeinen aufrecht erhalten.
Nur das Berliner Baugeschäft versagte nach wie vor fast völlig,
und es mußte wegen der mißlichen Kreditverhältnisse in diesem
Geschäftszweige der Umsatz noch mehr als bisher eingeschränkt
werden. Trotz aller Vorsicht waren aber Ausfälle nicht zu ver-
meiden. Vom Juni 1913 ab machte sich auch auf dem inner-i
deutschen Markte ein Abflauen der allgemeinen Konjunktur be-
merkbar, was naturgemäß auch auf die Holzbranche ungünstig
zurückwirkte. Die schwierigen Verhältnisse auf dem Geldmarkte
zwangen die Kundschaft zur Einschränkung im Einkauf, und auch
der Abruf der früher gekauften Waren ging nur schleppend von-
statten. Die nach dem Aufhören der Balkanwirren erhoffte Besse-
rung trat leider nicht ein, und es ist auch jetzt eine wesentliche
Hebung in diesem Geschäftszweige noch nicht zu verzeichnen. Bei
alledem aber kann von einem Rückgänge der Preise für wirklich
gute W;are nicht gesprochen werden; es bleibt nur der stockende
Absatz zu beklagen.
Der Verlauf des Exportgeschäfts nach England, Holland und
Belgien war zufriedenstellend; im Frühjahr konnten nach diesen
Ländern recht umfangreiche Abschlüsse zu guten Preisen für
Jalu^eslieferungen getätigt werden, und auch im Laufe des zweiten
Semesters gingen noch Aufträge in nennenswertem Umfange zu
nutzbringenden Preisen ein. Erst im Oktober machte sich auch
im Exportgeschäft ein gewisses Abflauen fühlbar, und es läßt sich
zurzeit noch nicht übersehen, ob diese Stockung anhalten wird,
aa noch in letzter Zeit schon Aufträge für die Lieferung per 1914
157. Holzhandel.
499
eingingen. Auf dem Eichenholzmarkte hat die Konkurrenz der
japanischen Eiche teilweise störend gewirkt, da größere Quanti-
täten dieser Holzart in runden Klötzen und auch in geschnittenem
Material nach Deutschland und Belgien, Holland und England auf
den Markt 'gebracht wurden. Ueber die Qualität dieser Ware läßt
sich ein 'abschließendes Urteil noch nicht fällen; doch wird sich
wohl auf die Dauer das japanische Eichenholz gegen gutes Eichen-
holz russischer Provenienz nicht halten können, so daß speziell
für den deutschen Markt eine besondere Besorgnis nicht berech-
tigt ist.
Dei' Bedarf der Reichspost und Staatseisenbahn an Tele-
graphenstangen war etwas größer als im voraufgegangenen Jahre ;
ebenso hat der Ausbau von Ueberlandzentralen eine lebhafte
Nachfrage nach Leitungsmasten verursacht. Der Bezug und Ab-
satz dieser Sortimente hat sich in befriedigender Weise abge-
wickelt. Auch für die Zukunft ist ein Gleiches zu erwarten.
Die Staats- und Privatbahnen Deutschlands haben einen ver-
mehrten Bedarf 'an Schwellen für die Unterhaltung des bestehenden
Oberbaues und den Ausbau neuer Linien ausgeschrieben. Bedauer-
lich ist, daß seitens des preußischen Ministeriums der öffentlichen
Arbeiten dem Eisen trotz aller Versprechungen, die den Holzinter-
essenten in der Budgetkommission seitens der Vertreter des ge-
nannten Ministeriums gemacht worden sind, ein immer größerer
Vorzug eingeräumt tvird. Während jMOchi im Jahre 1912 nahezu
bindende Versicherungen abgegeben wurden, daß das Verhältnis
von Eisen zu Holz, welches damals 42 % zu 58 o/o betrug, aufrecht
erhalten werden solle, hat sich eine wesentliche Verschiebung
zu Ungunsten des Holzes in der Beschaffung geltend gemacht.
Heute werden schon über 50 o/o des gesamten Schwellenmaterials in
Eisen bezogen. Die Beunruhigung, die hierdurch auf dem
Schwellenmarkt verursacht worden ist, drückt sich naturgemäß
im^urückgehen der Preise aus. Dazu kommt, daß das Königliche
Eisenbahn-Zentralamt auch wieder Schwellen aus dem Weißen-
Meer-Gebiet und den oberen finnischen Häfen für die Lieferung)
freigegeben hat, obwohl es in Fachkreisen allgemein bekannt ist,
daß das Gros der aus diesen Produktionsstätten kommenden
Schwellen laus totem Holz hergestellt wird. Dadurch ist einer
ungesunden Spekulation Tür und Tor geöffnet worden, und es hat
sich infolgedessen in den letzten vom Eisenbahn-Zentralamt an-
gesetzten Verdingungsterminen ein weiterer B-ückgang der Preise
ergeben.
Im Erühjiahr 1913 wurden die bestehenden Ausfuhrtarife auf
den russischen Eisenbahnen für Eisenbahnschwellen aller Art
aufgehoben, um den Export dieser Schwellen zu erschweren.
Infolge des wirtschaftlichen Aufschwunges, den Rußland in den
letzten Jahren zu verzeichnen gehabt hat, ist der Bedarf der
32*
Masten.
Schwellen.
Verkehr mit
Rußland.
500
X. Holz und Holzwaren.
Platzhandel.
Allgemeines.
Bauholz.
russischen Eisenhahnen von Jahr zu Jahr ganz gewaltig gestiegen.
Durch die Anwendung des jetzt erhöhten innerrussischen Tarifs
für dieses Material ist es fast unmöglich geworden, Eisenbahn-
schwellen auf dem B-ahnwege nach Deutschland zu importieren. Es
wird weiterhin von den russischen Bahnen die Aufhebung des
günstigen Ausfuhrtarifs selbst nach russischen Seehäfen auch für
alle anderen Sorten von Holz geplant. Es ist klar, daß durch eine
derartige Maßnahme der Export von Holz nach Deutschland sehr
zu leiden haben würde. Die Holzhändler sowohl als auch die
Waldbesitzer haben dagegen bereits alles Mögliche versucht,
bisher aber ohne Erfolg, und leider bieten die bestehenden
Handelsverträge keine Handhabe, dieser Tarifpolitik entgegen-
zutreten. Da auch in den letzten Jahren die Transporte auf dem
Floßwege teils durch großen Wassermangel, dann wieder — wie
im Laufe des Berichtsjahres — durch ununterbrochene Hoehwasser-
wellen von Juli bis Ende September sehr zu leiden hatten, muß in
Zukunft auf eine Erhöhung der Kosten dieser Transporte gerechnet
werden. Außerdem ist der Verlauf des Winters für die Ausfuhr
an Floßablagen äußerst ungünstig gewesen. So muß mit einer
wesentlich verringerten Abkunft gerechnet werden, was eine
weitere Verteuerung der Rohholzpreise für 1914 unbedingt zur
Folge haben dürfte.
b) Platzhandel.
Das Jahr 1913 wird in den Annalen des Berliner Holzhandels
wohl dauernd eine besondere Stelle einnehmen. Der Rückgang^,
der im Jahre 1912 bereits stark eingesetzt hatte, hat im Berichts-
jahre Dimensionen angenommen, die man kaum vermutet hätte.
In der Hauptsache beruht dieser Rückgang in der Geschäftslosig-
keit auf dem Baumarkt. Die dauernde Verschlechterung der Hy-
pothekenverhältnisse, herbeigeführt durch den hohen Geldstand
und die Belastung des Grundbesitzes, hat dazu geführt, daß die
Zahl der "Neubauten gegen 1912 um ca. 50 »/o gesunken ist. Die
natürliche Folge ist, daß die Umsätze, die der Berliner Holzhandel
in Bauholz erzielen konnte, auf ein Minimum zurückgegangen
sind, wie es seit der Epoche des allgemeinen Aufschwungs nicht
zu verzeichnen gewesen ist. Hierbei fällt ferner ins Gewicht, daß
verschiedentlich die zu Neubauten erforderlichen Hölzer von den
Mühlen der Produzenten direkt an die Verbraucher geliefert und
somit dem Berliner Platzholzhandel entzogen wurden. So kam es,
daß bei den Holzhandlungen, die nur Bauhölzer führen, der Um-
satz ganz bedeutend zurückging. — Auch im Bretterhandel ist
der Umsatz gegen das Vorjahr erheblich zurückgeblieben. Die
Aussichten für das Berichtsjahr erschienen anfänglich keineswegs
ungünstig. Die Einfuhr von Rundholz aus Rußland war im Jahre
1912 gegen das Vorjahr nicht unwesentlich geringer gewesen und
man rechnete mit einer Knappheit der Wasserholzprodukte.
157. Holzhandel. 501
Daraufhin ließen sich bei den ersten Abschlüssen, die von Händlern
in Groß-Berlin und Mitteldeutschland vollzogen wurden, in ein-
zelnen Dimensionen geringe Preisaufbesserungen erzielen, während
in der Bretterware, die für den Baumarkt in Betracht kommt,
Preisreduktionen, wenn auch nur in mäßigem Umfange, vorgenom-
men wurden. Trotz der schlechten Lage des Baumarktes blieben
die Preise für Balken, Kanthölzer und Schalware während des
ganzen Jahres im wesentlichen auf der gleichen Höhe. In erster
Linie ist dies auf die geringe Produktion zurückzuführen, anderer-
seits hat der stetig steigende Preis für Eisenbahnschwellen hier
einen Ausgleich geschaffen. Große Mengen der in den preußischen
Forsten zum Verkauf gebrachten Kundhölzer, die sonst zum
Bauholzschnitt Verwendung fanden, wurden zu Schwellen auf-
gearbeitet, während die schwächeren Dimensionen zu Kisten-
brettern verarbeitet wurden. Hierdurch wurde eine Ueberpro-
duktion in Bauhölzern verhindert, und der Bedarf in Kisten-
brettern, der zeitweise recht erheblich war, konnte hinreichend
gedeckt werden. Auf den Borkholzmühlen in Ostdeutschland ist
das Geschäft recht schleppend gewesen. Gefragt waren in der
Hauptsache gute Sortimente, während in zweitklassiger Stamm-
ware namentlich ß/4 Zoll und Fußbodenware in großen Mengen
unverkauft zur Schoberung gelangt sind. Knappheit herrschte
nur in besserer Ware, wie Memel und Tilsit solche auf den Markt
bringen, und in diesen Artikeln mußten infolge des großen Ab-
satzes nach England und dem Ehein höhere Preise angelegt wer-
den; in allen anderen Artikeln bewegten sich dagegen
die Preise im allgenieinen auf der Höhe des Vorjahres. Bei allen
Abschlüssen machte sich auf Seiten der Käufer eine starke Zu-
rückhaltung bemerkbar. Während in früheren Jahren die meisten
Abschlüsse bereits im Januar, ja sogar schon im Dezember getätigt
waren, wurden die meisten Einkäufe in diesem Jahre erst im
März resp. April vorgenommen, und den Zeitverhältnissen ent-
sprechend, waren die Abschlüsse erheblich kleiner als in anderen
Jahren. Die drückende Höhe des Bankdiskonts und andererseits
die Bestrebungen, das Risiko herabzusetzen, gaben vor allem
hierzu die Veranlassung. Der Zusammenschluß der Berliner
Platzholzhandlungen des Bretterhandels, auf den im vorjährigen
Bericht bereits hingewiesen wurde, ist im Frühjahr erfolgt und die
Vereinigung, der die meisten Firmen beigetreten sind, hat es sich
zur Aufgabe gemacht, vor allem der planlosen Kreditgewährung
entgegenzutreten. Als besonders erschwerend für den Platzholz-
handel wurde die stetig zunehmende direkte Verbindung der Säge-
werke mit den Konsumenten empfunden, und es sind Bestrebungen
im Gange, diesem direkten Verkehr zu steuern. Der Verkauf von
Kistenbrettern ist dem Berliner Platzholzhandel durch die direk-
ten Abschlüsse beinahe unmöglich gemacht worden, denn diese
Bretter werden heute den Konsumenten zu Preisen angeboten.
502
X. Holz und Holzwaren.
Arbeiter-
Verhältnisse.
Möbelljranche.
Kisten-
fabrikation.
Bau-
tischlereien.
Pianoforte-
branche.
die dem Platzholzhandel jede Möglichkeit nehmen, sich mit diesem
Artikel weiterhin zu befassen. Wie sich der Holzhandel im neuen
Jahre gestalten wird, liängt im wesentlichen von der Lage des
Geldmarktes ab. Die Aussichten für das Baugeschäft sind etwas
besser geworden; immerhin rechnet man auch für 1914 nur mit
einem schleppenden Geschäftsgang. Die auf der Weichsel und dem
Memelstrom eingegangenen Rundhölzer sind, soweit es sich nicht
um minderwertige Partien handelt, zum größten Teil verkauft
worden; im Weichselgebiet sind die Preise nur etwas herunter-
gegangen. Die Bedingungen für eine wesentliche Ermäßigung für
Schnittmaterial sind somit nicht gegeben. Die ersten Termine in
unsern fiskalischen Forsten haben ebenfalls einen Preisrückgang
gezeitigt; zu der Absatzmöglichkeit stehen diese Rückgänge
aber noch nicht im richtigen Verhältnis. Wenn das Baugeschäft
nicht lebhafter wird, ist anzunehmen, daß die Holzpreise eher
weiter zurückgehen als anziehen werden, zumal in der gesamten
Industrie mit rückgängiger Konjunktur gerechnet wird.
Bei der allgemeinen Geschäftsstelle ist an Arbeitern kein
Mangel gewesen, in den Lohnverhältnissen ist eine Aenderung
daher nicht eingetreten.
In der Möbelbrajiche war die Beschäftigung in den ersten
Monaten lebhaft; mit Rücksicht auf die drohende Aussperrung
wurde die Arbeit forciert, doch erfolgte nach definitiver Erledi-
gung der Lohnstreitigkeiten ein merklicher Rüokschlag, so daß viel
fertige Ware auf Lager genommen werden mußte. In den Preisen
der für die Anfertigung von Möbeln benötigten Bretter ist eine
Aenderung gegen das Vorjahr nicht eingetreten.
Die Kistenfabriken haben gute Beschäftigung gehabt, in
trockener Brettware hat im Frühjahr Knappheit geherrscht, der
weitaus größte Teil des Bedarfs an Kistenbrettern wird jetzt
auf direktem Wege von den auswärtigen Mühlen ^geliefert, so
daß auf hiesigen .Holzplätzen Kistenbretter nur noch in geringen
Mengen gelagert werden.
Der Beda^rf der Bautischlereien ist mit Rücksicht auf die
geringe Bautätigkeit sehr gering gewesen. Gefragt wurden in
der Hauptsache Stammbretter I. Klasse, die für behördliche Bau-
ten Verwendung finden, während ^/4 Zoll Stammbretter II. Klasse
die bei reger Bautätigkeit gern gekauft wurden, stark vernach-
lässigt waren.
In der Pianofortebranche ist zu Beginn des Jahres viel zu
tun gewesen, der Sommer aber brachte eine sehr lange geschäfts^
lose Zeit; erst im Hjerbst stieg der Bedarf. Er blieb aber eben-
falls hinter dem Bedarf anderer Jahre zurück. Leider läßt die
Zahlungsweise in dieser Branche immer noch viel zu \vünschen
übrig. Die Fabrikanten geben ihren Abnehmern vielfach ein
übermäßig langes Ziel und suchen gern ihre langfristigen Wechsel
bei den Holzhändlem unterzubringen.
157. Holzhandel.
503
Der gelinde AVinter 1912/13 hatte in Rußland die Holzausfuhr
anfänglich wenig begünstigt. Obwohl der "Weichselmarkt im
Herbst 1912 schon nicht befriedigende Preise für Rundholz ge-
bracht hatte, wurden auf den ersten Terminen in Rußland hohe
Preise gezahlt. Der Mitte Januar einsetzende Prost ermöglichte
in allen Gebieten eine gute lAnfuhr. Bei den deutschen Abnehmern
fehlte aber die Kauflust, so daß auf den Ablagen höchstens halb
so yiel Rundholz verkauft wurde als in anderen Jahren. Die
Flößereiverhältnisse waren anfänglich sehr gut, es dürfte in diesem
Jahre nur wenig Holz in Rußland überwintern. Im Laufe des
Sommers störte und verteuerte Hochwasser mehrfach die Flößerei.
Innerhalb vier "Wochen wurde auf der Weichsel dreimal Hoch-
wasser gemeldet und zeitweise ruhte die Flößerei daher voll-
ständig. Das Geschäft setzte erst im Herbst ein und die Preise
der Hölzer wichen um ca. 6 — 8 Pf. pro Kub'ikfuß. Für geringe
Hölzer bestand wenig Meinung; hiervon ist ein größerer Teil
unverkauft in den Hafen gegangen, doch sind diese Bestände
nicht größer als gewöhnlich. Auf Idem Memelstrom war die
Zufuhr in kliefemen Rundliölzem nur 'knapp und es wurden Preise
bezahlt, die die vorjahrigen noch übertrafein; namentlich Tannen
erzielten recht hohe Prdise.
Die Abschlüsse der Platzholzhändler auf den Mühlen wurden
erheblich später getätigt als in andern Jahren und. in bedeutend
kleinerem Umfange. Bis auf ^U Zoll Stammbretter I. Klasse,
die eine kleine Preissteigerung erfuhren, bewegten sich die Preisje
auf der Basis' des Vorjahres); besonders wurde I. Klasse gefragt,
während sich in Zopfware die Nachfrage namentlich nach II. Klasse
bemerkbar machte. Schwer unterzubringen waren ^/^ Zoll Stamm -
bretter II. Klasse und Fußbodenbretter. Die Einschnitte waren
auf allen Mühlen kleiner als in andern Jahren und waren meist
im Juli beendet. Bis auf verhältnismäßig kleine Bestände, die
zumeist aus Fußbodenware und sonstiger II. Klasse Stammware
bestehen, sind die Einschnitte zum größten Teile verkauft worden.
Knapp sind ^/^ und Vi Zoll Mittelenden in erstklassiger Sor-
tierung.
Die Borkholzmiühlen hatten zu Beginn der Schneidefperiode
iafolge des gelinden "Winters mit schlechten Fuhrverhältnissen
zu kämpfen; die Einschnitte verzögerten sich daher im allge-
meinen. Infolge des schleppenden Geschäftsganges in Berlin und
in der Provinz ließ man sich Zeit zu den Abschlüssen, die ebenfalls'
bedeutend kleiner ausfielen als in anderen Jahren. Auch hier
herrschte Vorliebe für Stammware I. Klasse, wahrend Zopfware
weniger hegehrt war. Knappheit herrschte in Vi ^oH Stamm -
wäre I. Klasse und guten Stammbohlen. Im Juli setzte eine
Regenperiode ein und bei späteren Abladungen wurde viel über
Bläue geklagt. Die Preise bewegten sich, ini allgemeinen auf
der Höhe des Vorjahres. Erst bei späteren Abschlüssen wurden
504
X. Holz und Holzwaren.
Laubholz.
Fußboden-
bretter.
Astreine Seiten.
Balken.
Kantholz
Schwellen.
Schalbretter
in dieser Beziehung- Konzessionen g^emacht, nennenswert war der
Preisabschlag jedoch nur in ^U ^oH Stammbrettern II. Klasse
und in Fußbodenware ; von diesen sind größere Posten unverkauft
zur Schoberung gelangt.
Erle war in II. Klasse sehr begehrt, während I. Klasse schwer
unterzubringen war. Die Schälfabriken in Eußland haben die
Preise für Erlen gewaltig in die Höhe getrieben, das zum Import
gelangende Material ist meist nur minderwertig. In Eiche war «das
Geschäft lebhaft, das gute Material ist andauernid knapp und
bei hohen Preisen begehrt.
Die Produktion von Fußbodenbrettern ist nach Möglichkeit
eingeschränkt worden, doch war nicht zu verhindern, daß das
Angebot die Nachfrage erheblich übertraf. Bei der Geschäfts-
stille, die nicht nur in Berlin, sondern auch in der OProivinz im!
Baugeschäft herrschte, waren die Läger auf allen Holzplätzen
mit alter ^Vare genügend versehen und der Einkauf wurde auf 'das
notwendigste beschränkt. So kam es, daß große Posten zur
Schoberung gelangt sinid . Die Preise sind um 3 — 4 Mk. per Kubik-
meter gewichen; da die Einfuhr aus Kußland in Rtindhölzern,
die zu Fußboden geeignet sind, in diesem Jahre aber sehr gering
war, rechnet man mit einer Stabilität der Preise.
In Leistenbrettern war der Bedarf recht re^e, obwohl die
Fabriken, welche 'Bauleisten fabrizieren, bedeutend weniger be-
zogen "haben als sonst; die 'Gold-Eohleistenfabriken verarbeiteten
sehr erhebliche Mengen ^treine Seiten, da der Export in ihren
Produkten mit jedem Jahre wächst.
Die Produktion von Balken ist erheblich eingeschränkt
worden, &o daß trotz des geringen Absatzes nirgends große Be-
stände vorhanden sind. Man war überall bestrebt, die sonst zum
Balkenschnitt geeigneten Hölzer anderweitig zu verwerten. Große
(Mengen derartiger Hölzer wurden zu Bohlen für den Bau der
Untergrundbahn verwandt. Trotz der geringen Umsätze blieben
die Balkenpreise während des ganzen Jahres fest; sie schwankten
je nach Liste zwischen 46 — 48 Mk. pro Kubikmeter.
Kief. Kantholz war in genügender Menge vorhanden, aber
auch hierbei 'ist trotz der geringen Bautätigkeit ein Preisdrcuk.
nicht erfolgt. Der Preis stellte sich je nach Liste zwischen
36 und '37 Mk. pro Kubikmeter.
Das Schwellengeschäft war recht lebhaft. Die Staatsbahnen
hatten erhebliche Mengen angefordert und die Preise haben eine
stetige Aufwärtsbewegung zu verzeichnen gehabt. Erst die aller-
letzten Termine brachten einen geringen Rückgang, der mit dem
Bückgang der Rundholzpreise auf den ersten Terminen in den
Königlichen Forsten 'begründet wird.
In allen 'Stärken war das Angebot au Schalbrettern reichlich
Und die Preise waren gegen 1912 wenig verändert. Konsumlw^are
157. Holzhandel.
505
Schwedische
und nordische
Hobelware.
war "dagegen verhältnismäßig knapp und erzielte höhere Preise
als im Vorjahre.
Aus dem Vorjahre waren an Staaten ganz erhebliche Be- staaken.
stände auf den Mühlen angesammelt, und die Preise hatten einen
Stand erreicht, der kaum die Arbeitskosten gegenüber der Ver-
wendung als Brennholz deckte. Dieser niedrige Preis veranlaßte
die Holzstoffabriken, Staaken zu kaufen, und der Preis konnte
sich daraufhin etwas heben ; immerhin sind die Bestände noch
recht erheblich.
Der Bedarf in schwedischer, resp. nordischer Hobelware ist
in ständiger Zunahme geblieben ; allerdings fehlte in dem Jahre
der g-roße Absatz im Baugeschäf't. Die Preise sind infolge der
großen Bezüge, welche England und Frankreich in dieser Ware
machen, wiederum gestiegen und auch für die Zukunft ist hier-
bei mit weiterer Preissteigerung zu rechinen, da in den Pro-
duktionsgebieten die Bestände vollständig geräumt sind. Der Be-
darf in Deutschjland ist für die Preisbestimmung dieser Ware
belanglos.
In Mauerlatten war der Umsatz recht klein. Von Piga, Mauerlatten,
das sonst ganz erhebliche Posten nach Deutschland leinführte,
kamen nur wenige Ladungen. Die zu M*auerlatten geeigneten
Hölzer fanden als Timber u. Sleeper eine bessere Verwiendun.g'
nach England und die geringe Einfuhr nach Deutschland hin-
derte so 'den sonst erwarteten Preisdruck. Die Bestände in Liepe
waren ebenfalls nicht groß, und so hielten sich die Preise auf
normaler Höhe.
Kahnraum war zu jeder Zeit genügend vorhanden, und die Fraciiten.
Erachten waren normal. Besonders niedrig stellten sich die Frach-
ten auf der Oder; erst zum Herbst trat wie gewöhnlich eine
Preissteigerung der Frachtsätze ein. Die direkte Kahnabladung
von Königsberg und Tilsit hat von Jahr zu Jahr zugenommen
und wird, obwohl die Kahne viele Wochen unterwegs sind, gern
bevorzugt, weil bei der Umladung in Stettin die Behandlung
der Ware oft zu wünschen übrig läßt. — Die Bahnabladungen
gingen glatt vonstatten. Waggons waren reichlich vorhanden,
bemerkenswert war die erheblich bessere Ausnutzung der vollen
Tragfähigkeit der 'AVaggons, herbeigeführt durch die Prämie,
welche die Eisenbahnverwaltung bei voller Ausnutzung gewährt.
c) Brennholz.
Wieder wie in den vorhergegangenen Jahren erzielten bei
Beginn der Einkaufsperiode Anfang des Jahres 1913 gute Schlag-
hölzer, zum Schälen geeignet, hohe Preise, die je nach der Qualität
mehr oder weniger über die Taxen der Eegierung gingen. Es
wurde aber von den Einkäufern doch nicht so wahllos wild
geboten, wie im Jahre vorher, da die allgemeine Geldknappheit
und der teure Geldstand wohl zur Zurückhaltung mahnten und
Brennholz.
Kiefernklotaen.
506
X. Holz und Holzwaren.
Kiefemspalt
und Reiser.
Buchenkloben.
Birkenkloben
Erlenkloben,
Löhne,
Frachten.
auch das Bestreben vorlag, sich auf keinen Fall zuviel teure Ware
anzukaufen. Später gingen mit dem Nachlassen des Bedarfs auch
für Schlaghölzer guter Qualität die Preise im Einkauf zurück.
Für die zeitig zum Verkauf gelangenden geringeren Totalitäts-
hölzer wurden den Taxen der Regierung einigermaßen . ent-
sprechende Preise bezahlt, und die Regierung verkaufte auch diese
Hölzer, gewitzigt durch die schlechten Erfahrungen des Vor-
jahres, bei kleineren Unterbietungen der Taxen sofort in dem
ersten Termin. Im Vorjahr dagegen wurden die Totalitätshölzer
bei nicht erreichten Taxen zuerst nicht verkauft und erzielten
dann bei späterem Angebot geringere Preise. Für die geringen
Qualitäten waren 1913 in Veiten zur Kachelfabrikation fast gar
keine Abnehmer, am wenigsten aber solvente vorhanden, da
der (Berliner Baumarkt fast ganz aussetzte und nur, geringe Mengen
abgenommen wurden. Von Schwammhieben kamen nur noch geringe
Mengen zum Verkauf, da diese Aushiebe bald beendigt sind.
Kiefemspalt und Reiser erzielten trotz der scharfen Auf-
arbeitung von Grubenhölzern, die vor dem Einschlag im Sub-
missionsverfahren hohe Preise brachten, im Einkauf nur die
Taxen der Regierung und wurden später zu Untertaxen verkauft.
Buchenkloben waren im Einkauf hoch im Preise, d!a dieses
Material in vielen Oberförstereien freihändig vor dem Einschlag
mit Genehmigung der Regierung zu annehmbaren Preisen von den
Holzessig usw. produzierenden Fabriken aufgekauft wurde. Im
Vorjahre hatten Buchenkloben für Brennholzzwecke zwar schon
den tiefsten Stand von 1911 im Einkauf überschritten, doch zögerte
die Regierung mit der Annahme der freihändigen Offerten, die
über den Taxen der Regierung lagen, nicht. Auch ästiges Lang-
holzmaterial, das sonst als Brennholz aufgearbeitet wurde, war
von Nutzholzhändlem begehrt. Der geringe Rest des Angebots
in Buchenkloben brachte, wie oben erwähnt, der Regierung daher
hohe Preise.
Birkenkloben zeigten als hartes Holz (Ersatz für Buchen)
auch höhere Preise im Einkauf, doch nur für gute \Vare, während
geringes Material in der späteren Einkaufsperiode der Qualität
entsprechend billig verkauft wurde.
Erlenkloben waren des geringen Bedarfs wegen wenig begelirt
und wurden meist zu Taxpreisen verkauft. Das Angebot in diesem
Material war auch nicht groß, da in den Erlenbrüchen kein Eis
war und daher nicht geschlagen werden konnte.
Löhne für Anfuhr, Schälen und Spalten hielten sich auf
gleicher Höhe wie im Vorjahr. Arbeitskräfte waren genügend
vorhanden. Die Verladung von Bahnwagen ging glatt vonstatten,
da jede Anzahl von leeren Waggons prompt gestellt wurde. Die
Kahnfrachten waren so niedrig, wie seit langen Jahren nicht, und
es machte sich ein dringendes Angebot von Kahnräumen, nament-
157. Holzhandel.
507
lieh von Seiten der beschäftigungslosen Mauersteinschiffer be-
merkbar.
lieber die Berliner Brennholzpreise im Jahre 1913 unterrichtet
folgende Tabelle:
Tab. 142. Preise für Brennholz in Berlin.
Kiefernkloben I, geschält M. 7,75-8,50
„ I, Borkholz „ 6,75—7,50
Kiefemspalt „ 5,25—5,75
Kiefernreis I „ 4, 4,50
pro Meter franko Berliner und Vorortbahnhöfen.
Kiefernkloben I, geschält M. 7,25—8,—
„ I, Borkholz „ 6,25—7,—
Kiefernspalt „ 5, 5,25
Kiefernreis I, in Beiladung „' 3,75—4,25
pro Meter franko Wasser-Ausladestelle Berlin und Umgegend.
Buchenkloben I M. 8,50—9,—
Birkenkloben I 7, 7,50
. Erlenkloben I „ 7,75—8,25
pro Meter franko Berliner und Vorortbahnhöfen.
Birkenkloben I M. 8, 8,50
Birkenkloben I , . , . „ 6,75—7,—
Erlenkloben I, in Beiladung „ 7,25—7,50
pro Meter frei Wasser- Ausladestelle Berlin und Umgegend.
Im allgemeinen hielten sich die Verkaufspreise für Kiefern-
ware in allen Sortimenten für Berlin besser als im Vorjahre, da sich
wohl die Ueberzeugung durchgesetzt hatte, daß bei sachgemäßer
kaufmännischer Kalkulation und den steigenden Unkosten im
günstigsten Falle im Vorjahr nichts zu verdienen gewesen war.
Buchen- und Birkenkloben brachten bis zum Jahresschluß infolge
des bis dahin milden Winters bei den gestiegenen Einkaufspreisen
nicht den nötigen Verdienst. Der Nutzen in Erlenkloben war be-
friedigend. Bei vorsichtig gehandhabten Einkäufen und nicht
übermäßigen Zinslasten kann das Jahr 1913 im Nutzen als etwas
besser als das vorhergegangene bezeichnet werden.
Preise.
d) Ausländische Hölzer und Furniere.
Der auf allen Wirtschaftsgebieten hervorgetretene Rückschlag
beeinflußte auch das Berliner Greschäft mit überseeischen Höl-
zern und Furnieren sehr erheblidh. Nicht nur das völlige Dar-
niederliegen des Baumarktes, sondern vor allem auch der außer-
ordentliche Rückgang in der Möbelindustrie dezimierten gerade-
zu das Greschäft mit diesen Verbrauchern. Nur ganz wenigen
Fabriken war es möglieh, zeitweise den vollen Betrieb aufrecht
zu erhalten, und auch die Aussichten für das Jalir 1914 werden
als r'echt ungünstig bezeichnet. Demgegenüber ist die Fest-
sl^ellung nicht ohne Belang, daß trotz des erheblich verminderten
G^eschäftes die Eohholzpreise nicht nur fast durchwegs ihre Höhe
aus der ^.ufsteigenden Konjunktur behaupten konnten, sondern
g'erade gegen Ende des Jajires zeigte sich eine derartige Be-
festigung auf fast allen Gebieten, daß jedenfalls Verluste der
Sorten.
508 X. Holz und Holzwaren.
Händler an üirem Lagermaterial nicht angenommen werden
können. Die Ablader der Rohmaterialien sowohl in Amerika als
auch in Afrika haben aus den früheren Krisen wenigstens die
Lehre gezogen, die Märkte zu solchen Zeiten nicht noch mit
übergroßen "Mengen von Rohmaterialien zu überschwemmen, und
so liam es, daß nur ganz vorübergehiend kleine Preisreduktionen
eintraten, denen jedoch schnell eine durchgreifende Erholung
folgte.
Einzelne Von den Mahagoni »orten waren Tabasoo- und Honduras-
Provenienz am begehrtesten. Die Preise haben weiterhin eine Auf-
besserung erfahren, und in diesen Materialien konnte zu keiner
Zeit des Jahres irgend eine Abschwächung festgestellt werden.
Von den afrikanischen jl^iahagonisorten war Sapeli-Mahagoni wei-
tferhin für Berlin das gesuchteste Material, wenngleich der Ver-
brauch — wie schon im Vorjahre — sehr erheblich zurückge-
gangen ist. Die Preise liegen jedoch dafür fest und für schmal
gestreifte Furniere werden andauernd gute Prfeise bezahlt.
Am'erikan. Nußbaum, das an und für sich in den letzten
Jahren wieder mehr in den Verbrauch gekommen ist, war fast
die einzige Holzsorte, welche nennengfwerte Preisabschläge er-
fahren hat; dies ergab sich aus den reichlichen Beständen, 'die
in das Jahr 1913 übernommen wurden. Da zeitweise das Gre-
schäft 'auf der ganzen Linie stockte, so waren in diesem Artikel
Preisdifferenzen J^is zu 20 o/o nach, unten w^ahmehmbar. Gutes
Purnierholz bleibt jedoch nach wie vor bei vollen Preisen leb-
haft 'begehrt, und der Verbraucher zahlt selbst jetzt für aus-
gesuchtes Material ansehnliche Preise.
Whitewood war nur ganz vorübergehend unwesentlich im
Preise geschwächt, und hat sich gegen Ende des Jahres wieder
auf (die alten hoh'en Preise erholt. Der Verbrauch ist geradje
in der Pianofortefabrikation andauernd eher als steigend zu be-
zeichnen. 'Für erstklq^ssige Abladungen werden andauernd hohe
Preise bezahlt.
Ostindisch Jakaranda, das zu Anfang des Jahres im Preise
nachgelassen hatte, ist gegen Ende des Jahres wieder sehr fest
geworden. Wenn dieses Holz auch gerade für den Berliner Markt
nicht von so erheblicher Bedeutung ist, so war eö dennoch möglich,
Massivholz und Furniere laufend zu behaupteten Preisen abzu-
setzen.
Zedernholz für Bootsbauzwecke war während des ganzen
Jahi'es im Preise sehr fest, und alle Ankünfte konnten stets
schlank zu guten Preisen begeben werden.
Okoume, w'elches das Whit'ewood schon seit einigen Jahren
zu ersetzen bemüht ist, wurde in größeren Quanten teils auf
Abschluß, 'teils freihändig in Hamburg herangebracht. Die un-
verkauft herangebrachten Partien hatten naturgemäß unter der
rückgängigen Konjunktur im Preise erheblich zu leiden, und es
t
158. Bautischlerei. 509
waren zeitweise gewaltige Preisrückgänge in diesem Artikel zu
verzeichnen. Dies hat sich auch in dem Berliner Greschäi't aus-
g'edrückt, indem vielen Verbrauchern — soweit sie potent waren —
eine günstige Gelegenheit geboten wurde, sich in diesem schömeai
Material zji ungewöhnlich günstigen Preisen einzudecken. Gregen
Ende 'des Jahres, nachdem die Verschiffer unverkaufte Partien
nur noch in ganz geringem Umfange abgeladen hatten, konnte
daher auch diese Holzart profitieren, und die Preise nähern sich
langsam den gegen Ende 1912 eingetretenen hohen Notierungen.
Das Greschäit in exotischen Furnieren war im abgelaufenen
Jahre recht flott. Die Preise hielten sich ungefähr auf der Basis
des Vorjahres.
158. Bautischlerei.
Die Berliner Bautischlerei hat unter der Krisis, die auch
im letzten Geschäftsjahre auf dem Berliner Baumarkt angehalten
hat, naturgemäß sehr zu leiden gehabt. Die Beschäftigung war
sehr gering und die Ausfälle wurden durch die Zahhmgseinstel^
lungen der Bauunternehmer und Baumeister sehr bedeutend. Die
Zahlungseinstellungen wurden vor allem dadurch verursacht, daß
es nicht möglich war, Baukapital zu beschaffen, und so konnten
Neubauten nicht begonnen werden. Die Grundstückseigentümer,
die auf ihren Grundstücken eingetragene und fällig gewordene
Kapitalien nicht neu beschaffen konnten, mußten ihre Zahlungen
einstellen. Dies verursachte diese vielen Zusammenbrüche, wie
sie wohl kaum jemals früher auf dem Berliner Grundstücksmark't
dagewesen sind. Die Folge hiervon war, daß auch viele Bau-
tischlereien in Berlin durch die großen Verluste ruiniert wurden.
Die Zahl der in Berlin arbeitenden Bautischlereien ist hierdurch
wesentlich kleiner geworden und diejenigen, die heute noch am
AVerk sind, beschäftigen auch nicht mehr so viel Leute, wie in
früheren Zeiten. Fast ausschließlich behördliche Arbeit gibt der
Berliner Bautischlerei noch Beschäftigung, abgesehen von einigen
größeren Bauten, die Industrie und Handel für sich errichten.
Die allgemeine Lage der Bautischlerei wird am besten dadurch
charakterisiert, daß sich bei jeder Submission für Bautischler-
arbeiten große Unterangebote zeigen, so daß es den Berliner Bau-
tischlereien nur möglich ist, ihre Werkstätten zu betreiben, wenn
sie sehr niedrige Preise verlangen. Unter diesen Verhältnissen
konnte von einem nennenswerten Verdienst in der Bautischlerei
in dem abgelaufenen Geschäftsjahr nicht die Rede sein. Eine
Besserung ist erst zu erwarten, wenn auf dem Baumarkt eine
Belebung eintritt.
159. Jalousiefabrikation.
Der Geschäftsgang war in der Jalousieindustrie im abgelaufe- Absatz,
nen Geschäftsjahr ungünstig. Der Bedarf hat gegen die beiden
510
X. Holz und Holzwaren.
Verkaufspreise
und Zu-
sammenschluß.
Zahlungsweise.
Rohstoffpreise.
Arbeiter.
Aussichten.
VorjaJire bedeutend nachgelassen, so daß auch die Umsätze sehr
zui'ückgegangen sind. Die Ursache der schlechten Geschäftslage
ist in den ungünstigen Verhältnissen am Baumarkt zu suchen.
Die Banken haben infolge des fehlenden Absatzes ihrer Pfand-
briefe die -Gewährung von Hypotheken sehr einschränken müssen.
Die Bautätigkeit hat deshalb besonders in der zweiten Hälfte des
Berichtsjahres fast ganz geruht. Aufträge von Behörden lagen
nur in geringer Anzahl vor. Aus dem Auslande sind einzelne
Bestellungen eingegangen, im ganzen war der Absatz dorthin!
ebenfalls gering.
Die Verkaufspreise für Jalousien waren wegen der mißlichen
Gesell äfislage sehr gedrückt. Die ungünstigen Verhältnisse der
Branchte haben einen Teil der Jalousiefabrikanten veranlaßt, aufs
neue einen Zusammenschluß anzustreben. Es ist auch am 5. Nov.
1913 in Düsseldorf ein Verband deutscher Jalousie- und Rolladen-
fabrikanten gegründet worden, der Mittel zur Hebung der Branche
aufsuchien soll.
Die Zahlungen der Kundsichaft ließen viel zu wünschen übrig.
Selbst große Baugeschäfte haben bei der Bestellung vorsichts-
halber ein ungewöhnlich langes Ziel ausbedungen. Einige an-
gesehene Baufirmen sind in Zahlungsschwierigkeiten geraten und
Verluste waren selbst bei größter Vorsicht nicht zu vermeiden.
Die Preise der Rohstoffe sind teilweise zurückgegangen.
Kiefeme erstklassige Seitenbretter wurden am Schlüsse des Jahresi
etwas billiger angeboten. Leinölfirnis ist im Preise gegen das
Vorjahr bedeutend gesimken. Auch französisches Terpentinöl ist
billiger geworden. Leinen- und Hanfgurte sowie -Schnüre haben
dagegen im Preise noch etwas angezogen.
Die Zabl der in der Branche beschäftigten Arbeit-er war ge-
ringer als in den letzten Jahren. Das Angebot an Arbeitsikräften
war infolge der fehlenden Bestellungen sehr groß. Die Löhne
und Akkordsätze, die zum Teil nodi' durdh Tarifverträge ge-
bunden sind, haben sich bislang auf gleicher Höhe gehalten.
Die Aussichten in der Branche für das Jahr 1914 können nicht
als günstig bezeichnet werden.
Allgemeine
Geschäftslage.
Zimmermöbel.
Erster Bericht.
160. Möbelfabrikation und -handel.
a) Zimmermöbel.
Erster Bericht.
Die Ende 1912 eingetretene Gesöhäftsstüle setzte sich in ver-
stärktem Maße im neuen Gesehiäfts jähre fort, ohne daß das sonst
belebende Frühjahrsgeschäft darin eine Aenderung brachte. Die
unruhigen politischen Verhältnissie, der fast das ganze Jahr an-
haltende hohe Geldstand, insbesondere aber die schwierige Lage
des Hypothlekenmarktes, namentlich für zweite Hypotheken, der
enorme Zinsfuß für Baugelder und die vollständige Zerrüttung
Engroshandel.
160. Möbelfabrikation und -handel. 511
des Baumarktes wirkten naturgemäß auf das mit dem Baumarkt
so innig zusammienhängende Möbel- und Einrichtung^gesöliäft aufs
ungünstigst^; ein. An ein regelmäßiges Arbeiten war infolgedessen
nicht zu denken und die Betriebe waren größtenteils nur halb be-
sdhäitigt. Ein. Arbeiten auf Vorrat ia größerem Umfange verbot
sich' von s^elböt, so daß das Ergebnis des Jahres 1913, was Um-
satz und Beschäftigung anlangt, wesentlich schlechter war, als
das des Jahres 1912.
Das für das Berichts! ahr 1912 über den Eneroshandel mit Möbel
Möbeln Gesagte trifft auch für das Berichts'jahr zu. Auch im
Jahre 1918 hat der Möbel- Engroshandel Berlias keine Belebung
erfahren. Beeinträ<ihtigt wird das Engrosgesichäft durch die Un-
zahl von Agenten und Reisenden, die die Provüiz überfluten und
häufig, ohne den für das Gneschäft notwendigen regulären Nutzen
zu nehmen, lediglich um etwas Umsatz zu erzielen, mit wenigen
Prozenten Aufschlag, uid ohne die allgemeinen Geschäftsunkosten
zu berücksichtigen, die Möbel verkaufen. Jeder kleine und kleinste
Tischlermeister fühlt sich veranlaßt, nach der Provinz Geschäfte
durch Agenten zu machen, statt sich auf das reelle Heimats-
geschäft zu beschränken und den Möbelh'ändlem und Gros^
sisten Berlins seine Ware zu angemessenen Preisen zu liefern.
Daß ein solcher Kleinmeister den Anforderungen der Kundschaft,
was Qualität, Kredit und Lieferfrist anlangt, nicht gewachsen ist,
ist selbstverständlich und die natürlichen Folgen dieser Kon-
kurrenz sind Preisdrückereien ohnegleichen, QualitätS Verschlechte-
rungen und maßlose Kreditgabe, die früher gefehlt hat, so lange
das Engrosges'chäf t mit der Provinz von verhältnismfäßig wenigen,
dafür kapitalkräftigen und leistungsfähigen Hiänden gemacht
wurde, die auch in der Lage waren, den Uebergriffen der Kund-
schaft energisch entgegentreten zu können. Krasser als auf dem
Berliner Engros-Möbelmarkt tritt wohl nirgends die ungünstige
Wirkung der Ausschaltung des legitimen Zwischenhandels in Er-
scheinung. Die Fortschritte der süddeutschen Konkurrenz lassen
sich leicht durch das sinngemäße, planvollere Vorgehen der dor-
tigen Engroshändler und durch das fast vollständige Fehlen jener
Kleinkonkurrenz erklären. Naturgemäß können die Möbel auch
qualitativ besser öein, wenn ein ruhigeres Arbeiten in größerem
Maßstabe unter technischer und künstlerischer Leitung in größe-
ren Betrieben möglich ist. Nur durch unausgesetzte Fertig-
stellung neuer Muster, durch die kürzeren Lieferzeiten und das
Eingehen auf Extrawünsjche der Kunden, wird das Engrosgeschäft
in Berlin in mittleren Artikeln noch gehalten. Größere Läger
in verkaufsfähiger Ware waren, weil sie sich als unlohnend ge-
zeigt haben, im Berichtsjahre nicht vorhanden, nur in Spezial-
artikeln, wie Schlafzimmern, Herrenzimmern und Speisezimmern,
Salons mittlerer Preislage, konnte etwas auf Vorrat .gearbeitet
werden. — Das ungünstige Verhältnis zwischen Fabrikanten und
512
X. Holz und Holzwaren.
Tischlermeistern einerseits Tind Möbelhändlem andererseits hat
sich audh im Beiichtsjahre nicht geändert. D'er dadurch ent-
stehende Schaden wird mit der Länge der Zeit immer größer
und zwar meistens zum Schaden der mittleren Möbelhändler, die
sich durch den Boykott der Tischlermeister und Fabrikanten eine
schwer zu überwindende Konkurrenz heranziehen, die ihnen durch
billigen direkten Verkauf an das Privatpublikum, gerade in mitt-
lerer Ware, je länger, desto mehr zu schaffen geben werden.
Am Ende des Berichtsjahres waren erneut Bestrebungen im Gange,
um dieses Verhältnis zu bessern, ohne daß aber bis zum Ab-
schluß dieses Berichtes greifbare Besultate erzielt worden sind.
Die Organisationen sowohl auf selten der Fabrikanten und Gros-
. sisten wie auf selten der Händler haben sich weiter ausgedehnt.
Es ist zu hoffen, daß es den einsichtigen Männern an der Spitze
gelingt, bald die für eine Gesundung des Gesichäftes so not-
wendige Beruhigung zu schaffen.
Konkurse Konkurse kamen im abgelaufenen Jahre in der Möbelbranche
nicht übermäßig oft vor, doch hat die Zahl außergerichtlicher
Vergleiche usw. zugenommen. Auffallend war, daß viele alte
Möbelgeschäfte mit gutem Namen in der Provinz ihre Zahlungen
einstellen mußten. Als Grund dafür wird angegeben, daß einer-
seits die Vorräte fest liegen und fast jedes Stück extra ange-
fertigt werden muß, und daß andererseits die Privatkundschaft
infolge des Sinkens der Wertpapiere ihren Zahlungsverpflich-
tungen nicht so prompt nachkom;men konnte, uni den Möbel-
händlem die regelmäßige Bteckung ihrer Verpflichtungen zu er-
mögliöhen. Da zum Möbelgeschäft sehr große Bäume gehören^
die vielfach in eigenen Häusern sich befinden, mag auch die
Schwierigkeit der Hyptheokenbeschaffung bei den Zahlungsein-
stellungen eine Rolle gespielt haben.
In einer großen Anzahl von Städten, darunter auch in Berlin,
waren die Arbeiterverträge abgelaufen. Langwierige Verhand-
lungen und bedeutende Opfer waren nötig, um den nahegerückten
Streik resp. die Arbeiteraussperrungen zu verhindern. Die den
Arbeitern bewilligten Zuschläge sind sehr erheblich, und bei der
niedergehenden Konjunktur war es nicht möglich, die notwendigen
Auf schlage auf die fertige Ware durchzusetzen. Nur zwei Punkte
sind erfreulicherweise bei der Ordnung der Verträge geregelt
worden ; der eine ist die Einteilung Deutschlands in zwei Gebiete,
in denen gleichmäßig die Arbeitsverträge im Februar der zwei
Jahre auseinanderliegenden Perioden ablaufen. Der zweite Punkt
ist die Regelung des paritätischen Arbeitsnachweises, die sowohl
für den Arbeitgeber als wie für den leistungsfähigen tüchtigen
Arbeiter wesentliche Vorzüge erhalten hat.
Detailgeschäft. Im Gegensatz zu dem oben geschilderten Niedergang des
Engrosgeschäfts, befindet sich das Berliner Möbeldetailgeschäft
Arbeiter-
verhältnisse
160. Möbelfabrikation und -handel. 513
weiter in aufsteigender Bahn. Auch hierbei muß freilich ein
Unterschied gemacht werden, und kann für das Berichtsjahr
konstatiert werden, daß diejenigen Firmen, die feine und feinste
Möbel fabrizieren, durchschnittlich gut beschäftigt waren, wäh-
rend diejenigen, die Möbel mittlerer Qualität und mehr für die
große Masse des Bürgerstandes arbeiten, nicht so guten Umsatz
erzielt haben. Gerade in diesem Mittelgenre ist die Konkurrenz
noch viel schärfer geworden und die Preise werden dadurch dauernd
gedrückt. Auch macht sich hierbei, wie schon erwähnt, die Kon-
kurrenz der Fabrikanten und Tischler sehr fühlbar, die bei der
ersten Gruppe nicht in Betracht kommen kann. Es muß hervor-
gehoben werden, daß auch weiter die Qualität der für den Detail-
verkauf Ijenötigten Möbel und Einrichtungsgegenstände siöh we-
sentlich gehoben hat. Die Formen sind edler, die Linien ruhiger,
die Holztönungen matter, die Ausführung schwerer geworden.
Wie bereits im vorigen Bericht erwähnt, werden die Ansprüche
der Kundschaft immer größer. Der Durchschnittspreis, der für
Einrichtungen ausgegeben wird, hat sich gegen das Vorjahr kaum
verändert, doch ist immer wieder eine nach oben steigende Tendenz
zu konstatieren.
Infolge der zunehmenden Neigung nach Stilmöbeln sind Um- StiL
bauten und Einbauten mehr und mehr verschwunden ; die Möblie-
rung ist im allgemeinen beweglicher geworden als früher, und
die Möbel werden in einzelnen interessanten Gruppierungen in
den Zimmern untergebracht, unter häufiger Verwendung von
Kaminen. Diese Art der Möblierung bedingt eine wesentlich
reichere Ausstattung der Wände durch Stoff- und Holzteilungen,
Tapeten in Feldern mit Leisten teilungen und dergleichen. Mit dem
fortschreitenden Luxus, der trotz der niederliegenden Konjunktur
beobachtet werden konnte und mit dem Zuwenden des Publikums
zu üppigeren Formen, hängt auch zusammen, daß die sogenannten
Kunstwerkstätten, bei denen ein oder mehrelie Künstler da^ ent-
scheidende Wort zu sprechen haben, nicht so reüssiert haben, wie
kaufmännisch geleitete Geschäfte, die sich schneller den Bedürf-
nissen des Publikums anpassen. Es zeigt sich doch, daß der
Künstler stets mehr oder weniger ein Motiv immer wieder an-,
wendet, und daß diese, wenn auch künstlerisch einwandfreie
Einseitigkeit beim Publikum auf die Dauer keinen Anklang findet.
Dazu kommen wohl noch die hohen Künstlertantiemen, die auf
solchen Geschäften ruhen, und so ist es wohl zu erklären, daß der-
artige Geschäfte, trotz;großer Reklame und trotzdem die Zeitungen
viel von ihnen berichten, finanzielle Erfolge nicht aufzuweisen
hahen. Es muß dieses erwähnt werden, gerade weil derartige
Werkstätten die Press© immer für sich haben, während es dem
Gewerbetreibenden nicht leicht wird, ohne bezahlte Inserate in
den Tageszeitungen seine Arbeiten besprochen zu sehen.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 33
14
X. Holz und Holzwaren.
Hotel-
uad öffentliche
Bauten.
Submissionen
Die bereits im vorjährigen Bericht vorausgesagte Rückkehr
zum Stil ist eingetreten. Feine und Luxusein r ich tungen werden fast
ausschließlich in historischen Stilarten gefertigt, freilich immer
den modernen Wohnungsverhältnissen angepaßt; Louis XVI.,
italienische Renaissance, hauptsächlich altenglLsch und englischer
Landhausstil, werden verlangt. Dagegen sind Gotisch, Flämisch
und Eokoko nicht beliebt. Bei Einrichtungen mittlerer und ein-
facherer Art werden moderne Formen auch jetzt noch bevorzugt,
doch auch hierbei sind im Berichtsjahre reichere Schnitzereien,
Intasierungen, seltenere und kostbare Hölzer usw. zur Ver-
wendung gelangt. Für feine Einrichtungen kommen auch noch
reine Kopien von Stilmöbeln in Frage; auch ist die Nachfrage
nach antiken Originalen weiter gestiegen, wobei namentlich eng-
lische, italienische und holländische Originale bevorzugt werden.
Das Berichtsjahr brachte bei Hotel- und öffentlichen Bauten
größtenteils nur die Fertigstellung und den Ausbau bereitß im
vorjährigen Bericht erwähnter Objekte; das gilt namentlich für
den Hotelbau, bei dem neue Objekte wenig vorhanden waren. Da-
gegen boten die weiteren Vergrößerungen von Warenhäusern.,
Banken, Kinotheatem, Sanatorien gute Beschäftigung, wobei
naturgemäß nur die größten und leistungsfähigsten Firmen in
Betracht kamen. Ein Nachteil bei solchen Lieferungen ist die
kurze Lieferzeit, durch die allerdings das leidige Submissions-
wesen und die Preisdrückerei in Wegfall kommt. Für das neue
Jahr sind namentlich für große Versicherungsgesellschaften im
Innern der Stadt und in der Gegend des neuen Hathau&es in
Schöneberg größere Objekte in Aussicht. Auch die Einrichtungen
für Luxuscafes haben weitere Fortschritte gemacht. Wie be-
reits im. letzten Bericht erwähnt, ist leider über die Kreditver-.
hältnisse bei Hotels, Cafes und dergleichen sehr zu klagen ge-
wesen; der Zusammenbruch des Boarding-Palastes hat scharfe
Schlaglichter auf die ungesunden Verhältnisse in dieser Beziehung
geworfen. Die häuptsächlich für solche Lieferungen in Betracht
kommenden Lieferanten planen einen Zusammenschluß, um diesen
ungesunden Verhältnissen entgegenzutreten. Durch Einschrän-
kung unsinnig ausgedehnter Kredite und durch eine geeignete
Ausgestaltung des Eigentums Vorbehalts und andere Sicherungen
will man "die Gefahren einschränken.
Welche Erfahrungen das Submissionswesen zeigt, hat fol-:
gendes Beispiel gezeigt: Im Reichstagsgebäude sind im Herbst
verschiedene neue Arbeitszimmer eingerichtet worden; dabei
handelte es sich nur um Schränke und Stühle. Es wurden nicht
weniger wie 37 Firmen dazu aufgefordert und die Preise schwank-
ten z. 'B. bei den Aktenschränken von 145 bis 360 Mk. Bei den
niedrigsten Angeboten waren Firmen Süddeutschlands vertreten,
bei denen noch Fracht, Verpackungs- und Transportkosten hin-
160. Möbelfabrikation und -handel.
515
zukommen. Bei Ausführung dieser Objekte wurden an die Lei-
stungsfähigkeit die größten Ansprüche gestellt und nur mit
bester Qualität 1ind technischer Vollkommenheit waren Erfolge
zu erzielen.
Nach wie vor wird das Publikum beunruhigt durch die sich
überstürzenden Messen und dergleichen, auf denen naturgemäß
sehr selten Qualitätsarbeit zu sehen ist, da es sich bei dem Fehlen
künstlerischer Leitung meistens um normale Arten in mittlerer
Preislage handelt, wodurch wiederum das nicht orientierte Publi-
kum über die wirkliche Leistungsfähigkeit des Gewerbes in^-
geführt wird. Hierbei mag gleich erwähnt werden, daß als eine
für das Gewerbe wichtige Ausstellung nur die Baufach-Aus-
stellung in Leipzig in Betracht kam, die aber, so interessant
einiges gewesen sein mag, für das Gewerbe selbst nichts neues
gebracht hat, und die nur durch die hübsche Zusammenstellung
von Bauten und Inneneinrichtungen und durch das Zusammen;-,
stimmen äußerer und innerer Formen das Gewerbe interessierte.
Die für das Jahr 1915 vorgesehene Weltausstellung in San Fran-
cisco hat für die Branche selbst keine Bedeutung, weil der Ex-
port von Möbeln nach Nordamerika infolge der dortigen anders-
artigen Bauart, der Zollverhältnisse und der Leistungsfähig-
keit der eigenen Möbelindustrie, die selbst große Posten Möbel
(amerikanische Schreibpulte, Kontormöbel, Theaterstühle,
Schaukelf auteuils) nach Deutschland importiert, nicht in Be-
tracht kommt. Für den Bedarf der ganz reichen Kreise kommt
Deutschland ebenfalls nicht in Frage, da diese nur Antiquitäten
und ganz reiche Stilmöbel verlangen, deren Markt, Paris und
London, nicht zu verdrängen ist. Was die Absatzmöglichkeiten
nach den Ländern des Pazifischen Ozeans anlangt, namentlich
naclL China und Japan, so liegen die Verhältnisse so, daß dort
im Lande eine große, ganz billige Industrie existiert, die den
Inlandbedarf vollständig deckt, wozu noch kommt, daß in Japan
für die einheimischen Häuser bekanntermaßen Möbel überhaupt
nicht gebraucht werden, da man dort Schränke, Betten, Stühle
überhaupt nicht kennt. Aus obigen Gesichtspunkten hat die
Möbelindustrie als solche kein Interesse an der Beschickung der
Ausstellung.
Gegen das vorjährige Berichtsjahr hat sich im Möbelexport
keine Wandlung vollzogen; der Export liegt nach wie vor dar-
nieder und diese Lage wurde noch verschärft durch die Folgen des
Balkankrieges und die südamerikanischen und mexikanischen
Wirren. Auch kommt in Betracht, daß, wie bereits oben erwähnt,
wurde, namentlich in den südamerikanischen Ländern große In-
dustrien entstanden sind, die einen Export dorthin hindern. Ruß-
land ist nach wie vor Käufer für feinere Einrichtungen, sowohl
für den Wiederverkauf als auch für den direkten Absatz an De-
33*
Messen und
Ausstellunger«
Export.
516
X. Holz und Holzwaren.
Roh-
materialien.
Stoffe,
Gardinen,
Teppiche,
Leder.
ZweiterBericht,
taillisten. Der Export nach Holland, Schweden, Dänemark und
Schweiz ruht fast vollständig.
Von den E^hmaterialien der Möbelindustrie hat Holz auch
im Berichtsjahre seine steigende Preis tendenz nicht verloren;
namentlich Mahagoni, Eichen, Birken, kurz, die feineren Hölzer
sind wesentlich im Preise gestiegen, aber auch ausgesuchtes
Kiefernholz war oft kaum aufzutreiben. Schellack und Lacke
stiegen ebenfalls, dagegen sind Glas, Messing, Kupfer ungefähr
im Preise so geblieben wie im vorigen Jahre. In der Holzverwen-
dung hat sich gegen das Vorjahr nichts verändert. Mahagoni,
Polisander mit Birke sind nach wie vor beliebt; Nußbaum lq
feinster Qualität, in der Verarbeitimg ähnlich wie Eichenholz,
also nicht poliert, sondern gewachst und halb matt, wird bevor-
zugt. Eiche ist nicht zu verdrängen. Die früher vielbegehrten
Hölzer Ahorn grau, Eschen, Olive u. dgl. sind nicht beliebt.
In Stoffen imd Gardinen wird etwas lebhaftere Tönung bevor-
zugt. Materialechtheit wird weiter immer mehr verlangt. Leder-
imitationen für Bezüge treten mehr in den Hintergrund ; auch hierin
wird farbiges Leder neben schwarzem verlangt. Trotz des durch
den Balkankrieg etwas zurückgegangenen Importes von echten
Teppichen behaupten diese nach wie vor das Feld. Vorteile brachte
der deutschen Teppichfabrikation die Bevorzugung von Hollen-
ware, da mehr als früher ganz mit Teppich bedeckte Zimmer
verlangt werden.
Zweiter Bericht.
Das Geschäftsjahr 1913 verlief für die Berliner AVohnungs-
einrichtungsbranche und die Fabrikation von Zimmermöbeln im
allgemeinen recht flau. Abgesehen von den Folgen der ungünstigen
Konjunktur, welche jiiach den Balkanwirren; die (Märkte beunruhigte
und unter deren Einfluß auch naturgemäß die Luxusmöbel-
fabrikation zu leiden hatte, wirkten noch verschiedene andere Ur-
sachen mit, die das verflossene Geschäftsjahr ungünstig beein-
flußten. Es scheint, daß sich für die Berliner Firmen ungünstige
Zeiten eingestellt haben und noch ungünstigere vorbereiten. Wäh-
rend in den früheren Jahren der Bedarf der Provinz in Berlin
gedeckt wurde, hauptsächlich aus Mangel an geeigneten Ge-
schäften in den Klein- und Mittelstädten, ist in letzter Zeit
hierin ein Wandel zu bemerken. Ueberall findet man an solchen
Plätzen Firmen mit ansprechenden neuzeitlichen Auslagen, welche
im Gegensatz zu früher zum mindesten den Marktbedarf an Stapel-
ware zu decken in der Lage sind, ja in vielen Fällen auch Spezial-
objekten, gerecht werden können. Eine Folge davon ist, daß zahl-
reiche Aufträge, die früher den Berliner Spezialgeschäften zu-
flössen, in der Provinz zur Ausführung gelangen. Infolge der
schlechten Wirtschaftslage trat mit wenigen Ausnahmen beim
Publikum immer mehr die Neigung hervor, beim Kauf in erster
160. Möbelfabrikation und -handel.
517
Linie die Preise iind nicht die Qualität zu berücksichtig^eti. Die
Erscheinung, daß "Wohnungseinrichtungen nicht mehr an einen
Lieferanten vergeben, sondern vielfach zimmerweise unter ver-
schiedene Firmen verteilt werden, hat sich auch im verflossenen
Geschäftsjahr bemerkbar gemacht. — Was die hauptsächlich ver-
langten Stilarten anbelangt, so kaJin man feststellen, daß der
jetzt geläufige moderne Stil sich allmählich gänzlich in den Prin-
zipien der Antike bewegt. Li der Hauptsache kann man An-
lehnung an deutsche Empire- und ßiedermeierformen beobachten.
Während im Verlauf der vergangenen Jahre eine gewisse Ab-
neigung gegen Flächendekoration und Schnitzereien bestand, ist
in letzter Zeit diese Technik wieder mehr verwandt worden und
derartig dekorierte Möbel finden Interesse beim Publikum. —
Diei schon im vergangenen Jahr schwebende Honorar-Konvention,
welche zwischen den fübrenden Firmen der Branche zu Zwecken der
Erreichung von Bezahlung der Entwürfe und Zeichnungen ge-
schlossen werden soll, ist bisher noch nicht zum Abschluß gelangt.
Es ist ein außerordentlicher Mißstand in der Branche, daß vielfach
der Kunde sich bei versohiedenen Firmen mehr oder wenigei'
durchgeführte Spezialofferten in Verbindung mit künstlerisch,
meist farbig in Aquarell ausgeführten Literieurentwürfen ein-
fordert. Hierdurch erfahren die Unkostenkonten der einzelnen
Firmen wegen des hierzu notwendigen großen Zeichenapparates
eine erhebliche Belastung. — Im Submissionswesen scheint eine
Besserung eintreten zu sollen. Es sind z. B. bei den von der Stadt
Berlin zu vergebenden Objekten Bestrebungen im Gange, Aufträige
nur an Berliner Firmen zu erteilen, und zu Sätzen, welche von
Sachverständigen festgestellte Mindestpreise nicht unitersdhreiten
dürfen. — Als ein Hauptmangel hat sich in der Branche die
schlechte Zahlungsweise des Privatpublikums bemerkbar gemacht;
auch hatten verschiedene Firmen unter den eingetretenen
Insolvenzen großer Hotel-, Cafe- u^d ähnlicher Unternehmungen
zu leiden. Auch die schlechte Lage des Baumarktes blieb nicht
ohne Einfluß auf die Branche.
Dritter Bericht.
Der folgende Bericht nimmt namentlich in bezug auf die
herrschende Stilrichtung einen anderen Standpunkt als die beiden
ersten Berichte ein:
Der Umsatz war im Jahre 1913 so schlecht wie nie zuvor.
Viele Betriebe waren nur halb beschäftigt und werden das Jahr
mit einem Verlust abgeschlossen haben, und die meisten werden
zufrieden sein, wenn sie ihre Unkosten verdient haben. Die stetige
{Fortentwicklung der Möbelindustrie, die man bis zum Jahre 1909
gewohnt war und die sich vielleicht mit 10 o/o pro Jahr beziffern
läßt, hat seit dieser Zeit nicht allein völlig stillgestanden,
sondern es ist ein entschiedener Rückgang eingetreten, der im
Dritter Bericht,
Umsatz.
518
X. Holz und Holzwaren.
Umwälzungen
IQ der Berliner
Möbelindustrie.
Möbelipessen.
Muster.
Jahre 1913 sich sogar als ein großer Rücksprimg erweist. Fragt
man nach der Ursache, so ist einerseits der politischen Unsicher-
heit Schuld zu geben, andererseits aber auch den über einen großen
Zeitraum sich erstreckenden Erörterungen über die Wehrvorlage.
Alle Verbraucher haben sich in dieser Zeit des Sparens befleißigt
imd dabei schließlich die Gewohnheit des Sparens angenommen,
was ihnen verhältnismäßig leicht fiel, da die meisten in einem
gewissen Ueberfluß lebten. Das, was auf diese Weise weniger
verbraucht wurde, ist der Industrie außerordentlich fühlbar ge-
worden. Hier liegt vielleicht die Erklärung, daß auch jetzt keine
gesteigerte Nachfrage sich für di© Industrieerzeugnisse bemerkbar
macht.
Das Bestreben der Tischlermeister, direkt an Private zu ver-
kaufen, dauert an. Ganz große Möbelhäuser, wie sie sich mit
dem Größerwerden Berlins entwickeln würden, können sich neu
nicht bilden, denn die schon bestehenden haben mit der Konkurrenz
der Tischlermeister zu kämpfen. Es liegt auf der Hand, daß Berlin
sich damit eines zugkräftigen Mittels begibt, feine auswärtig*e
Privatkundschaft für den Möbelkauf anzuziehen. Gute, feine, aus-
wärtige Kundschaft wird sich niciit der Mühe unterziehen, bei
vielen Tischlern eine Einrichtung zusammenzukaufen. — Ueber
das mit diesen Tischlerbestrebungen Hand in Hand gehende
Agentenunwesen wird nach wie vor geklagt.
Die Bekämpfung der Händler durch Möbelmessen der Tischler
geht weiter, zum Unsegen beider und des Ansehens der Berliner
Möbelindustrie. Um diese Messen zu füllen, werden viele Aus-
steller herbeigeholt, die man zu den letzten Eirmen zälilen muß.
Die' allerbesten Firmen bleiben geflissentlich fern und die besten
imd guten sind so vereinzelt, daß sie nicht ins Gewicht fallen.
Es haben im ganzen vier Messen im Jahre 1913 stattgefunden,
zwei der Händler und zwei der Tischler, deren Ergebnisse so un-
befriedigend waren, daß die Parteien geneigt sind, mit den Messen
aufzuhören. Ob es geschieht, wird davon abhängen, ob beide
Parteien eine Einigung erzielen; andernfalls wird man im neuen
Jahre weitere dieser Märkte erleben.
Die Rückkehr zum historischen Stil ist im Jahre 1913 zu
einem gewissen Stillstand gekommen, soweit man allerdings
von historischem Stil reden darf. Denn die Art, wie man sich
seiner bedient, ist gegen früher ganz anders geworden. Stilrein
im historischen Sinne ist man heute überhaupt nicht mehr,
sondern man vereinigt Altes und Neues in einem Stück, so daß
es sich die Wage hält. Neben dieser Art entwickelt sich aller-
Idings in viel beschränkterem Maße, aber doch ganz stetig und
folgerichtig, eine gesunde, neue Stilart, die sich in der Haupt-
sache das Ziel setzt, die Gebrauchsform oder Zweckform rein
von all und jeder hindernden Beigabe zu entwickeln. Keines-
wegs ist sie schmucklos, denn sie strebt danach, die Möbel in
160. Möbelfabrikation und -handel.
519
feinste Verhältnisse einzukleiden, hebt das Material auf's beste
hervor und legt besonderen Wert auf eine vortreffliche Arbeit.
Diese drei Vorzüge geben den Sachen eine merkwürdige, aber
zeitgemäße Schönheit. Bei den äußerst vielseitigen Wünschen
und Zwecken, denen Möbel heute dienen müssen, erweist es
sich, daß diese Möbelart, die von Gegnern gern mit dem Wort
„Zweckmöbel" belegt wird, keineswegs zur Ee inseitigkeit führt.
Bei den Möbelstoffen, auch den Tapeten, ist man zu den
historischen Mustern in stärkerem Maße zurückgekehrt, als das
Publikum es wünscht. Die neuen, guten Mtister hat man da-
gegen zu wenig auf den Markt gebracht. Bei sämtlichen Stoffen
und Tapeten hat sich die schon im Vorjahre zum Ausdruck ige-.
kommene Farbenfreudigkeit noch erhöht. Besonders hat sich die
Buntheit gesteigert ., Zumeist sind aber die Farben gedeckt, so
daß bei aller Farbenfreudigkeit direkt frische, klare Töne in
allen Musterkollektionen gefehlt haben. Es hätten sich auch
dabei mehr Muster befinden dürfen, die entschieden „flächig"
wirken. Auch fehlte es an Tapeten und Stoffen, bei denen ein
einziger Ton entschieden vorherrschend war, das Bunte war zu
reichlich vertreten. — Vortreffliche Künstlermuster sind in be-
druckten Cretonnes auf dem Markt. Leider scheinen Künstler-
muster bei den gewebten Stoffen etwas ins Hintertreffen ge-
komlnen zu sein, wogegen die Tapetenindustrie sie reichlich bringt
und mit gutem Erfolg. Die Deutschen Farbwerke leisten in echten
Farben seit einigen Jahren so Hervorragendes, daß diese Farben
jegliche frühere Farbart und Farbe, die man immer als vortrefflich
schätzte, in der Haltbarkeit weit übertreffen. Diese Farben er-
möglichen es, ganz echt' zu färben, besonders ist das mit Baum-
wollstoffen der Fall. Von dieser ganz neuen Möglichkeit ist in
Deutschland nur ein geringer Gebrauch gemacht worden. Eng-
lische Fabriken bringen bereits seit drei Jahren vielfarbige baum-
wollene Giobelinstoffe auf den Markt, für die sie eine vollkonunene
Garantie in bezug auf die Farbe übernehmen. Es scheint, als
ob hier eine außerordentliche Perspektive für baumwollene, so-
wohl bessere als geringere Möbelstoffe sich eröffnet.
Im Jahre 1913 ist wieder nichts geschehen, waö Ordnung
in das Chaos der Musterschaffung hätte bringen können. Die
Art, wie Muster im Kunstgewerbe gemacht werden, muß durch-
aus anders werden, sonst kommen wir aus der Stillosigkeit nicht
heraus. Mit den heutigen Zuständenkönnen wir keine nennens-
werten Fortschritte auf dem Weltmarkt und im Export machen.
Wenn System in die Musterschaffung kommt, dann werden
krasse AVechsel ausgeglichen werden, und nicht, wie z. B. im
Jahre 1913, Hunderte von Musterzeichnern der Gardinenbranche
brotlos werden.
Möbel nach Künstlerentwürfen sind zimmerweise in größerer
Auflage hergestellt und von einer Gruppe von Möbelhändlern
520
X. Holz und Holzwareii.
Kosten
für Entwürfe.
Zusammen-
schlüsse.
Löhne '
und Preise.
Kolonialholz.
Abzahlungs-
geschäfte.
zum Verkauf gebracht worden, und zwar in der Weise, daß diese
Muster immer nur in je einer Stadt vertreten waren. Dem Ver-
nekoi'en nacli wird diestes g'esunde Vorgehen im künftigen Jahre
Nachfolge finden.
Eine V^ereinigung der besten deutschen Möbelfirmen ist in
Bildung begriffen, mit dem Ziele der Einigung dahin, daß iSüe
Mitglieder eine gegenseitige Verpflichtung eingehen, sich jeden
gemachten Entwurf bezahlen zu lassen und es z'u unterlassen,
kostenfrei Entwürfe den Kunden anzubieten. — Im verflossenen
Jahre ist wiederholt die sogenannte Eisenaeher G-ebührenordnung
in Anwendung gebracht worden.
In den letzten Jahren hat sioh eine ganze Eeihe von ,V|er-
einigungen in der Möblelindustrie gebildet, die nach und nach
ausgebaut worden sind und segensreich gewirkt haben. Die ge-
meinsamen Interessen werden gut vertreten und das Standes-
bewußtsein wird gehoben.
X)ie Tischlerlöhne sind gegen früher am 1. März um 3 o/o'
heraufgesetzt worden. Beschläge und Schlösser sind um 5 o/o teurer
geworden, Schellack um 25 o/o. Das Gaboonholz ist um 15 «/o
im Preise gestiegen, und zwar dadurch, daß die Dampfer es
nicht mehr wie früher als Ballast mitnehmen. Teppiche sind
um 5 o/o teurer, Baumwollwaren um 10 o/o, und für Jute ist der
Preis bis um 50 o/o gestiegen. Pflanzenfasern sind um 20 o/o |ge-
stiegen. Trotz der überaus schlechten Konjunktur haben alle
Preise die Tendenz höher zu. gehen.
Mehr und mehr bildet sioh das Gaboonholz äu einem wesent-
lichen Eaktor in der Möbelindustrie aus. In der Hauptsache wird
es für die Innenarbeit an Möbeln gebraucht, und es ist »ein will-
kommener Ersatz für die knapper werdende Eiche. Diese würde
wahrscheinlich erheblich teuerer .geworden sein, wenn der Gaboon-
ersatz nicht wäre. Der Uebelstand, den man zuerst mit diesem
Holz hatte, daß es sich schlecht schnitt, ist durch entsprechendes
Einrichten der Werkzeuge .beseitigt worden.
Die Zahl der Abzahlungsgeschäfte, wie ihr Umsatz in Mö-
beln, hat sich erheblich vermehrt. Es sind nicht allein Arbeiter,
die 'dort her ihre Einrichtung beziehen; mehr und mehr gehen
auch besser gestellte Personen zu diesem Kaufsystem über. Auf
solide 'Grundlage gestellt, .ist auch nicht viel dagegen einzuwenden
und 'deswegen sollten die guten Häuser ihr Augenmerk darauf
richten. Sie könnten so manches ordentliche Geschäft, das heute
die Abzahlungsgeschäfte übernehmen, selbst machen, und es wür-
den Üie Kaufenden zweifellos viel billiger und besser dabei fahren.
Diese 'Geschäftsart ist zweifellos solider als die bisherige Gie-
pflogenheit neuen großen Etablissements, wie Cafes, Theater,
Kinos die Ausstattung zu liefern und lange Ziele dafür einzu-
räumen. Dabei haben die großen Möbelfirmen in der letzten
Zeit sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Es wird jetzt dahin
160. Möbelfabrikation und -handel.
521
gestrebt, eine Vereinbarmig' zu treffen, daß bei solcben großen
Lieferungen, bei denen Kredit gefordert wird, das Eigentumis-
recht an den Möbeln bis zur ganzen Bezahlung vereinbart wird.
b) Küöbienmöbel.
Ließ schon das Jahr 1912 für die Küchenmöbelbranche viel
zu ^vünschien übrig, so machte sich naturgemäß der weitere allge-
meine Konjunkturrückschlag ebenfalls empfindlich bemerkbar und
so hat wohl das Jahr 1913 für keinen Küchenmöbelfabrikaaten
den gehegten Erwartungen entsprochen. D^r Umsatz ist zurück-
gegangen. Infolge der großen Konkurrenz wird mit einem nie-
drigen Nettoverdienst verkauft und die bedeutend vergrößerten
Lnko&ten, die das Jahr 1913 mit sich brachte, heben den mini-
male-n Verdienst ganz auf. Das Berichtsjahr dürfte daher wen^g
Kücihienmöbelfabrikanten einen Verdienst gebracht haben. Diiese
mißliche Lage veranlaßte besonders kapitalsschwache Firmen zu
bedeutenden Preisnachlässen. Damit war es aber nicht genug.
Es wurden besonders den Berliner MöbeUiändlern Konzessionen
gemacht, die dem Ansehen der Branche keinesfalls von Nutzen
s-ein können. Ist es doch' ein nicht mehr vereinzelt dastehender
Fall, daß Küchenmöbelfabrikanten sich den Möbelhändlern gegen-
über dazu herbeilassen, die gekauften Küchenmöbel bei einem ver-
lustbringenden Preise iu die Wohnung der einzelnen Privatkuuden
zu liefern. Der Grund derartig unhaltbarer Zustände liegt, wie
schon gesagt, in der großen und vielfach kapitalsschwachen Kon-
kurrenz. Schwer dürfte es daher auch sein, die Fabrikanten zur
Einschränkung ihrer Produktionen zu veranlassen, um so am
ersten einer Arbeit ohne angemessenen Verdienst vorzubeugen.
Schwer wurde die Branche in den letzten Jahren durch die fort-
laufenden Beschädigungen der verfrachteten Möbel geschädigt.
Irgendwelche Entschädigungen wurden unter dem Hinweis auf
die Deklaration: „Unverpackt laut allgemeiner Erklärung'' ab-
gelehnt. Bei und von den Aeltesten der Kaufmannschaft wurde
angeregt, für jede Beschädigung bei der Eisenbahn Verwaltung
Ersatz unter Androhung der Klage zu verlangen. Der Erfolg
war der, daß von da ab ausnah*mslo,ä die geforiderten Entschädi-
gungen zurückerstattat wurden, was in den Jahren vorher nie
gelungen war.
c) Ladeneinrichtungen.
AVenn schon das Jahr 1912 in geschäftlicher Beziehung
recht unbefriedigend Verlaufen ist, so hat sich die Lage der
Ladeneinrichtungsbranche im Jahre 1913 noch erheblich verschlech-
tert und zu einem geradezu trostlosem Zustande herausgebildet.
Während in den früheren Jahren wenigstens zum Quartalswechsel
Januar, April, Juli und Oktober, stets eine kurze Aufbesserung im
Geschäft zu Verzeichnen war, so ist auch diese im Berichtsjahre
522 X. Holz und Holzwaren.
vollständig ausgeblieben, so daß die meisten Betriebe das ganze
Jahr hindurch nur sehr schwach beschäftigt waren. Die Lage
der Unternehmer gestaltet sich daher immer schwieriger, zumal
die bestehenden Generalunkosten für die Betriebe oft erheblich
sind und fast immer auf der gleichen Höhe bleiben, gleichviel, ob
mehr oder weniger Aufträge vorliegen. Aus diesem Grunde müssen
die Unternehmer, falls nicht bald eine Besserung eintritt, um ihre
Existenz recht sehr in Sorge sein, zumal man sich die Frage
vorlegen muß, wodurch wohl eine Besserung bei der allgemeinen
ungünstigen wirtschaftlichen Krisis eintreten könnte, wann die
unsichere politische Lage, der teure Geldstand, das geringe Ver-
trauen zu Neuetablierungen und neuen Unternehmungen sowie
die große Arbeitslosigkeit in fast allen Industriezweigen, die
Abnahme der Einwohnerzahl in Berlin und nicht zum mindesten
die große Anzahl leerstehender Läden und G^schäftslokale eine
Wendung zum Besseren nimmt. Die Jagd nach neuen Auf-
trägen und die Preisunterbietungen bei in Aussicht stehenden
Arbeiten sind ganz ungesunde Erscheinungen, und die Anschläge
der Höchst- tind Mindestfordernden differieren oft bis zu 100 «o,
wodurch die Auftraggeber geradezu vor ein Rätsel gestellt werden.
Bei derartig großen Differenzen muß man als beinahe selbstver-
ständlich annehmen, daß die niedrig gestellten Preise doch nur
Verluste ergeben und die Arbeiten dementsprechend auch nur
höchst minderwertig ausgeführt sind. Die Erwartungen, daß
die Staatsregierung und die staatlichen Behörden in Anbetracht
der schweren Opfer, welche dem Gewerbe durch die Wehrvorlage
auferlegt werden, den Handwerkern Arbeiten und Lieferungen
des sich ergebenden Bedarfes auch in vollem Umfange übertragen
würden, haben sich nicht erfüllt, sondern nach wie vor werden
hierfür in erster E-eihe die Strafanstalten herangezogen, und nur
dann, wenn der private Gewerbetreibende in der Lage ist, mit
den von diesen Anstalten gestellten Preisen konkurrieren zu
können, hat auch er Aussicht, Aufträge zu erhalten. Da in den
Strafanstalten nur ganz geringe Arbeitslöhne gezahlt werden,
die anderen Unkosten aber ganz wegfallen, so ist es fast aus-
geschlossen, daß ein ehrlicher Handwerker Aufträge erhalten
kann, trotzdem es doch wohl eine Pflicht der Staatsbehörden wäre,
dafür zu sorgen, daß die erschreckend große Arbeitslosigkeit da-
durch etwas gemildert wird. Aus all diesen Gründen sind die
Aussichten für die Zukunft leider recht betrübend.. Die Pi^ise
der Hölzer sowie aller sonstigen Materialien sind trotz der schlech-
ten Geschäftslage fast sämtlich gestiegen. Der Umsatz ist gegen
das Vorjahr ganz erheblich zurückgegangen; der Grund hierfür
ist in der oben geschilderten allgemeinen wirtschaftlichen Krisis
zu suchen. Auch der Absatz nach dem Auslande hat ganz erheb-
lich abgenommen. Bei der außergewöhnlich großen Arbeitslosig-
keit in der gesamten Holzindustrie sind Arbeitskräfte stets in
160. Möbelfabrikation und -handel.
523
großer Anzahl zur Verfügung gewesen. — Die übliche Regulierung
bei Neueinrichtungen ist stets Kassazahlung bei Empfang der
Waxe; wenn andere Zahlungen vereinbart werden, so erstreckt
sich ein bewilligtes Ziel meist nur auf kurze Zeit und unter der
Bedingung, daß die Lieferanten sich das Eigentumsrecht bis zur
vollständigen Zahlung der Lieferung vorbehalten.
d) Büromöbel.
Fast alle mit Bezug auf die Ladeneinrichtungsbranche ge-
machten Ausführungen treffen auch für die Kontormöbelbranche
zu. Es fehlen auch hier die Käufer, da bei dem Publikum keinerlei
Vertrauen und Unternehmungslust vorhanden ist; indes ist diese
Branche doch insofern noch im Vorteil, als sie in der Lage ist, ihre
Fabrikate auf Lager arbeiten zu können, um in guter Zeit und
bei plötzlich eintretendem Bedarf über größere Vorräte verfügen
zu können. Aber auch hierin ist ein Stillstand eingetreten, die
Lager sind meist überfüllt und der Absatz ist sehr gering, so daß
die Fabrikation erheblich eingeschränkt werden mußte. Auch
in dieser Branche ist die Enttäuschung über die fehlenden Auf-,
träge, welche durch die Wehrvorlage erforderlich wurden, außer-
ordentlich groß.
e) Schulmöbel.
Erster Bericht.
.Der Gresciiäftszweig für Schule inrichtiingsgegenstände wird
durch den Umstand, daß die St^dt Berlin ihre Schuleinrichtungen
im Submissionswege an den Mindestfordemden vergibt und die
Arbeiten auch' an auswärtige Firmen in Auftrag gibt, wenn diese
die Mindestfordernden sind, in seiner Entwicklung stark ge-
hemmt. Eine Besserung ist in dieser Beziehung bis heute noch
nicht eingetreten und auch durch das bisherige Submissionswesen
nicht zu erwarten, da leider auch die anderen Behörden Groß-
Berlins in vielen Fällen die Aufträge selbst an süddeutsehe
Scihulmöbelfabriken vergeben, wenn diese die billigsten sind, ohne
Rücksicht darauf, daß die Gegenstände, waä Material und Ar-
beit anbetrifft, sich mit den hier in Berlin erzeugten nicht ver-
gleichen können. In letzter Zeit will allerdings die Stadt Berlin
derartige Lieferungen nur noch' Berliner Firmen übertragen und
hat die^ auch bei den letzten Lieferungen durchgeführt. Leider
kommt diese Maßnahme zu spät, nachdejm bereits' manche Fir-
men ihre Betriebe nach auswärts verlegt haben.
Zweiter Bericht.
Die Geschäftslage für Schulmöbel wurde im Berichtsjahre
durch gedrückte Preise ungünstig beeinflußt. Die in den Jahres-
berichten von 1911 und 1912 beklagten Submissionsmißstände
machten sich auch im Berichtsjahre 1913 stark fühlbar, wenn
auch nicht übersehen werden darf, daß manche Verwaltungen
524 X. Holz und Holzwaren.
mehr als früher bemüht sind, auf Angebot© mit angemessenen
Preisen ;auch dann den Zuschlag zu erteilen, wenn erheblich
niedrigere -Angebote vorliegen. Erschwert \vird die Zuschlags-
erteilung besonders dadurch, daß in den Kostenvoranschlägen
vielfach zu niedrige Mittel Vorgesehen sind, lieber eine zuweilen
erhebliche Herabsetzung der angeforderten und als notwendig
bezeichneten Mittel durch die nichttechnischen Behörden wird
geklagt. Die Beschaffung haltbarer Qualitätserzeugnisse wird
auf diese Weise erschwert oder völlig vereitelt. Die unwirtschaft-
liche laufende Aufwendung erhöhter Instandhaltungskosten findet
unzureichende Beachtung. Die technischen Beamten, die voll-,
wertige Erzeugnisse beschaffen wollen, setzen sich, wenn sie für
Aufwendung der erforderlichen höheren Geldmittel eintreten, der
Möglichkeit peinlicher Verdächtigungen aus. Es ist hierbei zu
bedenken, daß diese Beamten nicht über Sonderfachkenntnisse in
allen Gewerben derart verfügen können, um die Zweckmäßigkeit
der Aufwendung höherer Beschaffungskosten so klar und so über-
zeugend begründen zu können, daß auch nicht der Schatten eines
Verdachtes übrig bleibt. Es ist daher begreiflich, daß diese Be-
amten sich zuweilen scheuen, für Beschaffung vollwertiger Er-
Zeugnisse zu angemessenen Preisen nachdrücklich einzutreten,
besonders dann, ,wenn dies nur durch Beantragung von Nach-
bewilligungen zu erreichen ist. Dies ist auch eine der wesent-
lichen Ursachen, daß die Vergebung an den Mindestfordemden
noch vielfach die Regel ist. Bei Vergebung von Schulmöbeln ist
dieses Verfahren jedoch durchaus bedenklich, weil zumeist eine
vorherige genaue Festlegung der verlangten Leistung unterlassen
wird. Die Handhabung der Submission läßt vielfach eine Be-
achtung der sozialen Bedeutung der Käufersitten durchaus ver-
missen.
Notstands. Von einzelnen Verwaltungen wurde zu Ende des Berichts-
Jahres die Herstellung von Schulbänken und Schulmöbeln als
sogenannte Notstands arbeiten vergeben, wobei die Lieferung erst
nach Jahresfrist zu erfolgen hat. Das neue Jahr dürfte durch
diese Vergebung ungünstig beeinflußt werden.
161. L ei t er f abr ik a tion.
Je größer der Konsum in Leitern jeder Art wird, je nie-
• driger werden die Preise. Da aber Material und Arbeitslohn
nicht billiger geworden sind, so muß die Qualität darunter leiden.
AVahrend früher für Hausleitern mindestens 3/4 zölliges Holz
Verwendung fand, ist die Stärke der Holme jetzt kaum noch
16 bis 17 mm. Auch die Stufenentfemungen werden enger ge-
macht, um auf diese Weise den Schaden gutzumachen. Es wird
von Interessenten behauptet, daß diese Minderqualitäten dem
System einer bestimmten Art von Käufern zu verdanken seien,
die Preise immer m.ehr zu drücken, gleichviel, wie die Ware aus-
163. Wagen- und Karosseriebau. 525 »
sieht. Es sei zu verwundern, daß solche Leitern noch hielten
und verhältnismäßig nicht mehr Unglück passiere. In der In-
dustrie- und in der Geschäftswelt wird jetzt, abgesehen von
einigen der größten Firmen, die nur das billigste Angebot akzep-
tieren, doch mehr Wert auf die Sicherheit der Leitern gelegt.
Man hat auch in dieser Beziehung von Amerika gelernt und ein-
sichtsvolle, größere Detail- und Engroßbetriebe lassen in ihren
Lokalen fahrbare, auf Schienen laufende, Ex)lleitern anbringen.
Die Bautätigkeit, und dadurch auch der Bedarf in Leitern der
Handwerker, ruht noch immer. Eine Belebung des Geschäfts trat,
wie in den Jahren vorher, nur im April und Oktober ein; sonst
war e® ziemlich still und von einer merklichen Erhöhung der
Umsätze ist kaum zu sprechen. Es ist sogar anzunehmen, daß
eher ein Rückgang bei den meisten Firmen eingetreten sein wird.
Im allgemeinen ist der Geschäftsgang gleich dem Vorjahre noch
immer ziemHdh schlecht und es dürfte auch in nächster Zeit kaum
eine Besserung zu erwarten sein.
162. Parkettfabrikation.
Im vorjährigen Bericht wurde darauf hingewiesen, daß das
Geschäft im III. Quartal merklich nachließ. Noch ruhiger wurde
das 'Geschäft im Winter und auch von der darauffolgenden Bau-
saison kann nicht gesagt werden, daß sie Fabriken oder Lege-
geschäfto irgendwie befriedigte. Im^ Gegenteil, der Umsatz im
Jahre 1913 ist wesentlich hinter dem Vorjahre zurückgeblieben,
denn ausweislich der Beobachtungen des Konventionsigebieteg
stellte sich das Verhältnis des Umsatzies von 1913 zu, 1912 wie
7 : 10. Ergeben diese Ziffern schon eine recht bedenkliöhe Ab-
nahme des Absatzes, die eine Anhäufung der Vorräte und viel-
fache 'Betriebsbeschränkungten zur Folge hat, so kommt noch der
Umstand hinzu, daß durch Anwendung von Kampfpreisen gegen-
Kiber den Außenseitern, besonders in den letzten Monaten, recht
mäßige Preise erzielt wurden. Während die Preise von 7,50 pro
Quadratmeter für eichene Stabfußböden, und 11 Mk. für furniert©
Tafelparkette nur nominell waren, wurden Verkäufe bis zu
6,75 Mk. bzw. 10 Mk. getätigt, zum Schaden der Fabriken, ins-
besondere aber der Legegeschäfte. Das Parkettgeschäft krankt im'
allgemeinen 'daran, daß kleine Fabriken mit mäßigem Kapital wie
Pilze aus der Erde schießen, die aus G^ldbedürftigkeit üire Er-
zeugnisse unter allen Umständen an den Mann ztu bringem sfuohen,
femer an der allgemeinen Ueberproduktion und nicht zuletzt an
der absoluten Uneinigkeit der Fabriken.
'. 163. Wagen- und Karosseriebau.
Erster Bericht. Erster Bejicht.
Die Abnahme der Bestellungen auf Luxuswagen hat sich
noch weiter vergrößert; die Fabrikation und der Verkauf von
526 X. Holz und Holzwaren.
Luxuswagen stellten sicK ungefähr auf 2 o/o des übrigen Umsatzes
der Berliner TVagenfabriken. AVälirend noch im ersten Halb-
jahr und noch bis in den August die Bestellungen auf Luxus-
karosserien verhältnismäßig reichlich eingingen, ließen von da
ab die Auftragseingänge in fast allen Fabriken in auffallender
AVeise nach. Lediglich die russisohen Orders, welche teilweise
durch die Ausstellung in Petersburg hereingekommen w^aren und
auch ihrerseits wieder Nachbestellungen nach sich zogen, dienten
dazu, um Üie hier im Inland mangelnden Aufträge zu ersetzen;
aber auch nur für einige wenige Fabriken. Naeh Erledigung
dieser Bestellungen trat, w^ie schon gesagt, eine vollkom.mene
Kühe ein, iind nur wenige Aufträge wurden erteilt. Ihren Grund
hat diese 'Erscheinung in der allgemeinen ungünstigen Greschäfts-
lage, deren Folgen sich natürlich zuerst für alle diejenigen In-
dustriellen bemerkbar 'machen, die von einem gewissen Luxus in
der Lebenshaltung ihrer Abnehmer abhängig sind. So wurde
zuallererst natürlich Üer Bedarf an Luxusautomobilen bzw. -ka-
rosserien eingeschränkt, und begnügte sich mancher, der bei eiaem
guten Geschäftsgang vielleicht eine neue Karos,serie angesehafft
hätte, mit 'der alten und ließ nur die allemotwendigsten Repa-
raturen vornehmen. 'So ist im allgemeinen die geschäftliche Lag»e
der Karosseriefabriken 'sehr ungünstig, und auch noch keine Aus-
sicht auJ' eine bessere Zeit vorhanden. — Das Eindringen der
amerikanischen "Wagen hat sich weiter durchgesetzt. Eine glx>ße
Anzahl Reflektanten auf deutsche Wagen und somit auch deutsche
Karosserien wandte sich dem amerikanischen Fabrikat, das aller-
dings billiger ist, aber bei weitem nicht die lange Lebensdauer
des deutschen Fabrikates hat, zu, wodurch der deutschen Ka-
rosserieiadustrie eine ganze Anzahl Aufträge entgangen ist.
Femer machte sich im Geschäftsgang der deutschen Karossiers
der Entschluß der deutschen Motorfahrzeug-Industriellen recht
fühlbar, die die Anfrage des Ministeriums, ob der Veredelungs-
verkehr für ausländische Chassis zugelassen werden sollte, ver-
neinten. Eine große Anzahl der bekannten italienischen und
schweizerischen Chassisfabriken lassen z. B. ihre Chassis in Bel-
gien für den Export karossieren, und der Umsatz in diesem
Teil der belgischen Industrie beläuft sich auf über 10 Millionen
Francs. Von den Abnehmern selbst ist aber erklärt w^orden, daß
das deutsche Fabrikat dem fremden mindestens gleichwertig* sei,
die Unkosten der vom Deutschen Heich veranlaßten Verzollung
der Chassis machen die deutsche Konkurrenz aber leistungsun-
fähig, und dadurch gehen ihr große Werte verloren. Gerade
jetzt, wo ^ier der Absatz mangelt, wäre ein Auslandsabsatz sehr
nötig. — In den Arbeiter- und Lohnverhältnissen ist keiae
wesentliche Veränderung eingetreten. Die Löhne sind im Stei-
gen begriffen, allerdings nicht mehr in der rapiden Art wie
vor ein oder zwei Jahren. Zurzeit ist auch hierin ein^Stililstand
164. Fabrikation von Bierfässern. 527
eing^etreten, und 'es mußten infolge der geringen BeschäftigtLag"
sogar Arbeitszeitverkürzungen, 'teilweise sogar Entlassungen vor-
genommen werden. Eine Preisveränd.erung der Materialien ist
nicht eingetreten, Wenigstens! nicht eine solche, daß dadurch eine
Preisänderung der Fabrikate dringend nötig wurde. Leder, Lack
imd Holz bewegten sich in langsam aufsteigender Linie, wäh-
rend Eisen teilweise niedriger notierte.
Zweiter Bericht. ZweiterBerloht.
Zuerst waren es die politischen Schwierigkeiten, später in
noch vermehrtem Maße der fortgesetzt hohe Zinsfuß, die lähmend
auf das Geschäft im Wagen und Karosseriebau einwirkten. Der
Wagenbau hat fast ganz aufgehört, wenigstens soweit es sich um
Luxusequipagen handelt. Im Karosseriebau dürften allgemein
die Aufträge wohl um ein Drittel der sonst üblichen Zahl zurück-
gegangen sein, da die Anschaffung neuer Automobile in diesem
Jahre nachgelassen hat. Eine Anzahl Berliner Firmen der Ka-
rosseriebranche hat den Ausfall der Inlandaufträge durch Ge-
schäfte nach Rußland decken können. In Rußland sind deutsche
Karosserien sehr angesehen und beliebt; man verlangt selbst
auf französischen, belgischen und italienischen Chassis deutsche
Karosserien und nicht diejenigen der Herkunftsländer der Chassis.
Ein großes Hindernis für das Geschäft nach Rußland ist der
Kachteil, daß wir in Deutschland keinen zollfreien Durchgang
ausländischer Chassis durchsetzen können, wenn diese Chassife
in Deutschland karossiert werden. Rußland speziell ist für den
deutschen Karosseriebau ein großes Absatzgebiet; auch Süd-
amerika ist sonst sehr aufnahmefähig, leider lagen im Jahre 1913
die Geschäfte dort sehr darnieder. Das deutsche Geschäft in der
Karosseriebranche kann nur belebt werden, wenn wir dauernd
niedrigere Zinssätze bekommen. Der inzwischen herabgesetzte
Bankdiskont hat das Geschäft noch- nicht belebt. Zurzeit be-
stehen in fast allen Fabriken Betriebseinschränkungen.
164. Fabrikation von Bierfässern.
Der flotte Geschäftsgang des Jahres 1912 übertrug sich auch
auf das erste Halbjahr des Jahres 1913, während im zweiten
Halbjahr die Kachfrage sehr nachgelassen hat, was darauf z*u-
rückzuführen ist, daß auch die Brauereien von der allgemeinen
Depression, unter der die gesamte Industrie leidet, in Mitleiden-j
Schaft gezogen sind, und daß bei Lagerfässern die Konkurrenz
der Metallgefäße sich immer stärker bemerkbar macht. Die
Preise für Faßholz sind allerdings nicht weiter gestiegen, doch
macht die Beschaffung guten Materials immer größere Schwie-
rigkeiten. Die Preise für fertige Fabrikate lassen sich nur schwer
und auch nur von jenen Firmen, die ein anerkannt gutes Fabrikat
auf den Markt bringen, auf der notwendigen Höhe halten, da durch
528 X. Holz und Holzwaren.
die geringe Nachfrage manche kleinere Fabriken durch großes
Lager in fertigen Gefäßen' zu Zwangsverkäufen gezwungen wer-
den, was von den Abnehmern oft zu billigen Einkäufen benutzt
wird, ohne Rücksicht darauf, ob nicht bald erforderliche Repara-
turen den Preis der billigeren Fässer wieder erheblich herauf-
setzen. Die Preise für Bandeisen sind in den letzten drei bis vier
Monaten ziemlich bedeutend gefallen, doch herrschen schon wieder
Kartellierungsbestrebungen, so daß bald von neuem das frühere
Preisniveau erreicht werden dürfte. Die Arbeitslöhne sind in den
Tarif Verhandlungen im Frühjahr um ca. 8 bis 10 o/o, und für einige
Dimensionen noch mehr, erhöht worden, und diese Erhöhung
muß zum allergrößten Teil von den Fabriken allein getragen
werden, da sie sich nicht auf die Abnehmer abwälzen läßt. Die
Aussichten für die neue Kampagne sind nicht sonderlich günstig,
da durch die schlechte allgemeine Lage der Industrie der Absatz
nur sehr sch^wer zu halten sein wird, wenn er nicht sogar zurück-
geht. Allerdings dürfte durch die billige Gerste den Brauereien
besondere Vorteile geboten werden, die durch die gegen das
Vorjahr höheren Hopfenpreise voraussichtlich nicht aufgehoben
werden. Viel hängt auch von den Sommermonaten ab, in denen
andauernde schöne Tage den Bierkonsum sehr fördernd beein-
flussen. Der Sommer 1913 hat hierin die Erwartungen sehr ent-
täuscht. Bei einem heißen Sommer können also die Brauereien
auf ein halbwegs erträgliches Jahr rechnen, was natürlich in der
Folge von großer Wichtigkeit für die Faßfabrikation wäre.
165. Goldleistenf abr ikation.
r
Die ungünstige Wirtschaftslage im verflossenen Jahr ist
auch auf die Goldleistenfabrikation nicht ohne Einfluß geblieben.
Die kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan haben den Export
nach diesem Gebiet fast gänzlich brach gelegt. Ferner haben die
schlechten Verhältnisse auf dem Geldmarkt nicht nur auf den
Absatz nach anderen Ländern lähmend eingewirkt, sondern auch
auf dem inländischen Markte zur Einschränkung des Kredites
gezwungen und damit eine Verminderung des Umsatzes zur Folge
gehabt. Ebenso war der Absa/tz in Tapetenleisten in diesem Jahre
außergewöhnlich gering, was auf die Krise in der Bautätigkeit
zurückzuführen ist. Es kann demnach die Beschäftigung der
Goldleistenf abrikation im Jahre 1913 nur als recht mittelmäßig
bezeichnet werden. Die Branche liegt sehr darnieder, und eine
Besserung dürfte in absehbarer Zeit kaum zu erwarten sein. Wir
haben, abgesehen von den im letzten Jahre noch hinzugetretenen
ungünstigen Umständen, die allgemeinen Gründe für diese Er-
scheinung in früheren Berichten eingehend klargelegt. Ganz
besonders haben wir wiederholt betont, und möchten dies auch
diesmal nicht unterlassen, daß bei Abschluß der bestehenden
167. Holzpflasterfabrikation. 529
Handelsverträge die Interessen unserer Branche gänzlich unbe-
rücksichtigt gelassen wurden und daß bei den bevorstehendedl
neuen Abschlüssen auf sie unbediagt Rücksicht genommen werden
muß, um dem Eabrikationszweige die Lebensfähigkeit auf dem
AVeltmarkt zu erhalten.
166. Kistenfabrikation.
Die Beschäftigung in der Kistenfabrikation war im ver-
flossenen Jahre sehr mäßig, da die Krisis des vorangegangenen
Jahres auch in diesem Jahre fast bis zu Ende anhielt. Trotz des
schlechten Geschäftsganges haben sich niedrigere Einkaufspreisie
bei Kistenbrettern nicht erzielen lassen, weil die Mühlen schon
infoige der vorjährigen schlechten Geschäftslage diese Gattung
Ware bedeutend weniger produzierten und somit ein übergroßes
Angebot darin nicht vorlag. Mithin war auch auf dieser Seite
der Branche ein Erfolg zur Verbesserung der Lage nicht zu er-
reichen. Ebenso ungünstig in bezug auf Beschäftigung und Ein-
kauf sind auch die Aussichten für das Jahr 1914, und falls nicht
bald eine Besserung der allgemeinen Geschäftslage eintritt, dürfte
es in der Branche trostlose Zeiten geben.
167. Holzpflasterfabrikation.
Der Bedarf an Holzpflaster hat im Berichtsjahre eine erfreu-
liche Steigerung erfahren, was wohl in erster Linie darauf zurück-
zuführen ist, daß auf dem Internationalen Straßenbau-Kongreß in
London die Holzpflasterfrage eine durchaus günstige Beurteilung
gefunden hat. Die guten Erfahrungen, die mit unter Hochdruck
imprägnierten nordischen Kiefernhölzern in England gemacht
worden sind, gaben in Deutschland den städtischen Baubehörden
Veranlassung, größere Ausführungen in Auftrag zu geben. Auch
die Holzpflasterungen im Straßenbahnkörper haben sich weiter
gut bewährt und haben sehr an Ausdehnung zugenommen. Die
Verwendung von australischem Hartholz hat fast ganz aufgehört,
da die Mißerfolge in den letzten Jahren sich ständig gemehrt
haben. Die Hohmaterialpreise in Schweden sind wieder gestiegen.
Ebenso haben die Preise für Teeröl, Pech und Teer eine bedeutende
Steigerung erfahren. Durch die Mehraufwendungen an Im-
prägnieröl und die Kosten der Hochdruckimprägnierung war auch
eine Erhöhung der Verkaufspreise bedingt. Die Pflasterungen
von Fabrik- und Innenräumen haben bedeutend an Umfang zu-
genommen. Das dafür verwendete inländische Holz war infolge
Xiederliegen des Baumarktes billiger angeboten als in den Vor-
jahren. Arbeitskräfte waren genügend angeboten, und die Löhne
blieben gegen das Vorjahr meist unverändert. Für das neue Jahr
sind die Aussichten nicht ungünstig.
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 34
530 XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
168. Kinderwagen.
Die Beschäftigung in der Kinderwagenfabrikation war auch
im verflossenen Jahre lebhaft. Zu Beginn der Saison war die
Nachfrage derartig stark, daß die während der stillen Zeit
auf Lager gearbeiteten Vorräte in kurzer Zeit vergriffen waren.
Da der Kinderwagen als Konsumartikel iminer mehr den Schwan-
kungen der Mode unterliegt, so begnügen sich auch die Familien
der ärmeren Klassen tai'eist nicht mit einem Kinderwagen für
ihren Nachwuchs, sondern sind zu Neuansdhaffungen besonders
geneigt. Dieser Umstand komlnt der Kinderwagenindustrie
•natürlicherweise zugute. Die vor einigen Jahren auf den Markt
gebrachten Klappwagen erfreuten sich zum Nachteil der eigent-
lichen Liegewagen einer auffälligen Bevorzugung, weil sie nicht
nur billiger, sondern infolge ihrer konstruktiven Eigenart leicht
zu handhaben waren und wenig Platz beanspruchten. Da diese
Gattung von Fahrzeugen fälschlicherweise oft auch gleichzeitig
als eigentliche Liegestätte für Neugeborene benutzt wurde, 'wurde
von Seiten der Fabrikation aufklärend auf den Zweck dieser
nur füi" vorübergehenden Aufenthalt bestimmten Wagen hin-
gewiesen und die Bedeutung des eigentlichen Liegewagens her-
vorgehoben. Die nach dieser Richtung zielenden Bestrebungen
sind nicht ohne Erfolg geblieben, denn die Nachfrage nach den
früher ausschließlich verwendeten Liegekinderwagen hat sich
wieder 'wesentlich gesteigert. — Ein besonderer Saisonartikel
sind die Puppenwagen, die zum großen Teil in völlig gleicher
Weise hergestellt und ausgestattet werden, wie die eigentlichen
Kinderwagen, und die sich namentlich um die Weihnachtszeit
als Geschenkartikel einer mehr und mehr gesteigerten Beliebt-
heit erfreuen^ Während die besseren Modelle in den wohl-
habenden Kreisen, namentlich der Großstadt, besonders begehrt
werden, verlangen die Spezialgeschäfte der Kleinstadt, durch
die auch die Abnehmer auf dem Lande versorgt werden, nach
wie vor in großen Mengen die einfacher ausgestatteten Puppen-
wagen.
XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
169. Grundstückshandel und Hypotheken.
Diem Jahresbericht des VereLasi Berliner Grundstücks- und
Hypothbken- Makler zu Berlin entnehmen wir für den Grund-
besitz und Hypothekenverkehr folgende Angaben:
ünse.' diesjähriger Bericht könnte in seinem allgemeinen Teil
ein. Stimmungsbild für ganz Deutschland abgeben. Aus allen
Gauen des Reiches treffen die gleich ungünstigen Nachrichten
169. Grundstückshandel und Hypotheken. 531
über den Niedergang des Immobilien-Marktes ein, und ist dies die
zweifellose Folgt^. einer zentralen Ursaebe. Ueberall Rückgang
der Umsätze, vielf aeb' aucb der Preise, Hypotbekennot imd die
damit verknüpfte Zunabine der Subbastationen. Es liegt klar
auf der Hand, daß die Sebwere der Gesetzgebung in erster Liaie,
dann aber aacb die weiter unten erwäbnte Verteuerung und
Schwierigkeit die Hypotbeken-Bescbaffung die Krisis im Grund-
Btücks- und Hypotbeken-Gesebäft verursacht bat. Diesmal ist
es nicb't der w^bselw irkende Kreislauf von Hypotheken- und
Grundstücksverkebr, sondern jeder einzelne dieser Geschäfts-
zweige liegt unabhängig von einander darnieder; ein Zusammen-
treffen, welches den Gesamtmarkt doppelt erschüttern mußte. Man
müßte doch annehmen, daß in einem Jahr industrieller Hoch-
konjunktur, welche bis fast über die erste Hälfte dieses ßeriöhts-
jahres anhielt, normalerweise auch das^ Baugewerbe und der
Grundstücks- und Terrainhandel hätte blühen müssen. D'uröh das
Gegenteil ist unumstößEch der Beweis erbracht, daß, wenn auch
in Gemeinschaft mit den schlechten Geldverhältnisßen, doch in
der Hauptsaehe ein so hervorragender Geschäftszweig wie der
Immobilienverkehr durch eine unsachgemäße gesetzliche und
steuerliche Politik erdrückt wurde. Der Grundbesitz, welcher
den größten und unbeweglichen Teil unseres Nationalvermögens
darstellt, bildet eine der wichtigsten Grundsäulen unseres Wohl-
standes. AYenn daher einstimmig aus allen Städten Deutschlands
ein Notschrei der reellen Hausbesitzer ertönt, welche (besondersi
dem Mittelstand angehörend) die Lasten und Bürden kaum mehr
ertragen können und um ihren Besitz kämpfen, so sind wir in
erster Linie berufen, denselben in ihrem Kampfe beizustehen.
Wir haben begründete Aussiebt, daß eä uns in Gemeinschaft mit
anderen Interessentengruppen gelingen wird, das Ohr des Ge-
setzgebers zu erreichen, um wenigstens die notwendigsten Er-
leichterungen und dadurch auch wieder die Hebung des Marktes
blerbeizuführen. Die durch den Reichstag erfolgte Abänderung
des Refcbszuwacbsisteuer-Gesetzes bildet ja schon einen kleinen
Lichtblick, kajin aber erst dann zu einer eingreifenden Besse-
rung führein, wenn den Kommunen eine für den Grundbesitz er-
träglicbto Steuergrenze gesetzt wird. Unter den beschriebenen Um-
ständen kann es nicht verwundem, wenn die Abschlüsse fast
sämtlicher Terrain-Gesellschaften unter der mißlichen Lage leiden,
und dieselbe mehr oder minder gleichlautend in allen Geschäfts-
berichten geschildert haben. Es ist allerding*s dabei zu bemerken,
daß eine Anzahl unbegründeter und daher ohnehin nicht
prosperierender Gesellschaften die schlechte Situation des Marktes
als willkommenen Vorwand für üire erhöhten Unterbilanzen be-
nutzten. Die Riesen-Umsätze früherer Jahre in der Berliner City
haben jetzt einem ruhigen Geschäft Platz gemacht. Die Expan-
sionslust und -Fähigkeit der großen Ge^häftsfirmen sind zum
34*
532
XI. Grundstückshandel imd Hypotheken.
ZwangsveV'
Steigerung«'
Umsätze/
Stillstand gekommen, und auch^ die Spekulation ist dem Grund-
s tücksverkehr ferngeblieben. Ebensowenig sind in den neuen
westlichen Geschäftsstraßen weitere Steigerungen eingetreten^
Die Umsätze haben sich auch hier wesentlich verringert. Zu-
folge der ^schilderten mißlichen Situation des Gesamtmarktes
und der vielseitigen Bedrängnis des Grundbesitzes, insbesondere
durch' die erhöhte Zinsenlast konnte es nicht ausbleiben, daß ein
AVertrückgan^ in Hausgrundstücken eintrat, der noch durch die
zahlreichen Subhastationen gefördert wurde. Wenn sich aucTi die
Mietverhältnisse durch die Verminderung der leerstehenden Woh-
nungen und den Eückgang der Bautätigkeit gebessert haben, so
wiegt dieser Umstand allein doch lange nicht die übrigen Mi-
seren auf. Die schwere und teure Hypothekenbeschaffung, die
bereits erwähliten Steuerlasten, femer der immer noch genügende
Ueberfluß an leeren Wohnungen und schließlich das Bestreben
des Publikums, sich einzuschränken, haben in allen Stadtteilen
Angebote von Häusern zu billigen Preisen hervorgerufen. Hin-
zu kommt noch, daß häufig bei Zwangsversteigerungen die Grund-
stücke für die ersten Hj^potheken ersteigert wurden, da die zur
zweiten Stelle stehenden Gläubiger von dem Erwerb Abstand
nehmen mußten, weil sie nicht in der Lage waren, die Aufwen-
dungen für rückständige Zinsen und BesitzWedhselabgaben auf-
zubringen, zumal, wenn über die Mieten auf viele Quartale hin-
aus anderweitig verfügt war. Alle diese Umstände übten einen
Druck auf die merkantilen Grundstückswerte aus'. Wäre es mög-
lich, das immobile Vermögen kursmäßig auszudrücken, so würden
hierbei starke Kurseinbußen zutage getreten sein. Bei den vielen
ungünstigen Einzelheiten konnte es nicht ausbleiben, daß sich'
zahlreiche Insolvenzen einstellten, welche zuweilen den Markt
zu ersdliüttern drohten. Am deutlichsten wird das Bild des
Marktes in den großen Kursrückgängen fast aller, an deutsdhen
Börsen notierten Grundstücks- und Terrainwerte widergespiegelt.
Die Zahl der in nachfolgender Tabelle aufgeführten
Zwangsversteigerungen hat zwar numerisch gegen das Vor-
jahr abgenommen, jedoch ist das Ergebnis' gegen normale Jahre
immer noch erschreckend hoch. Das einzige Erfreuliche an der
Situation der Immobilienbranche ist neben der Besserung des
AVohnuLgsmarktes die diesjährige Verbesserung der Verkehrs-
verhältnisse der trotz allem rastlosen, wenn auch gehemmten Ver-
größerung Groß-Berlins. Die Hoch- und Untergrundbahn hat sich
sowohl nach Norden als auch nach Westen beträchtlich ausge-
delmt. Mit der Elektrisierung der Stadtbahn wird begonnen,
ebenso mit dem Bau der Nord-Süd- und Ost-Westbahii.
Der Eückgang der Gesamt-Umsätze für Groß-Berlin war
g'-ewaltig. Sie betrugen laut endstehender Tabelle 462,38 Mill.
Mark gegen 629,80 Mill. Mk. im Vorjahre und 688,21 MilL
Mark im Jahre 1911. Wir konnten daher einen kaum jemals
169. Grundstückshandel und Hypotheken.
533
dagewesenen Umsatz-Rückgang von ca. 167,40 Mill. Mk. fest-
stellen.
Tab. 14a Freiwillige Veräusserungen bebauter und unbebauter Grundstücke
in Tausend Mark:
Berlin . . .
Charlottenburg
Schöneberg
"Wilmersdorf
Neukölln .
Steglitz . .
Pankow . .
1907
569 150
137 398
55 712
55 120
76 714
25 683
11 747
1908
309 879
96 436
51530
44 995
45 410
15 206
7 476
1909
383 294
116 991
81582
63 141
42 439
21442
7 210
1910
400 482
110312
36 805
69 068
34 733
33 427
13 051
1911
290 126
78 395
45 014
44 705
32 026
25 203
13 169
1912
295 240
85 834
23 879
31183
22 777
12 041
5 865
1913
190 772
40 587
13 596
31091
16 158
K)132
2 825
931524 570 93J 716 099 697 878 624 923 476 819 305 161
mithin sind die Umsätze im JaJire 1913 gegen das JaJir 1907
woa. 626 363 000 Mk. = 66 o/o zurückgegangen.
(Die Differenz bei den Zahlen gegen früher rührt daher, daß bei den
früheren Zusammenstellungen für Berlin der Gesamtumsatz einschließlich
der Vererbungen in Ansatz gebracht wurde.)
Die Zwangsversteigerungen zeigen aber im Jahre 1913 gegen
daÄ Jahr 1907 eine Zunahme von nicht weniger als 190 o/o.
Tab. 144. Zwangsversteigerungen bebauter und unbebauter Grundstücke
(für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. September) in Tausend Mark:
1907
1908
1909
1910
1911
1912
1913
Berlin . . . . 36 445
62 130
72 365
72 173
68 642
92 139
134 208
Charlottenburg 18 725
21593
18 604
15 761
25 503
25 167
34 274
Schöneberg . 5 195
6 167
3 770
5 666
8 450
14 045
17 427
Wilmersdorf . 11688
15 880
20 344
16 287
20 781
32 169
22 553
Neukölln . . 14 831
23 412
19 241
21552
28 073
30 759
25 584
Steglitz ' . . . 1 009
5 693
3 305
3 390
7 570
16 198
19 493
Pankow . . . 3 024
3 897
2 785
7 689
8 630
12 812
7 991
zusammen 90 917
138 772
140 414
142 518
167 622
221 289
261 530
Zunahme im Jahre 1913 seit 1907 um 170 613 000 Mk.
190 Vo-
Wir haben bis Ende 1913 die folgende Anzahl der Zwangs-
versteigerungen festgestellt :
1911
1912
1913
Amtsgericht
Berlin-Mitte 205
272
294
«
Berlin -Wedding .
212
207
195
n
Berlin-Tempelhof .
12
35
48
„
Berlin-Schöneberg
150
236
138
Weißensee . . .
47
38
45
V
Lichtenberg . . .
178
132
186
Groß -Lichterfelde .
74
109
110
Pankow ....
105
193
119
289
79
n
Charlottenburg. .
215
Neukölln
181
281
151
1357 1718 1461
Dies ergibt eine Verminderung von 257 Zwangsversteigerun-
g&n. gegen 1912.
Nach den Veröffentlichungen des Statistischen Amts der
Stadt Berlin betrug die Zahl der Rohbauabnahmen vom
Berlin.
534
XI. Grundstäckshandel und Hypotheken.
Charlotten
bürg.
1. Okt. 1912 bis 1. Okt. 1913 397 (1911/12 563). Es' wurden 948
(1911/12 1276) Bauscheine und 3593 (1911/12 3541) Baugenehmi-
gungen erteilt, von denen 678 (1911/12 1622) Neubauten betrafen.
Gebrauchsfertig wurden 332 (1911/12 374) Häuser. Hierduroh
wurden 5165 (1911/12 5749) Wohnungen mit 10 296 (1911/12
12186) Zimmern neugeschaffen. Läden wurden 676 (1911/12 725)
fertiggestellt. Die Zahl der Abbruche betrug 116 (1911/lä i29),
die 1013 (1911/12 1231) Wohnungen mit 2463 (1911/12 3227)
Zimmern enthielten. Auch aus dieser Zusammenstellung ergibt
sich, daß, von ^Umbauten und kleinen Bauarbeiten abgesehen,
die eine Zunahme ^aufweisen, sich der Baumarkt erheblich ver-
schlechtert hat. Hierdurcli wurde natürlicherweise das Woh-
nungsangebot geringer, denn es wurden gegen 1911/12, unter
Berücksichtigung der Abbruche, im Berichtsjahre 366 Wohnungen
mit 1126 Zimmern weniger als im Vorjahre fertiggestellt.
Besonders sind in Charlottenburg die freiwilligen Verkäufe
um tiber 50 o/o gesunken, während die Bietungsbeträge der Zwangs-
verkäufe um tiber 33 o/o stiegen. Infolge der großen Einschrän-
kung der Bautätigkeit ist das Wohnungsangebot wiederum
günstiger geworden, da nach den Ergebnissen der letzten Zahlung
am 7. November 1913 nur 2,7 o/o aller Wohnungen leer standen.
Von den Zweizimmerwohnungen sind nur 1,34 o/o unvermietet
geblieben.
Tab. 145.
Wohnungsstatistik für Charlottenburg.
Anzahl der Wolinungen am 7. November 1913 nach der Zimmerzahl«
Jahr
1 Zimmer 1 Zimmer
|i 0. Küche m. Küche
2 Zimmer
0. Küche
2 Zimmer
m. Küche
3 Zimmer 4 Zimmerjö Zimmer 6 Zimmer! mehr als
m. Küche m. Küche m. Küche m, KücheiG Zimmer
Wohnunge:
überhaupt
1912 w
1913 1
1912 !l
1913
1270 15 334
160 26 811
15 388 8070
5188
3414 5974
36
149
Anzahl der leerstehenden Wohnungen
361 (=1.347o) I _32%/^
316
323
282
381
81609
2205
2,7 7.
Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Gewerberäumen 7339: davon leer 352 = 4,7 7o-
Die Weiterentwic;klung des Stadtbildes ist durch die man-
gelnde Bautätigkeit gehindert worden, auch von selten der Stadt
wurden nur wenige Straßen anbaufähig hergestellt. Die wichtige
Verlängerung der Windscheidstraße über den Bahnhof Charlotten-
burg hinaus ist in Angriff genommen, ebenso der Bau des Bahn-
hofs AVitzleben. Die Eröffnung des erweiterten Untergrundbahn-
hofes Wittenbergplatz und der kurzen Strecke bis zur Uhland-
straße ist freudig begrüßt worden. Andere bedeutende Verkehrs-
verbesserungen sind in Westend beabsichtigt, die gleichzeitig mit
der Regulierung der Straßen 9 g und 5 a bewirkt werden sollen.
Vom Bahnhof Jungfemheide wurde eine Straßenbahnlinie durdi
den Nonnendamm verlängert, so daß auch dieser Teil CharlottÄU-
burgs die nötige Verkehrsverbindung erhielt. Die in den letzten
169. Grundstücksliandel und Hypotheken.
S35
Jahren beobachtete AYert^teigerimg der Grundstücke am Kur-
fürstendamm ist sehr ins Stocken geraten, weil durch den Nieder-
gang der Konjunktur die Kauflust nachgelassen hat.
Der Rückgang am l^umarkt (25 Bauscheine gegen 67-1912
tmS 35 Gebrauchsabnahmen gegen 72-1912) sowohl, 'wie auch
der Minderumsatz am Grunds tücksmarkt tritt in Berlin- Schöne-
berg recht deutlich zutage. Hierzu kommt eine Steigerung der
Zwangsversteigeriuigsergebnisse um 24 V2 ^/o der vorjährigen
Summe. Der Wohnungsmarkt hat sich etwas günstiger gestaltet,
und besonders ist das Angebot in kleineren AVohnungen geringer
sreworden.
Schöneberg
Wohnungsstatistik für Schöneberg.
Anzahl der Wohnungen am 11. Mai 1913 nach der Zimmerzahl.
Jahr
1 Zimmer
0. Küche
1 Zimmer 2 Zimmer
m. Küche m. Küche
3 Zimmer 4 Zimmer
m. Küche m. Küche
5 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
mehr als Wohnungen
6 Zimmer überhaupt
1912
1913
1912
1913
26 713 15 266 8180
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
275 380 195 239 | 249 j 151
129
50 159
1626
3,2 7o
Die Feststellung der vorhajidenen Wohnungen hat stattge-
funden nach kleinen (bis 2 Zimmern), mittleren (3—1 Zimmern)
und größeren (5 und mehr Zimmern) Wohnungen. Eine getrennte
Auszählung der Wohnungen mit und ohne Gewerberäume ist
nicht vorgenommen. Die Stadtverwaltung hat einige neue Straßen
fertiggestellt, n. ,a. die Ceciiliengärten, wo es aber bisher nicht
möglich war, auch nur einen Neubau zu errichten. Das Süd-
gelände an der Rubensstraße wird jetzt in Angriff genommen.
Bedeutende Verkehrsverbesserungen hat in diesem Jahre
Berlin-W^ilmersdorf aufzuweisen. Die Eröffnung der Untergrund-
bahn bis Dahlem hat dem Verkehr einen neuen Impuls gegeben
und zahlreiche Aenderungen und Neuerungen von Straßenbahn-
linien sind von den Bewohnern als Verkehrserleichterung an-
genehm empfunden worden. Auch die Freigabe des Joachimsthaler
Parkes ist als eine erfreuliche Tatsache zu verzeichnen. Dagegen
ist das Projekt des Krankenhausbaues hinausgeschoben worden
und dafür eine gemeinsame Benutzung des Auguste- Viktoria-
Krankenhauses mit Schöneberg geplant. Der Seepark ist in Angriff
genommen worden. Obgleich die Bautätigkeit auch in Wilmers-
dorf erheblich nachgeladen hat (61 Bauscheine gegen 119-1912
und 89 Gebrauchsabnahmen gegen 156-1912) ist der Grundstücks-
umsatz nicht schlechter geworden, und zwar sowohl in bebauten
wie auch in unbebauten Grundstücken. Auffallend und erfreulich
ist der erhebliche Rückgang in der Zahl und der Summe der
Zwangsversteigerungen.
Wilmersdorl
536
XL Grundstückshandel und Hypotheken.
Tab. 147.
Wohnungsstatistik für Wilmersdorf.
Anzahl der Wohnungen am 20. Mai 1913 nach der Zimmerzahl.
Jahr
1 Zimmer ! 1 Zimmer
o. Küche 1 m. Küche
2 Zimmer
m. Küche
3 Zimmer
m. Küche
4 Zimmer
m. Küche
5 Zimmer
und mehr .
Wohnungen
überhaupt
1912
1913
• 4 3366
10 060
7531
5168
10 069
36 198
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
Uli II 4 I 38 I 214 I 331 | 322 j 846 | ^^^^^^^
Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Gewerberäumen 2865; davon leer 400.
Zahl der vorhandenen Gewerberäume ohne Wohnung 1613; davon leer 316.
Friedenau.
Wie aus umseitig^er Aufnahme zu ersehen ist, sind im Berichts-
jahre 1834 "Wohnungen mehr entstanden, dagegen ist das Ang'ebot
trothdem um 865 geringer geworden, so daß sich der Prozent-
satz von 7,6 auf 4,84 o/o verringerte.
Auch in Berlin-Friedenau fiel das AVohnungsangebot erheb-
lich, von 5,37 auf 2,29 o/o.
Tab. 148.
Wohnungsstatistik für Friedenau.
Anzahl der Wohnungen nach der Zimmerzahl.
Jahr
1 Zimmer
0. Küche
1 Zimmer
m, Küche
2 Zimmer
m. Küche
3 Zimmer
m. Küche
4 Zimmer
m. Küche
5 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
mehr als
6 Zimmer
Wohnungen
überhaupt
1912
1913
—
1048
4253
3389
2339
1238
479
257
13 003
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
\m I - I 22 I 39 I 52 I 81 I 56 I 32 I 16 I ^J««^^
Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Gewerberäumen 654; davon leer 38.
Zahl der vorhandenen Gewerberäume ohne Wohnung einschl. Lagerräume 629; davon leer 118.
Schmargen-
dorf.
Grunewald-
Dahlem.
Wie schon im vorjährigen Bericht gesagt wurde, felilten
uns für 1912 die statistischen Zahlen für die Grundstücksumsätze,
so daß ein Vergleich derselben unmöglich ist. Gegen 1911 und
1910 sind sie erheblich zurückgegangen, und dag-egen sind die
Zwangsversteigerungen bebauter Grundstücke sehr g-estieg'en. Den
Umsätzen unbebauter Flächen sind dadurch Schranken gesetzt,
daß das bebauungsfähige Terrain-Areal sich in Friedenau sehr
vermindert hat. Die Gemeinde beabsichtigt den Bau eines Rat-
hauses an der Ecke der Nied- und Lauterstraße.
Die vorjährige Erhöhung der Zahl der Zwangsversteigerungen
in Berlin-Schmargendorf ist, nachdem die zweifelhaften Bauherren
mehr oder weniger ausgemerzt sind, wieder zurückgeg-angen, so
daß sich die Lage des Grundstücksmarktes dort gebessert hat. Der
Baumarkt ist nicht erheblich schlechter geworden.
Unabhängig von der schlechten Tendenz des Grundstücks-
marktes verlief das Geschä4ft in Berlin-Grunewald und Berlin-
Dahlem, welche sich weiter der Beliebtheit vieler Ansiedler er-
freuten, die dort Landhäuser errichteten.
169. Grundstückshandel und Hypotheken.
537
Das Gnuidstücksgeschäft in Berlin- Steglitz hat in unbebauten stegUtz.
Grundstücken eine Vergrößerung des Umsatzies erfahren, was
wohl den Käufen der Berlin- Steglitzer Stadtpark Terrain-Gesell-
schaft zuzuschreiben ist. Recht bemerkbar ist das Anziehen der
Wohnungspreise gewesen, eine Folge des durch den Rückgang
der Bautätigkeit geringeren Angebots. Das Ergebnis der letzten
Wohnungsstatistik vom Dezember 1913 steht noch nicht fest
Wie sich indes jetzt schon überblicken läßt, hat die Zahl der
leerstehenden Wohnungen weiter erheblich abgenommen. Während
noch im März 1913 5,70 o/o sämtlicher Wohnungen leerstanden,
dürfte das Wohnungsangebot jetzt das normale Maß (3 o/o) nicht
übersteigen. Die Gemeinde hat im Laufe des letzten Jahres
größere Terrainkäufe im Werte von über 6 Mill. Mk. getätigt.
Die Verlängerung der Straßenbahnlinien 87 und 61 durch die
Bismarckstraße ist in baldiger Aussicht.
AViederum konnte sich Berlin-Lankwitz stetiger Weiterent- Lankwitz.
Wicklung erfreuen, ohne daß andererseits die Zwangsversteige-
rungen einen größeren Umfang annahmen. Einige Straßen wurden
durch Regulierung der Bebauung erschlossen.
Cab. 14£
.
Anzahl der
Wohnungsstatistik für Lankwitz.
Wohnungen am 15. Oktober 1912 nach der Zimmerzahl.
Jahr
1 Zimmer
0. Küche
1 Zimmer
m. Küche
2 Zimmer 3 Zimmer
m. Küche l m. Küche
4 Zimmer
m. Küche
5 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
und mehr
Wohnungen
überhaupt
1912
1913
i ~
538
1038 ' 644
201
105
162
2688
42
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
44 I 47 I 16 I
= 4,2% I =7.3% I =8% !
12
4-2.4 7o
Sowohl in bebauten wie aach in unbebauten Grundstücken
war in Berlin-Zehlendorf das Geschäft günstiger. Auch ist ein
erheblicher Eückgang der Subhastationen zu verzeichnen. Die
Gemeindeverwaltung sucht aber auch durch Straßenregulierungen,
Verkehrsverbesserungen und Schulbauten möglichst den Bedürf-
nissen der Einwohner entgegenzukommen.
Etwas Einbuße hat dagegen Nikolassee im Berichtsjahre er-
litten, da die Zahl der Bauscheine und die Umsätze am Grund-
stücksmarkte zurückgegangen sind.
Die Wohnungsstatistik kann als recht günstig bezeichnet
werden.
Wannsee mit seinen 434 bewohnten, in Privatbesitz befind-
lichen Landhäusern, hat an Zahl der Verkäufe nicht abgenommen,
jedoch ging der Gesamtverkaufs wert herunter.
Das Nachlassen der Bautätigkeit hat in Neukölln einen recht
günstigen Einfluß auf das Wohnungsangebot ausgeübt. Während
noch im vorigen Jahre 9 o/o aller Wohnungen unvermietet waren,
ist diese Zahl im BerichtsjaJire auf 6,2 o/o heruntergegangen.
165
6 7o
Zehlendorf.
Nikoiassee.
Wannsee.
Neukölln.
538
XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
Tab. 150.
Wohnungsstatistik für Neukölln.
Anzahl der Wohnungen am 15. Oktober 1913 nach der ZimmerzahL
Jahr
1 Zimmer
0. Küche
1 Zimmer
m. Küche
2 Zimmer
m. Küche
3 Zimmer
m. Küche
4 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
mehr als
6 Zimmer
Wohnunge
überhaup
1912
1913
30 614
32 864
7237
1453 !
i
417
264
72 849
1912
1913
2314
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
1621 I 448 I 94 I 25
16
4518
6,2 7o
Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Gewerberäumen 5922; davon leer 634 = 10,77o«
Zahl der vorhandenen Gewerberäume ohne Wohnung 10 351; davon leer 1137 = 10,97o-
"Weniger groß ist der Rückgang im Angebot von G-ewerbe-
räumen, die noch reichlich, zu vermieten sind. Der zfeitgemäJ3
ungünstigen Konjunktur entsprechend ist der Umsatz am Im-
mobilienmarkt um ca. 20 o/o zurückgegangen, doch ist anderer-
seits die Zahl und der erzielte Betrag der Zwangsversteigerungen
um ebensoviel gewichen, ein günstiges Zeichen dafür, daß der
Höhepunkt überschritten sein dürfte. Dem stetigen AVachsen der
Bevölkerungszahl entsprechend, mußte die Stadtverwaltung viele
Aufwendungen für Schulen, Sparkasse, Krankenhaus usw. machen,
auch neue Verkehrsverbindungen durch Einrichtung von Auto-
mobil-Omnibuslinien schaffen.
B ritz.Rudow. "Wenn auch in Berlin-Britz die Bautätigkeit erheblich zurüöli-
ging, 7 Bauscheine gegen 24 (1912), 8 Gebrauchsabnahmen gegen
22 (1912). so ist doch auf dem Grundstücksmarkt eine Verschlechte-
rung ebenso wie in Rudow nicht eingetreten. Die Straßenbahn-
verbindung nach letzterem Orte ist in Betrieb genommen worden.
Tempelhof. Einen Einwohner-Zuwachs von 12,4 o/o hat Berlin-Tempelhof
durch die begonnene Bebauung von Neu-Tempelhof erhalten. Hier
haben die Verhältnisse des Geldmarktes die Baulust sehr zurück-
gehalten und dadurch andererseits eine bessere Vermietung der
fertiggestellten Bauten bewirkt. Die Vollendung der Parkanlaigen
und der „Plansch wiese" wurde von den Anwohnern freudig be-
grüßt. Die Bautätigkeit ist um ca. 50 o/o gesunken, und ent-
sprechend sind die Verkäufe unbebauter Grundstücke, aber auch
die Zahl der Zwangsversteigerungen gefallen. Um Neu-Tempelhof
leichter erreichbar zu machen, wurden neben einer Autobuslinie
neue Straßenbahnlinien über den Hohenzollern-Korso geführt.
Tegel. Von Berlin-Tegel über Heiligensee nach Tegelort führt nun
die von diesen Orten erbaute Straßenbahn, während eine andere
von Berlin über Reinickendorf- West und Ost, Wittenau, Borsig-
walde nach Tegel geplant ist. Die Situation auf dem Grund-
stückmarkte hat sich in Tegel nicht geändert, nur unbedeutend
ist das Ergebnis der Zwangsversteigerungen gestiegen.
Wittenau. Dagegen schneidet Berlin- AVittenau ungünstig ab. Die Bau-
tätigkeit hat abgenommen und ebenso ist das Grundstücks-
geschäft um 50 o/o zurückgegangen.
169. Grundstückshandel und Hypetheken.
539
Der Bebauungsplan des Südostgeländes in Berlin-Rosenthal
hat einschneidende, bedeutende Verbesserungen erfahren, und die
Anlage eines großen iSFaturparkes soll baldigst in Angriff ge-
nommen werden.
Gehoben hat sich das Grunds tücksgesöhäft in Berlin-Nieder-
schönhausen, von wo jetzt sowohl v)on der Großen Berliner, wie
auch von der Berliner Städtischen Straßenbahn Verkehrsverbesse-
rungen geschaffen sind. Auch die Schulverhältnisse haben sich
gebessert. Die Straßenbahnlinie 47 führt nun von hier über
Berlin-Pankow bis nach Eudow. Recht ungünstig verlief
das Geschäft in Pankow. Der Baumarkt litt erheblich, 24 Bau-
scheine gegen 50 (1912) und 27 Grebrauchsabnahmen gegen 77
(1912). Der Umsatz sank von 5,8 Mill. auf 2,8 Mill., doch sind
erfreulicherweise gleichzeitig die Zwangsversteigerungen von 11,9
auf 7,2 Mill. zurückgegangen. Die Hochbahn hat schon in der
kurzen Zeit seit deren Inbetriebsetzung gezeigt, daß sie recht
wertvoll auf den Pankower Verkehr einwirkt, so daß eventuell
Zubringerlinien bsabsichtigt sind.
Recht unbedeutend wurde der Umsatz in Berlin-Buchholz
(früher Französisch Buchholz) wie auch in Berlin-Heinersdonf,
während er sich in Berlin- Weißensee gehoben hat, was wohl einigen
größeren Terrainverkäufen zuzuschreiben ist. Der Verkauf fer-
tiger Häuser ging unbedeutend zurück. Die Subhastationen fielen
von 3,4 auf 2,9 Millionen.
Rosenthal.
Nieder-
Schönhausen.
Pankow.
Buchholz,
Heinersdorf u.
Weißensee.
Tab. 151.
WohnuQgsstatistik für Weißensee.
Anzahl der Wohnungen am 15. Oktober 1911 nach der Zimmerzahl
Jahr
l Zimmer
0. Küche
1 Zimmer
m. Küche
2 Zimmer
m. Küche
3 Zimmer
m. Küche
4 Zimmer
m. Küche
5 Zimmer
m. Küche
6 Zimmer
m. Küche
mehr als
6 Zimmer
Wohnungen
überhaupt
1912
1913
10 073
11
39
166
11978
1912
1913
554
Anzahl der leerstehenden Wohnungen.
1 6i !
Zahl der vorhandenen Wohnungen mit Gewerberäumen 1066; davon leer 52.
Zahl der vorhandenen Gewerberäume ohne Wohnung 516; davon leer 120.
623
5,27o
Diese Zahlen haben sich im Jahre 1913 erheblich gebessert.
Durch Herabsetzung der Preise für elektrische Kraft und Lioht-
benutzung neben sonstigen Verbesserungen sucht die Gemeinde-
verwaltung den Zuzug zu heben.
Berlin-Hohen-Schönhausen hat einen 3V2 Morgen großen Park
am Obersee geschaffen, der den Einwohnern die erwünschte Er-
holungsgelegenheit bringen wird. Der Verkauf fertiger Häuser
hat erheblich zugenommeii und auch die Zahl der Baustellen-
verkäufe ist die gleiche wie im Vorjahre geblieben, so daß die all-
gemeine Lage günstig beurteilt werden kann.
Die Umsatzzahlen für Berlin-Lichtenberg können wir in
diesem Jahre nicht im Vergleich mit den vorjährigen stellen, da
Hohen-
schönhausen.
Lichtenberg-
Friedrichsfeldi
m. Karlshorst.
540
XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
Kaulsdorf.
Stralau, Mahls-
dorf.
Treptow-Baum-
schulenweg.
Johannisthal.
Alt Glienicke
u. Friedrichs-
haften.
Allgemeine
Statistik.
uns letztere fehlten. Doch ist das Geschäft am Grundstücksmarkt
wie fast überall zurückgegangen, während die Subhastationen auf
der gleichen Höhe geblieben sind. Lichtenberg hat nun infolge der
Eröffnung des großen, neuen Straßenbahnhofs bessere Verbindun-
gen erhal'ten, und bald werden solche nach Oberschöneweide,
Weißensee und Hohenschönhausen geschaffen werden. Die Ein-
wohnerzahl nimmt stetig zu (seit der letzten Volkszählung um
über 17 000) und die für diese Vermehrung notwendigen Schul-
und anderen Bauten erfordern erhebliche Mittel. Das Projekt
einer Gartenstadt für Beamte der Straßenbahn soll nun verwirk-
licht werden. Leider fehlt uns die Wohnungs-Statistik von Lich-
tenberg, doch erfahren wir, daß die Zahl der leerstehenden Woh-
nungen sehr abgenommen hat, was auch in Berlin-Friedrichsfelde
mit Karlshorst der Fall ist, wo die Umsätze in bedauerlichem
Maße abgenommen haben, während die Zahl der zwangsweise
versteigerten Baustellen infolge einer in Konkurs geratenen
Terrain-Gesellschaft in Karlshorst von 3 auf 28 stieg. Karlshorst
hat jetzt durch Verlängerung der Auguste-Viktoriastraße eine
direkte Verbindung mit Lichtenberg-itummelsburg erhalten.
Durch die Betriebsgemeinschaft der Berliner Ostbahnen und der
Großen Berliner Straßenbahn endet deren Linie über Jahonnisthal
jetzt vor der Kirche in Friedrichsfelde.
Die Umsätze in Kaulsdorf und Berlin-Stralau sind nicht
erheblich, während Mahlsdorf sich prozentual gut entwickelte.
Große Einbuße hat auch Berlin-Treptow mit Baumschulenweg
in diesem Jahre erlitten. Sowohl die Bautätigkeit wie auch der
Grundstücksmarkt haben recht niedrige Ziffern aufzuweisen. Die
Gemeindeverwaltung gibt an, daB in 549 Grundstücken jetzt
2230 Wohnungen mit 1 Zimmer, 4010 mit 2, 1324 mit 3, 448 mit 4.
128 mit 5, 49 mit 6 und 56 mit mehr als 6 Zimmern vorhanden
sind, wozu 614 Wohnungen mit Gewerberäumen kommen. Die
Zahl der leerstehenden Wohnungen hat etwas abgenommen. Das
neue Rathaus ist in Benutzung genommen.
Die Verkehrsverbindung mit Johannisthal ist durch die elek-
trische Straßenbahn von Köpenick und Friedrichsfelde verbessert
worden. Seitens der Terrain-Aktiengesellschaft am Flugplatz
Johannisthal-Adlershof ist der Ausbau mehrerer Straßen geplant.
Das Grundstücksgeschäft w^ar dort minimal.
In Alt-Glienicke sind im Oktober die fertiggestellten Häuser-
gTuppen der gemeinnützigen Baugenossenschaft Gartenstadt Groß-
Berlin und der Landwohnstättengesellschaft Alt-Glienicke fertig-
gestellt worden. Hier und in Friedrichshagen blieben die Umsätze
auf derselben Höhe.
Leider sind uns in diesem JaJire aus einigen Vororten die
zahlenmäßigen Unterlagen gar nicht oder in einer Form zuge^
gangen, daß sie für die von uns alljährlich zusammengestellte
169. Grundstückshandel und Hypotheken. 541
Tabelle nicht haben Verwendung finden können. Aus den zu ver-
gleichenden Jahresumsätzen, für die uns die Beiträge sowohl für
die Zeil vom 1. Okt. 1911 bis 30. September 1912 und dem gleichen
Zeitraum des folgenden Jahres zur Verfügung standen, ergab sich,
daß die freiwilligen Veräußerungen in 27 Orten Gtoß-Berlins
folgende Differenzen aufwiesen: Es wurden 1912/13 1062 bebaute
Grundstücke für 285 640 000 Mk. gegen 1911/12 1470 für
420 024 000 Mk. verkauft. Es sind daher 408 Häuser im Werte von
134 384 000 Mk. weniger verkauft worden. Unbebaute Grund-
stücke wechselten 1912/13 949 für 67 236 000 Mk. ihren Besitzer
gegen 1911/12 1448 für 113 898 000 Mk., also 499 weniger im
Betrage von 46 662 000 Mk., so daß sich der Gesamtminderumsatz
am Berliner Grundstücksmarkt auf über 167 Mill. Mk. belief.
Die Zahl der Zwangsversteigerungen bebauter Grundstücke fiel
von 1043-1911/12 auf 1026-1912/13, der Bietungsbetrag dagegen
stieg von 245 317 000 Mk. 1911/12 auf 267 579 000 Mk. 1912/13,
hat also eine Steigerung von mehr als 22 Millionen erfahren. Bei
den unbebauten Grundstücken stieg die Zahl von 222 (1911/12)
auf 243 und der Betrag von 12144 000 Mk. auf 22 095 000 Mk.,
also um fast 10 Millionen. Ein Rückgang der freiwilligen Ver-
käufe ist besonders in den folgenden Städten und Gemeinden zu
bemerken: Berlin 104 000 000, Charlottenburg 45 000 000 Berlin-
Schöneberg 9 200 000, Neukölln 6 600 000, Pankow und Friedrichs-
feldc je 3 000 000, Treptow 2 800000, Tempelhof 2 450000, Wann-
see 1370 000, Wittenau 1185 000, Wilmersdorf 1000 000. Diesen
zum Teil bedeutenden Rückgängen stehen Mehrumsätze gegenüber
nur in Steglitz 4 800 000, Zehlendorf 1500 000, Weißensee
850 000. Nicht alle Orte Groß-Berlins hatten unter der Vermeh-
rung der Zwangsversteigerungen zu leiden, so nahmen dieselben
ab in Wilmersdorf um 9 600 000 Mk., Schmargendorf um 5400 000
Mark, Neukölln 5 100 000 Mk'., Pankow 5 Millionen und Zehlendorf
1 900 000 Mk., während eine Zunahme der * Ergebnisse zu ver-
zeichnen ist in Berlin 42 Mill. Mk., Charlottenburg 9 Mill. Mk.,
Schöneberg 3 400 000 Mk., Steglitz 3 300 000 Mk., Friedrichsfelde
und Tempelhof je 3 Millionen und Grunewald 2 300 000 Mk.
Das Hypothekengeschäft, oder besser gesagt, die Hypotheken-
kalamität, welche wir bereits anfangs unseres Berichts erwähnten
hatte in erster Linie ihre Ursache in dem mangelnden Absatz der
Hypothekenpfandbriefe, dem Barometer aller anderen Geld-
quellen. Treffend spricht der Jahresbericht einer hiesigen Hy-
pothekenbank von einer noch nie dagewesenen. Stockung des Pfand-
briefabsatzes. Der Gesamtumlauf im ersten Halbjahr 1913 ist
nur um 44 Millionen gegen ca. 200 Millionen im I. Semester*
des Vorjahres und ca. 300 Millionen im gleichen Zeitraum des
Jahres 1911 gestiegen. Hierbei ist aber der Eückfluß an Obliga-
tionen nicht inbegriffen. Zieht man diesen in Betracht, so dürfte
der tatsächliche Umlauf um einen viel geringeren Betrag gestiegen
542
XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
sein. Die Ziffern des II. Semesters dürften sich noch viel un-
günstiger stellen, so da,ß sich wohl bei den meisten Hypotheken-
bajiken. ein Eückgang des Pfandbriefumlaufes ajn Jahresschluß
ergeben hat. Selbst die im' II. Semester erfolgten Emissionen
von 4V2 0/oigeii Obligationen einiger Hypothekenbanken werden
Tab. 152.
Grundstiicksumsätze in Groß-Berlin für die Zeit
Ge-
Gesamt-
Bebaute Grund-
Bau-
brauchs-
umsatz
stücke
Ort
scheine
ab-
Qmsjif 7
nahmen
1913
1912
1913
1912
1913
1912
1913
1 1912
1913
j 1912
Mark
Zahl
Taus. M.
Berlin
948
1275
332
374
190 772 724
295 240556
441
e*i
178 024
262405
Berlin,
Vererbungen
—
—
—
110 243 076
96 863 000
—
—
Charlottenburg
378
?
81
134
40 587 364
85 831 151
88
174
33 419
68 949
Berlin-
Wilmersdorf
61
119
89
156
31091083
31183 317
bl
55
20 579
20188
Neukölln
—
?
56
?
16 158 950
22 770 400
60
75
10423
14 912
Berün-
Scböneberg'
25
67
35
72
13596 400
22879 650
33
64
11666
17 042
Berlin -Steglitz
22
32
33
116
10 li2 607
12 041 222
63
93
5 066
8 698
Zehlendorf mit
Schlachtensee
91
109
100
56
7 353 626
5 861 066
45
38
2 885
1973
Berlin-
Weißensee
50
36
20
21
6 646130
5803 500
51
65
3 865
4189
Berlin-
Grunewald
24
25
24
24
6 632 336
6 288471
24
15
4115
2 258
Bln. -Tempelhof
33
63
30
67
6130939
8 576 582
10
18
1711
1874
Berlin-
Schmargendf.
14
23
26
24
2922041
2873 247
13
9
1696
814
Berlin- Pankow
24
50
27
77
2825 502
5 865 461
18
26
2 390
4 300
Berlin- Hohen-
schönhausen
7
13
2
8
2 290120
2 974 642
19
10
1188
335
Berlin- Treptow-
Baumschwg.
20
46
28
42
2 253 646
6 119 646
8
17
1528
2 966
Berün-Lankwitz
37
34
21
21
1943740
1899344
10
10
894
848
BerUn-Tegel
?
12
?
8
1 778 255
1 819 700
6
4
514
643
Wann.see
19
20
19
21
1552 600
2 924 500
12
u
826
1117
Berlin-Nieder-
schönhausen
22
30
26
26
1 425 401
1 243 174
19
13
1023
765
Berlin-Britz
7
24
8
22
1 210 862
1 191 759
13
8
433
398
Friedrichsfelde
m. Karlshorst
26
46
31
29
1 131 792
4 101 975
18
35
829
2 362
Friedrichshagen
14
12
11
4
912 868
. 904 582
24
29
824
762
Berlin- Wittenau
14
18
13
22
868 341
1853 275
1
6
72
324
Nikolassee
9
13
8
16
632100
1282 064
2
10
257
686
Berlin-
Marienfelde
ö
7
5
5
408 470
323 316
5
1
170
120
Berl. -Rosenthal
6
5
4
9
340 453
483 003
7
11
213
287
Alt-Glienicke
28
25
28
27
326 368
949 894
17
12
192
279
Bin -Buchholz
5
10
4
9
1 214 934
650 969
4
15
838
530
1912/13
1890
1061
1 4bJ 382 748
1062
285 640
1911/12
2115
■
1380
1
629 802 469
1470
420 024
Berl.-Friedtnau
0
—
15
—
5 692 Ö6b
_
27
—
5 229
—
Berlin-
Lichtenberg
—
—
—
—
ca.5145000
—
27
—
ca.42C0
—
Berl..Mahlsdorf
56
33
—
1068300
—
11
■""
286
—
Berlin- Stralau
_
_
394 000
1
270
_
Beriin-
Johannistal
10
7
10
5
93333
?
7
—
—
Berlin-
Heinersdorf
7
6
4
5
48 050
—
4
—
48
—
Kaulsdorf
—
—
—
—
862
—
4
—
50
—
an diesem EjesUltat nicht viel äiidem. Neben dem hohen Diskontsatz
der Reichsbank, welcher das gajize Jahr hindurch anhielt, war
auch die Gesamtbeanspruohung des 'Geldmarktes durch den
Emissionsbedarf von festverzinslichen Werten um 20 o/o höher
als im Vorjahr, und erhöhte sich derselbe von 1,7 auf 2,05 ^Mil-
liarden, alsio um 350 Millionen. Eine scharfe Konkurrenz er-
169. Grundstückshandel und Hypotheken.
543
Aviichs speziell dem Pfajidbriefverkatif durch den Kapitalbedarf
der Kommtmen, welche durch Ausg-abe von mündelsicheren
Obligationen nicht allein den Pfandbriefverka,uf hemmten, son-
dern auch einen empfindlichen Kursdruck auf dieselben ausiibten
und damit den Zinsfuß und die Provisionen der Hypotheken
vom 1. Oktober 1912 bis 30. September 1913.
Unbebaute Grund-
Zwang s Versteigerungen
stücke
Bebaute 1
Unbebaute
1
Umsatz i
Grundstücke |
Grundstücke
1913 1
1912
1913 1
1912
1913 ! 1912
1913 1
1912
Zahl 1
Taus
M.
1913 1
1912
Taas. M.
1913 1
1912
Taus
M.
97
278
12 748
32 835!
375
284
129 691
89 696
47
2.
4 617
2443
57
132
7 167
16 884
117
86
32 834
24 748
12
4
1439
419
72
92
10 511
10994
70
115
19 422
30 828
19
9
3131
1341
58
70
5 735
7 8571
108
143
23 434
29 087
29
29
2150
1672
20
40
1929
6 837
51
51
17 307
13 900
1
2
120
145
62
73
5 065
3 342
91
89
16 635
15 783
30
8
2 858
415
99
116
4468
3887
8
20
1036
2 786
6
7
153
331
62
62
2 780
1614
20
16
1974
2 942
13
4
1009
482
25
41
2 516
4 030
8
3
2 552
944
3
5
486
764
38
83
4 419
6 702
18
28
2000
4 586
2
7
40
468
13
15
1225
2 058
17
32
3108
8 478
2
2
124
146
20
51
435
1565
41
76
7 226
11906
15
15
765
906
62
64
1110
2 639
10
12
1019
624
5
7
181
115
12
35
725
2155!
9
4
1565
698
_
3
_
215
41
44
1049
1051
5
7
1379
1899
7
1
812
405
15
1
1263
1176
5
4
724
401
_
_
—
30
33
725
1807
1
7
66
388
2
—
610
—
18
26
401
478
14
12
1161
1504
4
8
68
139
13
23
777
793
9
6
873
413
6
67
190
1274
34
79
302
1739
23
20
1693
1953
28
3
3 233
46
10
34
88
141
5
6
224
372
—
4
—
212
18
41
796
1529
6
,7
895
638
9
5
145
97
15
21
374
595
1
134
—
1
—
28
—
9
11
238
203
1
63
1
4
21
28
10
16
126
196
7
10
434
618
_
18
40
133
670
4
1
125
13
1
3
15
27
21
27
131
121
3
3
67 ! 99
3
54
949
67 236
1026
267 579
243
22 095
1448
113 898
1043
245 317
222
12144
3
-
463
-
34
—
7192
-
4
-
268
-
15
945
58
ca.9500
14
_
581
229
—
781
—
3
—
71
_
88
—
416
—
1
—
124
—
1
—
200
—
—
—
—
—
3
12
93
-
5
-
456
-
2
-
17
-
160
—
812
—
1
1
13
15
—
—
—
—
derart erhöhten, daß sie für den Hausbesitzer unerschwinglich,
ja oftmals ruinös wurden. Aber nicht allein dem Pfandbrief markt
wlirde durch die kommunale Finanzgebahrung der Boden er-
schwert, slondem es wurden dem Hypothekenverkehr auch da-
durch enorme Summen entzogen, daß sich Städte und Provinzen
mit guten Zinszugeständnissen direkt an die großen Versicherungen
544 XI. Grundstückshandel und Hypotheken.
wandten. Wenn daher die Städte vielfach Mittel für die Er-
richtung städtischer Hyplathekenämter bereitstellen, um ihrem
Hausbesitzern beizuspringen und die Hypothekennot zu iindera,
so müßten die kommunalen Behörden zum Schutze und zur Ver-
billigling des Hypothekenkredits .auch ihre Anleiliebedürfnisse
auf das Notwendigste begrenzen. Die sich stets vergrößernden
Mißstände auf dem Hypothekenmarkte entstanden durch das
immermehr um sich greifende Verpfänden der Mieten Und die
Zession der Hypothekenzinsen, wodurch besonders die Be-
schaffung von II. Hypotheken erschwert, ja in vielen Fällen
illusorisch wurde, indem sich die Kapitalisten mehr und mehr
dem Markte entfremdeten. Es wurden uns zahlreiche Fälle be-
kannt, in denen Geldgeber, welche seit vielen Jahren erhebliche
Anlagen in II. Stellen zu machen pflegten, ihre Kapitalien ander-
weitig plazierten. Hierzu trugen auch die schon erwäknten hohen
Besitzwechselabgaben im Falle einer Zwangsvollstreckung das
ihrige bei. Wir haben daher durch Wort und Schrift mitgewirkt,
daß im Iteichsjustizamt eine Gesetzesvorlage zur Abänderung
bzw. Aufhebung der §§ 1124 BGB. und 54 des Zwangsversteige-
rungsge&etzes vorbereitet wird. Wenn hierdurch ^uch noeh nicht,
alle Uebelstände behoben sind, so wird doch eine Erleichterung
des Verkehrs geschaffen, und werden auch nach und nach die
dem Markte abgewandten Geldgeber dems^ilben wieder zugeführt
werden. AVährend sich die Tätigkeit der Hypotliekenbanken fast
allein auf die Prolongation bestehender Hypotheken erstreckte
und Neu beleihungen kaum vorgenommen werden konnten, so
haben die Versicherungsgesellschaften und ausländischen Hy-
pothekenbanken aus der Situation erheblichen Nutzen gezogen.
Nicht unerwähnt wollen wir die verhältnismäßig zahlreichen
Millionen-Darlehen lassen, welche besonders auf Grund der
41/2 0/0 igen Pfandbriefausgaben von den betreffenden Emittenten
meist im Verein mit in- und ausländischen Gesellschaften abge-
schlossen wurden. Die erzielten Zins- und Provisionssätze über-
stiegen natürlich bedeutend die der normalen Grundstücksbeleihun-
gen, obschon die meisten Millionen-Darlehen mit der Garantie
einer Großbank ausgestattet waren. Wenn die Institute einer-
seits bei besseren Beduigungen und vermehrter Sicherheit und
andererseits im Hinblick auf die Schwäche des Immobilienmarktes
derartige Beleihungen bewilligten, so ist dies zwar im Interesse
der Wohnhauseigentümer zu bedauern, aber vom kaufmännischen
Standpunkt zu rechtfertigen. AVir notieren: Pupillarisch erst-
stellige Eintragungen 4^8—414 ^/o. Sonstige Anlagen zur I. Stelle
41/4—41/2 0/0. Institutsgelder 4^8 — 4:34 0/0. Vorortshypotheken 43/4
bis 50/0. Baugelder und Terrainhypotheken 6—7 — Ti^f'/o oder
1 0/0 über Bankdiskont. Institutsgelder bedangen 2—3 0/0 Ab-
schlußprovision inkl. Pfandbriefstempel unä Talonsteuer,
II. Stellen 61/2-6— 7 0/0.
170. Warenspeditionsgeschäft.
545
Für das kommende Jahr erhoffen wir von der Durchführung
der vorerwähnten gesetzliehen Erleichterungen und bei Sta,-
bilität der bereits eingetretenen Verbilligung des Geldstajides eine
Aufrichtung des so schwer geschädigten Iminobilienmarktes.
Aussichten.
XII. Verkehrsgewerbe,
170. Warenspeditionsgeschäft.
Auch im Jahre 1913 war das Geschäft im allgemeinen gut.
Wenn auch die kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan vielleicht
den Geschäftsgang verlangsamt haben mögen, so war doch wäh-
rend des größten Teils des Jahres eine ausreichende Beschäftigung
festzustellen. Dies bezieht sich nicht nur auf das Inlandgeschäft,
sondern auch auf die Ausfuhr. Nur in den letzten Monaten , zeigte
sich eine nennenswerte Abschwächung. Nach dem Balkan war
zwar der Verkehr auf einige Monate ganz unterbunden, die zurück-
gestauten Gütermengen fluteten aber nach Wiedereröffnung des
Verkehrs in verstärktem Maße in ihre Kanäle.
Was den Sajnmelverkehr anbetrifft, dem man durch die Auf-
nahme neuer Verkehrsriohtungen immer wieder versucht, neues
Blut 'Zuzuführen, so bewegte sich dieser in den gewohnten Bahnen ;
er 5iönntc wohl zu neuem Leben erwachen und gewaltig erstarken,
wenn die ^.uf dem diesjährigen Spediteurtag ausgesprochenen
Wünsche nach seiner weiteren Ausgestaltung durch Tarif maß-
nahmen der Eisenbahn sich erfüllen würden. Leider sind die
Aussichten hierzu nicht günstig, da die Abneigung der Eisenbahn
gegen diesen Verkehr bekannt ist, obwohl die Eisenbahn durch
einen kräftigen Sammelverkehr von einem erheblichen Teil des
ihr lästigen luid kostspieligen Stück^tverkehrs entlastet würde.
Auch das Lagergeschäft hat sich in den bisherigen ruhigen
Bahnen bewegt, da sein Umfang durch die teuren Mieten der Groß-
stadt auf das notwendigste Maß beschränkt bleibt.
Die Eisenbahn hat sieh nach dem vorjährigen umfangreichen
Wagenmangel (bemüht, dem Verkehr zahlreicheres Wagenmaterial
zur Verfügung 'zu stellen, und dies auch zum größten Teil er-
reicht. Immerhin ist es für Handel und Industrie in jedem Fall
unbequem, wenn sie bestellte Wagen nicht rechtzeitig gestellt
bekommt. 'In diesem Jahre ist es in zahlreichen Fällen vorge-
kommen, daß die Waggons erst gegen Mittag bereitgestellt wur-
den, *was bei den weiten Entfernungen der Großstadt für die
Verlader insofern mit Unbequemlichkeiten verbunden ist, als sie
besondere Einrichtungen treffen müssen, um die Waren noch
rechtzeitig am gleichen Tage zur Bahn zu bringen.
Hervorzuheben -ist femer die Neuausgabe des Staatsbahn^ter-
tarifs. In einem Anhang zu 'diesem wird erfreulicherweise ein
ßerl. Jahrb. t Handel u. Ind. 1913. II. 35
Allgemeines.
Sammel ver-
kehr.
Lagergeschäft.
Wagenmangel.
Xeuausgabe
des Staatsbahn«
gütertarifs.
546
XII. Verkehrsgewerbe.
Tarif-
ändevungen.
Konkurrenz
1er Transport-
rersicuerungs-
jÄsell Schäften.
Schwierig-
keiten bei der
Verzollung in
Frankreich.
Verzeichnis aller deutschen Eisenbahi^güterstationen geboten.
Hoffentlich lassen sich noch weitere Vereinfachungen und Zu-
sammenfassungen ermöglichen, damit allmählich ein 'deutscher
Gesaant-JEisenbahn-Oütertarif entsteht.
Ein weiterer, schon öfter geäußerter Wunsch ist der, daß
die Tarifänderungen möglichst nur durch Nachträge erfolgen, da-
mit nicht der unleidliche und 'unhaltbare Zustand entsteht, daß
Tarife bestehen, die keine Nachträge haben, aber in großem Um-
fange -abgeändert sind, so daß dem Käufer eines solchen Tarifs
ein in vielfacher Beziehung unrichtiger Tarif in die Hand ge-
geben wird, was ein Privatuntemehmen nicht wagen dürfte und
auch der Staat nicht dulden Sollte ; es mag dabei auf Oesterreich
verwiesen Werden, wo Tarifänderungen grundsätzlich hur durch
Nachträge 'veröffentlicht werden.
Es "mag erlaubt sein, noch auf eine Tatsache hinzuweisen,
welche 'die Unkosten des Spediteurs 'zu vermehren geeignet ist.
In 'steigendem Maße bemühen sich die Transportversicherungs-
gesellschaften bei den Primaversenidem direkt Versicherungen
gegen Transportgefahr abzuschließen, wodurch für 'diese die
Notwendigkeit 'entfällt, die Hilfe des Spediteurs hierzu in An-
spruch 'zu nehmen. Nichtsdestoweniger muß 'dieser aber die Haf-
tung 'tragen für Verluste und 'Beschädigungen, die in seinem
Gewahrsam 'erfolgen, wobei besonders auf (die wieder überhand
nehmenden 'Kollidiebstähle hingewiesen sei. Diese •Haftung, wo-
für 'er nunmehr nicht mehr Entschädigt wind, wiegt umso schlwerer,
als die beteiligten Versicherungsgesellschaften den Spediteur in
den betreffenden Fällen im vollen Umfange haftbar machen. Er
ist 'also gezwungen, sich entweder "weiter gegen diese Gefahren
zu versichern, und diese Versicherung seinen Kunden in B/cch-
nung zu stellen oder aber 'in seinen» Geschäftsbedingung^en die
Haftung für Verlust und Beschädigungen in seinem Besitz ab-
zulehnen. "Welches der gangbarere Weg ist, bleibt noch Gegen-
stand der Erwägung. Auf jeden Fall ist es bedauerlich, daß dies
Verfahren der Versicherungsgesellschaften geeignet ist, eine Ver-
schlechterung der Beziehung^en zwischen Versender und Spedi-
teur h-erbeizuführen und Streitigkeiten entstehen zu lassen.
Es bleibt endlich noch ein Punkt der Beschwerde offen, der zu
großen Unannehmlichkeiten Anlaß gibt; es ist dies das über-
scharfe Vorgehen der französischen Zollverwaltung bei der Ab-
fertigung der eingeführten Waren. Es Verden keine Entschul-
digungen anerkannt wegen Irrtums oder ^Unkenntnis der Bestim-
mungen, selbst wenn die Umstände Öiese Gründe klar erkennen
lassen; die härtesten und ungerechtesten 'Zollstrafen sind die
Folge, die neben Konfiskation der 'ganzen Sendung bis 2ur Höhe
des 'Werts der Ware gehen. Es ist dringend zu wünschen, .daß
es der Eeichsregiening gelingt, hierin Wandel zu schaffen.
171. Möbeltransportgeschäft.
547
Zum Schluß möge darauf hingewiesen werden, daß in den
letzten Monaten des Jahres sich der Grad der Arbeitslosigkeit
erhöht hat, so daß die Abschwächujig der Konjunktur sich all-
gemeiner fühlbar zu machen scheint, was auf das Jahresergebnis
nicht ohne Einfluß bleiben kann.
Einem zweiten Bericht entnehmen wir folgendes:
Im Jahre 1913 ließen die 'wirtschaftlichen Verhältnisse im
allgemeinen zu wünschen übrig, so daß der Rückschlag auf den
Speditionsbetrieb nicht ausbleiben konnte und 'die zu bewältigen-
den Gütermassen von geringerem Umfange ■ waren als im
Jahre 1912. ' 1
Das Minus erstreckt sich nicht nur auf den Eingang deutscher
Provenienz und den Ipaport vom 'Auslande, sondern auch auf den
A'ersand innerhalb Deutschlands. Aber auch 'der Export ist in
Mitleidenschaft gezogen, und zwar zeigt 'der Export nach Nord-
amerika eine Abnahme. Dagegen weist 'der Export nach Süd-
amerika, England, Rußland und Spanien eine Zunahme auf. Der
Export nach der Schweiz, Holland, OesterreichnUngam, Erank-
reich, Belgien, hält sich etwa in dem gleichen Rahmen wie im
vorigen Jahre. n
Die Löhne und Gehälter haben sich gegen 1912 um ca. lOo/o
erhöht, dagegen die Futterkosten um ca. 15 o/o ermäßigt. Die
Arbeiterverhältnisse sind zu-friedenstellend, ebenso auch 'der Eisen-
bahnverkehr.
Schluss des
Jahres.
ZweiterBericht
171. Möbeltransportgeschäft.
Das Stadtgeschäft war im allgemeinen wenig befriedigend.
Im Frühjahr war es beeinflußt durch die für uns ungünstige Lage
des Osterfestes, im Herbst war es etwas lebhafter. Die Preise
für Stadtumzüge waren im großen 'und ganzen kaum befriedigend.
Das Femtransportgeschäft brachte im Frühjahr wenig Zu-
zug, im Herbst war etwas lebhaftere Beschäftigung infolge der
vielen Versetzungen des Militärs. In 'den Hauptumziugstagen Ende
März und Anfang April und noch mehr Ende September und
Anfang Oktober war ein Mangel "an Möbelwagen stark verspürbar.
Die erzielten Preise waren im Durchschnitt nur onäßig.
Auslandstransporte waren schwach.
Das Lagergeschäft war im allgemeinen mäßig.
Die Arbeiterverhältnisse waren ruhig, Arbeitskräfte waren
in ausreichender Zahl vorhanden. Die 'im Vorjahre gewährten
Lohnzulagen wurden 'trotz des schlechten 'Geschäftsganges durch-
gehends hezahlt, aber es macht sich immer mehr die "Wahr-
nehmung bemerkbar, daß die Arbeiter ohne Interesse ihre Tätig-
keit verrichten, obwohl die Löhne *hoch sind.
Die Eisenbahnverhältnisse gaben insofern xlnlaß zu Klagen,
als sich im Herbst ein ziemlicher Mangel an offenen Eisenbahn-
35*
Stadtgeschäft
Ferntransport-
sreschäft.
Auslands-
transporte.
Lagergeschäft.
Arbeiter-
verhältnisse.
Eisenbahn-
verhältnisse.
548
Xn. Verkehrsgewerbe.
wagen fühlbar machte, ebenso blioben die Transporte sehr lange
unterwegs. ,
In ^ollangelegenheiten wirkten die plötziich verkürzten Auf-
enthaltsfrißten für Möbelwagen in Oesterreich beunruhigend, zu-
mal der Möbelwagenverkehr zwischen Deutschland 'und Oester-
reich und umgekehrt sehr lebhaft Ist. Da im Vorjahre ähnliche
Verhältnisse in Ungarn schnell eine zufriedenstellende EijledigUQg
fanden, so wird für Oesterreich ein gleiches erhofft.
Im allgemeinen liat der Berliner "Möbeltransport am Jahre
1913 wenig Freude gehabt, zumal auch die sozialen Lasten durch
die AngestellteunVersicherung eine weitere Erhöhung gefunden
haben. Allmählich' kommt es dahin, daß die Unternehmer die
vollen Beiträge für die Angestellten -Versicherung bezahlen oder
aber entsprechende Gehaltserhöhungen machen müssen. Die Un-
kosten wurden vermehrt, ohne daß ihnen erhöhte Einnahmen
gegenübertraten.
172. Schiffahrtsbetrieb.
Der Wiasserstand auf der Elbe Wjar im Berichtsjahre sehr
wechselnd. Bei Eröffnung der regelmäßigen Schiffahrt Anfang
iMai war er für Kähne mittlerer Größe nahezu vollschiffig, ver-
schlechterte sich aber bis Ende Juni fortwährend. Hierauf trat
infolge ergiebiger Niederschlag ein guter Wasserstand ein, der
mit einer kurzen Unterbrechim.g in der ersten Augusthälfte bis
Ende September anhielt. Der Oktober brachte eine Verschlechte-
rung, was in Verbindung mit den Schiffahrtssperren zu Magde-
iburg Mitte Oktober und unterhalb Wittenberge Anfang No-
vember ein bedeutendes Anziehen der Frachten zur Folge hatte.
Im Dezember war der Wasserstand meKr als vollschiffig. Auch
in diesem Jahre machte sich wiederum die Erscheinuag geltend,
daß zur Zeit guten Wasiserstandes [auf der Elbe in der zweiten
Hälfte des August auf der unteren Havel nur eine sehr geringe
Belastung der Flußschiffe möglich war. Um so bedauerlicher ist
es, daß für den Umbau des Flauer Kanals auch in dem neuen
Etat wiederum keine Mittel eingestellt worden sind. Dagegen
ist die Verbreiterung des Sacrow — Paretzer Kanals in einer allen
Wünschen der Schiffahrt Recimung tragenden Weise nunmehr
durchgeführt. Und die Verbesserung der oberen Havelwasserstraße
soll jetzt auch in Angriff genommen werden.
Auf der Oder waren die Wasserstände bis Mitte April sehr
niedrig, dann kurze Zeit normal; im Mai und Juni fielen sie,
so daß Ende Juni und Anfang Juli das ausgesprochenste Niedrig-
•wlasser herrschte. Juli und ^August brachten jäh steigende
und kurz aufeinander folgende Hochwasserwellen, die aber von
(Mitte Oktober bis gegen Mitte November Nvieder niedrigeren
Wasserständen Platz machten. Von der zweiten Hälfte November
ab bis zum Ende des Jahres herrschten bessere Wasserstände.
172. Schiffahrtsbetrieb.
549
Erheblich wurde der Geschäftsgang beeinflußt durch den
grollen Streik der Schiffsmannschaften vom Februar bis Anfang-
Mai. Am Streike waren beteiligt Steuerleute, Maschinisten,
Heizer und Bootsleute. Gegenstand des Kampfes war die Nacht-
und Sonntagsruhe. Der Streik, der für die Arbeiter erfolglos
verlief, hatte zur Folge, daß eigentlich erst von Anfang Mai
ab ein regelmäßiger Schiffahrtsbetrieb auf der Elbe, Oder und
den märkischen Wasserstraßen möglich war.
*!Ein wichtiges Ereignis für die Schiffahrt war die Eröff-
nung des neuen Osthafens der Stadt Berlin. Doch wurde von
den Intereäsenten lebhaft über zu späte Bekanntgabe der Tarife
geklagt.
Ueber die einzelnen Stromgebiete ist noch folgendes zu Tdc-
richten : ,
Im Berlin—Hamburger Verkehr wlirde das für das' Jahres-
ergebnis sio wichtige Frühjahrs- und Herbstgeschäft durch den
Streik und den Wasserstand sehr beeinträchtigt. Das Ladungs-
angebot zu Berg war sehr gering» Hierzu trugen neb^n djem
Streik die Nachwirkungen der Notstandstarife für Mais und
Gerste bei. Die Schlepplöhne waren niedrig. Auch die Ausfuhr
ging infolge Abflauens der Konjunktur g&gen 1912 sehr zurück,
insbesondere nach England, Südamerika und der Levante. Nach
Nordamerika besserte sie sich gegen Ende des Jahres infolge des
neuen Zolltarifes. Außerdem war eine Zunahme nach Ostasien,
Niederländisch-Indien und Japan zu beobachten, besonders für
elektrische Artikel. Die Frachterhöhung, die im Oktober durch
die Spen'ung der Magdeburger Eibbrücke hervorgerufen wurde,
hielt nicht lange an. Auch der Eildampferverkehr in der Bich-
tung Hamburg— Berlin und umgekehrt war im großen ganzen
flau infolge des kolossalen Angebots von Schiffsraum'. Das An-
gebot an Kahnraum auf der Elbe wurde zum Vorteil der Sohiff-
fahrt dadurch eingeschränkt, daß die Ladefähigkeit der Schiffe
den größten Teil des Jahres hindurch nicht voll ausgenutzt wer-
den konnte.
Ueber den Berlin-Breslauer Verkehr entnehmen wir dem Be-
richt des Schiff ahrts- Vereins zu Breslau folgendes:
Im Talverkehr auf der Oder war bei Beginn der Schiffahrts-
saison infolge der ungewöhnlich späten Eröffnung der Schiff-
fahrt die Nachfrage nach Kahnraum dringend, so daß etwias höhere
Raten gezahlt wurden als sonst um dieselbe Zeit. Infolge des
Streiks stiegen die Frachten insbesondere für Kohlen ab Cosel
weiter, und auch die Güterfrachten ab Breslau und Cosel hielten
sich bis Mitte Juni auf auskömmlicher Höhe; hierauf trat infolge
nachlassenden Angebots in Gütern und Vermehrten Kahhraums
ein Rückgang ein. Die Frachten für Kohlen behaupteten jedoch
ihren hohen Stand, besonders bei Verladung von Cosel den ganzen
Berliii-
Breslauer
Verkebr.
550 XII. Verkehrsgewerbe.
Sommer hindurch bis in die Periode hohen Wasserstandes hinein.
Erst als Anfang Oktober die Kohlenlieferungen nach Rußland
und den Balkanstaaten in erhöhtem Maße aus dem oberschlesisehen
Eevier aufgenommen wurden und infolgedessen sich die Wasser-
verladungen in Kohlen verringerten, gaben die Raten um wenige
Pfennige nach. Das Angebot in Gütern von August an und auch
später im September war geringer als sonst, weil wegen der ver-
regneten Ernte nur wenig trockenes Gnetreide zur Was&erverladung
kommen konnte. Erst im Oktober, als sich die Zuckerladungen
erheblich mehrten, konnten sich die Güterfrachten ab Breslau
und ab Oosel wieder erholen, und blieben bis Schluß der Schiff-
fahrt auf normaler Höhe.
Im Geschäft zu Berg war das Angebot in Massengütern von
Hamburg wenig bedeutend, und das Gütergeschäft konnte den
nach Hamburg von Schlesien anschwimmenden Kahnraum nur
selten voll befriedigen. Die Frachtraten blieben daher während des
größten Teils des Jahres von Hamburg direkt unlohnend. Von
Stettin war der Verkehr in Massengütern sowohl nach Breslau als
wie auch nach Oosel in weiterer Zunahme gegen die Vorjahre be-
griffen. Die Frachtraten sind den Konkurrenzverhältnissen der
Bahn angemessen und können sich nur unwesejitlich erhöhen.
Dagegen spielt der Faktor der Kahnmieten (Anteilfracht) bei
der Rentabilität eine große Rolle. Da im Berichtsjahr der Kahn-
raum in Stettin immer sehr begehrt war, mußten zum Teil die
doppelten Preise als unter normalen Umständen angelegt werden,
was natürlich den Nutzen schmälerte. Das Gütergeschäft war
zeitweise sehr belebt, doch blieben die Frachtraten auf der Basis
der vorjährigen Preise.
Berlin- Für den Berlin-Stettiner Verkehr von o:roßem Nachteil war
Stettiner Ver-
kehr. der Umstand, daß der Großschiffahrtsweg Berlia- Stettin nach
nur viertägigem Betrieb bereits am 5. April des Berichtsjahres
wieder geschlossen werden mußte. Dadurch wurde mancher Be-
sitzer von Schiffen gTößeren Tiefganges schwer geschädigt, da
die Schiffe den Finowkanal nicht benutzen konnten und wieder
umkehren mußten. Die hiervon Betroffenen verlangten von
der Regierung Schadensersatz, welchen diese aber ablehnte. Ob-
wohl im Jahre 1913 in Stettia infolge der niedrigeren Frachten
weniger leerer Kahnraum vorhanden war als sonst, war es doch
nicht möglich, den auf Beladung wartenden Raum ausgiebig zu
beschäftigen, so daß das ganze Jahr hindurch mit einem Ueberfluß
von disponiblem Raum zu rechnen war. Die Frachten waren so
niedrig, daß sie nicht nur keinen Nutzen ließen, sondern zum
Teil sogar verlustbringend waren. Die Zufuhr von englischen
Steinkohlen, von schwedischen Pflastersteinen, Eisen, Trägern und
Mauersteinen entsprach nicht den Erwartungen. Auf den Import
von Steinen und Baumaterialien wirkte die Ausbreitung des
Asphaltpflasters und das Damiederliegen des Baumarktes un-
172. Schiffahrtsbetrieb.
551
günstig ein. Eine leidliche Bescliäftigung des auf Transporte
von Baumaterialien angewiesenen Kalmraums ließ sich erst er-
reichen, als die Zuckerrüben- und Kartoffeltransporte Ende Sep-
tember und Anfang Oktober einsetzten.
Der Schiffahrtsverkehr von und nach Mecklenburg war im
Berichtsjahr ziemlich rege. Im Stückgutversand von Berlin war
wegen der allgemeiaen schlechten Lage eine gewisse Flaue zu
verzeichnen. Das Angebot von Getreide und Mehl war etwas
stärker. Der Steinverkehr war sehr geriQg. Die Wasserverhält-
nisse waren die denkbar schlechtesten, so daß ein normaler Schiff-
fahrtsverkehr nicht mehr vorhanden war. Besonders gaben die
Berlin-
]\Iecklenburge
Schiffahrts-
verkehr.
,b. 153.
Verkehr auf dem Teltowkanal 1911—1913.
Warengattungen
Durchgangsverkehr
zu Berg
t
zu Tal
t
Ortsverkehr
angekommen
zu Berg
t
zu Tal
t
abgegangen
zu Berg | zu Tal
t t
Zusammen
zu Berg \ zu Tal
t t
Gesamt-
summe in
beid. Rich-
tungen
i
Erde, Lehm,
Sand, Kiesi)
Steine, Dach-
ziegel, Ton-
röhren
Stein- und
raunkohlen^) ^)
Sonstige Er-
zeugnisse des
Bergbaus
Rohstoffe für
die Industrie
Industrie-Er-
zeugnisse^)^)
Düngemittel
Erzeugnisse
des Land- u.
Gartenbaues,
Viehzucht u.
Fischerei *)
Bau- und
Brennholz
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
1911
1912
1913
10 457
31070
38 222
45 017
43 030
37 674
3 455
18 403
3 928
15 260
16 118
14 945
31811 ( 82 767
50 972 : 186 279
46 822 i 210 205
32 205
61243
37 308
10 611
28 773
27 726
15 261
23 415
26 307
8 912
16 604
10 246
8 321
17 329
20 406
2 186
1763
2 731
4 224
8 690
7 297
941
1044
508
15 160
23 254
17 214
5 045
6 476
12 485
49 666
103 207
95 384
9 820
24 224
27 217
Zusammen
1911
1912
1913
164 781 i 186 238
247 442 i 389 183
22 319
58 264
33 155
169 131
72 325
64 424
161 952
163 585
192 193;
12 087 I
33 254 I
65 853 I
1 192 j
1239 1
308
40 528
39 037
24 134
2 898
3 562
4 819
28 860
17 064
13 865
107 834
121684
133 785
73 062
14 413
12 702
33 411
138 812
139 846
2 099
5 932
4 991
156
65
37
49 062
11859
5 974
278
186
2
1459
2 565
4 230
4 639
2 213
1609
9 305
2 533
197
1 184
218
19 295
27 455
22 132
264
640
1
60
1172
1026
931
27 749
27 647
35 263
4 352
4 077
5 423
71 1
4 i
3 400
12 930
4112
514
8 858
4 145
2 558
1905
708
3 677
2 711
1410
869
386
950
1087
972
155
1674
6 850
1840
341
22
438 973
388 330
398 758
272 000
297 729
303 176
62 335 !
63 993 I
64 671 I
12 773
35 551
13 750
61 531 114 689
91867 153 798
71 377 141 825
214 345 88 836
116 539 39 389
102 316 31792
213 058
242 190
261 627
44 556
94 497
103 801
11804
30012
28 094
56 961
63 700
51372
36 661
44 251
45 516
15 573
24 978
30 648
118 736
327 006
350 829
10 000
17 333
13 698
997
1978
931
65 172
36 410
24 180
5 323
6 602
12 642
52 799
112612
101 454
31052 14 459
18 898 26 798
16 600 28 848
685 541 , 471011
726 932 ' 721 986
711351 706 199
1) Außerdem gingen im Ortsverkehr innerhalb des Kanals 1911: 19450 t zu Berg: 1912: < 81 1 zu Tal. 2) Desgl. 1912:
» t zu Berg. 3) Desgl 1912 : 222 t zu Berg und 210 t zu Tal. *) Desgl. 1911: 2 t zu Berg, b) Desgl. 1913: 480 t zu Berg:
) t zu Tal. c) Desgl. 1913: 20 t zu Tai.
552
Xn. Verkehrsgewerbe.
Tab. 154. Gesamtverkehr auf den Berlin-Charlottenbg.-Neuköllner Wasserstraßen i.J. 1913
(nach den "Wertklassen der Reichsstatistik geordnet).
o
1 Bezeichnung
der
Berlin-N
eukölln
Charlottenbur
?
'^
angekommen
abgegangen
angekommen
abgegangen
6
zu
zu
zu
zu
3
Güter
Berg
Tai
Berg
Tal
Berg
Tal
Berg
Tal
t
t
^
t
t
t
t
t
1
Abf.v. Hörn, Klauen, Häuten usw.
2
35,5
121
19,5
_
2
Baumwolle,roheAbf alle dav.usw.
529
8
239
525
—
—
—
3
Bier
1625
1482
2 259,5
3 414,5
—
4
Blei in Blöcken usw., Bleiwaren
6 964,5
4 590,5
4 446
1 256,5
1541
251
200
105
5
Borke, Lohe, Gerbhölz., Gerbst.
3150,5
94
183^
99,5
511
7
28
ba
Braunkohlen, rohe
224
834
—
1279
163
_
6b
Braunkohlenbrik.,Braunk.-Koks
—
—
—
43
100
948
—
—
7a
Zement
11976.5
80 899
388
684,5
20598
5 849
58
205
7b
Steine, Platten, Fliesen V. Zement
420,5
455,5
8
Chemikalien und Drogen , . .
6329,5
4900
4 323,5
5 476,5
4325
515
211
190
9
Dachpappe, Steinpappe, Teer-
pappe, DachflJz
1350,5
17
337,5
318,5
172
—
79
—
10a
Tierischer Dünger
101,5
—
16 880
3 776,5
—
—
5117
5 077
10b
Thomasmehl
—
—
—
—
—
—
—
—
10c
Chilesalpeter
1429
195
9
175
—
—
—
—
lOd
Kalisalze zum Düngen ....
—
278,5
3
6
430
66
.—
—
lOe
Phosphorsaurer Kalk, Super-
phosphat
—
—
—
—
—
—
192
349
lOf
Andere künstliche Düngemittel
42
3
33 847
528
—
—
611
969
IIa
Roheisen aller Art
4 036
4 225,5
29.
—
1263
1083
IIb
Luppen von Schweißeisen usw.
—
—
150
—
—
—
—
11c
Eisen- und Stahlbruch ....
286
292
2116
230.5
—
—
198
2
12a
Eisen u. Stahl i . Stäben, a.geformt
12337
12 665,5
1745
1 056,5
931
519
—
929
12b
Platten und Bleche aus Eisen .
4169
423
191,5
201,5
686
—
—
—
13
Eisenbahnschienen, Schienen-
befestigungsgegeastände usw.
333
67
7
80
62
—
—
—
14
Eisenbahnschwellen, eiserne .
—
—
2
—
—
—
—
—
15
Eis. Achsen u. Bandagen usw.
11
—
—
—
—
—
—
—
16a
Eis.Dampfkessel U.Behälter usw.
—
3
3
10
14
—
—
217
16b
Maschinen und Maschinenteile
2 062,5
86,5
388,5
5 270,5
—
—
425
139
17
Eiserne Röhren und Säulen. .
116
277
533
254,5
16
60
18
Eisen- und Stahl draht ....
311
714
1 193,5
1 747,5
— .
28
927
586
19a
Eisen- und Stahlwaren . . .
2 454,5
3 396
1498
4 136,5
327
25
28
49
19b
Unedle Metalle u. Waren daraus
14 155,5
2 492,5
4&34,5
9 660,5
171
—
63
61
20
Eisenerz (ausschl. Schwefelkies) l
—
1018
1 055,5
140
—
—
174
—
21a
Erde, Kies, Sand, Mergel . . . i
47 297,5
611 719,5
124 277
48161,5
148 855
312 811
4330
6 578
21b
Ton, Lehm usw
1768
10096,5
420
285
254
—
—
—
21c
Farberden, Graphit usw. . . .
650
7 341
214
90,5
907
189
—
—
21d
Sonst. Erden u. rohe miner.Stoffe
516
35
81,5
6
170
—
—
—
22ai
Bleierze, Kobalterze, Nickelerze
—
—
—
—
—
—
.._
22a2
Zinkerze i
—
—
—
— ,
—
—
—
22b
Kupfererze, Kupferstein . . .
_
—
25
—
—
—
—
—
22c
Manganerze, Braunstein . . .
154.5
3,5
152.
29
—
—
—
—
22d
Schwefelkies
200
—
—
—
—
—
22e
Andere Erze
—
_
14
—
—
—
—
22f
Z. Verhütt. bestimmte Schlacken
311
369
565,5
526
—
—
: —
—
23
Farbhölzer, Farbholzauszüge .
770
99,5
—
—
1301
71
—
—
24
Fische und Schaltiere ....
8 900
8 041
154,5
187
—
—
—
46
25
Flachs, Hanf. Hede, Werg . .
213
68,5
148,5
53,5
12
—
—
—
26
Fleisch, auch Speck
122
94
58
36
—
—
—
—
27
Garne und Twiste
418,5
98
182
115,6
10
9
—
—
28a
Weizen und Spelz ....
18 753,5
22 797
' 2908
4559
2 026
412
—
713
28b
Roggen
2 242
72 376,5
, 5352
5505
2
300
170
1113
28c
Hafer
1479,5
11146
4300
65 801
37 076
7 743
1 847
912
149,5
1682
1484
817,5
115
802
468
612
245
64
156
163
300
28d
Gerste
320
28e
Hirse, Bucbweiz., Hülsenfrüchte
—
28f
Mais (Kukuruz) ^.
43349,5
290
P
190,5
4109
—
—
^
Malz '.
1956
1101
6999
935,5
1 271
; 37
1276
413
22
10
—
Lein- und Oelsamen. . . .
-
28i
Andere Sämereien
2 855,5
707
1 77
203,5
3
—
176
-
29
Glas und Glaswaren
747,5
742,5
877
2 552
14
1
4
30
Häute, Felle, Leder, Pelzwaren
4 218
558,5
760
4316
—
—
—
6
31a
Telegr.-Stangen a. europ. Holze
—
—
—
—
—
—
—
—
31b
Eisenb.schwellen a. europ. Holze
Europäisches Holz:*)
11
—
—
—
—
■ —
—
—
31c
Grubenholz
—
1497
—
—
—
131
—
—
31d
Rundholz zur Herstellung von
Holzmasse, Zellstoff . . .
154
333
1 __
—
—
—
—
127
31ei
Bau- u. Nutzholz, unbearbeitet
oder in der Querrichtung
bearbeitet .... hart .
124
554,5
— .
49
^
—
^
—
31e2
do. weich .
223
665,5
186
23,6
60
—
64
31fi
Bau- u. Nutzholz, in der Längs-
—
richtung beschlagen, hart .
1,5
98,5
j 1
—
—
—
—
—
31P
do. weich .
3,5
427
1 —
—
—
—
—
68
•) Einschließlich des Floßholzes.
172. Schiffahrtsbetrieb.
553
o
B ezeichnung
der
B(
jrlin-N
eukölln
! Charlott
enbur
S
^
^
angekommen
zu
1 abgegangen
zu
angekommen
zu
abgegangen
zu
«^
Güter
Berg
Tal
Berg Tal
Berg
Tal
Berg
t
Tal
t
t
t t
t
t
t
31g,
Bau- u. Nutzholz, in der Längs-
I
richtung' gesägt . . hart .
760
3440
72
42
203
3lga
do. weich .
933
70130
887,5
878
12 000
22
i 50
31h
Korb- und Floßweiden ....
5,5
40
6
—
1
31i
Brennholz, Reisig, Späne usw.
1355
32 834
683
27
220
2 658
139
1
31k
Außereuropäisches Holz (Erika-,
Cocus-, Zedern-, Buchsbaum-,
! Ebenholz, Mahagoni-, Poli-
1
sander-, Tiek- und Pockholz)
2 «57,5
102
230
43
297
311
Andere außereuropäische Hölzer
\- (ausgenommen Färb- und
Gerbhölzer), wie amerik. Nuß-
baumholz, Pappelholz, Pitch-
pine- u. Yellowpineholz . .
19194,5
1783
819,5
15
280
12
82
Holzzeugmasse, Strohmasse . .
12,5
748,5
25
—
i _
33
Hopfen ..........
153
1
34
Jute
895
42
1206,5
191,5
36
1 z
35
Kaffee, Kakao, Tee
15 670,5
272,5
1335,5
394
10
1
36
Kalk, gebrannter
35,5
56 693
50,5
—
2 518
j _
37
Kartoffeln
134
378
131
38
Knochen
347
220,5
96
4 665!5
12252
23
,
39
Knochenkohle .
~
[ ~
40
Lumpen •...••..-
1040,5
62168
430
783,5
3483
41a
Weizenmehl
53 (»4,5
440
20
214
41b
Roggenmehl
1676
22086,5
2 868
41048
783
41c
Kleie
2 522,5
1 645,5
773,5
147
294,5
HO
74
27
41d
Andere Müllereierzeugnisse . .
218,5
97,5
11
~
~
42a
Obst, Beeren
37157
266
80
675
126
~20
; _
42b
Weintrauben
564
1
—
—
42c
Küchengewächse
4433
460
368,5
376
1 28
1
4'>d
Pflanzen
164,5
40569,5
8134
3533,5
4198
2 926
10
—
43
Oele, Fette, Tran, Talg ....
32
44
Oelkuchen, Oelkuchenmehl . .
18
4
!
45
Papier und Pappe
18305,5
40 693
6524
6 613
3
39
46a
Erdöl und andere Mineralöle .
12 652
1267
362,5
830,5
, 15 427
1124
46b
Steinkohlenteeröle, Naphthalin
9
9
23
62
14
5
47
Reis. Reismehl, Reiskleie .
6 614,5
715
359
144,5
' 13U
10
48
Röhren von Ton und Zement .
4
35,5
49
Rüben, Zuckerrüben, Futter-
rüben, Zichorienwurzeln . .
10
—
50
Rübensirup, Melasse ....
2565,5
145
220
324,5
—
51
Salpetersäure, Salzsäure . .
379,5
778
685,5
23
628
52a
Salz CKoch-, Speise-, Viehsalz)
98
921
177
11
—
52 b
Bitter- und Glaubersalz . . .
34
—
46
24
53
Schiefer
403,5
92
342
1163
3
178,5
4
25
130
5 218
2608
54
Schwefelsäure
65
55a
Soda, rohe, kalzinierte . . .
1 782,5
691,6
469,5
149
99
13
55b
kaustische
•-00
262
152
43
56
Weingeist, Branntwein, Essig .
534,5
7i»,5
1073
4322
—
_
57
Stärke, Stärkezucker usw. . .
1164
2515,6
73,5
482,5
__
rO
58a
Alabast., Marmor, Serpentinstein
49,5
—
26
—
—
—
58b
Andere Steine, bearbeitete . .
182
183
2
—
—
59a
Gebr. Mauersteine, Dachziegel
79 590,5
487 659
7 900
2338,5
60 417
194911
1347
414
59 b
Bau-, Bruch- und Werksteine .
1547
4 984
1240
163
1140
2 119
103
105
59c
Pflastersteine aller Art ...
2 907,5
21 552
22 085
10104
8263
4110
1627
:5(34
59d
Polier-, Schleif-, Wetzsteine usw.
4 724,5
30
162,5
341
1284
—
60a
Steinkohlen
487 121,5
595 867
3 284
644
228408
173 005
991
7 659
60b
Steinkohlenbriketts
—
9160
—
125
176
1110
60c
Steinkohlenkoks
50580
88 666
3152
834
51148
17 934
398
iTs
61
Tabak, roh, Tabakrippen . . .
367
26
2,5
—
62
Teer, Pech, Asphalt, Harz . .
17121
811
2 771,5
528,6
33195
1126
4889
973
63
Tonwar.,Porzellan,Steingut usw.
84
317
267,5
1221
3 281
130
—
^
64a
Torf. Torfstreu, Torfkohlen . .
—
—
64b
Holzkohlen
1
—
—
65
Wein
8 782,5
1313,6
320
150,6
22
66
Wolle
596
244
79
5 778
11
522
278,6
2 650
1
~10
—
67
Zink, Zinkbrocken
68a
Zucker, roh
3068
279
3
1034
—
—
—
68b
Verbrauchszucker
50549,6
27 334,6
1042
897
10
10
—
69
Stückgüter (Sammelgüter) . . .
34 507,5
1669,5
5161
10 856
1.729
170
804
285
70a
Umschließungen, gebrauchte .
1279,5
883,5
1611
6331,5
2
—
360
1829
70b
Farben
5 289
2 647,5
2 362
679
1229,5
846
7 969
4442,61
571
21
110
~95
1
70c
Holzwaren und Möbel ....
2
70d
Heu und Stroh
1936
76
10
-
1748 i
93
—
70e
Sonstige Güter
26 282
13 783
11260
19 766 !
230 1
166
191
96
1913 ill246 694
2491892,5
305 403
260166 :
603 4G5
742 676
27 489
:^978
1912 11734 500,6
2779 466
388 112
320823,5
759950,5
1120 899
27 408
26 305
1911 1
2664 217
2293986
275802
894 982 1
513 668 1
1594 605
25 705
25 346
554 XII. Verkehrsgewerbe.
Strecken Strasen-Fürstenberg und Zaarenschleu&e-Templiner Ge-
wässer zu Klagen Anlaß. Auf der ersteren ergab sich unter den
schwierigsten Verhältnissen eine Ladefähigkeit von 2/3 ^ auf der
letzteren mußte hiervon noch die Hälfte abgeleichtert werden. Der
Nutzen war infolge von ungenügender Ausnutzung der Lade-
fähigkeit der Fahrzeuge, Ableichterkosten und Zeitverlust für
die Schiffahrt auf der oberen Havel nur sehr gering, so daß
sie einen Verdienst nicht abwarf,
reitowkanai. Unter der allgemeinen Ungunst der Geschäftslage hat mit den
übrigen Wasserstraßen auch der Teltowkanal im Jahre 1913 zu
leiden gehabt, wenn auch anscheinend in geringerem Maße, als
das an anderen Stellen der Fall war. Jedenfalls zeigt das Jahr
1913, das siebente Betriebsjahr des Kanals, zum ersten Male
keine Zunahme, sondern sogar eine geringe Abnahme des Gesamt-
verkehrs gegen das Vorjahr. Während in letzterem 1448 918 t
befördert wurden, ermäßigte sich im Jahre 1913 diese Zahl auf
1 417 550 t, also um rund 31 000 t, oder etwas mehr als 2 0/0 des
vorjährigen Verkehrs. Abgenommen hat insbesondere der Durch-
gangsverkehr zu Berg um rund 27 000 t, und der an und für sich
noch geringe und zum Teil von Zufälligkeiten abhängende Orts-
verkehr aus dem Kanal zu Tal um etwa 22 000 t. An anderen
Stellen ist eine Zunahme eing'etreten, z. B. beim Ortsverkehr zu
Berg um 10 000 t und zu Tal um etwa 6000 t. Auch der Durch-
gangsverkehr zu Tal und der Ortsverkehr aus dem Kanal zu
Berg zeigen eine geringe Zunahme. Dabei ist zu beachten, daß
der Orts-Ziegelverkehr, der im Jahre 1910 252 000 t, im Jahre
1911 242 000 t brachte, im Jahre 1912 auf nur 86 000 t und im
Jahre 1913 sogar auf 77 000 t herabsank, d. h., ungefähr auf den
Betrag des ersten Betriebsjalires, 1907. In diesen Zahlen kommt
das außerordentliche Darniederliegen der Bautätigkeit in den
letzten Jahren deutlich zum Ausdruck. Da die Beförderung von
Baustoffen, namentlich von Ziegeln, im allgemeinen einen sehr
wesentlichen Teil der Gesamtbeförderung auf den Wasserstraßen
bildet, so ergibt sich ohne weiteres, daß trotz der festgestellten
geringen Abnahme der Teltowkanal auch im letzten Jahre sich
befriedigend weiter entwickelt hat. Dank der günstigen Ab-
messungen, Krümmungen und Wasser tiefen des Kanals, der großen
Lichthöhen und -weiten der Brücken, sowie der bisher gut be-
währten Schleppeinrichtungen, ging der Verkehr glatt und ohne
Störungen, bei sicherer und aufenthaltloser schneller Beförderung
vonstatten. Täglich verkehrten, wie in den Vorjahren, etwa
zwölf Züge — in jeder Eichtung sechs — , die gut besetzt waren,
und zwischen denen häufig bei besonderem Schiffsandrang noch
Vor- und Nachzüge eingelegt werden mußten. Im Berichtsjahre
sind, dem wachsenden Bedürfnis entsprechend, auch die vorhan-
denen mechanischen Verla-devorrichtungen durch Errichtung von
drei weiteren Portaldrehkranen von 6 t Tragfähigkeit in den
173. Personenverkehr auf der Stadt- und Bin^rbahn.
555
Häfen Lankwitz, Tempelhof und Britz- West vervollständigt
worden.
Ueber den Verkehr in den einzelnen Güterarten unterrichtet
Tabelle 153 auf Seite 551.
Die Erträgnisse des Jahres 1913 waren für die Personen-
schiffahrt zufriedenstellend, da die Witterung im Durchschnitt,
hauptsächlich an den Feiertagen, gut war. Jedoch hätten wohl
die Einnahmen ein noch günstigeres Resultat ergeben, wenn
nicht mehrere Wochen der großen Ferien vollständig verregnet
wären. Ferner wurde auch das Geschäft durch die sehr ge-
steigerten Preise für Brennmaterialien recht ungünstig beein-
flußt. Die Preise für Koks sind etwa 10 o/o, für Kohlen etwa
5 o/o und für Benzin sogar etwa 90 o/o höher als im Jahre 1912.
In den Arbeitsverhältnissen hat sieh gegenüber dem Vor-
jahre kaum, etwas geändert, die Löhne zeigen noch immer eine
steigende Tendenz, und es mangelt auch jetzt noch an geprüften
Heizern.
Die Fahrkartensteuer, welche für die von Vereinen ge-
mieteten Dampfer in Höhe von 10 o/o vom Gesamtpreis ab-
geführt werden muß, hat das Vereinsgeschäft sehr beeinträchtigt,
so daß im Jahre 1913 hier ein Rückgang zu verzeichnen ist.
Die Dampferpartien veranstaltenden Vereine nehmen Anstoß
an dieser Steuer, und daher hat die berichtende Gesellschaft
schon des öfteren diese selbst übernehmen müssen. Weiter macht
die Zollbehörde auch bezüglich der für billige Sonderfahrten
zur Hin- und Rückfahrt ausgegebenen Doppelfahrscheine
Schwierigkeiten, da sie dieselben für steuerpflichtig erklärt.
Der Güterverkehr auf den Berlin-Neukölln-Charlottenburger
Wasserstraßen ist im Berichtsjahr stark zurückgegangen. Dieser
Rückgang ist in erster Linie auf die verminderte Zufuhr von Bau-
materialien (Mauersteine, Erde, Sand, Kies usw.) zurückzuführen.
173. Personenverkehr auf der Stadt- und
Ringbahn.
Der Personenverkehr auf der Stadt- und Ringbahn zeigte mit
167,7 Millionen Fahrten in 1913 einen Rückgang gegen das Vor-
jahr mit 171,8 Millionen Fahrten. Der Rückgang dürfte haupt-
sächlich auf die Stadtbahn zurückzuführen sein, die schon seit
mehreren Jahren eine Verminderung der Benutzung aufzu-
weisen hat.
Tab. 155. Personenverkehr
auf der Stadtbahn (in Tausenden).
1
1909 1 1910 1 1911 1 1912 |
1913
In der II. Wagenklasse . .
In der III. Wagenklasse . .
• •
15 697
58 031
17 221 17 607 17 909
59 325 62 196 1 61 175 1
16 925
57 416
Zusammen I 73 728 i 76 546 79 803 79 084 74 341
556
XII. Verkehrsgewerbe.
Tab. 166. Anzahl der im inneren Personenverkehr der Berliner Stadt- und Ringbahn
in zweiler Wagenklasse auf einfache und Zeitkarten zurückgelegten Fahrten i)
(in Tausenden).
I. Vierteljahr
II. Vierteljahr
III. Vierteljahr
IV. Vierteljahr Jahressumme
1911
1912
1913
7957
8088
8368
7163
7463
7151
5804
6337
6474
8027
8046
7566
28 951
29 934
29 559
1) Die auf Kinderfahrkarten abgefertigten Personen sind voll (als ganze Personen) gerechnet.
Bei den Zeitkarten (einschließlich der für Schüler und Eisenbahnbeamte) sind für jeden Tag der Gültigkeits-
dauer zwei Fahrten gerechnet.
TabTiSTT Anzahl der im inneren Personenverkehr der Berliner Stadt- und Ringbahn in
dritter Wagenklasse auf einfache, Zeit- und Arbeiter-Karten zurückgelegten
Fahrten^) (in Tausenden).
I. Vierteljahr
II. Vierteljahr
in. Vierteljahr
IV. Vierteljahr
Jahressumme
1911
1912
1910
33 581
34 724
34 310
36 858
36 227
35 380
35 975
36 335
35 376
35 317
34 640
33 113
141 731
141 926
138 179
^ Die auf Kinderfahrkarten abgefertigten Personen sind voll (als ganze Personen) grerechnet.
Bei den Zeitkarten (einschließlich der für Schüler und Eisenbahnbeamte und Arbeiter) sind für jeden Tag
der Gültigkeitsdauer zwei Fahrten, bei den Arbeiterwochenkarten je 12 Fahrten gerechnet.
174. Verkehr auf der Großen Berliner
Straßenbahn.
Die Verlangsamung in der Zunahme des Verkehrs auf der
Großen Berliner Straßenbahn hat auch im Berichtsjahre ange-
halten.
Tab. 158. Verkehr auf der Großen Berliner Straßenbahn (in Müiionen).
Jan. I Feb. Mrz. 1 Apr. Mai [ Juni j Juli Aug. j Sept.! Okt. j Nov. Dez. i Jabressumme
1911 35,4|33,6
1912 I 36,2135,2
1913 37,5 35,9
37,1137,9
39,01 .39,0
40,8| 39,6
37,5 35,9| 35,4| 37,0i 38,3| 40,1 38,1 40,7 447,0
38,9! 37.2i 37,3| 38,2j 39,01 41,3' 39,9 42,1 463,3
40,0' 39,0J 36,91 38,l| 38,61 40,2 39,0; 40.7 || 466,3
175. Verkehr auf der Hoch- und Untergrundbahn.
Die Zunahme des Verkehrs auf der Hoch- und Untergrund-
bahn war im Berichtsjahre v^esentlich stärker als im Jahre 1912.
Tab. 159. Anzahl der auf den Strecken der Hochbahnsresellschaft (einschl. der Schöneberg«
Wilmersdorfer und Dahlemer Bahn) beförderten Personen.
Januar Februar März April
Mai
Juni
Juli
Augnist
Sept. Okt. Nov. Dez. Jahressumr
1911
1912
191.S
te 046 676 5 580 922 8 144 936 ; 5 807 097
p 292 975 5 969 709 6 218 348,5 680 496
|5 718 245 5 296 3(36 1 5 735 460 5 397 777
5 358 881
5 520 207
5a72 924
4 777 638 4 325 447
4 924 680!4 343 627
4 714 687 4 758894
4297 874
4 426 734
5 692 515
5 1 17 018 15 980 927 5 847 883 16 440 92H 65 726 227
5 223 295 5 933 819 1 5 628 814 6 068 268 66 220 972
6 399 128 7 748 903l7 808 179|8 755 887|1 73 093 856
Auf der Schöneberger Untergrundbahn allein wurden fol-
gende Personen befördert, die in obigen Zahlen mit enthalteai
sind: :
178. Feuerversicherung.
00/
ib. 160. Anzahl der auf der Schöneberger Untergrundbahn beförderten Personen.
Jan. Febr. März
April
Mai ! Juni Juli Aug. 1 Sept.
Okt.
Nov.
Dez. Jahressumme
11 682 676 1 640183 719 424
12 850613; 794 871 802 941
13 ,803 017 1 737 589 784173
673399
742 656
746 779
614 579
682 699
686 175
628235
572 144
616 993
457 391
459 248
528 721
466590
490 731
571 749
599165
615 732
688 216
740 736
741 522
802 043
749811
730694
802 929
836 979, 7 709168
783 413 i 8 267 264
897 200 i 8 665 584
176. Omnibusverkelir.
Der Omnibusverkelir, dessen Wachstum sich in den Jahren
1909 bi5 1911 wesentlich verlangsamt hatte, nahm im Berichtsjahre
wieder in schnellerem Tempo zu.
.
161.
Omnibnsverkehr.
[ Januar \ Februar | März | April 1 Mai
Juni
Juli 1 August Sept.
Okt.
Nov. 1 Dez. 1 Jahress.
►
12 043 168 11 246 926 1 1 2 802 481 12 467 430 1 13 038 575
12 779 641 11 861 478 1 13 382 369 12 866 943 13 286 972
12 916 620 ! 12 212 274 1 13 928 490 14 057 665 1 14 317 848
12394460
12907147
14251925
12665879 13080298 13365335
13197914 13348847 13169773
13 849 013 1 14 104 965 14 620 674
13514666
13973664
15281664
12 6797041 13 533 800
1317451614235072
14127604|14707836
162832602
16758422Ö
168376405
177. D roschken verk ehr.
Am Schluß des Jahres waren an Droschken vorhanden
Im
Ortspolizei-
Im Bezirk des Polizeipräsidenten zu
imTia.ndes
polizei-
bezirk
Ohar- Schöne- Neu-
Lichten.
bezirk
Berlin
lottenbg. borg köUn
berg
Berlin
Gewöhnl. Pferdedroschken
2386
113
154
123
126
2893
Gewöhnl. Kraftdroschken .
485
112
307
60
9
973
Pferdegepäckdroschken .
154
10
—
5
10
179
Kraftgepäckdroschken . .
879
92
349
103
23
1446
*) Außerdem 8 gewöhnlich
e elektrische
Droschke
n und 5 el
ektriscl
le Gepäck
droschken.
Die Siatistik zeigt wiederum einen Rückgang der Pferde-
droschken und eine Vermehrung der Kraftdroschken.
An den Berliner Bahnhöfen angefahren sind im Jahre 1913
909 900 Droschken, also rund 154 000 mehr als im Vorjahre.
XIII. Versicherungswesen.
178. Feuerversicherung.
Mit besonderer Deutlichkeit gibt sich der aleatorisohe Cha-
rakter des Feuerversicherungsgeschäfts in der Scliadensstatilstik
der letzten Jahre zu erkennen. Während nach, der Statistik des
Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversiciierung die seiner Auf-
sicht unterstehenden 82 bzw. 83 deutschen und ausländisdhen
Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften in ihrem direkten deut-
schen Geschäft für Brandsdhäden im Jahre 1910 103 MiU. Mk.
zu zahlen hatten, stiegen die auf ihren Versicherungsbestand
Schaden
verlauf.
558 XIII. Versicherungswesen.
in Deutschland entfallenden SchadenszaMung-en in dem außer-
oe wohnlich trockenen Jalire 1911 auf 148 Mill. Mk. Ein solches
sprunghaftes Emporschnellen der Leistung um fast ein Drittel
gegenüber dem Vorjahre haben die Versicherungs-Gesellschaften
tunlichst in der Prämienbemessung beziehungsweise in besonderen
EücMagen zu berücksichtigen. Denn ein Anpassen der Versiche-
rungspreise an die Auf- und Abwärtsbewegungen des Schadenver-
laufs in jedem einzelnen Jahre ist schon deshalb nicht möglidh,
weil ein beträchtlicher Prozentsatz der Versicherungen auf fünf
und zehn Jahre unter Festlegung der Prämien für diese Zeit ab-
geschlossen wird. Die Tatsache, daß die Verluste außerg^ewöhn-
lich schadensreicher Jahre zu Lasten der Gesellschaften einschließ-
lich ihrer Rückversictherer g^ehen, die Versicherungsnehmer abar
im allgemeinen unberülirt lassen, hat für diese die erwünschte
Wirkung möglichster Stabilität der Prämienhöhe und spricht damit
neben vielen aJideren Momenten g'egen den wiederholt zur öffent-
lichen Erörterung gestellten Gedanken der Uebemahme der Feuer-
versicherung auf das Reich. Denn hei einer staatlichen, das Reichs-
gebiet umfassenden Feuerversicherung würde die ganze Last des
Mehrbedarfs auf den Schultern der Versicherungsnehmer nihen.
Da jener Schadenssteigerung des Jahres 1910 auf 1911 von etwa
45 Mill. Mk. bei den bezeichneten Privatgesellschaften noch die
Steigerung bei den übrigen Privat-Gesellschaften und bei den
öffentlichen Feuerversicherungsanstalten hinzutritt, ist die Ge-
samtste ige rujig auf etwa 70 Mill. Mk. zu schätzen. Hierdurch
w^ürde im Falle einer Reichs-Feuerversicherung der einzelne Ver-
sicherungsnehmer vergleich.sweise wie durch eine plötzliche Steuer-
erhöhung um ein Drittel des bisherigen Satzes getroffen werden.
Solche Auflagen bieten nioht nur Anlaß zu allgemeiner Unzu-
friedenheit, sondern sind auch deshalb von wirtschaftlichem Nach-
teil, weil sie in den Ausgabeetat des Privatmanns wie des Ge-
schäftsmanns störend eingreifen. Der mit Hilfe der Rückversiche-
rung auf internationalen Boden gestellte privatwirtschafStliche
Feuerversicherungsbetrieb dagegen gleicht die Folgen des schwan-
kenden Schadenverlaufs aus.
Schadens- Die amtliche Schadensstatistik für das deutsche Feuerver-
sicherungsgeschäft in 1912 erscheint erst im Jahre 1914. Nach
den veröffentlichten Reclinungsabschlüssen der Feuerversicherungs-
gesellschaften war der Schadens vierlauf im Jahre 1912 nicht ebenso
schlecht wie im vorhergehenden Jahre, aber wesentlich schlechter
als der erwartungsmäßige Durchschnitt. Ein ähnliches Ergebnis
dürftet das Jahr 1913 zeitigen. Wie im Vorjahre sind wenigstens
in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres große Brand-
katastrophen nicht eingetreten, dagegen hat die Zahl der Schäden
über 100 000 Mk. wieder einen sehr erheblichen Umfang ange-
nommen. An erster Stelle der Zahl nach stehen Maschinenfabriken,
einschließlich Eisen- und Stahlwerke, Holzbearbeitungsbetriebe
178, Feuerversicherung.
559
und Holzlager, chemische Fabriken, Textilfabriken, Schuhfabriken,
Geschäfts- und Warenhäuser, namentlich auch Speicher, die bis-
her in 1913 allein 4 Mill. Mk. Entschädigung beanspruchten,
Ziegeleien und Ton werke, Bierbrauereien usf.
Die naheliegende Frage nach den Ursachen der hohen Scha-
densquoten läßt sich schwer beantworten. An Niederschlägen hat
es im Jahre 1913 kaum gefehlt, so daß die Zahl -and der Umfang
der Brände nicht auf AVassermangel und Trockenheit zurüek-
geführt werden kann. Vermutlich liegt die Schuld an dem Zu-
sammenkommen mehrerer Momente, insbesondere der wirtschaft-
lichen Depression, dem zunehmenden Gebrauch von Feuer und
Licht in den verschiedensten Formen einschließlich der Verwen-
dung leicht entzündlicher Brenn- und Betriebsstoffe, und nicht
zuletzt wohl auch an Gleichgültigkeit und Abneigung mancher
Versicherungsnehmer gegen die Durchführung der gelegentlich als
unbequem empfundenen aber im Interesse der Feuei^icherheit
notwendigen Feuerschutzmaßnahmen. So sehr sich unverkennbar
die Feuersicherheit im allgemeinen g^ehoben hat, so müssen doch
die vielfachen Widerstände gegen die von den Feuerversicherungs-
Gesellschaften aufgestellten Sicherheitsvorsclhriften und sonstige
auf die Kleidung und Unterdrückung von Bränden abzielende Ein-
richtungen um so mehr eine Steigerung der Schadensbeträge zur
Folge haben, als einerseits die Anhäufung großer Wertmengen
stetig zunimmt und andererseits der Umfang der Haftung der
Versicherungsgesellschaften durch das am 1. Januar 1910 in Kraft
getretene Gesetz über den Versicherungsvertrag eine wesentliche
Erweiterung' erfahren hat. Theoretisch ist die Forderung berech-
tigt, daß der Versicherungsnehmer alle ihm aus einem Brande
erwachsenden Einbußen durch die Versicherung ersetzt erhält.
Praktisch führt dies zu der Konsequenz, daß der Brand nicht
mehr durchweg als ein mit allen Mitteln abzuwendendes Unglück
angesehen wird; und tritt hierzu in gewissen Fällen noch die
Hoffnung auf Erzielung eines Vorteils bei der Schadensfeststel-
lung, so greift eine Sorglosigkeit hinsichtlich der Vorbeugung
ireo-en die Gefahr Platz, die auf die Gesamtziffer der Schaden-
brande von nachteiligem Einfluß sein muß.
Die Bestrebungen der sogenannten Versicherungs-SchutzV'er-
bände, Versicherungssachverständigen, Versicherungs - Treuhand-
gesellschaften usf. tragen zur Verschlechterung der Lage des
Feuerversicherungsbetriebs in Deutschland bei. Bis auf eine oder
zwei derartige Schutzunternehmungen, die sich eine objektive Be-
ratung angelegen sein lassen, suchen sie ohne Verantwortung für
die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Versicherungsgesell-
schaften, ohne Kenntnis ihres Prämienbedarfs, ihrer Schadens-
quoten und sonstiger interner Verhältnisse möglichst günstige
Bedingungen und Prämien für ihre Klientel herauszuholen. Diese
Tätigkeit bildet ihre Erwerbsquelle. Dutzende solcher Unter-
Ursaclien der
hoheu
Schade us-
quoten.
Versicherungs-
schutz-
Verbände.
560 XIII. Versicherungswesen.
nehmungen bestehen, deren Leiter meist aus der Laufbahn geratene
Versicherungsagenten oder -beamte sind. Als Mittel zur Anwer-
bung von Kundschaft wählen sie vielfach das Angebot kosten-
freier Polioenrevisionen. Durch Aufdeckung angeblicher Mängel
der Policen und durch Hinweise auf Erlangung günstigerer Prä-
mieri und Bedingungen gelang"en sie oft zu ihrem Ziele, die Ver-
sicherungsnehmer zur Zahlung der verhältnismäßin hohen Ge-
bühren möglichst für eine Reihe von Jahren zu bewegen. Die
Schutz Verbandsbewegung verteuert danach die Versicherungs-
nahme, stört das gute Einvernehmen zwischen Versicherten und
Versicherungsgesellschaft und übt einen nicht zu unterschätzen-
den Einfluß auf die Unrentabilität des Versicherungsgeschäfts
aus. Der Deutsche Versicherungs-Schutzverband in Berlin hatte
mit der im Jahre 1910 erfolgten Gründung der Deutschen E>eform-
yersicherungsbank' A.-G. zu Berlin seine ein Jahrzehnt hindurch
den bestehenden Eeuerversicherungs-G^sellschaften gegenüber
geltend gemachten Anschauungen wegen Gestaltung der Ver-
sicherungsbedingungen) und Bemessung der Prämien in die Wirk-
lichkeit zu übersetzen versucht. Die hiermit von dem Schutz-
verband auf seine eigenen Versicherungsideen angestellte Probe
ergab die Unrichtigkeit der Ideen. Die Deutsche B/eformbank war
nicht nur nicht in der Lage, die Eeuerversicherung zu reformieren,,
sondern sah sich gezwungen, nach etwa dreijährigem Bestehen
im Juni 1913 mit großen Verlusten für ihre Aktionäre zu liqui-
dieren. "Wenn für das Mißlingen der Reformbank auch sonstige
Umstände in Betracht kommen, so deutet doch ihr Schicksal klar
genug die Richtung an, welche die deutsche Feuerversicherung
in Befolgung der Ansichten des Schutzverbandes nehmen würde.
Der Umstand, daß der Schutzverband seine eigene Gründung
nicht lebensfähig zu erhalten vermochte, beweist, daß er in ver-
sicherungstechnischen Fragen kein zuverlässiger Berater sein kann,
und daß seine Beratung zum Nachteil des Peuerversicherungs-
wesens ausschlagen muß. Dabei ist der Berliner Schutzverband
seit einer Reihe von Jahren, seitdem er die Vorbereitungen zur
Einrichtung der Reformbank in Angriff genommen hatte, von
seinen^ extremsten Forderungen zurückgekommen, während andere
derartige Gebilde, mit einigen wenigen Ausnahmen, nach wie vor
namentlich die Drückung der äußerst knappen Versicherungs-
preise aus geschäftlichen Literessen weiter betreiben. Die Schutz-
verbandsbewegung in der Gestalt, die sie bei den meisten dieser
Unternehmungen angenommen hat, wird deshalb nicht als nütz-
lich für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung angesehen
werden können.
Versicherungs- . Das mit dem 1. Oktober 1913 in Kraft getretene Versiche-
stempeigesetz. ruQgsstempelgesetz vom 3. Juli 1913 beseitigt zwar die Ver-
schiedenheiten der bisherigen einzelstaatlichen Stempelgesetz-
gebung, lastet aber auf der Peuerversicheoning, die allein mehr als
178. Feuerversicherung. 561
20 Mill. Mk. an Stempelbeträgen jähiiieh aufzubringen hat,, so
stark, daß ein Rückgang in der Versicherimgsnahme zu erwarten
steht. Außerdem leidet das Gesetz infolge der Hast der Beratungen
im Reichstag und in der Kommission an so zahlreichen UnJdarheitsn,
daß seine Durchführung auf große Schwierigkeiten stößt. Da
für je 1000 ^Ik. Versicherungssumme bei unbeweglichen Gegen-
ständen der Stempefl 5 pPfennig, bei beweglichen Gegenständen al3er
15 Pfennig beträgt, geht das Interesse der Versicheiaingsnehmer
naturgemäß dahin, die versicherten Sachen möglichst als unbe-
wegliche Gegenstände zu deklarieren, während der Fiskus das
entgegengesetzte Interesse hat. Hieraus erg^eben sich bei der Ver-
sicherung von ^laschinen und maschinellen Einrichtungen Mei-
nungsverschiedenheiten, deren Klärung bis jetzt nicht gelungen
ist.) Die Begründung des Reichsstempelgesetzes verweist hinsicht-
lich der Unterscheidungsmerkmale für bewegliche und unbeweg-
liche Gegenstände auf das Bürgerliche Gesetzbuch, wonach als
unbewegliche Gegenstände im wesentlichen die Gebäude und die
sonstigen mit dem Grund und Boden fest verbundenen Gegen-
stände sowie deren wesentliche Bestandteile, dag'egen als beweg-
liche Gegenstände die sonstigen Bestandteile und das Zubehör
(§§ 97, 98 BGB.) zn gelten haben. Bezüglich der Gebäude ist
ein' Zweifel nicht möglich, um so mehr bezüglich der Maschinen.
Das Reichsgericht sagt selbst in einer Entschieidung vom 29. März
1908, daß die Erage der wesentlichen Bestandteile eine schwierige
und verschiedener rechtlicher Beurteilung fällig sei, so daß nur
von Eall zu Fall darüber entschieden werden kann, ob Maschinen
die Eigenschaft von Zubehör oder von unwesentlichen Bestand-
teilen oder von wesentlichen Bestandteilen der Fabrik haben.
Für die versicherten Fabrikbesitzer ist es keine erfreuliche Aus-
sicht, auf Grund solcher völlig in der Luft schw^ebenden Begriffe
ihren Bestand an Maschinen und maschinellen Einrichtungen nach
ujibeweglichen und beweglichen Gegenständen zu zerlegen und
sich mit den Steuerbehörden darüber auseinandersetzen zu müssen,
ob und für welche Arten diese Objekte der Stempel von 5 oder
von 15 Pfennig zu entrichten ist. Außerdem bedroht der § 103
des Gesetzes denjenigen mit einer Geldstrafe in Höhe des fünf-
undzwanzigfachen Betrages der vorenthaltenen Abgabe, der un-
richtige Angaben macht, die geeignet sind, die Abg-abiü zu ver-
kürzen. Sogleich beim Erscheinen des Gesetzentwurfs im ^lärz
dieses Jahres ist auf die großen Bedenken hingewiesen worden,
die) gegen einen verschieden hohen Stempel für unbew-egliche und
bewegliche Gegenstände sprechen. Wenn es dem Reichsschatz-
amt nicht noch gelingt, eine praktisch brauchbare Lösung zu
finden, so würde aus dem jetzigen Dilemma am zweckmäßigsten
der "Weg führen, daß durch eine Novelle zum Stempelgesetz der
K'-on vornherein erhobenen Forderung nach einem einheitlichen
mäßigen ■ Stempelsatz für unbewegliche und bewegliche Gegen-
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 36
562 XIII. Versicherungswesen.
stände entsprochen wird. In der Zwischenzeit wären die Steuer-
behörden der Bundesstaaten anzuweisen, in allen Zweifelfäjlea
Nachsicht walten zu lassen.
179. Lebensversicherung.
Lebens- Die Entwickelung des Lebensversicherung-sgeschäfts der in
versicherunj,'. ßerliu ausässigcn privaten Gesellschaften ist im Jahre 1913 be-
friedigend gewesen. Wenn auch die ung'ünstige wirtschaftliche
Lage, die zu Beginn des Jahres infolge der Kriegswirren |am
Balkan noch eine Verschärfung erfahren hatte, eine gewisse Zu-
rückhaltung des Publikums gegenüber dem Neuabschluß von Ver-
sicherungen zur Felge hatte und andererseits diese Momente in
^'erbindung' mit den bedauerlichen AVirkung^en, welche die Hand-
habung und Auslegung des Versicheruiigsgesetzes für Ang^estellte
seitens der berufenen OrgaUe gezeitigt haben, ein erhöbtes vor-
zeitiges Storno bestehender Versicherungen herbeigeführt hatten,
soi st doch wie im Vorjahr eine mindestens ebenso ignoße Steigerung
des Versicherungsbe^tandes in der großien Lebensversicherung
allgemein zu verzeiclmen gewesen. Diese Erfolge, welche die
privaten Gesellschaften allein ihrer weltbekannten Leistungs-
fähigkeit, ihren vort.ref fliehen Einrichtungen und dem unermüd-
lichen Eifer ihrer bewahrten Organe zu verdanken haben, sind
um so erfreulicher als sie unter sehr erschwerten Konkurrenz-
verhältnissen erzielt worden sind. In dieser Hinsicht muß be-
sonders der AVettbewerb der öffentlich-rechtlichen Lebens-
versicherungsanstalten hers^orgelibben werden, welche sich durch
systematische Hera.bsetzim.g( des Ansehens und des Rufes,' der
privaten Gesellschaften Eingang in das Publikum zu verschaffen
suchen, wobei ihnen bedauerlicherweise der oft über das Alaß
des Erlaubten hinausgehende Schutz der Behörden fördernd ziu*
Seite steht. Die Ziffer der Schadenfälle hat nur eine mäßige
Zunahme gegen diejenig^e des A'^or Jahres erfaliren, so daß mit einem
anselinlichen Sterblichkeitsgewinn zu rechnen ist. Da auf der
anderen Seite die verfügbaren Vermögensbestände^ durch die
Steigerung des Zinsfußes für Hypotheken günstig angelegt werden
konnten, so werden allgemein zufriedenstellende finanzielle Ge-
schäftsresultate erwartet. Der empfindliche Kursverlust, den die
Gesellschaften aus der Kapitalanlage in "Wertpapieren (auch in
1913 ZV. verzeichnen haben, erfüUt sie mit um so größerer Sorge,
als nach Berichten der Presse die Regierung den längst geplanten,
bisher immer wieder zurückgestellten Gesetzentwurf über den
Anlagezwang für eiaen Teil des Gesellschäftsvermögens in Staats-
papieren neuerdings den verfassungsmäßigen Körperschaften zur
Beschlußfassung vorzulegen beabsichtigt. Dieses zur Erfüllung
seines Zweckes — die Hebung des Kurses der Staatspapiere • —
ungeeignete Projekt ist dazu angetan, die Interessen der
180. Transportversicherung,
563
Ter sicherten schwer zu schädigen; die Gesellsdiaften sehen
den gesetzgeberischen Maßnahmen mit größter Beunruhigung
entgegen, zumal ihnen die letzten Jahre wiederholt berechtigtem,
Anlaß zur Klage über die überhastete, dem Wesen und segens-
reichen Wirken der Privatversicheriung wenig Verständnis ent-
gegenbringende Arbeit der Gesetzgfehung gegeben hatten.
Mehr als die große Lebensversicherung hatte daß Renten-
geschäft unter der Ungunst der Zeitverhältnisse zu leiden. Hier
hielt sich der Neuzngang hinsichtlich der Anzahl der Policen
sowie in den Einzahlungen bei Abfassung dieses Berichtes noch
etwa in der Höhe des -Vorjahres, es ist aber mit Sicherheit ein
starker Bückgang des Neugeschäfts in dieser Branche für die
Zukunft zu erwarten, nachdem das am 1., Oktober 1913 in Kraft
(getretene Beichsistempelgesetz die Besteuerung dieser Versiche-
rungen in zehnmal so großer Höhe als vor diesem Termin vor-
sieht. I>as finanzielle Ergebnis war im ganzen noch' unbefriedigend.
In der Erlebensfall- (Sparkassen-) Versicherung wurde auch
im Jalire 1913 die seit Jahren beobachtete Einschränkung weiter
durchgefühi-t.
In der Volksversicherung ist ein gutes Neugeschäft erzielt
worden, wenn auch andererseits infolge des allgemeinen' Druckes,
den die wirtschaftlichen Verhältnisse auf die hier in Frage
^kommenden Schichten gerade der großstädtischen Bevölkerung
ausüben, ein erhöhtes Storno nicht zu vermeiden gewesen ist.
Hemmend auf die ^Entwicklung der Volksversicherung wirkte
das Neuauftreten der „öffentlich-rechtlichen" Volksversicherung
und der sozialdemokratischen ,, Volksfürsorge", welche die
Akquisition mit Hilfe von bisher in der Privatversicherung per-
horreszierten Mitteln betreiben und daher Beimruhigung und Miß-
trauen in das Publikum hineintragen. Die von mehr als dreißig
deutschen Privatgesellschaften auf gemeinnütziger nationaler
Grundlage errichtete ,, Deutsche Volksversicherung A.-G." nahm
in der zweiten Hälfte des Jahres ihren Geschäftsbetrieb
ebenfalls auf, nachdem es ihr nicht gelimgen war, das von ihr
■angestrebte Zusammengehen mit (den öffentlich-rechtlichen An-
st^ten zwecks gemeinsamer ;Abwehr der durch die Gründung
der ,, Volksfürsorge" auf gewerkschaftlich-genossenschaftlicher
Basis heraufbeschworenen wirtschaftlichen und politischen Ge-
fahr zu erreichen.
180. Transportversicherung.
Nach den Seeunfall isten ider hiesigen Klassifikationsgesell-
schaft „Germanischer Lloyd" stellen sich die Seeschäden in den
Jahren 1912 und 1913 folgendermaßen:
36*
564
XIII. Versicherungswesen.
1913
i-:::-:-' ■ To t a Iv e r 1 u s t e.
iD'anaipfer Segelschiffe
Jahr
1912
1913
Anzahl
337
317
Brutto tonn engehalt
518 187
'479 576
Anzahl
464
386
Nettotonnengehah
182 612
178996
1913
912
913
— 20
6 030
5 854
— 38 611
B e s c h ä d i
gu
— 78
ngen.
1296
1 220
— 3 616
176
76
Dfebstahl-
»chädeDi.
Aus der vorstehejiden Tabelle ergibt sich, daß die Zahl der
total verloren gegangenen Dampfer sowie :der total verlorenen
Segler etwas zurückgegangen ist. Auch die Beschädigungen
haben sieh im Jahre 1913 vermindert. Das Seeversichenmg's-
jgeschäft hat im rv^ergangenen Jahre etwas bessere Ergebnisse
als im Vorjahre gezeitigt. Der .allgemeine wirtschaftliche Auf-
schwung, der d.as Jahr 1912 auszeichnete, kam auch diesem Jahre
noch zugute. Die Prämieneinnahmen sind infolgedessen gestiegen.
Trotz alledem tmterliegt es keinem Zweifel, daß die mehr als
ungenügenden Betriebsgewinne der letzten Jahre nicht auf eine
besonders große Anzahl von Totalverlusten zurückzufüliren sind,
sondern auf den 'übertriebenen Konkurrenzkampf und auf den da-
durch hervorgerufenen andauernden Prämiendruok. Andererseitsi
waren innerhalb der ersten und letzten Monate des' Jahres erheb-
liche Schadenfälle zu verzeichnen. Besonders bemerkenswert ist
der Verlust des Diampfers ,,Templemore", der durch Feuer zer-
stört wurde und dessen Schaden etwa 6 Mill. Mk. betrug, sowie
der Verlust des Dampfers „Veronese", der einen Schaden von
3 500 000 Mk. verursachte. Weiter ist der Dampfer ,,Tyrone" zu
erwähnen, bei dem der Verlust 2 600 000 Mk. betrug, und ferner
der Dampfer „Acilia", 'der verschollen ist lind der einen AVert
von 2 600 000 Mk. repräsentierte. — Außerdem machten sich die
wirtschaftlichen Folgen ides (Balkankrieges empfindlich bemerk-
bar, besonders die dadurch verursachten Schwierigkeiten auf dem
Geldmarkte.
Leider machte sich im Berichtsjahre eine größere Steigerung-
der Diebstahlschäden bemerkbar, deren Deckung oft die ganze
Prämie absorbiert, so jdaß für das eigentliche Seerisiko nidits
übrig bleibt. Besonders (bedenklich ist die Zunahme der Diebstalil-
schäden in den großen Häfen, insbesondere London, New York,
Hamburg und Antwerpen. In Hamburg wird mit einer Besserung"^
der Verhältnisse nur zu rechnen sein, wenn die Polizei eine
erhebliche Vermehrung der Zahl der Beamten nnd der Barkassen
für den Sicherheitsdienst vornimmt.
Von Jahr 201 Jahr nehmen die Feuerschäden auf Seeschiffen
an Zahl und Bedeutung zu. Hierüber wird von allen Versicherern
lebhaft Klage geführt. In sehr vielen Fallen bestehen die Ür-
180. Transportversiclierung.
565
Sachen in der 'Selbstentzüindung der Bunkerkohlen. Reeder und
A'ersicherer beschäftigen sich eingehend mit der Frage der. Mittel
-zur Bekämpfung von Bränden. Eine Reihe von Reedereien ist
zum Einbau von Feuerlöschapparaten übergegangen, die das Feuer
mit erstiokenden Gasen bekämpfen. Femer sind zu dem Zweck
von der Feuerschaden-Zentrale in Hamburg iauch einige Bichtr
Linien aufgestellt worden, die den Kapitänen als Anleitung dienen
sollen.
Die Prämieneinnahme ist im. Vergleich zu derjenigen des
^^orjah^es infolge des starken Imports von Rohprodukten und dtis
immer noch lebhaften Güterv^erkehrs gestiegen. Jedoeh hatte der
^'ersicherungs'markt andererseits unter dem Druck der Kriegs-
wirren auf dem Balkan und in Mexiko zu leiden.
Da^ FlußversieherungSgesohäft verlief in normaler Weise,
da AYind und AVetter günstig waren. Trotzdem wird vielfach über
den unbefriedigenden Verlani des Flußgeschäftes geklagt. Detr
Grund hierzu liegt in den tnicht mehr ausreichenden Prämien
im Flußgesehäft, namentlich auf dem Rhein. Eine Besserung
ist indessen nicht möglich, so lange die Versicherungsgesell-
schaften und deren Vertreter sieh bei der Abgabe der Prämien-
offerten nicht von der Frage der Rentabilität des Geschäfte,
sondern nur von dem Bestreben leiten lassen, möglichst hohe
Prämieneinnahmen zu erzielen.
Das Landtransportversicherungsgeschäft ha.t sich im Berichts-
jahre nur in unbedeutendem Maße weiter entwickelt.
Das Valorengeschäft ist im allgemeinen jnormal verlaufen.
Einzelne Gesellschaften haben allerdings in den letzten Monaten
zahlreiche und ziemlich empfindliche Verluste auf Barsendungen
in Briefen mit Teüdeklaration erlitten. Bekanntlich werden in
Deutschland seit einigen Jahren Briefe mit Wertdeklarationen
bis zu 600 Mk. wie Einschreibebriefe behandelt, d. h. summarisch
kartiert. Es wäre teehr wohl verständlich, wenn gerade diese
Briefe mit Wertangabe einen Anreiz für ungetreue Postbeamte
bildeten; denn bei (dem jetzigen System sind Nachforschungen
über den Verbleib einzelner derartiger Briefe mit sehr großen
Schwierigkeiten verbunden.
Auch daß Jahr 1913 war fü;r die Anto-Kasko- Versicherung
so reich an Schäden, daß dieses Geschäft keinen Gewinn brachte.
Ein großer Teil der deutschen Transportversicherungsgesell-.
Schäften hat das Kasikorisiko der drei Luftschiffe „Hansa",
„Sachsen" und „Viktoria Luise" der Deutschen Luftschiffahrts-
,Aktien-GesiellschaJt übernommen. Ob die für diese Versicherung
festgesetzten Prämien lind Versicherungsbediogungen das richtige
treffen, kann mangels ausreichender Erfahrungen bei diesem
jüngsten Zweig der Transportversicherung erst die Zukunft lehren.
Ueber das finanzielle Ergebnis läßt sich zurzeit noch nichts
Zuverlässiges sagen, da der Verlauf der letzten Monate des Ge-
Geschäfts-
umfang und
Prämieii-
einnahme.
Fluli-
'ersicherung.
Landtransport-
geschäft.
Valoren-
Geschäft.
Auto-Kasko-
Versicherung.
Luftschiff-
Kasko-
versicherung.
Finanzielles
Ergebnis.
566 Xin. Versicheiningswesen.
schäftsjaJires — der fü;r die Transportversicherung tmgünstigsten
Jahreszeit — noch von wesentlichem Einfluß auf die Ergebnisse
sein kann. Soweit bis jetzt ein Ueberblick möglich ist, düi^fte
der ^u erwartende Eeingewinn dem des Vorjahres entsprechen.
181. Hagelversicherung,
^^sc^fts- Die Yon Berlin aus geleiteten Hagel Versicherungsgesellschaf-
ten auf Gregenseitigkeit, die Borussia, Ceres, Deutsche für Gärt-
nereien, Norddeutsche mid Preußische hatten sämtlich im Jahre
1913 zufriedenstellende Ergebnisse zu verzeichnen. Die Mehr-
zahl dieser Gesellschaften kann das Berichtsjahr mit Recht als ein
über den Durchschnitt günstiges bezeichnen. Leider war die
.Witterung sowohl für die Herbstbestellung im Vorjahre als auch
für die diesjährige Frühlingssaat nicht überall die geeignete, so
daß die erhofften Ernteergebnisse vielfach hinter den normalen zu-
rückblieben, was in zahlreichen Fällen zur Deklaration verhältnis-
mäßig niedriger Versicherungswerte führte. AVenn trotz dieser
erfahrungsmäßig sich von Zeit zu Zeit einstellenden Minder-
deklaration fast alle genannten Gesellschaften ein Anwachsen
ihres Versicherungsbestandes im Jahre 1913 verzeichnen können,,
so ist damit der Beweis erbracht, daß das Vertrauen des vei'siche-
rungsbedürftigen Publikums zu den Leistungen der Gegenseitig-
keitsanstalten in immer weitere Kreise der deutschen Landwirte
dringt. — Von verderblichen Frühschäden, die — abgesehen von
dem sonstigen Unheil, das sie anzurichten pflegen — in jedem
Falle äußerst störend auf die Bearbeitung der Versicherungs-
anträge wirken, blieben die Versicherer fast gänzlich verschont, so
daß die Hauptdeklarationszeit in Ruhe verlief. Erst der Monat
Juni brachte zahlreichere Hagelgewitter und wurde dadurch —
wohl für alle Gesellschaften — zum hagelreichsten Monat des
Berichtsjahres. Auch bei den außerhalb Berlins angesessenen
Gegenseitigkeits vereinen haben die zahlreichen Junischäden die
bis dahin still genährte Hoffnung auf ein nachschußfreies Jahr
zunichte gemacht. Juli und August verliefen normal, nur stellte
sich zum Schaden der Landwirtschaft kein rechtes Erntewetter
ein. Das Hagelrisiko, das in normalen Sommern von Mitte Juli
ab durch die fortschreitende Abemtung der Feldfrüchte rasch
abnimmt, blieb infolge des ungemein ungünstigen Erntewetters
verhältnismäßig schwer und verlängerte sich um rund einen
Monat gegen günstige Emtejahre.
Die Schäden selbst waren im allgemeinen leichterer Art als
in anderen Jahren. Ueber ihre Verteilung auf das Deutsche Keich
ist zu sagen, daß einige Bezirke auch in der verflossenen
Kampagne wieder von besonders zahlreichen und ausgedehnten
Hagelschlägen heimgesucht wurden, so namentlich die Provinzen
Pommern, Posen und ."Westpreußen sowie Teile der Königreiche
Bayern und Württemberg. Totale Vernichtung des Feldbestandes
567
wurde im Gegensatz zum Jahre 1912 in größerem Umfange nicht
beobachtet; die 1913er Schäden regulierten sich im allgemeinen
für diu ersatzpflichtigen Gesellschaften günstig, was natürlich auf
deren Gesamtergebnis von ausschlaggebendem Einfluß war.
Die folgende Tabelle zeigt den Unterschied der interessieren-
den Zahlenangaben aus dem laufenden Geschäftsjahr imd seinem
Vorgänger :
1912
1913
Weniger
Gesellschaft
Nachschuß
in %
Gesaratbeitrag
für 100 M.
Nachschuß
in %
Gesamtbeitrag
Ar 100 M.
^flT
der Netto-
Versicherungs- Summe
der Netto-
Versicherungs - Summe
vorprämie
Pf.
vorprämie
Pf.
Pf.
Borussia 105
Gesamtdtschl.
152
70
131
21
Norddeutschi.
151
122
29
Süddeutschi.
158
140
18
Ceres
75
151
55
133
18
Deutsche für
15%
193
.nV2 7o
186
7
Gärtnereien! Dividende
Dividende
1 an 5 jähr.
an 5 jähr.
Mitgl.
Mitgl.
Nord-
75
Gesamtdtschl.
135
30
103
32
deutsche
Norddeutschi.
123
94
29
Süddeutschi.
178
135
43
Ostdeutschi.
122
94
28
Preußische
145
162
65
112
50
Da die Norddeutsche Hagel- Versicherungs-Gesellschaft auf
Gegenseitigkeit zu Berlin mehr aJs ein Drittel der gesamten Hagel-
versicherungen Deutschlands in Händen hat, gewinnt der Ge-
schäftsbericht der Direktion erhöhte Bedeutung und dai'f in seinen
Grundzügen wohl auch als auf die Mehrzahl der übrigen Hagelver-
sicherungsunternehmungen zutreffend angesehen werden. £s
heißt in diesem ausführlichen Bericht u. a. folgendermaßen: ,,Die
Entwicklung der Gesellschaft im Berichtsjahre kann als durchaus
zufriedenstellend bezeichnet werden. Die Zunahme an Versiche-
rungssumme hat z'war nicht den großen, durch besonders günstige
Verhältnisse veranlaßten vorjährigen Umfang erreicht, sie ist
aber doch recht beträchtlich und genügend, wenn man berück-*
sichtigt, daß sie trotz ungünstiger Umstände erzielt wurde. Die
Versicherungssumme, welche
1912 bei 193 522 Polizen . 1 040 706 434 M. ausmachte, wuchs
1913 „ 200 765 ., auf 1 060 217 085 ^ an, erhöhte sich mithin
um 7 243 Polizen und 19 510 650 M.
Es ist also nicht nur gelungen, die einzig dastehende Höhe der
Versicherungssumme von mehr als einer Milliarde Mark zu halten,
sondern es ist durch den Fleiß der Generalvertreter und Agenten
erreicht worden, daß die Weiterentwicklung der xinstalt nicht nur
nicht ins ^Stocken geraten, sondern in erfreulicher AVeisc fortge-
schritten ist. Die Versicheruno'ssumme nahm um rund 20 Mill. Mk.
568 XIII. Versicherungswesen.
zu, trotzdem für das Berichtsjahr — ^ dem Vorjahr gegenüber — eine-
recht 'erhebliche Minderdeklaration festgestellt werden; kann. Die:
Gesamtzahl der Mitglieder (einschließlich der Teilnehmer an.G^-
meindeversieherungen) betrug im Berichtsjahr 326 725 und stieg
gegen 1912 mit 316 597 Mitglieder um 10 128 Versicherungs-
nehmer. Rund 286 000 Mitglieder versichern Beträge bis 4000
Mark — ein Beweis daf ür^ daß unsere Anstalten die schwere, aber
volkswirtschaftlich segensreich wirkende Pflicht, auch die kleinen
landwirtschaftlichen Existenzen für die so notwendige Deckung-
nahme gegen Hagelschäden zu interessieren und sie der Vorteile
des Versicherungsschutzes teilhaftig zu machen, in weitgehendem
Maße mit Erfolg zu erfüllen bestrebt ist. Den ^litgliedern einer
Versicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit kommt jede Gunst der
Zeit zugute. Das zeigt sich recht markant in dem günstigen Be-
richtsjahre 1913, wenn man seine Beitragszahlen mit denen des
Vorjahres vergleicht. Auf 100 Mk. Versicherungssumme berechnet
beträgt der diesjährige „Gesamtbeitrag" — also Vorprämie, Bei-
trag zum Eeservef onds und 30 o/o Nachschuß — :
im Gesamtgeschäft 103,13 Pf. gegen 135,26 Pf. in 1912
in Süddeutschland (Bayern, Württem-
berg, Baden, Hohenzollern und
Reichslande) . 135,33 „ „ 177,99 ;, „ 1912
in Norddeutschland (einschl. des König-
reichs Sachsen, des Großherzogtums
und der Provinz Hessen) .... 94,30 „ „ 123,40 „ „ 1912
in Ostelbien 93,45 ,, „ 121,53 „ „ 1912
Die Differenz in der Beitragseinhebung der letzten beiden Jahre
war danach in allen größeren Arbeitsgebieten der Gesellschaft
sehr erheblich zugunsten des Berichtsjahres. Der Durchschnitts-
beitrag im Gesamtgeschäft von „103,13 Pf." blieb sogar unter dem
seit dem Bestehen der Gesellschaft durchschnittlich pro Jahr und
100 Mk. Versicherungssumme erhobenen Beitrag, der „104,59 Pf."
betragen hat, und erreichte lange nicht den während der letztver-
vergangenen zehn Jahre erhobenen Durchschnittsbeitrag pro Jahr,
der „145,57 Pf." ausmachte.
Das Berichtsjahr kann auch hiernach als über den Durchs
schnitt hinaus günstig mit Eecht bezeichnet werden.
Die diesjährige Schadenkampagne w^ar eine außergewöhnlich
lange; der erste Schaden wurde am 4. April gemeldet, der letzte
am 21. September; trotzdem verlief die Kampagne, wie nach-
stehende ^hlen zeigen, erheblich günstiger als die vorjährige.
Es wurden gemeldet und bearbeitet :
1912 insgesamt 32 717 Schäden mit 50 430 510 M. Anmeldesumme,
gegen 1913 „ 21732 „ ,. 36 060 830 „ ^
mithin 1913 weniger: 10 985 Schäden und 14 369 680 M. Anmeldesumme.
Sind der Hagelbranche weitere gute Jahre beschert, was auch im
Interesse der deutschen Landwirtschaft zu wünschen w^äre, so
182, Unfall- und Haftpflicht-Versiclieiung.
569
dürften die Aktienimternehniungen genötigt werden, mit ihren
jetzt noch verhältnismäßig hoch gehaltenen Prämien herunter-
zugehen, um mit den Gegenseitigkeitsgesellschaften in wirksame
Konkurrenz treten zu können^ die für alle Beteiligten nur von
Nutzen sein kann.
Von den vier Hagelversicherung betreibenden Aktienunter-
nehmungen domiziliert nur die „Berliner Hagel-Assekuranz-Ge-
sellschaft von 1832'' in der Hauptstadt selbst. Sie steht aber
mit der ,, Magdeburger", der „Kölnischen" und „Union" -Weimar
in so enger Geschäftsverbindung, daß die Ergebnisse der einen
nicht genannt werden können, ohne auch die der drei übrigen
kurz anzuführen. Der in der Versicherungssunime zum Aus-
druck kommende Versicherungsbestand der genannten vier Ge-
sellschaften ist im vergangenen Jahre durchweg um ein Ge-
ringes zurückgegangen. Im übrigen sind aber die Aktiengesell-
schaften insofern vom Glück begünstigt gewesen, als ihre
Geldmittel durch Entschädigungszahlungen nicht allzu stark
in Anspruch genommen wurden. Infolge der immer noch hoch
gehaltenen Prämien der Aktiengesellschaften ist daher bei ihnen
allen ein erheblicher Gewinn für die Aktionäre herausgewirt-,
schaftet worden. Im einzelnen stellt sich dieser wie folgt:
Berliner von 1832 45 o/o Dividende, Magdeburger I42/3 0/0 Divi-
dende, Kölnische 20 0/0 Dividende, Union 031/3 ^/o Dividende imd
5 Ob Aktienzinsen.
182. Unfall- und Haftpflicht-Versicherung.
Die allgemeine wirtschaftliche Depression hat sich im Be-
richtsjahr auch auf dem Gebiet der Unfall- und Haftpflicht-
Versicherung merklich fühlbai' gemacht. Hierzu kommt, daß durch
das am 1. Januar 1913 in Kraft getretene Angestellten- Versiche-
rungsgesetz den Unternehmern neue erhebliche Lasten aufge-
bürdet worden sind, die eine Einschränkung der Ausgaben für
andere Versicherungszwecke zur 'Folg^ gehabt haben.
Im Unfall- Versicherungsgeschäft ist bei einer Anzahl von
Gesellschaften ein befriedigender Zuw^achs an Neuversicherungen
zu verzeichnen gewesen, welchem aber ein allgemein gedrücktes
Prämienniveaiu gegenübersteht. Andere Gesellschaften klagen
allerdings über einen schleppenden Verlauf des Neuzuganges, was
auf das Anwachsen der Konkurrenz und die hierdurch erhöhte
Schwierigkeit, Geschäfte zu ausreichenden Prämien abzuschließen,
zurückzuführen ist. Die Schadenfälle haben sich im allgemeinen
in einem normalen Verhältnis zur Anzahl der bestehenden Ver-
sicherungen gehalten. In dem industriellen Kollektivgeschäft je-
doch zeio-te sich eine stärkere Zunahme der Schäden. Trotz der
unverkennbaren Tatsache, daß bei vielen Eisikoklassen die ge-
zahlten Seh adensummen die vereinnahmten Prämien ganz be-
deutend überschreiten, werden o-erade bei der Bewerbung un^'
Allgemeines.
UnfaU-
V'ersicheruni
570
XIII. VersicheruDirswesen.
Ei'gebnisse.
solche Risiken die Prämien häufig in einer AVeise von der Kon-
kuiTenz gediniokt, da,ß an eine erti'agreiche Bearbeitung dieses
Geschäftszweig*es für die 'Zukunft kaum geda<'ht werden kajin.
Auch in der Haftpflicht- Versicherung war ein zufrieden-
stellender Zuwaehs an ^Versicherungen, allerding-s bei vielfach sehr
knappen Prämien, zu konstatieren. Namentlich ist eine Belebung
des Geschäftes in Privathaftpflichtversicherungen zu beobachten
gewesen. Besonderes Interesse bietet die Stellimg der Haftpflicht-
Versicherung-sgesellschaften gegenüber den Luftsportrisiken, und
man erwartet hierzu eine demnächstige gesetzliche Regelung des
Luftverkehrs. In der xlutohaftpflicht-iVersicherungsbranche muß-
ten die Prämien, um dem fWettbewerb einigier Gesellschaften zu
begegnen und denselben gegenüber den Versichei'ungs'besta.nd nicht
nur in Autohaftpflicht-, sondei'n auch in anderen' Haftpflicht\'er-
sicherungen zu schützen, bo ermäßigt werden, daß diese Branche
voraussichtlich Verlust bringen wird. Die Schäden zeigen stei-
gende Tendenz, auch hat die Zahl 'der Autohaftpflichtschäden
keine A^erringerung erfaJiren. Die Ersatzansprüche in Haftpflicht-
Schadenfällen sind vielfach so stark ühersetzt, daß trotz aller
Bemühungen der Gesellschaften, in kulanter AA'eisä ohne Prozesse
zu regulieren, die Fälle, in denen die Entscheidung der Gerichte
angerufen weixien muß, sich beträchtlich mehren. Bei diesen
bricht sich aber die Erkenntnis mehr und mehr Bahn, daß die
Schuld daran nicht bei den Gesellschaften liegt, sondern daß
eine übertriebene Begehrlichkeit des Publikums diese zum Pro-
zesse zwingt.
183. E i n b r u c h d i e b s t a h 1 V e r s i c h e r u n g.
Die A^ersicherimg gegen Einbruchdiebstahlschäden hat im
Jahre 1913 dank der äußerst intensiven Werbetätigkeit aller
diese Branche betreibenden Gesellschaften ^^^iteren Eingang im
hielten Publikum g-efunden. Dieses Streben nach immei^ größerer
Sicherung des Eigentums ist im Interesse einer gedeihlichen Volks-
wirtschaft nur als ein erfreuliches Zeichen zu begrüßen. Auch
in Berlin kann die Steigening der gegen Einbruch gedeckten AVerte
bei Berücksichtigung der allgemeinen Depression als befriedigend
angesehen werden, wenn aucli diese Steigerung bei den einzelnen
Gesellschaften bei weitem nicht an die Ergebnisse früherer Jahre
heranreicht. Die Ungunst der Zeit machte sich besonders im
einfachen Mobiliar geschäite bemerkbai^, in dem sich das Streben
nach Ersparnis außerordentlich empfindlich zeigte. Aber nicht
nur die ungünstige allgemeine Lage, sondern noch mehr die bis
aufs äußerste gesteigerte Konkurrenz beeinträchtigte die Zugänge
jeder Gesellschaft und steigerte zudem die Unkosten. Der Geld-
mangel, die Arbeitslosigkeit und die größere Not brachten so-
dann eine ungewöhnliche Steigerung der Einbrüche mit sich, so-
wohl in Ablehnungen als auch bei A\'aren- und Kassenschrankvor-
571
ipicherungen. Das AVai^ngeschäft zeigt sich weiter ungünstig,
was allerdings den guten Erfolg mit sich bringt, daß die Ge-
schäftsinhaber doch nach und na-ch für stärkere und bessere
Sicherungen der Ein- und Ausgänge, sowie der Fenster usw. zu
ig^winnen sind. L-etzt«res kann auch hinsichtlich der Geldschrank-
Versicherungen festgestellt w^erden. Erfreulicherweise werden
immer mehr die veralteten, meistens "nur teilweise oder auch
gar nicht gepanzerten Schränke durch änöderne Panzersehränke
ersetzt, die den Einbrechern sehr ihr Handwerk fersohweren. Trotz
aller imgünstigen Einwirkungen ist aber ini großen und ganzen
der Geschäftsverlanf gut .gewesen, w^enn er auch die früheren
Jahre nicht erreicht hat.
184. G 1 asver 3 ich er ung.
Der Verlauf des Glasversicherung-sgeschäfts war im Jahre Geschäftsgang
1913 ebenso ungünstig wie im Vorjahre. Der Hauptgrund hierfür
liegt in den vom Internationalen .Spiegelglas-Sj^^idikat festgesetzten
hohen Glaspreisen. Da im Schadenfalle fast stets Naturalersatz
geleistet wird, sind die Vorgänge auf dem Spiegelglasmarkt für
das Ergebnis des Glasversicherimg-sgeschäfts von einschneidende!^
Bedeutung. Aber auch die Umstände, welche schon früher als
größte Schadenbringer erwähnt wurden, nämlich zunehmende Be-
vorzugung der Metallrahmen für Schaufenster, Fortfall des Ja-
lousieschutzes und vorzeitiges Einsetzen der Scheiben bei Roh-
bauten sind dieselben geblieben. Auf die Metallfassungen der
'Scheiben sind allein 35 o/o der »Gesamtschäden zurückzuführen,
ein Faktor, mit welchem die Gesellscliaften früher, als noch aus-
schließlich Holzrahmen verwendet wurden, nicht zu rechnen
brauchten. Uni die Bruchgefahr für in Metall gefaßte Scheiben
wenigstens einigermaßen herabzumindern, haben die Gesellschaften
zur Selbsthilfe gegriffen, indem sie [vielfach auf die eisernen
Wasserschenkel entsprechend konstruierte Holzleisten montieren
lassen, auf Avelche die Scheiben gesetzt werden. Erfährt das
Schadenkonto hierdurch auch eine weitere Belastung, so wird
doch erreicht, daß die Ersatzscheibe nicht wieder aus der gleichen
Ursache springen kann. Zu einem festen Zusammenschluß der
Gesellschaften, der bei den geschilderten Imgünstigen Verhält-
nissen um so notwendiger wäre, ist es leider auch im 'Berichts-
jahre nicht gekommen. Es war daher auch nicht möglich, einen
einheitlichen Prämien ta;rif zu schaffen ; eine förmliche Schleuderei
mit den Prämien für neue Versicherungen mußte die unausbleib^
liehe Folge sein. Der Besitzstand des alten Geschäfts ist )iach
wie vor durch gix)ße Unterbietungen der Konkurrenz^ ständig ge-
fährdet. Einen wesentlichen Zuwachs haben die Abschlußberichte
der Gesellschaften pro 1913 kaum zu verzeichnen. Denn abge-
sehen von der durch den geschilderten Prämiendruck bedingten
Mindereinnahme sind auch neue Versicherungsobjekte infolge des
572 XIII. Versicherungswesen.
Daniederliegens des ßaumajrktes jiicht in. dem. ^Lsißte geschaffen
worden, wie früher. I)aÄU wird der Erwerb wie die Erhaltimg-
größerer Risiken noch, durch die vom Reich, eiagefülirten höheren
iStempelabgaben erschwert. Denn der Versicherimgsnelmier muß
jetzt das Vielfache des früheren Betrages für Stempel entrichten.
Anzeichen für eine Besserung der Verhältnisse in absehbarer Zeit
liegen nicht vor.
185. Viehversicherung.
Geschäftsgang Dei' Qeschäftsstand der größeren Viehversicherungsgesell-,
Schäften nahm in seiner Gesamtheit, wie seit Jahren, so aucli im
Berichtsjahre, langsam zu, wenn auch die schwierigen G-eld Ver-
hältnisse der gedeihlichen Weiterentwicklung hemmend entgegen-
traten. Außer den kleineren und mittleren Landwirten haben
besonders die zu Oeschäftszwecken Pferde haltenden Kaufleute
und Gewerbetreibenden von der Versicherung ihrer Tiere nicht so
ausgiebig Gebrauch gemacht, wie es zu wünschen wäre; und da
auch die Großgrundbesitzer im großen und ganzen nur geringe
Neigung für die Versicherung ihrer Viehbestände zeigen, so bleibt
die Gewinnung neuer Versicherungen mit größeren Schwierig-
keiten aller Art verknüpft, trotz des unstreitig bestehenden und
auch anerkannten Bedürfnisses. Dies gilt nicht nur für die Vieh-
lebensversicherung, sondern ebenso auch für die gegen feste Prämie
betriebenen SpezialVersicherungen, wie Operations-, Transport-,
Ausstellungs- und Weideversicherung. In der Weideversicherung
machte sich noch' besonders der durch (die ungünstigen Witterungs-
verhä,]tnisse veranlaßte verminderte Weide auftrieb nachteilig be-
merkt ar. Hingegen findet die Versicherung von Zuchtpferden in
den Züchterkreisen immer mehr Anklang. Von den schadenbrin-
genden Krankheiten trat die Maul- und Klauenseuche, die lange
Jahre hindurch geherrscht hat, im Berichtsjahre kaum mehr in
Erscheinung. Dagegen haben mancherlei andere Umstände un-
günstig auf die Schadenziffern eingewirkt. Insbesondere sind
Ziahlreiche und erhebliche Schäden dadurch verursacht worden,
daß das Körnerfutter zu einem großen Teil ungereift oder aus-
gewachsen zur Verwendung gelangt ist. Auch von tierärztlicher
Seite konnte insbesondere bei Zuchttieren eine ungünstige Beein-
flussung der Geburten auf das Futter zurückgeführt werden;
mehr noch war letzteres bei der Kolik der Fall. Endlich Rat
auch die 'ungünstige Witterung des Berichtsjahres nicht unerheb-
liche Schäden durch ErkältungskranJ^iheiten verursacht. Bei der
Schlachtviehversicherung war ebenso, wie im Jahre 1912, eine
Steigerung der Versicherungsobjekte nicht festzustellen. Die der
Schlachtbank, zugeführten Tiere sind noch geringer geworden, wie
sie schon 1912 waren. Das finanzielle Ergebnis der Schlachtvieh-
versicherung wird dadurch beeinträchtigt, daß durch lokalen Milz-
brand größere Schweineschäden hervorgerufen wurden, und daß
186. Kück Versicherung. o7o
die zu Anfang des Jahres gefallenen Schweinepreise nach dem
t. Juni "wieder eine bedeutende Steigerung erfahren haben. In den
Schweinebeständen namentlich der östlichen preußischen Provinzen
hat die Schweinepest schwere Schäden verursacht; diese Seuche
ist leider noch nicht in Abnahme begriffen. Durch die nicht aus-
reichende Erhitzung 'der Magermilch und ihrer Verfütterung an
die Schweine sind erhebliche Verluste bei den Schlachttieren her-
vorgerufen. Auch im Berichtsjahr waren die Viehversicherungs-
gesellschaften bestrebt, sich den Wünschen der Viehbasitzer in
bezug auf die Gestaltung des Versicherungsschutzes anzupassen.
Leider finden die Gesellschaften durch die landwirtschaftlichen
Korporationen und Behörden wenig Unterstützung in ihren Be-
strebungen um Ausbreitung. Im Gegenteil, einige Provinzen be-
schlossen im Berichtsjahr die Errichtung von Pro vinzial- Versiche-
rungs-Anstalten und bereiten die Gründung von kleinen örtlich
begrenzten Viehversicherungsvereinen und deren Zusammen-
fassung zu einem Provinzialverbande unter Leitung der Pro-
vinzialverwaltung vor, die nicht nur den kleinen, sondern auch
den bäuerlichen und den Großgrundbesitz umfassen sollen. Auch
die Bestrebungen, für die einzelnen Spezialarten ausreichende
Prämiensätze zu erlangen, stoßen in den Kreisen der Versiche-
rungsnehmer häufig auf Widerstand.
186. Bück Versicherung.
Die Feuerrückversicherungsbranohe nahm einen normalen Ver-
lauf und -wäre besser ausgefallen, wenn nicht die großen Brände
in Lübeck gewesen wären, wo Holzlager, die viele Millionen be-
wertet w^aren, durch Brandstiftung vernichtet wurden. Auch
das Transportversicherungsgeschäft verlief bis jetzt normal. Einen
großen Uebelstand bilden auch hierbei die vielen Schiffsbrände auf
See und in den Häfen. Die übrigen Branchen, wie Lebens-, Un-
fall-, Haftpflicht-, Hagel- und Einbruchdiebstahl-Versicherung,
verliefen ebenfalls normal. Die Bückversicherungsgesellschaften
erzielten mithin im Berichtsjahre einen mäßigen Gewinn.
XIV. Agenturgewerbe.
187. Agenturgewerbe.
Für das Getreideagenturgeschäft ließ das Berichtsjahr von (jetreide.
Anfang an jeglichen Sdhwung vermissen tind eine Aenderung
zum ^ßesseren trat in seinem weiteren Verlaufe nicht einmal
für kurze Zeit ein. Dem Verkehr mit dem Auslande waren sehr
enge Grenzen gezogen durch die hohen Erträge der deutschen
Ernten, die einen Bedarf für fremdes Getreide in Deutschland
nur in so bescheidenem Umfange aufkommen ließen, daß fer nicht
574
XIV. Agenturgewerbe.
Katfee.
Getrocknete
amer. Früchte
Smyrna-
Rosinen,
Mandeln.
genügte, tun das Vermittlungsgeschäft in ausländischem Getreide
auch nur vorübergehend zu beleben. Dieser Greschäftszweig hat
überdies Formen angenommen, die ihn von Jahr zu Jahr schwie-
riger gestalten und befürchten lassen, daß ihm der natürliche
Boden mehr und mehr entzogen wird. Diese Befürchtung ist
begründet durdhi den Umstand, daß einerseits die Käufer sic^h
nur noch selten zur Erteilung von Aufträgen bequemen, anderer-
seits aber die Verkäufer solche verlangen, wodurch der Ver-
mittler zur Ausfüllung der entstehenden Lücke, und damit auf
den Weg des Eigenrisikos gedrängt wird. So unnatürlich dieser
Zustand ist, so bedauerlich ist sein Bestehen für das ganze
Agenturgewerbe im Getreidehandel, und es wäre zu wünschen,
daß die gesunden Verhältnisse früherer Zeiten wiederkehrten, wo
lediglich Tüchtigkeit und Fleiß zu Erfolgen führten. Die reichen
einheimischen Ernten brachten den Vermittlern des inländischen
Geschäftes zwar zeitweise rege Tätigkeit, allein sie war nicht
von Datier, weil die Zufuhrquellen für den hiesigen Platz durch
die Atisfuhr der sonst für ihn bestimmten Waagen naeh dem
Auslände mehr oder weniger versiegten. Erst gegen Jahresschluß
bereitete sich daxin eine Aenderung vor, weil die ausländische
Nachfrage vollständig ins Stocken geriet und damit die Ver-
katifsplätze wieder auf den Weg hierher gewiesen wurden.
Das Kaffeegeschäft litt außerordentlich unter den großen
Preisschwankungen. Das Vertrauen der Kundschaft wurde da-
durch sehr erschüttert, die Käufer hatten große Konjunkturver-
luste, und die Folge davon war, daß die Einkäufe auf ein Minimum
beschränkt wurden und eigentlich das ganze Jahr hindurch nur
das unbedingt Nötige gekauft wurde. Infolgedessen erforderte
das Agenturgeschäft sehr viel Arbeit; die Orders verzettelten
sich und die angewandte Mühe des Vermittlers war oft ver-
gebens. 'Das Geschäftsergebhis der Kaffeeagenten ist im Jahre 1913
sicliierlich hinter dem des Jahres 1912 zurückgeblieben.
Das Agenturgeschäft in getrockneten kalifornischen Früchten
war erschwert durch hohe Preise, verursacht durch eine kleine
Ernte und durch Vorräte a,us der alten Ernte bei den Käufern-
Dagegen begünstigten bei Ringäpfeln aus den Nordstaaten niedrige
Preise einen leichten Verkauf; das Geschäft war gut, da die
Nachfrage infolge höherer Preise für einheimische Aepfel leb-
hafter war.
Die Schwierigkeiten im Verkehr mit der Türkei, welche im
Vorjahre den Handel mit Smymarosinen beherrschten, waren in
diesem Jahre nieht mehr vorhanden, und infolgedessen war dasi
Geschäft regtilär. Zu Beginn der Kampagne erschwerten starke
Preisschwankungen das Geschäft. Im großen und ganzen Waji
es aber leidlich. Das Agenturgeschäft in Mandeln war gut und
bei den höh eil Preisen auch lohnend. Große Abschlüsse wurden
aber nicht getätigt, sondern es wurde von der Hand in 'den
187. Ageiiturgewe-rbe.
O/O
Mund gekauft, und das Vermittlungsgeschäft erforderte aus diesem
Grunde sehr viel Mühe und Arbeit.
DaiS Agenturgeschäft in Zucker bewegte sich infolge eines
regelmäßigen Bedarfsgeschäfts in normalen Grenzen.
In Reis wiar das Agenturgeschäft geringer, da der Artikel
immer noch seinen hohen Preisstand behauptete und die Käufer
kein Vertrauen hatten, große Lieferungskäufe einzugehen. Der
Konsum war infolge der großen Kartoffelernte geringer.
Das Agenturgeschäft in Butter blieb unverändert. Xur die
Agenten, welche in russischer Butter arbeiten, haben wohl mit
einem Minderertrag der Provision zu rechnen, da diese Provenienz
knapper zugeführt wurde.
Der Provisionsertrag im Käseagenturgeschäft war für die
betr. Agenten geringer infolge des ungewöhiilich niedrigen Preis-
standes und des im letzten Halbjahre verminderten Konsums.
Da5 Agenturgewerbe in der Zigarrenbranche bewegte sich
im' Jahre 1913 mehr loder weniger auf schwankendem Boden.
Einerseits war der Verbrauch bei der reellen Händlerkundschaft
durch den Unfug der Preisschleuderei im Zigarettenhandel sehr
i^urückgegangen, andererseits konnte und sollte der Agent bei
der Unsicherheit der Verhältnisse diejenigen Händlerkreise nicht
unterstützen, welche der ruinösen Preisschleuderei huldigen. Es
bedurfte daher besonderer Anstrengungen, um das Agenturgeschäft
lohnend zu gestalten, was nicht überall möglich war, da infolge
der in Groß- Berlin damiederliegenden Verhältnisse auch viele
Verluste vorkamen. Die Provisionssätze sind auch im Jahre
1913 nicht gestiegen, so daß die aufgewendete Mühe des
iHandelsagenten keinen entsprechenden Lohn gefunden hat. Die
Steuerkraft des Handelsagenten wird einerseits durch! den Schleich-
handel mit Tabakfabrikaten seitens der Beamten bei den Be-
hörden geschädigt, andererseits aber dazu benutzt, zu j^otstands-
gehältern an dieselben Beamten beizutragen.
Pur das Agenturgewerbe der Gold-, Silberwaren- und Bi-
jouteriebranche war das Berichtsjahr niöht gü;nstig. Infolge der
vorhandenen reichlich großen Warenlager bei den Grossisten und
der von den Detailleuren gegebenen kleinen Orders wurde von
ersteren nur sehr langsam und zurückhaltend bestellt. N^ur im
Monat Dezember war das Geschäft etwas lebhafter. Auch das
Exportgeschäft ließ sehr zu wünschen übrig, besonders nach den
Balkanstaaten.
Das Agenturgeschäft in Metallwaren, feinen Lederwaren,
Haushaltungs- und Luxus-i, Schreibwaren und Bureauartikeln war
im Jahre 1913 sehr ungünstig. Das deutsche Geschäft, speziell
in verschiedenen Großstädten, ,allen voran in Berlin, litt unter
den Wirkungen des Krieges auf dem. Balkan und der damit in
Verbindung stehenden politischen Spa,nnungen, sowie unter den
so sehr erschwerten Geldverhältnissen. Zahlungen erfolgten in
Zucker.
Reis.
Butter.
Käse.
Zigarren.
Gold-, Silber-
waren- und
Bijoaterie-
branehe.
Metall-, Leder-
Haushaltungs-
Luxuswareu
0/b
XIII. Versiclieriine-swesen.
Glas, Porzellan,
Steingut.
Drogen und
Chemikalien
Garne.
der ganzen Branche äußerst schleppend. Auch das Exportgeschäft
wal' schlechter als in den früheren Jahren. Nordamerika hielt
die Aufträge wegen des neuen Tarifes zurück, und in vielen
Artikeln ist der Umsatz gegen frühere Jahre ganz erlieblich zu-
rückgegangen. Der in vergangenen Jahren so blühende Export nach
Südamerika hat ebenfalls besonders gegen Ende des Berichtsjahres
schwer zu leiden gehabt. Die Krisis auf den Geldmärkten, die
schlechten Ernten in Brasilien und Argentinien, sowie die Un-
ruhen in einzelnen Staaten, ganz besonders in Mexiko, haben
den Gesamtexport schwer geschädigt. 'Da die genannten Branchen
bei unsicheren Verhältnissen in allererster Linie in Mitleiden-
schaft gezogen werden, so sind auch die Aussichten für das'
neue Jahr recht trübe. Ganz besonders in Argentinien hat der
deuts^iie Exporthandel schwere Verluste zu ertragen gehabt.
Das Agenturgeschäft in Glas, Porzellan, Steingut und Ge-
brauchsartikeln erreichte nicht die Höhe des Vorjahres. Die poli-
tische Lage und vor allen Dingen die Geldknappheit verminderten
die Umsätze. Auch der Export hielt sich in niäßigen Grenzen. Süd-
amerika kaufte wenig, Mexiko fiel ganz aus. Auch in Nordamerika
ist die Lage ungeklärt. Besonders im Sommer war die allge-
meine Geschäftslage sehr still, und wenn auch die Nachfrage
vom Oktober ab wieder lebhafter wurde, so ließ sich der Aus-
fall nicht wieder einholen. Die Preise für Beleuch tun gs glas,
Cylinder und Schinne waren derartig niedrig, daß sie nicht die
Herstellungskosten deckten; die Preise dieser Artikel sind daher
kürzlich um 20^0 erhöht worden.
Das Agenturgeschäft in Drogen- und Chemikalien war im
vergangenen Jahre nicht zufriedenstellend. Im ersten Halbjahi^
war das Geschäft recht ruhig und späterhin zeigte sich, beson-
ders im Chemikalienhandel, bei sehr vielen Artikeln eine rück-
gängige Konjunktur, die die Umsätze weiter zurückgehen: ließ.
Geradezu trostlos liegt das Geschäft in Blei weiß. Während
in früheren Jahren am Jahresschluß sdhon Abschlüsse für das
Jahr so weit hinaus gemacht waren, wie nur irgend möglich,
dürfte in diesem Jahre kaum ein einziger Abschluß getätigt sein.
Grund hierfür sind die traurigen Verhältnisse am Hypotheken-
markt und im. Baugewerbe, das Verbot der Staatsbehörden, daß
bei Arbeiten für sie Bleiweiß keine Verwendung mehr finden
darf, und der bis vor kurzer Zeit ganz außerordentlich hoch ge-
wesene Preis für Eohblei.
Auch' im Garnagenturgeschäft machte sich im verflossenen
Jahte die allgemeine Depression bemerkbar; die Gesichäfte
wickelten sich schwerer ab als früher, und auch der Umsatz war
kleiner. AVollenc Strickgarne, besonders soldie, die für Sport-
artikel verarbeitet werden, waren das ganze Jahr hindurch be-
gehrt, so daß ein ziemlich regelmäßiger Absatz darin stattfand.
Die seit Beginn des Jahres 1913 gegen das Vorjahr wesentlicih
187, Agenturgewerbe. 577
erhöhten Preise, die im Laufe des Jahres noch eine weitere Stei-
gerung erfuhren, konnten sich aber ^gen Ende des Jahres nicht
mehr behaupten, sondern gingen entsprechend den reduzierten
Preisen für Croßbredwolle zurück. Trotzdem der Bedarf darin
noch immer gut ist, konnten die Konsumenten sich aber bis Jahres-
schluß noch nicht entschließen, die Abschlüsse für das Jahr 1914
zu maciien, weil sie noch ein weiteres Abbröckeln der Preise bei
der allgemeinen sichlechten Geschäftslage der gesamten Textil-
iadustrie befürchteten. Teppichgame waren das ganze Jahr hin-
durch wenig verlangt; man hörte von den Fabrikanten fortn
laufend Klagen über flaues Geschäft. Game für Kabelwerke
wurden auch etwas weniger als im Vorjahre gekauft. Auch der
Absatz von Eamiegarnen für die Gasglühlichtfabrikation ließ zu
wünschen übrig. Allem Anschein nach waren in diesier Branche
die Aufträge, besonders aus England, nicht wie ia früheren
Jahren zur eigentlichen Saison iu großer Massie vorhanden, son-
dern nur in bescheidenen Grenzen eingegangen, so daß seit Mitte
November ein auffallend ruhiges Geschäft zu konstatieren war.
Der Konsum von Kunstseide hat sich nicht wesentlich gegen
das Vorjahr geändert.
iDie allgemeiae wirtschaftliche Depression des Jahres 1913 DamenMeider-
las bete schwer auf dem Agenturgeschäft in Kleiderstoffen. Dazu
kam noch die überaus ungünstige Witterung des Jahres, die eben-
falls den Gang des Geschäftes ungünstig beeinflußte. In den
ersten Monaten des Jahres war das Geschäft noch günstig, doch
flaute es nachher wesentlich ab, so daß die letzten 6 oder 9 Mo-
nate zu den sich wier igst en Perioden gehörte, die dieser Zweig
des Agenturgewerbes in den letzten Jahren zu verzeichnen hatte.
Der stetig schheller folgende "Wechsel der Mode stellte an die
Arbeitskraft der Agenten der Kleiderstoff brandhe immer höhere
Ansprüche, zumal auch im Jahre 1913 der im vorigen Bericht
erwähnte Weclisel in der Art der von den Kleiderstoffgrossisten
geführten Artikel noch lebhafter in Erscheinung trat. Der Um-
satz LiL den früher als Kleiderstoffe bezeichneten 90 bis 110 cm
breiten wollenen, resp. holbwollenen Geweben ist wieder zurück-
gegangen und durch seidene, halbseidene und namentlich baum-
wollene Phantasiestoffe ersetzt worden. Es hat sich dadurch ein
wesentlidher Umschwung in den Bezugsquellen vollzogen, von
denen ein großer Teil im Auslande liegt. Im Berichtsjahre sind
namentlich viele Stoffe aus Frankreich eingeführt worden. Wenn
es auch! einer Keihe von Agenten gelungen ist, sich die Vertretungen
ausländischer Häuser in den verlangten Stoffen zu verschaffen,
so wird doch von einem Teil der Verbraucher derartige Ware
von dem ausländischen Kommisisionär, der an den Produktiong^
platzen wohnt, bezogen. Es ist diesi ein Uebelstand, der den
Umsätzen der Kleiderstoffagenten westentlidh' Abbruch tut. Der
schon oben erwähnte, überaus hastige Wechsel der Mode erfordert
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 37
578
XIV. Agenturgewerbe,
Mäntelstoffe.
Tuche.
mekr und mehr die vollste Aufmerksamkeit des Vertreters, der
den ständig wechselnden Launen der Mode folgen muß, um re<iht-
zeitig seine Fabrikanten zu unterriokten und ilinen die notweudigen
lAngaben und das notwendige Material in die Hand zu geben, da-
mit sie den Wünschten der Kundschaft folgen können. Dieses
Moment madht die Mitarbeit des Agenten für den Fabrikanten,
der auf der Höhle bleiben will, immer notwendiger; doch steht der
Verdienst der Kleiderstoff Vertreter zu der übergroßen Arbeit, die
er heute, um auf der Höhe zu bleiben und seine Fabrikanten auf
dieser zu erhalten, vollbringt, in keinem Verhältnis. Der moderne,
eine überaus nervöse Arbeit verridhtende Kleiderstoffagent ver-
dient heute noch immer dieselben kleinen Provisionssätze wie der
Kleiderstoffagent vergangener Zeiten, der ruhiger und gemäch-
lichier arbeiter. konnte und dessen Verdienst bei der damaligen
größeren Kaufkraft des Geldes verhältnistnäßig größer war.
Ueber die Mode spricht sich in gleichem Sinne ein anderer
Berich'tc'i'statter aus, dessen Bericht wir nachfolgende ergänzende
Ausführungen entnehmen :
Der Konsum von 110 cm breiter Ware, d. h. von Stoffen, die
zu Kleidern verarbeitet werden, geht von Jahr zu Jahx zurück
und wird von 130 cm breiter Ware, die sowohl von den Kleider-
stoff- wie auch Konfektionsstoffgrossisten geführt wird, ver-
drängt. Hinzu kommt, daß baumwollene Artikel sehr begehrt
waren und daß der Einkäufer, wenn der Artikel schön ist, gar
nicht mehr nach dessen Bestandteilen fragt. Bevorzugt wurden
immer noch bunte englische Grenres und gemusterte Stoffe, und
erst in den letzten Mionaten des Jahres spielten Uni-Stoffe wie
Crep und Cotele eine größere ß,olle. Es hat den Anschein, als ob
das Jahr 1914 einen Umschwung in der Mode dahin bringen
würde, daß Uni-Stoffe vorwiegen, und daß besonders bunt« eng-
lische Genres ganz zurückgedrängt werden. Der Umsatjs hielt
sich, dank der immerwährenden Musterungen, auf der Höhe der
vorhergehenden Jahre, obwohl der Verkauf infolge des schlechten
Detailgeschäfts viel schwieriger war.
Das Geschäft in fassonierten halbseidenen Mäntelstoffen setzte
am Anfang des Jahres sehr groß ein; auch war der Export be-
sonders nach den Vereinigten Staaten von Amerika recht stark.
Diese Lebhaftigkeit des Geschäfts hielt bis zum Anfang des
zweiten Halbjahres an, hörte dann aber, durch die schlechte
Witterung beeinflußt, vollkommen auf, so daß gar keine Nach-
orders erteilt wurden. Für das Jahr 1914 sind die Aussichten
bei regulärem Geschäft trotzdem recht günstig.
Die im letzten Berichte ausgesprochene Hoffnung, daß das
Tuchagenturgeschäft sich in diesem Berichtsjahre wieder heben
würde, sobald sich die Abnehmer an die neuen Einkaufsbedin-
gungen gewöhnt haben würden, hat sich nicht erfüllt. Das Ge-
schäft des Berichtsjahres stand ganz im Zeichen der deutschen
187. Agenturgewerbe. 579
Tuchkonvention. Diese konnte in keinem ungtinstigteren Zeit-
punkte begründet werden. In den Bedrugungen, die die Konven-
tion von Anfang an stellte, und die fortgesetzt ergänzt wurden,
befanden sich verschiedene Härten und Unkulanzen, die wohl
hätten vermieden werden können, und die die Abnehmer zu einem
gemeinschaftlichen Vorgehen veranlaßten. Die verschiedenen
Branchen, die Herrenkonfektionäre, Knabenkonfektionäre, Klei-
derfabrikanten, Tuchgrossisten und Tuchversender, tratein zu einer
Interessengemeinschaft „deutscher Tuchgroßabnehmer" zusammen.
Hierdurch begann eiu Kampf der beiden Interessengruppen, der
das ohnedies nicht auf wirtschaftlicher Höhe befindliche Geschäft
noch mehr herunterbrachte. Während vordem dem Agenten
durch freie Musterlieferung eine größere Chance bei der Auf-
nahme seiner Artikel geboten war, hat sich die Kundschaft jetzt
auf die Aufnahme geriagerer Mustermengen beschränkt, da sie
solche bezahlen mußte. Der erwähnte Kampf hat aber auch weiter-
hin lähmend auf das Geschäft gewirkt, zumal er in einer Art
geführt worden ist, der wenig Aussicht auf eine Einigung'' der
Parteien bot. Ein Teil der Schwierigkeiten bestand auch in dem
Umstände, daß die einzelnen Gruppen des zusammengeschweißten
Abnehmerverbandes jede für sich andere Interessen hatten. Als
schließlich die Delegierten beider Parteien nach' langen Be-
ratungen, in denen die Meinungen hart aufeinander platzten,
zu einer Verständigung kamen, und man glaubte, nun werde der
Friede und hiermit eine B/egelung des Geschäftes herbeigeführt
werden, desavouierte die Generalversammlung der Tuchkonven-
tion ihre Delegierten, und hierdurch wurde der Kampf noch weited
entfacht. Die Interessengemeinschaft deutscher Tuchgroßabnehmer
hat daraufhin, kurz nach Beginn der Offerten für die neue Winter-
saison, eine Ordersperre über alle Fabrikanten der deutschen
Tuchkonvention beschlossen. Diese Maßnahme war eüi harter
Schlag für alle Tuchagenten, die nun ihre Winterkollektioneni
vorlegten und hierauf zum größten Teil nur Muster in Formaten;
loswurden, die unberechnet abgegeben werden. So war die Situationj
bei Beginn des Jahres 1914, • an einem Zeitpunkte, an dem sonst
Aufträge für den kommenden Winter getätigt worden sind. Zur-
zeit — Mitte Februar 1914 — ist endlich der Friede hergestellt
worden, und die Agenten der Tuchbranche sind mit allen Kräften
bemüht, das Versäumte nachzuholen. Hoffentlich gestaltet sich das
Agenturgeschäft, das in dem geschilderten Kampfe mehr als jeder
andere Zweig des Kaufmannsstandes zwischen zwei Feuern stand,
in diesem Jahre durch geordnete Branchenverhältnisse wiedei]
besser, so daß die Scharte des Berichtsjahres ausgewetzt wird.
Trotz des allgemeinen schlechten Geschäftsganges siad die Gardinen.
Umsätze in der Gardiuenbranche im Jahre 1913 nicht nur nicht
zurückgegangen, sondern sogar noch gestiegen. Hierdurch ist auch
die Lage der Agenten günstig beeinflußt worden. Die Preis-
37*
580
XIV. Agenturgewerbe.
erhöh ungen, die die Wobereien laut Bericht des Vorjahres be-
schlossen hatten und die sie anfangs 1913 in Kraft treten ließen,
waren auch für die Grossisten 'sehr nutzbringend, da sich diese
bereits eingedeckt hatten. Während des ganzen Berichtsjahres
hat ^ich die Mode für 'Künstlergardinen noch weiter durchgesetzt
und die Meterware fast ganz Verdrängt. Auch in bunten Madras-
Igardinen und Viteragen wurden 1913 große Umsätze erzielt. Da-
gegen hat der Handel mit Band- und Spachtelgardinen durch die
hierfür ungünstige Mode gelitten. Daher haben auch die Ver-
treter für diese Ware im Jahre schlecht abgeschnitten.
Verbandstoffe. In Verbandstoffen zeigte das Agenturgeschäft eine bisher
nicht gekannte Höhe. Es ist dies auf die Balkankriege, sowie auf
die stete Kriegsbereitschaft des Deutschen 'E;eiches zurückzuführen.
Die meisten Balkanstaaten decken einen 'großen Teil ihres Be-
darfes bei Berliner Fabriken, die ihre dazu benötigten Materialien
aus Plauen beziehen, das während des ganzen Jahres in diesen
Artikeln beschäftigt war.
Rauchwaren. j)^^ Jahr 1913 War für das Agenturgeschäft in der Rauch-
warenbranche nicht zufriedenstellend. Die sehr liohen Preise,
welche im Januar 1913 für fast alle Artikel einsetzten, die
unsicheren politischen Verhältnisse in Verbindung mit dem
hohen Geldstand waren einem großen Absatz hinderlich. Die
'Fabrikanten sowohl wie die Detaillisten hielten mit ihren Ein-
käufen zurück, weil noch größere Vorräte aus 1912 vorhanden
waren und man annahm, daß die hohen Preise im Sommer
weichen würden. Man täuschte sich darin nicht, denn das zweite
Semester 1913 Ijrachte wesentliche Preisreduktionen des Roh-
materials ; dadurch entstanden sehr bedeutende Verluste, und eine
große Anzahl Von Rauchwarenhändlem mußte die Zahlungen
einstellen. Die durch die fallenden Preise entwerteten Läger und
das sehr schlechte Herbstwetter drückten auf die Kaufkraft ganz
besonders. Seit vielen Jahren hat die Branche nicht ein so wenig
befriedigendes Resultat ergeben wie im Jahre 1913. Jetzt, nach-
dem die Situation auf dem Rauchwarenmarkte etwas geklärt ist,
hofft man für 1914 wieder besseren Zeiten entgegensehen zu
dürfen. _^
Schuhwaren. Daß Berichtsjahr war für das Schuhwarenagenturgewerbe ein
schweres Jahr. Die Konjunktur der Schuhindustrie wie des
Schuhhandels war rückgängig 'und brachte schwierige Verhältnisse.
Eine bedeutende Verteuerung des Rohmaterials mußte eine wesent-
liche Preiserhöhung der fertigen Ware im Gefolge haben, und
zu dem. durch die UnguQst der Witterungsverhältnisse und
einen übertriebenen Wettbewerb verursachten schleppenden Ge-
schäftsgang trat noch eine wesentliche Krediteinschränkung.
•Leidet aber Industrie und Handel, so wird der Agent be-
sonders schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die höheren
187. Agenturgewerbe. 581
Preise konnten nur schwer und zum kleinen Teil, oftmals über-
haupt nicht, durchgesetzt werden, und manche Order scheiterte
hieran. In der Schuhwarenindustrie traten infolge der Kredit-
einschränkungen zahlreiche Konkurse und Insolvenzen ein. Der
Berichterstatter stellte fest, trotzdem ihm eine nur unvollständig©
Statistik zu Gebote stand, daß allein in Deutschland einige
90 Schuhfabriken die Zahlungen einstellen mußten, eine Zahl,
die wohl jeden Rekord schlägt, die sich aber nach einer genauen
Statistik noch wesentlich erhöhen dürfte. Von diesen Zusammen-
brüchen ist das Agenturgewerbe besonders schwer betroffen
worden, denn große Summen an Provision und Spesenauslagen
gingen diesem damit verloren. Wenn man berücksichtigt, daß die
Provision nichts anderes als einen Arbeitslohn für den Agenten
bildet, so muß immer und immer wieder betont werden, daß
unsere Gesetzgebung diesem endlich den Schutz angedeihen
lassen sollte, indem sie für die Agentenforderungen, speziell für
JProvision, ein Vorrecht im Konkurse des Geschäftsherrn zu-
billigt. Der Markt wird von den Fabrikdetaillisten, einigen
iwenigen Großdetailleuren mit vielen Filialen und einigen Hof-
:Und Etagengeschäften beherrscht, für die aber nur einige wenige
Agenturen in Betracht kommen; der mittlere und kleinere Han-
delsstand kann den Kampf mit dieser Konkurrenz weder gut noch
andauernd bestehen und wird nach und nach erdrückt. Der Agent
verliert somit nach beiden Seiten, sowohl an Lieferanten wie Ab-
nehmern, ihm wert und lieb gewordene Verbindungen, für die er
bei der Ungunst der Verhältnisse keinen Ersatz finden kann..
Trotz alledem ist der Zudrang zum Schuhwarenagenturgeschäft
enoim; in den Fachzeitungen werden zahlreiche Agenturen
gesucht, speziell von Neulingen, aber nicht angeboten. — Die
Partie- und Lombardschuhgeschäfte florieren nach wie vor und
wuchern immer üppiger weiter; sie versuchen sogar schon, die
Inißliche Situation der Agenten für sich auszunutzen, indem sie
durch Zirkulare diesen erhebliche Provisionen für den Nachweis
von Not- und Partieverkäufen bieten. Während so die Erwerbs-
verhältnisse recht schwierig geworden sind, treten wirtsi^haftlidh
immer größere Anforderungen heran, und wenn mit der Jahres-
wende und dem kommenden Frühling auch neue Hoffnungen er^
weckt werden, so muß man deren Erfüllungsmöglichkeit doch recht
pessimistisch gegenüberstehen.
Die Verhältnisse im Papieragenturgeschäft haben sich im ver- Papier.
f lossenen Jahre nicht gebessert ; die Unterbringung der Produktion
wird immer schwieriger, namentlich in Druckpapier und den mittele
feinen Papiersorten. Zeitweise haben verschiedene Papierfabriken
die Fabrikation eingeschränkt. In den besseren Papiersorten war
das Angebot nicht so bedeutend wie in den geringeren Sorten.
In Pappen und Packpapieren war das Angebot stärker als die
Nachfrage: namentlich für die Pappenfabrikation war das Ge-
Industrie
Ailgemeines.
582 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
schäftsjahr ungünstig. Infolge der allgemeinen ungünstigen Ge-
schäftslage ist der Verbrauch in allen Sorten wesentlich zurück-
gegangen.
XV. Verschiedene Geschäftszweige.
188. Musikinstrumente.
Pianoforte- Dias Jahr 1913 war für die Pianoforteindustrie ohne Zweifel
nicht günstig: Die allgemeiQ herrschende Geldnot wirkte «auf
den Absat'i von Luxusartikeln, zu denen auöh Klaviere gehören,
ganz besonders hemmend ein, und Fabrikanten sowohl als Händ-
ler litten unter dem völlig unzureidhenden Eingang von Auf-
trägen. Die Fabrikanten begehrtester Marken in gangbarster,
billigster Preislage, die in normalen Geschäftsjahren mit Auf-
trägen auf Monate im Voraus besetzt zu sein pflegen, griffen zu
dem ungewöhnlichen Mittel, zu Ausnahmepreisen- und Bedin-
gungen zu offerieren, um große Betriebseinschtänkungen zu ver-
imeiden. Die Fabrikanten großer angesehendster und teuerster
Qualitäten dagegen, die sonst in der beneidenswerten Lage sind,
alles an sidh herantreten lassen zu können, mußten bei ihren
Vertretern um Aufträge bitten, die dann auch' sofort ausgeführt
werdan konnten. Besonders betroffen wurden von dem schlechten
Geschäftsgänge diejenigen Fabriken, deren Hauptabsatz in Eu-
ropa liegt, während diejenigen Fabriken, die ein ausgedehntes
überseeisches Absatzgebiet haben, wesentlich günstiger gestellt
waren, da das überseeische G-esiohäft von der europäischen
G^SKihäftslage nicht immer beeinflußt wird. So hat tix)tz des
geringen Beschäftigungsgrades der deutschen Pianofabrikation
der Export von Klavieren im Berichtsjahre gegen das Vorjahr
wiederum zugenommen.
Die Ursache der Geldknappheil und der dadurch verursachten
schlechten Geschäftslage im Berichtsjahre dürfte nur in den
Balkankriegen zu suchen sein. Bis unmittelbar vor Ausbruch des
ersten Krieges war die Geschäftslage in der Piano forte-Industrie
gläJizend, der Stillstand trat aber sofort nach Ausbruch des
Krieges ein und bis jetzt hat sich das Geschäft nicht wieder be-
leben können. Hierbei kommen die Balkanländer selbst als Ab-
nehmer wenig in Frage, sondern vielmehr die Großmächte, welche
auf dem Balkan interessiert sind. Man fürdhtete, daß die Balkan-
wirren einen europäisdhen Krieg herbeiführen könnten und hielt
wohl sein Geld nach Möglichkeit zusammen. — Zugenommen
g^gen früher hat der Verkauf von kleinen Stutzflügeln, die sich
immer größerer Beliebtheit erfreuen. In dem Bau solcher Flügel,
namentlidh in mittlerer Preislage, leisten die deutschen Fabriken
Ausgezeichiietes und werden hierin von den ausländischen Fa-
briken nicht erreicht. Auch der Verkauf von Pianinos und Flügeln
188. Musikinstrumente.
583
mit eingebautem Spielapparat nimmt in allen Ländern stetig zu.
In der Fabrikation von Spielapparaten ist die deutscibe Industrie
ebenfalls sehr leistungsfähig und steht in bezug auf die Qualität
hinter keinem anderen Lande zurück. Trotzdem ist aber noch ein
großer Teil der in deutsche Instrumente eingebauten Spielapparate
ausländischen Ursprungs. — Von größeren Lohnbeweg imgen ist
diese Industrie im Berichtsjahre verschont geblieben. Wohl ist
es hier und da zu Arbeitseinstellungen gekommen, die aber jedes-
mal nur von kurzer Dauer waren und nach geringen Zugeständ-
nissen beigelegt worden sind.
Die Preise für Rohmaterialien sind im Berichtsjahre wieder-
um vielfach m die Höhe gegangen. Namentliöh für Elfenbein
und gewisse in- und ausländische Hölzer gingen die Preise ständig
in die Höhe. Von verschiedenen Seiten aus Fabrikantenkreisen
wurde da-her wiederum der Vorschlag gemacht, durch ein ge-
schlossenes Vorgehen höhere Verkaufspreise zu erzielen, doch
konnte man dieser Anregung nicht näher treten, da die allgemeine
Grescihäftßlage darunter nur noch mehr gelitten hätte.
Eiae Gefalir droht der Pianoforte-Industrie durch das Vor-
gehen der Pianomechanikfabrikanten. Diese haben ein Kartell
gebildet und sich gegenseitig bei einer hohen Konventionalstrafe
zu 90 rigorosen Bedingungen gegenüber ihten Abnehmern, den
Pian.ofortefabrikanten, verpflichtet, daß die Pianofortefabrikanten
der Willkür der Medhanikfabrikanten rettungslos ausgeliefert zu
werden scheinen. In den interessierten Kreisen der Pianoforte-
Industrie sind bereits eifrige Erwägungen über geeignete Abwehr-
maßregeln im Gange.
Von den einzelnen Exportgebieten wäre zu sagen, daß Groß-
britannien immer noch der größte 'Abnehmer deutscher Pianos
ist, wenn man auch nicht verkennen darf, daß die englischen Fabri-
kanten immer mehr Oberwasser gewinnen. Der Erfolg der eng-
lischen Fabrikation ist weniger zurückzuführen auf überlegene
Qualität der englischen Erzeugnisse, sondern vielmehr auf die
außerordentliche Hetzerei eines Teils der viel gelesenen englischen
Presse, die durch englische Fabrikantenkreise beeinflußt wird.
Namentlich während der Zeit politischer Spannung fallen der-
artige Hetzereien auf einen Sehr fruchtbaren Boden, und es gibt
in Englajid schon große Gebiete, in denen Händler gegen ihre
eigene bessere Ueberzeugung von der überlegenen Qualität der
deutschen Instrumente solche nicht mehr zu führen wagen. Daß
trotzdem England immer noch unser größter Exportabnehmer
ist und einstweilen wohl auch bleiben wird, beweist die außen
ordentlich große Aufnahmefähigkeit dieses Landes. Australieaa
und Neuseeland sandten im Berichtsjahre wiederum gute Auf-
träge, wenn dieselben auch nicht auf der gleichen Höhe deö
Vorjahres standen. Die Berichte aus Australien vom Anfang
des Jahres lauteten hinsichtlich der Kaufkraft nicht ermutigend.
Roh-
materialien.
Eartellierung.
ExpcHTt.
584 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
Der Ertrag an Wolle war bedeutend g^eringer gewesen als im
Vorjahre, und auch die Ernte 'blieb wesentlich unter dem Durch-
schnitt. Trotzdem "war der Eingang von Aufträgen aus vorge-
nannten Ländern 'befriedigend und steigerte sich namentlich gegen
Ende des Jahres. SüdafrLka hatte wieder ein sehr gutes Geschäfts-
jahr zu verzeichnen und der Eingang an Aufträgen stand dem-
jenigen des "Vorjahres in keiner Weise nach. Der Streik der
Goldminenarbeiter in Transvaal, welcher um die Mitte des Jahres
auszubrechen drohte "und, wenn er zum Ausbruch gekommen wäre,
eine schwere Katastrophe für das südafrikanische Geschäft be-
deutet hätte, wurde glücklicherweise in letzter Stunde ver-
mieden. Nordamerika iind Canada bleiben einstweilen wegen des
hohen Zolles 'der deutschen Pianoforte-Industrie noch verschlossen.
Trotzdem gingen verschiedene Aufträge auf deutsche Pianos aus
der nordamerikanisohen Union ein, und zwar handelte es sich
jedesmal um Nachbestellungen auf Grund früherer Lieferungen.
Die deutschen Instrumente gefallen dort eben sehr gut und es
wird dadurch wieder bewiesen, daß bei einigermaßen günstigjen
Zollverhältnissen die deutschen Instrumente auch in Nordajnerika
und Canada Eingang finden würden. — In Mexico lag das Ge-
schäft während des ganzen Geschjäftsjahres fast ganz still, in-
folge der unstäten inn,eren Verhältnisse dieses Landes. Normale
Verhältnisse in Mexico vorausgesetzt, gehört dieses Land trotz
der Nähe der nord amerikanischen Konkurrenz zu den besten regel-
mäßigen Abnehmern der deutschen Industrie. — Kuba gehört
ebenfalls zu den größten Abnelimern deutscher Pianos und der
Absatz dorthin ist auch im Berichtsjahr nicht unwesentlich ge-
stiegen, trotzdem in diesem Lande die nordamerikanischen In-
strumente naturgemäß die weitgehendsten Vergünstigungen ge-
nießen. Die deutschen Instrumente werden dort genau so hoch
besteuert wie in der Union selbst. Die übrigen Inseln des west-
indischen Archipels kommen als Abnehmer weit weniger in Be-
tracht. — In Zentralamerika bestehen einstweilen nur geringe
Absatzmöglichkeiten für Pianos. Das Geschäft dorthin hielt sich
in den üblichen bescheidenen Grenzen. — Von den Abnehmern
in Südamerika steht Argentinien an erster Stelle. Dieses Land
wurde aber von der allgemeinen politischen Lage ungünstig be-
einflußt und sandte daher nicht in dem gleichen Maße Aufträge
wie früher, obwohl in einer sehr günstigen Ernte die Vorbe-
dingungen für ein gutes Geschäft gegeben gewesen wären. Wegen
der allgemeinen europäischen Lage fand die Ernte aber nicht ohne
weiteres in Europa Abnahme, sie lionnte nicht so glatt wie üblich
realisiert werden, und mußte lange Zeit an den Produktions-
stätten liegen bleiben, so daß infolgedessen Argentinien gering-ere
Aufträge nach Europa legte. — Brasilien stand auf gleicher Höhe
wie früher und sanit'^ glcichrnäßig Aufträge. Das gleiche ist
von Uiuguay, Chile, Peru und Colombien zu sagen. Namentlich
188. Musikinstrumente. 585
nach, lelztgenaimtem Lande ist der Absatz im Berichtsjahre nicht
imerheblich gestiegen. — Die übrigen südamerikanischen Staaten
Ecuador, Eolivia und Venezuela bieten 'nur ein bescheidenes Gre-
schäft ,und sandten im Berichtsjahr iiicht größere Aufträge als
bisher. — Asien kommt als Abnehmer deutscher Pianos weniger in
Frage, weil in den größten 'Ländern dieses Erdteils die Musik -noch
nicht genügend entwickelt ist. Die größten Abnehmer sind die
Philippinen, woher auch m diesem Jahre größere Aufträge ein-
gingen. Li bezug auf die Zollverhältniss© befiaden sich die Phi-
lippinen genau in gleicher Lage Wie Kuba, auch dort gilt der
gleiche Tarif wie in der Union. Nach dem Inkrafttreten dieses Ta-
rifs sank der deutsche Export nach den Philippinen in merklicher
Weise zugunsten der amerikanischen Instrumente, doch haben die
deutschen Instrumente durch ihre überlegene Qualität sich bald
wieder 'Geltung zu schaffen gewußt. Nach British-Indien und
Niederländisch-Indien war das Gneschäft gleichm'äßig wie in den
Vorjahren. ,'Von großer Bedeutung ist der Export deutscher Pianos
»dorthin nicht, weil die Instrumente sehr unter dem Einfluß des
Klimas leiden. — Von den Ländern Europas ist nach Großbritannien
Rußland der größte Abnehmer und hielt sich während des Berichts-
jahres aui gewohnter Höhe. Auch Italien sandte recht gute Auf-
träge. Dieses Land hatte unter der Balkanjkrisis wenig zu lei-
den, war dagegen nach der durch den Tripoliskrieg verursachten
langen Ruhepause sehr aufnahinef'ähig. Nach sämtlichen übrigen
Ländern Europas, war der Versand bedeutend geringer als in den
Vorjahren: dazu gehörten auch Spanien, Portugal, Holland, Bel-
gien, die Schweiz, sowie Norwegen, Schweden und Dänemark. Aus
den Balkanstaaten blieben die Aufträge naturgemäß so gut wie
ganz aus, nur Rumänien machte gegen Ende des Jahres wieder
eine Ausnahme, und scheint sich auf eiu gutes Geschäft vorzube-
reiten. Dasselbe trifft für Aegypten zu, welches nach Beendigung
der Balkankriege bessere Aufträge sandte als im Vorjahre.
Die Pianomechanikfabrikation richtete sich naturgemäß nach „irihaSik.
der Lage der Pianoforteindustrie. Die 'Mechanikfabrikation ist
aber in bezug auf den Export insofern günstiger gestellt, als
das Anwachsen der ausländischen Pianofortefabrikation der deut-
schen Mechanikfabrüation keinen Abbruch tut, weil die Mehrzahl
der ausländischen Pianofortefabrikauten deutsche Mechaniken ver-
wenden. 'Namentlich die englischen und österreichischen Piano-
fortefabrikanten kaufen in der Hauptsache deutsche Meehaniken,
und da infolge der großen Propaganda der englischen Fach- und
Tagespresse zugunsten der britischen Erzeugnisse die englische
Fabrikation im letzten Berichtsjahre gut beschäftigt war, war
der Export von Mechaniken nach England recht bedeutend. —
Auch Oesterreich bezieht einen großen Teil seiner Pianomecha-
niken und sonstigen Pianofortebestandteile aus Deutschland. Um
im Interesse der heimischen Piauoforteiabrikation die Einfuhr
586
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
Klaviaturen.
Blech-, Holz
und Schlag-
instrumenten-
Fabrikation.
fertiger deutscher Pianos in Oesterreich. zu verhindern, erhebt
Oesterreich auf fertige deutsche Klaviere einen sehr hohen Ein-
gangszoll, ,während dagegen Pianomechaniken und sonstige Be-
standteile in Oesterreich zollfrei eingeflassen werden. Die deutsche
Pianoforteindu,strie muß dagegen auf alle aus Oesterreich kom-
mende Bestandteile für Pianobau, also namentlich Tonhöilzer, einen
hohen Eingangszoll bezahlen.
Die deutsche Klaviaturenindustrie ist hauptsächlioh von dem
Gange der deutschen Pianoforteindustrie abhängig. Der Export
von Klaviaturen ist verhältnismäßig gering und erstreckt sich
fast nur auf Rußland. Die deutschen Klaviaturfabrikanten waren
daher auch in der Mehrzahl weniger beschäftigt als im Vorjahr.
Bezüglich der Aussichten für das Jahr 1914 ist zu sagen, daß
sie "bei der eingetretenen und hoffentlich anhaltenden Entspannung
auf dem Geldmarkte gut sein könnten, da d;ie A"u.fträge bisher
lebhaft eingingen. Auch der Wiedereintritt normaler Verhältnisse
ia den Ländern des Balkan dürfte von g;utem Einfluß sein. J)a
jedoch der Geschäftsgang in manchen anderen Branchen sehr
unbefriedigend ist, so läßt sich schwer voraussagen, in welchem
Umfange diese Tätsache auf das Pianofortegeschäft einwirken;
kann.
Die Industrie der Blech-, Holzi und Schlag-Instrumente war
gut beschäftigt. Die Vermehrung des Heeres führte zur Ausrüstung
einiger Musikkorps, auch Exportaufträge lagen in befriedigendem.
Maße vor. Leider hat der neue Zolltarif der Vereinigten Staaten
auf Musikinstrumente keine nennenswerte Ermäßigung gebracht,
so daß der Berliner Export nach dort minimal bleiben wird.
Die Lieferungsverträge über Musikinstrumente im Bereiche der
preußischen Heeresverwaltung würden ihren Zweck zum Schutze
der deutschen Industrie und Ausschaltung der unlauteren Kon-
kurrenz in noch höherem Maße erreichen, wenn die seitens der
Lieferanten gemachten Angaben auf ihre Richtigkeit geprüft und
Inspizierungen der Betriebe vorgenommen würden. Die Verdin-
gimgen dei' Bekleidungsämter auf Signalinstrumente fanden in
diesem Jahre zum ersten Male nach den neuen Vorschriften statt,
Die erhöhten Anforderungen hatten selbstverständlich eine ann
gemessene Preissteigerung zur Folge, so daß die Berliner In-
dustrie mit ihrer Qualitätswai^e erfolgreich konkurrieren konnte.
Wie für die Vergebung der Musikinstrumente wird auch hier
nur durch scharfe Kontrolle die lobenswerte Absicht der Behörde,
die einheimische Industrie für den Mobilmachungsfall genügend
zu stärken und nur beste Qualitäten zu beschaffen, erreicht werden.
Sehr wünschenswert wäre es, wenn sich' audh die Marine dem
Vorgehen der Heeresverwaltung anschließen und analoge Be-
stimmungen erlassen würde,* die ausschließlich beste deutsche Er-
zeugnisse zur Konkurrenz zulassen. Allerdings müßte auch hier
das Prinzip der Billigkeit aufgegeben werden und nur dio Qua-
188. Musikinstrumente.
587
liiät ausschlaggebend sein. — Die Materialpreise bewegten sich
auf mittlerer Höhe und waren besonders in der ersten Hälfte des
Jahres mehrfachen Schwankungen ausgesetzt, blieben aber durch-
weg niedriger als im Vorjahre.
Das einst so glänzende Schaustellergewerbe geht immer mehr
zurück. Die große Konkurrenz der gerade in den breiten Schichten
des Publikums so beliebten Kino theater hat selbst auf dem Lande
die Bedeutung der artistischen Leistungen enorm herabgedrückt.
Es kommen daher die Drehorgeln von Jahr zu Jahr weniger in
Frage, und das heute noch Drehorgeln kaufende Publikum im
Auslände ist meist in schlechten Geld Verhältnissen. Ab und zu
wierd^n Di^ehorgeln noch nach dem Auslande geliefert, so nach
Südamerika und Mexiko, doch; hat der Export in diesem Artikel
im letzten Jahre bedeutend nachgelassen.
Den modernen Kunstspielorchestrions wendet man von Jahr
zu Jahr ein größeres Interesse ,zn. Es werden heute speziell
in Berlin diese Kunstspielorchestrions mit Papiemoten lierge-
stellt, die selbst die weitgehendsten Ansprüche, welche an die
mechanische Wiedergabe eines Musikstückes gestellt werden
können, befriedigen müssen. Man imitiert heute überraschend
ähnlich ganze Militärkapellen, wie auch die zarteste Streich-
musik eines Streichorchesters, und paßt das Aeußere dieser
Orchestrions in Stil und Ausschmückung den heute geradezu
blendend eingerichteten Räumen ,an, in denen derartige Werke
Aufstellung finden. Die erzielten Preise waren zufrieden-
stellend und zeigten speziell die Abnehmer im Auslande, daß
auch dort die bessere Ware gerne gekauft wird. Der Export war
recht lebhaft, besonders Belgien, Holland, Oesterreich, Schweden,
Rußland und Südamerika zeichneten sidh als erstklassige Ab-
nehmer ians.
Niach wie vor sind elektrische Klaviere ein Zugmittel ersten
Ranges. Es waren beträchtliche Aufträge zu verzeichnen und
ihr Export war noch größer als im' vorigen Jahre.
Das Geschäft wurde den einzelnen Fabrikanten dadurch
manchmal erschwert, daß von einzelnen Fabrikations firmen den
Händlern größere Kommissionsläger anvertraut wurden, wodurch
das in Anspruch genommene Ziel nur noch unnötig verlängert
wird. Bei dem Wert solcher Instrumente werden durch derartige
Manipulationen enorme Kapitalien festgelegt, was keineswegs zum
Aufbau einer gesunden Zukunft dienen kann.
Die elektrischen Klaviere, besonders die mit Begleitung von
Nebeninstrumenten, wie Zither, Xylophon, Violine usw. bilden
auch heute den wesentlichen Fabrikationsartikel der miechanischen
Musikbranche. Bei der ständigen Erweiterung des Exportes sind
die Hoffnungen auf ein weiteres Bleiben der günstigen Konjunktur
für das neue Geschäftsjahr recht gut.
Drehorgeln
Orchestrions.
Elektrische
Klaviere.
588
XV. Verschiedene Industiie- und Handelszweige.
189. Sp r ecliinascli in en.
Die politischen Ereignisse im Südosten Europas haben den
Handel in allen Luxusartikeln und so auch in Musikinstrumenten
und Sprechapparaten ungünstig beeinflußt. Die wirtschaft-
liche Depression, die sich durch die unsichere Lage am Balkan
ider gesamten exportierenden Industrie mitteilte, ließ den Um-
satz in den genannten Artikeln im Geschäftsjahre 1913 zurück-
gehen. Die deutsche Industrie, die hauptsächlich auf den
Export nach Uebersee und dem übrigen Ausland angewiesen ist,
^var deshalb genötigt, mit Anspannung aller Kräfte zu arbeiten.
Einige bedeutende Berliner Fabriken haben sich abermals dem
schon seit einigen Jahren bestehenden Konzern angeschlossen,
und zweifellos bildet diese Kartellierung eine wirtschaftliche
Stärkung für sämtliche beteiligten Firmen. Die soeben beendigte
Leipziger Frühjahrsmesse hat zum ersten Male seit langer Zeit
wieder einen Aufsch^vung gezeigt. Es ist demnach zu hoffen,
jdaß die Lage der Sprechmaschinenindustrie sich wieder bessert
oder wenigstens normal wird.
Der Umsatz in Apparaten und Schallplatten ist erheblich
gestiegen. Nur arbeiten die Fabriken und der Zwischenhandel
mit ganz minimalem Nutzen. Insbesondere am Schallplatten-
markt ist eine ganz gewaltige Verschlechterung zu konstatieren,
verursacht durch eine ganz unmotivierte Preisreduktion, die
eine der bedeutendsten Schallplattenfabriken vorgenommen hat.
Eine große Anzahl anderer Fabriken war aus Konkurrenz-
igründen genötigt, ihr Fabrikat ebenfalls zu verbilligen, und
die Folge davon ist ein Wettstreit, der den ganzen Handel
schädlich beeinflußt. Auch' die Patentstreitigkeiten, die schon
seit Jahren die Sprechmaschinenindustrie beunruhigen, sind nodh
immer nicht ganz entschieden. Der Großhandel brauchte dank
einer intensiven Bearbeitung des Auslandes und einer ver-
nünftigen Beschränkung der Unkosten durch einen wirtschaft-
lichen Zusammenschluß seine Geschäftstätigkeit nicht ein-
schränken. Die gegenwärtige Gestaltung der Lage und des
Marktes berechtigen zur Annahme, daß im Jahre 1914 Umsatz-
und Gewinnquoten auf gleicher Höhe wie bisher bleiben, oder
sieh wenigstens nicht verschlechtern werden.
Fabrikation.
Rohgummi.
190. Gummiwaren.
In diesem Jahre ist die Geschäftslage für die Gummifabriken
(keine günstige gewesen und scheint man allgemein auf eine
baldige Besserung nicht allzu fest zu hoffen.
Der Itoh gummimarkt zeigte in die.sem Jahre ein ganz un-
gewöhnliches Aussehen. Die Preise waren bis zum April ziem-
lich fest und stabil, nachdem si<ih aber herausstellte, daß die
Plantagenprodnktion ganz gewaltige Quantitäten schon in diesem
190. Gummiwar en.
589
iJahre zur Ablieferung brachte, wichen die Preise rapide, imd
im September trat geradezu eine Panik ein, so daß einige vSorten
unverkäuflich waren. Für unsere Kolonien, speziell für Kamerun
und Ostafrika, dürfte die Krisis auch die bösesten Folgen haben,
denn die erzielten Marktpreise deckten bei weitem nicht die Un-
kosten für das Sammeln auf den Plantagen, und die erzielten
Preise für Wildkautschuk sind so gering, daß zu befürchten
steht- daß Wildkautschuk von Afrika kaum noch, oder in ganz
geringen Mengen später an den Markt gebracht werden wird, da
die Sanime]- und Transportspesen für die weit von der Küste
gelegenen Gebiete so hoch sind, daß sich das Sammeln gar nicht
mehr lohnt. Ob sich diese Verhältnisse ändern werden, ist schwer
zn sagen. Das einzige Mittel, um wieder lohnendere Preise für
den Pflanzer zu erzielen, dürfte eine allgemeine Eioschränkuug
der Produktion sein. — Die brasilianischen Parapreise hielten
sich verhältnismäßig wesentlich besser, und während im Oktober
feinster Pflanzungsgummi, reiner ,, Hevea", mit ca. 2 sh bezahlt
wurde, mußte man für die Standardmarke „Fine Para Hard Cure**
3/6 sh anlegen. Man nimmt aber an, daß Para auf die Dauer auch
diesen hohen Preis nicht aufrechthalten wird und mehr den No-
tierungen der Pflanzungsgummis folgen dürfte.
Die beständige Erhöhung der Selbstkosten aller übrigen für
die Gummifabrikation nötigen Materialien, wie leinene und
baumwollene Gewebe, Chemikalien, Benzin, ferner die bedeutende
Verteuerung der Kohlen, die andauernd steigenden Arbeitslöhne
und Betriebskosten ließen eine gedeihliche Entwicklung nicht zu.
Wie zu erwarten, sind die Unisätze gegen die früheren Jahre
znrückgeblieben, zumal infolge des regenreichen Sommers der
Absatz von Gartenschläuchen gering war. Ebenso nachteilig wirk-
ten die ungünstigen Verhältnisse in der Brau-, Maschinen- und
Papierindustrie auf die Branche.
Die Erschwerung der Ausfuhr nach Italien, Frankreich, Ruß-
land, Spanien durch allzu hohe Zölle besteht nach wie vor. Spe-
ziell ist der Verkehr nach Frankreich durch' die schikanöse Zoll-
behandlung gerade für chirurgische Artikel lahmgelegt. Die Maß-
nahme der französischen Zollbehörde, daß alle deutschen Artikel
die Inschrift „Importe d'Allemagne" tragen müssen, wirkt sehr
störend. Wie zielbewußt die Bemühungen gewisser Kreise auf den
Ausschluß deutscher Waren gerichtet sind, ist aus dem Um-
stand zu ersehen, daß ein Gesetz in Vorbereitung ist, welches
die deutschen Sauger als angeblich gesundheitsschädlich von der
Einfuhr ausschließen will. — Ganz besondere Vorsicht erheischte
die Abwicklung der Geschäfte nach dem Orient und Balkan,
unter dem Einfluß des Krieges und der noch bestehenden Wirren
gingeri dieselben stark zurück. Die Unruhen ia Mexiko, die Krisis
in mehreren südamerikanischen Staaten erschwerten das Geschäft
Andere
Materialien.
Umsätze.
Export.
590
XV. Verschiedene Industrie- und Handel szweiore.
Einzelne
Artikel.
auch dahin ganz außergewöhnlich und braditen nicht unbedeuteade
Verluste.
Nutzen. Fußeud aui die •weichenden Bohgummip reise verlangten die
Abnehmer eine entsprechende Herabsetzung der Verkaufspreise,
die sieh dann allerdings nicht immer mit den Herstellungs-
kosten in Einklang bringen ließen, dazu kommt noch eine lebhafte
Konkurrenz, wodurch bei sehr vielen Artikeln der Preis der-
artig herabgesetzt wurde, daß von einem nennenswerten Nutzen
nicht mehr die Eede sein konnte. Die Preisherabsetzungen der
Autopneu-Industrie, besonders durch eine französische Firma ver-
anlaßt, wirkten geradezu vernichtend auf den ganzen Markt, und
ist es gar nicbt abzusehen, wohin dieser uferlose Konkurrenz-
kampf noch fuhren wird, zumal das ginze Autoreifengeschäft
schon vorher sich äußerst schwierig und verlustbringend gestaltet
hatte.
Die anhaltend ungünstigen Geldmarktverhältnisse wirken
nach wie vor nachteilig und die Aussichten für das nächste Jahr
erscheinen nicht allzu günstig.
Es liegt nahe, daß infolge der niedrigen Preise einige Artikel
besonders lebhaft gekauft werden konnten, so haben z. B. Gummi-
schwämme viel Absatzmöglichkeit gehabt, außerdem hat dieser
Artikel durch die gute Ausstattung noch mancherlei Neu-
belebung erfahren. Einen steigenden Umsatz fanden Gummi-
gebläse, welche nicht nur in der altbekannten Ausführung aus
schwarzem Patentgummi mit Druckball und Windball gearbeitet
werden, sondern auch aus rotem Kautschuk mit ovalem, hand-
lichen Druekball oder ohne Windball. Dieser Artikel hat jetzt
einen Aufschwung genommen durch die günstige Aufnahme der
Inhalatoren (Vernebelungszerstäuber aus Glas), welche zu ihrem
Betrieb Gebläse erfordern.
Wie die Glasindustrie in den Thermosflaschen, so hat die
Gummiindustrie in den Wärmedauerkompressen einen großen Er-
folg gehabt. Diese Kompressen werden aus bestem Dauergummi
hergestellt und sind mit essigsaurem Natronsalz gefüllt. Nach
einigen Minuten Kochzeit speichern sie die Wärme infolge der
chemischen Wirkung des genannten Salzes auf viele Stunden auf.
Altgummi. Das Geschäft in Altgummi-Abfällen litt im verflossenen
Geschäftsjahr sehr unter dem immer billiger werdenden Roh-
gummi. Während zu Anfang des Jahres noch ziemlich lohnende
Geschäfte getätigt werden konnten, flauten diese gegen den
Sommer ganz ab, und der Herbst brachte einen vollständigen
Niedergang in allen Sorten Abfällen bei großen Preisrückgängen,
so daß die Händler, die große Läger unterhalten, erhebliche
Verluste erleiden mußten. So sind z. B. alte Autodecken um
über die Hälfte im Preise zurückgegangen, desgleichen alle
besseren Sorten, als Luftschläuche, schwimmende Abfälle usw.
Der Artikel Gummi mit Einlage ist ganz unverkäuflich ge^
191. Asbest.
591
woi'deii, und dunkler Gummi war nur schwer placierbar, während
sieh heller Gummi noch verhältnismäßig gut hielt. — Alte
Galoschen, für die als Abnehmer hauptsächlich Amerika In Frage
kommt, sind ebenfalls im Preise stark gewichen und waren,
da Amerika nicht im Markte war, schwer verkäuflich. — Die
Aussichten für das kommende Jahr sind wegen des immer reich-
licher herankommenden und daher stark auf die Preise drücken-
Plantagengummis — sehr trübe.
den Bohgummis
191. Asbest.
Die Asbestgruben hatten in diesem Jahre sehr unter
schwierigen Lohnverhältnissen und Arbeitermangel zu leiden.
Vielfach machte sich auch Mangel an elektrischer Kraft be-
merkbar, der auf die Trockenheit bzw. den daraus für die Wasser-
kraftanlagen entstandenen Wassermangel zurückzuführen ist.
Weitere Lohnerhöhungen wurden notwendig und der Verdienst
eines gew^öhnlichen Grubenarbeiters stellt sich heute auf 2 Dollar
für die Tagesarbeit von zehn Stunden. Die Nachfrage nach sämt-
lichen Asbestsorten war andauernd lebhaft, und dieser Umstand
zusammen mit oben geschilderten schwierigen Produktions-
hedingungen haben eine Preiserhöhung auf der ganzen Linie
zur Folge gehabt.
Die Produktion von Grude-Asbest I hielt sich unverändert
auf dem relativ geringen bisherigen Jahresquantum, wogegen die
Verwendungsmöglichkeiten dieses Materials immer größer werden.
Der Preis hierfür ist erheblich gestiegen.
Auch in Grude-Asbest II hielt sich die Produktion unge-
fähr auf der früheren Höhe, wobei zu bemerken ist, daß eine
früher sehr crudeergiebige Grube infolge spezieller Bodenver-
hältnisse in ihrer Produktion ganz erheblich zurückgeblieben
ist, wogegen die eine oder andere Grube dieselbe etwas erhöhen
konnte.
Die Notierungen für Asbest wurden durch das Bestehen
des Deutschen Asbest-Syndikates in angemessenem B-ahmen ge-
halten, wenngleich der Markt durch die Outsider-Fabriken mehr
oder weniger beunruhigt wurde. Durch die nicht unerheblichen
Preissteigerungen auf dem Bohasbestmarkte wurde das Deutsche
Asbest-Syndikat veranlaßt, die Preise für einige Artikel im
Herbste zu erhöhen.
Lange kanadische Asbestfasern sind durchschnittlich im
Jahre 1913 auf demselben Preisniveau geblieben, notieren aber
für 1914 Lieferung schon jetzt infolge der allgemeinen Markte
läge wesentlich höher. Dasselbe gilt für Pappenfaser, die wäh-
Irend 1913 auf ihrem bisherigen Preisniveau geblieben ist, jedoch
per 1914 Lieferung eine erhebliche Preissteigerung erfahren hat.
Auch die russischen Gruben hatten dieses Jahr außerordent-
lich unter Arbeitermangel zu leiden, eine Erscheinung, die sich
Fabrikation«
Kanadische
Rohasbeste.
Kanadischer
Crude-Asbest I.
Kanadischer
Crude-Asbestll
Preise.
Kanadische
Fasern.
Russische
Rohasbeste.
592 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
früher nie so sehr bemerkbar machte. Dieser Umstand und die
noch zu überwindenden Nachwehen der im vorigen Jahre herr-
schenden Typhusepidemie wirkten lähmend auf die Produktion.
Die Gruben sind daher alle beschäftigt, ihre maschinellen Ein-
richtungen wesentlich zu verbessern, um weiteren Produktions^
Schwierigkeiten durch maschinelle Abhilfe entgegenzutreten. Die
Nachfrage war außerordentlich lebhaft und die gesamte Pro-
duktion fand schlanken Absatz, während die Lieferungen in-
folge der oben erwähnten Schwierigkeiten nicht so prompt er-
folgen konnten, und dadurch größere Rückstände auf Kontrakte
von diesjährigen Kontrakten auf 1914 hinübergenommen werden
müssen.
192. Elfenbeinhandel und -Verarbeitung.
Die Vereinigten Staaten von Amerika erhoben seit Oktober
dieses Jahres auf Elfenbein-B/ohmaterial, welches seither zoll-
frei eingeführt werden konnte, 20 % Zoll. Die Folge davon war,
daß die amerikanische Industrie einen großen Teil der reich-
lichen Zufuhren dem Markt entzog, indem sie noch vor Inkraft-
treten des neuen Zolltarifs alles aufkaufte, was irgend zu er-
halten war. Die dadurch entstandene Hausse führte eine Ver-
teuerung des Materials, je nach der Qualität bis weit über 25<>/o
herbei. Obgleich Amerika in den letzten Auktionen Oktober-
November mit dem Einkauf sehr zurückhaltend war, und trotz-
dem ca. 220 000 kg zum Verkauf angeboten wurden, hat das
westafrikanische Bein nur 1 — IV2 Fr. per Kilogramm im Preise
nachgelassen, während von dem 'ostafrikanischen Bein eigent-
lich nui' die größeren Zähne einen wesentlichen Preisrückgang
zu verzeichnen hatten. Der verhältnismäßig nur geringe Rück-
gang der Preise dürfte darauf zurückzuführen sein, daß von
bestimmter Seite zu Spekulationszwecken ein großer Teil auf-
gekauft worden ist. Die enorme Preissteigerung des Rohmaterials
kam für den deutschen Markt zur ungelegensten Zeit, da die
Klaviaturbranche wenig beschäftigt ist und die Verteuerung
der Ware natürlich nicht zur Belebung des ganzen Greschäftes
beigetragen hat. Der Rückgang der Preise, der nur bei einigen
Qualitäten eine Erleichterung bildet, kann auf die Fabrikations-
ware keinen Einfluß ausüben, da die Verkaufspreise mit den
Preisen des Rohmaterials nicht Schritt gehalten haben, und sich
noch immer in zu niedrigen G'renzen halten. — Den Einfuhr-
zoll auf fertig geschnittene Klaviaturplatten haben die Ver-
einigten Staaten von 45 0/0 auf 35 0/0 herabgesetzt.
193. Knopffabrikation.
Perlmutter- Die allgemein ungünstige Geschäftslage während dieses Be^
fab^kJüon. richtsjahres wirkte auch hemmend auf die Knopf Industrie und
dürfte im Vergleich zu den früheren Jahren manchem Knopf-
193. Kiiopffabrikation. 593
industriellen eine Enttäuschung gebracht haben. Der ungewöhn-.
lieh große Bedarf an Knöpfen, in den früheren Jahren, und zwar
speziell an solchen aus der Kunstmasse Galalith, brachte einen,
großen Zuwachs an Kniopferzeugern, welche nun, da der Bedarf
an Knöpfen nicht mehr so groß war, ihre Fabrikate zu billigen
Preisen an den Majm bringen mußten. Während früher sich
nur 'Perlmutterknopffabrikanten mit der Herstellung aus der
Kunsthornmasse beschäftigten, neben der Perlmutterfabrikatiön
diese Knöpfe in gleicher Weise herstellten und einen ziemlich
hohen Preis erzielten, befassen sich jetzt viele andere Betriebe
mit der Fabrikation der Knöpfe auf maschinellem Wege itmd
brachten so eine derartig© Ueberproduktion hervor, daß Ver-
dienst abwerfende Preise kaum noch zu erzielen waren. Die
ungünstige Konjunktur in der Bekleidungsbranche, für deren
Zwecke ja hauptsächlich die Knopffabrikation beschäftigt ist,
brachte wenig Nachfrage und so mußten die überfüllten Läger
zu jedem Preise verkauft werden. Was von der Kunsthornmasse
gesagt ist, gilt in noch höherem Maße von der Perlmutter-,
fabrikation, welche schon seit Jahren darunter leidet, daß für
den Hauptbedarf Perlmutterknöpfe nicht angewandt werden, und
nur noch höchstens in Verbindung mit anderen Materialien einige
Verwendung finden.
Wenn auch das Rohmaterial gegenüber den früheren Berichts-
jahren im Preise heruntergegangen ist, so ist imtner noch' der
hieraus anzufertigende Artikel viel zu teuer, um die Konkurrenz
mit den anderen Kunstmassenartikeln aufzunehinen. Infolgedessen
ist auch der Mangel an Arbeitskräften, der sich' in den früheren
Jahren so sehr bemerkbar machte, geschwunden, und die Zahl
der Arbeitslosen der Ejiopfbranche nimmt jetzt überhand. —
Das letzte Viertel des Berichtsjahres war insofern ungünstig,
als die vielfarbigen Stoffe, welche die neue Mode hervorbringt,
dem Knopfgrossisten wie dem Konsumenten jedes Disponieren
unmöglich machte: besonders litt die Perlmutterknopfbranche
darunter, da farbige Perlmutterartikel nur unter Schwierigkeiten
herzustellen sind. '
Auch im Jahre 1913 wurden in Manschettenknöpfen speziell Manschetten-
bessere Genres verlangt; die Berliaer Fabrikation ist auf diese fabrStion,
eingerichtet, da in den Stapelartikeln in Kragen- und Manschetten-
knöpfen speziell süddeutsche und böhmische Ware, der außer-
ordentlich billigen Preise wegen bevorzugt wird. Die bilUgen,'
Stapelsachen fallen also für Berlin Vollständig fort. Der allge-
meine Gneschäftsgang in dieser Branche war nicht sehr zufrieden-
stellend, was aber auf die allgemeinen Verhältnisse zurückzu-
führen ist. In Deutschland war ja die gedrückte Stimmung in
allen Branchen zu fühlen und hat sich dies selbstverstänidJifch
auch in der Kjiopfbranche bemerkbar gemacht. — Das Exporte
Berl. Jahrb. f. Handel u. Ind. 1913. II. 38
594
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
Einzelne
Artikel.
gescLäft schien sich im Anfang dos Jahres durch große süd-
amerikanische Orders zu beleben. Dieses Geschäft wurde jedoch
später gelähmt, und zwar verursachten dies in Mexiko die AVirren
und in Brasilien und Argentinien die ungünstigen politischen
Verhältnisse und die damit verknüpften pekuniären Kalamitäten.
In der Ausführung von Orders nach Rußland mußte maii
Zurückhaltung bewahren, da auch dort die pekuniäre Lage nicht
die günstigste war ; das Geschäft nach dem Balkan dagegen wurde
von vornherein durch den Kriegszustand unterbunden. Auch in
Berlin machte sich in letzetr Zeit die ausländische Konkurrenz
stärker als früher bemerkbar, und die Aussichten der Branche
sind durch die stets wachsende Konkurrenz im In- und Auslande
leider nicht die allergünstigsten.
194. Luxus-, Galanteriei und Kurzwaren.
Im Berichtsjahre herrschte im Luxus- und Galanteriewaren-
Detailhandel dieselbe starke Depression, die sich im allgemeinen
Detailhandel fühlbar gemacht hat und die wohl in der Hauptsache
auf die derzeitige politische Unsicherheit zurückzuführen war.
Der Umstand, daß Kunst- und Galanteriewaren bei Geldmangel
zuerst entbehrlich sind, hat außerdem noch wesentlich dazu bei-
getragen, den Geschäftsgang in dieser Branche ungünstig zu be-
einflussen. Xur wenigen Detailgeschäften dürfte es beschieden
gewesen sein, durch besonders große Aufwendung für Reklame
den vorjährigen Umsatz zu erreichen: Anfang September 1913
machte sich eine etwas größere Kauflust für Kunst- und Galan-
teriewaren fühlbar, und da diese auch weiter besteht, darf an-
genommen werden, daß die Lage sich nun zu bessern beginnt. —
Der Umsatz in Portemonnaies und Damentaschen ist im .Be-
richtsjahre ständig zufriedenstellend gewesen, da diese Waren zum
großen Teil Bedarfsartikel und beim Mittelstande und in höheren
Kreisen schwer entbehrlich sind. Der Umsatz in Koffern und
einschlägigen Artikeln ist gegen das Vorjahr nicht geriager ge-
worden, obwohl die ungünstige Witterung zur Reisezeit den Absatz
dieser Waren sehr erschwerte; außerdem machen sich für diesen
Artikel die Preiserhöhungen infolge Steigerung der Rohleder-
preise und der Arbeitslöhne nachteilig geltend. Dagegen sind
alle anderen Lederwaren und einschlägigen Artikel im Umsatz
zurückgeblieben. In Photographiealben, diesem ehemals so absatz-
fähigen Artikel, war im Berichtsjahre ebenso wie in den vor-
hergehenden Jahren eine erneut© starke Rückwärts bewegung fest-
zustellen. — In Bijouterie- und Silberwaren sind die vorjährigen
Umsätze teilweise erzielt oder um ein geringes überschritten
Ni^orden, dagegen ist der Umsatz in Luxus-Geräten aus Silber und
Versilbertem Metall, Rein-Nickel und vernickelten Waren sowie in
Messingwaren gegen das Vorjahr zurückgeblieben. Den größten
Rückgang haben Kunstgegenstände in Bronze, Marmor, Elfen-
195. Photo graphische Bedarfsartikel.
595
Fächer-
fabrikation.
heiii usw. zu verzeichnen. Kunstgewerbliche Gegenstände, die
jzum Teil dem Gebrauche dienen, wie Schreibzeuge, Schalen, Asch-
becher usw. haben im Umsatz das Vorjahr erreicht.
•Die nach so undurchsichtigen Verhältnisse des neuen Zoll- Export
tarifs in Amerika h'aben bisher daö amerikanische G^sdhäft
noch nicht zu beleben vermocht, doch wäre es immerhin möglich,
daß, wenn erst einmal die billigeren Tarife erprobt sind, ein
Llulschwung in absehbarer Zeit bevorstände. Die Länder, die
•ponst für die Artikel der Galanteriewaren-Branche in Betracht
kommen wie Rußland, Holland, Oester reich', Belgien, Sdhweiz
waren mehr oder weniger auch in der Konjunktur rückgängig,
besonders die Schweiz, die ja vom Fremdenverkehr abhängig ist
und die infolge der sdilechten Zeiten eine stark vermindert©
Frequenz aufzuweisen hatte. Rußland und Holland schienen am
gei'ingsten von der mißlichen Lage in Mitleidenschaft gezogen zu
•sein. Ob das Jahr 1914 eine Besserung der Verhältnisse bringen
wird, ist zwar sehr fraglich, und hängt vor allem von den Geld-
verhältnissen ab; sollte die Reichsbank den Diskont weiter herab-
setzen, so ist eine Belebung des Geschäftes zu erhoffen.
Die Gesamtlage der Fächerfabrikation war ungünstig. Die
-^lode begünstigte im Jahre 1913 diesen Artikel nicht. Von
allen Arten Fächern war noch der aus Zelluloid hergestellte
Fächer am stärksten vom In- und Auslande gefragt. Berlin, wo
diese Fächer in großer Vollkommenheit hergestellt werden,
muß als Hauptbezugsort bezeichnet werden. In Reklame-
fächiern sind zwar Umsätze erzielt worden, die aber keineswegs
■die Ausfälle deeken können, welche durch den Minderabsatz der
Seiden- oder Straußfederfädher zu beklagen waren. Für die Zu-
kunft scheint ja die Nachfrage besserer Qualitäten in Aussicht zu
stehen, was für die augenblicklich schwach beschäftigte Industria
^u wünschen wäre.
195. Photographische Bedarfsartikel.
Wie die meisten Geschäftszweige, so hat in 1913 auch die Geschäftsgang
3)hlotographi&che Branche empfindlich unter der schlechten poli-
tischen und finanziellen Lage gelitten, insbesondere waren die
letzten vier Monate des Jahres sehr ungünstig, so daß man von
vielen Seiten horte, man hätte noch niemals so s'chlechte Zeiten
gehabt. Daß die stetig wachsenden sozialen Lasten und die letzten
.Steuern hierbei gleichfalls eine Rolle spielen, braucht nicht ge-
sagt zu werden. — Der neue amerikanische Zolltarif scheint für
j)hotographische Bedarfsartikel ziemlich günstige Aussichten zu
bieten; dia Folgen wird man aber erst Ende 1914 übersieh^n
können. — Die Monopolstellung der Eastman Kodak Gesellschaft
ist durch ein gerichtliches Urteil stark erschüttert worden. Sie
verlor einen Patentstreit, von grundlegender Bedeutung und wurde
.zum Herauszahlen des vergangenen und zukünftigen Verdienstes
38*
596
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
Kinemato-
graphie.
Innung.
Bedarfsartikel
für die
Amateur-
Photographie.
verurteilt, den Fachleute auf 25 Mill. $ schätzen. Jetzt schWebt
die Sache vor dem höchsten amerikanischen Gerichtshof.
In der Kinematographie, welche in der photographisdhen
Branche eine so große Rolle spielt, ist ia der letzten Zeit gleich-
falls ein Rückschlag in den Einnahmen eingetreten, teils weil
die Unkosten für Einrichtungen, Ausstattung der Theaterräume,
Steuera usw» immer mehr wachsen, teils wegen einer gewissen,
'Eonomüdigkeit, weil man dem Publikum immer wieder die alten
Sujet® bietet.
Die Fachlphotographen haben sich, um ihre materielle Lage
zu bessern, zu Innungen zusammengeschlossen. Ob diese Abhilfe
schaffen werden, muß die Zukunft lehren. In Fachkreisen
zweifelt man daran, denn die schlechte Lage der Fachphotographen
ist darin begründet, daß sie mittelmäßige Arbeit für hohen Preis,
die AVarenhäuser u. ä.. bessere Arbeit zu einem billigeren Preise
liefern. Wirklich tüchtige, technisch und künstleriseh ausgebildete
Fach^hotographen können über schlechten Geschäftsgang nicht
klagen.
Da Deutschland im Jahre 1917 seine Handelsverträge er-
neuern muß und die photo graphische Industrie zum größten Teil
auf Export angewiesen ist, so wird es der deutschen Regierung
hoffentlich gelingen, durch Herabsetzung ihrer Zollsätze andere
Lande;: zu zwingen, dasselbe zu tun. Jetzt sind viele Länder
der phötographischen Industrie durch Hochschutzzölle so gut wie
verschlossen. Die deutsche ph'otographische Industrie ist so stark
und technisch so auf der Höhe, daß ihr von der Zollf|reiheit
keine Gefahr drohen würde.
Bedarfsartikel für die Amateur-Photographie haben einen
sicheren Kundenkreis gefunden, der sich aus der wohlhabenden
Gesellschaftsklasse zusammensetzt, so daß die Spezialhändler heute
schon mit einem stiändig'eli, zahlungsf äMgen Abnehmerkreis rechnen
können. Wenn auch die Umsätze früherer Jahre nicht mehr er-
reicht werden können, so ist ein fester, wenn auch kleiner Stamm
von Kunden für den Händler gleichwie für den Fabrikanten an-
genehm. Mehr und mehr gewöhnt sich der deutsche Händler photo-
graphischer Artikel daran, seine Bezugsquellen je nach der Art
der Ware zu trennen, d. h. Apparate, Platten, Papiere, Chemika-
lien und sonstige Bedarfsartikel von je einem anderen Fabri-
kanten zu beziehen, eine Gewohnheit, die eine Berechtigung hat,
denn ohne Zweifel erhält der Händler beim direkten Bezug vom
Spezialfabrikanten immer die frischere Ware. Durch diese Ge^
pflogen heit dürfte wohl der Grossist mit der Zeit ausgeschaltet
werden; die Fabrikanten brauchen keine Waren mitzuführen, die
sie nicht selbst herstellen und können sich somit mit gesammelten
Kräften ihrem Spezialartikel widmen.
Die Nachfrage nach besseren Artikeln seitens der Versand-
geschäfte und Warenhäuser läßt noch zu wünschen übrig, was
196. rilmbranche.
597
im Interesse einer gesunden Industrie bedauerlich ist. Der
Spezialhändler wird häufig wider seinen AVillen gezwungen,
billigere Qualitäten mitzuführen, um mit dem Warenhaus einiger-
maßen konkurrieren zu können.
Einen wunden Punkt bedeutet in dem photographischen
Geschäft auch das wenig freundschaftliche Verhältnis einer
Händlergruppe zu den Fabrikanten. Auf das Konto dieser
Verhältnisse ist auch der Import von ausländischen Artikeln
zurückzuführen. Hohe Materialienpreise und gesteigerte Löhne
bildeten auch im vergangenen Jahre ein Zeichen der Zeit.
'Pur den kleinen und mittleren Pabrikanten sind die gesetz-
lichen Maßnahmen für die soziale Pürsorge manchmal eine
sehr empfindliche Belastung seines Unkostenkiontos. Trotzdem'
sind für die sogenannten Massenartikel immerfort fallende Ver-
kaufspreise zu registrieren, einerseits eine Polge der Praktiken
der Warenhäuser, andererseits der herrschenden Ueberproduktion.
Das Exportgeschäft war nicht so lebhaft, Wie früher. — In
Konsequenz unserer Zollpolitik hat sich das Ausland auf unsere,
immerhin schwierigere Pabrikation audh schon eingerichtet, und
der Absatz namentlich nach dem europäischen Ausland wird immer
schwerer; in manchen Artikeln ist er schon ganz unmöglich, in
anderen ist er nur durch' ganz billige Preise zu erzielen. — Bessere
Aussichten bietet nunmehr endlich Nordamerika mit seinen er-
mäßigten Einfuhrzöllen. — Die politischen Wirren im Orient
lasten immer noch wie ein schwerer Druck auf dem Geschäft. —
In den im vorjährigen Berichte geschilderten Verhältnissen
hat sich nichts geändert. Der Absatz in Trockenplatten hat zwar
eine kleine Steigerung erfahren; er könnte jedoch noch bedeutend
höher sein, wenn die Bevorzugung der ausländischen, insbesondere
der englischen Trockenplattenfabrikate in Deutschland zu be-
seitigen wäre. Der Grund dieser Bevorzugung von ausländischen
Pabrikaten ist keineswegs in der Qualität, audhJ nidht in den
Preisen zu suchen, sondern lediglich die Vorliebe für alles Aus-
ländische, welche dem Deutschen im Blute liegt, ist hier als
einzige Ursache zu betrachten. Ein Schutz hierfür könnte nur
durch einen erhöhten Einfuhrzoll geschaffen werden. Bei den in
nächster Zeit beginnenden .Verhandlungen über den Abschluß
der neuen Handelsverträge sollte deshalb der großem Schwierig-
keiten unserer Trockenplattenindustrie auf dem eigenen heimat-
lichen Markte gedacht werden. Die Kreditverh'ältnisse liegen
insbesondere bei der Pachphotographen-Kundsch'aft nach' wie
vor wenig günstig, und es ist auf eine Besserung in absehbarer
Zeit nicht zu hoffen.
196. Pilmbranche.
Berlin ist zu einem Zentrum der Pilmindustrie geworden,
und zwar vor allem, soweit die in den Kinotheatem zur Vor-
Export.
Trocken-
platten,
Wandlungen
in der Film-
branche.
598
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
Filmverleih-
geschäft.
Kinotheater.
führimg gelangenden Bildstreifen (Positivfilms, Filmkopien) in
Betracht kommen. Eine große Anzahl von Filmfabriken hat in
Berlin ihren Sitz. Das investierte Kapital ist sehr bedeutend,,
der Umsatz in Material, Schriftsteller- und Schauspielerlionoraren,
Requisiten, Grehältem und Löhnen außerordentlich hoch. Alle
auswärtigen und ausländischen Fabriken haben hier Zweignieder-
lassungen oder doch Vertretungen. Die Verhältnisse auf dem
Filmlnaikte sind einer fortwährenden Wandlung unterworfen. Zu
Beginn des Berichtsjahres waren noch die sog. „Autorenfilms"
im Schwünge, das heißt Films, deren Handlung von namhaften
Schriftstellern verfaßt oder nach Werken solcher bearbeitet war.
Dann kamen die Schauspielerfilms an die Reihe, bei denen die
Hauptrollen von berühmten Schauspielern gespielt wurden, und
die Ausstattungsfilms, die das Hauptgewicht auf die großartige
Inszenierung legten. Alle die^e Umstände bedingten eine wesent-
liche Erhöhung der Verkaufspreise, so daß die Kinotheater mit
immer größeren Anschaffungskosten zu rechnen hatten. Es kommt
dazu, daß eine Zeitlang Films von großer Länge (2000 m und
mehr), dann wieder kürzere (etwa bis 800 m) bevorzugt wurden^
daß bald „Dramen*', bald „Lustspiele" in besonderer Gunst stehen.
Diese Angaben zeigen, daß das Filmgeschäft kein ruhiges Ge-
schäft ist. Die verschärften polizeilichen Vorschriften hinsicht-
lich der Zensur, der Sicherheit in den Theatern, der Zulassung
Jugendlicher usw. tragen gleichfalls dazu bei, das Geschäft zu
erschweren. Auch kann man sagen, daß eine gewisse Ueber-
produktion eingetreten ist, weil die Theaterbesitzer nach Mög-
lichkeit sparen und deshalb den einzelnen Film möglichst lange
ausnützen. Andererseits ist festzustellen, daß die Aufnahme-
technik glänzende Fortschritte gemacht hat. Ob die Verbindung
von Kinematograph und Sprechmaschine, das heißt von Bild
und Wort, die daran geknüpften Hoffnungen verwirklichen wird,
bleibt abzuwarten; für die Industrie als solche fällt sie vorläufig
nicht ins Gewicht.
Das Verleihgeschäft konzentriert sich mehr und mehr in
einigen Firmen. Verleiher sind diejenigen, die von den Fabriken
die Films kaufen, um sie dann ihrerseits an eine Älehrzahl von
Kinotheatern gegen Leihgebühren zu verleihen. Die hohen An-
schaffungskosten haben es mit sich gebracht, daß die Leihgebüh-
ren für sog. „Schlager"- oder ,, Monopol' '-Films zum Teil eine be-
denkliche Höhe erreicht haben.
Die Kinotheater endlich haben, wie schön erwähnt, schwer
zu kämpfen, da einerseits die Ausgaben für Films, Steuern, Mie-
ten, Gehälter, Reklame usw. steigen, andererseits die Einnahmen
durch Steuern, polizeiliche Vorschriften, Verriagerung der Platz-
zahl, Beschränkung des Besuches Jugendlicher usw. stark be-
schnitten werden. Die Zeiten der großen Gewinne sind vorüber.
Neugründungen ohne beträchtliches Kapital sind von vornherein
196. Filmbranche.
599
aussichtslos. Zahlreiclie Kinotheater mußten geschlossen werden,
zumal da „gutes'' AVetter für sie schlechtes Geschäft bedeutet.
Die Bestrebungen, das Kinotheater im Durchschliitt zu einer
Stätte guter Unterhaltung und Volksbildung, zu einem Kultur-
faktor schlechthin zu machen, haben im großen und ganzen keinen
Erfolg gehabt. Zu diesem Zweck hätten Schriftsteller, Fabriken,
Kinobesitzer, Publikum und Presse einmütig zusammenarbeiten
müssen. Es war aber noch nicht möglich, so viele divergierende
Interessen unter einen Hut zu bringen.
Die Kohfilmfabrikation in Berlin macht Fortschritte. Das
bisherige Monopol einer ausländischen Firma wird mehr und mehr
durchbrochen. Die Verwendung unentflammbarer Films, die in
mehreren anderen Ländern gesetzlich vorgeschrieben ist, um eine
wesentliche Gefahrenquelle zu beseitigen, tritt schon bemerkbar
iji die Erscheinung.
Der Export ist sehr beträchtlich, allerdings viel geringer
als der Import ausländischer Films, für den besonders Frank-
reich, Italien, Dänemark und Amerika in Betracht kommen. Die
englisch sprechenden Länder verlangen eine bestimmte Ge-
schmacksrichtung; in Frankreich bestehen erhebliche nationale
und zollpolitische Schwierigkeiten. Es ist nicht zu verkennen,
daß das deutsche Publikum fremdländische Fabrikate viel kritik-
loser aufnimmt, als das fremdländische Publikum deutsche
Fabrikate.
Da aber in dem ganzen Geschäftszweige unter Anspannung
aller Kräfte und Energie gearbeitet wird, so dürfte er auch
weiterhin einen wichtigen Faktor im Berliner Geschäftslebeto
darstellen.
Das Jahr 1913 kann für die Fabrikation der photographisichen
Karten, Passepartouts und Bildaufmachungen im großen und
ganzen als günstig bezeichnet werden, obgleich der Verlauf der-
selben kein gleichmäßiger war. Während in der ersten Hälfte
der Berichtsperiode die Umsätze erfreulicherweise eine Steigerung
erfuhren, schwächte sich in den letzten Monaten das Geschäft ab.
Der deutsche Markt erwies sich als recht aufnahmefähig. Der
Export nach den überseeischen Ländern war befriedigend. Die
Ausfuhr nach den Balkanstaaten, Oesterreich-Ungarn und Italien
ließ aus bekannten Gründen zu wünschen übrig. Die Preise der
Rohstoffe und Materialien zeigten nur geringe Veränderungen.
Das Verhältnis zu den Arbeitern war gut.
197. Spielwaren.
Die allgemeine Abwärtsbewegung in Industrie und Handel
hat auch den Spielwarenhandel nicht verschont; waren die Ge-
schäfte in der ersten Hälfte des Jahres 1913 noch leidlich zufrieden-
stellend, so hat die Hauptsaison einen großen Rückschlag gegen
das Vorjahr gebracht. Es ist ziemlich sicher, daß die Umsätze
600
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszwei«?e.
Engros-
geschäft.
Export.
gegen das Vorjahr um 10 o/o zurückgeblieben sind, und da die
IJnbosten niclit nur die gleichen, sondern auch höher als im
Vorjahre waren, so ist der Mindererlös für diese Branche, die
ja nur eine Saison hat, also ein ganzes Jahr Warten muß, um sich
„möglicherweise" wieder erholen zti können, sehr fühlbar ge-
wesen. Die Zahl der Käufer ist, wenn auch nicht die gleiche,
doch ziemlich dieselbe geblieben, die einzelnen Käufe waren aber
im Wert erheblich kleiner als im Vorjahr, ganz besonders fiel auf,
daß der Mittelstand im Kauf sehr zurückhaltend war.
Die Ungunst der Konjunktur zeigte sich schon beim Oster-
geschäft, das als schwach zu bezeichnen war. Besonders wurden
iOsterartikel in höherer Preislage weniger gekauft. Auch die
Hoffnung auf ein günstigere^ Sommergeschäft erfüllte sich niöht,
da außer den bestehenden ungünstigen politischen Verhältnissen
die Ung'unst des Wetters lähmend ;auf das Geschäft einwirkte.
Die speziellen Sommerartikel fanden nicht den genügenden Ab-
satz, sondern ein gut Teil verblieb auf Lager. Die Herbstmonate
verliefen in gleich unbefriedigender Weise. Die Erträgnisse des
"Vorjahres wurden nur ausnahmsweise erreicht.
Dias Engrosgeschäft litt unter gleicher Ungunst der Ver-
hältnisise. Nur diejenigen Firmen, die ein reich und gut
assortiertes Lager unterhielten, kamen einigermaßen auf das Re-
sultat des Vorjahres, da ihnen Aufträge von Firmen zufielen,
die iji günstigeren Zeiten ihren Bedarf direkt bei den verschiedenen
Fabrikanten eindeckten. Der Grossist bietet diesen Firmen die
Vorteile einer besseren Eiuschränkungsmöglichkeit und eventuell
auch Einräumung günstigeren Kredites'.
Der Absatz nach dem Auslande ist ebenfalls das ganze Jahr
ü,ber schwach gewesen. Die Einkäufer aller Länder, besonder^
auch von Amerika, zeigten sich in der Erteilung von Aufträgen
zurückhaltend. Amerika zeigte erst in letzter Zeit günstigere
Stimmung. England hatte noch die meiste Kauflust. Das Geschäft
nach dort kann fast als nornial bezeichnet werden, in Puppen
sogar als gut. Der Umsatz mit Frankreich ist infolge der un-
fgünstigen Zollverhältnisse Und der chauvinistischen Anfeindung
aller deutschen Waren weiter stark zurückgegangen.
Die Fabrikation nahm einen normalen Verlauf. Da ein großes
Drängen um Ware nicht bestand, konnten die Aufträge recht-
izeitig und ohne besondere Störung durch Arbeiterverhältnisse
erledigt werden. Nur eine Puppenwagenfabrik in Brandenburg
wurde infolge eines im Sommer eingetretenen Streiks in ihrer
Lieferung stark beeinträchtigt, wodurch auch Berliner Firmen
Schaden erlitten. Die Preise hielten sich bis zuletzt auf dem
Stande des ^^orjahres.
Zum Lobe der Spielwarenindustrie sei gesagt, daß diese
in einer langen Reihe von Jahren, anfangend zu Ende des ver-
198. Verbandstoffe. 601
igaaigeneii Jahrhunderts, viel Fleiß und Intelligenz zur Schaffung
von Neuheiten aufgewendet hat. Auch hat sie alten bewahrten
Spielzeugen durch Formvollendung und praktische Verbesserungen
zu neuem Leben verholfen. Neue Großbetriebe entstanden, die
sich die Fortschritte der Technik zu eigen machten, viel An-
ziehendes schufen und dazu beitrugen, einen ungeahnten Auf-
schwung und Kaufreiz auf dem gesamten Spielwarengebiete' her-
beizuführen. Erst in den letzten Jahren war hierin eine are-
wisse Abspannung zu bemerken. Das laufende Jahi: aber brachte
fast gar nichts Neues. Es wäre wünschenswert, daß das allgemeine
Sinken der Konjunktur und das Nachlassen des Beschäftigungs-,
gradcij? in einzelnen Betrieben wieder allgemeinen Anreiz zur
Schaffung von Neuheiten und hervorragenden Artikeln geben
würde und das Gesamtgeschäft hierdurch wieder besseren Auf-
schwung erhielte. Nicht nur für die Weihnachtszeit, sondern be-
sonders auch für das laufende Jahr und speziell für den Sommer
fehlt es an geeigneten Zugartikeln. Die Leipziger Frühjahrsmesse,
die ein getreues Bild des jeweiligen Standes der Fabrikation gibt,
enttäuschte in dieser Beziehung gänzlich. Es fehlte jegliche An-
regung zur Belebung des Geschäfts.
198. Verbandstoffe.
Die Nachfrage nach Verbandstoffen war während des Be-
richtsjahres 1913 im allgemeinen sehr lebhaft und der Umsatz
stieg, ohne daß die deutsche Verband-Branche an dem Orientn
krieg nennenswert beteiligt gewesen war. Aber so übereinstim-
mend aus allen Kreisen der Branche das Urteil über regeren Ge-
schäftsverkehr ist, ebenso allseitig ist das Bedauern, daß der
Gewinn nicht den erhöhten ,Umsä,tzen entsprach. Die Hoffnungen
auf Preisrückgang, die man an die diesjährige Baumwollernte
knüpfte, haben sich nicht erfüllt. Es muß leider immer mehr
mit der Tatsache gerechnet werden, daß die diesjährige Bauna-
wollernte klein sein wird und daß namentlich die gute lang-
stapelige Baum\volle, die zur Herstellung von Verbandstoffen
verwendet wird, außerordentlich selten ist und daß infolge der Un-
zureichenden ^^ersorgung des Marktes die Baumwollpreise noch
weiter steigen werden. — Als ein Erfolg der fortgesetzten 'Be-
mühungen seitens der ,, Vereinigung der Verbandstoff -Fabrikan-
ten" kann die erfreuliche Tatsache bei deni Bericht 1913 kon-
statiert werden, daß die Stadt Berlin sich endlich dazu entschlossen
hat, den Hauptteil ihres Verbandstoff-Bedarfs — Tupfenmull und
Bindenmull — für ihrestädt. Krankenanstalten Berliner Fabrikan-
ten zuzuwenden und nicht, wie stets bisher, auswärtigen Liefe-
ranten. Belangreiche Aenderungen in bezug auf das Uebersee-
Geschäft waren nicht zu verzeichnen. ImUierhin. muß aber wieder
betont werden, daß die hohen und soh'wierigen Zoll- und Paß-
Verhältnisse Dänemarks, Schwedens und Norwegens das Geschäft
602 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
dorthin fa^t illusorisch ma<ihen. Die Löhne waren hoch, die Ar-
beitskräfte gesucht.
Turmuhren.
Taschenuhren,
199. Uhren.
Unruhigö politisiche Lag-e, sohlechte Greldverhältnisse und sehr
jungüBstigier Baumarkt, eins durchJ das andere bedingt, wirkten
zusammen auf den Absatz von Turmuhren ungünstig ein, so daß
das Gieschäft bis gegen Mitte des Jahres söhleppend genannt
werden muß. Besonders unbefriedigend war das Exportgeschäft,
da die Balkanländer als Abnehmer gar nicht, die meisten anderen
europäischen Staaten nur in stark vermindertem Maße in Frage
kamen. Erst ab Juli setzte eine Besiserung ein, die sich bis zu
recKt flotter Beschäftigung" steigerte und zurzeit noch anhä,lt,
ohhe allerdings zu gewährleisten, daß die Ausfälle des ersten
Halbjahrs w^ieder eingeholt werden. Auf die Preise hat die rück-
sichtslose Konkurrenz einiger Provinzfirmen stark eingewirkt,
so daß sie wenig lohinend sind; ein Wunsch der Berliner Turm-
uhrenfabrikanten geht deshalb dahin, daß für Groß-Berliner
Objekte prinzipiell nur Groß-Berliaer Firmen zugelassen und die
diesbezüglichien Bestimmungen der einzelnen Gemeindevorstände
einheitlieher und genauer festgelegt werden möchten. — Die Aas-
sichten für das kommende Jahr können als günstig bezeichnet
werden, da die regere Bautätigkeit der meisten Behörden und für
den Export die bessere politisidhe Lage die recht erwünschte Be-
lebung deg Geschäftes herbeizuführen versprechen.
'Der Handel mit Taschenuhren gestaltete sich noch ungünstiger
als im Jahre 1912. Besonders' in besseren Stücken — feinen
Gienfer und Glashütter Uhren — ließ der Umsatz sehr zu wünschen
übrig. Das Weihnachtsgeschäft gestaltete sich zwar etwas leb-
hafter, konnte jedoch den im Laufe des Jahres entstandenen
großen; Aasfall nicht wieder gut machen. — Verhältnismäßig
rege war der Umsatz in Armbanduhren, welche als Modeartikel
leider schon in den allerbilligsten Qualitäten auf den Markt ge-
bracht wurden. Der Verkauf von Haus- und Zimmeruhren ließ
zu wünschen übrig. — Das Geschäft für den kleinen Uhrmacher
wird von Jahr zu Jahr trostloser, weil ihm durch die Waren-
häuser und Versandgeschäfte der Verkauf von Taschen- bzw.
Großuhren vollständig genommen wird. Die am 1. April 1912
gegründete Uhrmacher-Z^vangsinnung Groß-Berlüi, die von An-
fang an unter dem Unfrieden der Mitglieder zu leiden hatte,
ist am 1. Juli 1913 wieder aufgelöst worden. Eine Anzahl Innungs-
freunde haben sich am 1. Oktober 1913 wieder zu einer freien
Inmmg zusammengeschlossen. Die beiden großen deutschen Uhr-
m.aühei verbände, der Verband deutscher Uh!rmacher und der
deutsdie Uhrmacherbund, die jahrelang in arger Fehde nebenein-
ander bestanden, haben endlich Frieden geschlossen. — Das Yer-
200. Wissenschaftliche Instrumente.
603
hältnis mit den Gehilfen war ungetrübt; die von letzteren
beanspruchte neunstündige Arbeitszeit ist vielfach bewilligt
worden.
200. Wissenschaftliche Instrumente.
Das Geschäft in meteorologischen Instrumenten war im Jahre
1913 bis Oktober durchweg zufriedenstellend. Die Nachfrage und
Besinnungen von seiten der Interessenten waren sehi" lebhaft und
ebenso wurden auch gute Abschlüsse mit der Regierung und den
Behörden gemacht. Die Ueberseelieferungen waren in diesem
Jahre nicht sehr stark, aber immerhin noch hinreichend. Lohn-
bevv'cgungen, Streiks usw. waren nicht zu verzeichnen.
Während des Jahres 1913 sind die Verhältnisse in der
Branch'd der physikalischen Instrumente so ziemlich die gleichen
geblieben wie im vorigen Jahre, das heißt, die einzelnen Be-
triebe waren im allgemeinen gut beschäftigt. Die Bezugs- und
Absatzverhältnisse sind gleich gute gewesen, dagegen haben sich
die Preise für ItohmaterialienL ebenso wie auch die Arbeitslöhne
wiederum, wenn aucli nur um geringes, gesteigert, so daß sich
ein größerer Teil der Firmen veranlaßt gesehen hat, Preis-
erhöhungen für den Verkauf eintreten zu lassen. — Streiks oder
Lohlibewegungen haben während des verflossenen Betriebsijahres
nicht stattgefunden.
Dagegen wird nach wie vor darüber geklagt, daß die
Zollverhältnisse nach Rußland, Oesterreich, vor allen Dingen
aber nach Frankreich, erhebliche Schwierigkeiten beim' Absatz
verursachen und infolgedessen wohl auch ein gewisser Rück-
gang des Exports, speziell nach Frankreich, zu bemerken
war. — Ferner muß darauf hingewiesen werden, daß ebenso wie
dio anderen Branchen auch die Präzisionstechnik seitens der
staatlichen und städtischen Behörden insofern nicht genügend ge-
s'diützt wird, als letztere sich noch immer nicht dazu bereiti
finden lassen, bei Anschaffung von Instrumenten für Schulea
und sorstige Institute dafür zu sorgen, daß die entsprechenden:
Instrumente seitens der Komlnissionäre an Ort und Stelle gekauft
werden, sondern häufig aus anderen Städten, wenn nicht sogar
aus anderen Ländern, bezogen werden, trotzdem die heimische
präzisionsmechanische und optische Industrie einen außerordent-
lich leistungsfähigen Stand erreicht hat. Ob der gute Geschäfts-
gang auch für das neue Jahr anhalten wird, erscheint insofern
zweifelhaft, als einige Firmen jetzt schon über nicht mehr ge-
mügend vorliegende resp. einlaufende Aufträge zu klagen haben.
Ferner ist im allgemeinen trotz des vielfach höheren Umsatzes
nicht immer ein entsprechend hoher Gewinn erzielt worden.
Denn oft war es notwendig, die Betriebe mit Maschinen und
sonstigen Einrichtungen auszurüsten, um mit größeren Firmen,
Export-
604
XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweisre.
Chirurgie-
Instruraente,
medizinische
Geräte,
medizinische
Apparate,
Krankenhaus-
Einrichtungen.
Export
vor allen Dingen im Auslande mit englischen und französisclien
Firmen, konkurrieren zu können. Stark beschäftigt sind zu-
nächst noch die Betriebe für die Eabrikation von streng wissen-
sdhaftlicheiL und elektromedizinischcn sowie auch kriegstechnischen
Apparaten, und die Spezialfirmen müssen für die Herstellung
dieser Instrumente augenblieklidh! noch in 2, sogar 3 Schichten
arbeiten.
Der Absatiz in ärztlichen Instrumenten bewegte sich in dem
ungefähren Umfange des Vorjahres. Inlandabsatz und Export
zeigten die gleichen Zahlen. Etwas erhöhtes Interesse bestand
seitens der Balkanländer für Sanitätsmaterial. Die Aufträge
konnten aber immer nur mit einer gewissen Vorsicht ausgeführt
werden; Eegierungsaufträge wurden nur zögernd erteilt. Das
Privatgeschäft nach dem Balkan hatte während der Kriegswirren
etwas nachgelassen. Der Ausfall wurde aber durch Staatsauf-
träge wieder gedeckt. — Für die deutschen Heereskontingente
wurde die Beschaffung eines neuen Modells „Heeres-Kranken-
trage" verfügt. Die Lieferungsvergebung erfolgte auf Grund
beschränkter Verdingungen. Die Verdingungsresultate können als
Submissionsblüten bezeichnet werden. Das höchste Grebot über-
traf den niedrigsten Bieter im Preise um annähernd das Dreifache.
Eine in der Branche angestrebte Konvention zur Besserung der
Preise für Chirurgie-Instrumente scheint an widerstrebenden Mei-
nungen und an Uneinigkeit zu scheitern. — In den südamerika-
nischen Republiken machte sich der nordamerikanische Einfluß
sehr stark bemerkbar. Die Ausfuhr nach Frankreich war ia-
folge des rigorosen Zolltarifs gleich Null, während anderseits!
der deutsche Arzt immer noch eine Vorliebe für gewisse fran-
zösischa Instrumente besitzt, die zu uns unter wesentlich gün^
stigeren Zollbedingungen hereiakommen.
201. Schilderfabrikation.
Allgemeines. Die Schildcrfabrikation hat in diesem Jahre gegen das Vor^
jähr wiederum um nicht unbedeutendes nachgelassen. Der Grund
dafür ist in der verminderten Bautätigkeit zu suchen sowie darin,
daß Neueinrichtung von Geschäften in geringer Zahl stattgefunden
haben. Die Preise der Materialien hielten sich wie im Vorjahre
auf gleicher Stufe. Die Arbeitslöhne sind durch den diesjährigen
Streik der Malergehilfen erhöht worden, dagegen hielten die Ver-
kaufspreise der fertigen Schilder nicht Schritt und sind immer
noch sehr gedrückt. Die Brauereien, welche immer noch große
Besteller waren, haben auch in diesem Jahre mit Aufträgen sehr
zurückgehalten und für den Ausfall ist Ersatz nicht ^u erlangen
gewesen. Eine Besserung ist nicht zu erwarten, die xlussichten
sind sehr trübe.
201. Schilderfabrikation. 605,
Die ungünstige Lage des Weltmarktes hat die Massenfabri- Fabrikation
kation von Schildern naturgemäß ungünstig beeinflußt. Die Hoff-
nungen, die gegen Ende 1912 durch Aufflackem regeren Bedarfes
für 1913 hervorgerufen waren, sind nicht in Erfüllung gegangen,
OSfoch zu Anfang des Berichtsjahres war die ^N" achfrage eine relativ
rege und auch die eingehenden. Bestellungen ließen nickt erkenuen,
Idaß sich ein so starkes Abflauen des Marktes Vorbereitete. Doch
setzte im zweiten Drittel des Jahres ein Jagen nach Aufträgen,
mit unsinnigen Preisunterbietungen ein ; von da ab wurde der Ein-
gang von Aufträgen geringer, diese durchschnittlich kleiner, und
der langsame Bückgang tritt auch noch gegen Ende des Jahres in
Erscheinung. — Beängstigend wäre diese nicht, denn es ist nicht
zu erwarten, daß die Schilderbranche, die wie keine andere von
dem guten oder schlechten Gresckäftsgang aller Branchen ab-
hängig ist, in schleckten Geschäftszeiten gut beschäftigt sein
sollte. Beängstigend aber waren die vernunftslosen Preisunter-
bietungen, die schließlich zum Euin einzelner Firmen führten.
Diese ungenügenden Verhältnisse wollte man durch Zusammen-
schluß zu einer Preiskonvention beseitigen. Aus dem hierzu
auffordernden, ziemlich umfangreichen Bundschreiben seien zwei
Stellen angeführt, welche die Lage der Branche treffend kenn-
zeichnen : „Sind uns doch Angebote bekannt, bei denen wir bei
Nachkontrolle konstatierten, daß wenig mehr als der 'Tagespreis des
Metalls erzielt wurde. Diese absurden Fälle mögen manchmal
auf Kalkulationsfehler zurückzuführen sein, doch sind sie z;u
häufig, um immer diese Entschuldigung gelten lassen zu können.
Es mag auch sein, daß verschiedene Betriebe nicht von Kauf-
leuten, sondern von Technikern geführt werden, die die allge-
meinen Betriebsunkosten, Amortisationen der Maschinen usw. nicht
rechnen oder überhaupt ohne Rücksicht auf die eigenen Verhält-
nisse sich damit genügen lassen, die Preisliste des größeren und
maßgebenden Konkurrenten einfach zu unterbieten. Die größe-
ren Konsumenten wissen heute sehr genau, daß die Preise nickt
dem richtigen Stand der Verhältnisse angepaßt sind, und nützen
leider diesen Uebelstand mit entsprechender Bücksich tslosigkeit
aus." "Wie weit die Bemühungen, eine Besserung auf dem Wege
der Konvention herbeizuführen, Erfolg haben werden, läßt sich
vorläufig nicht übersehen.
Die Produktionsverhältnisse haben sich' nicht wesentlich ver-
ändert. Es wird immer wieder mit Erfolg nach Verbesserungen
und Ersparnissen gesucht. Vielfach ist man zum elektrischen
Betrieb übergegangen, auch andere Vorteile praktischer Erfah-
rung werden ausgenutzt aber weder diese, noch die besten Ma-
schinen und Arbeitskräfte können, wie gesagt, die niedrigen Preise
ausgleichen. Die Materialpreise haben sieht gegen das Vorjahr
kaum verändert. Das Absatzgebiet erreicht von Jahr zu Jahr
größere Ausdehnung.
606 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
202. Stempelfabrikation.
Das Jahr 1913 begann in der Stempelfabrikation mit einer
normalen Entwicklung und konnte in den ersten Monaten als gut
bezeichnet werden. Infolge des Balkankrieges und der hierdurch
hervorgerufenen allgemeinen schlechten Greschäftslage verringer-
ten sich die Aufträge jedoch sehr, so daß in den Sommermonaten
das Geschäft direkt schlecht war. Auffallend gingen speziell
die Berliner Aufträge zurück. Auch an dem Angebot vieler
stellungsloser Graveure war zu ersehen, daß es ebenfalls in ande-
ren Städten an Arbeit man.gelte. Der Verbandstag der Stem-
pelfabrikanten tagte wie früher im Juli in Leipzig und war mit
einer Fachausstellung verbunden. Anläßlich dieser Verhandlun-
gen wurde wieder als Hauptfrage die Regelung resp. Festsetzung
von einheitlichen Preisen beraten, aber auch in diesem Jahre
nur mit dem Erfolg, daß eine Kommission zur Ausarbeitung ent-
sprechender Satzungen gewählt wurde. Die im vorigen Jahxe
allgemein angenommene Preiserhöhung von 10 o/o wurde von den
meisten Firmen innegehalten, doch konnte man auch wahrnehmen,
daß viele Firmen, um Aufträge zu erhalten, wieder mit den frühe-
ren billigen Preisen und noch niedrigeren Preisen offerierten.
Von Streiks und Lohnbewegungen ist die Industrie verschont
geblieben. Die Materialpreise behielten ihre Höhe wie im Vor-
jahre. Aussicht auf Besserung der Geschäftslage ist vorhanden.
203. Christbaums chmuok.
Auch das Geschäftsjahr 1912/13 entw^ickelte sich für Christ-
baumschmuck gegen das Jahr 1911/12 durchaus nicht günstiger,
da die große Arbeitsnot und die allgemeine Teuerung noch immer
schwer auf dem Volke lasteten und dessen Ausgaben auf das
allernötigste beschränkten. Da ferner der Haupteinkauf des Ar-
tikels Christbaumschmuck in den ersten Monaten des Jahres statt-
findet, wurde der Absatz durch die damals herrschende Angst vor
kriegerischen Verwicklungen stark beeinträchtigt, und dieser Aus-
fall wurde auch im Laufe des Jahres nicht durch lebhaftere Be-
stellungen ausgeglichen. Ebenso hatte der Artikel Christbaum-
schmuck als eine spezifisch germanische Sitte schon zu Weih-
nachten 1912 außerordentlich unter dem polnischen Boykott in
den Ostmarken sowohl, als auch in Russisch- und Oesterreichi^ch-
Polen zu leiden. Es blieben große Lager zurück, so daß die be-
treffenden deutschen, wie polnischen Geschäftsfreunde für 1913
keine Einkäufe vornahmen. Alles zusammengefaßt, läßt sich das
Geschäftsjahr 1912/13 als recht ungünstig registrieren, und es
wäre zu hoffen, daß sich das nächste Jahr besser gestalten möge.
Ueber die Regulierungen muß leider auch sehr geklagt
werden; Skontierungen sind Seltenheiten geworden, die meisten
Kunden nutzen das Ziel aus, und Mahnungen und Klagen waren
an der Tagesordnung.
203. Christbaumschmuck.
607
Die erzielten Umsätze auf der Leipziger Vormesse standen
auch unter dem Zeichen der Krieg-sgefahr und blieben ganz be-
deutend gegen das Vorjahr zurück. Ebenso war die Herbstmesse
schlecht nennen, obgleich man durch die Verkäufe der Michaelis-
messe noch niemals verwöhnt worden ist.
Der Besuch der Berliner Musterausstellung ließ gegenüber
früheren Jahren viel zn wünschen übrig. Auslandseinkäufer waren
nur wenige hier, und diese schränkten noch ihren Bedarf bedeu-
tend ein. Die Kundschaft von Groß-Berlin war gleichfalls sehr
zurückhaltend; alles klagte über schlechten Greschäftsgang, und
viele alte, treue Kunden ließen den Artikel ganz eingehen mit der
Begründung, das Publikum wäre nicht in der Lage, G^eld für
Luxus-Artikel auszugeben, wenn für Nahrungsmittel usw. schon
solche hohen Preise zu zahlen seien.
Die Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika
war besser als das Jahr zuvor. Nach Britiscli-Norjd-Ameriika
(Kanada) dagegen machte die Einfuhr nur verhältnismäßig lan,g-
same Fortschritte, was wohl darauf zurückzuführen sein dürfte,
daß der Artikel Christbaumschmuck dort noch zu wenig einge-
führt ist. Auch weist die Statistik einen geringeren Aufstieg
des Exportes nach Süd-Amerika auf. Trotzdem ist der Gesamt-
umsatz nach diesem Kontinente gegen frühere Jahre zurückge-
blieben. Die Ausfuhr nach England, Skandinavien, Rußland und
der Schweiz war ungefähr die gleiche wie im vorigen Jahre,
dagegen blieben Oesterreich und Italien infolge der Kriegsgefahr
gegen 1912 zurück. Die Balkanstaaten fielen natürlich fast ganz
aus. Der Umsatz nach Frankreich geht immer mehr infolge
der Zollschikanen dieses Landes zurück, und dürfte hier das
Eingreifen der maßgebenden Stellen bzw. Behörden sehr wün-
schenswert erscheinen. Die Nachfrage nach dem Artikel Christ-
baumschmuck aus Frankreich war größer als früher, nicht allein
die aus den großen Städten, sondern auch die aus kleineren;
Plätzen, und nur die großen Zollschwierigkeiten halten die Inter-
essenten von Nachorders in diesem Artikel zurück. Die Eegu-
lierungen des Auslandes erfolgten bis auf Amerika und Eng-
land, deren Zalüungs weise ziemlich prompt zu nennen ist, im
allgemeinen schlecht. Besonders die Regulierung Rußlands
läßt sehr viel zu wünschen übrig, und die Verhältnisse
haben sich in dieser Beziehimg gegen den vorjährigen'
Bericht auch um nicht« gebessert. Infolge des Balkankrieges er-
folgte auch die Regulierung Oesterreichs recht schleppend ; wieder-
holt konnte nur mit Klage das Guthaben eingebracht werden,
wie auch namhafte Konkurse verbucht werden mußten.
Bezüglich der Löhne und Unkosten hat sich gegen das Jahr
1911/12 nichts geändert; die Teuerungsverhältnisse bringen
naturgemäß eine immer größere Belastung dieser Kontis, was
Leipziger
Messe.
Berliner
Musterlaser.
Export.
Löhne
und Unkosten.
Scheiben.
608 XV. Verschiedene Industrie- und Handelszweige.
auf die Fabrikate wirkte und das ganze Geschäft erheblich
erschwer te.
204. Schmirgelfabrikation.
Die Befürchtungen des vorigen Jahres h.aben sich in der
Schmirgelfabrikation leider voll und ganz bestätigt. Die un-
günstige Lage des Baumarktes, die Schwierigkeiten der Gneldve^
hältnisse und die allgemein abflauende Konjunktur veranlaßteii,
daß die Umsätze des vorigen Jahres durchschnittlich nicht ei^
reicht wurden, und wenti dieses der Fall war, so geschah es auf
Kosten der erzielten Preise. Namentlich die Provinzreise wurde
immer Schwieriger, weil die bess-eren Handwerker zum Teil ihre
Arbeitskräfte entließen und mittlere Betriebe zeitweise ganz ein-
gestellt wurden. Dabei mußten für Leim wesentlich höhere Prei
angelegt werden, und auch der Baumwollmarkt zeigte in de^
^Monaten September/Oktober eine starke Aufwärtsbewegung. Für
diese Mehrkosten in der Fabrikation war eine entsprechende
Steigerung der Verkaufspreise nicht durchführbar. — Die Ur-
sprungsländer des Schmirgels sind durch die Kriege in ihrer
Leistung sehr zurückgegangen, und, nachdem der Streik auf der
Lasel Naxos größere Dimensionen angenommen hatte, konnte man
wohl von einer vollständigen Einstellung des Importes von Naxos-
schmirgel sprechen,
schmügei- Die Schmirgclscheibenfabrikation mußte Corundum und
Kunstschmirgel verarbeiten. Diese Bohmaterialien aber sind so
teuer, im Verhältnis zum Naturschmirgel, daß auch hier die
Verdienste stark zurückgingen. Durch die Verwendung vorge-
nannter Materialien und durch die notwendige Preissteigerung
der Schmirgelscheiben wurde andererseits denjenigen Firmen Vor-
schub geleistet, welche infolge amerikanischer Vertretungen ihren
ganzen großen Einfluß immer wieder aufwandten, um ihren deut-
schen Abnehmern klar zu maclien, daß den amerikanischen Fabri-
katen auch in Deutschland der Vorzug zu geben sei, obgleich
sie bedeutend teurer vom Konsumenten bezahlt werden müssen.
[Wenn nun noch' die in diesem Jahr neu hinzutretende Be-
lastung der Industrie durch die Angestelltenversicherung usw.
berücksichtigt wird, so ist es erklärlich, daß dieser Industrie-
zweig Fleiß und alle Kräfte einsetzen muß, um einigermaßen zu
einem brauchbaren Resultate zu kommen. — Arbeitskräfte Avaren
genügend zu haben, und Streiks waren nicht zu verzeichnen.
Paß & Garleb G, m. b. H., Berlin W. 57.
0
1
HF Berliner Jahrbuch für Handel
308 und Industrie
B47
1913
Bd. 2
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